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SERGEJ SERGEJEWITSCH
DRITTE ETAPPE
Hörspiel von Lucian Plessner nach Texten von Sergej Prokofjew
ERZÄHLERIN
KLEINER GRAF
GROSSER GRAF
GELDVERLEIHER
PROKOFJEW
BOTSCHAFTSANGEHÖRIGER
MEYEROVICH
OBOLSKY
REISEAGENT
KURZWELLE
BEAMTER
KAPITÄN
MITREISENDER
OFFICER
LUCIAN
SEGOVIA
Teil 3 - “Die Irrfahrten des Sergej Sergejewitsch” © Prokofiew/Plessner 2020
PRETITLE
Im fahrenden Zug… rackklack… rackklack… rackklack… es rumpelt im Gang des Wagons…
246 LUCIAN Andrés Segovia, der Mann der zur Jahrhundertwende der Gitarre
die Konzertsäle der Welt geöffnet hat, sitzt eines Tages im Zug
von Kiew nach Moskau – am 17. März 1927 – und ihm im Abteil
gegenüber nimmt Sergej Prokofjew Platz!
249 PROKOFJEW Segovia ist ein reizender Spanier mit einer dicken Hornbrille und
man sagt, dass er ein bemerkenswerter Gitarrist sei, ich habe ihn
aber nie spielen hören.
251 LUCIAN Acht Stunden dauert die Fahrt. Sie plauschen, Prokofjews Frau,
Ptaschka genannt – Vögelchen – ist Spanierin, Carolina Codina,
Sopranistin. Sie hatte Prokofjew in New York nach einem Konzert
abgefangen, ist mit ihm erst nach Paris und dann nach
Deutschland gegangen wo sie dann in Ettal bei Garmisch-
Partenkirchen geheiratet haben. Also die drei sitzen im Zug und
unterhalten sich. Segovia hat sich sein ganzes Leben bemüht,
Komponisten für die Gitarre zu gewinnen, und jetzt sitzt er acht
Stunden mit einem der interessantesten und bedeutendsten
Komponisten seiner Zeit zusammen im Abteil Prokofjew weiß von
Segovia, hatte von ihm gehört und ist wie immer offen und
interessiert. Bloß von Segovia kommt nichts. Keine Anfrage, keine
Anregung, keine weitere Verabredung. Sie verlassen in Moskau
gemeinsam den Bahnhof – und nichts! Von einem weiteren
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Teil 3 - “Die Irrfahrten des Sergej Sergejewitsch” © Prokofiew/Plessner 2020
TITLE
252 ANSAGERIN Die Irrfahrten des Sergei Sergejewitsch –
Dritte Etappe
Hörspiel von Lucian Plessner
nach Texten von Sergej Prokofjew
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Tokyo –
254 BOTSCHAFTSANGEHÖRIGER Sie wissen, dass die Reise sehr lang ist?
256 BOTSCHAFTSANGEHÖRIGER Tut mir leid, für die nächste Zeit sind keine
Passagen geplant.
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Teil 3 - “Die Irrfahrten des Sergej Sergejewitsch” © Prokofiew/Plessner 2020
258 MEYEROVICH Warum trittst du nicht in unsere Fußstapfen und gibst selbst einige
Konzerte? Wir wollen jetzt zwei Monate pausieren, bevor wir nach
Java gehen. Wir haben gerade 18 Konzerte in Shanghai gegeben.
Und in Java sollen es 60 sein!
259 PROKOFJEW Ich fragte mich, ob der asiatische Vogel in der Hand nicht vielleicht
besser wäre, als die zwei amerikanischen im Busch. Vielleicht ist
es ja nicht weniger attraktiv in diesen tropischen Zentren umher zu
reisen, als in Amerika. Zumal im Moment sowieso keine Aussicht
besteht, kurzfristig nach Südamerika zu gelangen. Ich sollte mir
ernsthaft überlegen, welche Unternehmungen hier und jetzt für
mich in Frage kommen. Ich bin es müde, jeden wachen
Augenblick darauf zu verwenden durchzurechnen, ob mein Geld
reicht oder wie ich noch sparen könnte.
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Erzählung „Zwei Grafen“. Lieutenant Kije Suite Op. 60, II. Satz: Romance –
260 KLEINER GRAF murrt Nun gut, geben Sie schon her, ich unterschreibe ja.
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Teil 3 - “Die Irrfahrten des Sergej Sergejewitsch” © Prokofiew/Plessner 2020
264 GELDVERLEIHER lächelt ein bisschen zu leutselig Ach, was sagen Sie denn da.
Kommen Sie, unterschreiben Sie, unterschreiben Sie! Die
Tscherwonzen, die ich Ihnen gebe, sind nicht aus Holz, sondern
aus Gold, leuchten wie Feuerschein und klingeln wie Glöckchen.
265 KLEINER GRAF knurrt Sie sollen es nur wagen, nicht zu leuchten!
Zeichnet mit der Feder einen Schnörkel und übergibt den Wechsel –
Hier!
266 ERZÄHLERIN Der Geldverleiher setzte seine große Brille auf und prüfte
sorgfältig das exzellente Autogramm.
268 ERZÄHLERIN Er faltete das Papier erst einmal und dann noch einmal und
hockte sich vor eine schwere, gepanzerte Eisentruhe. Mit einem
schweren Schlüssel traktiert er nun das Schloss bis es mit lautem
Getöse auf schnappte. Er hob den Deckel leicht an, tauchte hinein
und kam mit vier kleinen Säckchen voller Goldmünzen wieder
heraus.
271 ERZÄHLERIN Der Graf steckte das Geld ungezählt und mit beiläufiger Geste in
seine Lederbörse.
272 KLEINER GRAF Guten Tag noch! steht auf Danke für Ihre Dienste.
273 GELDVERLEIHER verneigte sich nicht ohne Schalk Immer Exzellenz‘ ergebenster
Diener… wieder übertrieben vertraulich Und möge das Schicksal Ihnen
eine glückliche Karte schenken.
274 ERZÄHLERIN Der Graf zuckte kurz mit den Schultern und ging. Der
Geldverleiher begleitete ihn zur Tür, und obwohl der Graf sich
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Teil 3 - “Die Irrfahrten des Sergej Sergejewitsch” © Prokofiew/Plessner 2020
nicht umsah, blieb er aus Höflichkeit noch so lange vor der Tür
stehen, bis der Graf um die Ecke gebogen war.
275 GELDVERLEIHER für sich Natürlich sind einhundert Prozent eine guter Zins,
schließlich kann ich so leicht meinen Einsatz verdoppeln. Auch
wenn die Wahrscheinlichkeit eins zu hundert sein dürfte.
276 ERZÄHLERIN Soviel Geld hatte er ihm allein nur deswegen geliehen, weil der
Graf bisher immer pünktlich zurückgezahlt hatte.
278 ERZÄHLERIN Es sei angemerkt, dass der ehrenwerte Geldverleiher falsch ging
in der Annahme, der Graf benötigte das Geld zum Kartenspiel. Er
brauchte das Geld einzig, um alte Schulden zu begleichen.
279 KLEINER GRAF für sich In den Besitz dieser erfreulichen Menge Tscherwonzen zu
gelangen und sie dann auf so stumpfe und banale Art zu
verwenden – alte Gläubiger auszuzahlen – wie entsetzlich!
280 ERZÄHLERIN Aber der Graf hatte einen untadeligen Ruf und dachte nicht daran
ihn zu beflecken.
281 KLEINER GRAF für sich Eine hervorragende Sache, so ein guter Ruf, wenn es
darum geht, mit dieser Methode Geld zu verdienen.
282 ERZÄHLERIN Diese Methode war so alt, wie bewährt und einfach.
283 KLEINER GRAF für sich Ich borge Geld von einem Geldverleiher, und wenn ich es
ausgegeben habe, leihe ich welches von einem anderen.
284 ERZÄHLERIN Dann ging er von Geldverleiher Nummer zwei zu Nummer drei
und wieder zurück zu Nummer eins, um Nummer drei
auszuzahlen. Dann zahlte er einen jeweils mit einer Hälfte von
Nummer zwei aus und einer Hälfte von Nummer vier. Da so die
ausstehenden Beträge sich ständig verdoppelten und ins
Unermessliche anwuchsen, mussten immer weitere Anleihen von
immer neuen Quellen gemacht werden.
285 KLEINER GRAF für sich Man muss ruhig und eindrucksvoll auftreten und pünktlich
bezahlen, um den Kreis derer zu erweitern, die bereit sind Kredit
zu geben. Ärgerlich ist allerdings, dass die Geldverleiher einen mit
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Teil 3 - “Die Irrfahrten des Sergej Sergejewitsch” © Prokofiew/Plessner 2020
286 ERZÄHLERIN Aber das Geld war gewissermaßen ein Geschenk des Himmels
und erlaubte ihm überdies, zu leben, wie es sich für einen
Gentleman gehört. Solange man davon absah, dass einem die
Schulden bald – ganz nach dem Schneeballprinzip – eben wie
Schneebälle um die Ohren fliegen.
287 KLEINER GRAF für sich Warum sich Sorgen machen? Ich wird‘ schon einen Weg
finden. Da gibt es viele Möglichkeiten – eine reiche Braut, ein
großer Gewinn oder vielleicht eine Erbschaft von einem Onkel.
289 KLEINER GRAF für sich Alt, kinderlos und reich. Und wenn dies alles nicht
funktioniert, gibt es, um sich vor dem Gefängnis zu retten, ja noch
die Kugel in den Kopf – entweder in den eigenen oder in den des
Onkels. Letzteres wäre gar nicht so schwierig – beim Jagen oder
sogar zu Hause, zum Beispiel beim Vorführen der kostbaren alten
Flinten.
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290 PROKOFJEW 27. Mai 1918
Ein gewisser Obolsky, dem mich jemand vorgestellt hatte, bot mir
freundlicher Weise bezüglich meines Amerika Visums seine
Dienste an.
291 OBOLSKY Übermorgen fahre ich nach New York und werde dort die
Botschaft aufsuchen. Ich treffe auch einige einflussreiche Russen.
292 PROKOFJEW Ich habe sein Angebot umstandslos angenommen und bat ihn, mit
allem Mittel auf die Erteilung meines Visums hinzuwirken.
Ich schreibe gerade Verwerfliche Leidenschaften. Die
Violinsonate klemmt.
28. Mai
Mein zweiter Besuch in der Russischen Botschaft. Sie haben nun
Wind davon bekommen, dass ich irgendein Komponist sei, waren
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Teil 3 - “Die Irrfahrten des Sergej Sergejewitsch” © Prokofiew/Plessner 2020
293 OBOLSKY Ich verspreche Ihnen, alles dafür zu tun, dass Sie innerhalb eines
Monats ihr Visum besitzen!
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Erzählung „Zwei Grafen“. Lieutenant Kije Suite Op. 60, II. Satz: Romance –
295 ERZÄHLERIN Der Geldverleiher stand indes immer noch in der Eingangstür und
hing ebenfalls seinen Gedanken nach, als ein anderer Graf,
größer als der erste, vorüberging –
297 ERZÄHLERIN Doch der große Graf bedachte den Geldverleiher nur mit einem
kühlen Blick und wandte sich ab.
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Teil 3 - “Die Irrfahrten des Sergej Sergejewitsch” © Prokofiew/Plessner 2020
299 ERZÄHLERIN Ihm war soeben der andere Grafen entgegengekommen und er
hatte daraus geschlossen, dass dieser beim Geldverleiher
gewesen war.
300 GROSSER GRAF für sich Der reiche Schakal hatte wieder einmal einem Opfer
das Fell über die Ohren gezogen.
301 ERZÄHLERIN Und während er so dachte, stolperte er mit dem Fuß über einen
Stein und als er sich umsah, lag sein Absatz auf dem Trottoir.
302 GELDVERLEIHER ruft Hammer und Nagel für Eure Exzellenz? Einen Moment!
303 ERZÄHLERIN Und während der Geldverleiher im Haus verschwand, setzte sich
der große Graf mit dem Absatz in der Hand auf eine Treppe.
304 GELDVERLEIHER kommt zurückgeeilt Hier, ein Hammer und ein Nagel für Eure
Exzellenz!
306 ERZÄHLERIN Der große Graf hatte den Absatz inzwischen wieder angesetzt, da
die Nägel noch im Absatz steckten und versuchte ihn nun mit Hilfe
des Steins, der ihn gerade beinahe zu Fall gebracht hätte, wieder
einzuschlagen.
307 GELDVERLEIHER Es wäre viel besser, wenn Eure Hoheit den Hammer und den
neuen Nagel nehmen würden!
308 GROSSER GRAF kläfft verärgert Ich sagte, Sie sollen verschwinden! Dort steht
Ihr Haus – gehen Sie wieder hinein! Sie sind ein viel zu giftiges
Insekt, als dass ich von Ihnen Hilfe annähme!
Er hämmert dabei weiter mit dem Stein auf seinem Absatz herum –
309 GELDVERLEIHER Eure Exzellenz sind zu harsch in Eurer Kritik. Ich helfe den
Menschen, so gut ich kann.
310 GROSSER GRAF läßt empört den Stiefel sinken Sie helfen den Menschen?! Sie
saugen ihnen das Blut und ihre Seelen aus. Sie bringen sie ins
Gefängnis. Ich kann Ihnen die zwei Namen der zwei Menschen
nennen, deren Leben sie mit Ihren unbotmäßigen Zinsforderungen
ruiniert haben. Leugnen Sie es doch, wenn Sie können!
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Teil 3 - “Die Irrfahrten des Sergej Sergejewitsch” © Prokofiew/Plessner 2020
312 GROSSER GRAF Und was sind Ihre Ersparnisse anderes, als anderer Leute
Geld? Oder geht es hier etwa um die Früchte Ihrer Hände Arbeit?
Einhundert Prozent? Warten Sie, mein lieber Freund, man wird
Sie noch zu fassen kriegen. Der Strick verlangt schon seit Jahren
nach Ihnen.
314 GROSSER GRAF fällt ihm ins Wort …ruft laut und deutlich nach Ihnen, mein
Lieber.
315 ERZÄHLERIN Der große Graf erregte sich so sehr, dass er den Absatz fortwarf
und den Stiefel ohne Absatz wieder anzog.
316 GROSSER GRAF Ein Jammer, dass unser Bischof so alt ist. Der sollte Sie sich
vorknöpfen. Alle möglichen schlimmen Gerüchte kursieren über
Sie, da geht es um Grässlicheres als Geld Verleihen. Warum
wohl, was meinen Sie, meiden ehrbare Bürger Ihr Haus und
bekreuzigen sich, wenn Sie in der Nacht hier vorübergehen?
318 ERZÄHLERIN Darüber das ihm so in die Parade gefahren wurde, erbleichte der
Graf und fasste nach dem Griff seines Säbels –
319 GROSSER GRAF Machen Sie, dass Sie wegkommen, oder ich ramme Ihnen
das hier in ihren schwammigen Bauch!
320 ERZÄHLERIN Die Sache hatte eindeutig eine schlechte Wendung genommen.
Der Geldverleiher stolperte die Treppe hinauf, taumelte durch die
Tür und verschloss sie von innen.
321 GELDVERLEIHER Wie kann man sich schützen, wenn Edelmänner toben und
rasen?
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Teil 3 - “Die Irrfahrten des Sergej Sergejewitsch” © Prokofiew/Plessner 2020
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325 PROKOFJEW 18. Juli 1918
In einem Telefonanruf teilt mir die amerikanische Botschaft mit,
dass sie die Genehmigung erhalten hätten, mir ein Visum
auszustellen. Ich mache mich unverzüglich zur Botschaft in Tokyo
auf. Dort im Büro, treffe ich zufällig auf einen Vertreter von Cook’s.
326 REISEAGENT Sie haben Glück, ich kann Ihnen ein Ticket für übermorgen nach
Honolulu beschaffen.
327 PROKOFJEW Ich gab ihm eine Anzahlung. In zwei Tagen sollte ich raus aus
Japan sein.
19. Juli
Am Nachmittag in Omori spielten wir Bridge. Jeder beneidet mich
um meine bevorstehende Abreise – richtige Ferienstimmung!
20. Juli
Ich wechselte meine letzten 1.500 Rubel nicht für 375 Yen, wie ich
erwartet hatte, sondern für 300. Mit dem Resultat, dass mir,
abzüglich des Preises für mein Ticket, 73 Dollar für Honolulu
bleiben!
An Bord wurde mir ein Prunkgemach ganz für mich alleine
zugeteilt, obwohl ich nur ein 2.Klasse Ticket besitze. Auf meiner
Chaiselongue liegend habe ich kaum mitbekommen wie wir uns
unmerklich von Ufer entfernten - von Java nach San Francisco.
Den ganzen Abend blieben wir in Küstennähe.
In dieser Nacht habe ich gut geschlafen und als ich um 4 Uhr
früh, gerade rechtzeitig zum Sonnenaufgang an Deck kam, hatte
ich die schönste Aussicht: am strahlenden Himmel, aus dem
gerade die Sterne verschwanden, hing der abnehmende Mond
und an seiner Seite Jupiter und die helle, helle Venus.
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Teil 3 - “Die Irrfahrten des Sergej Sergejewitsch” © Prokofiew/Plessner 2020
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Erzählung „Zwei Grafen“. Lieutenant Kije Suite Op. 60, II. Satz: Romance –
328 ERZÄHLERIN Am Abend zog sich der Graf, nicht der, der dem Geldverleiher vor
die Tür gespuckt hatte, sondern der, der zuvor die zweihundert
Goldmünzen erhalten hatte, seinen Mantel an und machte sich auf
zu Geldverleiher Nummer acht.
329 KLEINER GRAF für sich So verbleiben die klingenden Tscherwonzen zwar nicht
allzu lange in meinem Besitz, aber wenn man seine Schulden
rasch begleicht, kommen neue Tscherwonzen schneller nach. Die
Zahlungsfrist wird zwar erst in zwei Tagen verstreichen, aber ich
geb mich hier gerne als Gentleman und zahle vorzeitig.
330 ERZÄHLERIN Der Graf hüllte sich also in seinen schwarzen Mantel und trat auf
die Straße. Doch gerade da sprang eine schwarze Katze
zwischen den Mülltonnen hervor und kreuzte vor ihm den Weg
und verschwand in den Büschen.
331 KLEINER GRAF für sich O nein, ich kann es nicht leiden, wenn mir eine schwarze
Katze über den Weg läuft!
332 ERZÄHLERIN Auf dem Boulevard war es still und dunkel, aber gegenüber
leuchteten einladend die Lichter über dem Eingang des Casinos.
333 KLEINER GRAF für sich Zu schade, dass ich mich von dem ganzen Geld jetzt
trennen muss. Wie schön könnte ich jetzt an den Tischen dort
damit gewinnen… Aber zur Hölle! Gespielt wird erst, wenn Geld
da ist und vorher nicht!
334 ERZÄHLERIN Die Katze schrie mit ihrer kehligen Stimme als sie einen Satz
zwischen den Büschen hervormachte und wieder quer über die
Gasse huschte. Der Graf erschreckte abermals –
336 ERZÄHLERIN Noch heller schien jetzt der Eingang zum Casino erleuchtet zu
sein –
337 KLEINER GRAF für sich Ich frage mich... ob es lohnt? Es sind ja noch zwei Tage,
bis die Frist verstreicht. Sollte das Geld verlorengehen, gäbe es
immerhin noch die Möglichkeit, es zurückzugewinnen, oder sich
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Teil 3 - “Die Irrfahrten des Sergej Sergejewitsch” © Prokofiew/Plessner 2020
338 ERZÄHLERIN Immerhin erfreute sich der Graf eines tadellosen Rufes –
339 KLEINER GRAF für sich …und darum wäre es unverzeihlich, diesen aufs Spiel zu
setzen, und sei es mit einer einzigen verspäteten Zahlung!
342 ERZÄHLERIN Sie war indes schon unter protestierendem Miauen zwischen
seinen Hosenbeinen durch zurück in die Büsche geschossen.
343 KLEINER GRAF für sich Ah, du Satansbrut! … Das muss Schicksal sein. Also gut.
344 ERZÄHLERIN Er machte also auf dem Absatz kehrt und lief zuversichtlich rüber
zum Casino.
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Auf Überfahrt –
28. Juli
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Teil 3 - “Die Irrfahrten des Sergej Sergejewitsch” © Prokofiew/Plessner 2020
347 PROKOFJEW Für mich eine höchst unwillkommene Entwicklung, denn auch
wenn die Amerikaner (hoffentlich) deutlich zwischen Russen im
allgemeinen und Bolschewiken unterscheiden, mag das – wie
auch immer – Anlass für verstärkte Schwierigkeiten in Amerika
sein. Nur mal angenommen, man ließe uns in Honolulu nicht an
Land gehen?
31. Juli
348 BEAMTER Was ist der Grund Ihrer Anwesenheit hier? Und wie lange haben
Sie vor zu bleiben?
350 BEAMTER Gehen sie unverzüglich aufs Schiff zurück und setzen Ihre Reise
fort, ansonsten werden Sie bis November hier nicht wegkommen.
Hier sind hunderte begüterte Leute wie Sie, die auf eine Koje in
einem Schiff warten – egal welchen Schiffes – und denen sonst
nichts zu tun bleibt, denn alle Passagierschiffe sind für den Krieg
requiriert worden!
351 PROKOFJEW Dies ließ die Alarmglocken bei mir schrillen, denn es war nicht Teil
meiner Überlegungen gewesen bis November hier zu verweilen.
Ich bin also zu Cook’s zurückgegangen und musste erfahren,
dass dem tatsächlich so ist.
353 PROKOFJEW Ich bin also eilends zurück aufs Schiff gegangen und habe den
Kapitän angebettelt mich nach San Francisco mitzunehmen.
354 KAPITÄN Ihr Prachtgemach ist leider inzwischen bereits wieder vergeben…
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Teil 3 - “Die Irrfahrten des Sergej Sergejewitsch” © Prokofiew/Plessner 2020
355 PROKOFJEW – aber der Kapitän war sehr freundlich und fand für mich ein
Feldbett in irgendeiner Ecke.
Das Schiff legt schon in sieben Stunden ab. Sehr schade, kein
Honolulu für mich.
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Erzählung „Zwei Grafen“. Lieutenant Kije Suite Op. 60, II. Satz: Romance –
356 ERZÄHLERIN Im Casino ließen ihn der Geldbeutel und dessen Gewicht
energisch und sicher ausschreiten, bis er plötzlich inne hielt, weil
er in einem Nebenraum das Profil des großen Grafen erblickt
hatte.
357 KLEINER GRAF für sich Um die zehn Leute stehen an seinem Tisch. Er ist ein
reicher Mann, und da er Karten spielt, was gibt es da Besseres,
als mit ihm zu spielen?
358 ERZÄHLERIN Der kleinere Graf legte mit einer Verbeugung seine Börse
gewichtig auf den Tisch.
360 ERZÄHLERIN Er hatte das unbestechliche Gefühl, dass die nächsten zwei
Karten gewinnen und ihm ein rundes Sümmchen einbringen
würden.
361 GROSSER GRAF Entschuldigen Sie, aber Ihnen gebe ich keine Karten.
362 KLEINER GRAF Was heißt das, Sie geben mir keine Karten?
363 GROSSER GRAF Es tut mir leid, aber ich kann sie Ihnen nicht geben.
364 ERZÄHLERIN Die Situation war unangenehm, ja peinlich, für den kleineren
Grafen –
365 KLEINER GRAF für sich In der Tat habe ich das Gefühl gerade beleidigt zu werden.
366 ERZÄHLERIN Am Schlimmsten aber war, dass er durch die Verweigerung der
Spielkarten des ihm zugedachten Gewinns beraubt wurde.
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Teil 3 - “Die Irrfahrten des Sergej Sergejewitsch” © Prokofiew/Plessner 2020
367 KLEINER GRAF Vielleicht möchten Sie mir erklären, Herr Graf, warum Sie so
unfreundlich handeln?
368 GROSSER GRAF Ich habe eben nicht den Wunsch, den Einsatz um so viel zu
erhöhen, das ist alles.
369 KLEINER GRAF Aber entschuldigen Sie, auf dem Tisch liegt weitaus mehr Geld!
Oder… ist es etwas Persönliches?
370 ERZÄHLERIN Bestärkt in der Annahme, man wolle ihm nicht geben, was
rechtmäßig sein war, ereiferte er sich sehr.
372 ERZÄHLERIN Der große Graf betrachtete angewidert das Geld des
Geldverleihers.
373 GROSSER GRAF trocken Gut, wenn Sie darauf bestehen, ja, es ist etwas
Persönliches.
374 ERZÄHLERIN Dem kleinen Grafen stieg die Zornesröte ins Gesicht.
375 KLEINER GRAF scharf In diesem Fall werden Sie die Freundlichkeit besitzen, mir in
einer anderen Form Satisfaktion zu erteilen? Spielkarte oder
Handschuh?
376 ERZÄHLERIN Der kleinere Graf legte seinen Handschuh neben die Börse.
Bestürzte Blicke richteten sich auf den großen Grafen. Aber der
zuckte nur mit den Schultern –
378 ERZÄHLERIN Damit nahm er den Handschuh und verließ das Casino
Das Duell selbst verlief kurz und ganz normal. Zwölf Schritte.
Eins, zwei, drei. Der Schuss. Eine Kugel in die Schläfe. Der Sturz
des großen Grafen und sein Tod. Alles Weitere ist uninteressant.
Der Geldverleiher saß indes bei sich zu Hause vor dem
Kaminfeuerchen und streichelte seine schwarze Katze. Sie
schnurrte freundlich.
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Teil 3 - “Die Irrfahrten des Sergej Sergejewitsch” © Prokofiew/Plessner 2020
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An Deck des Schiffes in der Bucht von San Francisco –
380 MITREISENDER Auch wenn man jetzt nichts erkennt, wir liegen tatsächlich in der
Bucht von San Francisco. Ich kann Ihnen versichern: eben hätten
Sie die Berge noch sehen können!
381 PROKOFJEW Als sich der Nebel verflüchtigte, zeigte sich die wunderschöne
Silhouette der Bucht. Von irgendwoher erklang das Glasen einer
Schiffsglocke, dazu das Rufen der Nebelhörner. Sicher habe ich
nicht erwartet, hier auf pittoreske Landschaften, Burgen oder gar
Sagengestalten zu stoßen – dies ist das Land wundersamen
Komforts, der Golddollar und eines untadeligen ‚all right‘!
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Teil 3 - “Die Irrfahrten des Sergej Sergejewitsch” © Prokofiew/Plessner 2020
392 PROKOFJEW Auf dem Klavier im Salon des Schiffs spielte ich die Violinsonate,
die er mir hinhielt ohne dazugehörige Begleitstimmen. Es wurde
nicht sehr geschätzt.
396 PROKOFJEW Ich spielte vier Takte. Der Beamte genoss es offensichtlich.
401 PROKOFJEW wieder als Erzähler Der Beamte schüttelte ungläubig seinen Kopf und
durchwühlte dann all meine Kompositionen, fand aber
offensichtlich keine kompromittierenden Schriften.
402 OFFICER Sie müssen jetzt leider alle auf die Insel, aber wahrscheinlich
werden Sie schon in einer Stunde wieder entlassen
403 PROKOFJEW ‚Die Insel‘ – das klang unheilvoll, nachdem was wir gesehen
hatten, als wir in die Bucht einfuhren: klein, felsig, und ziemlich
schön, aber komplett mit Gefängnissen bebaut.
404 OFFICER Bedauerlicherweise ist schon vier Uhr und der Empfang auf der
Insel bereits geschlossen. Man wird Sie dann morgen früh dorthin
bringen würde. Die Nacht müssen Sie also noch auf dem Schiff
verbringen.
405 PROKOFJEW Trostlos schlenderten wir über das verwaiste Schiffsdeck und
beklagten uns untereinander, was unsere Ankunft im gelobten
Land doch für eine langweilige Sache sei.
An diesem Abend baten mich die Passagiere für sie zu
spielen, und obwohl ich so etwas normalerweise ablehne, sagte
ich diesmal zu, vertiefte mich geradezu und spielte über zwei
Stunden. Unter den Passagieren befanden sich einige
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Teil 3 - “Die Irrfahrten des Sergej Sergejewitsch” © Prokofiew/Plessner 2020
406 MITREISENDER Jetzt dürfen wir doch froh sein, dass man uns noch einen Abend
an Bord behalten hat! Sollten Sie jemals in Schwierigkeiten
stecken oder Geld benötigen, wenden Sie sich direkt an mich!
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Im fahrenden Zug… rackklack… rackklack… rackklack…
407 LUCIAN Aufatmen… Nebel und Finsternis hinter sich lassen, durchatmen
am anderen Ufer. Doswidanie Tscherwontzy, ihr kleinen
zaristischen Goldmünzen! Hello, Gold Dollars! Hier kannst Du,
hier darfst Du… was auch immer du willst… if you feel like it, all
right.
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