Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Karl Verner hat in seiner 1877 gedruckten Abhandlung „Eine Ausnahme der
ersten Lautverschiebung“ gezeigt, dass der grammatische Wechsel mit dem
ursprünglichen ide. Freien Wortakzent zusammenhängt, welcher bis in die
protogermanische Zeit hineinreichte, später aber fest wurde. Das Vernersche
Gesetz lautet: Die germanischen stimmlosen Reibelaute f, Ϸ, x, s (aus ide. p, t,
k, s) blieben stimmlos, wenn die ursprüngliche Betonung auf dem unmittelbar
vorangehend Vokale ruhte; sie wurden aber stimmhaft wenn die Betonung den
obengenannten Konsonanten folgte. Das heißt:
p > f – f, b
t > Ϸ- Ϸ, ꝺ
k > x – x, g
s > s – s, z
Z.B. ide.bhrater > germ. broϷer: got. BroϷar „Bruder“
Substantiv (das Haupt- oder Dingwort) erscheint als Fremdwort im 16. Jh. und
ist aus dem spätlat. nomen substantivum entlehnt. Das lateinische Wort
bedeutet etwa „Wort“, das für sich selbst bestehen kann. Es gehört als Ableitung
zu lat. substantia.
Die Morphologie eines Substantivs in den germ. Sprachen ist eng mit der
morphologischen Struktur eines Wortes verbunden. Das ide. Wort setzte sich
aus 3 Teilen zusammen: aus einer Wurzel, einem stammbildenden Suffix und
einem formbildenden Suffix. Am produktivsten unter den stammbildenden
Suffixen waren die Suffixe o und e. Die Stämme, die mit diesen Suffixen
gebildet wurden, nennt man thematische Stämme, die Stämme, die mit anderen
Suffixen gebildet wurden, nennt man athematische Stämme.
Der Formbau des Nomens wird durch die Begriffe Genus, Numerus und Kasus
bestimmt. Das ide. besaß 3 Genera: Maskulinum, Femininum, Neutrum. Diese
Dreiheit des ide. Genus hat das Germ. Beibehalten, besser als andere ide.
Sprachen. Im Deutschen ist sie bis heute lebendig.
An Numeri gab es im Ide. ebenfalls 3: den Singular, den Plural, den Dualis:
• den Singular als Bezeichnung für das Einfache, Ungegliederte
• den Plural als Bezeichnung für das Vielfache, Gegliederte
• den Dualis als Bezeichnung für die natürliche Paarhaftigkeit
Das Ide. besaß 8 Kasus: Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ,
Ablativ,Lokativ, Instrumentalis, Vokativ. Der Ablativ diente als Kasus des
Ausgangspunktes und des Abstandes, der Lokativ – als Kasus der Ruhelage im
Raum, der Instrumentalis – als Kasus des Mittels gebraucht, der Vokativ – zum
Ausdruck des Anrufes.
Im Germ. sind 6 Kasus erhalten geblieben: Nominativ, Genitiv, Dativ,
Akkusativ, Instrumentalis, Vokativ. Der Instrumentalis wurde durch
präpositionale Wendungen verdrängt.
Neutrum
sing. plur.
Nom. juk juk-a
Gen. juk-i-s juk-e
Dat. juk-a jukam
Akk. juk juk-a
Maskulinum
sing. plur.
Nom. harjis harjos
Gen. harjis harje
Dat. harja harjam
Akk. hari harjans
Neutrum
sing. plur.
Nom. kuni kunja
Gen. kunjis kunje
Dat. kunja kunjam
Akk. kuni kunja
Wa-Stämme sind eine Erweiterung der a-Stämme durch den Halbvokal w.
Maskulinum
sing. plur.
Nom. aiws aiwos
Gen. aiwis aiwe
Dat. aiwa aiwam
Akk. aiw aiwans
neutrum
sing. plur.
Nom. kniu kniwa
Gen. kniwis kniwe
Dat. kniwa kniwam
Akk. kniu kniwa
Feminina
sing. plur.
Nom. axwa axxwōs
Gen. axwōs axwō
Dat. axwai axwōm
Akk. axwa axxwōs
Jō- Stämme – nur im Nom. Sg. der langstämmigen Wörter besteht eine
Abweichung von den reinen ō- Stämmen, indem i als Ausgang erscheint;
die kurzstämmigen Wörter dagegen weisen ein regelgerechts – ja auf.
Feminina
sing. plur.
Nom. banja banjōs
Gen. banjōs banjō
Dat. banjai banjōm
Akk. banja banjōs
Die Deklination der jō – Stämme (ausgenommen N. Sg.) fällt mit den reinen ō-
Stämme zusammen.
Wō – Stämme
Feminina
sing. plur.
Nom
. triggwa triggwōs
Gen. triggwōs triggwō
Dat. triggwai triggwōm
Akk. triggwa triggwōs
femeninum
sing. plur.
Nom
. laiseins laiseinōs
Gen. laiseinais laiseinō
Dat. laiseinai laiseinim
Akk. laisein laiseinins
Maskulinum
sing. plur.
Nom. sunus sunjus
Gen. sunaus suniwe
Dat. sunau sunum
Akk. sunu sununs
Femininum
sing. plur.
Nom. handus handjus
Gen. handaus handiwe
Dat. handaus handum
Akk. handu handuns
Neutrum
sing. plur.
Nom. faihu
Gen. faihaus
Dat. faihau
Akk. faihu
Zu dieser Deklinationstyp gehören die Stämme auf –ōn und –in (got. ein)
Flexion der Feminina = Flexion der Maskulina
neutrum
sing. plur.
Nom hairtō hairtōna
Gen. hairtins hairtane
Dat. hairtin hairtam
Akk. hairtō(ōn) hairtōna
Plural
1.P.Pl. 2.P.Pl. 3.P.Pl.M 3.P.Pl.N 3.P.Pl.F.
N. weis jus eis ija ijos
G. unsara izwara ize ize izo
D.unsis, uns izwis im im im
A.unsis, uns izwis ins ija ijos
Possessivpronomina
Possesivpronomen existieren für alle 3 Personen.
Singular Plural
meins unsar
Ϸeins izwar (euer)
seins
Sie werden nach der starken Deklination der Adjektive dekliniert.
Demonstrativpronomina
Singular
M. N. F.
Nom sa Ϸata so
Gen Ϸis Ϸis Ϸizos
Dat Ϸamma Ϸamma Ϸizai
Akk Ϸana Ϸata Ϸo
Plural
M. N. F.
Nom Ϸai Ϸo Ϸos
Gen Ϸize Ϸize Ϸizo
Dat Ϸaim Ϸaim Ϸaim
Akk Ϸans Ϸo Ϸos
Starke Deklination
a/o – Stämme
Singular
M N F
Nom blinds blind/blindata blinda
Gen blindis blindis blindaizos
Dat blindamma blindamma blindai
Akk blindana blind/blindata blinda
Plural
M. N. F.
Nom blindai blinda blindos
Gen blindaize blindaize blindaizo
Dat blindaim blindaim blindaim
Akk blindans blinda blindos
Nach diesem Typ konjugieren die meisten gotischen Adjektive. Die a-Stämme
gehören zum Maskulinum und Neutrum und entsprechen der ersten starken
Deklination der Substantive. Die o-Stämme gehören zum Femininum und
entsprechen der zweiten starken Deklination der Substantive.
ja – jo – Stämme
Singular
M N F
Nom midjis midi/midjata midja
Gen midjis midjis midjaizos
Dat midjamma midjamma midjai
Akk midjana midi/midjata -
Plural
M N F
Nom midjai midja midjos
Gen midjaize midjaize midjaizo
Dat midjaim midjaim midjaim
Akk midjans midja midjos
wa – wo - Stämme
Singular
M N F
Nom qius qiu qiwa
Gen qiwis - -
Dat - - -
Akk - - -
Im Plural ist nur die Form des Nom. Mask.: qiwai. Diese Adjektive entsprechen
den Substantiven des Typs Ϸius, kniu, triggwa.
i -, u - Stämme
Die nominal gebildeten Kasus entsprechen den substantivischen i-, u –
Stämmen, die pronominalen Kasus weisen ein j von der Endung.
i – Stämme
Singular
M N F
Nom hrains hrain hrains
Gen hrainis hrainis -
Dat hrainjamma hrainjamma hrainjai
Akk hrainjana hrain hrainja
Plural
M N F
Nom hrainjai hrainja hrainjos
Gen hrainjaze hrainjaize hrainjaizo
Dat - hrainjaim -
Akk hrainjans hrainja hrainjos
u – Stämme
Singular
M N F
Nom hardus hardu hardus
Gen - - -
Dat - - -
Akk hardjana hardu hardja
Plural
M N F
Nom hardjai hardja hardjos
Gen hardjaize hardjaize hardjaizo
Dat - - -
Akk hardjans hardja hardjos
Hierher gehören solche Adjektive wie tulgus, aggwus, menwus. Der Stamm
dieser Adjektive entspricht dem Aufbau der Stämme der vierten starken
Deklination der Substantive.
Schwache Deklination
Die schwache Deklination unterscheidet sich nicht von der n – Deklination der
Substantive.
Singular
M N F
Nom jugga juggo juggo
Gen juggins juggins juggons
Dat juggin juggin juggon
Akk juggan juggo juggon
Plural
M N F
Nom juggans juggona juggons
Gen juggane juggane juggono
Dat juggam juggam juggom
Akk juggans juggona juggons
Nach der schwachen Deklination werden alle Adjektive dekliniert, die der
starken Deklination angehören.
Steigerungstufen
Das gotische Adjektiv bildet seinen Komparativ durch 2 Suffixe: - iz- und -oz-,
welchen die Endungen des schwachen Adjektivs angefügt werden. Somit gab es
im Got. 2 Typen:
I. Komparativ: -iza, Superlativ -ista (hauhs – hauhiza – hauhista – hoch)
II. Komparativ: -oza, Superlativ -osta (handugs – handugoza – handugosta –
klug)
Mit dem Suffix iza/ista werden die Steigerungsformen aller Adjektive gebildet.
Das Suffix osta findet sich dagegen nur bei a-Stämmen.
Die Komparative werden stark dekliniert, die Superlative dagegen stark oder
schwach.
Suppletive Formen (unregelmäßige Steigerung): einige Adjektive bilden ihre
Steigerungsstufen aus anderen Wurzeln ( mikils – maiza – maists; ubils –
wairsiza – wairsits)
Präsens Optativ
Singular Plural
bairau bairaima 1
bairais bairaiϷ 2
bairai bairaina 3
Präteritum Indikativ
Singular Plural
bar berum 1
bart beruϷ 2
bar berun 3
Präteritum Optativ
Singular Plural
berjau bereima 1
bereis bereiϷ 2
beri bereina 3
Part. 1 – habands
Part. 2 - habaiϷs
Vierte schwache Konjugation, nan-Verben
Typisch für diese Konjugation ist das Element –n. im Präsens dekliniert wie
starken Verben im Präteritum. Kein Passiv, kein Part.
Die Modalverben bilden das Präsens nach dem Typ der starken Konjugation
und im Präteritum flektieren sie wie die schwachen Verben durch das
Anhängen eines Dentalsuffix.
Es gibt im Got. solche Modalverben: witan (знати), kunnan (знати), Ϸaurban
(потребувати), ga-daursan (сміти), skulan (бути повинним), ga-motan
(могти), aigan (мати).
Präsens Indikativ
Singular Plural
1. wait witum
2.waist wituϷ
3.wait witun
Optativ
Singular Plural
1.witjau witeima
2.witeis witeiϷ
3.witi witeina
Imperfekt Indikativ
Singular Plural
1.wissa wissedum
2.wisses wisseduϷ
3.wissa wissedun
Optativ
Singular Plural
1.wissedjau wissedeina
2.wissedeis wissedeiϷ
3.wissedi wissedeina
Imperfekt Optativ
Singular Plural
1. salbodedjau salbodedeima
2. salbodedeis salbodedeiϷ
3. salbodedi salbodedeina
Imperfekt Optativ
Singular Plural
1. habaidedjau habaidedeima
2. habaidedeis habaidedeiϷ
3. habaidedi habaidedeina
Vierte schwache Konjugation nan-Verben
Imperfekt Indikativ
Singular Plural
1. fullnoda fullnodedum
2. fullnodes fullnodeduϷ
3. fullnoda fullnodedun
Imperfekt Optativ
Singular Plural
1. fulnodedjau fullnodedeima
2. fullnodedeis fullnodedeiϷ
3. fullnodedi fullnodedeina
Praeterito-Praesentia
Imperfekt Indikativ
Singular Plural
1. wissa wissedum
2. wisses wisseduϷ
3. wissa wissedun
Imperfekt Optativ
Singular Plural
1. wissedjau wissedeina
2. wissedeis wissedeiϷ
3. wissedi wissedeina
Unregelmäßige Verben
Imperfekt
Singular Plural
1. wida widedum
2. wides wideduϷ
3.wida widedun
Part 1 und Part 2 der starken und schwachen Verben
Das Part.1 der starken Verben wird mit Hilfe des Suffixes -nd gebildet.
Das Part.2 wird gleich dem Infinitiv durch die Anfügung an den Stamm
-o/e + Suffix n gebildet (bhr o/e no s).
Das Part. 1 der schwachen Verben bildet auch mit Hilfe des Suffixes -nd.
Das Part. 2 der schwachen Verben wird mittels des Dentalsuffix -Ϸ/d/t gebildet
( satiϷs).