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GFS „EUTHANASIE“

1 DAS EUTHANASIEPROGRAMM IM 3. REICH


Noch bevor die deutsche Wehrmacht am 1. September 1939 Polen überfiel, hatte das NS-Regime die Weichen für eine erste Mordaktion
gestellt. Aber anders als nach der Pogromnacht vom 9. November 1938 zu vermuten, waren nicht jüdische Bürger die Opfer. Vielmehr
sollten kranke und behinderte Menschen, die bereits an den Rand der "Volksgemeinschaft" gedrängt worden waren, systematisch getötet
werden.

1.1 BEGRIFFE:
1.1.1 WAS IST EUTHANASIE?
I. Aus dem Griechischen: Schöner, verfrühter Tod
II. Bedeutung in der Medizin
a. Erleichterung des Sterbens, besonders durch Schmerzlinderung mit Narkotika
b. absichtliche Herbeiführung des Todes bei unheilbar Kranken (Tieren) durch Medikamente oder durch Abbruch der
Behandlung
III. In Deutschland
c. Ersetzung des Begriffs Euthanasie durch den Begriff der Sterbehilfe aufgrund der negativen Assoziation mit dem
systematischen Massenmord an Menschen mit Behinderung oder psychischen Krankheiten

1.1.2 WAS IST EUGENIK?


I. Aus dem Griechischen: von edler Abstammung
II. Bedeutung: Lehre von der Verbesserung des biologischen Erbgutes des Menschen

1.2 NS-PROPAGANDA
1.2.1 NS-RASSENPFLEGE
I. Erstreben der arischen Rasse:
a. Blond, blauäugig, tatkräftig und treu.
II. Idee der sog. Rassenpflege:
a. Vermehrung „wertvollen“ Erbguts fördern, durch soziale Unterstützung von „erbgesunden“ Familien.
b. Ausschluss von psychisch Kranken und sonstige „Untüchtigen“ von sozialer Fürsorge

1.3 DAS SYSTEMATISCHE MORDEN


• Ideen Hitlers:
a. „Die Beseitigung von 700.000 – 800.000 der Schwächsten von einer Million Neugeboren jährlich bedeute eine
Kräftesteigerung der Nation und keinesfalls eine Schwächung.“
b. „Ich suche die unheilbar Geisteskranken zu beseitigen und zwar spätestens im Falle eines künftigen Krieges.“
• Mindestens 260.000 nachweisbare Todesfälle während des Euthanasieprogramms – Die Dunkelziffer liegt maßgeblich höher
• Differenzierung des Mordens in:
a. Kinder-„Euthanasie“ von 1939 bis 1945
b. Erwachsenen-„Euthanasie“ von 1939 bis 1945
1) „Aktion T4“, die zentralisierten Gasmorde von Januar 1940 bis August 1941
2) Dezentralisiert durchgeführte aber teilweise zentral gesteuerte Medikamenten-„Euthanasie“ oder Tötung durch
Unterernährung von September 1941 bis 1945
3) Invaliden- oder Häftlings-„Euthanasie“, bekannt als „Aktion 14f13“ von April 1941 bis Dezember 1944

1.3.1 GRUNDSTEINLEGUNG
Verschlechterung der Lebensbedingungen Schwacher, Kranker und Behinderter

Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses

32 weitere Gesetze zur „Rassenhygiene“

Gründung des „Reichsausschusses für den Volksgesundheitsdienst“

Gesetz zur Vereinheitlichung des Gesundheitswesens

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1.3.2 KINDEREUTHANASIE
• Einleitung der gezielten Morde
• Ärzte, Krankenschwestern und Hebammen waren verpflichtet, bei Missgeburten den „Reichsausschuss zur wissenschaftlichen
Erfassung erb- und anlagebedingter schwerer Leiden“ zu informieren.
• Über deren Schicksale entschieden Gutachter per Meldebogen, teilten die Kinder in drei Kategorien ein:
o - „keine weiteren Maßnahmen“,
o B „Beobachtung“, das heißt Einweisung in psychiatrische Heil- und Pflegeanstalt – Tötung vorbehalten und
o + „Behandlung“, das heißt sofortige Tötung.
→ Daraus folgte die Überführung (auch gegen den Willen der Eltern) in sogenannte „Kinderfachabteilung“
→ Ermordung durch Vergiftungen oder gezielte Unterernährung
• Schätzungsweise wurden 5000 Kinder getötet.
• Sie war längerfristig auch nach dem Krieg zur Reinhaltung der Rasse geplant

1.3.3 AKTION T4
• Ausweitung des systematischen Mordens der Nazis.
• Der Name T4 bezog sich auf die Tiergartenstraße 4, die Zentraldienststelle.
• Beginn dieser „Erwachseneneuthanasie“ mit dem Geheimerlass Adolf Hitlers, welcher privat an den Leiter der KdF (Führerkanzlei)
Philipp Bouhler und seinen Arzt Dr. Karl Brandt schrieb: „Die Befugnisse namentlich zu bestimmender Ärzte sind so zu erweitern,
dass nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod
gewährt werden kann.“
→ Gründung mehrerer Tarnfirmen zur weiteren Organisation Errichtung von Tötungszentren, begonnen mit Grafeneck bei
Reutlingen; anschließend folgten Brandenburg, Hartheim, Sonnenstein und Hadamar → löste 1941 Grafeneck ab
• Ablauf der Tötungen:
o Versendung von Fragebögen an alle Heil- und Pflegeanstalten des Reiches.
o Angaben zu Krankheit, Aufenthaltsdauer, Arbeitsfähigkeit und rassischer Herkunft → Rücksendung in die T4
o 40 Gutachter (Ärzte) bestimmten über Leben und Tod, ohne weitere Ansichten des Patienten.
o Urteil: + (Behandlung) und – (keine Maßnahmen), selten auch ? (weitere Beurteilung); hauptausschlaggebend: Heilbarkeit
und Arbeitsfähigkeit.
o Im Rahmen von T4 wurden 70.000 Patienten als positiv markiert → Tod war vorbestimmt.
o Bei + → Verlegung in andere Anstalt zur Verschleierung.
▪ Beim Eintreffen in den Aufnahmen der Tötungsanstalten wurden diePatienten entkleidet, gemessen, gewogen
und fotografiert.
▪ Ein Arzt notierte eine glaubwürdige Todesursache und die Patienten wurden in die Waschräume geschickt.
▪ Durch die Brausen wurde Kohlenstoffmonoxid eingeleitet → qualvolle Vergasung von 30 oder mehr Menschen
innerhalb einer halben Stunde.
▪ Herausbrechen von Goldkronen der Toten → Einäscherung in Krematorien
▪ Zustellung der Urne und eines Briefes mit erfundener Todesursache, -ort und -datum an die Familien.
▪ Für die Erstellung der Briefe gab es eigens sog. Trostbriefabteilungen.
➔ Riesige Mühen der Vertuschung

1.3.3.1 D AS C HRISTOPHSBAD
• Das Christophsbad stellte sich von Beginn an gegen die Erlässe zum Abtransport und ist wohl als positiver Einzelfall in BW
herauszustellen.
• Verweigerung des Ausfüllens der Meldebögen aufgrund von Skepsis des leitenden Arztes Dr. Fritz Glatzel
• → Ankündigung von insgesamt 190 Verlegungen durch das Ministerium des Inneren.
• Bei der Ankündigung von 150 weiteren Verlegungen erneuter Protest → Verschonung von 65 Patienten
• Unterrichtung der Direktion des Christophbad das Euthanasieprogramm, woraufhin nach Arbeitsstellen für die Kranken gesucht
wurde, um diese für „lebenswert“ erklären zu können.
• Trotz aller Bemühungen wurden letztlich 297 der 514 Patienten des Christophbad verlegt und 168 von ihnen in Grafeneck bzw.
Hadamar ermordet.

1.3.3.2 G RAFENECK
• Erste Tötungsanstalt in Schloss Grafeneck bei Münsingen auf der Schwäbischen Alb.
• Seit 1990 ist der Ort eine Gedenkstätte.
• Das Dach der offenen Kapelle wird von 5 Pfeilern getragen → Symbolisch für das fünfte Gebot "Du sollst nicht töten" .

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1.3.4 WIDERSTAND AUS DER BEVÖLKERUNG
• Euthanasieprogramm durch Gerüchte und skeptische Angehörige bei der Bevölkerung bekannt.
• Wie so oft in der NS-Zeit gab es aber nur passiven Protest, herauszustellen ist hierbei Lothar Kreyssig.
• Als er merkt, dass sich Nachrichten über Tod von Staatsmündeln häufen, hat er den Verdacht des Massenmordes
→ wendet sich an Reichsjustizminister Franz Gürtner.
• Nachdem Kreyssig erfährt, dass der Befehl aus der KdF kommt, zeigt er Bouhler wegen Mordes an, hat aber keinen Erfolg.
• Wird nicht verhaftet aber in den Ruhestand geschickt.

2 HALTUNG DER KIRCHEN


2.1 POSITION DER KIRCHEN ZUR EUGENIK
Die Kirche war zwar für die Verbesserung des Menschen, allerdings nur durch „positive“ Eugenik, also der Erziehung der Unsittlichen

2.2 WIDERSTAND AUS DER KIRCHE


• In der Enzyklika (päpstl. Rundschreiben) vom 31.12.1930 spricht Papst Pius XI mit Berufung auf Gen 1.28 (Gehet hin und
vermehret euch) jeder Rechtsprechung die Kompetenz ab, über die Fortpflanzung zu entscheiden.
• Auch die 1933 beginnenden Zwangssterilisationen wurde von der kath. Kirche stark kritisiert
• Zu Beginn der Aktion T4 hüllt sich die Kirche lang in Schweigen.
• Im Juni 1940 werden Stimmen laut zur Prüfung vermehrter Todesfälle
→ Dr. Theophil Wurm, Landesbischof (Evangelisch) schreibt Briefe an den Reichsminister, aber nur amtsintern, nicht an das Volk
• Erst gegen Ende der Morde in Grafeneck hält Clemens August Graf von Galen seine berühmte Predigt, 60 000 Tote zu spät. Er
klärt in ihr die Bevölkerung auf, appelliert in gewisser Form zum Widerstand und bewegt weitere Bischöfe zur Ablehnung
o Des Weiteren erstattet er Anzeige gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft Münster wegen des Abtransports von
Kranken.
o Das erste öffentliche Parteiergreifen eines Kirchenführers!
• Seine Rede wird abgedruckt, vervielfältigt und sogar als Flugblatt aus britischen Flugzeugen herabgeworfen.
• Selbst Goebbels weiß keine Maßnahmen gegen den Bischof, die Nazis sind ratlos
• Können von Galen aufgrund seiner Prominenz nichts anhaben → Verhaften sein Mitarbeiter und befördern diese ins KZ
 Diese Bischöfe und der wachsende Druck des Volkes haben 2 Dinge zur Folge
1. Sie zeigen Nazis, sie können vor dem Volk derartiges nicht geheim halten
2. Erst wird Grafeneck geschlossen und durch Hadamar in Hessen abgelöst. Dann verkündet Hitler das offizielle „Ende“
der Euthanasie

2.3 CONCLUSIO:
• Das lange Stillschweigen dunkles Kapitel dt. Kirchengeschichte,
• Gründe des Schweigens:
o Wegen Konkordat Hitlers 1933 (Vertrag zur Kooperation von NS und Kirche)
o Angst vor dem Verlust der Anstaltsträgerschaft
o Erpressbarkeit wg. Kindesmissbrauchs, aufgedeckt durch Gestapoermittlungen
• Von Galen predigt erst, als die Morde Münster erreichen → Hätte schon früher ein Ende finden können.

3 DAS „ENDE“
3.1 OFFIZIELLES „ENDE“
3.1.1 SCHLIEßUNG GRAFENECKS
• Das Personal und Morden wurden nach Hadamar (Hessen) verlegt
• Dies war die Folge aus kirchlichem und gesellschaftlichem Protest sowie Zweifel innerhalb der NSDAP

3.1.2 ENDE T4
• Ende durch mdl. Befehl Hitlers am 24. August 1941
• Erreichen des „Ziels“ von 70.000 Insassen (ca. 25% der Gesamten)
• Verstärkte Ablehnung
• Zunehmende Konzentration auf Russlandkrieg → Keine weitere Verärgerung der Bevölkerung
• Personal von T4 wurde für den Holocaust benötigt
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! ABER Kinder- und dezentrale Euthanasie wurden fortgeführt

3.2 SONDERBEHANDLUNG 14F13


• Tötung von arbeitsunfähigen KZ-Häftlingen in 3 der Tötungsanstalten
→ Ca. 20.000 Tote

3.3 DEZENTRALE EUTHANASIE


• Von 1939-1945
• Nicht mehr in den 6 Tötungsanstalten, sondern in Vielzahl von Heil und Pflegeanstalten durch Personal (Nicht im Christophbad!)
• Durch Überdosen, Unterernährung, und gezielte Vernachlässigung
• → Ca. 200.000 Tote

3.4 STRAFRECHTLICHE AUFARBEITUNG


• Frühe Prozesse verurteilten das Morden hart, verhängten strenge Strafen, auch Todesurteile
• Ab 1948/1949 geänderte Rechtsauffassung:
o Ausführende der Morde seien Gehilfen ohne eigenen Willensentschluss
→ Geringe Strafen u. viele Freisprüche
• Die meisten Prozesse ab 1970:, milde Strafen, eingestellte Verfahren, Begnadigungen, Suizide, viele Freisprüche
• Beispiele:
o Dietrich Allers, Geschäftsführer T4
▪ Beihilfe zum Mord in min. 34.549 Fällen
▪ 8 Jahre ohne Haftantritt
o Kurt Brom: Ausführender Tötungsarzt
▪ Tötung von min. 6.652 Geisteskranken
▪ Freispruch, da er nach dem Gericht nicht erkannt hatte, dass die Tötung rechtswidrig war
• Zusammenfassend war die strafrechtliche Aufarbeitung sowohl juristisch als auch gesellschaftlich in vielerlei Hinsicht desaströs.

4 FRAGE NACH DEM „WARUM“ UND „RECHTFERTIGUNG“ DER


NATIONALSOZIALISTEN (ZEITLICH STRECKEN)
Rechtfertigung der Nationalsozialisten:

• Gnadenakt/Akt der Erlösung


• Einfache Kosten/Nutzenrechnung (60.000 Reichsmark für einen Krüppel)
• Darwins Theorie der natürlichen Auslese

Beweggründe der Nazis:

• Kranke und Menschen mit Behinderung stellten für die Ideologie der arischen Rasse eine Bedrohung dar und werteten diese
ab
• Zunehmend war die „ökonomische Brauchbarkeit“ Kriterium für die Entscheidung um Leben und Tod

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