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Das ist nun die Geschichte vom großen Rübezahl.
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auf der großen Lichtung nahe dem Wald wuchsen noch
sehr viele zuckersüße Erdbeeren. Im Juli dann, wenn
die Ferien begannen, gingen wir Kinder in den Wald,
um all die beschriebenen Leckereien zu pflücken.
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behandelten chronischen Erkrankung, kamen dann die
Symptome der Malaria immer wieder zum Ausbruch.
Abgesehen davon gab es in dieser Zeit noch keine
vernünftigen Antibiotika wie Penicillin und anderes.
Durch die Schwere des Berufs noch verstärkt, ließ die
Malaria-Krankheit ihm keine verdiente Pause. In immer
kürzeren Abständen brachen die Anfälle der Krankheit
aus. Meine arme Mutter stand jeden Tag vor dem
Waschzuber, um die durchgetränkte Wäsche des
Vaters zu waschen. Das war nicht nur bedingt durch die
Knochenarbeit der Glasbläser in der Fabrik die tägliche
Pein. Die Krankheit hatte sich da schleichend dem
Lebensrhythmus bemächtigt.
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traurigerweise unheilbar zu sein schien. Seine
Röntgenaufnahmen der Lunge ließen sogar den
behandelnden Arzt ganz blass und nachdenklich
werden.
Neben der anfänglich falschen ärztlichen Behandlung
und der fehlenden richtigen Medizin in dieser Zeit blieb
eben nur die aufopferungsreiche Fürsorge meiner
Mutter und älteren Schwester für meinen Vater übrig.
Es war eine wirklich schwere Arbeit, die noch durch
seine chronische Erkrankung zur einzigen nie enden
wollenden Tortur wurde. Auch er hätte in seinem kurzen
und so gequälten Leben etwas Besseres verdient.
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die Menschen aufzuklären. Das Unwetter zog bereits
über die grünen Berge und viele Arbeiter im Land waren
sich der aufkommenden neuen Kriegsgefahr bewusst.
Nach einem ersten verlorenen Krieg sollte nicht ein
neues zweites schlimmes Abenteuer die Menschen ins
Elend stürzen.
Auch damals gab es schon weitsichtige Zeitgenossen,
die den heutigen Hasardeuren und verschrobenen
Kriegstreibern gehörig die Leviten lesen würden. In den
Arbeitersportvereinen des Sudetenlandes war auch die
Solidarität schon sprichwörtlich. Bedingt durch die
wirtschaftliche Situation der 20er und 30er Jahre und
dem bescheidenen Leben der Menschen im Gebirge
wurde persönliches Leid zu kollektiver Anteilnahme.
Flinke und behände Hände bauten in wenigen Jahren
wieder auf, was der sinnlose Erste Weltkrieg vernichtet
hatte. Die Menschen im Sudetenland rückten in den
harten Zeiten, wie schon so oft in ihrer Geschichte,
zusammen. Erstes Klassenbewusstsein und ein harter
Kampf im ewigen Ringen um Brot und gerechten Lohn
hatten auch so manch einen Unternehmer und
Fabrikherren einen Anflug von Verständnis oder gar
Solidarität für seine Arbeiter zeigen lassen.
Bereits zur Wende des 19./20. Jahrhunderts kamen die
Arbeiter in den traditionellen Glashütten des
Riesengebirges in den Genuss von erschwinglichem
Wohnraum. Die Genossen erkämpften sich das Recht
der Krankenversicherung und anderer für den
Menschen wichtiger Lebensdinge, die heute von vielen
als sehr selbstverständlich angesehen werden.
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Jedenfalls meine Mutter als gute Schneiderin sorgte
nach dem Tod des geliebten Vaters danach für den
Lebensunterhalt mit viel Fleiß bei Tag und Nacht an der
Nähmaschine. Die Mutter, meine 13 Jahre ältere
Schwester sowie Tanten und Onkel gaben mir das
warme Nest der Familie mit Liebe und Geborgenheit.
Als ich 1941 sechs Jahre alt war, begann für mich
die Schulzeit. Das Lernen bereitete mir große Freude.
Eine liebe Freundin mit Namen Erika hatte ich
gefunden. Wir wurden mit den Jahren unzertrennliche
Klassenkameraden. Gemeinsam bestritten wir unsere
Schulzeit. Wenn am Nachmittag unsere Arbeit beendet
war, ging es ans Spielen. Auf der großen Wiese hinter
unserem Haus konnte man sich herrlich vergnügen.
Dort wuchs ein riesiger Kirschbaum mit dunkelroten
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Früchten und viel Schatten gegen den heißen Sommer.
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Mutter einmal zu mir sagte: „ Helga – wenn der Krieg
vorbei ist, dann werden wir uns mal so ein richtiges
Stück Kuchen in der Konditorei leisten mit gutem
Kaffee!“ Mit wie wenig Dingen wir uns doch damals
zufrieden gaben, wenn heute der tägliche Überfluss die
Menschen ganz blind werden lässt! Einfach für eine
kurze Stunde all dem Leid und den Entbehrungen
entfliehen und in seine bescheidenen Träume
eintauchen. Hatte die arme Frau da zu viel verlangt?
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abgebrochen und mein Gesicht war rot und tagelang
dick geschwollen. Später hat dann ein guter Zahnarzt
und Vater einer lieben Klassenkameradin in neuen
Friedenszeiten kostenlos alles wieder gerichtet zu
meiner besten Zufriedenheit.
Jedenfalls hatte vorher der Junge seine verblendete
Wut an mir ausgelassen. Nie mehr hatten wir etwas von
dieser Familie gehört. Auch zur Rechenschaft hat man
diese Familie nicht gezogen. Die Zeit läuft nun mal
weiter. Die Wunden werden verheilen.
Eines Tages, als ich aus der Schule kam, waren meine
Mutter und der Onkel nicht anwesend. Wo waren sie?
Alles war still! Niemand sagte auch nur ein einziges
Wort – weder Tante noch Schwester oder gar Nachbar.
Großer Kummer überkam mich sofort. Jedoch hofften ja
schon viele Menschen während dieser Zeit auf ein
baldiges Ende des schrecklichen Krieges. So war es
dann aber auch. Das Ende konnte doch nicht mehr weit
sein? Die Gestapo, die noch vor Kurzem bei uns im
Haus war, hatte aber Mutter und Onkel mitgenommen.
Tage und Wochen wurden mir zur Ewigkeit. Wo war
denn nur meine Mutter?
Schon die Schwester meines anderen Patenonkels
hatte auf ihr Herz gehört und aus ehrlicher Anteilnahme
ein kleines jüdisches Mädchen aus der Nachbarschaft
monatelang bei sich versteckt. Die quälende Angst war
dabei aber täglich in greifbarer Nähe für uns alle!
Der einfache Mensch hat jedoch immer schon mit
gesundem Menschenverstand Recht und Unrecht zu
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unterscheiden gewusst und nie die falschen Richtlinien
der diktatorischen Obrigkeit verfolgt. Da hat sich auch
heute nichts geändert, wenn fern von aller falschen
Politik oder auch heuchlerischen Demokratie und
schlimmen Zwangsmaßnahmen Menschen in Not sind!
Unsere kleine Ruth konnte somit dem grauenvollen
Schicksal von Auschwitz, Treblinka oder Bergen-Belsen
entgehen. Einfache Arbeiter, überzeugte Antifaschisten
haben damals mehr geholfen, als alle Geschichtsbücher
immer noch verklärend wiedergeben wollen. Auch
meine Mutter saß erneut an der Nähmaschine und
sorgte mit warmer Bekleidung für die kleine Ruth und
ihre jüdische Familie. Vielleicht sollte meine liebe Mutter
gerade deswegen noch in den letzten Tagen des
Krieges für ihren Mut und die christliche Nächstenliebe
bestraft werden wie so viele andere aufrechte
Menschen, die nie nach dem eigenen Vorteil für sich
selbst trachten und sich dabei noch in Gefahr bringen!
Später haben wir dann nichts mehr von Ruth und den
Eltern gehört als der Krieg zu Ende war. Vielleicht sind
sie auch weggezogen und nach Amerika ausgewandert
oder haben einen Neuanfang in Palästina versucht wie
so viele von der Roten Armee befreite Juden auf dem
heiligen Boden anderer erneut unterdrückter Menschen!
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Wirklichkeit geworden. Viele Inhaftierte wurden befreit.
Die Mutter und ihr Bruder kamen schließlich heim. Die
gemeinsame Freude war natürlich riesengroß. Aber ein
Wermutstropfen blieb im getrübten Glas zurück. Von
Krankheit gezeichnet stand meine liebe Mutter da vor
mir mit Freude in den Augen. Die letzten schrecklichen
Erlebnisse waren nicht spurlos an ihr vorübergegangen.
Krank und müde war sie jetzt geworden während der
langen Zeit der schmerzlichen Trennung. Jedoch
hofften wir alle auf bessere Zeiten und glaubten
felsenfest, sie würde wieder gesund werden.
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Wer ein deutsches Wort sprach, bekam den Stock zu
spüren. Auch ich musste eines schönen Tages seine
aufgestaute Wut den Deutschen im Land gegenüber
ertragen. Meine Finger schwollen ganz dick und rot an
nach den ersten Stockschlägen. Das war so ungerecht,
weil ich doch nichts Schlimmes angestellt hatte.
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mussten von heute auf morgen alles zurücklassen.
Einige Anwohner, welche ihr Hab und Gut nicht
aufgeben mochten, hatten ihrem Leben ein unschönes
Ende gesetzt oder wurden vom neuen tschechischen
Lynchmob einfach von den Brücken gestürzt. Es brach
die Zeit des Chaos und des verschütteten Hasses aus.
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für die Kriegsgefangenen und so mancher Teller Suppe
half den Fremden in der Fabrik, wo auch meine
Schwester arbeitete und ihnen das unter Androhung
von Strafe vorbeibrachte, über ihr Schicksal hinweg. Ein
Schicksal, das jetzt auch uns treffen sollte. Wer versteht
da noch die Welt, die Zeit oder auch anderes dummes
Gerede von Leuten, die nichts durchgemacht haben
und nur ihren unnützen Kommentar in den Raum
spucken als Schönwetter-Akrobaten!
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Mit seinen geschickten Händen und viel Liebe konnte
mir der gute Mensch noch schnell eine meiner Puppen
herrichten, ehe der Arbeitsappell ihn wieder in der
Kaserne erwartete. Jetzt denke ich so bei mir – was aus
diesem Kriegsgefangenen wohl geworden ist? Hatte er
selber eine Frau, Kinder und Familie, die in der weiten
Ferne auf ihn warteten! Hat er seine Heimat jemals
wiedergesehen oder wurde ihm das wohl am Tag der
Befreiung noch vom Franco-Regime auf immer und
ewig verwehrt?
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Cousin. Frohen Mutes schritt er dem Offizier entgegen
und fragte ihn auch gleich mit festem Blick in den
Augen. Ziemlich erstaunt war ich, als dann Benno mit
dem Gaul vor mir stand. Der Russe hatte es ihm ja
erlaubt. Froh und überglücklich war ich, und ehe ich
mich noch versah, saß ich schon auf dem Rücken des
Pferdes. Dann ging es auch gleich los über Felder und
Wiesen. Das Tier kam gar nicht zum Halten. An der
Mähne geklammert, hatte ich schon Stoßgebete zum
Himmel geschickt. Dann kam das Pferd aber doch noch
zum Stehen. Der Offizier hatte es mit einem Lachen zu
sich gerufen. Ein Glück war mir bei diesem Ritt nichts
passiert, aber das große Abenteuer werde ich nicht
vergessen. Es war ein einmaliges Erlebnis.
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mich magisch an und so übte ich dann stundenlang die
akrobatischen Verrenkungen der Zirkusleute zu Hause
nach. Meine Mutter musste dabei immer sehr lachen,
wenn ich wieder einmal als „Wollknäuel“ in der Küche
auf dem Boden lag. Ich war schon damals sehr gelenkig
und noch weitaus ehrgeiziger in jeder sportlichen
Art und Weise, was sich ja später dann in meinen
sehrverschiedenen Berufen auszahlen sollte!
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Tschechen und Slowaken wie Juden als auch andere
Ethnien arbeiteten und lebten nun mal in diesem großen
Reich der Habsburger und anderer Tagediebe.
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Leidensgeschichte – dem gemeinsamen Streben nach
Glück und Frieden auf Erden?
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derselben Minute schon auf der staubigen Straße.
Wie dem auch sei. Auch wir sollten jetzt die Sachen
packen. Mehr als drei Millionen Sudetendeutsche
mussten sofort die Heimat verlassen – eine alte
Heimaterde, die doch jahrhundertelang Platz für alle
unterschiedlichen Völker geboten hatte.
Der Name Sudetenland war ein Sammelbegriff für die
Deutschen aus Böhmen und Mähren, wie man es heute
auf der Landkarte findet und somit auch ein
Sammelbegriff für den Hass der Tschechen gegen alle
Deutschen.
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Seite der Deutschen in den Krieg gezogen wären.
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Wer einen tschechischen Lebenspartner hatte, durfte
damals noch im Land bleiben. Durch Verwandte in
gemischter Ehe konnten somit auch wir noch wertvolle
Familienfotos, Dokumente und andere Kleinigkeiten vor
den neuen „Barbaren“ retten, die ja erst später
„sozialistisch“ wurden und nach der deutschen
Wiedervereinigung von 1989 erneut einen deutschen
Herren in Europa suchten und gar brauchten! Hier ist
eben wieder einmal die nationale Unabhängigkeit vom
Geld abhängig wie eh und je!
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Dann stand der große Lastwagen für den Transport der
Menschen bereits vorne am Schulhof. Wir waren jetzt
alle wie nutzlose Tiere auf einem engen Haufen
zusammengepfercht. Wirklich welch ein erbärmlicher
Anblickund zur Schadenfreude der tschechischen
Aufseher. Ohnmacht mischte sich mit der Angst in den
Augen der Mütter und Kinder. Viele Väter waren
imKrieg geblieben oder noch in Gefangenschaft. Frauen
hatten am Ende allen Elends immer schon die größte
Last zu tragen. Das ist nun mal der Lauf der schlimmen
Dinge auf Gottes vergessener Erde.
Die Sache ist aber dennoch nicht allzu spaßig! Mit der
bereits totkranken Mutter ging es dann 1946 in das
erzwungene neue deutsche Exil. Von Ort zu Ort ‒ von
Wassersuppe zu Milchpulver ̶ von ekligen verfaulten
Kartoffeln bis zu erbrochenen Futterrüben. Tagelang
holperte der Zug über die Gleise. Ein Notaufnahmelager
folgte dem anderen. Manchmal wurde geholfen, oftmals
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aber der Vertriebene zum deutschen Zigeuner ohne
Rechte oder gar bescheidene Ansprüche.
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VERTREIBUNG
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den anderen Flüchtlingslagern jedes Mal wiederholen
und am Ende dann doch den Sinn verlieren bei soviel
giftigen und ätzenden Chemikalien auf der nackten
Haut.
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Auf kalter, nackter Erde wurde geschlafen, gekocht
und auch gestorben. Auch Morphium war knapp
bemessen, um der todkranken Mutter wenigstens
noch das Sterben zu erleichtern.
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„kindlichen“ Anteilnahme schnell erwachsen werden
lassen.
Dann wohl nach zwei langen Wochen hielt der Zug mit
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einem starken Ruck. Alles flog durcheinander. Einer fiel
über den anderen und ließ das Durcheinander nur noch
schlimmer werden in den einzelnen Waggons. Mit
einem starken Stoß wurde die Tür aufgerissen. Ein
tschechischer Soldat – groß und kräftig mit glasigen
Augen von der Sommerhitze und wohl auch dem vielen
Alkohol zur „Abkühlung“ befahl uns in harschem Ton,
auszusteigen und Trinkwasser zu holen. Alles musste
sehr schnell gehen, denn der Aufenthalt war kurz
bemessen. Meine Schwester rannte schon mit
fliegenden Schritten vor und ich als kleines Mädchen in
dem Gedränge hinterher. Schon konnte ich sie nicht
mehr sehen. Mein Herz pochte wie wild und die Angst
schnürte meine Kehle zu. Dann wieder schnell zurück
und in letzter Minute erreichte ich noch einmal den
bereits erneut anfahrenden Zug. Eine helfende Hand
zog mich gerade noch mit letzter Kraft nach oben und
wieder in den Zug. Das hätte hier auch sehr böse enden
können. Im Durcheinander und der Hast und Eile des
Krieges oder der Vertreibung und Flucht sind so
manche Familien auf Jahre hin getrennt worden oder
haben sich dann nie mehr wiedergesehen. Mir rannen
noch leicht Tränen die Wangen runter voll Verzweiflung.
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zitternd in der Ecke. Dann kurz darauf hielt der Zug
erneut und vor unseren Augen erstreckte sich abermals
solch ein riesengroßes Areal mit Stacheldraht umgeben
und von Militär mit scharfen und laut bellenden Hunden
bewacht. Das sollte also unsere nächste Bleibe werden.
Ein Ende der Irrfahrt durch fremdes Land war also noch
nicht erreicht? Erneut wurden wir kübelweise mit
giftigem Pulver überschüttet. Das waren wohl noch alte
Wehrmachtsbestände oder bereits die schöne neue
amerikanische Überproduktion, womit dann ganz
Deutschland „zugepudert“ worden ist nach dem Krieg.
Dann hielt kurz darauf der Zug noch einmal. Vor meinen
Augen erblickte ich abermals ein riesiges Areal,
welches mit Stacheldraht umgeben war und erneut von
Militär bewacht wurde. Das sollte also unsere nächste
Bleibe werden. Das alte Lager, welches wir betraten,
war in einzelne Sektionen eingeteilt. Es sah nicht
gerade sehr sauber dort aus. Der übergroße Raum war
ebenfalls mit verfaulten Holzpritschen versehen.
Anscheinend waren wir auch hier nur für kurze Zeit
angekommen. Die wenigen Sachen, die uns noch
geblieben waren, wollte meine Schwester mit einem
Nagel an der Wand aufhängen. Mit einem Stein in der
Hand schlug sie auf den Nagel ein, als zu meinem
Entsetzen allerlei Ungeziefer aus der Wand auf den
Boden fielen. Der Fußboden war sofort voller Läuse,
Wanzen und anderer dicker roter Tierchen.
Das war richtig ekelig und sofort wollten sie mir die
Beine hochkriechen. Ich mochte mir dabei gar nicht erst
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vorstellen, wer wohl vorher hier in diesem Lager gelebt
oder besser gesagt gehaust haben musste. Da kamen
eben nur Häftlinge aus verschiedenen okkupierten
Ländern infrage, die als billige Arbeitskräfte für das
Deutsche Reich schuften mussten. Sicher waren damit
viele leidvolle Schicksale verbunden gewesen.
Ein Schicksal, das auch wir jetzt bitter ertragen mussten
mit wenig Nahrung, kaum sanitären Grundbedürfnissen
und der andauernden Ungewissheit, was der nächste
Tag uns bringen wird.
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Natürlich war der Wohnraum in ganz Deutschland jetzt
sehr begrenzt vorhanden. Vieles hatte der Krieg zerstört
und es würde noch Jahre dauern, bis alles wieder
aufgebaut war.
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begriff die großen Zusammenhänge, die zum Krieg und
dem ganzen Elend geführt hatten gegen die Völker
auf der Welt. Somit war auch seine Sympathie für
die Menschen der großen Sowjetunion nur allzu
verständlich. Jetzt konnte man sowieso freier reden
in der Nachkriegszeit in Deutschland und die Dinge
klarer begreifen, nachdem die elende faschistische
Dauerberieselung und falsche Propaganda endlich ein
Ende hatten! Noch wichtiger war aber für uns jetzt die
Lebensmittelbeschaffung und dann vor allem die kranke
Mutter.
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oder auch Kartoffeln. Fünf Jahre hatte ich nun schon
das geliebte Stück bei mir. Aber schließlich sagte ich
doch „ja“. So hatten wir für einige Tage wieder ein
kleines Festessen mit Möhren, Kohlrabi, Kohl und auch
richtigen Kartoffeln, die kein frostiger Matsch waren wie
so oft auf unserer Wanderung durch Deutschland oder
noch in den Kriegszeiten.
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Schnee auf den Berghängen wie damals findet man ja
heute nicht mehr und wird es wohl auch nie mehr
geben!.
Es hat sich eben alles geändert und auch das
traditionelle Weihnachtsfest hat an seiner Andacht und
Beschaulichkeit verloren.
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Mit einem Wort – erneut mussten wir die Sachen
packen. Wieder stand ein Lastwagen für uns bereit. Es
ging erneut auf „Wanderschaft“. Auch hier stand ein
langer Zug am Bahnhof und mit Sack und Pack stiegen
wir mit vielen anderen Menschen in den Zug ein. Die
Abteile waren dieses Mal keine Viehwagons, sondern
mit Holzbänken ausgestattet. Wenigstens eine kleine
Verbesserung, wenn man die erneuten Strapazen
beiseite lässt. Die Fahrt dauerte ebenfalls drei lange
Tage. Schon am zweiten Tag kündigte sich erneut ein
Inferno an. Ein lautes Schreien dröhnte an unsere
Ohren. Einer der Wagons hatte plötzlich Feuer
gefangen. Eine riesige Rauchwolke umhüllte uns sofort.
Ausgerechnet handelte es sich hier um den Wagon
der Gepäckaufbewahrung – eben die letzten
Habseligkeiten, die viele noch aus der alten Heimat
gerettet hatten! Nun war auch noch das letzte gute oder
wichtige Erinnerungsstück den Flammen zum Opfer
gefallen. Jetzt besaßen wir und andere wirklich nichts
mehr außer dem nackten Leben! Wer halt nichts mehr
besitzt, kann auch nicht noch tiefer fallen. Der Mensch
wird unbeschreiblich leicht so wie er eben auf die Welt
gekommen ist. Wir hatten nur noch uns und den Trost,
überlebt zu haben, wenn da eben nicht die kranke
Mutter gewesen wäre. Wieder einmal mussten uns der
Optimismus und die Zuversicht die angegriffene
Familienbande festigen.
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EIN ERSTER NEUANFANG
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Erholung, Schulung der Jugend und anderen nützlichen
Dingen des täglichen Lebens. Gerade jetzt fand die
Kunst wieder zu neuer erfrischender Blüte – eben auch
mit Tanz, Balett und anspruchsvoller Musik.
Man kann somit sagen – die Hütten der Arbeiter wurden
zu gerechten Palästen für alle Bürger im Land ohne
spätere Häme oder Verunglimpfung am sozialistischen
System. Alles muss eben aus der Zeit heraus
verstanden und betrachtet werden. Wer heute ein
falsches Urteil abgibt oder sich wieder einmal vom
politischen Wind der neuen Unterwürfigkeit und
Heuchelei umschmeicheln lässt, ist es eben nicht wert,
dass ihn unsere Mutter Erde noch trägt oder gar
erduldet!
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Kartoffel darin erblicken oder etwas in dieser Art!
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Mein Tag begann jetzt wieder mit Schule. Bald hatte ich
neue und nette Freundschaften mit Klassenkameraden
geschlossen. Etliche unter ihnen waren auch wie ich
Heimatvertriebene und so verstanden wir uns gleich
im gemeinsamen Schicksal. Nachmittags, wenn der
Unterricht beendet, war zog es uns hinaus auf die
Felder, wo man eine sogenannte Nachlese machen
konnte. In der Erde fand man so noch ab und zu ein
paar Kartoffeln. Auf den Getreidefeldern lag ebenfalls
die eine oder andere Kornähre verlassen herum. Viele
Menschen nutzten das, um etwas mehr in den Kochtopf
zu bekommen. Das war alles normaler Alltag in dieser
Nachkriegszeit der verbrannten Erde und des zerstörten
Landes.
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meiner an und brachte mich in die Wohnung der
Tanzlehrerin. Dort angekommen, sah ich zu meinem
Erstaunen viele Kinder, welche ein lustiges buntes
Treiben veranstalteten. Das war meine Welt. Ich wollte
dort mitmachen. So kam es, dass ich zweimal
wöchentlich den Ballettunterricht besuchte. Es machte
mir natürlich sehr viel Freude. Viele schöne
Aufführungen führten wir durch und im Sommer bei
gutem Wetter wurde der dortige Stadtpark zur Bühne.