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Möllenbeck 6

und Hessendorf
Historischer Ortsspaziergang

Möllenbeck

Dorfgeschichte im Zeichen des Klosters

Möllenbeck (1.355 Einw.) gehört mit seiner Lage am


Rande der fruchtbaren Weseraue zu den ältesten
Siedlungsplätzen im Wesertal. Die archäologisch
belegten Spuren früher Hausbauten und Begräbnis-
plätze weisen zurück bis in die Bronzezeit vor mehr
als 3.000 Jahren. Die guten Voraussetzungen für die
Landwirtschaft und die günstige Verkehrslage waren
vermutlich ausschlaggebend für die Anlage eines
bedeutenden Klosters, das 896 als „Mulinpeche“
Erwähnung findet. Der Name bezieht sich auf den
Möllenbecker Bach, dessen Wasser bereits zu dieser
Zeit für den Antrieb mindestens einer Mühle genutzt
wurde.

Die große wirtschaftliche Bedeutung des Klosters


und die Nähe zur Weser, die im Hochmittelalter
vermutlich noch in einem Seitenarm unmittelbar
nördlich des Klosters vorbeifloss, führte zu einer
raschen Siedlungsentwicklung in Möllenbeck, so
dass für den Ort im 13. und 14. Jahrhundert Ratsver-
fassung, Marktplatz, Marktkirche und Landwehren
erwähnt werden. Diese frühe, stadtähnliche Sied-
lung ging mit der anschließenden Krise des Klosters
und dem Aufblühen des nahen Rintelns, das durch

Rinteln
die Schaumburger Grafen eine besondere Förderung
erfuhr, wieder ein. Mitte des 17. Jahrhunderts be-
standen in Möllenbeck außer dem Kloster nur noch
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sieben Hofstellen, sämtlich im Besitz des Stifts. stand in seiner Frühzeit unter dem Schutz der Minde-
ner Bischöfe und wurde erst 1377 Teil der Grafschaft
Mit dem Aussterben der Schaumburger Grafen Schaumburg. Mitte des 14. Jahrhunderts begann der
(1640) fiel die Südosthälfte ihres Besitzes mit wirtschaftliche und geistliche Niedergang des Frau-
Rinteln und Möllenbeck an die Landgrafschaft enkonvents, bis das Stift 1441 durch Augustiner-
Hessen-Kassel, deren energische Regentin, Hedwig Chorherren der Reformbewegung der Windesheimer
Sophie, die Grenze mit Lippe neu regulieren und die Kongregation übernommen wurde.
Wirtschaft der Möllenbecker Stiftsdomäne straffen
ließ. In diesem Zuge wurden ab 1667 auf Domänen- Die Wiederherstellung des Möllenbecker Klosterle-
land mehrere Neusiedlerstellen ausgewiesen und bens wurde 1492 durch ein Großfeuer unterbrochen,
die Siedlung Hessendorf gegründet, die bis 1969 ein dem ein Großteil der Gebäude zum Opfer fiel. Der
eigenständiges Dasein führte. Bibliothekar des mit kostbaren Handschriften ausge-
Das Dorf Möllenbeck erlebte seinen Wiederaufstieg statteten Stifts kam in den Flammen ums Leben.
im 18. Jahrhundert, als hier ebenfalls Parzellen des
Domänenlandes für die Gründung von neuen Bau- Das heutige Erscheinungsbild der Klosteranlage ist
ernstellen abgetrennt von dem zwischen 1479 und 1505 im spätgotischen
wurden. Stil errichteten Gebäudeviereck geprägt, das mit
seinem beeindruckenden Kreuzgang den früher als
1 Kloster Möllenbeck Friedhof genutzten Innenhof umschließt. Es handelt
Das Kloster Möllen- sich um eine der besterhaltenen gotischen Kloster-
beck ist das bedeu- anlagen nördlich der Alpen.
tendste Baudenkmal
im Rintelner Weser- Mit der 1560 in Schaumburg vollzogenen Reforma-
tal. Es wurde gegen tion begann die Umwandlung des Klosters in ein
Ende des 9. Jahrhunderts als freiadliges Damenstift evangelisches Männerstift mit bedeutender Latein-
gegründet und 896 durch Kaiser Arnulf bestätigt. schule. Aus dieser Zeit sind in den Klausurgebäuden
Als Stifterin nennt die Sage eine Edelfrau namens hochwertige Deckenmalereien der Weserrenaissance
Hildburg. In der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts erhalten geblieben. Nach dem Dreißigjährigen Krieg
entstand ein aufwändiger Neubau, von dem bis löste die neue hessische Landesherrschaft das Stift
heute die Krypta und die ottonischen Rundtürme auf und wandelte es in eine lediglich wirtschaftli-
erhalten geblieben sind. chen Zwecken dienende Domäne um. Der Nieder-
Das Kloster mit seinen umfangreichen Besitzungen gang der Anlage fand seinen Tiefpunkt in der Napo-
leonischen Zeit. Nachdem das Inventar versteigert
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worden war, wurde der Kirchenraum als Pferdestall von 13 – 14 Metern. Weitgehend identisch ist eine
genutzt. zweite, etwa 100 Meter waldeinwärts befindliche
Ein Wendepunkt trat 1836 ein, als die ev.-reformierte Anlage. Beide stammen aus der Bronzezeit im
Pfarre Möllenbeck das mit 70 Metern Länge größte Übergang zur vorrömischen Eisenzeit vor ca. 3.000
Kirchengebäude des Schaumburger Landes renovier- Jahren. Bei Grabungen durch den Rintelner Kreisar-
te und im neugotischen Stil ausstattete. Die geräu- chäologen Paul Erdniß in den 1920er Jahren wurden
migen Klausurgebäude sind in den vergangenen Jah- Keramikreste gefunden.
ren Schritt für Schritt renoviert worden und dienen Die Plünderung und Zerstörung von Bodenaltertü-
heute als eine beliebte Freizeitstätte für kirchliche mern steht unter Strafe.
und nichtkirchliche Jugendgruppen. Bemerkenswert
ist das stattliche Domänenpächterhaus, ein klas- 4 Freibad Möllenbeck
sizistischer, symmetrischer Bau von 1818, dessen In den ersten beiden Dritteln des 20. Jahrhunderts
Erscheinungsbild um 1900 im historistischen Stil war Möllenbeck ein beliebter Urlaubsort für Som-
erneuert wurde. mergäste, für die das aus dem Möllenbecker Bach
versorgte Freibad eine wichtige Attraktion war.
2 Paternbrunnen Höhere Ansprüche an Hygiene und Wassertempera-
Der Paternbrunnen ist eine natürliche Hangquelle, tur führten 1968 zur Schließung der Badeanstalt, die
die bereits im Mittelalter durch die Möllenbecker damit das gleiche Schicksal wie die Freibäder von
Mönche (Patern) eingefasst und genutzt wurde. Steinbergen, Deckbergen und Bögerhof ereilte.
Dabei wurde das Wasser unterirdisch in hölzer-
nen Rohren über eine Strecke von mehr als einem 5 Kieswerk Reese
Kilometer bis zum Kloster geleitet. Erst 1911 wurden An der Stelle des idyllischen Sees erhob sich noch
Eisenrohre eingesetzt. Die Einfassung des alten vor wenigen Jahrzehnten der Kahlenberg. Mit Spa-
Paternbrunnens trägt eine rätselhafte Inschrift, die zierwegen und Ruhebänken ausgestattet, boten
schon zu vielfältigen, aber nie ganz befriedigenden sich von hier aus viele reizvolle Aussichten auf das
Deutungen Anlass gab. Am überzeugendsten ist Klosterdorf, das im Sommer zahlreiche Feriengäste
noch die, welche eine Jahreszahl 1701 annimmt. beherbergte. Im Zuge der großen Baukonjunktur
nach dem Zweiten Weltkrieg, begann die Firma
3 Hügelgräber Wilhelm Reese mit der Kies- und Sandgewinnung
Der Weg von der Kreisstraße in die westlichen Hänge auf diesem Gelände. Bei Mächtigkeiten bis zu 70
des Möllenbecker Waldes schneidet nach ca. 500 m Metern, handelt es sich um eines der ergiebigsten
auf der rechten Seite ein frühzeitliches Hügelgrab. Vorkommen dieser Art in Norddeutschland. Heute
Es ist etwa 80 cm hoch und hält einen Durchmesser ist das Abbaugebiet auf eine Fläche von rund 100 ha
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angewachsen, die Erweiterung auf knapp 149 ha ist 7 Niederwald bei Hessendorf
genehmigt. Während sich im aktuellen Abbaugebiet Das Buchenwaldstück „Großer Busch“, südlich
vor einer bis zu 50 Meter hohen Sandböschung eine von Hessendorf, wurde jahrhundertelang von den
fremdartige Mondlandschaft darbietet, sind die re- Hausbesitzern des Dorfes als siedlungsnaher Brenn-
naturierten Bereiche in Ortsnähe bereits wieder mit stofflieferant genutzt. Die Bewirtschaftung erfolgte
Weiden- und Pappelgewächsen bewaldet. zuletzt in Niederwaldwirtschaft, d.h. die ausschla-
genden Wurzeltriebe wurden bereits armdick über
6 Der Findlingsgarten dem Boden abgesägt, so dass ein strauchartiger
An der Stelle des heutigen Findlingsgarten stand bis Bewuchs entstand, der sich in den letzten Jahrzehn-
1988 die alte Aufbereitungsanlage des Kieswerks ten ausbleibender Nutzung zum heutigen Erschei-
Reese. Bei deren Verlagerung nach Süden in das nungsbild entwickelte.
heutige Abbaugebiet wurden hier zahlreiche, beson-
ders mächtige Findlinge der Saale-Eiszeit zusam- 8 Denkmal
mengeführt. Mehrere Informationstafeln erläutern Das Trauma des verlust- und entbehrungsreichen
die einzigartige Geologie im Möllenbeck-Krankenhä- Ersten Weltkriegs äußerte sich mit der wirtschaft-
ger „Kames-Hügelland“. lichen Wiederbelebung der 1920er Jahre in einer
Vielzahl ländlicher Denkmäler. Das Hessendorfer
Ehrenmal erhielt, in Ermangelung eines Dorfmit-
telpunktes oder eines eigenen Hessendorfer Fried-
hofes, seine landschaftlich reizvolle Lage am Hang
über dem Dorf.

9 Siedlung Hessendorf
Hessendorf ist eine Reihensiedlung, die seit ihrer
Gründung vor mehr als 300 Jahren im Wesentlichen
unverändert geblieben ist. Sie entstand 1667-1673
auf Geheiß der hessischen Landgräfin Hedwig So-
phie, die auf diese Weise einen Teil ihres Möllenbe-
cker Domänenlandes „privatisierte“.

Die zumeist häufig wenig effizienten landesherrli-


chen Betriebe konnten durch die Aufteilung in eine
Reihe von ertragreichen Bauernwirtschaften zum
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Landeswohlstand und höherem Steuer- und Abga- 13 Die „Glashütte“


benaufkommen beitragen. Die zumeist aus dem An der Hessendorfer Straße gegenüber dem Fried-
Lippischen angeworbenen Hessendorfer Neusiedler hof steht, beginnend mit Haus Lemgoer Straße 35,
erhielten 16 etwa gleichgroße Besitzparzellen am eine Reihe von fünf gleichartigen Backsteinhäusern
Terrassenrand zur Weseraue. aus der Zeit um 1900. Die Häuser werden bis heute
Bis heute ist die Siedlungsgestalt unverändert: Von „Glashütte“ genannt, weil sie baulich einer gleich-
Norden beginnend besaßen die Höfe Weiden und alten Siedlung an der Rintelner Glashütte entspre-
Wiesen, Baumhöfe und Gärten, Haus- und Hofflä- chen. Es handelt sich um vergleichsweise komfortab-
chen, südlich davon das Ackerland und schließlich le Arbeiterwohnhäuser, überwiegend für Ziegler.
einen Anteil am Genossenschaftswald.
Wie Exten, war Möllenbeck um 1900 von einer zu-
10 Hof Klemme, Hessendorf Nr. 11 nehmenden sozialen Vermischung der Landbevölke-
Der 1674 gegründete Hof war zugleich Sitz einer rung mit Industriearbeitern geprägt.
hessischen Grenzförsterei, die über sechs Genera-
tionen in Familienbesitz blieb. An die Verbindung 14 Pfarrhaus
zu Forst und Jagd erinnert das stattliche Dielentor Das heutige Pfarrhaus wurde durch den Klostervogt
an der Nordseite des Hofes aus dem Jahr 1790. Die Heinrich Kahle im Jahr 1778 errichtet. Seine mächti-
Balkenzier der Torpfosten zeigt statt Stern- oder ge Giebelfront mit zwei ungewöhnlichen, doppelten
Sonnensymbolik zwei stattliche Hirsche. Ständerreihen, wie auch die seitliche Einfahrt in den
rückwärtigen Wirtschaftteil, heben sich deutlich
11 Hof Klemme, Hessendorf 1 vom üblichen niedersächsischen Bauernhaus ab und
Das 1670 von Christoffer Nagel und Marie Brock- deuten den höheren Stand des Erbauers an. Wohnen
meier errichtete Hofgebäude gehört zu den ersten, und Wirtschaften bleiben voneinander getrennt. Die
die in Hessendorf gebaut wurden. Es ist eines der nach Westen orientierte Wetterseite des Hauses
ältesten Bauernhäuser im Rintelner Stadtgebiet. wurde im 19. Jahrhundert mit teuren Schieferplatten
bedeckt.
12 Hessendorfer Kirchweg Zwischen 1813 und 1841 diente das Gebäude als
Der Weg vom Hof Hessendorf 1 nach Westen in Gasthaus, seit 1841 ist es Pfarramt der ev.-refor-
Richtung Möllenbeck ist das letzte Teilstück eines mierten Kirchengemeinde.
geraden Verbindungsweges, der bis vor wenigen
Jahrzehnten sämtliche Hessendorfer Höfe miteinan-
der verband.
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15 Platz der früheren Gaststätte Siekmann


Hier stand bis zum Jahr 2000 der stattliche Fach-
werkbau der traditionsreichen Möllenbecker Gast-
wirtschaft Siekmann. Diese heute leer wirkende
Möllenbeck
Fläche markiert zugleich den Siedlungskern des
mittelalterlichen Möllenbeck. Im 14. Jahrhundert soll
sich an dieser Stelle der Marktplatz mit der teilweise
fertiggestellten Marktkirche befunden haben.
Tourist-Info Stadt Rinteln Die Eulenburg.
Marktplatz 7, 31737 Rinteln Museum Rinteln
Telefon: 05751/403-980 Klosterstraße 21, 31737 Rinteln
nbeck tourist@rinteln.de Telefon: 05751/41197
www.rinteln.de museum.eulenburg@t-online.de
www.eulenburg-museum.de
Öffnungszeiten:
Nebensaison (November bis April) Öffnungszeiten:
Mo. - Do. 09.00 Uhr - 15.00 Uhr Täglich außer montags
Fr. 09.00 Uhr - 13.00 Uhr 14.00 - 17.00 Uhr
Hauptsaison (Mai bis Oktober) für Gruppen nach Anmeldung
Mo. - Fr. 09.00 Uhr - 18.00 Uhr auch vormittags oder abends
Sa. - So. 10.00 Uhr - 18.00 Uhr

Hessendorf
Streckenlänge 6,8 Kilometer

Gastronomie: Herausgeber: Stadt Rinteln


Hofgarten am Kloster Recherche:
Am Kloster 1 Karl Buchholz, Kurt Klemme,
Werner Begemann,
Tel.: 05751/42 77 3
Roland Trompeter,
Reinhold Kölling,
Klosterstube Möllenbeck Dr. Stefan Meyer
In der Neustadt 8
Tel.: 05751/99 32 11 Fotos:
Klaus Breitenbach

Text:
Dr. Stefan Meyer

Design & Druck:


K-Design GmbH • Tel. 05751 891960

Gefördert durch die Europäische


Union im Rahmen der Gemein-
schaftsinitiative LEADER+

Graphisches Institut Eckmann GmbH - Bielefeld

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