Sie sind auf Seite 1von 4

Chaturanga

Chaturanga oder Caturanga (gesprochen: tschátur-ánga), (im


Deutschen) geschrieben auch Tschaturanga, ist ein altes indisches a b c d e f g h
Spiel, von dem angenommen wird, dass es den Ursprung von 8 8
Schach, Shōgi, Makruk und Xiangqi bildet (vgl. den Artikel über 7 7
die Geschichte des Schachspiels).
6 6
Chaturanga ist spätestens seit 600 n. Chr. gespielt worden und 5 5
wird allgemein für die älteste Schachversion gehalten. Seine
4 4
persische Version Chatrang ist der direkte Vorläufer des persischen
Schatrandsch, der Form, in der Schach ins mittelalterliche Europa 3 3
gelangte. 2 2
1 1
a b c d e f g h
Inhaltsverzeichnis Ashtāpada: das 64-Felder-Brett
Spielbrett ohne Schachbrettmuster – manchmal
mit besonderen Markierungen –, auf
Regeln
dem Chaturanga gespielt wurde.
Geschichte
Archäologische Belege
Siehe auch
Einzelnachweise
Literatur
Weblinks

Spielbrett
Chaturanga wurde auf einem 64-Felder-Brett ohne Schachbrettmuster gespielt, Ashtāpada[1] genannt. Das
Brett enthielt einige besondere Markierungen, deren Bedeutung heutzutage unbekannt ist. Diese Markierungen
haben nichts mit Chaturanga zu tun, werden aber aus Tradition auf dem Brett angebracht. Einige Historiker
haben spekuliert, dass das Ashtāpada auch für Würfelspiele nach Art des „Mensch ärgere dich nicht“ – ähnlich
dem indischen Pachisi-Spiel – verwendet wurde, wofür die Markierungen von Bedeutung gewesen sein
könnten. Im Mahābhārata, Buch 4, Kapitel 1, heißt es:

„Und auf den Schachbrettern bewegen sich wunderschöne Bauernfiguren aus Elfenbein von
blauer und gelber und roter und weißer Farbe durch den Wurf von schwarzen und roten
Würfeln.“[2]

Regeln
Chaturanga-Spielsteine
Ràja (König)
Mantri (Berater)

Ratha (Wagen)
Gaja (Elefant)
Ashva (Springer)
Padàti (Soldat)

Die genauen Regeln des Chaturanga sind nicht bekannt. a b c d e f g h


Schachhistoriker glauben allerdings, dass das Spiel dieselben oder 8 8
sehr ähnliche Regeln wie Schatrandsch hatte. Vor allem ist die 7 7
Zugweise des Gaja – des Elefanten und Vorläufer des Läufers im
modernen Schach – unklar. 6 6
5 5
Ràja (König); auch Raja oder Rajah – bewegt sich wie
der König im Schach oder Schatrandsch. Nach 4 4
manchen Quellen darf der Ràja sich auch einmal wie 3 3
ein Springer bewegen, sofern ihm nicht Schach geboten
2 2
wurde.
Mantri (Berater); auch als Senapati (General) bekannt – 1 1
bewegt sich ein Feld diagonal wie der Fers im a b c d e f g h
Schatrandsch. Chaturanga: Position der Steine zu
Ratha (Wagen) – bewegt sich wie der Turm im Schach Spielbeginn. Anders als im Schach
oder Schatrandsch. stehen die Ràjas einander nicht
Gaja (Elefant) – drei verschiedene Zugweisen werden gegenüber; der weiße Ràja beginnt
in der alten Literatur beschrieben: auf e1 und der schwarze Ràja auf d8.
1. Zwei Felder in eine beliebige, diagonale Richtung,
wobei er ein Feld überspringt wie der Alfil im
Schatrandsch. Das ist wahrscheinlich die älteste Zugweise.
Dieselbe Zugweise ist für das Boot in einer Version des Chaturangas für vier Spieler,
dem Chaturaji, üblich.
Der Elefant im Xiangqi (Chinesisches Schach) zieht ähnlich, aber ohne springen zu
können. Im Märchenschach wird der Name „Elefant“ für eine Spielfigur verwendet, die
zwei Felder diagonal ziehen kann, falls keine andere Figur dazwischen steht.
2. Ein Feld vorwärts oder ein Feld in eine beliebige, diagonale Richtung (man denke an die
vier Beine und den Rüssel des Elefanten).
Das ist derselbe Zug wie der des Silbernen Generals im Shogi.
Im Makruk (Thai-Schach) und Sittuyin (Burmesisches Schach) bewegt sich der Elefant
auf diese Weise.
Dieser Zug wurde um 1030 von Biruni in seinem Indien-Buch beschrieben.
3. Zwei Felder in eine beliebige, orthogonale Richtung, wobei er ein Feld überspringt.

Ein Spielstein mit dieser Zugweise heißt in manchen Schachvarianten Dabbābah.[3]


Dieser Zug wurde von dem arabischen Schachmeister al-Adli[4] um 840 in seinem
teilweise verloren gegangenen Werk über Schach beschrieben. (Das arabische Wort
dabbābah bezeichnete früher eine oben bedeckte Belagerungsmaschine, um
Festungen anzugreifen, und bedeutet heute „Panzer“).
Der deutsche Historiker Johannes Kohtz (1843–1918) schlägt dagegen vor, dass dies
die ursprüngliche Zugweise des Ratha war.[5]
Ashva (Springer); auch Ashwa oder Asva geschrieben – bewegt sich wie der Springer im
Schach oder Schatrandsch. (Dieser ausgefallene Zug kennzeichnet ein Spiel als einen
wahrscheinlichen Abkömmling des Chaturanga.)
Padàti (Fußsoldat); auch Pedati geschrieben oder als Sainik (Krieger?) bekannt – bewegt sich
wie der Bauer im Schach oder Schatrandsch.

Al-Adli erwähnt auch zwei weitere Unterschiede zum Schatrandsch:

Ein Patt galt als Sieg für einen Patt gesetzten Spieler. Diese Regel wirkt nicht logisch, taucht
allerdings in einigen Schachvarianten in England um 1600 wieder auf. Nach einigen Quellen
gab es kein Patt, was unwahrscheinlich ist.
Der Spieler, der zuerst den König des Gegners entblößt hat (alle Steine bis auf den König
gefangen hat) gewinnt. Im Schatrandsch gilt das ebenfalls als Sieg, sofern der Gegner den
König des Spielers nicht im Gegenzug ebenfalls entblößen kann.

Geschichte
In Sanskrit bedeutet „Chaturanga“ wörtlich „vierteilig“, was sich zugleich auf die vier Truppengattungen des
altindischen Heeres bezieht. Neben dem König und seinem Berater im Zentrum bestand die Armee aus den
folgenden Einheiten:

Infanterie repräsentiert durch eine Linie vorwärts ziehender Bauern.


Kriegselefanten, die im Zentrum der Armee König und Kriegskasse trugen, besaßen als
Nachkommen des mythologischen Elefanten Airavata die meiste Schlagkraft, zugleich wurde
ihnen wegen ihrer Fähigkeit, als schnelle Vorhut des Heeres Sümpfe zu überqueren und Wege
anzulegen, im Spiel die Rolle als Läufer zuerkannt. Später wurde diese eher schwache Figur
nicht für eine angemessene Wiedergabe der Kraft eines wirklichen Elefanten in der indischen
Kriegsführung gehalten. Dadurch änderten sich Zugweise und Name, und heutzutage wird in
Indien der Turm häufig als Elefant bezeichnet und der Läufer heißt „Kamel“ (Der Ausdruck
„Kamel“ wird auch für einen Spielstein aus dem Märchenschach mit einer anderen Zugweise,
einem (3,1)-Sprung, verwendet).
Die Kavallerie wird durch den Springer repräsentiert und einem Zug, der seitliche Ausfälle
begünstigt.
Streitwagen auf den Flanken, die sich schnell, aber nur geradeaus bewegen. Sie wurden in
Europa zum Turm, in Russland auch als „Schiff“ bezeichnet.

Archäologische Belege
Im zentralen Nordindien – in der Gegend zwischen Kanauj und Pataliputra – sind seit den 1940er-Jahren
zahlreiche kleine Tonfiguren ausgegraben worden, darunter bewaffnete Krieger, Elefanten, Pferde und Wagen.
Allerdings gibt es keine Figuren, die eindeutig als „König“ oder „Berater“ identifiziert werden können, und
nie ist ein komplettes Schachset gefunden worden. Die meisten Stücke sind nicht publiziert und befinden sich
in schwer zugänglichen Museen.[6] Die 5–15 cm großen Figuren sind in Modeln gefertigt, also serienmäßig
hergestellt worden, und einige von ihnen sind auf zwischen 300 und 600 n. Chr. datiert worden. Die
Münchner Indologin Renate Syed interpretiert sie als Repräsentanten der Heeresgattungen, die in einer Art
Sandkastenspiel von Militärs zum Nachstellen von Schlachten verwendet worden sind. Gegen 450 n. Chr.
habe dann eine unbekannte Person diese Figuren mit dem Ashtāpada – dem 64-Felder-Brett – kombiniert und
daraus das Chaturanga entwickelt.

Siehe auch
Schachgeschichte
Chaturaji, eine Chaturanga-Version für vier Spieler

Einzelnachweise
1. Ashtāpada (http://history.chess.free.fr/ashtapada.htm) (englisch)
2. Zitat aus dem Mahābhārata, Buch 4, Kapitel 1 (http://www.sacred-texts.com/hin/m04/m04001.ht
m) (englisch)
3. Dabbābah (http://www.chessvariants.org/piececlopedia.dir/dabbabah.html) (englisch)
4. al-Adli by Bill Wall (https://web.archive.org/web/20060306092948/http://www.geocities.com/Sili
conValley/Lab/7378/aladli.htm) (Memento vom 6. März 2006 im Internet Archive) (englisch); im
Internet Archive
5. Zugweise des Ratha (https://web.archive.org/web/20110716041123/http://www.goddesschess.
com/chessays/calvognosis2.html) (Memento vom 16. Juli 2011 im Internet Archive) (englisch),
via Internet Archive
6. einige Bildbeschreibungen und Abbildungen finden sich in Syed, Kanauj …, S. 78–80 und 87–
91.

Literatur
David Hooper und Kenneth Whyld: The Oxford Companion to Chess. 2. Auflage. 1992, ISBN
0-19-866164-9.
Harold James Ruthven Murray: A History of Chess. 1913, ISBN 0-936317-01-9.
David Parlett: The Oxford History of Board Games. 1999, ISBN 0-19-212998-8.
D.B. Pritchard: The Encyclopedia of Chess Variants. 1994, ISBN 0-9524142-0-1.
Renate Syed: Kanauj, die Maukharis und das Caturanga. Förderkreis Schach-
Geschichtsforschung e. V., Kelkheim/Ts. 2001, ISBN 3-934474-09-8.

Weblinks
Chaturanga. (http://www.chessvariants.org/historic.dir/chaturanga.html) Chess Variants
(englisch)

Abgerufen von „https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Chaturanga&oldid=210062989“

Diese Seite wurde zuletzt am 21. März 2021 um 22:13 Uhr bearbeitet.

Der Text ist unter der Lizenz „Creative Commons Attribution/Share Alike“ verfügbar; Informationen zu den Urhebern und
zum Lizenzstatus eingebundener Mediendateien (etwa Bilder oder Videos) können im Regelfall durch Anklicken dieser
abgerufen werden. Möglicherweise unterliegen die Inhalte jeweils zusätzlichen Bedingungen. Durch die Nutzung dieser
Website erklären Sie sich mit den Nutzungsbedingungen und der Datenschutzrichtlinie einverstanden.
Wikipedia® ist eine eingetragene Marke der Wikimedia Foundation Inc.

Das könnte Ihnen auch gefallen