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Sprachphilosophie

Philosophy of Language
La philosophie du langage
HSK 7.1
Handbücher zur
Sprach- und Kommunikations-
wissenschaft
Handbooks of Linguistics
and Communication Science

Manuels de linguistique et
des sciences de communication

Mitbegründet von
Gerold Ungeheuer

Herausgegeben von / Edited by / Edités par


Hugo Steger
Herbert Ernst Wiegand

Band 7.1

Walter de Gruyter · Berlin · New York


1992
Sprachphilosophie
Philosophy of Language
La philosophie du langage
Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung
An International Handbook of Contemporary Research
Manuel international des recherches contemporaines

Herausgegeben von / Edited by / Edité par


Marcelo Dascal · Dietfried Gerhardus
Kuno Lorenz · Georg Meggle

1. Halbband / Volume 1 / Tome 1

Walter de Gruyter · Berlin · New York


1992
Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die
US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme

Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft / mit-


begr. von Gerold Ungeheuer. Hrsg. von Hugo Steger ; Herbert
Ernst Wiegand. — Berlin ; New York : de Gruyter.
Teilw. m it Parallelt.: Handbooks of linguistics and com m u-
nication science. — Früher hrsg. von Gerold Ungeheuer u.
Herbert Ernst Wiegand
NE: Ungeheuer, Gerold [Hrsg.]; Steger, Hugo [Hrsg.]; PT
Bd. 7. Sprachphilosophie.
Halbbd. 1 (1992)

Sprachphilosophie = Philosophy of language / hrsg. von


Marcelo Dascal ... — Berlin ; New York : de Gruyter.
(Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissen-
schaft ; Bd. 7)
NE: Dascal, Marcelo [Hrsg.]; PT
Halbbd. 1 (1992)
ISBN 3-11-009583-1

© Copyright 1993 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin.


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Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer, Berlin
V

Vorwort
Sprachphilosophie ist als eigenständige Disziplin der Philosophie im abendländischen
Kulturkreis erst ungefähr 200 Jahre alt, in der für ihr derzeitiges Selbstverständnis
charakteristischen Funktion als Grundlagendisziplin für Untersuchungen sprachabhän-
giger Tätigkeiten sogar erst ein Resultat des 20. Jahrhunderts. Fragestellungen und
Methoden der gegenwärtigen Sprachphilosophie sind entscheidend geprägt durch die
Ausbildung des Werkzeugs der logischen Analyse sprachlicher Ausdrücke in der Ana-
lytischen Philosophie: die historischen Vorstufen im 18. und 19. Jahrhundert hingegen
sind zunächst nahezu wirkungslos geblieben und werden erst gegenwärtig allmählich
in ihrer Bedeutung gewürdigt.
Diese späte Selbständigkeit der Sprachphilosophie ist jedoch keineswegs Zeichen für
einen Mangel an philosophischem Interesse an der Sprache, eher schon ist sie Ausdruck
der besonderen Schwierigkeit jeder Untersuchung, die ihren Gegenstand zugleich als
Hilfsmittel zu dessen Darstellung einsetzen muß. Überlegungen zur Sprache waren
freilich auch längst vor einer selbständig auftretenden Sprachphilosophie unerläßlicher
Bestandteil jeder philosophischen Untersuchung — auch dort, wo sie nicht explizit
auftauchten, sondern als Vorverständnis den Gang philosophischen Nachdenkens ge-
leitet haben. In ausdrücklicher Form finden sich Reflexionen über Sprache in beinahe
jeder philosophischen Abhandlung, gleichgültig aus welcher Epoche und in welchem
philosophischen Traditionszusammenhang, auch außerhalb des abendländischen Kul-
turkreises.
Philosophische Untersuchungen, die sich mit Sprache befassen, sind nur selten genau
von Logik auf der einen Seite und von Psychologie auf der anderen Seite abgegrenzt
worden. Noch heute gibt es einen breiten Bereich, in dem logische und sprachphilo-
sophische Untersuchungen miteinander konkurrieren: sprachliche Ausdrücke werden
unter den Gesichtspunkten ‘Bedeutung’, ‘Wahrheit’ und ‘Schlüssigkeit’ behandelt.
Ebenso breit ist der andere Bereich, in dem psychologische und sprachphilosophische
Untersuchungen in Wettstreit treten: sprachliche Ausdrücke werden in ihrer Funktion
in bezug auf mentale Prozesse bei Sprecher und Hörer zum Gegenstand. Die Eigen-
ständigkeit des Phänomens Sprache jenseits logischen oder psychologischen Zugriffs
wurde lange Zeit — von den erst in der Gegenwart im einzelnen beachteten physika-
lischen Aspekten, z. B. in der Phonologie, oder biologischen Aspekten, z. B. in der
Ethologie, einmal abgesehen — meist nur im Bereich dessen gesehen, was die traditio-
nelle Grammatik behandelt hat.
Natürlich darf man daraus nicht schließen, daß auf Sprache bezogene Fragestellun-
gen, die über grammatische Probleme hinausgehen, sich erst durch den ›linguistic turn‹
insbesondere der Analytischen Philosophie zu Beginn dieses Jahrhunderts ergeben
hätten. Selbstverständlich sind in den ursprünglich als Teil der Philosophie auftretenden
Disziplinen Rhetorik, Poetik und ganz besonders Erkenntnistheorie seit der Antike
auch sprachtheoretische Fragen behandelt worden, aber stets nur hilfsweise, um über
weitere Mittel zur Lösung scheinbar sprachunabhängiger Sachprobleme zu verfügen;
VI Vorwort

denn mit Problemen der (sprachlichen) Darstellung wollte man Sachprobleme nicht
verwechseln.
Auch die neuzeitliche Linguistik — anfangs in ihrer romantischen Gestalt einer
Einheit von Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie, paradigmatisch verkörpert im
Werk Wilhelm von Humboldts — bleibt zunächst eingebettet in Wissenschaft und
Philosophie der Geschichte, der sie dient. Nach und nach erst entwickelt sich im
19. Jahrhundert jene Verselbständigung, bei der zum einen die Sprachwissenschaft
(= Linguistik) — eine ›Objektdisziplin‹ — mit der Aufgabe befaßt ist, den empirischen
Gehalt von Aussagen über Sprache zu erweitern, während die Sprachphilosophie —
eine ›Metadisziplin‹ — sich der Klärung des begrifflichen Rahmens von Rede über
Sprache widmet, zum anderen jedoch die Sprachwissenschaft dabei zwei teils mitein-
ander konkurrierende, teils sich ergänzende Untersuchungsverfahren ausbildet, die als
historisch-vergleichende Methode und als experimentell-beobachtende Methode bis
heute Gestalt und interne Auseinandersetzungen der Linguistik bestimmen. In dem
Maße nämlich, in dem sich das Selbstverständnis der Sprachwissenschaft, eine empi-
rische und damit positive Wissenschaft zu sein, durchsetzt, finden alle diejenigen em-
pirischer Kontrolle nicht zugänglichen Überlegungen in der Sprachwissenschaft keinen
Platz mehr, die mit der Herkunft der ersichtlich ebenfalls hauptsächlich sprachlichen
wissenschaftlichen Hilfsmittel befaßt sind: Sprachphilosophie erhält als reflexive
›Grundlagenwissenschaft‹ ihre Selbständigkeit. Sie artikuliert sich zum letztenmal vor
der von der Analytischen Philosophie durchgesetzten sprachkritischen Wende im Be-
reich der Grundlagenforschung in der Philosophie der symbolischen Formen Ernst
Cassirers (1923—1929).
Mit dem systematischen Einsatz der Sprachanalyse bei der Behandlung philosophi-
scher Probleme kommt es in den letzten hundert Jahren zu einer sich ständig beschleu-
nigenden Entwicklung der Sprachphilosophie sowohl diachron, durch immer bessere
Kenntnisse der historischen Vorläufer, als auch synchron, durch Differenzierung der
begrifflichen Hilfsmittel. Sie findet in enger Wechselwirkung mit Logik, Linguistik,
Psychologie und der aus ihnen entwickelten Kognitionswissenschaft statt, neuerdings
auch in Konkurrenz zu der als Wissenschaft vom Zeichengebrauch eine integrierende
Funktion beanspruchenden Semiotik und zur Theorie der Kommunikation, insofern
Sprachhandlungen als Handlungen mit Kommunikationsabsicht gelten. Wird Zeichen-
gebrauch noch in zeichenvermitteltes, empirisch beobachtbares Verhalten eingebettet
aufgefaßt, so nimmt in diesem Zusammenhang wiederum Handlungstheorie (Pragmatik/
Praxeologie) und Verhaltensforschung (Ethologie), ergänzt um die von der Theorie der
künstlichen Intelligenz bereitgestellten Modellbildungen, die Stelle sowohl der Semiotik
wie der Theorie der Kommunikation in ihrer Rolle als fundierende Disziplinen ein.
Die Fülle der Einzeluntersuchungen ist trotz aller in regelmäßigen Abständen wie-
derholten Versuche, durch thematisch gegliederte Aufsatzsammlungen Forschungs-
schwerpunkte und Diskussionszusammenhänge international zu dokumentieren, auch
für den Fachmann mittlerweile weitgehend unübersehbar. Für jemanden, der von einer
Nachbardisziplin herkommt und Übersicht über den Stand der Sprachphilosophie zu
gewinnen sucht, ist die Lage praktisch aussichtlos, zumal die zahlreich verfügbaren
Lehrbücher, häufig aus Vorlesungen ihrer Verfasser entstanden, in die Sprachphiloso-
phie schon aus Platzgründen nur unter einigen Aspekten und auch dann nur in groben
Zügen einführen können.
Erschwerend kommt hinzu, daß in vielen Fällen nicht klar erkennbar ist, ob sich
eine sprachphilosophische Untersuchung wissenschaftstheoretisch, also als zugehörig
Vorwort VII

zur Philosophie der Linguistik oder gar zur allgemeinen Wissenschaftstheorie, versteht,
oder aber, ob sie mit philosophischen Sachproblemen befaßt sein will, also unterstellt
ist, philosophische Probleme seien stets auf Probleme der bei ihrer Behandlung ver-
wendeten Sprache reduzierbar: die Untersuchung gehört dann der linguistischen Phi-
losophie an. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, daß gegenwärtig sogar darüber gestrit-
ten wird, ob Sprachphilosophie und Linguistik nicht wieder in dem Sinne miteinander
vereinigt werden können, daß Philosophie, Logik, Psychologie und andere Disziplinen
mit offensichtlich sprachabhängigen Gegenstandsbereichen wie Kognitionswissenschaft
und Psychoanalyse, Hermeneutik und Rhetorik, zu Teildisziplinen einer umfassend
verstandenen Linguistik umdeutbar sind.
Schließlich sollte nicht unterschlagen werden, daß im Licht der jeweils unternom-
menen sprachphilosophischen Untersuchungen auch die philosophische Tradition, wird
sie in die Betrachtung einbezogen, eine Beleuchtung erfährt, die es im einzelnen Fall
schwer macht, sprachphilosophische Aspekte am untersuchten Textzusammenhang vom
durch denselben Textzusammenhang möglicherweise ausgedrückten sprachphilosophi-
schen Interesse klar zu trennen.
Hier soll das Handbuch Sprachphilosophie im Rahmen der Zielsetzung der Reihe
Handbü cher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, dem es angehört, Abhilfe
schaffen. Für Studierende, Lehrende und Forschende der Philosophie sowie aller Dis-
ziplinen, die sich mit der Sprache als einem Forschungsgegenstand befassen, oder die
Sprache gar als ein Darstellungsmittel ausdrücklich thematisieren, will das Handbuch
Sprachphilosophie eine nach Fragestellungen, Behandlungsmethoden und theoretischem
Rahmen möglichst umfassende Übersicht über den aktuellen Stand dieser Disziplin
geben, so wie er von Fachleuten gesehen wird, die in verschiedenen Teilbereichen der
Sprachphilosophie und in verschiedenen Traditionszusammenhängen ihrer Herkunfts-
länder tätig sind.
Dem Charakter eines Handbuches entsprechend ist keine enzyklopädische, rein
berichtende, auf viele kleine Einzelartikel verteilte Behandlung des Gebiets vorgenom-
men worden; vielmehr wird in längeren, grundsätzlich monographisch verfaßten Arti-
keln neben der Information sowohl über systematische Probleme als auch über histo-
rische Ereignisse und Entwicklungen zugleich Gelegenheit für kritische Beurteilung des
behandelten Teilbereichs aus der Sicht des jeweiligen Bearbeiters gegeben. Den Bear-
beitern war es daher auch freigestellt, sich in ihrer Darstellung auf Paradigmata
innerhalb ihres Bereichs zu beschränken und gegebenenfalls im Zusammenhang von
dort auftretenden Kontroversen ausdrücklich Stellung zu beziehen. Die Herausgeber
haben deshalb darauf verzichtet, Überschneidungen bei der Behandlung verschiedener
Artikel zu verhindern, und ebenso darauf, auf jeweilige Vollständigkeit der Darstellung
zu dringen. Sie haben statt dessen versucht, durch Auswahl und Gliederung der
verschiedenen Artikel, bei der viele Kollegen beratend mitgewirkt haben, eine
Einteilung
der Sprachphilosophie, wie sie gegenwärtig international betrieben wird, zu gewinnen,
mit der die nach ihrer Ansicht wichtigsten Bereiche der Sprachphilosophie erfaßt sind.
Da weder auf seiten der Bearbeiter noch auf seiten der Benutzer nationale Beschrän-
kungen berücksichtigt werden sollen, bleiben die für sprachphilosophische Arbeiten
gegenwärtig gebräuchlichsten drei Sprachen — Deutsch, Englisch, Französisch — auch
Medium der Darstellung in diesem Handbuch.
Das Handbuch umfaßt 120 Artikel, verteilt auf zwei Teilbände mit je 60 Artikeln,
die in je drei Kapitel gegliedert sind. In den ersten drei Kapiteln liegt der Akzent auf
VIII I.Vorwort

historischen Aspekten, in den letzten drei Kapiteln auf systematischen Aspekten. In der
Mitte der ersten Hälfte steht Kapitel II mit 26 Artikeln, die den sprachphilosophischen
Aspekten im Werk historischer Personen gewidmet sind, in der Mitte der zweiten Hälfte
steht Kapitel V mit 22 Artikeln, die wichtige Begriffe explizieren und in ihrer Funktion
vor allem für die gegenwärtige Gestalt der Sprachphilosophie begründen. Für eine
angemessene Behandlung des historischen Aspekts der Sprachphilosophie war es erfor-
derlich, Kapitel II durch zwei weitere Kapitel zu flankieren, Kapitel I mit 13 raumzeit-
lichen Übersichten und Kapitel III mit Darstellungen von 21 sprachphilosophischen
Positionen, die entweder, obwohl bereits historisch, noch immer von großem Einfluß
sind oder doch Einfluß zu haben verdienten, oder die gegenwärtig vertreten werden.
Ganz entsprechend verlangt es eine angemessene Behandlung des systematischen
Aspekts der Sprachphilosophie, die Erörterung der sprachphilosophisch zentralen Be-
griffe zu ergänzen um ein Kapitel IV, in dem 16 wichtige sprachphilosophische Kontro-
versen der Vergangenheit und der Gegenwart kritisch dargestellt werden, und ein Kapitel
VI, das in 22 Artikeln sprachphilosophische Aspekte in anderen Bereichen zum Gegen-
stand hat.
I.Raumzeitliche Übersichten 29.Alexander Bryan Johnson
30.John Stuart Mill
1.Sprachphilosophische Anfänge
31.Wilhelm Wundt
2.Stoische Sprachphilosophie
32.Charles Sanders Peirce
3.Jüdische und arabische Sprachphilosophie
33.Anton Marty
4.Sprachphilosophie in der Scholastik
34.Gottlob Frege
5.Indische Sprachphilosophie
35.Fritz Mauthner
6.Chinesische Sprachphilosophie
36.Ferdinand de Saussure
7.Sprachphilosophie in der Renaissance
37.Ernst Cassirer
8.Sprachphilosophie in der Aufklärung
38.Karl Bühler
9.Historisch orientierte Sprachphilosophie im
39.Ludwig Wittgenstein
19. Jahrhundert
10.Die skeptische Tradition in der Sprachphilo- III.Positionen
sophie
40.Die Lehre der Terministen
11.Die empiristische Tradition in der Sprachphi-
41.Die Lehre der Modisten
losophie
42.Der Apohavāda in der logischen Schule des
12.Die rationalistische Tradition in der Sprach-
Buddhismus
philosophie
43.Der Sphoṭavāda bei den indischen Gramma-
13.Sprachphilosophie in der Romantik
tikern
II.Personen 44.Die Position der rationalen Grammatik
45.Die hermeneutische Position
14.Platon
46.Die phänomenologischen Positionen
15.Aristoteles
47.Die dialogischen Positionen
16.Aurelius Augustinus
48.Die marxistische Lehre
17.Bhartṛhari
49.Die ideologiekritischen Positionen
18.Jayanta
50.Die behavioristischen Ansätze
19.al-Fārābī
51.Die strukturalistischen Ansätze
20.Peter Abaelard
52.Der interaktionistische Ansatz
21.William of Ockham
53.Die transzendentalpragmatische Position
22.John Locke
54.Die sprachphilosophischen Annahmen der
23.Gottfried Wilhelm Leibniz
Sprechakttheorie
24.Giambattista Vico
55.Die sprachphilosophischen Annahmen der
25.Johann Georg Hamann
formalen Semantik
26.Johann Gottfried Herder
56.Die sprachphilosophischen Annahmen der
27.Wilhelm von Humboldt
Sprachsoziologie und der Soziolinguistik
28.Bernard Bolzano
Vorwort IX

57.Die philosophischen Grundlagen der Sprach- 86.Synonymie und Analytizität


psychologie und der Psycholinguistik 87.Äußerung — Satz — Aussage — Urteil
58.Die philosophischen Grundlagen der Sprach- 88.Mögliche Welten — mögliche Individuen
inhaltsforschung 89.Konditional
59.Das Formalsprachenprogramm in der Ana- 90.‘Symptom’ und ‘Symbol’ in der Sprache
lytischen Philosophie 91.Metapher
60.Das Normalsprachenprogramm in der Ana- 92.Kontext und Kotext
lytischen Philosophie 93.Intentionalität
IV.Kontroversen 94.Kommunikation und Verstehen
95.Illokution
61.Der Universalienstreit
96.Spiel in der Sprache
62.Der ϕύσει-θέσει-Streit
97.Präsupposition und Implikatur
63.Der Streit um den Primat von Wort oder Satz
98.Vagheit und Ambiguität
64.Der Streit um eine Universalsprache
VI.Sprachphilosophische Aspekte in anderen
65.Der Streit um den Sprachursprung
66.Der arisch-semitische Streit zu Beginn der mo- Bereichen
dernen Sprachwissenschaft 99.Sprachphilosophie in der Wissenschafts-
67.Sprache als System versus Sprache als Hand- theorie
lung 100.Sprachphilosophie in den exakten Wissen-
68.Der Streit um Bedeutungstheorien schaften
69.Der Streit um Wahrheitstheorien 101.Sprachphilosophie in den Gesellschaftswis-
70.Der Streit um den Primat von Wahrheit in senschaften
der Sprachphilosophie 102.Sprachphilosophie in der Jurisprudenz
71.Der Streit um den Primat von Denken oder 103.Sprachphilosophie in der Theologie
Sprechen 104.Sprachphilosophie in der Ethik
72.Der Streit um die eingeborenen Ideen 105.Sprachphilosophie in der Ästhetik
73.Der Streit um die Unbestimmtheit von Über- 106.Sprachphilosophie in der Literaturwissen-
setzung schaft
74.Für und wider einen linguistischen Relativis- 107.Sprachphilosophie in der Literatur
mus 108.Sprachphilosophie in den nichtwortsprach-
75.Sprachphilosophische Argumente im Streit lichen Künsten
um eine Logik oder viele Logiken 109.Sprachphilosophie in der Psychoanalyse
76.Mereologie und Mengenlehre als konkurrie- 110.Sprachphilosophie und Psychologie
rende sprachphilosophische Werkzeuge 111.Sprachphilosophie und Logik
V.Begriffe 112.Sprachphilosophie und Rhetorik
113.Sprachphilosophie und Linguistik
77.Artikulation und Prädikation
114.Sprachphilosophie und Semiotik
78.Referenz durch Namen und Kennzeichnun-
115.Sprachphilosophie und Kommunikations-
gen; Variable
theorie
79.Deixis und Selbstbezug
116.Sprachphilosophie und Verhaltensforschung
80.Propositionale Einstellung
117.Sprachphilosophie und künstliche Intelligenz
81.Sinn und Bedeutung
118.Sprachphilosophie und linguistische Philoso-
82.Abstraktion und Konkretion
phie
83.Identität und Individuation
119.Sprachphilosophie und Ontologie
84.Eine Übersicht über semantische Relationen
120.Sprachphilosophie und die Methode der
85.Analogie
Sprachanalyse

Die 13 Artikel des Kapitels I, Raumzeitliche Übersichten, sind so ausgewählt, daß


sich relativ geschlossene Traditionszusammenhänge ergeben, deren Darstellung zu einer
ersten gründlichen historischen Orientierung taugt. Dabei werden auch solche für die
Geschichte der Sprachphilosophie wichtigen Personen an dieser Stelle bereits gewürdigt,
die deshalb, weil sie in eine länger dauernde Tradition gehören, sie vielleicht sogar
begründet oder doch maßgeblich bestimmt haben, nicht im Kapitel II erscheinen. Eine
Übersicht über die Sprachphilosophie des 20. Jahrhunderts ist ausdrücklich unterblie-
ben, weil die dafür wesentlichen und grundsätzlich auch gegenwärtig noch vertretenen
X Vorwort

Positionen in Kapitel III Aufnahme gefunden haben, von einigen sprachphilosophisch


eigenständigen, ins Kapitel II aufgenommenen Personen einmal abgesehen (Mauthner,
Saussure, Cassirer, Bühler, Wittgenstein).
Die Auswahl der 26 Personen in Kapitel II ist im übrigen so vorgenommen, daß
insbesondere das Ausmaß ihrer historischen Wirkung und die Vielgestaltigkeit der bei
ihnen sich findenden sprachphilosophischen Überlegungen maßgebend war. Sie verbie-
tet es, sie nur für einen der in Kapitel I auftretenden relativ einheitlichen Traditions-
zusammenhänge in Anspruch zu nehmen. Die scheinbaren Ausnahmen mit Personen,
die der indischen, der arabischen und der scholastischen Tradition angehören, erklären
sich auf folgende Weise: Bhartṛhari ist innerhalb der historisch noch relativ wenig
erschlossenen indischen Sprachphilosophie einer der gegenwärtig am besten zugängli-
chen indischen Sprachphilosophen, Jayanta einer der erst in neuester Zeit in seiner
sprachphilosophischen Eigenständigkeit erkannten indischen Philosophen; al-Fārābī
wiederum verdient wegen seiner Bedeutung gerade für die sprachphilosophisch reflek-
tierte Vermittlung griechischen Erbes eine besondere Würdigung; Abaelard und Ockham
schließlich wurden aus dem scholastischen Traditionszusammenhang eigens ausgewählt,
weil sowohl für den Beginn der Scholastik als auch für deren Ende zwei durch historische
Forschung mittlerweile gut zugängliche gegensätzliche Positionen paradigmatisch her-
ausgehoben und detailliert vorgestellt werden sollten.
Für die Wahl der 21 Artikel in Kapitel III, Positionen, war ausschlaggebend, eine
möglichst umfassende Palette der für sprachphilosophische Thesen in Anspruch genom-
menen allgemeinen philosophischen Rahmentheorien zu gewinnen, damit deutlich wird,
welche Abhängigkeiten zwischen einem allgemein-philosophischen Ansatz und der in
seinem Zusammenhang vertretenen Sprachphilosophie bestehen. Dabei stehen die für
die zeitgenössische Diskussion wichtigsten beiden Rahmentheorien innerhalb der Ana-
lytischen Philosophie, der insbesondere Bertrand Russell verpflichtete und im Wiener
Kreis wurzelnde logische Empirismus (Blütezeit 1920—1950) und der hauptsächlich auf
George Edward Moore zurückgehende und in der Oxford Philosophy kulminierende
linguistische Phänomenalismus (Blütezeit 1930—1960), am Ende des ersten Bandes
(Artikel 59 und 60) im Mittelpunkt einer kritischen Darstellung ihrer sprachphiloso-
phischen Programme. Darüber hinaus sollten im Interesse einer Aufklärung auch des
Zusammenhangs linguistischer Theorien mit allgemeinen philosophischen Überzeugun-
gen insbesondere die mehr oder weniger stillschweigend gemachten sprachphilosophi-
schen Annahmen und damit philosophischen Grundlagen gegenwärtig wichtiger lin-
guistischer Theoriebildungen in eigenen Artikeln herausgearbeitet werden (Artikel
54—58). Im allerletzten Artikel des Handbuchs (Artikel 120) wird noch einmal, und
zwar ganz allgemein, der Frage nach dem Zusammenhang einer philosophischen Po-
sition, wie sie sich im Verständnis der Methode der Sprachanalyse ausdrückt, mit der
dadurch in einem gewissen Maß präjudizierten sprachphilosophischen Position nach-
gegangen.
Die 16 Artikel im Kapitel IV, Kontroversen, sind insofern komplementär zu den
Artikeln, die Positionen zum Gegenstand haben, als es in diesen Fällen nicht um die
Herausarbeitung interner Stringenz einer Position, sondern um die kritische Würdigung
einer externen argumentativen Auseinandersetzung um eine sprachphilosophische
Streitfrage geht. Einige dieser Kontroversen, in der Vergangenheit geführt, bedürfen
ausdrücklicher historischer Rekonstruktion, um ihren Zusammenhang mit gegenwär-
tigen Streitfragen sichtbar zu machen (Artikel 61—66), die übrigen bestimmen in
Vorwort XI

vielfältigen Verästelungen einen Großteil der systematischen sprachphilosophischen


Forschung der Gegenwart.
Das Kapitel V, Begriffe, wurde so in 22 Artikel gegliedert, daß, abgesehen von den
generell zentralen Begriffen zu Beginn (Artikel 77), zunächst Titelbegriffe im Umkreis
primär sprachsemantischer Untersuchungen zusammengestellt sind (Artikel 78—89),
wobei aufgrund der bereits erwähnten Abgrenzungsprobleme zur Logik auch die Auf-
deckung des Zusammenhangs logischer und sprachphilosophischer Verwendung der
Termini ein Bestandteil der jeweiligen Begriffsexplikation ist; es folgen Titelbegriffe im
Umkreis primär sprachpragmatischer Untersuchungen (Artikel 90—98), bei denen es
entsprechend auch um Aufklärung des Zusammenhangs psychologischer und sprach-
philosophischer Verwendung der jeweiligen Termini geht.
Im Kapitel VI, Sprachphilosophische Aspekte in anderen Bereichen, dem letzten der
beiden Teilbände, betrifft die erste Hälfte der Artikel (99—109), deren Titel durch die
Wendung ‘in den/der’ charakterisiert ist, den Gebrauch, der von sprachphilosophischen
Einsichten, seien es Fragestellungen, Methoden oder gar Theoriestücke, in anderen
wissenschaftlichen oder nichtwissenschaftlichen Bereichen gemacht wird, auch wenn
solches Ingebrauchnehmen natürlich nicht durchweg, sondern nur teilweise geschieht.
In der zweiten Hälfte der Artikel (110—120), im Titel durch das Wort ‘und’ ausgezeich-
net, geht es um die verschiedenen bereits angedeuteten Abgrenzungs- und Konkurrenz-
probleme, denen sich die Sprachphilosophie anderen älteren wie auch neueren Diszi-
plinen gegenüber ausgesetzt sieht und deren Behandlung für eine sichere Bestimmung
der Sprachphilosophie als eigenständiger Disziplin unentbehrlich ist.
Neben der jedem Artikel angefügten Auswahlbibliographie steht am Ende des 2.
Teilbandes eine aus den Angaben der Autoren zusammengestellte Gesamtbibliographie,
die bei jedem Eintrag diejenigen Artikel nennt, zu denen er gehört. Darüber hinaus
findet sich dort eine Zusammenstellung der im Handbuch Sprachphilosophie verwen-
deten Abkürzungen. Ein nach Personen und Sachen gegliedertes Register beschließt
das Handbuch.
Den Herausgebern ist bewußt, welcher Mühe sich jeder der Bearbeiter mit der
Übernahme eines Essays für das Handbuch unterzogen hat, und sie danken jedem
einzelnen für seinen Einsatz; insbesondere für die Geduld derjenigen, die als erste ihren
Beitrag eingesandt haben und die darauf warten mußten, bis auch die letzten — unter
ihnen diejenigen, die auf die besondere Bitte eines der Herausgeber noch plötzlich
entstandene Lücken zu füllen bereit gewesen sind — mit ihrem Beitrag fertig waren.
Nicht immer konnte mit dem Recht auf Änderungen und Ergänzungen bei der
Fahnenkorrektur die von manchem Autor gewünschte Aktualisierung seines Beitrags
in einer ihn befriedigenden Form zustandegebracht werden; dem Wunsch einer aus-
drücklichen Nennung des Jahrs der Manuskriptabgabe konnten die Herausgeber, weil
nicht generell durchsetzbar, gleichwohl nicht folgen. Aus dem gleichen Grunde sind
auch die von einigen Autoren angefügten Danksagungen an Freunde und Mitarbeiter
nicht mit in den Druck gegangen.
Hingegen gehörte es zu den gewiß von den Autoren zuweilen auch als belastend
empfundenen Pflichten der Herausgeber, auf möglichst genaue und vollständige Belege
bei der Bezugnahme auf andere Texte zu dringen; ebenso auf Vollständigkeit der
auftretenden Personennamen und im ersten, durch Betonung des historischen Aspekts
ausgezeichneten Teilband auch auf die Hinzufügung der Lebenszeit der genannten
Personen.
XII Vorwort

Wo immer möglich und sinnvoll, sind wichtige originalsprachliche Ausdrücke ver-


wendet oder hinzugefügt worden; sofern dabei nichtlateinische Schrifttypen oder latei-
nische Transliterationen beziehungsweise Transkriptionen auftreten, wurde im Falle der
Nennung von Ausdrücken auf den Einsatz der sonst durchweg verwendeten einfachen
Anführungszeichen ‘ , ’ in der Regel verzichtet. Uneigentlicher Gebrauch allerdings
und ebenso Hervorhebung werden stets durch umgekehrte eckige Klammern › , ‹
beziehungsweise durch Kursivierung angezeigt. Zitiert wird unter Verwendung der in
der jeweiligen Sprache des Beitrags üblichen Zeichen: „ “ (dt. Text), “ ” (engl. Text),
« » (franz. Text); liegt für ein Zitat kein Stellennachweis vor, so ist es als uneigentlich
verwendet markiert. Einzelne Wörter sind dabei selbst dann, wenn ein Stellennachweis
hinzugefügt ist, grundsätzlich nicht als Zitat, sondern ebenfalls höchstens als uneigent-
lich verwendet markiert. Bei der Transliteration fremdsprachiger Namen ließ sich
angesichts der drei gleichberechtigten Sprachen des Handbuchs Einheitlichkeit nur auf
der Ebene des jeweiligen Beitrags durchsetzen.
Über die Jahre weg haben viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Herausgeber
an der oft mühsamen Verwirklichung einer einheitlichen Gestalt des vorliegenden
Handbuchs mitgewirkt. Ausdrücklich genannt mögen diejenigen sein, die für die Ge-
samtbibliographie und das Register die Hauptlast getragen haben: die Herren Thomas
Kepler und Henning Kniesche für die Bibliographie, Shahid Rahman und Frau Dagmar
Schmauks für das Sachregister, Kai Buchholz und Frau Ingrid Weber für das Perso-
nenregister. Ihnen allen gehört unser besonderer Dank. In ihn eingeschlossen sind auch
die Partner der Herausgeber auf der anderen Seite. Ohne die bewunderungswürdige
Geduld des für diesen Band zuständigen Reihenherausgebers, Herrn Kollegen Herbert
E. Wiegand, und darüber hinaus die nie erlahmende Beharrlichkeit im Einsatz gerade
für diesen Band bei dem bis zur Umorganisation Ende 1991 verlagseitig für die Reihe
der Handbücher verantwortlichen Kollegen Heinz Wenzel wäre die Verwirklichung
dieses Projekts unmöglich gewesen.
Wiederholen aber möchten die Herausgeber ihre Dankbarkeit schließlich noch einmal
den Autoren gegenüber, die das Erscheinen ihres Beitrags nicht mehr haben erleben
dürfen. Dem Andenken an die verstorbenen Kollegen Angus C. Graham, Albert
Heinekamp und Bimal K. Matilal sei daher dieses Handbuch gewidmet.

Sommer 1992 M. Dascal, D. Gerhardus, K. Lorenz, G. Meggle


XIII

Preface
The philosophy of language as a distinct philosophical discipline has been in existence
in the West for no more than 200 years. It acquired a special, constitutive role for the
study of all speech- dependent phenomena even more recently, in the 20th century, in
close connection with the development, by analytic philosophy, of the tools for the
logical analysis of linguistic expressions. In fact, its historical predecessors in the 18th
and 19th centuries had very little influence, and only recently their significance has
come to be fully appreciated.
Such a relatively late origin is not, however, an indication of a lack of interest in
language by philosophers, it is rather a consequence of the special difficulties involved
in an investigation that must employ, from the outset, its very object as a tool for its
own representation. Long before the philosophy of language appeared on the scene as
an independent discipline, linguistic considerations were persistently present even in the
kinds of philosophical investigations where, though not made explicit, they influenced
the path of philosophical reflection. One can find explicit discussion of language either
parenthetically and dispersed throughout the text or else in larger digressions in any
philosophical treatise, whatever its historical period or philosophical tradition, non-
Western cultures included. Furthermore, philosophical research on language is only
seldom precisely demarcated from logic on the one hand and psychology on the other.
In fact, even now, logic and philosophy of language have considerable overlap especially
in the investigation of linguistic expressions from the point of view of ‘meaning’, ‘truth’
and ‘deducibility’. Similarly, psychology and philosophy of language overlap and
sometimes compete in their analysis of the function of linguistic expressions in terms
of the mental processes of speakers and listeners. Setting aside the physical aspects of
language, which came to be handled by phonetics and phonology, or the biological
aspects, dealt with by ethology, the specificity of the phenomenon of ›language‹ vis-à-
vis that studied by logic and psychology has for a long time been considered to be
confined to the domain covered by traditional grammar.
This is not to imply that issues about language, which go beyond grammatical
problems, have arisen for the first time in the wake of 20th century’s well known
›linguistic turn‹ in philosophy. Obviously, theoretical questions about language have
been asked since Antiquity, in originally philosophical disciplines such as rhetoric and
poetics, as well as in the theory of knowledge. But they were always conceived of as
subservient to the solution of language- independent ›factual‹ problems, which were
carefully kept apart from problems about (linguistic) representation. In its beginnings,
modern linguistics displays a remarkable unity between the science and the philosophy
of language. Wilhelm von Humboldt’s work is paradigmatic of this phase. But in this
early romantic form, linguistics’ independence was entirely subordinated to the services
it rendered to the dominant science and philosophy of history of its time. Only slowly,
in the course of the 19th century, did the science of language (= linguistics) dissociate
itself from the philosophy of language, along two main lines, which partly compete
XIV Preface

with and partly complement each other methodologically. They determine the param-
eters of linguistics up to the present day and are known under the labels ‘historical-
comparative’ and ‘experimental- observational’. As a result, the science of language
becomes an ›object- discipline‹, charged with expanding the empirical content of its
assertions, whereas the philosophy of language becomes a ›meta-discipline‹, whose task
is the clarification of the conceptual frame underlying talk about language. In so far as
linguistics adopts the self-image of an empirical — i. e. ›positive‹ — discipline, it excludes
from its field those inquiries that lack empirical control yet are indispensable for
understanding how the linguistic tools involved in doing science come into being. The
philosophy of language thus achieves its independence in the capacity of a purely
›reflexive‹, foundational research. Its last appearance in this form, before the shift
towards a critique of language engineered by analytic philosophy, is in Ernst Cassirer’s
Philosophie der symbolischen Formen (1923—1929).
The roughly hundred years of use of linguistic analysis in dealing with philosophical
problems have been accompanied by an ever accelerating development of the philosophy
of language. Such a development shows up both diachronically, in a better understand-
ing of its historical predecessors, and synchronically, in a diversification of its conceptual
tools. It takes place in close connection with logic, linguistics, psychology, and their
present- day offshoot, cognitive science; more recently it is qualified by a competition
with semiotics and communication theory. The competitive stance derives from the fact
that semiotics claims for itself an integrative function, in its capacity as a science of
symbolic systems, and communication theory emphasizes the communicative intentions
underlying any language activity. If one views the use of symbols as a kind of empirically
observable behaviour, itself mediated by symbols, then action theory (pragmatics/
praxeology) and ethology, possibly supplemented by models such as those devised in
artificial intelligence, should in turn replace both semiotics and communication theory
with respect to their foundational claims.
In the wake of the upsurge of interest in the field, even the specialist is nowadays
unable to keep pace with all developments, and to maintain a global view of the mass
of specialized research. No doubt there are many thematic collections of articles and
other efforts in the direction of international documentation, but they hardly solve this
problem. For someone coming from a neighbouring discipline, looking for a clear
overview of the state of the art in the philosophy of language, such a situation is, to
say the least, frustrating. The existence of several introductory texts is of little or no
help in this respect. For, usually issuing from courses delivered by their authors, such
texts are forced to restrict themselves — due to limitations of space or of perspective
— to the discussion of a few aspects of the field, and even so in a rather cursory way.
Furthermore, studies in the philosophy of language are often unclear about their scope
and nature: are they epistemological — i. e. do they belong to the philosophy of linguistics
or perhaps to the philosophy of science at large —, or else do they purport to deal
with first- order philosophical problems? In the latter case, they seem to presume that
first- order problems reduce to second- order ones, i. e. to problems of language, in
which case such studies belong to linguistic philosophy. The difficulty is compounded
by the current debate over whether linguistics and philosophy of language could and
should merge, so that philosophy, logic, psychology and other disciplines characterized
by language- dependent object domains as, for example, cognitive science and psycho-
analysis, hermeneutics and rhetoric, would become components of a new brand of
Preface XV

›general linguistics‹. Finally, one should not forget that, when present-day philosophers
of language turn their attention to the past, it is hard to distinguish between the
›philosophy of language‹ attributed by them to the classical texts, and the actual interest
in this field expressed by the texts themselves.
The present handbook of the Philosophy of Language is intended to help solve some
of the difficulties just mentioned, within the framework of the general purposes of the
series Handbooks of Linguistics and Communications Science. It should provide an
overall view of the current state of the philosophy of language, conceived as broadly
as possible. This includes an adequate coverage of the range of questions posed, of
methods applied, and of theoretical frameworks adopted. Specialists belonging to
different currents of thought and working within different traditions in several countries
will provide the answers. The book is addressed to students, teachers, and researchers
in philosophy, as well as in any discipline that takes language as its object of investi-
gation or thematizes its use as a means of representation.
As indicated by its title, the book is not conceived as encyclopaedic in character.
Our aim is not to cover the field by means of many brief articles. Instead, the articles
are monographic by nature and, besides the information they carry on specific issues,
doctrines and historical developments, they convey their author’s own critical assessment
of the topics discussed in the article. Accordingly, contributors have been free to restrict
the scope of their articles to the exposition and analysis of a paradigmatic contribution
to the topic and even, in the case of controversies, to espouse explicitly one of the
conflicting positions. This is why the editors gave up both the attempt to avoid any
possible overlap between different articles, and the requirement of exhaustive coverage
of a topic. They intended, however, to achieve a working map of philosophy of language,
as it is currently practised throughout the world, a map representing the most important
research domains in the field. The choice and organization of the articles, which reflect
such a map, have been established after extensive consultation with many colleagues.
In order to avoid nationality limitations, both regarding contributors and readers, the
three main languages now used by most researchers in the philosophy of language —
English, German, and French — have been adopted as a means of presentation
following the choice of the contributor.
The handbook is comprised of 120 articles, divided into two parts with 60 articles
each, which are subsumed under three chapter headings in each part. The first three
chapters are mainly historically oriented, whereas the remaining ones are predominantly
systematic in nature. At the center of the first part, the 26 articles of Chapter II are
devoted to the philosophy of language in the works of historically important persons,
whereas at the center of the second part, the 22 articles of Chapter V present funda-
mental concepts and explain their role mainly in present- day philosophy of language.
In order to ensure an adequate treatment of the historical aspects of the philosophy of
language, Chapter II has been complemented by two further chapters, Chapter I,
consisting of 13 articles which provide spatio-temporal surveys of main currents and
periods, and Chapter III with 21 articles, on various philosophical positions about
language, which are currently held or which, though belonging to the past, still are or
ought to be influential. Likewise, for guaranteeing an adequate treatment of the
systematic aspects in the philosophy of language, Chapter V has been flanked on the
one side by Chapter IV, which explores 16 important controversies of both past and
present, and on the other side by Chapter VI, whose 22 articles deal with aspects of
philosophy of language in other fields.
XVI I.Preface

I. Spatio-temporal surveys 46. Phenomenological approaches


1. First thoughts about language 47. Dialogical approaches
2. Stoic philosophy of language 48. The marxist doctrine
3. Jewish and Islamic philosophy of language 49. Critique of ideologies
4. Philosophy of language in scholasticism 50. Behavioristic approaches
5. Indian philosophy of language 51. The structuralist approaches
6. Chinese philosophy of language 52. The interactionist approach
7. Renaissance philosophy of language 53. The position of transcendental pragmatism
8. Philosophy of language in the age of enlight- 54. The philosophy of language underlying
enment speech act theory
9. Historically oriented philosophy of language 55. The philosophy of language underlying for-
in the 19th century mal semantics
10. The sceptical tradition in the philosophy of 56. The philosophy of language underlying soci-
language ology of language and sociolinguistics
11. The empiricist tradition in the philosophy of 57. Philosophical foundations of psychology of
language language and of psycholinguistics
12. The rationalist tradition in the philosophy of 58. Philosophical foundations of content analysis
language 59. Formal languages in analytic philosophy
13. Philosophy of language in romanticism 60. Ordinary language in analytic philosophy
II. Persons IV. Disputes
14. Plato 61. For and against universals
15. Aristotle 62. Are words and things connected by nature or
16. Aurelius Augustinus by convention?
17. Bhartṛhari 63. The dispute on the primacy of word or sen-
18. Jayanta tence
19. al-Fārābī 64. The universal language problem
20. Peter Abaelard 65. Disputes on the origin of language
21. William of Ockham 66. The Aryan-Semitic dispute at the beginning
22. John Locke of modern linguistics
23. Gottfried Wilhelm Leibniz 67. Language as system versus language as action
24. Giambattista Vico 68. Disputes about theories of meaning
25. Johann Georg Hamann 69. Disputes about theories of truth
26. Johann Gottfried Herder 70. The dispute on the primacy of the notion of
27. Wilhelm von Humboldt truth in the philosophy of language
28. Bernard Bolzano 71. The dispute on the primacy of thinking or
29. Alexander Bryan Johnson speaking
30. John Stuart Mill 72. The dispute over innate ideas
31. Wilhelm Wundt 73. The dispute on the indeterminacy of transla-
32. Charles Sanders Peirce tion
33. Anton Marty 74. Pro and contra linguistic relativism
34. Gottlob Frege 75. One or many logics? Arguments relevant to
35. Fritz Mauthner the philosophy of language
36. Ferdinand de Saussure 76. Mereology and set theory as competing meth-
37. Ernst Cassirer odological tools within philosophy of lan-
38. Karl Bühler guage
39. Ludwig Wittgenstein V. Concepts
III. Positions 77. Articulation and predication
40. The terminists’ doctrine 78. Reference: names, descriptions and variables
41. The modists’ doctrine 79. Deixis and selfreference
42. Apohavāda in Buddhist logic 80. Propositional attitude
43. The sphoṭa doctrine of the Indian Grammar- 81. Sense and reference
ians 82. Abstraction and concretion
44. The rational grammar position 83. Identity and individuation
45. The hermeneutic approach
Preface XVII

84. A survey of semantic relations 103. Philosophy of language in theology


85. Analogy 104. Philosophy of language in ethics
86. Synonymy and analyticity 105. Philosophy of language in aesthetics
87. Utterance — sentence — proposition — judg- 106. Philosophy of language in the theory of lit-
ment erature
88. Possible worlds — possible individuals 107. Philosophy of language in fiction and poetry
89. Conditionals 108. Philosophy of language in non-verbal arts
90. ‘Symptom’ and ‘symbol’ in language 109. Philosophy of language in psychoanalysis
91. Metaphor 110. Philosophy of language and psychology
92. Context and cotext 111. Philosophy of language and logic
93. Intentionality 112. Philosophy of language and rhetoric
94. Communication and understanding 113. Philosophy of language and linguistics
95. Illocutionary force 114. Philosophy of language and semiotics
96. Games in language 115. Philosophy of language and communication
97. Presupposition and implicature theory
98. Vagueness and ambiguity 116. Philosophy of language and ethology
VI. Aspects of philosophy of language in other 117. Philosophy of language and artificial intelli-
fields gence
99. Philosophy of language in philosophy of sci- 118. Philosophy of language and linguistic philos-
ence ophy
100. Philosophy of language in the exact sciences 119. Philosophy of language and ontology
101. Philosophy of language in the social sciences 120. Philosophy of language and the method of
102. Philosophy of language in law logico-linguistic analysis

The 13 articles of Chapter I, Spatio-temporal surveys, have been chosen so as to


provide thematic units whose presentation offers a first relatively deep encounter with
several historical traditions. They contain an exposition of the work of those persons
that belong to a lasting tradition, possibly because they have either originated or
significantly determined such a tradition. This explains why these persons are not
treated in special articles in Chapter II. We have deliberately omitted an overview of
20th century philosophy of language, since the important positions, generally still held
today, are dealt with in Chapter III. The only exceptions here are certain philosophers
whose independent or even idiosyncratic positions within the philosophy of language
justify their inclusion in Chapter II (Mauthner, Saussure, Cassirer, Bühler, Wittgen-
stein).
The choice of 26 Persons discussed in Chapter II has been based on their historical
influence and on the varied character of their contributions. Both factors prevent their
subsumption under one of the traditions in the philosophy of language as discussed in
Chapter I. The apparent exceptions made for persons who belong to the Indian, to the
Islamic, or to the scholastic tradition are due to the following facts: Bhartṛhari is at
present, within the relatively unexplored field of Indian philosophy of language, one
of the most accessible thinkers, Jayanta, on the other hand, has been recognized as an
independent Indian philosopher of language only very recently; al- Fārābī, again, has
argued in detail for his transposition of Greek philosophy into an Arabic context,
whereas the desire to present a detailed account of two conflicting paradigms of
scholastic thought, marking respectively the beginning and the end of scholasticism,
resulted in choosing Abaelard and Ockham as the two representatives, whose work has
been discussed in recent historical research in an especially enlightening way.
The 21 articles of Chapter III, Positions, have been chosen with a view to presenting
the widest possible range of theses in the philosophy of language, as well as their
XVIII Preface

relationship with the general philosophical conceptual frameworks to which they are
attached. The two main branches of analytic philosophy, logical empiricism (flourished
1920—1950), as espoused by Bertrand Russell and nourished in the Vienna Circle, and
linguistic phenomenalism (flourished 1930—1960), which was inaugurated by George
Edward Moore and experienced its heyday in the Oxford Philosophy, are investigated
with respect to their philosophy of language in the last two articles of the first part
(no. 59 & 60). Of special concern are furthermore the more or less tacit presuppositions
which current linguistic theories borrow from philosophy, and hence their philosophical
foundations, through their implicit adoption of a philosophy of language (no. 54—58).
The last article (no. 120) reconsiders — in a more general vein — the issue of the
relationship between a philosophical position, as expressed in the choice of a method
of logico- linguistic analysis, and the position — somehow biased by such a choice —
adopted in the associated philosophy of language.
The 16 articles of Chapter IV, Controversies, are conceived of as complementing the
articles on positions. The emphasis, though, is not on the internal argumentative
structure of each doctrine, but rather on the critical assessment of its arguments vis-à-
vis externally competing positions. In order to show their links with contemporary
disputes, it is necessary to provide an explicit historical reconstruction of some contro-
versies of the past (no. 61—66). Other old and recent controversies still determine,
through their multiple ramifications, a great deal of contemporary research in the
philosophy of language.
Chapter V, Concepts, contains 22 articles. Apart from the first (no. 77) which deals
with terms which are central for the philosophy of language in general, the first section
of articles is concerned with concepts emanating mainly from semantic research (no.
78—89). Given the above- mentioned difficulty in separating logic and philosophy of
language, the exposition of each concept in this section will include an elucidation of
the connections between its logical and its philosophical uses. The remaining articles
have as their focus concepts used mainly in research on the pragmatics of language
(no. 90—98). Their elucidation requires, in turn, an analysis of the links between the
philosophical and psychological uses of the corresponding terms.
Finally, in Chapter VI, Aspects of philosophy of language in other fields, the first half
of the articles (no. 99—109), whose title is formed with the preposition ‘in’, deals with
the use by other disciplines of the insights of the philosophy of language, either
concerning the questions to be asked and the methods to be employed, or else as
substantive contributions to the theories in these fields. These articles attempt to cover
also cases of ›partial borrowing‹, as in literature or in art. The second half of the
chapter (no. 110—120), whose article headings contain the conjunction ‘and’, is devoted
to problems of demarcation and overlapping which confront philosophers of language.
For it is impossible to characterize a discipline as an independent field of studies
without situating it with respect to both old and new competitors.
The last section of each article contains selected references which are also part of a
general bibliography at the end of the second part of the handbook, the entries being
supplied by the authors. To each entry the numbers of those articles are attached to
which the entry belongs. Antecedent to the general bibliography there is a list of
abbrevations. The handbook ends with an index of persons and an index of subjects.
The editors are aware what a laborious task it was to undertake to write an essay
for this handbook and we thank each individual author for his or her dedicated effort;
Preface XIX

thanks are especially due for the patience shown by those who were first to send their
contribution and had to wait till the last contributions were ready. Among the latter
are those by contributors who consented to fill certain unforeseen gaps when approached
with a special request by one or other of the editors.
The justified wishes of some authors to add and change at the stage of proof reading
in order to bring the contributions up to date could not always be complied with in a
form satisfactory to them. Similarly, the desire to mention the year of sending the
manuscript, since it was not possible to carry it out on a general basis, could not be
accomodated. For the same reason, the appendage of thanks to friends and assistants
forewarded by some authors, has not gone into print.
On an altogether different plane is the plea for providing the accurate and the
maximum possible evidence when referring to other texts, a plea that belongs to the
region of editorial duty, but one that certainly feels burdensome to the authors now
and then. The same is true of the demand to provide the full names of the persons
mentioned in an essay, and in the first volume, where the emphasis on historical aspects
is prominent, in addition, to annex the period of their lives.
Wherever possible and sensible, important terms of the source language have been
made use of or have been added; whenever non-latin script types or latin transliterations
or transcriptions appear as a consequence, the otherwise customary employment of the
simple inverted commas ‘ , ’ to mention the expressions, are avoided as a rule. The
improper use or the emphasis, however, are indicated through the reversed angular
brackets › ,‹ or through the use of italics, respectively. Citation is done through the
signs customary in the respective languages: „ “ (German text), “ ” (English text),
« » (French text); if the reference to the source of the citation is lacking then it is
marked as improper use. Individual words, however, are usually not marked as citation,
even when the source is mentioned; at the most they are marked by using › , ‹. In case
of transliteration of foreign names, considering the equal status of all the three languages
of the handbook, it has been possible to enforce the unity of spelling only at the level
of each single contribution.
To the, often laborious, process of realizing an integrated and uniform form of the
present handbook many assistants of the editors have contributed over the years. Only
those who had to bear the main burden of compiling the final bibliography and the
index can be mentioned here: Thomas Kepler and Henning Kniesche for the bibliog-
raphy, Shahid Rahman and Dagmar Schmauks for the index of subjects, Kai Buchholz
and Ingrid Weber for the index of persons. To all of them our special thanks are due.
Included are the partners of the editors on the other side. Without the admirable
patience of the series editor in charge of this handbook, our colleague Herbert E.
Wiegand, and beyond that without the infatigable encouragement offered towards the
completion of just this volume by our colleague Heinz Wenzel who has been responsible
for the whole series of handbooks at the de Gruyter Publishing Company up to an
internal reorganisation of duties at the end of 1991, the final accomplishment of this
project would have been impossible.
Finally, the editors wish to repeat their sense of gratitude especially towards those
authors who are no more there to witness the publication of their contributions. Let
this handbook be dedicated therefore to the memory of the expired colleagues, Angus
C. Graham, Albert Heinekamp, and Bimal K. Matilal.

Summer 1992 M. Dascal, D. Gerhardus, K. Lorenz, G. Meggle


XX

Préface
La philosophie du language, en tant que discipline autonome dans la culture occidentale,
existe depuis deux siècles à peine. Ce n’est que depuis la fin du XIX e siècle ou au
déb ut du XX e qu’elle a accédé à la dignité de fondement de toute recherche dans le
domaine des activités basées sur le langage. Les problèmes et les méthodes, qui lui sont
propres dans la philosophie contemporaine, tirent leur origine de l’analyse logique du
langage, telle qu’elle fut élab orée au sein de la philosophie analytique. Les travaux
antérieurs n’ont exercé aucune influence sur son développement et ce n’est qu’après
coup que nos contemporains ont mis en évidence leur importance.
Cette autonomie tardive de la philosophie du langage ne témoigne cependant pas
d’un manque d’intérêt de la philosophie pour le langage, mais elle s’explique par la
difficulté générale d’aborder le phénomène linguistique: celui-ci doit remplir la double
fonction d’ob jet de recherche et de moyen de sa représentation. Bien évidemment, les
réflexions sur le langage, ne serait-ce que sous forme d’un travail préliminaire à la
réflexion philosophique propre, furent considérées comme étant indispensab les à toute
recherche en philosophie b ien avant l’émergence d’une philosophie du langage auto-
nome. D’explicites réflexions sur le langage se trouvent donc dans presque tout traité
philosophique, de quelconque tradition ou époque, et aussi dans des cultures autres
que l’occident.
En général, la réflexion sur le langage se sépare rarement, d’une manière nette, de la
logique et de la psychologie. Aujourd’hui même, les domaines de la logique et celui de
la philosophie du langage se chevauchent fréquemment, et ceci avant tout pour ce qui
est de l’analyse des expressions linguistiques selon les notions de ‘signification’, de
‘vérité’ et de ‘validité’. De la même façon, psychologie et philosophie du langage se
rejoignent en ce qui concerne l’analyse des expressions linguistiques en fonction des
processus mentaux du locuteur et de son interlocuteur. Si l’on écarte les aspects
physiques du language, dont traitent la phonétique, voire la phonologie, ainsi que ses
aspects biologiques, objets d’études récentes de l’éthologie, on remarque que le propre
du phénomène linguistique, c’est-à-dire ce qui le distingue de la logique, d’une part, et
de la psychologie, d’autre part, fut longuement confondu avec ce à quoi s’intéresse la
grammaire traditionnelle.
Toutefois, il ne faut pas en conclure que des prob lèmes linguistiques allant au-delà
du cadre de la grammaire ne se soient guère prononcés avant le ›linguistic turn‹ au
début de ce siècle. Bien au contraire, des analyses linguistiques se trouvent dès l’antiquité
dans la rhétorique, la poétique et, avant tout, la théorie de la connaissance, sous-
disciplines de l’ancienne philosophie. Pourtant, ces analyses ne furent jamais considérées
que comme des auxiliaires à la résolution de prob lèmes réels puisqu’on se défendit
d’assimiler les problèmes réels au simple problème de leur représentation (linguistique).
L’avènement de la linguistique moderne n’a pas modifié, au moins à ses débuts, ces
liens de dépendance. L’aspiration romantique à une union entre science du langage et
Préface XXI

philosophie du langage, telle qu’elle apparaît de la manière la plus parfaite dans l’œuvre
de Wilhelm von Humb oldt, ne vise en fait qu’à mettre la linguistique au service de la
science et de la philosophie de l’histoire. C’est au cours du XIX e siècle que la linguistique
se détacha lentement de la philosophie du langage et devint autonome: elle se présente
désormais comme une discipline propre, ayant pour objet le côté empirique du langage,
tandis que la philosophie du langage est devenue une ›métadiscipline‹ qui se propose
de définir le cadre conceptuel de tout discours sur le langage. La linguistique a gagné
cette indépendance par le b iais de deux méthodes de recherche, l’une comparative et
l’autre expérimentale, qui tantôt se complètent, tantôt se contrarient, et qui la carac-
térisent jusqu’à nos jours. Dans la mesure où cette science nouvelle se veut être une
science positive, partout empirique, l’origine des outils qu’elle emploie, et qui sont eux-
mêmes des éléments langagiers, ne se présente plus à sa portée. Cette tâche de mettre
en évidence les fondements méthodologiques de la linguistique est alors confiée à la
philosophie du langage, et celle-ci apparaît par conséquent comme une discipline
réflexive. Avant qu’il ne se manifeste dans la philosophie analytique, ce rôle s’exprime
pour la dernière fois dans la Philosophie der symbolischen Formen (1923—1929) de
Ernst Cassirer.
La mise en œuvre de l’analyse logique du langage pour résoudre des prob lèmes
philosophiques a finalement engendré le développement rapide de la philosophie du
langage au cours de notre siècle, tant d’un point de vue diachronique, en se livrant à
une étude de plus en plus approfondie du travail des précurseurs, que d’un point de
vue synchronique, en s’appliquant à diversifier les outils conceptuels disponib les. Ce
développement se fait en rapport étroit avec la logique, la linguistique, la psychologie
et, tout récemment, la nouvelle science cognitive. La sémiotique et la théorie de la
communication, pour leur part, aspirent à détrôner cette philosophie du language; la
première en proposant une théorie intégrative de l’usage général des signes, la seconde
en concevant les actions linguistiques comme des actions qui se caractérisent par une
intention communicative. Lorsque l’usage de signes est enfin envisagé comme une
activité empiriquement ob servab le, sémiotique et théorie de la communication, en
revanche, se trouvent sub stituées par la théorie de l’action (pragmatique/praxéologie)
et par l’étude du comportement (éthologie) que complètent les modèles de l’intelligence
artificielle.
En dépit d’un effort systématique de documentation et de classement thématique dû
à une collab oration internationale, les spécialistes de la discipline eux-mêmes ne sont
pas en mesure de survoler l’ensemb le des recherches en cours dans le domaine de la
philosophie du langage. Le novice désireux de connaître l’état actuel de cette discipline
se retrouve donc devant une situation désespérée, d’autant plus qu’il ne dispose que de
manuels extrêmement sélectifs.
Ajoutez à cela une difficulté supplémentaire. Faut-il tenir la philosophie du langage
pour une philosophie de la linguistique, à savoir une b ranche de la philosophie de la
science, ou serait-il préférab le de la considérer comme une philosophie linguistique?
Dans ce cas-là, elle se présenterait comme une manière nouvelle d’aborder, par le moyen
de l’analyse linguistique, les prob lèmes philosophiques traditionnels. Par ailleurs, il
reste toujours possib le que philosophie du language et linguistique puissent un jour
fusionner dans une ›linguistique générale‹ qui engloberait toutes les disciplines traitant
du language: philosophie, logique, psychologie, science cognitive, psychanalyse, her-
méneutique et rhétorique.
XXII Préface

N’oub lions pas enfin que la tradition philosophique elle-même est réexaminée et
réinterprétée à la lumière de la philosophie du langage, en sorte qu’il est difficile
d’étab lir une séparation nette entre les prob lèmes soulevés par cette dernière quant à
l’interprétation de certains textes et les thèmes de philosophie du langage abordés dans
ces mêmes textes.
Le manuel La philosophie du language se propose, dans le cardre de la série des
Manuels de linguistique et des sciences de communication, de remédier, autant que
possible, à cette situation. Il est destiné à la fois aux philosophes, étudiants, professeurs
et chercheurs, et aux spécialistes de toutes les disciplines qui traitent du langage en tant
qu’objet de recherche ou moyen de représentation.
Il se propose d’offrir aux uns et aux autres une vue d’ensemb le de la discipline
considerée dans les problèmes qu’elle soulève, les méthodes qu’elle emploie et les cadres
théoriques qu’elle se donne.
Bien éloigné de se b orner au point de vue unilateral d’une école ou d’un pays, il
regroupe les contrib utions de spécialistes qui traitent des divers domaines de la philo-
sophie du langage, et relèvent des traditions les plus diverses.
Ce manuel n’est pas une encyclopédie: bien éloigné de regrouper une foule d’articles
brefs, il rassemble un nombre assez restreint de monographies dont les auteurs complè-
tent par des jugements critiques portant sur les prob lèmes, les concepts et les dévelop-
pements historiques, la part qu’ils réservent à l’information.
Les collab orateurs avaient la faculté de retenir, dans les domaines qui leur ont été
assignés, les points qu’ils jugeaient essentiels. Il leur était aussi loisible de susciter des
controverses sur les problèmes qu’ils ont abordés. Les directeurs de l’ouvrage ont laissé
à leurs collab orateurs une entière lib erté. Pas plus qu’ils n’ont exigé un traitement
exhaustif de chaque sujet, ils n’ont pris parti dans les controverses. Leur rôle s’est
borné à choisir judicieusement et répartir les sujets d’étude. Il est résulté de cette tâche,
à laquelle ont contrib ué plusieurs collègues, une classification systématique des prin-
cipaux domaines de recherche dans la philosophie contemporaine du langage. Ecartant
les b arrières nationales qui auraient pu reb uter certains de leurs collab orateurs, ils ont
accepté et même encouragé l’usage de trois langues: la française, l’allemande et l’an-
glaise.
Chacun des deux volumes du manuel regroupe 60 articles, réparties en 3 chapitres.
Le premier traite plutôt des aspects historiques, et le second des aspects systématiques
des problèmes. Le chapitre II, qui occupe la partie centrale du premier tome, regroupe
26 articles et traite des contrib utions à la philosophie du langage dont nous sommes
redevab les à des personnes historiquement importantes. Le chapitre V, qui figure dans
le second volume, traite en 22 articles des concepts fondamentaux qui dominent
largement, quant à la forme et au contenu, la philosophie contemporaine du language.
En vue d’un traitement satisfaisant des aspects historiques de la discipline, on a jugé
nécessaire de compléter le chapitre II par deux autres: le chapitre I qui regroupe 13
aperçus spatio-temporels, et le chapitre III, qui expose 21 doctrines en philosophie du
langage. Les unes relèvent de l’histoire et traitent des écoles anciennes qui ont exercé
une influence importante, les autres sont celles qui jouent un role essentiel dans la
pensée contemporaine. De manière semb lab le, deux chapitres du second volume,
complètent l’exposé des concepts fondamentaux. Dans le quatrième, 16 controverses
importantes, passées ou présentes, font l’objet d’exposés critiques; dans le sixième, 22
articles examinent les aspects de la philosophie du langage dans d’ autres domaines.
I.Préface XXIII

I. Aperçus spatio-temporels 44. La position de la grammaire rationnelle


1. Premières réflexions sur le langage 45. Le point de vue herméneutique
2. La philosophie du langage des stoïciens 46. Les points de vue phénoménologiques
3. Les philosophies du langage juive et arabe 47. Les points de vue dialogiques
4. La philosophie du langage dans la scolastique 48. La doctrine marxiste
5. La philosophie indienne du langage 49. Les points de vue de la critique des idéologies
6. La philosophie chinoise du langage 50. Les positions du behaviorisme
7. La philosophie du langage dans la Renais- 51. Les positions structuralistes
sance 52. Le point de vue interactionniste
8. La philosophie du langage au Siècle des Lu- 53. Le point de vue du pragmatisme transcendan-
mières tal
9. La philosophie du langage à orientation his- 54. La philosophie implicite du langage dans la
torique au 19ème siècle théorie des actes de parole
10. Le scepticisme en philosophie du langage 55. La philosophie implicite du langage dans la
11. La tradition empiriste dans la philosophie du sémantique formelle
langage 56. La philosophie implicite du langage dans la
12. La tradition rationaliste dans la philosophie sociologie du langage et dans la socio-linguis-
du langage tique
13. La philosophie du langage à l’époque roman- 57. Fondements philosophiques de la psychologie
tique du langage et de la psycho-linguistique
II. Personnes 58. Fondements philosophiques de l’analyse du
14. Plato contenu
15. Aristote 59. Les langages formels en philosophie analy-
16. Aurelius Augustinus tique
17. Bhartṛhari 60. Le langage ordinaire en philosophie analy-
18. Jayanta tique
19. al-Fārābī IV. Controverses
20. Pierre Abélard 61. La querelle des universaux
21. William of Ockham 62. Les rapports entre langage et monde sont-ils
22. John Locke naturels ou conventionnels?
23. Gottfried Wilhelm Leibniz 63. La controverse sur la primauté du mot ou de
24. Giambattista Vico la phrase
25. Johann Georg Hamann 64. Le problème de la langue universelle
26. Johann Gottfried Herder 65. La controverse sur l’origine du langage
27. Wilhelm von Humboldt 66. La controverse aryanosémitique au sein de la
28. Bernard Bolzano linguistique moderne
29. Alexander Bryan Johnson 67. Le langage comme système et le langage
30. John Stuart Mill comme action
31. Wilhelm Wundt 68. La controverse sur les théories de la signifi-
32. Charles Sanders Peirce cation
33. Anton Marty 69. La controverse sur les théories de la vérité
34. Gottlob Frege 70. La controverse sur la primauté de la notion
35. Fritz Mauthner de vérité dans la philosophie du langage
36. Ferdinand de Saussure 71. Penser et parler: à qui la primauté?
37. Ernst Cassirer 72. La controverse sur les idées innées
38. Karl Bühler 73. La controverse sur l’indétermination de la
39. Ludwig Wittgenstein traduction
III. Doctrines 74. Le pour et le contre du relativisme linguistique
40. La doctrine des terministes 75. Une ou plusieurs logiques? Les arguments
41. La doctrine des modistes pertinent pour la philosophie du langage
42. Apohavāda dans l’école logique du Boudd- 76. La méréologie et la théorie des ensembles en
hisme tant qu’outils méthodologiques concurrent en
43. La doctrine du sphoṭa des grammairiens in- philosophie du langage
diens
XXIV Préface

V. Concepts 101. La philosophie du langage dans les sciences


77. Articulation et prédication sociales
78. La référence: noms, descriptions et variables 102. La philosophie du langage dans les sciences
79. Deixis et autoréférence juridiques
80. Attitude propositionnelle 103. La philosophie du langage en théologie
81. Sens et référence 104. La philosophie du langage en éthique
82. Abstraction et concrétisation 105. La philosophie du langage dans l’estéthique
83. Identité et individuation 106. La philosophie du langage dans la théorie
84. Rélations sémantiques: vue d’ensemble littéraire
85. Analogie 107. La philosophie du langage dans la littérature
86. Synonymie et analyticité 108. La philosophie du langage dans les arts non-
87. Énonciation — énoncé — proposition — ju- verbaux
gement 109. La philosophie du langage dans la psych-
88. Mondes possible — individus possibles analyse
89. Les conditionnelles 110. Philosophie du langage et psychologie
90. ‘Symptôme’ et ‘symbole’ dans le langage 111. Philosophie du langage et logique
91. Métaphore 112. Philosophie du langage et rhétorique
92. Contexte et cotexte 113. Philosophie du langage et linguistique
93. Intentionnalité 114. Philosophie du langage et sémiotique
94. Communication et compréhension 115. Philosophie du langage et théorie de la
95. Force illocutoire communication
96. Jeux dans le langage 116. Philosophie du langage et éthologie
97. Présupposition et implicitation 117. Philosophie du langage et intelligence artifi-
98. Le vague et l’ambigu cielle
VI. Aspects de la philosophie du langage dans 118. Philosophie du langage et philosophie lin-
d’autres domaines guistique
99. La philosophie du langage dans la philosophie 119. Philosophie du langage et ontologie
des sciences 120. La philosophie du langage et la méthode de
100. La philosophie du langage dans les sciences l’analyse logico-linguistique
exactes

Les aperçus spatio-temporels qui composent les 13 articles du chapitre I présentent


des ensembles d’idées qui, relativement cohérents et fermes, se prêtent à un exposé de
caractère nettement historique. Naturellement, les articles discutent fréquemment les
œuvres d’auteurs importants au sein des traditions dont ils relèvent.
En dépit de leur importance historique, nous n’avons pas toujours jugé nécessaire
d’en reprendre l’examen dans le chapitre II. L’ab sence d’un aperçu de la philosophie
du langage au XX e siècle se justifie par le fait que les positions actuelles sont amplement
développées dans le chapitre III et retentissent encore dans certaines présentations
d’auteurs du chapitre II (Mauthner, Saussure, Cassirer, Bühler, Wittgenstein).
Les 26 personnes présentées dans le chapitre II ont été retenues en raison de l’étendue
et de la variété de leurs contrib utions à la philosophie du langage, en sorte qu’on ne
peut les considérer comme appartenant à l’une des traditions qui font l’objet du chapitre
I. Font exception toutefois quelques auteurs qui ressortissent à une tradition indienne,
arabe ou scolastique. La raison en est que Bhartṛhari est, dans l’histoire de la philosophie
indienne du language, l’un des auteurs les plus accessib les actuellement, alors que
Jayanta est, parmi les philosophes indiens, le premier dont la réflexion sur le langage
ait été reconnue comme originale. Si, de son côté, al-Fārābī mérite un exposé particulier,
c’est en raison du rôle important qu’il a joué dans la transmission et l’utilisation de
l’héritage grec. Enfin, si Ab élard et Occam ont été retenus plutôt que d’autres scolas-
tiques, c’est avant tout parce que leurs œuvres datant, qui du déb ut, qui de la fin de
l’âge scolastique, représentent des positions paradigmatiques que la recherche historique
actuelle nous permet de comprendre en détail.
Préface XXV

Le dessein qui a présidé au choix des 21 doctrines examinées dans le chapitre III était
de présenter une gamme aussi variée et complète que possib le des théories générales
dont découlent les différentes thèses en philosophie du langage, afin que le lecteur
prenne conscience des rapports qui lient ces thèses fondamentales aux positions phi-
losophiques dont elles font partie. Les deux positions qui dominent la discussion
actuelle
en philosophie analytique font l’ob jet d’un exposé critique situé à la fin du premier
volume (articles 59 et 60). Il s’agit de l’empirisme logique dont l’apogée se situe entre
1920 et 1950, et du phénoménalisme linguistique qui atteint son sommet, avec un
décalage de dix ans, entre 1930 et 1960. Notons encore que le premier de ces deux
courants tire son origine des travaux exhaustifs de Bertrand Russell ainsi que de
l’activité
féconde du Cercle de Vienne, et que le mérite d’avoir engendré le second, devenu
célèbre pour la première fois sous le nom d’Ecole d’Oxford, revient à George Edward
Moore. En outre, le lecteur sera mis à même de saisir les rapports entre certaines
théories linguistiques et certaines prises de position philosophiques qui en sont le
fondement tacite (articles 54—58). Dernier article du manuel, l’article 120 reprend, et
cette fois dans une perspective tout à fait générale, le prob lème du rapport entre telle
position philosophique qui se manifeste dans le choix d’une méthode d’analyse logico-
linguistique d’une part, et les principes philosophiques que ce choix présuppose d’autre
part.
Dans la mesure où ils ont pour ob jet des prises de position, les 16 articles de
controverses qui composent le chapitre IV viennent contreb alancer ceux du chapitre
III. Ces controverses ne sont pas seulement exposées pour elles-mêmes, dans leur
organisation interne, mais aussi du point de vue des critiques externes dont elles ont
fait l’ob jet, et du rôle critique qu’elles jouent dans certains déb ats philosophiques
importants. Parmi ces déb ats, ceux qui appartiennent au passé font l’ob jet de recons-
titutions historiques précises, en sorte qu’apparaîtra clairement l’intérêt qu’elles pré-
sentent dans les déb ats actuels (articles 61—66), alors que d’autres dominent encore,
par certains de leurs aspects, les efforts de systématisation entrepris par les chercheurs
contemporains.
Le chapitre V, qui traite des concepts, se subdivise en 22 articles. Le premier, l’article
77, est consacré aux concepts fondamentaux en général. Les articles 78 à 89, qui ont
pour ob jet les notions sémantiques, tiennent compte du prob lème déjà mentionné des
frontières communes à la logique et à la philosophie du langage, et se proposent
d’éclaircir le rapport entre l’usage logique et celui philosophique des concepts dont ils
traitent. Suit l’exposé des concepts pragmatiques (articles 90—98) qui, de manière
semb lab le, met en lumière la façon dont usage psychologique et usage philosophique
de ces concepts se superposent.
Le chapitre VI, qui clôt l’ouvrage, ab orde les aspects de la philosophie du langage
dans d’ autres domaines. II comprend deux parties, d’étendue sensib lement égale. Les
articles qui composent la première (article 99—109), et dont les titres font usage des
prépositions ‘en’ et ‘dans’, traitent des ›insights‹, fussent-ils partiels ou implicites, de la
philosophie du langage dans la prob lématique, la méthodologie et les développements
théoriques d’autres domaines, scientifiques ou non. La seconde moitié (articles
110—120), dont les titres usent de la conjonction ‘et’, s’attache plus particulièrement à
l’étude des interactions qui lient la philosophie du langage et d’autres domaines du
savoir, interactions étant à l’origine de recherches ›inter-disciplinaires‹ et dignes de
retenir l’attention, pour cette double raison que leur étude met en évidence la fécondité
de la philosophie du langage, et qu’elle permet d’en préserver l’identité.
XXVI Préface

Complétant les b ib liographies sélectives annexées aux articles, une b ib liographie


d’ensemb le, constituée d’après les indications des auteurs, figure à la fin du second
volume. Chaque entrée renvoie aux articles auxquels elle se rapporte. S’y ajoutent enfin
une tab le des ab réviations utilisées dans le manuel, ainsi qu’un index nominum et
rerum.
Bien conscients des efforts fournis par chaque auteur, les éditeurs tiennent à les
remercier d’avoir tenu leurs engagements. Nous remercions particulièrement ceux
d’entre eux qui, ayant remis les premiers leurs contrib utions, ont dû patienter jusqu’à
l’achèvement des derniers manuscrits, dont les articles des auteurs qui avaient la
gentillesse de combler avec leurs contributions quelques lacunes en dernière minute.
Lors de la correction des épreuves, les éditeurs n’ont pu, malheureusement, tenir
compte de toutes les mises au point souhaitées par les auteurs. S’ils ont renoncé à
mentionner les dates de dépôt des manuscrits, c’est parce qu’ils n’ont pu en imposer le
principe à tous les collab orateurs. C’est pour la même raison qu’ils ont dû écarter les
remerciements que certains ont ajouté a leurs contributions. Il était en revanche de leur
devoir — un devoir parfois ressenti péniblement par les auteurs — d’exiger des références
exactes et précises, ainsi que la transcription complète des noms propres mentionés. Ils
ont cru devoir ajouter les dates de naissance et de décès des auteurs évoqués, particu-
lièrement dans le premier volume où l’aspect historique des questions traitées joue un
rôle essentiel.
Chaque fois que la chose était possible et utile, on a mentionné ou ajouté, dans leur
langue originale, les expressions caractéristiques importantes. Lorsque ces dernières ne
figurent pas en caractères romains ou lorsqu’elles sont données en tant que translité-
rations ou transcriptions en caractères romains, on a renoncé à les signaler par des
guillemets anglais simples: ‘ , ’ symboles systématiquement utilisés dans les autres cas
où une expression se trouve d’être nommée.
On a employé soit des caractères italiques, soit des crochets inverses › , ‹ tantôt pour
mettre en relief une expression, tantôt pour signaler les termes pris dans un sens figuré.
On a inséré les citations littérales entre les guillements usuels de la langue employée:
„ “ pour l’allemand. “ ” pour l’anglais, « » pour le français. Les citations dont la
référence exacte n’a pu être trouvée sont signalées par les symboles: › , ‹. Par principe,
ces mêmes symboles encadrent les citations à un terme isolé, citations qui ne sont pas
considérées comme telles, même lorsqu’on a ajouté la référence exacte.
Compte tenu du fait qu’une égalité de droit a été accordée à chacune des trois langues
utilisées dans le manuel, la translitération de termes étrangers ne prétend être homogène
qu’au sein de chaque contribution.
Plusieurs années durant, maints collab orateurs et collab oratrices se sont adonnés à
cette tâche difficile qu’est la mise au point d’une présentation uniforme du manuel.
Nous nous faisons un devoir de mentionner les noms de ceux d’entre eux à qui incombait
la lourde tâche de la préparation de la bibliographie: MM. Thomas Kepler et Henning
Kniesche, de l’index des matières: M. Shahid Rahman et Mme Dagmar Schmauks, et
de l’index des personnes: M. Kai Buchholz et Mme Ingrid Weber. Nous leur exprimons
une reconnaissance particulière.
Nous ressentons également le vif besoin de mettre en valeur l’admirable patience de
notre collègue M. Herbert E. Wiegand, directeur de la série des Manuels de linguistique
et des sciences de communication, ainsi que l’engagement infatigable dont témoigna M.
Heinz Wenzel, qui, jusqu’à une réorganisation interne des éditions de Gruyter à la fin
Préface XXVII

de 1991, s’occupa de la série à la maison d’édition. Sans eux, ce manuel n’aurait jamais
pu être réalisé.
Les éditeurs gardent un souvenir reconnaissant de ceux des auteurs que la mort a
privés du plaisir de lire leurs contrib utions dans le texte imprimé. C’est à la mémoire
des collègues Angus C. Graham, Alb ert Heinekamp et Bimal K. Matilal que nous
dédions ce manuel.

Au mois d’août 1992 M. Dascal, D. Gerhardus, K. Lorenz, G. Meggle


XXIX

Inhalt/Contents/Table des matières

1. Halbband/Volume 1/Tome 1
Vorwort ........................................................................................................................ V
Preface .......................................................................................................................... XIII
Préface .......................................................................................................................... XX

I. Raumzeitliche Übersichten
Spatio-temporal surveys
Aperçus spatio-temporels
1. Matthias Gatzemeier, Sprachphilosophische Anfänge (First thoughts
about language. Premières reflexions sur le langage) ................................. 1
2. Karlheinz Hülser, Stoische Sprachphilosophie (Stoic philosophy of lan-
guage. La philosophie du langage des stoïciens) ......................................... 17
3. Lenn E. Goodman, Jewish and Islamic philosophy of language (Jüdische
und arabische Sprachphilosophie. Les philosophies du langage juive et
arabe) ........................................................................................................... 34
4. Wolfgang Gombocz, Sprachphilosophie in der Scholastik (Philosophy
of language in scholasticism. La philosophie du langage dans la scola-
stique) .......................................................................................................... 56
5. Bimal K. Matilal, Indian philosophy of language (Indische Sprachphi-
losophie. La philosophie indienne du langage) ........................................... 75
6. Angus C. Graham, Chinese philosophy of language (Chinesische Sprach-
philosophie. La philosophie chinoise du langage) ....................................... 94
7. Gabriel Nuchelmans, Renaissance philosophy of language (Sprachphi-
losophie in der Renaissance. La philosophie du langage dans la Renais-
sance) ........................................................................................................... 104
8. Gerda Haßler, Sprachphilosophie in der Aufklärung (Philosophy of
language in the age of enlightenment. La philosophie du langage au Siècle
des Lumières) ............................................................................................... 116
9. Hermann J. Cloeren, Historisch orientierte Sprachphilosophie im 19.
Jahrhundert (Historically oriented philosophy of language in the 19th
century. La philosophie du langage à orientation historique au 19ème
siècle) ........................................................................................................... 144
10. Jim Hankinson, The sceptical tradition in the philosophy of language
(Die skeptische Tradition in der Sprachphilosophie. Le scepticisme en
philosophie du langage) ............................................................................... 162
11. Lia Formigari, The empiricist tradition in the philosophy of language
(Die empiristische Tradition in der Sprachphilosophie. La tradition emp-
iriste dans la philosophie du langage) ......................................................... 175
XXX Inhalt/Contents/Table des matières

12. Sylvain Auroux, La tradition rationaliste dans la philosophie du langage


(Die rationalistische Tradition in der Sprachphilosophie. The rationalist
tradition in the philosophy of language) ...................................................... 184
13. Helmut Gipper, Sprachphilosophie in der Romantik (Philosophy of
language in romanticism. La philosophie du langage à l’époque roman-
tique) ............................................................................................................ 197

II. Personen
Persons
Personnes
14. Nicholas P. White, Plato (427—347) ........................................................... 234
15. Wolfram Ax, Aristoteles (384—322) ........................................................... 244
16. Erhardt Güttgemanns, Aurelius Augustinus (354—430) ............................. 260
17. Madhav M. Deshpande, Bhartṛhari (ca. 450—510) ..................................... 269
18. Bimal K. Matilal, Jayanta (ca. 840—900) ................................................... 278
19. Jacques Langhade, al-Fārābī (872—950) ..................................................... 279
20. Lambertus M. de Rijk, Peter Abaelard (1079—1142) .................................. 290
21. Egbert Bos, William of Ockham (ca. 1285—1347) ..................................... 296
22. Gerhard Streminger, John Locke (1632—1704) ........................................... 308
23. Albert Heinekamp, Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716) .................... 320
24. Nancy S. Struever, Giambattista Vico (1668—1744) ................................... 330
25. Rüdiger Welter, Johann Georg Hamann (1730—1788) ................................ 339
26. Ulrich Gaier, Johann Gottfried Herder (1744—1803) .................................. 343
27. Silke M. Kledzik, Wilhelm von Humboldt (1767—1835) ........................... 362
28. Jan Berg, Bernard Bolzano (1781—1848).................................................... 381
29. Lars Gustafsson, Alexander Bryan Johnson (1786—1867) .......................... 393
30. Willem R. de Jong, John Stuart Mill (1806—1873) ..................................... 401
31. Clemens Knobloch, Wilhelm Wundt (1832—1920) .................................... 412
32. Bernd Michael Scherer, Charles Sanders Peirce (1839—1914) ................... 431
33. Savina Raynaud, Anton Marty (1847—1914) .............................................. 445
34. Matthias Schirn, Gottlob Frege (1848—1925) ............................................. 467
35. Elisabeth Leinfellner-Rupertsberger, Fritz Mauthner (1849—1923) ........... 495
36. Christian Stetter, Ferdinand de Saussure (1857—1913) ............................... 510
37. Henning Kniesche, Ernst Cassirer (1874—1945) ......................................... 524
38. Robert E. Innis, Karl Bühler (1879—1963) ................................................. 550
39. Jacques Bouveresse, Ludwig Wittgenstein (1889—1951) ............................ 563

III. Positionen
Positions
Doctrines
40. Klaus Jacobi, Die Lehre der Terministen (The terminists’ doctrine. La
doctrine des terministes) .............................................................................. 580
41. Gereon Wolters, Die Lehre der Modisten (The modists’ doctrine. La
doctrine des modistes) ................................................................................. 596
Inhalt/Contents/Table des matières XXXI

42. Victor van Bijlert, Apohavāda in Buddhist logic (Der Apohavāda in der
logischen Schule des Buddhismus. Apohavāda dans l’école logique du
Bouddhisme) ................................................................................................ 600
43. Bimal K. Matilal, The sphoṭa doctrine of the Indian Grammarians (Der
Sphoṭavada bei den indischen Grammatikern. La doctrine du sphoṭa des
grammairiens indiens) ................................................................................. 609
44. Jean-Claude Pariente, La position de la grammaire rationelle (Die
Position der rationalen Grammatik. The rational grammar position) ........ 620
45. Kurt Wuchterl, Die hermeneutische Position (The hermeneutic approach.
Le point de vue herméneutique) ................................................................... 638
46. David Woodruff Smith, Phenomenological approaches (Die phänome-
nologischen Positionen. Les points de vue phénoménologiques) ................ 649
47. Else M. Barth, Dialogical approaches (Die dialogischen Positionen. Les
points de vue dialogiques) ........................................................................... 663
48. Volkbert M. Roth, Die marxistische Lehre (The marxist doctrine. La
doctrine marxiste) ........................................................................................ 677
49. James Bohman, Critique of ideologies (Die ideologiekritischen Positio-
nen. Les points de vue de la critique des idéologies) .................................. 689
50. Ausonio Marras, Behavioristic approaches (Die behavioristischen An-
sätze. Les positions du behaviorisme) ......................................................... 705
51. Axel Bühler, The structuralist approaches (Die strukturalistischen An-
sätze. Les positions structuralistes) ............................................................. 718
52. Harald Wenzel, Der interaktionistische Ansatz (The interactionist ap-
proach. Le point de vue interactionniste) .................................................... 732
53. Wolfgang Kuhlmann, Die transzendentalpragmatische Position (The
position of transcendental pragmatism. Le point de vue du pragmatisme
transcendantal) ............................................................................................ 746
54. Hans Julius Schneider, Die sprachlichen Annahmen der Sprechakttheo-
rie (The philosophy of language underlying speech act theory. La philo-
sophie implicite du langage dans la théorie des actes de parole) ............... 761
55. Helmut Schnelle, Die sprachphilosophischen Annahmen der formalen
Semantik (The philosophy of language underlying formal semantics. La
philosophie implicite du langage dans la sémantique formelle) .................. 775
56. Johannes Schw italla, Die sprachphilosophischen Annahmen der Sprach-
soziologie und der Soziolinguistik (The philosophy of language under-
lying sociology of language and sociolinguistics. La philosophie implicite
du langage dans la sociologie du langage et dans la socio-linguistique) .... 785
57. Jan Sleutels, Philosophical foundations of psychology of language and
of psycholinguistics (Die philosophischen Grundlagen der Sprachpsycho-
logie und der Psycholinguistik. Fondements philosophiques de la psycho-
logie du langage et de la psycho-linguistique) ............................................. 797
58. Hans Glinz, Die philosophischen Grundlagen der Sprachinhaltsfor-
schung (Philosophical foundations of content analysis. Fondements phi-
losophiques de l’analyse du contenu) .......................................................... 810
59. Henri Lauener, Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen
Philosophie (Formal languages in analytic philosophy. Les langages for-
mels en philosophie analytique) .................................................................. 825
XXXII Inhalt/Contents/Table des matières

60. Eike von Savigny/Oliver Scholz, Das Normalsprachenprogramm in der


Analytischen Philosophie (Ordinary language in analytic philosophy. Le
langage ordinaire en philosophie analytique) ............................................. 859

2. Halbband (Überblick über den vorgesehenen Inhalt)


Volume 2 (Overview of Contents)
Tome 2 (Articles prévus)

IV. Kontroversen
Disputes
Controverses
61. Paul Gochet, La querelle des universaux (Der Universalienstreit. For
and against universals)
62. Bimal K. Matilal/Jürgen Mittelstraß, Are w ord and things connected
by nature or by convention?/Der ϕύσει-θέσει-Streit (Les rapports entre
langage et monde sont-ils naturels ou conventionnels?)
63. Bimal K. Matilal, The dispute on the primacy of word or sentence (Der
Streit um den Primat von Wort oder Satz. La controverse sur la primauté
du mot ou de la phrase)
64. Vivian Salmon, The universal language problem (Der Streit um eine
Universalsprache. Le problème de la langue universelle)
65. Gordon Hew es, Disputes on the origin of language (Der Streit um den
Sprachursprung. La controverse sur l’origine du langage)
66. Maurice Olender, La controverse aryanosémitique au sein de la lingui-
stique moderne (Der arisch-semitische Streit zu Beginn der modernen
Sprachwissenschaft. The Aryan-Semitic dispute at the beginning of
modern
linguistics)
67. Konrad Ehlich, Sprache als System versus Sprache als Handlung (Lan-
guage as system versus language as action. Le langage comme système et
le langage comme action)
68. Georg Meggle/Geo Sigw art, Der Streit um Bedeutungstheorien (Dis-
putes about theories of meaning. La controverse sur les théories de la
signification)
69. Pirmin Stekeler-Weithofer, Der Streit um Wahrheitstheorien (Disputes
about theories of truth. La controverse sur les théories de la vérité)
70. Simon Blackburn, The dispute on the primacy of the notion of truth in
the philosophy of language (Der Streit um den Primat von Wahrheit in
der Sprachphilosophie. La controverse sur la primauté de la notion de
vérité dans la philosophie du langage)
71. Marcelo Dascal, The dispute on the primacy of thinking or speaking
(Der Streit um den Primat von Denken oder Sprechen. Penser et parler:
à qui la primauté?)
Inhalt/Contents/Table des matières XXXIII

72. Stephen P. Stich, The dispute over innate ideas (Der Streit um die
eingeborenen Ideen. La controverse sur les idées innées)
73. Jay F. Rosenberg, The dispute on the indeterminacy of translation (Der
Streit um die Unbestimmtheit von Übersetzung. La controverse sur l’in-
détermination de la traduction)
74. William Berriman, Pro and contra linguistic relativism (Für und wider
einen linguistischen Relativismus. Le pour et le contre du relativisme
linguistique)
75. Neil Tennant, One or many logics? Arguments relevant to the philosophy
of language (Sprachphilosophische Argumente im Streit um eine Logik
oder viele Logiken. Une ou plusieurs logiques? Les arguments pertinents
pour la philosophie du langage)
76. Peter M. Simons, Mereology and set theory as competing methodolo-
gical tools w ithin philosophy of language (Mereologie und Mengenlehre
als konkurrierende sprachphilosophische Werkzeuge. La méréologie et la
théorie des ensembles en tant qu’outils méthodologiques concurrent en
philosophie du langage)

V. Begriffe
Concepts
Concepts
77. Kuno Lorenz, Artikulation und Prädikation (Articulation and predica-
tion. Articulation et prédication)
78. Nathan U. Salmon, Reference: names, descriptions and variables (Re-
ferenz durch Namen und Kennzeichnungen; Variable. La référence: noms,
descriptions et variables)
79. Wolfgang Künne/Ernest Sosa, Deixis und Selbstbezug/Deixis and self-
reference (Deixis et autoréférence)
80. Wolfgang Lenzen, Propositionale Einstellung (Propositional attitude.
Attitude propositionelle)
81. Michael Dummett, Sense and reference (Sinn und Bedeutung. Sens et
référence)
82. Joëlle Proust, Abstraction et concrétisation (Abstraktion und Konkretion.
Abstraction and concretion)
83. Stew art Candlish, Identity and individuation (Identität und Individua-
tion. Identité et individuation)
84. Sanford Shieh, A survey of semantic relations (Eine Übersicht über
semantische Relationen. Rélations sémantiques: vue d’ensemble)
85. Wim de Pater, Analogy (Analogie. Analogie)
86. How ard Callaw ay, Synonymy and analyticity (Synonymie und Analy-
tizität. Synonymie et analyticité)
87. Gottfried Gabriel, Äußerung — Satz — Aussage — Urteil (Utterance
— sentence — proposition — judgment. Énonciation — énoncé — pro-
position — jugement)
88. Jaakko Hintikka, Possible w orlds — possible individuals (Mögliche
Welten — mögliche Individuen. Mondes possibles — individus possibles)
XXXIV Inhalt/Contents/Table des matières

89. Ernst Adams/Ruth Manor, Conditionals (Konditional. Les condition-


nelles)
90. Jerzy Pelc, ‘Symptom’ und ‘Symbol’ in der Sprache (‘Symptom’ and
‘symbol’ in language. ‘Symptom’ et ‘symbole’ dans le langage)
91. Umberto Eco, Metaphor (Metapher. Métaphore)
92. Dorothea Franck, Kontext und Kotext (Context and cotext. Contexte
et cotexte)
93. John R. Searle, Intentionality (Intentionalität. Intentionnalité)
94. Georg Meggle, Kommunikation und Verstehen (Communication and
understanding. Communication et compréhension)
95. Daniel Vanderveken, Illocutionary force (Illokution. Force illocutoire)
96. Marcelo Dascal/Jaakko Hintikka/Kuno Lorenz, Jeux dans le langage/
Games in language/Spiel in der Sprache
97. Michael Astroh, Präsupposition und Implikatur (Presupposition and
implicature. Présupposition et implicitation)
98. Ingemund Gullvåg/Arne Naess, Vagueness and ambiguity (Vagheit und
Ambiguität. Le vague et l’ambigu)

VI. Sprachphilosophische Aspekte in anderen Bereichen


Aspects of philosophy of language in other fields
Aspects de la philosophie du langage dans d’autres
domaines
99. Felix Mühlhölzer, Sprachphilosophie in der Wissenschaftstheorie (Phi-
losophy of language in philosophy of science. La philosophie du langage
dans la philosophie des sciences)
100. Gilles Granger, La philosophie du langage dans les sciences exactes
(Sprachphilosophie in den exakten Wissenschaften. Philosophy of lang-
uage in the exact sciences)
101. Hans G. Zilian, Sprachphilosophie in den Gesellschaftsw issenschaften
(Philosophy of language in the social sciences. La philosophie du langage
dans les sciences sociales)
102. Werner Kraw ietz, Sprachphilosophie in der Jurisprudenz (Philosophy
of language in law. La philosophie du langage dans les sciences juridiques)
103. Wim de Pater, Philosophy of language in theology (Sprachphilosophie
in der Theologie. La philosophie du langage en théologie)
104. Richard M. Hare, Philosophy of language in ethics (Sprachphilosophie
in der Ethik. La philosophie du langage en éthique)
105. Dietfried Gerhardus, Sprachphilosophie in der Ästhetik (Philosophy of
language in aesthetics. La philosophie du langage dans l’esthétique)
106. Harald Fricke, Sprachphilosophie in der Literaturw issenschaft (Philo-
sophy of language in the theory of literature. La philosophie du langage
dans la théorie littéraire)
107. Lutz Danneberg, Sprachphilosophie in der Literatur (Philosophy of
language in fiction and poetry. La philosophie du langage dans la litté-
rature)
108. Dietfried Gerhardus, Sprachphilosophie in den nichtw ortsprachlichen
Künsten (Philosophy of language in non-verbal arts. La philosophie du
langage dans les arts non-verbaux)
Inhalt/Contents/Table des matières XXXV

109. Alfred Lorenzer/Michael Wetzel, Sprachphilosophie in der Psychoana-


lyse (Philosophy of language in psychoanalysis. La philosophie du langage
dans la psychanalyse)
110. Joseph Margolis, Philosophy of language and psychology (Sprachphi-
losophie und Psychologie. Philosophie du langage et psychologie)
111. Wojciech Buszkow ski, Philosophy of language and logic (Sprachphilo-
sophie und Logik. Philosophie du langage et logique)
112. Michael Astroh, Sprachphilosophie und Rhetorik (Philosophy of lan-
guage and rhetoric. Philosophie du langage et rhétorique)
113. Alice ter Meulen, Philosophy of language and linguistics (Sprachphi-
losophie und Linguistik. Philosophie du langage et linguistique)
114. Roland Posner, Sprachphilosophie und Semiotik (Philosophie of lan-
guage and semiotics. Philosophie du langage et sémiotique)
115. Gerhardt Fritz, Sprachphilosophie und Kommunikationstheorie (Phi-
losophy of language and communication theory. Philosophie du langage
et théorie de la communication)
116. Harvey Sarles, Philosophy of language and ethology (Sprachphilosophie
und Verhaltensforschung. Philosophie du langage et éthologie)
117. Yorick Wilks, Philosophy of language and artificial intelligence (Sprach-
philosophie und künstliche Intelligenz. Philosophie du langage et intelli-
gence artificielle)
118. Zeno Vendler, Philosophy of language and linguistic philosophy
(Sprachphilosophie und linguistische Philosophie. Philosophie du langage
et philosophie linguistique)
119. Jonathan Cohen, Philosophy of language and ontology (Sprachphilo-
sophie und Ontologie. Philosophie du langage et ontologie)
120. Friedrich Kambartel/Pirmin Stekeler-Weithofer, Sprachphilosophie und
die Methode der Sprachanalyse (Philosophy of language and the method
of logico-linguistic analysis. La philosophie du langage et la méthode de
l’analyse logico-linguistique)

Bibliographischer Anhang und Register


Bibliographic appendix and indexes
Annexe bibliographique et index
Verzeichnis der Beiträger/List of contributors/Liste des auteurs
Sigla/Sigla/Sigles
Publikationen/Publications/Ouvrages
Personenregister/Index of persons/Index nominum
Sachregister/Index of subjects/Index rerum
1

I. Raum-zeitliche Übersichten
Spatio-temporal surveys
Aperçus-spatio-temporels

1. Sprachphilosophische Anfänge

1. Vom Mythos zum Logos. Rationalität und nisse anderer Kulturen und Traditionen seien
Sprache hier ausgeklammert) ist eng mit einer be-
2. Vor- und Frühgeschichte der Sprachreflexion stimmten Vorstellung von Sprachverwendung
3. Die ionische Naturphilosophie und Sprachreflexion verbunden. Demgegen-
4. Der Pythagoreismus über wird der Mythos als Paradigma der
5. Der Heraklitismus Nicht-Rationalität angesehen: Der Weg des
6. Der Eleatismus Fortschritts der (beziehungsweise) zur Ver-
7. Die jüngere Naturphilosophie nunft ist die Entwicklung „vom Mythos zum
8. Der Atomismus Logos“ (Nestle 1942 ; Snell 1955). Der Unter-
9. Die Sophistik schied von Mythos und Logos läßt sich —
10. Schlußbemerkung stark vereinfacht — an folgenden sprachli-
11. Literatur in Auswahl chen Charakteristika verdeutlichen (cf. Gat-
zemeier 1976, 7 f):
(1) Die Sprache des Mythos ist, sprach-
1. Vom Mythos zum Logos. philosophisch betrachtet, undifferenziert:
Rationalität und Sprache durchgängig narrativ konzipiert, unterschei-
Die Sprachphilosophie ist, wie andere Errun- det sie nicht zwischen Erzählung und Begrün-
genschaften des menschlichen Geistes auch, dung, zwischen historischen und systemati-
nicht plötzlich als vollständige Theorie ent- schen Darstellungen. Die Sprache der entwik-
standen. Bevor der Status einer Theorie er- kelten Vernunft und damit der Philosophie
reicht wurde, gab es sporadisch einzelne Re- dagegen differenziert, bemüht sich um syste-
flexionen über Sprache, und vor diesen expli- matisch geordnete, vollständige und wider-
ziten Reflexionen lassen sich vereinzelt Be- spruchsfreie Gedankenreihen, verwendet
sonderheiten im faktischen Sprachgebrauch durchgängig die ›apophantische‹ (Aristoteles,
ausmachen, die als Vorstufe zu theoretischen De int. 5, 17 a 9—26), die in ein Begründungs-
verfahren eingebettete behauptend-argumen-
Überlegungen angesehen werden können. Die tierende Rede.
folgende Erörterung der ›sprachphilosophi- (2 ) Der Mythos bedient sich der uneigent-
schen Anfänge‹ wird daher insbesondere auch lichen und fingierenden Sprache der Bilder,
die Vorstufen der Theorieentwicklung zu be- Metaphern und Symbole; die philosophische
rücksichtigen haben. — Philologische und hi- und wissenschaftliche Rationalität dagegen
storische Probleme (z. B. der Textkritik, der verzichtet bewußt auf ein derartiges Sprach-
Echtheit und der Datierung) werden, da sie verhalten und achtet streng auf überprüfbare
den Rahmen dieser Darstellung sprengen Referenz und Prädikation.
würden, in der Regel nicht behandelt. (3) Methodenreflexion und Methodenkri-
tik, wesentliche Elemente der Rationalität,
1.1.  Die bewußte Verwendung sprachlicher finden im mythischen Denken nicht statt.
Ausdrucks- und Darstellungsmöglichkeiten,
insbesondere die Reflexion auf Sprache (wie 1.2.  Diese an sprachphilosophischen Unter-
man ‘Sprachphilosophie’ sehr allgemein be- scheidungen und methodischen Grundannah-
stimmen könnte) gilt in der Regel als Beginn men orientierte Grob-Klassifikation mag
der Rationalität. Der Rationalitätsbegriff durchaus plausibel, zutreffend und anwend-
(›westlicher‹ Prägung; Rationalitätsverständ- bar sein; sie greift aber zu kurz, denn sie
2 I. Raum-zeitliche Übersichten

verurteilt den Mythos voreilig zur völligen Odysseus und Palamedes, den mythischen
Arationalität und blendet die auch schon im ›Erfindern‹ und Prototypen der Rhetorik. Der
Mythos vorhandenen Rationalitätsmomente ›listenreiche‹ Odysseus stellt seine ›Kunstfer-
systematisch aus. Auch der Mythos besitzt tigkeit‹ (τέχνη) unter anderem als schlagfer-
und repräsentiert Rationalität — wenn auch tiger Redner unter Beweis (vor allem in der
in einer sprachlichen Form, die den üblichen Ilias); sein Widersacher, der große Erfinder
Rationalitätskriterien des entwickelten Logos Palamedes — an dem Odysseus unrühmliche
nicht gerecht wird. Zumindest in seinen fort- Rache nimmt, was Homer allerdings ver-
geschrittenen Repräsentationen dient der My- schweigt (cf. Aristoteles, De poet. 8, 1451 a
thos immer auch der Legitimation und enthält 2 3—2 9) —, der die Buchstabenschrift erfun-
in seiner (gewiß gruppenspezifisch einge- den beziehungsweise erweitert haben soll (cf.
schränkten) Allgemeinheit, Konsistenz und Hyginus, Fabeln 2 77; Tacitus, Annalen 11, 14),
Verfügbarkeit für jedermann wichtige Ele- gilt noch in der klassischen griechischen Zeit
mente einer Begründungsrationalität (cf. Ros als Prototyp der Sprachgewandtheit. Gorgias
1989, 30—34). Dies gilt nicht nur für die von Leontinoi (ca. 480—380) (B 11 a; VS II,
Mythen der europäischen Kulturtradition. So 2 94—303) nimmt ihn als ›Titelfigur‹ für seine
hat Edward E. Evans-Pritchard (1978, 2 16; Musterrede ‘Apologie des Palamedes’, und
cf. Fretlöh 1989, 37—55) in den Mythen der Platon (42 7—347) (s. Art. 14) nennt Zenon,
Zande-Kultur (Zentralafrika) ein hohes Maß um ihn als Meister der Redekunst (λόγων
an logischer Verknüpfung und Konsistenz so- τέχνη) zu charakterisieren, „den eleatischen
wie empirisch überprüfbarem Realitätsgehalt Palamedes“ (Phaidros 261 d 6).
festgestellt; ähnliches läßt sich auch für die
griechische Philosophie konstatieren (cf. 2.2. Die vorphilosophischen Denker
2 .2 .1.). — Allgemein kann festgehalten wer-
den, daß der Mythos wenigstens in seiner Unter der Bezeichnung ‘vorphilosophische
Orientierungs-, Deutungs- (explanatori- Denker’ werden die philosophisch relevanten
schen), Begründungs- (aitiologischen) und Autoren vor Thales zusammengefaßt (VS
handlungsnormierenden Funktion (cf. Gat- Nr. 1—10; VS I, 1—66). Hauptthema ihrer
zemeier 1976, 7 f) stets auch wichtige Ratio- teils in Versen, teils in Prosa abgefaßten
nalitätselemente und -ansprüche enthält, die Schriften ist die Weltentstehung (Kosmogo-
nicht in den Blick kommen, wenn man den nie, Astronomie). Damit stehen sie einerseits
Unterschied von Mythos und Logos einseitig in der Tradition der alten Mythen, anderer-
an der Rationalität einer bestimmten Sprach- seits antizipieren sie zugleich die wichtigsten
praxis festmacht. — Eine Erörterung der Themen der frühen Naturphilosophen. Ins-
›sprachphilosophischen Anfänge‹ hat also besondere in den sprachlichen Besonderheiten
auch die nicht der heute gültigen Norm ratio- dieser Texte wird der Übergang vom mythi-
naler Sprache entsprechenden sprachlichen schen zum philosophisch-rationalen Denken
Aspekte des Mythos zu berücksichtigen. — und Argumentieren deutlich (cf. Schadewaldt
Insbesondere bei der Erörterung der ›Vor- 1978, 122—161).
und Frühgeschichte der Sprachreflexion‹ (cf.
2 .) wird es also weniger um Sprachphiloso- 2.2.1. Die ›Heiligen Reden‹ der Orphiker
phie im engeren Sinne, als vielmehr um den Als Orphiker bezeichnet man eine Gruppe
sprachphilosophisch interessanten und rele- von Autoren poetischer, mystisch-religiöser
vanten Umgang mit der Sprache gehen. Schriften des 7. und 8. Jahrhunderts v. u. Z.
Sie werden nach dem mythischen Sänger Or-
pheus benannt; ihre Historizität im einzelnen
2. Vor- und Frühgeschichte der ist umstritten. — Die unter dem Titel ‘Heilige
Sprachreflexion Reden’ überlieferten Schriften (Orpheus
B 12 —15; VS I, 10—13) gelten als ältestes
2.1. Vorbemerkung: Odysseus und Werk des Orphismus; ihr Inhalt ist die Kos-
Palamedes mogonie und Theogonie: Chronos erzeugt Ai-
Auch wenn nicht von einer bewußten Refle- ther (den Himmel) und Chasma (den ›finste-
xion auf Sprache die Rede sein kann, so lassen ren Schlund‹); aus dem Aither bildet sich ein
sich doch schon in der vorphilosophischen silbernes Ei, das den zweigeschlechtlichen
Zeit einige Zeugnisse für die Bedeutung be- Phanes enthält, der seinerseits Mond, Erde
sonderer Sprachkompetenz ausmachen, und und Gestirne erschafft und mit seiner Tochter
zwar vor allem in den Homerischen Figuren Nyx das Geschwisterpaar Uranos und Gaia
erzeugt. Uranos wird von Kronos, dieser von
1.  Sprachphilosophische Anfänge 3

Zeus entmannt und entthront. Zeus ist dar- liche Leben Einheitlichkeit und Konsistenz
aufhin alleiniger Weltherrscher; seine Beisitzer des Rechtes (cf. 3.).
beim Gericht über die Welt sind Dike, No-
mos, Eusebeia und andere. Dies scheint — 2.2.2. Musaios
auf den ersten Blick — ein völlig traditioneller
Mythos zu sein: narrative Sprache (ohne Be- Ein weiteres, deutlicheres Beispiel für ein
gründungen), personifizierende und bildhaft Sprachverhalten, das in den Charakteristika
metaphorische Redeweise. Bei näherer Be- mythischer Rede eine empirisch überprüfbare
trachtung sind jedoch einige mythen-untypi- These formuliert, findet sich in der Astrono-
sche Elemente zu erkennen: Zunächst gibt die mie des Musaios, dessen Historizität aller-
Einführung neuer, der griechischen Mytho- dings umstritten ist. In traditioneller mythi-
logie bis dahin nicht bekannter Gottheiten scher Manier formuliert er: „Aither und
(Chronos, Aither, Chasma und Phanes) zu Okeanos hatten zwölf Töchter, von denen
denken, die der griechischen Götterwelt, die fünf als Hyadengestirn, sieben als Plejaden
mit Kronos beginnt, vorgeordnet werden. Der erscheinen“ (Musaios B 18; VS I, 2 6). Der
Grund hierfür ist, wie schon antike Kommen- Kontext läßt erkennen, daß Musaios mit die-
tatoren vermuten, daß die Orphiker eine strin- sem Mythos in die Diskussion um die Anzahl
gente, aus einem einheitlichen Ursprung de- der Hyaden eingreift. Im Unterschied zu an-
duzierbare Kosmogonie und Theogonie ent- deren, die nur zwei Hyaden annehmen,
werfen wollten. Das bei den Philosophen spä- spricht er sich für fünf Hyaden aus. In der
ter durchgängig zu beobachtende Anliegen, Sprache des Mythos bringt er naturwissen-
einen einheitlichen Ursprung oder Anfang schaftlich-empirische Sachverhalte zum Aus-
(ἀρχή) zu finden, aus dem die ganze Welt druck. Sollte die Musaios (A 4; VS I, 2 1)
erklärbar wird, begegnet in einer Vorstufe ebenfalls zugeschriebene Aussage, „daß alles
schon bei den Orphikern, und zwar im aus einem ›Urgrund‹ entstehe und sich in den-
sprachlichen Gewand des Mythos. Die per- selben hinein wieder auflöse“, echt sein (cf.
sonifizierende, bildhafte Sprache ist — ent- hierzu Capelle 1968, 44 Anm. 1), so hätten
gegen dem ersten Anschein — nicht-mytho- wir hier einen vorphilosophischen Beleg für
logisch zu verstehen. Auch in der Antike ist philosophisch-rationalistische Sprache. Ver-
dies schon so gesehen worden. Clemens Ale- mutlich handelt es sich jedoch um eine in die
xandrinus (ca. 140/150—2 16/2 17) (Orpheus Diktion des Quellenautors Diogenes Laërtios
B 2 2 ; VS I, 18 f) bietet folgenden rationalisti- (2 ./3. Jh. n. u. Z.) transponierte mythische
schen ›Übersetzungskatalog‹: Tränen des Aussage des Musaios von derselben Art, wie
Zeus = Regen; weißgewandete Moiren = wir sie oben kennengelernt haben.
Mondphasen; Gorgoantlitz = Mond; Aphro-
dite = Zeit der Aussaat, usw. Man kann noch 2.2.3. Pherekydes von Syros
einen Schritt weiter gehen und die oben ge- (7./6. Jahrhundert v. u. Z.)
nannten neuen Gottheiten als philosophische Seine Schrift Heptamychos (Siebenschlucht,
Prinzipien interpretieren, denn diese ›Got- siebenklüftiger Kosmos), das erste bekannte
theiten‹ weisen, wenn man ihre Funktion im Prosawerk in griechischer Sprache, ist bewußt
Detail untersucht, eine verblüffende Ähnlich- in einer uneigentlichen, metaphorischen und
keit mit den kosmologischen Prinzipien der allegorischen, mehrdeutigen Sprache abge-
späteren Philosophen auf. Chronos wird als faßt, deren ›eigentlicher‹ Sinn nur schwer zu
zeitloser (ungewordener und unvergängli- fassen ist (cf. Diels 1897); daher soll hier nicht
cher), einheitlicher, inhaltlich unbestimmter der Inhalt, sondern nur die sprachliche Eigen-
Urgrund der Welt verstanden — wie später art behandelt werden. Schon Aristoteles
bei Anaximander das Apeiron als Arche der (384—32 2 ) (s. Art. 15) und Damaskios (ca.
Welt. Daraus entstehen Aither und Chasma 458—533) (Pherekydes A 7—A 8) verstehen
(Licht und Dunkel) als erstes Gegensatzpaar unter den Götternamen im Werk des Phere-
— ähnlich wie z. B. die Gegensatzpaare kydes nicht mythische Wesen, sondern phi-
warm/kalt, feucht/trocken bei Anaximander, losophische Prinzipien, zum Beispiel: Chro-
die den Beginn der Weltentstehung ermögli- nos = ewiges Urprinzip der Welt (und der
chen. Nach der Etablierung allgemeiner Prin- Zeit); Zas und Chthonie = die Gegensatz-
zipien und Gegensatzpaare kann Phanes als prinzipien des Aktiven und Passiven sowie
Demiurg die Welt erzeugen — ähnlich wie der des Hellen und Dunklen; Eros = Eintracht;
Demiurg bei Platon im Timaios die Existenz usw. Aus diesen theoretischen Elementen wird
der Ideen voraussetzt. Zeus als oberstes die Entstehung der Welt erklärt, wie in den
Rechtsprinzip garantiert für das gesellschaft-
4 I. Raum-zeitliche Übersichten

›Heiligen Reden‹ der Orphiker (cf. 2 .2 .1.). — sche Deutung auf alle Bereiche der Erkennt-
Daß diese allegorische Deutung der Götter- nis, in Verbindung mit subtil entwickelten
namen durchaus legitim, nämlich im Sinne Etymologien; sie bietet den historischen Aus-
des Pherekydes ist, erhellt daraus, daß Phe- gangspunkt für die allegorische Bibelausle-
rekydes selbst den ›Realitätsbezug‹ seiner my- gung im Christentum und Judentum (s.
thischen Götternamen durch Etymologien Art. 2).
herstellt (besonders deutlich in B 1, = VS
I, 7).
3. Die ionische Naturphilosophie
2.2.4. Theagenes von Rhegion Mit der Entstehung der ionischen Naturphi-
(6. Jahrhundert v. u. Z.) losophie in Milet beginnt zugleich die Eta-
Im Unterschied zu den bisherigen Schriften, blierung der spezifisch abendländischen
die wir in Übereinstimmung mit antiken (›westlichen‹) Rationalität. Diese Rationalität
Autoren allegorisch deuteten, deutet Thea- ist intrinsisch an eine bestimmte Sprachpraxis
genes seinerseits die griechische Mythenerzäh- gebunden, und diese Sprachpraxis provo-
lung als Allegorie. Mit seinem Homerbuch, zierte alsbald auch die Reflexion über Spra-
das vermutlich den Titel ‘Über Homer’ trug che: die Sprachphilosophie. — Das äußerlich
(A 2 und A 4; VS I, 52 ), gilt er als Begründer am meisten auffallende Merkmal der Sprache
der allegorischen Homerinterpretation; zu- der Rationalität ist die Prosa: Die Sprache
gleich kann er als Begründer der allegorischen des Mythos (Homer, Hesiod u. a.) ist die in
Interpretationsmethode insgesamt sowie als Versen gebundene Dichtung — mit Aus-
Begründer der Texthermeneutik überhaupt nahme des Heptamychos des Pherekydes (cf.
angesehen werden. Die Götternamen Homers 2 .2 .3.) und der Genealogien des Akusilaos von
deutet er als Naturphänomene und -elemente Argos (5. Jh. v. u. Z.) (VS I, 52 —60). Die
(z. B. Apollon oder Helios = Feuer; Poseidon Sprache der Philosophie ist die Prosa — mit
= Wasser; Hera = Luft; Artemis = Mond) dem Lehrgedicht des Parmenides (cf. 6.2 .) als
bzw. als geistige Eigenschaften (z. B. Athene bekanntester Ausnahme —, deren Spezifika
= Einsicht; Ares = Unverstand; Hermes = zum Beispiel schon von Hekataios (cf. 3.2 .)
Vernunft); die feindlichen Begegnungen von bewußt eingesetzt werden.
Göttern und Titanen versteht er als Kampf
der Naturqualitäten, z. B. des Trockenen mit 3.1. Thales von Milet (ca. 625—547)
dem Feuchten, des Warmen mit dem Kalten Da von Thales keine Zeile im originalen
(A 2 ). — Den philosophischen Hintergrund Wortlaut erhalten ist, beruht die folgende
für diese Allegorese bildet die altionische Na- Darstellung auf Interpolationen und allge-
turphilosophie (Thales und Anaximander) meinen Deutungen aufgrund des Kontextes
mit ihrer Theorie der Gegensätze und der seiner Philosophie. Weniger seine berühmte
Annahme, daß man das Naturgeschehen als These vom Ursprung der Welt ‘Das Wasser
Kampf zwischen einander widerstreitenden ist der Ursprung von allem’ (B 12 ; VS I, 76 f),
Prinzipien und Kräften erklären könne. Der als vielmehr seine Aussagen über Naturphä-
praktische Hintergrund besteht darin, daß nomene und -ereignisse sind hier von Inter-
Theagenes mit seiner durchgängig rationali- esse: Sonne und Mond sind natürliche, na-
stischen, aufklärerischen Interpretation Ho- türlich erklärbare Gegenstände (A 17 a und
mer gegen die aufkommende rationalistische b; VS I, 78), nicht mehr verehrungswürdige
Kritik verteidigen und den Geltungsanspruch und zu fürchtende Gottheiten; sie sind bere-
der Epen retten wollte (cf. Gatzemeier 1985, chenbare Objekte (A 1, A 17, A 19; VS I, 68;
30—39; Wehrli 192 8). Die von Theagenes 78); Erdbeben und die Nilschwellen werden
erstmals theoretisch legitimierte und an Ho- auf natürliche Weise erklärt (A 15, A 16; VS
mer praktizierte Methode des allegorisieren- I, 78). Diese naturwissenschaftlichen Erklä-
den Umgangs mit Sprache war wirkungsge- rungsversuche setzen eine besondere Sprache
schichtlich von großer Bedeutung: Metrodor voraus: die Sprache des Begründens, die be-
von Lampsakos der Ältere erweitert sie um stimmte Zustände als Ursachen, andere als
die ›physiologische‹ Allegorese (cf. 3.3.); Anti- Folgen unterscheidet und diese theoretisch
sthenes (ca. 455—360) wendet sie auf Pro- miteinander verknüpft. Von ebenso großer
bleme der Ethik und der Rhetorik an; Palai- Bedeutung für die Entwicklung der Sprach-
phatos versucht, die Dichtung insgesamt philosophie sind die in Philosophiegeschich-
durch Allegorese vor rationalistischer Kritik ten in der Regel ausgeklammerten geometri-
zu schützen. Die Stoa überträgt die allegori- schen Sätze, die Thales zugeschrieben werden
1.  Sprachphilosophische Anfänge 5

(zum folgenden cf. Mittelstraß 1970, 18—32 ; 3.3. Metrodor von Lampsakos der Ältere
Mittelstraß 1974, 31—40). Der Beweis dieser (ca. 460—390)
Sätze impliziert, daß Thales die Objekte der
Geometrie (Kreis, Dreieck) als ideale Gegen- Metrodor, ebenfalls Anhänger der ionischen
stände konstituiert hat, die unabhängig von Naturphilosophie, führt im Gegensatz zu He-
mehr oder weniger gelingenden empirischen kataios (cf. 3.2 .) die von Theagenes (cf. 2 .2 .4.)
Realisierungen bestimmte Eigenschaften begründete Allegorese fort und erweitert sie
(z. B. die Winkelsumme) unverändert aufwei- (cf. VS II, 49 f). Er deutet die Namen der
sen. Erst durch die sprachliche Konstitution Homerischen Helden als Naturphänomene
derartiger idealer Gegenstände lassen sich die (z. B. Agamemnon = Äther; Achill = Sonne;
erfahrungsunabhängigen generellen Aussagen Helena = Erde; Paris = Luft; Hektor =
und Beweise der Geometrie formulieren. — Mond) und die Götternamen als Organe des
Platon hat später diese sprachtheoretische menschlichen Körpers (z. B. Demeter = Le-
Konstruktion seiner Ideenlehre zugrundege- ber; Diogenes = Milz; Apollon = Galle).
legt, um über den Bereich der Geometrie hin- Auf die sonst allgemein übliche etymologische
aus für alle Gegenstände der Erkenntnis er- Legitimation für die Allegorese verzichtet er.
fahrungsunabhängige generelle und damit Ein besonderes Motiv für die extrem unge-
dauerhaft gesicherte Aussagen (›absolute‹ wöhnliche ›physiologische‹ Allegorese der
Wahrheiten) ermöglichen zu können (Gatze- Götternamen ist nicht erkennbar (cf. Nestle
meier 1984). 1907).

3.2. Hekataios von Milet (ca. 560/550—480) 3.4. Diogenes von Apollonia (ca. 460—390)
Hekataios, vermutlich Schüler des Anaxime- Diogenes, neben Metrodor (cf. 3.3.) der letzte
nes (ca. 585—52 6), gilt neben Pherekydes (cf. Vertreter der ionischen Naturphilosophie und
2 .2 .3.) als bedeutendster Prosaautor der frü- ›Erfinder‹ des Theorems von der ›schönsten
hen griechischen Literatur. Darüber hinaus aller Welten‹ (B 3; VS II, 60), setzt die von
kann man ihn als Begründer der wissenschaft- Hekataios (cf. 3.2 .) begründete Reflexion auf
lichen Kritik ansehen. Mit seinen sprachlich- eine adäquate Wissenschaftssprache fort (cf.
stilistischen Neuerungen hat er die Entwick- Burkert 1968; Diller 1941; Zafiropulo 1956).
lung der wissenschaftlichen Darstellungsweise Auch er wählt bewußt die Ich-Form der Dar-
maßgeblich beeinflußt (Quellentexte bei Ja- stellung, plädiert für Klarheit und Angemes-
coby 1957, 1—47; Schadewaldt 1982 , 96— senheit der Sprache und postuliert die Un-
105). — In streng rationalistischer Weise kri- bezweifelbarkeit der Grundlagen: „Zu Beginn
tisiert Hekataios die allegorische Homerinter- jeder [wissenschaftlichen] Darstellung (λόγος)
pretation des Theagenes (cf. 2 .2 .4.), und an muß man, meine ich, eine unbestreitbare
den empirischen Begründungsverfahren des Grundlage (ἀρχή) angeben: die Ausdrucks-
Thales (cf. 3.1.) übt er methodische Kritik, weise aber muß einfach und ernst sein“ (B 1;
und zwar wegen immanenter Widersprüch- VS II, 59)
lichkeit, voreiliger Verallgemeinerung und
Einführung unüberprüfbarer Hypothesen.
Grundlage seiner Kritik ist die von ihm wei- 4. Der Pythagoreismus
terentwickelte Wissenschaftssprache. Er Bei den Pythagoreern lassen sich nur wenig
wählt bewußt die Ich-Form der Darstellung, sprachphilosophisch relevante Themen und
um seinen Wahrheitsanspruch, seine Begrün- Thesen ausmachen. Aëtios berichtet, Pytha-
dungspflicht und seine kritische Haltung ge- goras habe die Ansicht vertreten, auch die
genüber anderen Autoren unmißverständlich sogenannten unvernünftigen Lebewesen wie
zum Ausdruck zu bringen. Besonders deutlich Affen und Hunde besäßen Vernunft, aber im
tritt der neue wissenschaftliche Stil im Postu- Unterschied zum Menschen nicht die Fähig-
lat von der präzisen Textgliederung zutage, keit des mit der sprachlichen Artikulation ver-
kenntlich gemacht durch sprachliche Indika- bundenen Denkens. Geht man von der Echt-
toren wie ‘zuerst’, ‘dann’, ‘schließlich’, usw. heit dieses im Quellenwert und in der Datie-
(Fragment 1, Jacoby 1957); mit Hilfe dieser rung umstrittenen Hinweises aus, so besitzen
sprachlichen Zäsuren sorgt er für einen plan- wir hiermit den frühesten Beleg für die These,
mäßigen, Schritt für Schritt konstruierten und daß die Sprachfähigkeit das Spezifikum des
damit im einzelnen genau nachprüfbaren Auf- Menschen und das menschliche Denken not-
bau wissenschaftlicher Argumentation (cf. wendig an Sprache gebunden sei. — Dem
Fränkel 1960, 390—397; Krafft 1971, 141— pythagoreisierenden Musiktheoretiker Da-
148).
6 I. Raum-zeitliche Übersichten

mon, der Lehrer des Sokrates (470—399) ge- ›Masse‹. Diese ungewöhnlich scharfe Pole-
wesen sein soll (A 7; VS I, 382 ), wird eine mik, die kaum als wissenschaftliche Kritik
Theorie vom Wortklang und Wortrhythmus angesehen werden kann, wird in der Regel als
und ihren mimetischen Eigenschaften zuge- persönliche Charaktereigenart Heraklits in-
schrieben (cf. Koller 1954, 2 1—2 5; 12 5—142 ), terpretiert.
deren Spuren vermutlich in den Etymologien (2 ) Die auf den ersten Blick sprunghafte
Platons (Kratylos 391 ff) ihren Niederschlag Gedankenführung Herakliteischer Texte ver-
gefunden haben. — Der Arzt und Sinnesphy- leitete zu der Annahme, daß eine sprachlich
siologe Alkmaion von Kroton, der unmittel- und methodisch kontinuierliche Argumenta-
barer Schüler des Pythagoras gewesen sein tionsabfolge nicht auszumachen, j a nicht ein-
soll, vertritt die Auffassung, daß der Mensch mal vom Autor intendiert sei. Demgegenüber
geistige Gehalte nur über ›Zeichen‹ (τεκμή- hat Marcovich (1965, 2 69) aufgrund sorgfäl-
ρια), worunter er die empirischen Gegen- tiger Analysen der Herakliteischen Sprach-
stände der Sinneswahrnehmung versteht, er- praxis folgende Argumentationsschritte aus-
kennen, also lediglich erschließen könne. Nur gemacht: (a) Formulierung einer Ausgangs-
den Göttern, die auf den Umweg über diese behauptung mit kurzer Begründung; (b)
empirischen ›Zeichen‹ nicht angewiesen seien, Schlußfolgerung daraus; (c) praktische An-
sei eine direkte und unverstellte und somit wendung; (d) hypothetische Stützung, und
Gewißheit gewährende Erkenntnis möglich zwar durch den Nachweis der Unmöglichkeit
(B 1 und 1 a; VS I, 214 f; vgl. Röd 1976, 72 f). des Gegenteils, z. B.: Wenn A (= Gegenpo-
›Zeichentheoretisch‹ kann auch die für den sition zu Heraklits Ausgangsbehauptung)
Pythagoreismus insgesamt kennzeichnende wahr wäre, dann müßte B der Fall sein, was
Auffassung verstanden werden, nach der geo- aber unmöglich ist. Nach dieser Rekonstruk-
metrische Gebilde und Zahlen beziehungs- tion hat Heraklit die wissenschaftliche Me-
weise Zahlenrelationen, und damit nicht- thode um den indirekten Beweis e contrario
sprachliche Ausdrücke, Begriffe, also das (i. e. reductio ad absurdum) erweitert (cf. 6.3.).
›Wesen‹ einer Sache repräsentieren. Im Kon- (3) Der Schwerpunkt der Forschung ist
text dieser Tradition steht das Diktum des den stilistischen Besonderheiten der Sprache
Pythagorasschülers Lysis (A 4; VS I, 42 1), Heraklits gewidmet (cf. vor allem Snell 192 6).
daß die Zahl, die das Wesen Gottes definiert, Im einzelnen lassen sich folgende sprachphi-
unaussprechbar sei. — Als typisch pythago- losophisch relevante Eigenheiten ausmachen.
reische Variante der Allegorie kann man den (a) Als allgemeines Stilmerkmal wird immer
Versuch des Philolaos von Kroton (ca. wieder hervorgehoben, die Sprache Heraklits
470—390) ansehen, Götter- und Heroenna- sei mythisch, archaisch, esoterisch, herme-
men als Zahlen beziehungsweise als Winkel- tisch, elitär, monologisch und nicht selten
größen im Dreieck, im Quadrat, usw., zu deu- mehrdeutig. Als Grund hierfür werden in der
ten (A 13, A 14; VS I, 400 ff). Regel seine Herkunft aus altem Königs- be-
ziehungsweise Priestergeschlecht oder psychi-
sche Abnormität (Theophrast diagnostiziert
5. Der Heraklitismus ›Schwarzgalligkeit‹, i. e. ›Melancholie‹; Dio-
genes Laërtios Vitae philosophorum IX, 6) ge-
5.1. Heraklit von Ephesos (ca. 550/ nannt. Neben solchen subjektiv-psychologi-
530—480) schen Motiven waren es aber wahrscheinlich
vor allem philosophische Gründe, die einen
Die aphoristisch-sentenzenhafte Sprache derartig abnormen Sprachstil notwendig er-
Heraklits, die ihm schon in der Antike den scheinen ließen. Die grundsätzliche Ableh-
Beinamen ‘der Dunkle’ einbrachte (A 1; VS nung aller bisherigen Philosophie erforderte
I, 141), ist bis in die jüngste Zeit Gegenstand eine grundlegend andersgeartete Sprache. (b)
zahlreicher Untersuchungen gewesen (cf. z. B. Eine charakteristische Besonderheit ist die
Snell 192 6; Diller 1942 ; Fränkel 1960, antithetische und asyndetische, nicht durch
2 37—2 83; Reinhardt 1968; Heidegger 1979, Konjunktionen verbindende, Wortfolge; dies
2 8—43; Schadewald 1978, 351—433; Coseriu aus der Orakelsprache übernommene Stil-
1970, 19—2 6). Dabei sind hauptsächlich fol- merkmal hat Heraklit offensichtlich bewußt
gende Aspekte diskutiert worden: eingesetzt, um die philosophische Bedeutung
(1) Die durchgängig heftige und derbe Kri- seiner Gegensatzlehre zum Ausdruck zu brin-
tik an Andersdenkenden, an Philosophen, gen (cf. B 12 6; VS I, 179). (c) Die ›Flußlehre‹,
Dichtern, Ärzten, den Zeitgenossen in Ephe- das Kernstück der Philosophie Heraklits, fin-
sos wie überhaupt an der Dummheit der
1.  Sprachphilosophische Anfänge 7

det ihren sprachlichen Niederschlag einerseits 159; 161).


darin, daß zur Darstellung des Bewegungs- Heraklits Sprache dient vor allem der Prä-
charakters der Dinge nicht Substantive (wie zision der Darstellung und dem Anliegen, der
‘Bewegung’, ‘Umwandlung’), sondern Ver- spezifischen Art seiner Philosophie einen an-
balformen (wie ‘sich wandeln’) gewählt wer- gemessenen Ausdruck zu geben. Die später
den; andererseits vermeidet Heraklit Aus- (cf. Platons Kratylos) intensiv diskutierte Pro-
drücke, die auf eine Festlegung und Isolierung blematik der ›Richtigkeit der Benennungen
von Gegenständen hindeuten. Konstante Re- (ὀρθότης ὀνομάτων) ist erstmals von Heraklit
ferenzobjekte gibt es nach Heraklit nicht, thematisiert worden. Die berühmt-berüchigte
ebensowenig wie eine dauerhafte Prädikation: ›Dunkelheit‹ seiner Sprache ist durch die dem
„Es ist nicht möglich, zweimal in denselben Normalverständnis weitgehend verschlossene
Fluß zu steigen“; „Den in dieselben Flüsse Besonderheit seiner Philosophie bedingt. Was
Steigenden fließt anderes und anderes Wasser er über die Orakelsprache Apolls sagt, ist
hinzu“ (B 91 und B 12 ; VS I, 171; 154). Das auch auf seine eigene Sprache anwendbar:
Einzelne, das Vereinzelte (ἴδιον) bietet nach „Der Gott, dem das Orakel zu Delphi zu eigen
Heraklit keine Erkenntnis. Dies anzunehmen ist, sagt nichts, verbirgt nichts, sondern be-
ist der Grundirrtum der bisherigen Philoso- deutet (σημαίνει)“ (B 93; VS I, 172 ), d. h. er
phie, die deswegen scharfe Kritik erfährt. Dies gibt Hinweise, Zeichen, die gedeutet werden
leistet nur das Umfassende, das Gemeinsame müssen. Ein deutliches Indiz dafür, daß er der
(ξυνόν, B 114; VS I, 176). (d) Heraklit ver- Sprache allgemein eine große erkenntnistheo-
sucht, die in der Philosophie inzwischen eta- retische Bedeutung beimißt, ist — neben den
blierte objektivierende Wissenschaftssprache erwähnten Details der sprachlichen Gestal-
des distanzierten Beobachtens rückgängig zu tung im einzelnen — die zentrale Stellung des
machen und die Prozeßhaftigkeit allen Seins Wortes ‘Logos’ im philosophischen System
aus der Sicht der sich verändernden Dinge Heraklits, übersetzbar zum Beispiel als ‘Welt-
heraus zu formulieren. Um die Unmittelbar- gesetz’, ‘Vernunft’, ‘vernünftige Rede’, usw.
keit der Wahrnehmung angemessen zum Aus-
druck zu bringen, ist er bemüht, die sprachlich 5.2. Die Herakliteer
vorgegebene Subjekt-Objekt-Trennung auf-
zuheben. Kausalausdrücke dienen ihm nicht Die Herakliteer ziehen aus dem Haupttheo-
zur Bezeichnung distanziert-objektivistischer rem Heraklits, daß alles in ständiger Bewe-
Ursache-Wirkungs-Relationen; sie bringen gung sei, mit Heraklit die sprachphilosophi-
vielmehr eine Grund-Folge-Beziehung der sche Konsequenz, daß dieselbe Prädikation
sich aus sich heraus wandelnden Dinge zum sowohl wahr wie auch falsch sei, und be-
Ausdruck. (e) Den bestimmten Artikel ver- haupten über Heraklit hinaus, daß es deshalb
wendet Heraklit oft in seiner ursprünglichen keine ›Lüge‹, Unwahrheit oder Falschheit
Funktion als Demonstrativum. Methodisch (λόγος ψευδής) geben könne. — Dem Phi-
gesehen handelt es sich hier um den Übergang losophen Kratylos (5. Jahrhundert), der Schü-
von der Prädikation zur Kennzeichnung eines ler Heraklits und Lehrer Platons gewesen sein
bestimmten Gegenstandes. Daneben dient der soll, schreibt Platon (Kratylos 42 9 ff; 383 ff)
bestimmte Artikel der Verallgemeinerung und die These von der natürlichen Richtigkeit der
der Abstraktion, und zwar zu dem Zweck, sprachlichen Ausdrücke zu, nach der der Un-
das Wesen einer Sache zu bezeichnen, z. B. terschied zwischen wahrer und falscher Be-
„Der Gott ist Tag, Nacht, Winter, Sommer nennung entfällt und durch den von Be-
[...]“ (B 67; VS I, 165), d. h. „Das Wesen nennung (›richtig‹) und Nicht-Benennung
Gottes ist Tag, Nacht [...]“. (f) Die auffallend (›falsch‹) ersetzt wird (s. Art. 14). Ob die in
häufigen Substantivierungen haben ebenfalls Platons Kratylos aufgeführten Etymologien
die Funktion der Verallgemeinerung und der und die These von der natürlichen Bedeutung
Konstruktion abstrakter Gegenstände. Bei von Wortelementen, Silben und Buchstaben
Verben beziehen sie sich nur auf den Bereich auf Kratylos oder andere Herakliteer zurück-
des Denkens (z. B. ›das Erkennen‹), bei Ad- gehen, ist ungewiß (cf. 8.1.). — Nach Aristo-
jektiven nur auf den Bereich der Wahrneh- teles (M etaphys. III 5, 1010 a 7—15 = Kratyl.
mung: Wahrnehmungen werden so aus der Fragment A 4) soll Kratylos die Aussage
Individualität der Einzeleindrücke herausge- Heraklits (B 91), man könne nicht zweimal in
hoben und damit theoriefähig. (g) Eher tra- denselben Fluß steigen, ergänzt haben durch
ditionell ist die legitimierende Verwendung ‘auch nicht einmal’; er habe einen konsequen-
von Etymologien (z. B. B 32 und B 48; VS I, ten Skeptizismus vertreten, der alle Aussagen
8 I. Raum-zeitliche Übersichten

beziehungsweise Prädikationen als falsch an- auch neben dem semantisch-logischen Aspekt
sehe, weshalb er sich schließlich entschlossen die ontologische Intention des Parmenides
habe, nichts mehr zu sagen, sondern nur noch hervorgehoben wurde (Tugendhat 1970,
mit dem Finger Zeichen zu geben. 134—146; Detel 1982; Heidegger 1992).

6.2.1. Logik und Semantik der Seinslehre


6. Der Eleatismus
Parmenides präsentiert seine Philosophie in
6.1. Xenophanes von Kolophon (ca. Form eines in Hexametern abgefaßten Lehr-
580—478) gedichtes (geschrieben ca. 480 v. u. Z.). In
Übereinstimmung mit der Tradition dieser li-
Xenophanes, der Anaximander (ca. 611— terarischen Form beginnt er mit einem my-
547) gehört und Lehrer des Parmenides ge- thischen Proömium, einer Reise zur ›Göttin‹,
wesen sein soll (A 2 ; VS I, 2 14), bildet die deren Verhältnis zur explizit genannten Dike,
Brücke zwischen der ionischen Naturphilo- der Göttin des Rechts, unklar bleibt (B 1 und
sophie (cf. 3.1.) und dem Eleatismus, dessen B 8; VS I, 2 2 8 ff; 2 35 ff). Aber Parmenides
Einheitslehre er vorbereitet beziehungsweise versteht sich nicht als göttlich inspirierter My-
im Kern vorwegnimmt (A 33, 35 und 36; VS ste, denn er läßt durch die Göttin die Auffor-
I, 12 2 ff). In der poetischen Sprache des Lehr- derung an sich ergehen, ihre Ausführungen
gedichts übt er rationalistische Kritik an Ho- ›mit Vernunft‹ (λόγωι, B 7,5; VS I, 2 35) zu
mer und Hesiod (um 700 v. u. Z.), an anthro- prüfen. Folgende drei ›Wege der Untersu-
pomorphen Göttervorstellungen und an der chung‹ (B 2 ,2 ; VS I, 2 31) hält Parmenides
Athletenverehrung seiner Zeit (B 1, 2 , 11—16; theoretisch für möglich (B 2 —B 8, 49; VS I,
VS I, 122 6—133).
2 Seine Naturerklärungen las- 31— 39):
sen deutlich Bezüge zum Rationalismus der (a) „Es ist, und das nicht-Sein ist nicht.“
Milesier erkennen (z. B. A 40—A 45; VS I, (b) „Es ist nicht.“
12 4 f). Gegen die Übermacht von Tradition (c) „Sein und nicht-Sein sind dasselbe und
und Konvention (νόμος) setzt er das eigen- nicht dasselbe.“
ständige Denken, dessen Leistungsfähigkeit
er allerdings skeptisch beurteilt, und zwar of- Der zweite ›Weg‹ wird ausgeschlossen, weil,
fensichtlich auch im Blick auf die Defizienz was nicht ist, weder erkannt noch sprachlich
sprachlicher Repräsentation der Gedanken: repräsentiert werden kann; der dritte ›Weg‹
„Denn selbst wenn es einem in höchstem entfällt, weil diese Position in sich wider-
Maße gelingen würde, Vollendetes auszuspre- sprüchlich, d. h. semantisch unmöglich ist. Es
chen, so würde er gleichwohl nicht wissen“ bleibt also — die Vollständigkeit der Aufzäh-
(B 34; cf. B 35; VS I, 137). lung vorausgesetzt — nur der erste ›Weg‹ als
logisch und sprachphilosophisch korrekte
6.2. Parmenides von Elea (ca. 515—445) Möglichkeit übrig. Umstritten ist (Owen
1960; Furley 1967), ob mit dem ‘Es’ in der
Die statische Seinslehre des Parmenides bildet ersten und der zweiten Formulierung das Sein
das genaue Gegenstück zur dynamischen oder das Erkenntnisobjekt des Denkens ge-
›Flußlehre‹ Heraklits (cf. 5.1.). Bis hin zu Pla- meint ist. Für letzteres spricht die ›Identitäts-
ton kann die griechische Philosophiege- these‹ von Parmenides: „denn dasselbe ist
schichte im wesentlichen als eine Auseinan- Denken und Sein“ (B 3; VS I, 2 31). Allerdings
dersetzung zwischen den grundlegenden Al- ist diese ›Identitätsthese‹ mehrdeutig. Einer-
ternativen des Heraklitismus und des Eleatis- seits kann sie — mit dem konkreten Bezug
mus angesehen werden. Interessant und für auf die Möglichkeit der Existenz der Dinge
den hier zu erörternden Kontext von beson- — verstanden werden als (historisch erste)
derer Bedeutung ist die Tatsache, daß mit explizite Formulierung der logischen Identi-
Parmenides die Diskussion einen überwie- tät, andererseits — und dies dürfte die vor-
gend apriorischen Charakter annimmt. Par- rangige Intention des Parmenides gewesen
menides (und das gilt auch für seine Nach- sein — als Hinweis darauf, daß die Wirklich-
folger) begründet seine Position nicht empi- keit und die Aussage über sie nicht den Nor-
risch, sondern durch apriorische, d. h. logi- men und Gesetzen des Denkens, also der Lo-
sche und semantische Argumente. Dies ist von gik und der Semantik, widersprechen dürfe.
der Antike (z. B. von Platon und Aristoteles) Seinsordnung, Denkordnung und Sprachsy-
bis heute so gesehen worden, wenngleich stets stem müssen miteinander kompatibel sein.
1.  Sprachphilosophische Anfänge 9

6.2.2. Prädikation und Existenz — ἐστιν lichen festgesetzten Namen‹ eingeht, sind


und ἔστιν dunkel und in der Interpretation umstritten:
„Daher wird alles [bloßer] Name sein, was die
Auch der Nachweis der ›Qualitäten‹ des Sei- Sterblichen [durch ihre Sprache] festgesetzt
enden beruht auf semantischen Analysen, haben, überzeugt, es sei wahr: ‘Entstehen’ und
nicht auf empirischen Erkenntnissen. Die ‘Vergehen’, ‘Sein’ und auch ‘Nicht-Sein’ und
›Seinsqualitäten‹, z. B. ‘unentstanden’, ‘un- ‘Verändern des Ortes’ sowie ‘Wechsel der
vergänglich’ und ‘unbeweglich’, ergeben sich leuchtenden Farbe’“ (B 8, 38—41; VS I, 2 38).
eo ipso aus der Analyse der Begriffe ‘Werden’ „[...] und dafür [für das ›nach Schein‹ (κατὰ
und ‘Vergehen’. Da beide Begriffe die Exi- δόξαν) Entstandene] haben die Menschen
stenz von Nicht-Seiendem implizieren (das Namen festgesetzt, einen bezeichnenden für
Werdende entsteht aus Nicht-Seiendem, das ein jedes“ (B 19; VS I, 2 45). — Leonard
Vergehende vergeht in Nicht-Seiendes), muß Woodbury (1958, 149 f) bezieht die Namens-
das Seiende logischerweise unentstanden, un- festsetzung der Sterblichen im ersten Zitat
vergänglich und unbeweglich sein. Ähnlich (B 8, 38) auf das ›wahrhaft Seiende‹ und sieht
argumentiert Parmenides in bezug auf die hier infolgedessen keine Abwertung der
›Qualitäten‹ ‘Homogenität’, ‘Einheit’ und Funktionsfähigkeit der Sprache; es handele
‘Kontinuität’, die dem Seienden ebenfalls not- sich nicht um ›bloße‹ Namen, sondern um
wendigerweise zukommen müssen, weil ihre
Negation die Existenz von Nicht-Seiendem korrekte Bezeichnungen. Überzeugender er-
scheint jedoch folgende Deutung: In bezug
implizieren würde. — Platon (Sophistes 2 37 ff; auf das ›wahrhaft Seiende‹ sind alle eine Pro-
2 57 ff) und Aristoteles (Phys. I 8) haben diese zessualität ausdrückenden Bezeichnungen
Argumentation des Parmenides auf sprach- ›bloße‹ Namen; sie treffen nicht die Wahrheit,
philosophischer Basis kritisiert, und zwar mit weil sie mit unzulässigen Begriffen wie ‘Ent-
dem Hinweis darauf, daß Parmenides nicht stehen’, ‘Vergehen’, usw. operieren. In bezug
zwischen ‘sein’ als Existenzaussage (ἔστιν) auf die Welt der Wahrnehmung (B 19) räumt
und Prädikation (ἐστιν) unterschieden habe. Parmenides der Sprache jedoch eine gewisse
Die Argumentation des Parmenides sei nur Leistungsfähigkeit in der Bezeichnungsfunk-
dann schlüssig, wenn ‘sein’ ausschließlich und tion ein, allerdings unter dem Vorbehalt, daß
unterschiedslos im Sinne von ‘existieren’ ver- es sich hier nie um Wahrheit, sondern stets
standen werde; dagegen sei das ‘so-Sein’ be- nur um Schein und Meinung handeln könne.
ziehungsweise das ‘nicht-so Sein’ logisch und
semantisch korrekt prädizierbar. Gleichwohl
bleibt Parmenides das Verdienst, als erster 6.3. Zenon von Elea (ca. 490—430)
konsequent die formale Denkweise sowie das Zenon, bekannt vor allem wegen seiner Pa-
apriorisch-analytische Argumentieren und die radoxien — ‘Achill kann die Schildkröte nicht
›voraussetzungslosen‹ Allgemeinbegriffe in einholen’; ‘Der fliegende Pfeil ruht’ —, ver-
die Philosophie eingeführt zu haben. Die auf- sucht, die These seines Lehrers Parmenides
fälligste Parallele hierzu findet sich — trotz von der Einheitlichkeit und Unbewegtheit des
der erwähnten Kritik im einzelnen — bei Pla- Seienden durch zahlreiche zusätzliche Argu-
ton und Aristoteles: Platon (Sophistes 2 54 b — mente gegen die inzwischen aufgekommene
2 55 e) führt neben den Ideen als allgemeinste Kritik zu verteidigen. Dabei entwickelt er das
Bedingungen des Seins die folgenden fünf bei Parmenides schon erkennbare Verfahren
›Hauptbegriffe‹ (μέγιστα γένη) ein: Sein, Be- der indirekten Beweisführung zur Virtuosität.
wegung, Ruhe, Identität und Nicht-Identität Er übernimmt hypothetisch die Grundannah-
(Bewegung im deutlichen Gegensatz zu Par- men der Gegner, zum Beispiel die These von
menides); Aristoteles (M etaphys. IV 2 , 1003 b der Vielheit und der Bewegtheit des Seienden,
2 3 ff) hebt hervor, daß Sein, Identität und und weist nach, daß diese zu einander wider-
Einheit zu den Grundbestimmungen des Sei- sprechenden Konsequenzen führen, weshalb
enden als Seiendem zählen, und zwar deshalb, die Ausgangssätze falsch sein müssen. Platon
weil ohne sie eine korrekte Prädikation nicht (Parmenides 12 7 d ff) hat diese besondere Art
möglich ist. der Zenonischen Argumentation treffend wie-
dergegeben. Auch seine Beweisführung ist
6.2.3. Die Funktionsfähigkeit der Namen streng apriorisch. Die semantische Analyse
(ὀνόματα) der Gegenpositionen führt notwendigerweise
zu ›Aporien‹, d. h. zu semantischen und lo-
Die beiden Textstellen, in denen Parmenides gischen Antinomien. Man kann Zenon als
auf die Leistungsfähigkeit der ›von den Sterb- den Begründer der aporetischen Methode an-
sehen, die später, insbesondere bei Aristoteles,
10 I. Raum-zeitliche Übersichten

zum methodischen Grundbestand der grie- 7.2. Anaxagoras aus Klazomenai


chischen Philosophie wurde. Nicht ohne (ca. 500/496—428)
Grund nennt Aristoteles Zenon den ›Erfinder
der Dialektik‹ (A 1 und A 10; VS I, 247; 250). Anaxagoras, in der Tradition der ionischen
Naturphilosophie stehend, bemüht sich eben-
falls um eine Vermittlung von Heraklitismus
6.4. Melissos von Samos (ca. 410—360) und Eleatismus. Anders als Empedokles
Melissos verteidigt die Theorie seines Lehrers nimmt er aber nicht vier, sondern unendlich
Parmenides mit direkten Beweisen, vor allem viele Grundbestandteile des Materiellen an,
gegen die Angriffe des Empedokles und der die jeweils für sich — wie das eleatische ›Sei-
Atomisten. Gegen Parmenides lehnt er die ende‹ — ungeworden und qualitativ unver-
hypothetische Geltung der Sinneswahrneh- änderlich sind (die ›Homöomerien‹). Diese
mung und damit implizit die Funktionsfähig- ›Homöomerien‹ sind unendlich klein und da-
keit der auf diesen Bereich bezogenen Benen- her nicht wahrnehmbar, weshalb er sagen
nungen (cf. 6.2 .3.) ab. Aus semantischen kann: „Aufgrund der Schwäche unserer Sinne
Überlegungen leitet er die These von der sind wir nicht in der Lage, die Wahrheit zu
Nicht-Existenz des Leeren ab und schließt erkennen“ (B 21; VS II 43; cf. B 7; VS II, 36).
daraus auf die Unmöglichkeit der Bewegung, Diese grundsätzliche Unerfahrbarkeit der
weil nämlich Bewegung die Existenz des Lee- Wirkweise der ›Homöomerien‹ bedingt zu-
ren voraussetze. Auch er bedient sich durch- gleich eine systematische Fehlleitung und
gängig der apriorischen, semantisch-logischen Fehlleistung unserer Sprache. Aufgrund ober-
Argumentation. flächlicher und falscher Sinneseindrücke re-
den wir von ›Entstehen‹ und ›Vergehen‹. Diese
Ausdrucksweise ist falsch, denn im Grunde
7. Die jüngere Naturphilosophie handelt es sich beim sogenannten ›Entstehen‹
beziehungsweise ›Vergehen‹ um ein ›Sich-Ver-
7.1. Empedokles aus Akragas mischen‹ beziehungsweise ›Sich-Trennen‹ von
(ca. 492—430) Grundstoffen (B 17; VS II, 40 f; cf. A 43 und
A 52; VS II, 17; 20).
Empedokles, der seine Lehre in Hexametern
niederschrieb, kann als Vermittler zwischen
der Herakliteischen und der Eleatischen Phi- 8. Der Atomismus
losophie angesehen werden. Er versucht, die
Phänomene für den ›normalen Menschenver- Der Atomismus stellt den dritten Versuch dar,
stand‹ (gegen Parmenides) zu retten, indem die Parmenideische Seinslehre mit der ›Fluß-
er (mit Heraklit und gegen Parmenides) die lehre‹ Heraklits in Einklang zu bringen; wäh-
Realität der Bewegung und die Vielheit des rend aber Empedokles mit den immateriellen
Seienden sowie (gegen Heraklit und mit Par- Prinzipien ›Liebe‹ und ›Streit‹ (cf. 7.1.) und
menides) die qualitative Unveränderlichkeit Anaxagoras mit dem ›Geist‹ (νοῦς) als Be-
des Seienden (d. h. für ihn: der vier Elemente) wegungsprinzip eine Lösung auf der Basis des
behauptet. Die vier Elemente des Seienden philosophischen Dualismus anstrebten, be-
(Feuer, Wasser, Erde, Luft) haben alle die gehen die Atomisten den Weg eines konse-
unveränderlichen Eigenschaften des Parme- quenten materialistischen Monismus.
nideischen ›Seienden‹. — Auffallend ist, daß
Empedokles sich in keiner Weise auf die 8.1. Leukipp aus Milet/Abdera
apriorische, logisch-semantische Argumenta- (5. Jahrhundert v. u. Z.)
tion des Parmenides einläßt; er begründet Leukipp, Schüler Zenons und Lehrer Demo-
seine Theorie vielmehr einerseits mit empiri- krits, stammt aus Milet und gründet nach
schen Hypothesen und Postulaten über die ausgedehnten Reisen nach 450 v. u. Z. die
Existenz, die Natur und die Wirkweise der Philosophenschule der Atomisten in Abdera
vier Elemente, andererseits mit dem metaphy- (Thrakien). Mit seiner Atomtheorie glaubt er,
sischen Postulat von ›Liebe‹ (φιλία) und so berichtet Aristoteles, eine Theorie gefun-
›Streit‹ (νεῖκος), die durch ihren immerwäh- den zu haben, „die im Einklang mit der Sin-
renden Kampf miteinander das Bewegungs- neswahrnehmung steht und die weder Entste-
prinzip des ewig fortdauernden Weltprozesses hen noch Vergehen noch Bewegung noch die
bilden. — Die Leistungsfähigkeit menschli- Vielheit der Dinge aufhebt“ (A 7; VS II, 73).
cher Sprache beurteilt er skeptisch (B 9 und Aber auch seine ›Rettung der Phänomene‹
B 15; VS I, 312 ff). — Aristoteles sieht in ihm stößt an die Grenze der Sprache beziehungs-
den Erfinder der Rhetorik (Zenon Fragmente
A 1 und A 10; VS I, 247; 250).
1.  Sprachphilosophische Anfänge 11

weise steht nicht in Übereinstimmung mit 8.2. Demokrit aus Abdera (ca 470—380/70)
dem faktischen Sprachgebrauch, denn die Demokrit übernimmt mit nur geringfügigen
Unsichtbarkeit des ›wirklichen‹ Vorganges
verleitet zu sprachlichen Mißgriffen (cf. 7.2 .): Änderungen die Atomtheorie seines Lehrers
‘Entstehen’ bedeute eigentlich ‘Vereinigung Leukipp, führt sie im Detail weiter aus und
von Atomen’, ‘Vergehen’ sei ‘Trennung von wendet sie auf verschiedene Spezialgebiete,
Atomen’. — Auch Leukipps These von der insbesondere der Seelenlehre und der Er-
Existenz des Leeren hat sprachliche und kenntnistheorie, an. (a) Die Problematik einer
sprachphilosophische Implikationen: das adäquaten sprachlichen Wiedergabe philoso-
Leere existiert nicht ›schlechthin‹ wie die phischer Gedanken und Einsichten tritt bei
Atome, sondern nur im Sinne eines ›Nicht- ihm besonders deutlich zutage: das Leere be-
so-Seins‹, eines ›Anders-Seins‹ (μὴ ὄν). Da- zeichnet er wie Leukipp als das ‘Nicht-so-
durch, daß er diese der griechischen Sprache Seiende’ (μὴ ὄν, A 38; VS II, 94); den unend-
eigentümliche Variante der Negation (μὴ ὄν lich großen Ur-Raum, den von ihm postu-
lierten ursprünglichen Ausgangspunkt aller
= nicht so seiend, statt οὐκ ὄν = [absolut] Atombewegung, nennt er das ‘Leere’, das
nicht seiend) sprachphilosophisch bewußt ein-
setzt, um die besondere Existenzweise des ‘Nichts’ und das ‘Unendliche’, wobei jede die-
Leeren zum Ausdruck zu bringen, bereitet er ser drei Urformen des Seienden die Bezeich-
die Lösung vor, die Platon später (Sophistes nung das ‘Ichts’, das ‘Feste’ und das ‘Seiende’
2 37 a 8 ff) für das von Parmenides gestellte erhält (A 37, A 49, B 156; VS II, 93; 97; 174).
Problem der Unmöglichkeit des ›Nicht-Seins‹ Mit der Übersetzung ‘Ichts’ soll der Gegen-
findet (cf. 6.2.2.). satz und zugleich die Affinität zum ›Nichts‹
Die Annahme unendlich kleiner, nicht wei- sprachlich deutlich gemacht werden. Im Grie-
ter teilbarer Atome dient Leukipp zusammen chischen handelt es sich um die Antithese von
mit dem Postulat des in besonderer Weise δὲν und μηδέν. Demokrit hat den Kunstaus-
existierenden Leeren als Modell für die Er- druck δὲν als Derivat von μηδέν eingeführt,
klärung der Vielheit und der Veränderbarkeit um eine besondere Seinsweise zu charakteri-
aller seienden Dinge. Der Gedanke, daß die sieren, die sonst nicht bekannt ist und für die
gesamte Natur durch Atome, die sich nur die normale Sprache daher keinen adäquaten
durch Gestalt, Lage und Anordnung unter- Ausdruck anbieten kann. (b) Häufiger als bei
scheiden, erklärt werden könne, ist von seinen Leukipp begegnet man bei Demokrit dem
Zeitgenossen als unzureichender Erklärungs- Problem der Umdefinition gebräuchlicher
versuch kritisiert worden. Dieser Kritik be- Ausdrücke. Demokrit sieht sich immer wieder
gegnet Leukipp mit einer interessanten Ana- zu semantischen Korrekturen genötigt, weil
logie von Sprache (beziehungsweise Schrift) die übliche Verwendungsweise der Ausdrücke
und Wirklichkeit. Die Zusammensetzung der nicht das trifft, was er aufgrund seiner Theo-
Wirklichkeit aus Atomen entspreche der Zu- rie zum Ausdruck bringen muß: ‘Entstehen’
sammensetzung der Sprache aus Buchstaben, ist ‘Vereinigung von Atomen’, ‘Vergehen’ ist
die ja auch eine beliebig große Zahl von zum ‘Trennung von Atomen’ (A 37; VS II, 94),
Teil einander widersprechenden und sehr un- womit die für die Quellenautoren Aristoteles
terschiedlichen Wörtern und Sätzen zuließen: und Simplikios so wichtige Unterscheidung
„denn aus denselben Buchstaben entsteht die von ‘Veränderung’ und ‘Entstehung’ aufge-
Tragödie und die Komödie“ (A 9; VS II, 74). hoben wird, da Demokrit beides auf die ›Ver-
Dieselbe Analogie benutzt er, um seine These einigung von Atomen‹ reduziert. Der ›Tod‹ ist
von der unterschiedlichen Gestalt, Anord- das „Entschwinden derartiger [= der Seelen-]
nung und Lage der Atome plausibel zu ma- Atome“ (A 106; VS II, 110). Diese und an-
chen: „Es unterscheidet sich nämlich das A dere Umdefinitionen haben Aristoteles ver-
vom N durch die Gestalt, das AN vom NA anlaßt, in Demokrit den ersten Philosophen
durch die Anordnung, das H vom H durch zu sehen, der sich, und zwar „von der Sache
die Lage“ (A 6; VS II, 72 ). Diese Analogie selbst genötigt“, mit dem Problem der Defi-
von Atomen und Buchstaben hat vermutlich nition explizit befaßt habe (A 36; VS II, 93).
dazu geführt, die Buchstaben als ›Atome‹ der Diese ›Sache selbst‹ liegt in erster Linie in der
Sprache, als deren letzte Elemente und Sinn- Erkenntnistheorie beziehungsweise der Er-
träger, zu interpretieren (cf. Platon, Kratylos kenntniskritik Demokrits begründet. Sinnes-
423 e—427 c). wahrnehmungen sieht er als nicht verläßlich,
sondern als bloßen Schein an: „[Nur] durch
Festsetzung (νόμῳ) [gibt es] Farbe, durch
12 I. Raum-zeitliche Übersichten

Festsetzung Süßes, durch Festsetzung Bitte- ten sie allmählich gegenseitig ihre Art kennen.
res, in Wahrheit aber nur Atome und das Da aber ihre Laute undeutlich und verworren
Leere“ (B 12 5; VS II, 168). Dieser erkennt- waren, verbesserten sie alsbald ihre Artiku-
nistheoretische Skeptizismus führt unmittel- lation, setzten untereinander Zeichen (σύμ-
bar zur Sprachkritik. Die gebräuchliche βολα) fest für jedes Ding und schufen [damit]
Sprachpraxis orientiert sich am ›Herkom- ein ihnen allen vertrautes Verständigungsmit-
men‹, an ›Tradition‹, an der ›bloßen Mei- tel (ἑρμενεία). Weil derartige Vereinigungen
nung‹, dem ›subjektiven Eindruck‹, nicht an auf der gesamten bewohnten Erde stattfan-
›der Natur (φύσις) der Dinge‹ (A 49; VS II, den, hatten nicht alle eine gleichlautende
97). Hiermit nimmt Demokrit im φύσει-θέ- (ὁμόφωνον) Sprache (διάλεκτος), da die ein-
σει-Streit (s. Art. 62 ) eine interessante Zwi- zelnen [Menschengruppen] ihre sprachlichen
schenposition ein. In bezug auf den umgangs- Ausdrücke (λέξεις) festsetzten, wie es sich
sprachlich üblichen Gebrauch vertritt er die gerade traf. Daher gab es auch die unter-
Nomos-These — Benennungen sind bloße schiedlichsten Spracheigentümlichkeiten (χα-
und dazu noch falsche Setzungen —, in bezug ρακτῆρας διαλέκτων), und diese zuerst ent-
auf den philosophisch gereinigten Sprachge- standenen Zusammenschlüsse waren der Ur-
brauch, die ›Orthosprache‹, vertritt er die sprung aller [späteren] Völker“ (A 5; VS II,
Physis-These — hier entsprechen die Benen- 135). Dies bedeutet: (1) praktische Interessen
nungen der ›Natur der Dinge‹. (c) Referenz- und Bedürfnisse führten die Menschen zu-
objekte der Sprache sind nicht die uns er- sammen; (2 ) das Zusammenleben machte ein
scheinenden Phänomene, sondern ›Bilder‹ sprachliches Kommunikationsmittel erforder-
(ἰδέαι, εἴδωλα) oder ›Vorstellungen‹ (φαντα- lich; (3) die sprachlichen Zeichen wurden —
σίαι), denn das, was wir als Phänomen wahr- von Fall zu Fall unterschiedlich — durch
zunehmen glauben, ist in Wirklichkeit ein Zu- Konvention festgelegt; (4) aus den ursprüng-
strom von Atomkonstellationen, die sich uns lichen Sprachgemeinschaften gingen die Völ-
als Wahrnehmungsbilder darbieten (B 7; VS ker hervor. Kurz: Die Entstehung sozialer
II, 138 f). In diesem Sinne ist vermutlich auch Gemeinschaften ist unmittelbar mit der
der kryptische Satz zu verstehen: „Die Göt- Sprachentwicklung verbunden. (f) Den in sei-
ternamen sind sprachliche Abbilder der Göt- ner Sprachursprungstheorie erkennbaren,
ter“ (B 142 ; VS II, 170), d. h. sie beziehen sich eher historisch-diachron zu verstehenden
wie die ›Bilder‹ empirischer Gegenstände auf Sprachkonventionalismus hat Demokrit auch
Vorstellungen in unserem Bewußtsein. De- synchron, bezogen auf die Sprache seiner
mokrit scheint also eine Vorform des Kon- Zeit, vertreten, und zwar mit folgenden vier
zeptualismus entwickelt zu haben. (d) Aller- Argumenten beziehungsweise Unterscheidun-
dings ist nicht jede Vorstellung schon allein gen, die alle auf dem Faktum beruhen, daß
deswegen, weil sie eine Vorstellung ist, auch eine Eins-zu-eins-Entsprechung von bezeich-
wahr. Diese These begründet Demokrit da- nendem Wort und bezeichneter Sache nicht
mit, daß er die entgegengesetzte Behauptung durchgängig gegeben ist (Siebenborn 1976,
hypothetisch setzt und dann die Konsequen- 19 f): (1) verschiedene Dinge werden mit ein
zen prüft: „Wenn [...] jede Vorstellung wahr und demselben Wort bezeichnet (Homonymie
ist, dann wird auch die Behauptung, daß nicht bzw. Polysemie); (2 ) für dieselbe Sache gibt
jede Vorstellung wahr ist, wenn man sich ih- es verschiedene synonyme Bezeichnungen
ren Inhalt vorstellt, wahr; und so wird die (Polyonymie); (3) bisweilen wechselt die Be-
Behauptung, daß jede Vorstellung wahr sei, zeichnung für ein und dieselbe Sache (Meto-
falsch“ (A 114; VS II, 111). Diese Argumen- nymie); (4) für manche Sachverhalte gibt es
tation geht offenbar von einem Repräsenta- überhaupt kein sprachliches Äquivalent. (Die
tionsmodell der Sprache aus: Aussagen oder in den Klammern stehenden Ausdrücke sind
Behauptungen werden durch oder in Vorstel- teils der Terminologie Demokrits, teils der des
lungen repräsentiert. (e) Den Sprachursprung Quellenautors Proklos (ca. 411—485) ent-
(s. Art. 65) erklärt Demokrit aus den Kom- nommen.) Diese Inkongruenz von Wort und
munikationsbedürfnissen der ersten sozialen Sache zeige, daß die Bezeichnungen auf Set-
Gruppierungen von Menschen: „Und als sie zung (θέσις) bzw. Zufall (τύχη) beruhen und
[= die ersten noch vereinzelt lebenden Men- nicht von Natur aus (φύσει) gegeben sind
schen], von wilden Tieren bedroht, einander (B 2 6; VS II, 148). (g) Die kryptischen Aus-
zu Hilfe kamen, wurden sie durch den [ge- führungen Demokrits zum Problem der Wor-
meinsamen] Vorteil belehrt, und [einmal] auf- trichtigkeit bei Homer (A 101; VS II, 109)
grund von Furcht zusammengekommen, lern- scheinen zu besagen, daß Wortrichtigkeit nur
1.  Sprachphilosophische Anfänge 13

dann gegeben ist, wenn Wortursprung, Laut- Sprache der Mathematik auf die realen Ge-
gestalt (Morphem bzw. Graphem) und die genstände der Astronomie nicht zulässig (B 7;
dazugehörende Vorstellung übereinstimmen VS II, 2 66). — Aus der seinen erkenntnis-
(Siebenborn 1976, 17 ff). theoretischen Relativismus markierenden
Überzeugung heraus, es gebe zu jeder zur
Diskussion stehenden Position auch eine Ge-
9. Die Sophistik genposition, soll er die ›sokratische Methode‹
Die Sophisten, die um die zweite Hälfte des des Fragens und Antwortens als erster auf-
fünften Jahrhunderts in Athen auftreten, gebracht haben (A 1; VS II, 2 53 f), allerdings
üben aufklärerische Kritik an Traditionen, in der für ihn typischen Form der Eristik, der
herkömmlichen Bildungs- und Verfassungs- bloßen Streitkunst, die nicht, wie Sokrates
einrichtungen und -idealen sowie an gesell- den philosophischen Dialog versteht, im
schaftlichen Normen. Im Kontext dieser In- Frage-und-Antwort-Spiel zur Wahrheit ge-
tentionen entwickeln sie die Rhetorik in langen, sondern nur die Berechtigung von
Theorie und Praxis zur Blüte. Sie sind Wort-, These und Gegenthese aufzeigen, beziehungs-
Sprach- und Argumentationskünstler, „Wett- weise im faktischen Streitgespräch obsiegen
kämpfer in der Kunst des Redekampfes“ (Pla- will. Ein wesentliches Element seiner Streit-
ton, Sophistes 231 d). kunst soll es gewesen sein, das Problem der
richtigen Benennung in den Mittelpunkt zu
9.1. Protagoras aus Abdera (ca 480—421) stellen.
Beim Problem der richtigen Benennung
Von Protagoras stammt der berühmte (ὀρθοέπεια) hat er als erster auch die gram-
›Homo-Mensura-Satz‹: „Der Mensch ist das matische Form sprachlicher Ausdrücke zur
Maß aller Dinge, der seienden, daß/wie sie Geltung gebracht (Siebenborn 1976, 15 f). Er
sind, der nicht-seienden, daß/wie sie nicht hat erstmals das Genus der Substantive un-
sind“ (B 1; VS II, 2 63). Dieser Satz ist die tersucht, dabei die seitdem übliche Einteilung
klassische Formulierung des erkenntnistheo- in Masculina, Feminina und Neutra vorge-
retischen Relativismus oder Skeptizismus, nommen, und die Satz- beziehungsweise
nach dem es keine objektive Wahrheit gibt, Äußerungsarten unterteilt in Bitt-, Frage-,
sondern nur die jeweilige Meinung eines Er- Antwort- und Befehlssatz (A 1 und A 2 7; VS
kenntnissubjektes. Protagoras begründet II, 2 54; 2 62 ). Bei den Untersuchungen zur
diese Position mit dem deutlich an Heraklit grammatischen Form hat er festgestellt, daß
erinnernden Theorem, daß alle Dinge im stän- der faktische Sprachgebrauch Widersprüche
digen Fluß begriffen seien (cf. 5.1.), was so- oder Diskrepanzen aufweist zwischen der
wohl für die Erkenntnisobjekte als auch für grammatischen Kategorie und der Spre-
die Erkenntnissubjekte gelte; ›Erkenntnisse‹ cherintention beziehungsweise dem bezeich-
seien daher jeweils nur für eine bestimmte neten Sachverhalt (Gegenstand): z. B. sei die
Person in einer bestimmten Situation ›gültig‹ grammatische Form der Anrufung der Göttin
(A 14; VS II, 2 58). Daraus scheint er den im ersten Vers der Ilias ein Imperativ (Satzart
Schluß gezogen zu haben, daß sämtliche Vor- des Befehls), der Sprecherintention nach aber
stellungen und Meinungen wahr seien (B 1; könne es sich nur um die Satzart der Bitte
VS II, 2 62 f) — eine These, deren Widerle- handeln; ähnlich soll er sich über die Diskre-
gung durch Demokrit überliefert ist (cf. 8.2 .). panz zwischen natürlichem und grammati-
Ob Protagoras seinen erkenntniskritischen schem Geschlecht geäußert haben (A 2 9 und
Relativismus auch sprachkritisch verstanden C 3; VS II, 2 62 ; 2 70 f). Sprachrichtigkeit liegt
hat, etwa in dem Sinne, daß auch die Bedeu- nach Protagoras nur dann vor, wenn gram-
tung sprachlicher Ausdrücke einem ständigen matische Kategorie und Sprecherintention be-
Wechsel unterworfen sei, ist den überlieferten ziehungsweise Sachverhalt übereinstimmen;
Fragmenten nicht zu entnehmen; de facto ist dies nicht der Fall, so fordert er eine Kor-
setzt er eher auf eine Konstanz der Wortbe- rektur der Umgangs- und auch der Dichter-
deutungen. An der Wissenschaftssprache der sprache. In diesem Sinne läßt Platon (Prota-
Astronomie und Mathematik übt er deutliche goras 338 e f) ihn sagen: „Ich jedenfalls [...]
skeptische Kritik. Die Mathematik treffe mit halte dafür, daß es für einen Mann den be-
ihren Begriffen (Linie, Kreis usw.) nicht die deutendsten Teil der Erziehung ausmacht,
Wirklichkeit, weil keine wirkliche Linie den gründliche Kenntnisse in bezug auf die Poesie
Idealen oder Postulaten der Mathematiker zu besitzen; dies aber bedeutet, daß er im-
entspreche; daher sei die Anwendung der stande ist, zu beurteilen, welcher Art die Rede
der Dichter ist und was sie [sprachlich] kor-
14 I. Raum-zeitliche Übersichten

rekt gedichtet haben und was nicht, [die bende [Begriffe]“; „Wenn [das Seiende] exi-
Dichtwerke] zu analysieren und auf Fragen stiert, muß es entweder eines oder vieles sein;
[über sie] Rechenschaft zu geben“ (A 2 5; VS es ist aber weder eines noch vieles [...]; also
II, 261). existiert das Seiende nicht“ (B 3; VS II, 2 80 f).
Zur Sprachentstehung äußert er sich ähn- — Interessanterweise benutzt Gorgias für
lich wie Demokrit (cf. 8.2 ), allerdings deutlich seine dritte These (über die Nicht-Mitteilbar-
weniger differenziert. keit) nicht apriorische, sondern empirische
Argumente; er bezieht sich hier ausschließlich
9.2. Gorgias aus Leontinoi (ca. 480—380) auf das Problem der Mitteilbarkeit von em-
pirischen Eindrücken beziehungsweise von
Gorgias zählt zu den bedeutendsten Rede- Gegenständen. Seine Beweisführung ist in
künstlern seiner Zeit. Beispiele seiner Rheto- zwei Argumentationsstränge gegliedert: (1′)
rik bieten die fast vollständig erhaltenen Mu- Die Dinge sind nicht identisch mit den sprach-
sterreden Lobrede auf Helena und Apologie lichen Bezeichnungen. Empirische Eindrücke
des Palamedes (B 11 und 11 a; VS II, 2 88— nehmen wir mit den Sinnesorganen wahr;
303). Seine berühmte Schrift Über das Nicht- „das Organ aber, mit dem wir etwas mitteilen,
seiende ist in der neueren Forschung oft als ist der Logos, der Logos aber ist nicht das
unbedeutende Spielerei, ja sogar als „eine ra- Ding und das Existierende. Den Mitmenschen
dikale Absage an jede ernsthafte Philosophie, teilen wir also nicht die Dinge mit, sondern
überhaupt an jede wirkliche Wissenschaft“ den Logos, der ja von den Dingen verschieden
(Capelle 1968, 343 f) (miß)verstanden worden. ist [...]. Wenn es [das Ding] aber nicht mit
In der Tat erscheinen seine drei Thesen auf dem Logos identisch ist, so kann es [das Ding]
den ersten Blick absurd und pragmatisch wi- nicht [als Logos] einem anderen mitgeteilt
dersprüchlich: wie kann jemand etwas mittei- werden (B 3; VS II, 2 82 ). Der jeweilige Sin-
len wollen, der behauptet, man könne nichts neseindruck hat eine Realität außer uns, et-
verständlich mitteilen? Bei näherer Untersu- was ›Existierendes‹; dies gilt jedoch nicht für
chung, insbesondere unter sprachphilosophi- sprachliche Ausdrücke: „denn wenn auch der
schen Aspekten, zeigt sich jedoch die Ernst- Logos existiert [...], so unterscheidet er sich
haftigkeit der Problematik und die theoreti- doch von den übrigen existierenden Dingen“.
sche Relevanz seiner Argumente (cf. Newiger Der Quellenautor Sextus Empiricus (2 . Hälfte
1973, 14—180). Seine provozierenden Thesen 2 . Jh. n. u. Z.) betont am Ende seines Gor-
lauten (B 3; VS II, 279): gias-Referates, daß hiermit „das Kriterium
„(1) Es gibt nichts. der Wahrheit“ aufgehoben würde (B 3; VS II,
(2) Gesetzt, es gäbe etwas, so wäre es für 283).
den Menschen nicht erkennbar. Der zweite Argumentationsgang findet sich
(3) Gesetzt, es wäre erkennbar, so wäre in der pseudoaristotelischen Schrift Über M e-
es den Mitmenschen nicht mitteilbar lissos, Xenophanes und Gorgias (Capelle 1968,
und nicht verständlich zu machen.“ 351 ff; bei Diels/Kranz nicht aufgenommen):
Hierzu liefert Gorgias — in sorgfältigem me- (2 ′) Niemand versteht unter demselben Wort
thodischen Aufbau — etliche Detailargu- dasselbe wie ein anderer. Mitteilungen über
mente, die formal genau dem Argumenta- empirische Eindrücke werden nicht mit einem
tionsmuster des Parmenides (cf. 6.2 .) entspre- einzelnen, kontextlosen Wort, das z. B. einer
chen; inhaltlich hingegen widerspricht er mit Farbe entsprechen könnte, vorgenommen,
seiner ersten These der Grundposition des sondern mit einem vollständigen Logos, d. h.
Parmenides. Die beiden ersten Thesen be- als Sinnkomplex in einem Kontext; nun ist
gründet er ausschließlich apriorisch, d. h. aber der Sinnkomplex zweier Kommunika-
durch den Aufweis logischer Widersprüche tionspartner nie vollkommen identisch, da al-
und semantischer Inkonsistenzen bei der An- les im ständigen Fluß begriffen ist (cf. 9.1.);
nahme des Gegenteils: die Methode des in- also ist die Übereinstimmung des Sinngehal-
direkten Beweises, der reductio ad absurdum, tes zwischen Sender und Empfänger eine
ist bei ihm bis zur Perfektion ausgebildet. Die durch nichts bewiesene, bloße Hypothese. —
Begriffe ‘Sein’, ‘Nicht-Sein’, ‘Einheit’, ‘Viel- Außerdem erfahren wir bei Pseudoaristoteles
heit’, ‘ewig’ und ‘geworden’ bilden die Basis über Gorgias: Worte sind ›Zeichen‹ und als
seiner semantischen Analysen: „Es kann aber solche von den Dingen verschieden; wer die
nicht beides sein, [nämlich] zugleich ewig und Gegenstände oder Eindrücke nicht sinnlich
geworden, denn dies sind einander aufhe- wahrgenommen hat, von denen die Rede ist,
kann auch die Zeichen nicht verstehen.
1.  Sprachphilosophische Anfänge 15

Gorgias benutzt — wie Parmenides (cf. mie in der Wissenschaftssprache der Medizin
6.2 .) — das ontologische Modell ‘Sein-Den- seiner Zeit, und zwar mit dem Hinweis dar-
ken/Vorstellung-Sprache’. Ihn mit dem Ar- auf, daß die vermeintlichen Synonyme eine
gument des pragmatischen Widerspruchs ab- unterschiedliche Etymologie (und daher ver-
tun oder ›widerlegen‹ zu wollen, würde seinem schiedene Bedeutungen) hätten und daß die
Anliegen nicht gerecht. Er stellt wichtige lo- von den Medizinern fälschlicherweise unter-
gische, semantische und sprachtheoretische stellte Synonymität zu Fehlern in Theorie und
Aporien vor, und zwar mit der Intention, die Diagnose führten (Siebenborn 1976, 21 f).
Problematik der Gegenpositionen deutlich zu
machen, die auf sichere Erkenntnis bauen zu 9.4. Der unbekannte Sophist in Platons
können glauben; deutlich wird z. B. die Pro- Theätet
blematik des Repräsentationsmodells von
Sprache und Ding sowie die der Legitimation Platon stellt im Theätet (156 c—157 c) die Po-
absolut gültiger Wahrheitkriterien. sition eines namentlich nicht genannten ›Wei-
sen‹ vor, dessen Thesen einerseits die ›Fluß-
9.3. Prodikos von Keos (2. Hälfte des 5. Jh.) lehre‹ Heraklits (cf. 5.1.), andererseits die Sin-
nesphysiologie Demokrits (8.2 .) zur Grund-
Prodikos, von dem die bekannte Parabel He- lage haben: Es gibt nichts konstant, dauerhaft
rakles am Scheidewege stammt (B 1 und B 2 ; Existierendes, sondern alles ist im Prozeß des
VS II, 312 —316), gilt als Begründer der wis- Werdens begriffen. Daraus folgt, daß alle Be-
senschaftlichen Synonymik und der Topik zeichnungen, die etwas Feststehendes voraus-
(A 10; VS II, 310). Seine Untersuchungen setzen, falsch sind; dies gilt nicht nur für ein-
über sinnverwandte Ausdrücke beschränken fache, empirisch-hinweisende Ausdrücke wie
sich nicht auf den Bereich der empirischen ‘dies’, ‘jenes’, ‘du’ und ‘ich’, sondern auch für
Linguistik; sie stehen vielmehr im Kontext der zusammenfassende Bezeichnungen wie
Problematik der Sprachrichtigkeit und haben ‘Mensch’, ‘Stein’ und ‘Lebewesen’. Diese Po-
einen normativen, sprachkorrigierenden Cha- sition will zwar nicht die Leistungsfähigkeit
rakter. Prodikos untersucht die Synonymität, der Sprache überhaupt, sondern nur die der
um vorhandene synonyme Ausdrücke durch konstatierenden, der festsetzenden Sprache
semantische Nuancierungen zu vermeiden bestreiten, denn sprachliche Ausdrücke, die
oder zu eliminieren. Im Unterschied zu De- dem Prozeßcharakter der Wirklichkeit ent-
mokrit, der das Faktum der Synonymität le- sprechen, werden ausdrücklich zugelassen. Es
diglich konstatiert und als Argument für seine wird jedoch implizit die faktische (griechische)
These von der Konventionalität der Sprache Sprache insgesamt als untauglich hingestellt,
benutzt (cf. 8.2 .), versucht Prodikos, die Lei- denn die These will die Subjekt-Objekt-Struk-
stungsfähigkeit der Sprache, der Umgangs- tur der Sprache aufheben, die (feststellende)
sowohl wie der Wissenschaftssprache, durch Funktion des Nominators eliminieren, was
semantische Präzisierungen zu erhöhen. So die elementare Prädikation (x ε P), d. h. die
präzisiert er den Unterschied der bedeutungs- Formulierung von Aussagen überhaupt un-
ähnlichen Ausdrücke ‘streiten—zanken’, möglich machen würde (s. Art. 77).
‘achten—loben’ und ‘Vernügen—Lust’ (A 13;
VS II, 311). — Im Kontext seiner semanti-
schen Differenzierungen hat Prodikos auch 10. Schlußbemerkung
die Methode der Begriffszergliederung, der Ohne die geschichtsphilosophische These von
Dihärese, entdeckt, die dann für Platons einer diachronen Kontinuität des Denkens
(Sprach-)Philosophie, für seine ›Dialektik‹, vertreten zu müssen, lassen sich Verbindungs-
konstitutiv werden sollte (Platon, Phaidros linien sprachphilosophischer Probleme und
2 66 b). Z. B. unterteilt er die Freude in Ver- Lösungsansätze herstellen, die schon in den
gnügen, Ergötzung und Fröhlichkeit (A 19; frühesten historisch greifbaren Zeiten begin-
VS II, 312 ). Daß Begriffsdihäresen zur Defi- nen und die schließlich in der klassischen grie-
nition führen können und sollen, ist schon chischen Philosophie bei Platon und Aristo-
von antiken Autoren gesehen — und (im Falle teles den Ausgangspunkt für neue Ansätze
Prodikos) kritisiert worden. Er spiele sich mit und Lösungsversuche bilden.
seinen normativen Definitionen als ›Gesetz- Der Zusammenhang von Sprache und Ra-
geber‹ auf, wo er doch ›nichts Gescheites‹ tionalität zeigt sich schon im Mythos (cf. 1.).
anzubieten habe (A 19; VS II, 312 ). — In Dabei ist es unerheblich, ob die literarische
seiner Schift Über die Natur des M enschen Form der Prosa- oder der Poesie-Sprache ver-
kritisiert und korrigiert Prodikos die Synony- wendet wird. In der poetischen Sprache des
16 I. Raum-zeitliche Übersichten

Mythos werden naturwissenschaftliche Sach- theoretischer Skeptizismus und Relativismus


verhalte dargestellt (cf. 2 .2 .), und Parmenides sind in der Regel mit Sprachkritik eng ver-
formuliert seine logischen Sätze in Hexame- bunden (cf. 5.2 .). — Heraklit (5.1.) scheint als
tern (cf. 6.2 .). Aristoteles (De poetica 9, 1451 b erster die Funktionstüchtigkeit und Ange-
1—4) stellt zu diesem Problem (am Beispiel messenheit der Sprache in Frage gestellt zu
der Geschichtsschreibung) treffend fest: „Der haben, und zwar in grundsätzlicher, radikaler
Geschichtsschreiber und der Dichter unter- Art und Weise. Die übliche Sprache ist über-
scheiden sich nicht dadurch, daß der eine in haupt nicht in der Lage, seine ›Flußlehre‹ und
Versen, der andere in Prosa spricht (man die damit verbundene Philosophie adäquat
könnte ja das Werk Herodots in Verse brin- zum Ausdruck zu bringen; explizit findet sich
gen, und es wäre um nichts weniger ein Ge- eine derartige Argumentation beim unbe-
schichtswerk, sei es nun mit oder ohne Vers- kannten Sophisten in Platons Theätet (cf.
maß)“. — Schon früh wird die sprachphilo- 9.4.). Die Inadäquatheit der Sprache veran-
sophisch bedeutsame Besonderheit der Ety- laßt Demokrit zu ungewöhnlichen Wortneu-
mologie, der Allegorie und der Allegorese er- schöpfungen (cf. 8.2 .), Anaxagoras, Leukipp
kannt (cf. 2 .2 .3.; 2 .2 .4.; 3.3.). Prodikos setzt und auch Demokrit zu semantischen Umdeu-
später die Etymologie als Argument für eine tungen und Umdefinitionen (cf. 7.2 .; 8.1.;
Korrektur der Wissenschaftssprache ein (cf. 8.2 .); Prodikos sieht sich zu Sprachkorrektu-
9.3.). — Thales bietet mit seiner sprachlichen ren genötigt (cf. 9.3.). — Das wohl bekann-
Konstruktion idealer Gegenstände (cf. 3.1.) teste Beispiel der Umdefinition bei Platon
die Folie für Platons Ideenlehre. (M enon 81 c—d) dürfte das von ihm neu ein-
Nicht die Umgangssprache, sondern die geführte Verständnis von ‘Lernen’ sein: Ler-
Sprache der Wissenschaft steht zuerst im Mit- nen ist nicht eine mentale ›creatio ex nihilo‹,
telpunkt des Interesses. Schon bei den vor- sondern ›Wiedererinnerung‹ (Anamnesis).
philosophischen Denkern ist Kritik an der Mit ausdrücklichem Hinweis auf Prodikos er-
Wissenschaftssprache auszumachen (cf. 2 .2 .); örtert Aristoteles das Problem der Sprach-
explizite Kritik findet sich bei den Sophisten richtigkeit in der Rhetorik (III 5, 1407 a/b).
Protagoras und Prodikos (cf. 9.1.; 9.3.). He- Die apriorische logisch-semantische Argu-
kataios und Diogenes von Apollonia (cf. 3.2 .; mentation (cf. 6.2 .; 6.3.; 9.2 .) setzt ein gene-
3.4.) bemühen sich um die Entwicklung be- relles Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der
sonderer Kriterien der Wissenschaftssprache, Sprache voraus; die legitimierende Inan-
ein Anliegen, mit dem sich Aristoteles später spruchnahme der Sprache wäre ohne diese
ausführlich in den Werken des Organon be- Voraussetzung ohne jede Basis.
faßt. Die Umgangssprache wird analysiert, Ansätze für eine Zeichentheorie finden sich
beschrieben und in grammatische Kategorien bei den Pythagoreern und bei Demokrit (cf.
eingeteilt von Demokrit, Protagoras und Pro- 4.; 8.2 .). Sprachursprungshypothesen haben
dikos (cf. 8.2 .; 9.1.; 9.3.), wobei Prodikos die Demokrit und Protagoras entwickelt (cf. 8.2 .;
empirische Linguistik um den Aspekt der nor- 9.1.). Hinweise auf das Problem der Schrift-
mativen Sprachkorrektur ergänzt. Die von lichkeit lassen sich bei Leukipp ausmachen
Demokrit (8.2 .) angesprochenen Probleme (cf. 8.1.).
der Homophonie u. a. werden im ersten Ka- Platon und Aristoteles finden eine philo-
pitel der Aristotelischen Kategorienschrift sophische Tradition vor, die nicht nur inhalt-
wieder aufgegriffen. liche, sondern vor allem auch methodische
Die Intention der Sprachkritik und Sprach- Probleme und Problemlösungsansätze ent-
korrektur wird am deutlichsten in der inten- hält. Für die Bearbeitung der inhaltlichen
siven Diskussion über das Problem der Probleme ist die Weiterentwicklung der Me-
Sprachrichtigkeit erkennbar. Grundlage für thoden, der logischen und sprachtheoreti-
diese Diskussion ist das erkenntnistheoreti- schen Vorgehensweisen, unabdingbare Vor-
sche Modell der Übereinstimmung oder Kor- aussetzung. Vor diesem historischen Problem-
respondenz von Sein, Denken und Sprechen hintergrund ist es nicht erstaunlich, daß Pla-
(cf. 6.2 .; 9.2 . sowie Art. 69), wobei vor allem ton nicht nur in den sprachphilosophischen
das Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit Dialogen (Kratylos, Sophistes und Theätet)
problematisiert wird. Insbesondere dann, und Aristoteles nicht nur in den Schriften des
wenn aufgrund bestimmter philosophischer Organon sprachtheoretische Fragen erörtern;
Positionen (erkenntnistheoretischer oder on- für beide zählt die Reflexion auf die Bedin-
tologischer Art) die Leistungsfähigkeit der gungen und Möglichkeiten der Sprache — als
Sprache angezweifelt wird, wird das Problem ›Erbe‹ der Vorsokratik — zu den Grundvor-
der Sprachrichtigkeit bedeutsam; erkenntnis- aussetzungen der Philosophie überhaupt.
2.  Stoische Sprachphilosophie 17

11. Literatur in Auswahl Held 1980, Heraklit, Parmenides und der Anfang
von Philosophie und Wissenschaft. Eine phänome-
Ax 1986, Laut, Stimme und Sprache. Studien zu drei
nologische Besinnung.
Grundbegriffen der antiken Sprachtheorie.
Hoffmann 192 5, Die Sprache und die archaische
Cassirer 192 2 , Die Begriffsform im mythischen Den-
Logik.
ken.
Kahn 1973, The Verb ‘be’ in Ancient Greek.
Cassirer 1925 a, Sprache und Mythos.
Liebermann 1971, Voraussetzungen antiker
Classen 1986, Ansätze. Beiträge zum Verständnis
Sprachbetrachtung. Zur Erkenntnisfunktion der
der frühgriechischen Philosophie.
Sprache im frühen Griechisch, in Donum Indoger-
Diels/Kranz 1971, Die Fragmente der Vorsokratiker. manicum, Schmitt-Brandt (Hg.).
Griechisch und Deutsch [= VS].
Mourelatos 1970, The Route of Parmenides. A
Fränkel 1960, Wege und Formen frühgriechischen Study of Word, Image and Argument in the Frag-
Denkens. Literarische und philosophische Studien. ments.
Gatzemeier 1985, Wahrheit und Allegorie. Zur Onians 1951, The Origins of European Thought.
Frühgeschichte der Hermeneutik von Theagenes About the Body, the M ind, the Soul, the World,
bis Proklos, in Wahrheit und Begründung, Gerhardt/ Time and Fate.
Herold (Hg.).
Snell 1978, Der Weg zum Denken und zur Wahrheit.
Gentinetta 1961, Zur Sprachbetrachtung bei den Studien zur frühgriechischen Sprache.
Sophisten und in der stoisch-hellenistischen Zeit.

2. Stoische Sprachphilosophie

1. Einleitung in die Struktur der Sprache richtungweisende


2. Die sprachphilosophischen Grundbegriffe Einsichten gewonnen, deretwegen die stoische
3. Die Theorie der Aussage Dialektik hoch angesehen war; durch sie hat
4. Literatur in Auswahl die Stoa auch in der Sprachtheorie, Logik
und Grammatik späterer Jahrhunderte deut-
lich erkennbar fortgewirkt. Um ihre Auffas-
1. Einleitung sungen genauer darzustellen, ist zuerst auf
den Ort einzugehen, den die Sprachphiloso-
1.1.  Was die Stoiker über die Sprache gedacht phie in der Lehre der Stoiker einnahm. Auch
haben, war in der Antike ziemlich berühmt. wenn es inzwischen ein Gemeinplatz ist, in
Trotzdem sind uns davon fast keine Origi- solchen Zusammenhängen an die Einteilung
naltexte erhalten. Und da die Überlieferung der stoischen Philosophie zu erinnern, führt
von der stoischen Dialektik auch sonst sehr dies doch rasch auf die zentralen Punkte.
fragmentarisch ist, müssen wir die Sprach-
philosophie der Stoiker in mühsamer Klein- 1.2.  Bekanntlich gliederten die Stoiker ihre
arbeit rekonstruieren und uns gleichwohl mit philosophischen Studien im Anschluß an Xe-
einem Ergebnis begnügen, das lückenhaft ist. nokrates in drei Teile: Naturphilosophie (Phy-
Vor allem über die Entstehungsphase der stoi- sik), Ethik und Logik. Der sog. logische Teil
schen Lehre wissen wir verhältnismäßig we- (λογικὸν μέρος) — Chrysipp sprach hier
nig. Fest steht jedoch, daß die Sprache bei auch von der logischen Art (λογικὸν εἶδος)
den Stoikern von Anfang an ein Hauptthema der Philosophie — wird von Long „the
der Philosophie bildete. Seit der Gründung science of rational discourse“ genannt (1974,
der Schule durch Zenon v. Kition (333/2 — 12 2 ; 1987 I, 188; s. a. Hülser 1979, 2 84) und
2 62 v. Chr.) und vor allem seit Chrysipp (2 81/ beinhaltet die Sprachphilosophie der Stoiker.
77—2 08/4 v. Chr.) wurde sie dort in vielen Dort wurden nämlich sämtliche sprachtheo-
Hinsichten studiert; in mehreren Entwick- retischen Fragen erörtert. Des näheren glie-
lungsschritten wurde für sie eine zusammen- derte die Logik sich standardmäßig in die
hängende Systematik entworfen; und man hat Dialektik (διαλεκτική) und die Rhetorik
18 I. Raum-zeitliche Übersichten

(ῥητορική); zuweilen wurden auch die er- Durcharbeitung der Themen hat man eben-
kenntnistheoretischen Untersuchungen (περὶ falls an die genannten Traditionen ange-
φαντασίας καὶ αἰσθήσεως, περὶ κανόνων καὶ knüpft, sie weiterentwickelt und sich auch
κριτηρίων) und die Definitionslehre (τὸ ὁρι- innerhalb der Schule zu einer Lehr-
κόν, περὶ γενῶν καὶ εἰδῶν) als eigene Fächer entwicklung anregen lassen; erst Diogenes v.
ausgewiesen, die jedoch von anderen Stoikern Babylon (gest. im Alter von 88 Jahren zw.
lieber in die Dialektik eingebaut wurden. 155 u. 150 v. Chr.) hat den ersten Teil der
Diese behandelte eine Fülle von Themen, Dialektik etwa so geprägt, wie er uns überlie-
außer der Semantik, Grammatik und forma- fert ist (vgl. insbesondere FDS 476; 536; 594).
len Logik auch die Stilistik, Poetik und noch Im zweiten Teil, d. h. in dem ‘über das Be-
einiges andere (vgl. z. B. das detaillierte Re- zeichnete’, fingen manche Stoiker mit der Er-
ferat des Diogenes Laertius oder auch den kenntnislehre an; im Anschluß daran oder
Überblick darüber bei Hülser 1987 I, gleich zu Beginn erörterte man den Begriff
LXXIX). Eingeteilt wurde sie jedoch in zwei des Lekton (λεκτόν) und studierte dann die
Gebiete, denen Chrysipp die Überschriften verschiedenen Arten von Lekta, vor allem die
‘Περὶ σημαινόντων’ [Über das Bezeichnende] Prädikate (κατηγορήματα), die Aussagen
und ‘Περὶ σημαινομένων’ [Über das Bezeich- (ἀξιώματα) und die Argumente (λόγοι) und
nete] gab. Das zweite Gebiet war auch unter unter letzteren besonders die Syllogismen
den Titeln ‘Περὶ λεκτῶν’ [Über die Lekta (das (συλλογισμοί) und die Trugschlüsse (σοφίσ-
Gesagte, Sagbare)] und ‘Περὶ πραγμάτων’ ματα). Es gab hier lebhafte Diskussionen, und
[Über die Sachen] bekannt, während das erste zahlreiche Einzelfragen dieses Bereichs wur-
auch den Titel ‘Περὶ φωνῆς’ [Über die den unterschiedlich gelöst. Aber im ganzen
Stimme] trug und im Schriftenverzeichnis hat der zweite Teil der Dialektik sein charak-
Chrysipps Λογικὸς τόπος περὶ τὰς λέξεις καὶ teristisches Gepräge anscheinend schon durch
τὸν κατ’ αὐτὰς λόγον [Das mit den Phonem- Chrysipp erhalten, der die Ansätze der frühen
reihen und mit der ihnen entsprechenden Rede Stoiker und der Dialektischen Schule fortent-
befaßte Gebiet der Logik] heißt. Obgleich es wickelte (vgl. Sedley 1977, 74 ff; Ebert 1987,
wegen des relativ detaillierten Referats des 83 ff).
Diogenes Laertius (7,55—62 ) gern als der er-
ste Teil der stoischen Dialektik bezeichnet 1.3.  Die skizzierten Befunde zeigen, daß die
wird, stand es nicht immer an deren Anfang, Sprachphilosophie bei den Stoikern eine ge-
sondern nimmt in einem von Diogenes Laer- schlossene Form erhielt und sogar ein Haupt-
tius anderenorts mitgeteilten Plan erst die gebiet ihrer Philosophie bildete. Zu diesem
zweite Stelle ein (7,43 f; vgl. FDS 33 — die Ansehen verhalf ihr nicht bloß die Tradition
Fragmente zitiere ich anstatt nach v. Arnim einer von Xenokrates vorgezeichneten Fä-
nach der von mir selbst herausgegebenen chereinteilung. Vielmehr gaben die Stoiker
Fragmentsammlung). Gleichviel, — im ›er- dafür auch Gründe an. Abgesehen von viel-
sten‹ Teil der Dialektik, also in dem ‘über das schichtigen Überlegungen zur Zusammenge-
Bezeichnende’, behandelte man typischer- hörigkeit der drei Teile der Philosophie (vgl.
weise die Themenkomplexe über die Stimme FDS 1) machten sie vor allem geltend, daß
(περὶ φωνῆς), über die Redeteile oder Wor- Theoriebildung sich immer sprachlich voll-
tarten (περὶ τῶν τοῦ λόγου μερῶν), über die ziehe (FDS 87). Außerdem wird die Sprache
Vorzüge und Fehler der Rede (περὶ τῶν τοῦ durch die stoische Ontologie zu einem span-
λόγου ἀρετῶν καὶ κακιῶν) und viertens eine nenden Thema (vgl. 2 .1.). Daher waren die
Reihe weiterer Fragen wie etwa Verse und Stoiker an sprachphilosophischen Fragen
Dichtung, Mehrdeutigkeiten (ἀμφιβολίαι), nachhaltig interessiert und werden wegen ih-
evtl. auch Definition und Einteilung u. a. m. rer Leistungen mit Recht bewundert. Gleich-
Jeder dieser Themenkomplexe hatte eine Vor- wohl unterscheidet sich ihr maßgebliches In-
geschichte bei Platon und Xenokrates oder teresse deutlich von dem eines modernen Lo-
bei Aristoteles und Theophrast. Die Stoiker gikers oder Sprachanalytikers. Sie verstanden
haben die verschiedenen Traditionen aufge- ihre Philosophie nämlich als eine Ausübung
griffen und in ihrer Dialektik zusammenge- von Vernunft und Weisheit (ἐπιτήδευσις λό-
führt; die dadurch hergestellte Verbindung γου ὀρθότητος, ἐπιτήδευσις σοφίας, ἄσκη-
der Themenkomplexe, vor allem der ersten σις ἐπιτηδείου τέχνης, ἐπιστήμη, περὶ λόγον
drei, war für die Stoa und ihr Fortwirken πραγματεία o. ä.), wobei die Vernunft (λόγος)
charakteristisch (Barwick 19 22 , 89—111; als Konstituent und Teil der Natur galt, so
Frede 1978, 38 ff; Ax 1986, 157—162 ). Bei der daß die logischen Studien schon als solche
2.  Stoische Sprachphilosophie 19

dem dienen, worauf es nach stoischer Auffas- phie, darunter vor allem den Begriff des Lek-
sung immer am meisten ankommt, dem Ziel, ton. Der bedeutendste Anwendungsfall ist
in Übereinstimmung mit der Natur zu leben zweifelsohne die Aussage; von ihr handelt da-
(FDS 2 ff; 15; 87 ff; Long 1974, 118—12 1; her der zweite, weniger umfangreiche Haupt-
1978, 101 ff). Dieser Zusammenhang der sog. abschnitt. Im Rahmen dieser beiden Ab-
Logik mit dem Hauptzweck der stoischen schnitte können einige wichtige Aspekte der
Philosophie erstreckt sich auch auf alle ihre stoischen Sprachphilosophie eingehend dar-
Teilgebiete und verleiht selbst den verwin- gestellt und andere wenigstens kurz gestreift
keltsten Einzelheiten der Dialektik eine im werden.
Sinne der Stoiker wahrhaft philosophische
Relevanz. Auch wenn die Quellen das nur bei
wenigen Einzelthemen hervorheben, z. B. 2. Die sprachphilosophischen
beim Thema der μέρη λόγου [Redeteile, Grundbegriffe
Wortarten] (FDS 79; 88; dazu Frede 1978, Die Unterscheidung von σημαῖνον und
59 ff) oder bei den σοφίσματα [Trugschlüssen] σημαινόμενον [Bezeichnendem und Bezeich-
(FDS 93), und obwohl darauf in der Literatur netem] besagt ganz allgemein, daß sprachliche
verhältnismäßig selten hingewiesen wird, muß Ausdrucksmittel etwas anderes als ihre Be-
man es bei allen Fragen der stoischen Sprach- deutungen sind und daß zwischen beiden eine
philosophie mitverstehen (Long 1974, 12 1; strukturerhaltende Zuordnung besteht. So
Caujolle-Zaslawsky 1978, 425 ff). weit war das in der Antike ziemlich selbstver-
ständlich, und man kann es etwa auch aus
1.4.  Wie die Fremdartigkeit des skizzierten Aristoteles herauslesen (De interpretatione 1,
Lehrplans der Logik und Dialektik beweist, 16 a 3—8; vgl. Art. Nr. 15, 3.3.1.). Aber Chry-
unterscheidet die stoische Sprachphilosophie sipp ging einen Schritt weiter. Indem er die
sich von heutigen Ansätzen außer durch das Gliederung der Dialektik in die Gebiete ‘Περὶ
zentrale Interesse auch durch das Spektrum σημαινόντων’ [Über das Bezeichnende] und
und die Gliederung der Themen. Diesen Un-
terschied umsichtig durchzureflektieren ist an ‘Περὶ σημαινομένων’ [Über das Bezeichnete]
einführte (FDS 63 bzw. 62 1), benutzte er die
dieser Stelle nicht möglich. Auch kann hier Unterscheidung zur Einteilung einer Disziplin
nicht auf alle Themen und Gliederungspro- und machte sie zur Grundunterscheidung der
bleme bei den Stoikern eingegangen werden. Dialektik. Was ihn zu dieser Neuerung be-
Und bei denen, die zur Diskussion kommen, wog, ist nicht ausdrücklich überliefert. Ein
muß ein Minimum an Belegstellen genügen. nicht unerheblicher Grund wird jedoch in der
Vor allem wird die Rhetorik der Stoiker ganz Ontologie der Stoiker gelegen haben, worauf
übergangen, so daß ihre Sprachphilosophie deshalb kurz eingegangen werden soll. Die
sich auf die Dialektik konzentriert. Diese Ein- andere Frage ist, was die Stoiker als Bezeich-
schränkung ist einerseits dadurch gerechtfer- nendes und was sie als Bezeichnetes angese-
tigt, daß das, was die Stoiker in der Rhetorik hen haben. In den Anfangskapiteln der beiden
zu sagen hatten (einiges davon bei Barwick Dialektikteile, also in den Erörterungen über
1957, 88 ff), heute von deutlich geringerem die Stimme und in den Erklärungen über die
sprachphilosophischen Interesse ist als in der Lekta, haben sie dazu ihre eigenen, originellen
Antike. Andererseits haben auch die Stoiker Antworten entwickelt; dabei ist es ihnen ge-
selbst die Rhetorik insofern auf einen nach- lungen, eine Vielzahl sprachtheoretischer An-
geordneten Platz verwiesen, als ihr Verhältnis sätze zu ordnen und ein System sprachphi-
zur Dialektik nach dem Unterschied langer losophischer Grundbegriffe zu entwerfen. Da-
und kurzer Reden bestimmt wurde, so daß von berichten die Abschnitte 2.2. und 2.3.
die ›langen Reden‹ der Rhetorik auch dem
Urteil des Dialektikers unterlagen (FDS 35 ff;
44 ff). Die sprachphilosophisch grundlegen- 2.1. Zur Ontologie der Stoiker
den Reflexionen fanden also in der Dialektik Ein σῶμα [Körper] ist ein τριχῇ διαστατὸν
statt. Der erste wichtige Schritt ist dort die μετ’ ἀντιτυπίας [dreidimensionales Gebilde
Untereinteilung des Faches bzw. die dazu ver- mit Widerständigkeit] und dementsprechend
wendete Unterscheidung von Bezeichnendem dasjenige, ὃ οἷόν τε ποιεῖν ἢ πάσχειν [was
und Bezeichnetem. Damit befaßt sich also der auf anderes Wirkungen ausüben oder auf das
erste Hauptteil dieses Beitrags und entwickelt von anderem eingewirkt werden kann] (FDS
in verhältnismäßig ausführlicher Form die 736 ff). Mit diesem Begriff des Körpers wand-
Grundbegriffe der stoischen Sprachphiloso- ten die Stoiker sich gegen die These, Unkör-
20 I. Raum-zeitliche Übersichten

perliches könne Wirkungen ausüben. Indem sich zwar nicht auf körperliche bzw. seiende
sie dann weiter festlegten, nur ein Körper sei Individuen zurückführen lassen; aber sie be-
etwas Seiendes (ὄν), vermieden sie die durch ziehen sich auf etwas, was an solchen Indi-
Parmenides (VS, Frgm. 2 8 B 3) vorbereitete viduen auftritt und in dieser Weise zur Kon-
gängige platonische Ansicht, etwas verdiene stitution der Realität gehört. Das sind die
schon als εἶδος, ἕν und νοητόν τι, also schon unkörperlichen τινά [Etwasse], die zwar keine
aufgrund seiner begrifflichen Bestimmtheit, Wirkungen ausüben und die auch nicht ›sind‹,
Einheit und Denkbarkeit als etwas Seiendes die aber in Abhängigkeit von Körpern Be-
betrachtet zu werden (vgl. z. B. Platon, Parm. stand haben und ›subsistieren‹ (ὑφεστάναι),
132 b—c; dazu Long/Sedley 1987 I, 164). In- wie die Stoiker sich ausdrücken (FDS 717;
folge dieser Auffassung ergäbe sich nämlich 808 f; vgl. Long/Sedley 1987 I, 164 f). Solche
die Problematik der Ideenlehre; die allgemei- Etwasse sind der Ort (τόπος), das Leere (κε-
nen Ausdrücke müßten jeweils etwas Seiendes νόν), die Zeit (χρόνος) und schließlich das
bezeichnen. Das aber tun sie keineswegs, wie Lekton (λεκτόν), das Herzstück der stoischen
die Stoiker mit dem ‘Niemand’-Sophisma (οὔ- Semantik, von dem noch ausführlich zu reden
τις) klarzustellen versuchten, welches die be- sein wird. Die stoische Ontologie geht also
sagte Voraussetzung der Ideenlehre ad absur- von materiellen Gegenständen und ihren
dum führen sollte (FDS 12 47). Die allgemei- Wechselwirkungen aus und unterscheidet
nen Ausdrücke und das, wofür sie stehen, dann dreierlei: körperliche Etwasse, unkör-
bedürfen also einer anderen Analyse. Die perliche Etwasse und Quasi-Etwasse, die we-
Grundidee der Stoiker zu diesem Punkt war der körperlich noch unkörperlich sind, weder
dann, daß der kognitive Gehalt sämtlicher ›sind‹ noch ›subsistieren‹. Jede dieser Sparten
Allgemeinbegriffe (προλήψεις, ἔννοιαι, εἴδη, wurde von den Stoikern gründlich durch-
ἐννοήματα) vollständig auf Einzelfälle (τὰ dacht. Aber was hier interessiert, ist die Spra-
καθ’ ἕκαστα) zurückgeführt werden könne; che, die sich als ganze zunächst keiner der
auch angesichts der Allgemeinbegriffe bestehe drei Klassen fügt und sich insofern der on-
das Universum nur aus individuellen Gegen- tologischen Einordnung entzieht. Weil zu ihr
ständen (FDS 315 ff). Dementsprechend sind nämlich in der Regel eine Bedeutung (σημαι-
auch die Definitionen (ὅροι) zu verstehen. νόμενον) gehört, die von ihr verschieden ist,
Zwar werden sie typischerweise als Dihäresen ist die Einheit des Gegenstandes nicht ge-
formuliert, z. B. ‘Die Rede ist eine Stimme, wahrt und eine doppelte Einstufung erforder-
die artikuliert ist und Bedeutung hat’ (vgl. lich. Ein Ausweg aus dieser Schwierigkeit be-
2 .2 .2 .). Doch unterscheiden sie sich, so wird steht darin, die Doppelung in den Begriff der
mit Betonung erklärt, von den allgemeinen Sprache aufzunehmen und sie grundsätzlich
Sätzen nur durch den sprachlichen Ausdruck; einerseits als Bezeichnendes und andererseits
und die allgemeinen Sätze haben eigentlich als Bezeichnetes anzusehen. In den nächsten
nicht die Form ‘Alle φ sind ψ’, sondern müs- Abschnitten wird gezeigt, wieso die Sprache
sen als indefinite Konditionalsätze aufgefaßt einesteils tatsächlich entsprechend ihrer phy-
werden: „Wenn etwas φ ist, ist es ψ“ (FDS sischen Realität etwas Körperliches ist und
62 9; 102 1). Auf derartige Auskünfte über Ein- anderenteils mit ihrer Bedeutung zum Un-
zelfälle sind also sämtliche Allgemeinbegriffe körperlichen gehört. Daraufhin wird sie er-
zurückzuführen. Da auch die Erkenntnispsy- stens mit der vorausgesetzten Ontologie be-
chologie diesem Grundsatz entspricht und je- schreibbar; und zweitens korrespondiert dann
der Begriff empirisch aus einzelnen αἰσθήσεις der sprachtheoretischen Unterscheidung von
[Sinneswahrnehmungen] gewonnen wird Bezeichnendem und Bezeichnetem eine maß-
(FDS 255 ff; 267 ff; 276 ff), hat die Allgemein- gebliche ontologische Unterscheidung. Das
heit als solche bei keinem Allgemeinbegriff wiederum ist ein wichtiges Argument dafür,
irgendeinen Realitätsgehalt. Die Allgemein- die Unterscheidung von Bezeichnendem und
begriffe sind daher nur gedankliche Phäno- Bezeichnetem zu einer grundlegenden Unter-
mene und im übrigen vollkommen entbehrli- scheidung zu machen, wie das die Stoiker seit
che ἐννοήματα, d. h. bloße Vorstellungsbilder Chrysipp taten.
des Verstandes. Sie erscheinen nur so, als
stünden sie für etwas, sind aber Fiktionen 2.2. Über die Stimme
und repräsentieren nicht mehr als folgenlose
ὡσανεί τινα [Quasi-Etwasse] (FDS 315 ff; Im ersten Teil der Dialektik betrachteten die
12 47). Jedoch gehen wir darüber hinaus mit Stoiker die Sprache, insofern sie etwas Be-
einigen Begriffen und Vorstellungen um, die zeichnendes (σημαῖνον) ist. Im ersten Kapitel
dieses Teils äußerten sie sich zur Konstitution
2.  Stoische Sprachphilosophie 21

des Bezeichnenden und analysierten es mit Definition des Diogenes, die sich allerdings
Hilfe der Begriffe ‘φωνή’ [Stimme, Laut], ‘λέ- einer schwer verständlichen Terminologie be-
ξις’ [sprachlicher Ausdruck, Phonemreihe] diente und deshalb von Diogenes in Anleh-
und ‘λόγος’ [Rede]. nung an Aristoteles umgestaltet wurde; nach
ihr war die Stimme τὸ αἰσθητὸν ἀκοῆς ὅσον
2.2.1. Definition und Ursprung der Stimme ἐφ’ ἑαυτῷ [das Wahrnehmungsobjekt des Ge-
hörs, soweit dies an ihm selbst liegt] (1986,
Mit den Aristotelikern, vor allem aber mit 169—175).
Platon und seiner Schule setzten die Stoiker Da die Stimmdefinitionen eigentlich
sich nachdrücklich über die Frage auseinan- Schalldefinitionen sind und nur das Genus
der, ob die Stimme körperlich oder unkör- fixieren, muß die Stimme daraus durch die
perlich sei. Während die Gegner argumentier- Angabe eigentümlicher Merkmale erst noch
ten, die Stimme existiere nur, solange sie her- ausgegrenzt werden, bevor sie ihrerseits in
vorgebracht werde, also nur im Werden und Unterarten gegliedert werden kann. Die The-
niemals als dauerhaftes Resultat eines Pro- sen zur Herkunft der Stimme erfüllen diese
duktionsprozesses, deshalb sei sie nichts Sei- Aufgabe und stellen die Gesichtspunkte für
endes und daher kein Körper (FDS 481), tru- die weitere Untergliederung bereit; zugleich
gen die Stoiker zahlreiche Argumente für die bringen sie die physiologischen und psycho-
Körperlichkeit der Stimme zusammen. Indem logischen Aspekte der Sprache in die Dialek-
die Stimme z. B. vom Sprecher zum Hörer tik ein. Um vom Schall zur Stimme eines
übergeht oder weil ihre Lautstärke durch äu- Lebewesens zu kommen, werden die Stoiker
ßere Einflüsse evtl. beeinträchtigt wird, kann (Diogenes v. Babylon) — so ist rekonstruktiv
sie Wirkungen ausüben und erleiden. Da sie zu vermuten — die Schallquelle spezifiziert
also ein Körper (σῶμα) — und deshalb auch und gesagt haben, daß die Stimme nicht aus
etwas Seiendes (ὄν) — ist, wandelten die Stoi- dem Kopf komme, sondern von weiter unten
ker eine Aristotelische Beschreibung des ψό- durch die Luftröhre (Ax 1986, 181; vgl. FDS
φος [Lauts, Schalls] (De anima II 8, 419 b 9— 450). Der nächste Schritt ist die Differenzie-
11) ab und definierten die φωνή [Stimme] rung zwischen Menschen- und Tierstimme.
nicht als πλήγη ἀέρος [Erschütterung von Zu diesem Zweck unterschied man bedeut-
Luft], sondern als ἀὴρ πεπληγμένος [erschüt- same und nichtbedeutsame Stimmen (φωναὶ
terte Luft] (FDS 476; 479 ff; 482 ff; 489 ff). σημαντικαί vs. φωναὶ ἄσημοι). Für Chrysipp
Nach Eustathius geht diese Definition bereits war der Aufgabe damit schon Genüge getan;
auf Zenon v. Kition zurück (FDS 487); be- er meinte, daß die Tiere (und die Kinder) zwar
rühmt geworden ist sie als die erste Definition zu stimmlicher Artikulation in der Lage seien
der Stimme des Diogenes v. Babylon. Dessen und es darin u. U. sogar bis zur Nachahmung
zweite Definition erklärt die Stimme als τὸ von Wörtern bringen, daß dagegen allein der
ἴδιον αἰσθητὸν ἀκοῆς [das individuelle Wahr- (erwachsene) Mensch die stimmlichen Äuße-
nehmungsobjekt des Gehörs] (FDS 476). rungen geordnet hervorbringen könne und
Nachdem die erste Definition an die Erzeu- ihnen einen Sinn zu geben vermöge (FDS
gung der Stimme anknüpft, geht die zweite 512 ). Diogenes v. Babylon sah das etwas dif-
von der Seite des Hörers aus. Auch sie lehnt ferenzierter. Er unterschied die bedeutsamen
sich an eine Aristotelische Charakterisierung Stimmen in solche, die vom Verstand (ἀπὸ
des Lauts an (De anima II 6, 418 a 11 ff u. ö.) διανοίας) und in solche, die triebhaft (ὑπὀ
und nimmt wie die erste Definition in Kauf, ὁρμῆς) verursacht werden, und erklärte erst
daß das Definiens eigentlich nicht die Stimme auf dieser Ebene, erstere seien Menschen- und
umschreibt, sondern den Schall. Die Bedeu- letztere Tierstimmen. Hinter beiden Ursachen
tungsbreite des griechischen Wortes für der Stimme steht eine Vorstellung (φαντασία),
‘Stimme’ läßt das zwar zu. Aber es wirkt die sich also entweder über die Wirkungskette
trotzdem unproportioniert und dient im An- ‘Verstand — bedeutsame Menschenstimme’
schluß an Xenokrates offenbar der Absicht, oder über die Wirkungskette ‘Trieb — be-
den Gegenstand der Sprachtheorie ab ονο ein- deutsame Tierstimme’ mitteilt und Ausdruck
zuführen (vgl. Ax 1986, 159 ff); die Dialektik verschafft (FDS 476; vgl. Ax 1986, 181—190).
beginnt mit physikalischer Akustik. Das frei- Trotz der Differenzen zwischen Diogenes und
lich war auch in der Stoa nicht neu. Denn Chrysipp können die beiden doch gemeinsam
Wolfram Ax konnte aus den lateinischen die Unterscheidung von äußerer und innerer
Grammatikern und aus Plutarch eine Chry- Rede (λόγος προφορικός vs. λόγος ἐνδιάθε-
sippsche Definition der Stimme wiederher- τος) vertreten und sagen, allein beim Men-
stellen, die das gleiche besagt wie die zweite
22 I. Raum-zeitliche Übersichten

schen sei die äußere Rede Ausdruck einer Stimme] bestimmt. Das gegenseitige Verhält-
inneren (FDS 52 8 ff). Außerdem können sie nis dieser Begriffe ist freilich unklar, ein di-
sich beide das Argument des Schulgründers häretisches Gefüge allenfalls zu vermuten.
aneignen, wonach der Verstand (διάνοια) in Demgegenüber stellt das System des Diogenes
der Gegend des Herzens sitzt. Denn die v. Babylon eine erheblich vertiefte Einsicht in
Stimme kommt aus der Luftröhre; und woher die Ordnung der Ebenen dar, die bei der Ana-
die Stimme kommt, kommt auch die Rede; lyse der Sprache zu unterscheiden sind.
die aber kommt vom Verstand, der sich also Zur Verdeutlichung sei hinzugefügt, daß
nicht im Gehirn befindet (FDS 449 ff). jede Erscheinungsform der Stimme für sich
weiteren Untersuchungen zugänglich ist. So
2.2.2. Die Erscheinungsformen der Stimme hat die λέξις — zumal nach der älteren De-
finition — als kleinste Einheit ihr στοιχεῖον
Die weitere Differenzierung der Stimme ist [Element], nämlich das Phonem bzw. den
von Diogenes Laertius 7,56 f (FDS 476) in Buchstaben; im Griechischen gibt es davon
sehr unübersichtlicher Form überliefert wor- 2 4 Stück, die sich in Vokale und verschiedene
den. Klarheit gewinnen wir da nur dank des Arten von Konsonanten gruppieren (FDS
Umstandes, daß Galen das bereits erwähnte 476). In anderer Weise wird die λέξις beim
Argument zum Sitz des Verstandes in drei Studium des διάλεκτος [Dialekts] thematisiert
Fassungen überliefert hat, nämlich in den ver- (darunter verstanden die Stoiker sowohl na-
hältnismäßig unterschiedlichen Formulierun- tional- als auch regionalsprachliche Varianten
gen Zenons, Diogenes’ und Chrysipps (FDS der λέξις, also z. B. das Griechische im Un-
450). Daraus und aus dem Diogenes Laertius- terschied zu anderen Sprachen und innerhalb
Text ergibt sich, daß Diogenes v. Babylon die des Griechischen etwa das Attische im Ver-
Stimme im eigentlichen Sinne (also nicht den gleich zum Ionischen) und in wieder anderer
Schall) nach linguistischen Eigenschaften di- Weise bei der Erörterung von Versen (ποιή-
häretisch weiter untergliedert hat, und zwar ματα), die Poseidonios als metrische oder
in folgender Weise: Die Stimme ist entweder rhythmische λέξεις definierte (FDS 594). Der
artikuliert oder nicht artikuliert. Wenn sie λόγος hat ebenfalls seine στοιχεῖα [Ele-
nicht artikuliert ist, handelt es sich um bloße mente], worunter man in diesem Fall aber
Laute (ἦχος). Wenn sie dagegen artikuliert ist nicht die einzelnen Wörter verstand, sondern
(φωνὴ ἔναρθρος), handelt es sich um eine die verschiedenen μέρη λόγου [Wortarten]
λέξις [Phonemreihe], die dann entweder etwas (FDS 536 a; 539 ff), mit denen sich der zweite
bezeichnet oder aber nichts bezeichnet. Wenn Themenkomplex des ersten Teils der Dialek-
sie etwas bezeichnet (λέξις σημαντική), han- tik befaßt. Der dritte Komplex behandelte die
delt es sich um eine Rede (λόγος). Und wenn ἀρεταὶ καὶ κακίαι λόγου [Vorzüge und Fehler
sie andererseits nichts bezeichnet (λέξις ἄση- der Rede]. In diesem weitgehend stilistischen
μος), hat man den Fall von βλίτυρι oder oder gar rhetorischen Gebiet gab es auch
σκινδαψός, die frühzeitig zu Paradebeispielen sprachlogisch interessante Themen, da die
für Unsinnswörter geworden sind, die aber Rede zumindest den Vorzug des ἑλληνισμός
ursprünglich aus der Musik kommen und [Hellenismos] haben, d. h. gutes Griechisch
‘Anschlag eines Saiteninstruments’ bzw. ‘Sai- sein sollte und deshalb nach stoischer Erklä-
teninstrument’ bedeuten. Wie sie von dieser rung zwei wohlunterschiedene Fehler vermei-
Bedeutung zu ihrer späteren Rolle gekommen den mußte, den βαρβαρισμός [Barbarismus]
sind, dafür gibt die Deutung von Hagius einen und den σολοικισμός [Solözismus], d. h. un-
Fingerzeig; er meint, βλίτυρι und σκινδαψός korrekt geformte Wörter und syntaktische
stünden in der stoischen Dialektik für Musik- Unstimmigkeiten (FDS 594). Mit dem Solö-
stimmen oder ähnliche artikulierte Laute, die zismus stellt sich wie schon bei der Frage nach
aber ihrerseits keine Bedeutung haben, auf der Kombinierbarkeit der Wortarten das Pro-
die sie verweisen würden (1979, 12 6). Die blem einer Syntaxtheorie (vgl. 3.2 .1.); und der
Stimmdihärese des Diogenes v. Babylon sollte Barbarismus könnte nach einer Vermutung
ein älteres Begriffssystem ablösen, das ver- Fredes (1978, 68—70) der Zusammenhang ge-
mutlich von Xenokrates herkam und von wesen sein, in dem die Stoiker ihre etymolo-
Chrysipp noch verwendet wurde. Danach gischen Theorien entwickelten (vgl. 2 .3.3.). —
wird die λέξις [Phonemreihe] durch die Auf- Schon aufgrund dieser Themen erscheint die
schreibbarkeit der Stimme definiert (φωνὴ ἐγ- Rede (λόγος) als das Hauptthema des ersten
γράμματος) und der λόγος [die Rede] als Teils der Dialektik. Das ist sie aber vor allem
φωνὴ σημαντικὴ ἀπὸ διανοίας ἐκπεμπομένη deshalb, weil im Unterschied zur Phonem-
[bedeutungsvolle, vom Verstand ausgesandte
2.  Stoische Sprachphilosophie 23

reihe (λέξις) erst sie wirklich etwas Bezeich- 2.3. Die Bedeutungstheorie


nendes (σημαῖνον) ist. Sie ist daher auch das
eigentliche Ziel des Kapitels über die Stimme; Die Rede (λὁγος) unterscheidet sich von der
was dort an Sprachebenen unterschieden Phonemreihe (λέξις) dadurch, daß sie etwas
wird, läßt sich dementsprechend am besten bezeichnet. Nun wird der Begriff des Bezeich-
begründen, wenn man nicht so sehr beim neten (σημαινόμενον) in den Quellen häufig
Schall den Anfang macht als vielmehr den dem zentralen Begriff der stoischen Semantik
λόγος mit vielfältigen anderen stimmlichen gleichgesetzt, nämlich dem Begriff des λεκ-
τόν, d. h. des Gesagten oder Sagbaren, im
Äußerungen und Tönen vergleicht. folgenden meist unübersetzt und lediglich
Gleichwohl ist die bisher erreichte Be-
schreibung der Rede noch unbefriedigend. transkribiert: Lekton (vgl. 1.2 .). Manchmal
Zunächst legen die Definitionen der λέξις und sagte man dafür auch ‘λεγόμενον’ [gesagt
werdendes, Gesagtes] (z. B. FDS 194; 476;
des λόγος nichts über deren Länge fest. Λέξις 703). Die bedeutungstheoretische Frage, was
ist alles, was artikuliert bzw. aufschreibbar
ist, also Phoneme oder Buchstaben ebenso des genaueren unter dem Bezeichneten zu ver-
wie Silben, Wörter, Sätze und ganze Texte; stehen ist, welches als etwas von der Rede
Verschiedenes zu ihr gehört, führt daher zur
und den Begriff des λόγος erfüllt jedes ir- Lektontheorie der Stoiker, um die es nun ge-
gendwie sinnvolle Wort ebenso wie jede um-
hen wird. Allerdings ist eine begriffliche Vor-
fangreichere sinnvolle Äußerung, handle es bemerkung nötig: Wenn zu jeder Rede etwas
sich nun um einen Satz oder um eine längere Bezeichnetes gehört und wenn die Termini
Rede. Daran ist nichts auszusetzen, solange ‘Bezeichnetes’ und ‘Lekton’ äquivalent sind,
nur die Stimmdihärese zugrundegelegt wird. bezeichnet jede Rede ein Lekton. Ob das aber
Aber Einzelworte sind eigentlich bloß Grenz- tatsächlich so ist, steht erst in 2 .3.3. zur De-
fälle der Rede und nicht der Normalfall. Die batte und wird dort verneint; um ein Lekton
Definition des λόγος sollte deshalb auch syn- zu bezeichnen, muß die Rede mehr Anfor-
taktische oder pragmatische Gesichtspunkte derungen erfüllen als nur die, etwas zu be-
einbringen. So gesehen ist der bisherige Be- zeichnen. Auf dieses Ergebnis wird im folgen-
griff der Rede, der sich allein auf das Merk- den nicht vorgegriffen. Vielmehr wird der rein
mal des Bedeutunghabens stützt, zu schwach. semantische Redebegriff aus dem Kapitel
Daß die Stoiker ihn nachgebessert hätten, ist über die Stimme als Mindestbegriff der Rede
nicht bezeugt; und es ist schwer zu sehen, an vorausgesetzt und so argumentiert, daß das
welcher Stelle der Dialektik sie dafür einen Gesagte nicht geändert werden muß, wenn
Ansatzpunkt gehabt haben könnten. Trotz- ein stärkerer, für das Lekton geeigneter Re-
dem müssen sie das Problem gespürt haben. debegriff unterlegt wird.
Denn schon in der Lehre von den Wortarten,
die bezeichnenderweise μέρη λόγου [›Rede-
teile‹] heißen, wird ein syntaktisch angerei- 2.3.1. Der Begriff des Lekton
cherter Begriff der Rede unterstellt. Und wie Worin die Bedeutung der Rede besteht und
sich in 2 .3.4. weiter herausstellen wird, ist der was das Lekton ist, erklärten die Stoiker ei-
Redebegriff, der im zweiten Teil der Dialektik nerseits gelegentlich unter Bezugnahme auf
für das Lekton vorausgesetzt wird, außerdem die äußere, stimmlich verlautbarte Rede (λό-
durch sprachpragmatische Gesichtspunkte γος προφορικός) und definierten es anderer-
bestimmt. Auch wenn von diesem Ergebnis seits auf eine vorstellungstheoretische Weise.
jetzt noch nicht ausgegangen werden kann, Wenn sie den ersten Weg gingen, erinnerten
ist es wichtig, auf entsprechende Probleme sie z. B. an die Situation eines uninformierten
gefaßt zu sein und zu beachten, was die bis- Laien (ἰδιώτης) im Kreis fachsimpelnder Spe-
herige rein semantische Rededefinition nicht zialisten oder an einen Ausländer (βάρβαρος),
sagt. Daß die Rede bezeichnend sei und eine der in eine Unterhaltung hineingerät, die in
Bedeutung habe, besagt zwar, daß ihr etwas einer ihm unbekannten Sprache geführt wird
Bezeichnetes zugeordnet ist. Es sagt aber (FDS 514; 67). Beide verstehen nicht, welche
nichts Genaueres über das Bezeichnete und Bedeutung die verschiedenen Äußerungen
besagt insbesondere nicht, daß der Typ des haben, worum es in den einzelnen Redebei-
Bezeichneten bei jeder Art von Rede derselbe trägen geht und was jeweils gesagt wird, und
sein müßte; vielmehr kann er, soweit es nach unterscheiden sich eben dadurch von den ei-
der semantischen Rededefinition geht, ganz gentlichen Gesprächsteilnehmern. An diesen
verschieden ausfallen und durchaus ontolo- Unterschied knüpften die Stoiker den Begriff
gisch differieren. der Bedeutung oder des Bezeichneten (σημαι-
24 I. Raum-zeitliche Übersichten

νόμενον) an, den Begriff der intendierten Sa- ausdrücklich hingewiesen; in 2 .3.2 . kommen
che (μρᾶγμα) und nicht zuletzt den Begriff wir auf diesen Punkt zurück.
des Gesagten oder Sagbaren (Lekton); die Was sich über das Bezeichnete und das
drei Begriffe beziehen sich in jeweils anderer Lekton sonst ergibt, ist (a), daß es nicht nur
Weise gleichermaßen auf das, was von den etwas anderes als die äußere Rede ist, sondern
eigentlichen Gesprächsteilnehmern verstan- auch etwas anderes als die vernünftige (re-
den wird, nicht aber vom Laien oder vom detaugliche) Vorstellung (λογικὴ φαντασία)
Ausländer, und sie gelten dementsprechend und etwas anderes als die Gegenstände, auf
als äquivalent. Dagegen wurde die eigentliche die wir uns mit der Sprache beziehen. Sextus
Definition des Lekton vorstellungstheoretisch Empiricus unterstreicht diese Unterschiede,
formuliert. Danach ist es „τὸ κατὰ λογικὴν wenn er an der berühmten Stelle Adv. M ath.
φαντασίαν ὑφιστάμενον“ [das, was nach 8, 11 f von den verschiedenen Theorien über
Maßgabe einer vernünftigen (redetauglichen) den Ort des Wahren und Falschen spricht und
Vorstellung subsistiert] (FDS 33; 696; 699; dabei berichtet, daß nach stoischer Lehre
auch 67). Von einer Vorstellung (φαντασία) „τρία [...] συζυγεῖν ἀλλήλοις, τὸ τε σημαι-
auszugehen hatte für die Stoiker den Vorteil, νόμενον καὶ τὸ σημαῖνον καὶ τὸ τύγχανον“
daß sie die Bedeutung unabhängig von den [dreierlei miteinander in Verbindung stehe:
verschiedenen Arten sprachlicher Aktivitäten das Bezeichnete, das Bezeichnende und das
definieren konnten. Ob man nämlich denkt, Erlangende (der Namenträger)] (FDS 67).
laut vernehmlich redet oder eine Rede anhört, Und die Abgrenzung des Lekton von der Vor-
in jedem Fall geht der Verstand mit etwas um, stellung ist nicht nur wegen der peripateti-
das sich ihm dargeboten und ihn affiziert hat, schen Lehrtradition hervorhebenswert (vgl.
also mit einer Vorstellung; und diese offenbart Aristoteles, De interpr. 1, 16 a 3—8, wo die
sowohl sich selbst als auch ihre Ursache (FDS Vorstellung als Bedeutung sprachlicher Zei-
2 68) und macht so zugleich klar, ob das Vor- chen angesehen werden kann), sondern auch
gestellte auf einen Sinneseindruck von mate- deshalb, weil Vorstellungen und gedankliche
riellen Gegenständen zurückgeht, begrifflich Akte nach Auffassung der Stoiker bestimmte
bedingt ist oder bloß auf Fiktion beruht. Alle natürliche Modifikationen des menschlichen
diese Varianten wurden von den Stoikern be- Zentralorgans (ἡγεμονικόν) und folglich pri-
dacht (vgl. FDS 2 55; 2 67 ff) und brauchen in vate Ereignisse sind; als solche können sie
einer vorstellungstheoretischen Konzeption schwerlich das sein, was gedacht, gesagt und
nicht einzeln durchgemustert zu werden. verstanden wird oder werden kann, so daß es
Doch davon abgesehen laufen die beiden Er- zum Zwecke einer Bedeutungstheorie auch
klärungen auf dasselbe hinaus, weil einerseits von daher nötig ist, den menschlichen Geist
die äußere, stimmlich verlautbarte Rede auf von dem abzugrenzen, was er denkt. Die ent-
die innere Rede verweist und auf eine Vor- sprechende Unterscheidung bei der äußeren
stellung zurückgeht (vgl. 2 .2 .1.), so daß auch Rede ist die zwischen Bezeichnendem und Be-
die Bedeutung der Rede bzw. das Lekton un- zeichnetem/Lekton; sie ist zusätzlich deshalb
ter Bezugnahme auf eine Vorstellung erklär- sinnvoll, weil man mit ein und demselben Satz
bar sein muß. Auf der anderen Seite setzt die u. U. Verschiedenerlei tun, d. h. verschiedene
Definition des Lekton bei der vernünftigen Sprechakte ausführen kann (FDS 909; 913)
(redetauglichen) Vorstellung an, d. h. bei der- und weil mit demselben Behauptungssatz
jenigen Vorstellung, „καθ’ ἣν τὸ φαντασθὲν ggfls. mehrere verschiedene Aussagen ge-
ἔστι λόγῳ παραστῆσαι“ [der zufolge es mög- macht werden können (vgl. 3.1.3.). — Ferner
lich ist, das Vorgestellte durch Rede zu prä- (b) ist die Bedeutung (τὸ σημαινόμενον) ein
sentieren] (FDS 699), oder die als gedankli- bestimmtes Etwas, nämlich das, was gemeint,
cher Akt (νόησις) eine Disposition zum Aus- gesagt und verstanden wird, der intersubjek-
sprechen hat (FDS 2 55). Sie unterscheidet sich tiv vermittelbare objektive Inhalt eines ge-
von anderen Vorstellungen, die nicht auf danklichen bzw. sprachlichen Aktes. Obwohl
sprachliche Weise geäußert werden können, alle Vorstellungen und Begriffe empirische
und hat offenbar in allen sprachtheoretisch Grundlagen haben, hängt sie deshalb von
wichtigen Hinsichten dieselben Eigenschaften unserem Denken und Sprechen ab. Das heißt
wie die äußere Rede (vgl. Long 1971, 82 f). jedoch nicht, daß die Lekta der Realität bloß
Und wenn es heißt, das Lekton sei etwas als eine Art Raster übergeworfen würden (so
Subsistierendes (ὑφιστάμενον), also ein un- Watson 1966, 2 7 f). Denn Wirkungen gehören
körperliches Etwas, so wird darauf im Zu- von Hause aus zur Realität und werden von
sammenhang der anderen Erklärung ebenfalls den Stoikern als Lekta verstanden (vgl.
2.  Stoische Sprachphilosophie 25

2 .3.2 .), und wahre Aussagen, eine besonders etwas Unkörperliches, das nicht ›ist‹ (εἶναι),
prominente Art der Lekta, entsprechen den sondern lediglich ›subsistiert‹ (ὑφεστάναι).
Tatsachen (vgl. 3.1.1.). Beides setzt voraus, Aus welchen Gründen die Stoiker zu dieser
daß die Lekta Konstituenten der uns umge- Einschätzung gekommen sind, ist nicht aus-
benden Wirklichkeit sind. Mit den anderen drücklich überliefert, läßt sich aber vermuten:
Feststellungen — Unterschied zu den Gegen- (1) Was sinnvolle Behauptungssätze bedeu-
ständen, auf die wir uns sprachlich beziehen, ten, kann wahr oder falsch sein; und falsche
und Abhängigkeit vom Denken/Sprechen — affirmative Aussagen können keine Bedeu-
paßt dies dann zusammen, wenn die Lekta tung haben, die eine körperliche Existenz
auch als Konstituenten der Wirklichkeit nicht hätte. (2 ) Sätze bestehen aus mehr Elementen
anders als sprachlich in Erscheinung treten als die Realität, auf die sie sich beziehen;
können. Indem sie als vermittels der Sprache zumindest das Verb hat dort kein separat
bezeichnete Gebilde zur Wirklichkeit gehö- vorweisbares Gegenstück. ‘Cato spaziert’ be-
ren, bilden sie die Beziehung zwischen Spra- zieht sich vielmehr nur auf einen einzigen
che und Welt und sind für eine objektive Körper; dieser befindet sich allerdings in
Darstellung der Welt unentbehrlich (vgl. das einem bestimmten Zustand, den wir als Merk-
Unverständnis des Laien und des Ausländers, mal von ihm abstrahieren, indem wir ihm ein
ferner die ansonsten unzulängliche Lektoner- entsprechendes Prädikat zusprechen (vgl.
klärung des Ammonios, FDS 702 ). — Wei- FDS 443; 892 ). Demnach können die Lekta
terhin (c) gilt das Lekton als πρᾶγμα [(inten- (Prädikate oder auch Aussagen) als Abstrak-
dierte) Sache], lateinisch durch ‘res’ wieder- tionen von Körpern angesehen werden und
gegeben. Obwohl diese Bezeichnung am Bei- sind dann buchstäblich ›körper-los‹; mögli-
spiel des Laien oder des Ausländers intuitiv cherweise ist dies der Sinn, in dem sie „κατὰ
gerechtfertigt und der damit verbundene Sinn μετάβασίν τινα“ [aufgrund eines Übergangs,
von etwas Gedachtem aus den anderen An- einer Transzendierung] (FDS 2 55) gedacht
gaben zum Lekton verständlich wird, liegt werden. Zu diesen beiden Gründen, die Long
darin eine systematische Schwierigkeit. Der und Sedley für die Unkörperlichkeit der
Ausdruck πρᾶγμα steht bei den griechischen Lekta angeben (1987 I, 199 f), kann man (3)
Grammatikern und von der Grundbedeutung ein kommunikationstheoretisches Argument
her für eine Tätigkeit oder ein Erleiden; des- hinzufügen: Die Körperlichkeit bemißt sich
halb hat er eine besondere Affinität zu aktiven danach, ob etwas Wirkungen ausüben oder
und passiven Prädikaten (κατηγορήματα erleiden kann. Als stimmliche Äußerung be-
ὀρθά und κ. ὕπτια), und dieser Bezug war für steht die Sprache diesen Test, da sie z. B. vom
die Stoiker zweifellos wichtig (vgl. 2 .3.2 .). Sprecher zum Hörer hindringt. Ihre Bedeu-
Nun gibt es aber auch Lekta ohne Prädikate, tung indes läßt sich, wie der Fall des Auslän-
z. B. das προσαγορευτικόν [die Anrede] (FDS ders (βάρβαρος) und das Beispiel des Laien
874; 897). Daher meinte Nuchelmans, die (ἰδιώτης) zeigen, nicht auf die stimmliche
Stoiker seien erst angesichts solcher Lekta Äußerung reduzieren, sondern tritt in Verbin-
dazu übergegangen, unter einem πρᾶγμα bloß dung mit ihr als etwas anderes auf und besteht
etwas Gedachtes zu verstehen (1973, 67). Da- den Test nicht. Denn im Unterschied zur
gegen hat neuerdings Schenkeveld vorge- stimmlichen Äußerung wird sie dem Hörer
schlagen, die gedachte Sache enger mit der nur bedingt zuteil (falls er nämlich sprach-
Tätigkeit zu verknüpfen, die in den verschie- kundig ist, genug Vorwissen mitbringt
denen Sprechakten selber liegt, und in ihren u. a. m.) und entfernt sich jedenfalls nicht vom
Begriff etwa auch den Gedanken des Anre- Sprecher, der das Gesagte ja u. U. wiederho-
dens aufzunehmen (1984, 313 f). Wenn das len kann. Das Lekton ist daher auf keinen
richtig ist, gibt es bei jedem Lekton eine Mög- Fall ein Körper. Daß zwischen ihm auf der
lichkeit, seine Bezeichnung als πρᾶγμα mit der einen Seite und seiner sprachlichen Darstel-
Grundbedeutung dieses Wortes in Verbin- lung auf der anderen Seite ein wesentlicher
dung zu bringen. ontologischer Unterschied besteht, ist also bei
den Stoikern die Erklärung dafür, daß meh-
2.3.2. Die Unkörperlichkeit der Lekta rere Personen mit ihrem jeweils eigenen Ver-
Da das Bezeichnete/Lekton etwas anderes als stand doch denselben Gedanken fassen kön-
das Bezeichnende und die vernünftige Vor- nen.
stellung ist, muß es ontologisch eigens einge- In diesem Zusammenhang muß aber auch
stuft werden. Wie schon mehrfach angedeutet die Ursachenlehre erwähnt werden. Bereits
wurde, ist es anders als die Stimme und Rede Zenon v. Kition verstand unter einer Ursache
26 I. Raum-zeitliche Übersichten

(αἴτιον) das, was infolge stoischen Einflusses — sogar die Bedeutungen sämtlicher sprach-
später weithin als Ursache galt, nämlich ein licher Zeichen als Lekta gegolten hätten. Ob-
Ding, das durch seine Tätigkeit eine Wirkung wohl ich diese Einschätzung seinerzeit selbst
hervorbringt. Als ein solches Ding ist die Ur- unterstützt habe (1979, 2 96) und ungeachtet
sache ein Körper. Die Wirkung indes ist kein des Umstands, daß Nuchelmans die zugehö-
Ding, sondern ein unkörperliches Ereignis rige Begriffsgeschichte genauer zu rekonstru-
(συμβεβηκός). Sie wird nämlich erst hervor- ieren versucht hat (1973, 45—72 ), sind Zwei-
gebracht und ist jedenfalls nichts, worauf be- fel angebracht, u. a. deshalb, weil der Termi-
reits eingewirkt werden könnte oder was gar nus ‘Lekton’ mit einer relativ umfangreichen
seinerseits Wirkungen auszuüben vermöchte Bedeutung schon um 300 v. Chr. im Philetas-
(FDS 762 ff). Wie Long und Sedley (1987 I, Epigramm vorzukommen scheint (FDS
340) außerdem geltend machen, gibt es un- 699 a). Im übrigen ergibt die Nachricht von
beschadet der durch die Ursache herbeige- Kleanthes schon dann einen vollkommen be-
führten Veränderungen etwas kontinuierlich friedigenden Sinn, wenn Kleanthes und Ar-
Fortbestehendes; auch deswegen muß die chedemos, der im fraglichen Fragment eben-
Wirkung unkörperlich sein. Wenn beispiels- falls erwähnt wird (FDS, 763), lediglich be-
weise mit einem Messer Fleisch geschnitten sonders betont und hervorgehoben haben,
wird, bringt das Messer am Fleisch die Wir- daß die Prädikate Lekta und eben keine rea-
kung hervor, geschnitten zu werden, wobei len Gegenstände wie die seien, für die die
aber kein neues Ding entsteht und auch keins Nominalphrasen eines Satzes stehen. Zu sol-
verschwindet, sondern das Fleisch fortbesteht cher Betonung gab es genügend Anlaß.
(FDS 763 ff). Die Wirkung ist also kein Kör-
per. Sie läßt sich aber sprachlich darstellen 2.3.3. Vollständige und unvollständige
und erscheint dann als dasjenige, was durch Lekta
ein Verb (ῥῆμα) bezeichnet wird: ‘Das Messer
schneidet das Fleisch’, ‘Das Fleisch wird ge- In unmittelbarer Nachbarschaft der Defini-
schnitten’. Daher analysierten die Stoiker die tion des Lekton überliefern Diogenes Laertius
Wirkung schon von Zenon an als Bedeutung und Sextus Empiricus auch seine Einteilung
eines Verbs, d. h. als ein — selbstverständlich (FDS 696; 699; s. a. 33; 695). Danach sind die
unkörperliches — κατηγόρημα [Prädikat] Lekta teils vollständig (αὐτοτελῆ) und teils
(FDS 762 ). Spätestens Kleanthes hat die unvollständig (ἐλλιπῆ). Zur Erläuterung der
κατηγορήματα [Prädikate] dann ganz pas- Einteilung wäre eine Definition der Vollstän-
send als Lekta bezeichnet (FDS 763), die dar- digkeit hilfreich; doch so etwas ist nicht über-
aufhin ebenfalls unkörperlich sein müssen. — liefert. Statt dessen werden gleich anschlie-
Zwei ergänzende Bemerkungen mögen diesen ßend oder auch anderwärts als unvollständige
Komplex abrunden: (a) Wenn Ursache/Wir- Lekta κατηγορήματα [Prädikate] angegeben,
kungs-Verhältnisse sprachlich dargestellt wer- u. U. auch mehrere Prädikatarten, und als
den und wenn die Nominal- und die vollständige Lekta werden ἀξιώματα [Aussa-
Verbphrasen dabei so Verschiedenartiges aus- gen], συλλογισμοί [Syllogismen], ἐρωτήματα
drücken, wie das die Stoiker lehrten, dann καὶ πύσματα [Entscheidungs- und Bestim-
haben diese Satzteile asymmetrische seman- mungsfragen], προστακτικά [Aufforderun-
tische Funktionen. Insofern beeinflußt die gen], ὁρκικά [Eide] u. a. m. genannt, lauter
Lehre von Ursache und Wirkung auch die abgerundete Sinneinheiten, die anscheinend
Prädikations- und Aussagentheorie; und die höchstens aus externen Gründen zu Rückfra-
Lektontheorie soll offenbar dazu beitragen, gen nötigen. Offenbar kann man mit einem
die Komplementarität und die Asymmetrie vollständigen Lekton einen illokutionären
der semantischen Funktionen von Nominal- Sprechakt vollziehen; und es erscheint als
und Verbphrasen einheitlich zu deuten. — (b) sinnvoll, die Bedeutungen der zum Vollzug
Kleanthes ist der erste Stoiker, von dem aus- solcher Sprechakte eingesetzten Reden als
drücklich bezeugt ist, daß er von Lekta ge- Lekta und als (intendierte) Sachen (πράγ-
sprochen hat. Man hat deshalb vermutet, er ματα) anzusehen. Auch die naheliegende Fol-
habe die Rede von Lekta überhaupt erst ein- gerung, daß unvollständige Lekta für einen
geführt und eben die Prädikate so genannt. illokutionären Sprechakt nicht ausreichen,
Von dieser Ursprungsbedeutung aus sei der wird durch deren kurze Liste bestätigt; Prä-
neue Terminus mit einer gewissen Konse- dikate allein reichen dazu in der Tat nicht
quenz zunehmend extensiver verwendet wor- aus, geben vielmehr zu Rückfragen Anlaß
den, bis schließlich — vielleicht! (vgl. 2 .3.3.) (FDS 696). Trotzdem nötigt die Einteilung
dazu, den Lektonbegriff und sein Umfeld
2.  Stoische Sprachphilosophie 27

noch einmal zu überprüfen. Es fragt sich näm- ker sicher nicht erklärt, in den molekularen
lich, ob die kurze Liste unvollständiger Lekta Aussagen (Lekta) würden die Teilaussagen
abgeschlossen ist oder ob es außer den Prä- (Lekta) durch Konjunktionen verknüpft, die
dikaten auch noch andere unvollständige unstreitig zum Bezeichnenden gehören und
Lekta gibt. Aufgrund der Erklärung des λό- keine Lekta sind (FDS 914). — (b) Seit den
γος [der Rede] im Kapitel über die Stimme Sophisten fragte man in der Sprachphiloso-
hätte man erwarten dürfen, daß jedes Wort, phie nach dem Verhältnis der Wörter zu den
das eine Bedeutung hat, ein Lekton bezeich- Dingen; Platons Kratylos ist das herausra-
net, und daß dieses Lekton nun als ein un- gende literarische Zeugnis dieser bedeutenden
vollständiges Lekton eingestuft würde. Diese Tradition (s. Art. 14). Die Stoiker haben dazu
Erwartung bestätigt sich jetzt allein für Ver- ausgiebig Stellung bezogen und nicht nur fest-
ben (ῥήματα) oder auch für umfangreichere gestellt, daß gelegentlich Anomalie (ἀνομα-
Verbphrasen; denn die drücken Prädikate im λία) herrscht, wenn nämlich ähnliche Dinge
Sinne der Stoiker aus (FDS 536). Dagegen unähnlich bezeichnet werden oder ähnliche
wird die Erwartung in allen anderen Fällen Bezeichnungen für unähnliche Dinge stehen
enttäuscht, und das sogar auf zwei Weisen. (FDS 640). Angeregt von Platon haben sie zu
Die erste Frage ist dann, ob die Liste der diesem Thema vielmehr vor allem ihre ety-
unvollständigen Lekta wirklich abgeschlossen mologischen Theorien entwickelt. Danach
ist. Falls sie dies ist, besteht ein Unterschied haben die ursprünglichen Wörter ihre Bedeu-
zwischen dem Redebegriff, der bei der Erklä- tung nicht auf konventionelle, sondern auf
rung des Lekton zugrundegelegt wurde, und natürliche Weise bekommen, indem sie die
dem Begriff, der aus dem Kapitel über die Dinge nachahmten; dafür war eine Ähnlich-
Stimme bekannt ist. Es fragt sich dann weiter, keit maßgeblich, die sich entweder auf die
was dieser Unterschied bedeutet. akustischen Eigenschaften der Dinge und
Die besagte Erwartung wird auf eine erste Wörter erstreckte (Onomatopöie) oder auf die
Art enttäuscht, weil die Stoiker sagen, die Eigenschaften des zu bezeichnenden Dings
κατηγορήματα [Prädikate] müßten mit geeig- und desjenigen psychischen Eindrucks, der
neten ‘πτώσεις’ [Kasus] verknüpft werden, bei der Rezeption der dieses Ding bezeichnen-
um vollständige Lekta bzw. Aussagen zu er- den Laute entsteht. Von solchen Wörtern aus
geben (FDS 696; vgl. 3.2 .1.). Von daher könn- habe sich auf mehrerlei Weise das zeitgenös-
ten die ‘Kasus’, wie immer ihre Beziehung zu sische Vokabular entwickelt; und auf solche
den Nominalphrasen aussieht, ebenfalls un- Wörter seien nach bestimmten Prinzipien alle
vollständige Lekta sein. Tatsächlich werden Wörter zurückführbar. Danach gilt die Ety-
sie aber nirgends als Lekta bezeichnet. — Die mologie, so bizarr die einzelnen Wortablei-
andere Art der Enttäuschung entsteht im er- tungen der Stoiker auch sein mögen, als
sten Teil der Dialektik, wo einiges gesagt wird, Schlüssel sowohl zur Erkenntnis der Dinge
was mit der Annahme weiterer unvollständi- als auch der Wörter; und das ist ebenso von
ger Lekta kaum vereinbar ist: (a) Die ὀνόματα grundsätzlichem Interesse wie die Prinzipien
[Eigennamen] und die προσηγορίαι [Appel- der Wortbildungslehre, die von den Stoikern
lative] bezeichnen ἰδίαι bzw. κοιναὶ ποιότη- in diesem Rahmen entwickelt wurden (FDS
τες [individuelle bzw. allgemeine Eigenschaf- 639—680; 73 f; 560—562 ; vgl. Barwick 1957,
ten], und das sind nach stoischer Lehre — 2 9—33; 58—79; Pinborg 1962 , 161—165;
wie hier freilich nicht weiter ausgeführt wer- Long 1974, 132 —135; Pfaffel 1981, 17—31).
den kann — ebenso wie die Dinge selbst Kör- Eine wesentliche Voraussetzung all dieser Er-
per (FDS 746 f; 751—753). Ἄρθρα [Artikel] örterungen besteht darin, daß mit der vor-
bestimmen u. a. das γένος [Genus], ebenfalls ausgegangenen Tradition angenommen wird,
eine körperhafte Eigenschaft (FDS 536; vgl. die Bedeutungen der Wörter seien Dinge oder
92 1). Nach den ῥήματα [Verben] stellen als bestimmte Eigenschaften der Dinge, also in
fünfte Wortart die σύνδεσμοι [Konjunktio- jedem Fall Körper. Dadurch steht die ety-
nen] Verknüpfungen in der Rede her (FDS mologische Theorie in einem latenten Wider-
536). Dabei haben sie alle eine Bedeutung; in spruch zur Lektontheorie (Lloyd 1971,
der Natur gibt es wirkliche Verknüpfungen 62 —66). Um die Konsistenz zu wahren,
zwischen Sachverhalten: Subjunktionen, Dis- müßte mindestens verlangt werden, daß im
junktionen, Konjunktionen usw. (FDS 583 ff; Rahmen der Etymologie als Bedeutungen der
948 ff). Das heißt jedoch nicht, daß jede ein- Verben die Bedeutungen ihrer Nominalisie-
zelne Konjunktion isoliert für sich ein Lekton rungen (Infinitive) studiert werden, und das
bezeichnen würde. Denn dann hätten die Stoi- könnten dann vielleicht körperliche Gegen-
28 I. Raum-zeitliche Übersichten

stände sein (vgl. FDS 573). Aber die Etymo- ist keineswegs so beweiskräftig, wie es auf den
logie läßt auf keinen Fall weitere unvollstän- ersten Blick erscheint. Sextus will nämlich
dige Lekta außer den Prädikaten zu. — (c) darstellen, wo das Wahre (ἀληθές) und das
Von Chrysipp ist die These überliefert, alle Falsche (ψεῦδος) nach den Stoikern seinen
Wörter seien von Natur aus mehrdeutig (ἀμ- Ort hat. Daher muß er eigentlich Behauptun-
φίβολοι), weil sie alle in verschiedenerlei Be- gen oder Aussagen (ἀξιώματα) und nicht Ein-
deutung verwendet werden könnten (FDS zelwörter vor Augen haben und behandelt die
636). Wie er das genauer gemeint und be- Termini ‘σημαινόμενον’ [Bezeichnetes] und
gründet hat, ist unsicher. Chrysipp kann aber ‘λεκτόν’ [Lekton] dann nur in dem dadurch
schwerlich gemeint haben, jedes Wort be- abgesteckten Rahmen als äquivalent. In der
zeichne mehrerlei Lekta. Demnach sind die Fortsetzung des Textes sieht er sich zu dem
verschiedenen Bedeutungen der Wörter wohl Hinweis genötigt, daß nicht jedes Lekton
keine Lekta. wahr oder falsch werden könne, sondern nur
Die Erwartung, jedes Wort mit Bedeutung das vollständige und auch das nur dann, wenn
bezeichne ein Lekton und es gebe daher mehr es eine Aussage sei; diese nachträgliche Kor-
unvollständige Lekta als nur die Prädikate rektur deutet ebenfalls an, daß es vorher allein
(κατηγορήματα), wird also auf vielfache um Behauptungen ging. Dem steht lediglich
Weise enttäuscht. Trotzdem haben die meisten das Beispiel des Sextus entgegen; er führt als
Gelehrten versucht, sie ganz oder wenigstens σημαῖνον [Bezeichnendes] den Eigennamen
ein Stück weit aufrecht zu erhalten; vor allem ‘Dion’ und als τύγχανον [Erlangendes] (dazu
wollte man die πτώσεις [Kasus] in die Liste 3.2 .2 .) den Träger dieses Namens an, die Per-
der unvollständigen Lekta aufnehmen (vgl. son des Dion selbst. Ein Bezeichnetes und ein
Schmidt 1839, 57; Müller 1943, 46 f; Mates Lekton dazu beschreibt er allerdings nicht,
1961, 16 f; Kneale 1968, 144; Watson 1966, wohl weil es das erst geben kann, wenn der
47—49; Pinborg 1975 a, 80 f; Frede 1978, 31; Eigenname zu einem Satz ausgebaut ist.
Graeser 1978, 78—81; 84). Eine gründliche Die Gegenthese, nach der allein die Prä-
Würdigung dieser Auffassung ist hier nicht dikate unvollständige Lekta sind, ist bereits
möglich. Vielmehr sei nur festgestellt, daß (a) von Bréhier vorsichtig ins Spiel gebracht wor-
angesichts des in 3.2 .2 . skizzierten Textbe- den (1951, 60), wird seit geraumer Zeit be-
stands schwer einsichtig zu machen ist, wieso sonders von Long vertreten (1971, 78; 104—
die Nominalphrasen einerseits als grammati- 106; 1974, 135 f; 1987 I, 2 00) und hat inzwi-
sche Fälle angesehen werden und dann Kasus schen mit Recht weitere Anhänger gefunden
bzw. Lekta bezeichnen sollen und andererseits (vgl. z. B. Sedley 1982 , 198 f; Brunschwig
als bestimmte Wortarten gelten müssen und 1984, 8 f). Im Begriff des Bezeichneten muß
dann körperhafte Eigenschaften bezeichnen; sie natürlich ebenfalls eine Differenzierung
in jedem Fall wird damit im Begriff des vornehmen, freilich eine, die ziemlich einsich-
σημαινόμενον [Bezeichneten] eine Differen- tig ist und gut an eine Erklärung Senecas
zierung vorgenommen, die ursprünglich nicht angeknüpft werden kann. Nach Seneca ist es
vorgesehen war. Außerdem (b) ist zwar ein- ein himmelweiter Unterschied, ob man einen
zuräumen, daß ein vereinzeltes Scholion die Gegenstand lediglich nennt oder ob man dar-
Kasus deshalb als etwas Bezeichnetes ansieht, über spricht (›plurimum autem interest utrum
weil ein bestimmter Eigenname trotz vieler illud dicas an de illo‹); und Seneca betont
Genetivformen gewiß nur einen Genetiv (γε- diesen Unterschied, um die eigentümliche Lei-
νική) hat (FDS 773); auch gibt es eine Kle- stung herauszustellen, die dank der vernünf-
mensstelle, wo die Kasus als unkörperlich tigen (redetauglichen) Vorstellung (λογικὴ
ausgegeben werden (FDS 763), und eine an- φαντασία) in dem ›Sprechen über etwas‹ zu-
dere, wo die Bedeutung des Wortes ‘Embryo’ standekommt (FDS 892 ). Danach erstreckt
als Lekton eingeschätzt wird (FDS 69). Dar- der Begriff des Lekton sich nicht auf das
aus zu schließen, Kasus seien Lekta, liegt ›Nennen von etwas‹, sondern nur auf das
zweifellos nahe. Aber es ist zu bezweifeln, daß ›Sprechen über etwas‹ und kann mit dem Be-
die angeführten Stellen sich fehlerfrei auf or- deutungsbegriff auch nur in diesem Bereich
thodoxe stoische Lehre beziehen (vgl. Frede äquivalent sein. Anderweitig vorkommende
1978, 31 f; Long/Sedley 1987 I, 2 01). Schließ- Bedeutungen sind daher keine Lekta; und so
lich (c) beruft man sich für die These, jedes gibt es keinen Grund, die Liste der unvoll-
Wort bezeichne ein Lekton, gern auf den in ständigen Lekta zu erweitern. Sie umfaßt also
2 .3.1. erwähnten Text des Sextus Empiricus wirklich nur die Prädikate (κατηγορήματα).
(Adv. M ath. 8,11 f; FDS 67). Aber dieser Text Die Unvollständigkeit dieser Lekta beruht
2.  Stoische Sprachphilosophie 29

dann darauf, daß sie nicht auf irgendetwas Lekta wegen ihrer Ergänzungsbedürftigkeit
referieren, sondern eine entsprechende Leer- eine syntaktische Dimension haben, gibt es
stelle haben, während vollständige Lekta kein eine Syntax der Lekta (vgl. 3.2 .); deshalb muß
solches Defizit aufweisen. Im Fall der Aus- aber auch die Rede, die die Lekta bezeichnen
sagen wird es durch die Kasus behoben, die soll, syntaktische Züge haben und R2 ein syn-
den unvollständigen Lekta bzw. den Prädi- taktisches Merkmal besitzen. Natürlich kennt
katen Referenz verschaffen. Damit wird klar, man auch im Griechischen Einwortsätze wie
in welcher Weise die Lektontheorie zu einer ‘ὕει’ [es regnet] und Anordnungen, die mit
einheitlichen Deutung der Komplementarität einem einzigen Wort, einer geeigneten Verb-
und Asymmetrie der semantischen Aufgaben form, zum Ausdruck gebracht werden. Dar-
von Nominal- und Verbphrasen in der Aus- aus läßt sich kein Einwand gegen die syntak-
sage verhelfen soll. Die Prädikate im Sinne tische Qualität von R2 gewinnen. Doch ma-
der Stoiker sind ergänzungsbedürftige Funk- chen diese Varianten auf andere Grenzfälle
tionen im Sinne Gottlob Freges (s. Art. 34); aufmerksam, an denen außerdem der prag-
in ihre Leerstellen sind Kasus einzusetzen, die, matische Charakter des im zweiten Teil der
ohne selber etwas Gesagtes zu sein, dem bis Dialektik unterlegten Redebegriffs vollkom-
dahin unvollständigen Gesagten die nötige men evident wird. Da ist zunächst die Anrede
Referenz verschaffen und dadurch eine Aus- (προσαγορευτικόν), z. B. „Tapferster Atride,
sage aus ihm machen. Herrscher der Menschen, Agamemnon“ (FDS
874). Sie ist ein vollständiges Lekton und
2.3.4. Konsequenzen enthält überhaupt kein unvollständiges Lek-
für den Begriff der Rede ton; die in ihr vorkommenden Wörter erfüllen
Wenn nur die Prädikate unvollständige Lekta R1 und bezeichnen allesamt keine Lekta; aber
sind, besteht ein Unterschied zwischen dem indem sie zur Anrede gebraucht werden, er-
Redebegriff, der in dem Kapitel über die füllen sie R2 und bezeichnen ein Lekton.
Stimme entwickelt wurde (R1), und dem Re- Demnach setzt dieses einen sprachpragma-
debegriff, der für die Erklärung des Lekton tisch ausgerichteten Redebegriff voraus. Des
unterstellt werden muß (R2). In beiden Fällen weiteren sind die hypothetische Annahme
gehört zur Rede eine Bedeutung. Aber das zu (ὑποθετικόν) und die Ekthese (ἐκθετικόν)
R2 gehörige Bezeichnete ist immer ein Lekton, zwei vollständige Lekta, deren Unterschied
während das zu R1 gehörige entweder ein eigentlich nicht semantisch oder syntaktisch,
sondern pragmatisch einsichtig zu machen ist.
Lekton oder etwas anderes ist. Von dem Ka- Ob nämlich ‘Dies sei eine Gerade’ normativ
pitel über die Stimme aus gesehen ist der als Ekthese oder hypothetisch als diskussions-
Unterschied der, daß, um von R1 nach R2 zu bedürftige Annahme zu verstehen ist, hängt
gelangen, stärkere Anforderungen an die von dem jeweiligen Verwendungszusammen-
Rede gestellt werden müssen, nämlich Anfor- hang in der Geometrie ab. Schließlich ist das
derungen, die zu einer Präzisierung der Re- vollständige Lekton ‘προστακτικόν’ [Befehl]
debedeutung und dazu führen, daß zur Rede offensichtlich die Bedeutung eines illokutio-
nur noch ein Typ von Bezeichnetem gehört, nären Sprechakts; denn es wird definiert als
das Lekton. Aber vielleicht kommt auch das πρᾶγμα, ὃ λέγοντες προστάσσομεν [eine Sa-
umgekehrte Verfahren in Betracht; vielleicht che, die wir dadurch, daß wir sie sagen, be-
ist es angemessener, von R2 auszugehen und fehlen]. Und bei der Definition der Entschei-
erst durch eine Abschwächung dieses Rede- dungs- und der Bestimmungsfrage (ἐρώτημα
begriffs nach R1 zu kommen. Eine Stellung- und πὺσμα) wird ebenfalls auf Gesichts-
nahme der Stoiker ist dazu nicht überliefert; punkte der Redeverwendung zurückgegriffen
und daß sie R2 trotzdem förmlich definiert (FDS 874). Wir können also sagen, das Lek-
hätten, ist kaum zu vermuten. Nichtsdesto- ton sei die Bedeutung einer Rede, deren Be-
weniger können wir über diesen Redebegriff griff nicht nur semantisch gefaßt ist wie in
etwas sagen und zeigen, daß er nicht nur wie dem Kapitel über die Stimme, sondern der
R1 durch das Merkmal des Bedeutunghabens darüber hinaus auch syntaktische Gesichts-
bestimmt ist, sondern auch syntaktisch und punkte berücksichtigt und gewissen sprach-
sprachpragmatisch geprägt ist. Die syntakti- pragmatischen Anforderungen genügt; R2
sche Qualität ergibt sich aus dem Unterschied schließt alle Dimensionen ein, die für ein voll-
vollständiger und unvollständiger Lekta und wertiges sprachliches Zeichen erforderlich
wurde am Ende des vorigen Abschnitts bereits sind. Ob vor allem die pragmatische Kom-
angedeutet: Weil schon die unvollständigen ponente dieses Redebegriffs noch weiter prä-
zisiert werden kann, muß künftige Forschung
30 I. Raum-zeitliche Übersichten

zeigen; erste erfolgversprechende Ansätze tigkeit des Bivalenzprinzips und bestimmten


dazu hat Schenkeveld unterbreitet (1984, dann die Disjunktion und die Negation so,
32 6—331). Damit hängt auch die Frage zu- daß auch das Tertium non datur immer gilt;
sammen, wie die semantische, syntaktische die Gültigkeit erstreckt sich in beiden Fällen
und pragmatische Dimension der Rede sich insbesondere auch auf die Zukunftsaussagen;
nach R2 zueinander verhalten sollen. Ist etwa und Chrysipp hat alle diese Implikationen der
die semantische Dimension wirklich so un- stoischen Formel gegen Aristoteles und Epi-
abhängig von den beiden anderen Aspekten kur nachdrücklich verteidigt. Die Wahrheits-
verständlich, wie das in dem Kapitel über die bedingungen sind so, daß eine Aussage genau
Stimme insinuiert wird, oder ist sie nur aus dann wahr ist, wenn der ihr entsprechende
dem Zusammenhang mit ihnen begreiflich? In Sachverhalt der Fall ist; andernfalls ist sie
diesem zweiten Fall wäre für die Stoiker selbst falsch (FDS 874). Nach Sextus Empiricus
R1 ein von R2 abgeleiteter Redebegriff; und drückten die Stoiker das auch ganz anders
man könnte schließen, daß das Lekton, zumal aus; sie benutzten dann das terminologisch
das vollständige Lekton, die Grundbedeutung interessante Wort ‘ὑπάρχειν’ [bestehen, der
von ‘Bedeutung’ ist. Daß die Termini ‘σημαι- Fall sein, wahr sein, ...] und nahmen auf die
νόμενον’ [Bezeichnetes] und ‘λεκτόν’ [Lek- καταληπτικὴ φαντασία [kataleptische Vor-
ton] in den Quellen häufig als äquivalent gel- stellung] — ihr Wahrheitskriterium — Bezug
ten, mag darauf hindeuten, daß die Stoiker (FDS 887; vgl. Long 1971, 88—94; Bobzien
so etwas wirklich im Sinn hatten. In allen 1986, 15 ff). Obgleich sie mit dieser anderen
anderen Fällen könnte dann nur in einem Ausdrucksweise dasselbe meinten, läßt sich
abgeleiteten Sinn von einer Bedeutung und an sie etwas Weiterführendes anschließen, in-
etwas Bezeichnetem gesprochen werden, dies sofern das Wort ὑπάρχειν nur bei Aussagen
ganz besonders dann, wenn der Zusammen- anwendbar ist; andere vollständige Lekta
hang mit einem Lekton vollkommen aufgelöst können geradezu dadurch gekennzeichnet
ist und es um die ›Bedeutung‹ isolierter Wör- werden, daß es bei ihnen keinerlei ὕπαρξις,
ter geht. kein Der-Fall-sein gibt (Schenkeveld 1984,
315 f). Endlich ist hier passend auf präsup-
positionstheoretische Ideen hinzuweisen (s.
3. Die Theorie der Aussage Art. 97). Die Aussagen ‘Sokrates spaziert’ und
‘Sokrates spaziert nicht’ enthalten nach den
Das wichtigste Lekton ist zweifellos dasjenige, Stoikern beide die verkappte Behauptung ‘So-
welches durch einen Behauptungssatz be- krates existiert’; erst die Aussage ‘Nicht: So-
zeichnet wird, und so geht der letzte Teil dieses krates spaziert’ enthält diese Behauptung
Beitrags darauf in aller Kürze ein. Die Stoiker nicht mehr. Für den kontradiktorischen Ge-
nannten dieses Lekton ἀξίωμα, was trotz eini- gensatz verlangte man deshalb die äußere,
ger begrifflicher Nuancen gern mit ‘proposi- aussagenlogische Negation; andere Arten der
tion’ oder ‘Aussage’ übersetzt wird. Besonders Verneinung galten nicht als Negationen im
wichtig ist die Aussagentheorie, weil sie ein eigentlichen Sinne (FDS 914; 92 0 ff; Lloyd
Kernthema jeder systematischen Sprachphi- 1978, 289 ff; Caujolle-Zaslawsky 1978, 425 ff).
losophie ist, weil die Quellen darüber sehr
ausführlich berichten, weil sie beachtliche 3.1.2.  Anders als die genannte Formel ent-
Verbindungslinien zum ersten Teil der Dialek- zieht sich die eigentliche Definition der Aus-
tik erkennen läßt und weil sie als Zentrum sage heute wie zuweilen schon in der Antike
für viele Themen des zweiten Teils gelten der unmittelbaren Verständlichkeit und for-
kann. Trotzdem darf die Darstellung hier dert zu eingehenderen Erörterungen heraus,
kurz ausfallen, weil es zu vielen Teilen der wie sie zuletzt von Frede (1974, 32 ff) und
Aussagentheorie übersichtliche Abhandlun- Bobzien (1986, 11 ff) unterbreitet worden
gen gibt. sind. Sie lautet: „λεκτὸν αὐτοτελὲς ἀποφαν-
τὸν ὅσον ἐφ’ ἑαυτῷ“ [ein Lekton, das voll-
3.1. Der Begriff der Aussage ständig ist und behauptet werden kann, so-
weit dies an ihm selbst liegt] (FDS 874; 877 f).
3.1.1.  Neben der eigentlichen Definition der Grundsätzliches Einverständnis besteht über
Aussage ist eine stoische Formel überliefert, den dihäretischen Aufbau der Definition; und
nach der die Aussage das ist, „ὅπερ ἢ ἀληθές strittig ist vor allem, was das letzte Defini-
ἐστιν ἢ ψεῦδος“ [was entweder wahr oder tionsglied noch zur Bestimmung der Aussage
aber falsch ist] (FDS 874 ff; 877 ff). Die Stoi- beiträgt. Die Aussage ist also zunächst ein
ker vertraten also die uneingeschränkte Gül- Lekton und subsistiert nach Maßgabe einer
2.  Stoische Sprachphilosophie 31

vernünftigen (redetauglichen) Vorstellung. Aussagendefinition überzeugt auch diese Lö-


Des näheren ist sie ein vollständiges Lekton, sung noch nicht ganz. Vor allem das Merkmal
also wohl ein Lekton, mit dem man einen der Behauptbarkeit müßte noch einmal dis-
illokutionären Sprechakt ausführen kann; es kutiert werden; und dabei sollten die sprech-
ergibt einen abgerundeten Sinn und nötigt akttheoretischen Ansätze der Stoiker noch
nicht als solches zu Rückfragen (vgl. 2 .3.3.; stärker berücksichtigt werden.
FDS 696; 877). Lekta dieser Art gibt es meh-
rere; die Stoiker haben 10 oder 11 Typen 3.1.3.  Zur Verdeutlichung ist noch einmal auf
unterschieden (FDS 874—876 a; 897 ff; den Lektoncharakter der Aussage hinzuwei-
Schenkeveld 1984, 300 ff). Die Aussage ist sen (vgl. 2 .3.1.). Seinetwegen kommt die Be-
eine davon und zeichnet sich dadurch aus, ziehung des Denkens oder der Rede zur Welt
daß sie behauptbar ist, soweit dies an dem nicht erst nachträglich zu einer ansonsten
behauptbaren vollständigen Lekton selbst schon fertigen Aussage hinzu, sondern wird
liegt. Man sieht hierin eigentlich zwei Defi- von den Stoikern als in der Aussage enthalten
nitionsschritte, hat aber Schwierigkeiten, die gedacht. Deshalb gibt es zwei Aussagetypen,
Grenze zwischen ihnen zu fixieren, den zwei- die man heute nicht mehr kennt. Wenn das
ten Schritt zu verstehen und zugleich zu er- Subjekt eines Satzes ein deiktisches Pronomen
klären, inwiefern schon nach dem ersten ist, wird damit durch eine Deixis je nach Ver-
Schritt die Äquivalenz mit der Wahr/Falsch- wendungszusammenhang auf einen anderen
Formel erreicht ist. Die im letzten Defini- Gegenstand Bezug genommen, und es ergibt
tionsschritt benutzte Wendung ‘ὅσον ἐφ’ ἑαυ- sich dadurch eine jeweils andere Aussage.
τῷ’ [soweit dies an ihm selbst liegt] wurde Weil die jeweilige Deixis zu den unverzicht-
anscheinend erstmals von dem Dialektiker baren Eigentümlichkeiten der einzelnen Aus-
Philon bei der Definition des Möglichen be- sagen zählt, wechselt mit ihr die Aussage und
nutzt (FDS 988); dann hat Chrysipp sie ver- gibt es ἀξιώματα φθαρτά [vergängliche Aus-
wendet; ansonsten wurde sie außer zur Defi- sagen]. Das sind diejenigen, bei denen das
nition der Stimme (vgl. 2 .2 .1.) nur noch sehr Demonstrativpronomen auf einen Gegen-
selten aufgegriffen. Wie bei Philon bezieht sie stand referiert, der seinerseits vergänglich ist;
sich auch in der Syntax des Apollonios Dys- geht er zugrunde, so geht notwendig auch die
kolos auf „ein Phänomen ›für sich betrachtet‹, Aussage zugrunde (FDS 695; 994; Frede 1974,
d. h. aus einem Beziehungsgeflecht gelöst, mit 48 f). Außerdem kannten die Stoiker ἀξιώ-
dem es im unreflektierten Bewußtsein meist ματα μεταπίπτοντα [Aussagen, die ihren
ungetrennt verwoben ist“ (Ax 1986, 171). Be- Wahrheitswert ändern] (FDS 82 6; 886; 914;
züglich der Definition der Aussage meinte 994; 1010; 102 5; 112 0 f; 12 00). Dafür kommen
Frede, daß ein von ihm noch näher bestimm- nach Frede (1974, 44—48) nur Aussagen in
ter „Teil der Umstände der Äußerung, die für Frage, die irgendeine relative Zeitangabe ent-
die Frage der Wahrheit und Falschheit we- halten. Wann der Wechsel tatsächlich eintritt,
sentlich sind, nicht mit zur Identifikation der wann er von Wahr nach Falsch erfolgen kann
Aussagen gehören“ dürfe und daß der letzte und wann umgekehrt, wurde von Bobzien
Definitionsschritt der Aussage eine entspre- auseinandergesetzt (1986, 2 3—34). An
chende Unabhängigkeit von den Umständen Grundsätzlichem ist davon festzuhalten: (a)
ihrer Verwendung gewährleiste (1974, 35 ff, Die Aussage ist als Bezug der Rede zur Welt
Zitat 35). Bobzien hat an dieser Erklärung ein temporales Gebilde, so daß der Wahr-
die nötige Kritik geübt (1986, 2 0 f) und vor- heitsanspruch nur für den Zeitpunkt der Be-
geschlagen, den Schlußteil der Definition mit hauptung erhoben wird und der Wahrheits-
‘behauptbar nur für sich selbst’ oder ‘nur um wert auch von diesem Zeitpunkt abhängt. (b)
seiner selbst willen’ wiederzugeben; so werde Die Identität des behaupteten Sachverhalts
das Merkmal der Behauptbarkeit präzisiert hängt in hohem Maße von der Formulierung
und für die Aussage verlangt, daß die be- ab. Wenn beispielsweise behauptet wird, mor-
hauptende Absicht die ausschließliche Ab- gen finde eine Seeschlacht statt, dann ist diese
sicht ist; jede andere Absicht, durch die die Behauptung wahr, wenn morgen eine See-
behauptende Absicht ergänzt oder sonstwie schlacht stattfindet. Wenn die Behauptung
modifiziert wird, hindere das behauptbare dann aber immer noch aufgestellt und dazu
vollständige Lekton daran, eine Aussage zu derselbe Satz verwendet wird, schlägt ihr
sein oder gehöre jedenfalls nicht zu ihm als Wahrheitswert um; sie wird falsch, weil sie
einer Aussage (Bobzien 1986, 12 f). Mit Blick auch dann relativ zum Zeitpunkt der Be-
auf die genannten drei Schwierigkeiten der hauptung für ›morgen‹ eine Seeschlacht an-
32 I. Raum-zeitliche Übersichten

kündigt. Wer das vermeiden will, muß etwa mit einer längeren Liste syntaktischer Kate-
sagen, daß die Seeschlacht gestern stattgefun- gorien und 8 Kombinations-, 7 Inklusions-, 8
den habe. Die erste Aussage wird nicht durch Transformations- und 11 lexikalischen Regeln
den Gang der Ereignisse in die zweite trans- vorgelegt, wobei freilich auch schon Negatio-
formiert. nen, Konjunktionen, Disjunktionen und Sub-
junktionen einbezogen sind und somit über
3.2. Die Aussage und ihre Konstituenten die elementaren Aussagen hinausgegangen
wird (1986, 2 83 ff). Die folgende Skizze geht
3.2.1.  Die Aussagen wurden von den Stoi- anders vor und arbeitet den Rahmen aus, der
kern in verschiedene Richtungen weiter un- durch die stoische Definition des Prädikats
tersucht. Am besten überliefert und am be- (κατηγόρημα) abgesteckt wird. Dieses ist
kanntesten ist die Einteilung in ἀξιώματα „τὸ κατά τινος ἀγορευόμενον ἢ πρᾶγμα συντακ-
ἁπλᾶ und ἀξιώματα οὐχ ἁπλᾶ [elementare τὸν περί τινος ἢ τινῶν, ὡς οἱ περὶ ’Απολλόδωρόν
und molekulare Aussagen]. In deren Rahmen φασιν, ἢ λεκτὸν ἐλλιπὲς συντακτὸν ὀρθῇ πτώσει
erörterte man u. a. eine Reihe von Aussage- πρὸς ἀξιώματος γένεσιν“ [das, was von etwas aus-
verknüpfungen und ging dann weiter zur gesagt wird, oder, wie die Leute um Apollodor
Lehre von den λόγοι [Argumenten], speziell sagen, eine Sache, die mit Bezug auf einen oder
zur Aussagenlogik, was alles zuletzt von mehrere [Gegenstände] konstruiert werden kann,
Frede zusammenhängend dargestellt wurde oder ein unvollständiges Lekton, welches mit einem
(1974, 49 ff; 73—107; 118 ff; ergänzend Egli Nominativ zusammengesetzt werden kann, so daß
1977, 786—790); für die elementaren Aus- dabei eine Aussage entsteht] (FDS 696).
sagen ist zusätzlich auf eine demnächst zum Wir betrachten also zunächst die Kasus
Abschluß kommende Arbeit von Theo Ebert und dann die Prädikate.
hinzuweisen, wo gezeigt wird, daß die bei
Sextus Empiricus überlieferte Einteilung in 3.2.2.  Unter einem Kasus (πτῶσις) verstehen
ἀξιώματα ὡρισμένα, ἀόριστα und μέσα [de- die Quellen teils einen grammatischen Fall
finite, indefinite und mittlere Aussagen] (FDS und anderenteils ein Wort bzw. eine Nomi-
916) aus der Dialektischen Schule stammt und nalphrase in einem grammatischen Fall. Diese
in der Stoa weiterentwickelt wurde. Die lo- zweite Bedeutung ist die bei den Stoikern
gisch grundlegende Aussageform ist aber vorherrschende Standardbedeutung, bei der
auch dann die Form ‘Dies/-e/-er ist/tut φ’ und die Kasus nämlich ihre Aufgabe erfüllen, den
nicht die, bei der das logische Subjekt durch Prädikaten Referenz zu verschaffen. Außer-
einen Eigennamen gebildet wird. Ferner dis- dem sind die Kasus, wenn sie als Nominal-
kutierte man die Modalitäten der Aussagen phrasen in einem grammatischen Fall aufge-
und schloß daran eine Modallogik an. Wegen faßt werden, zum Bezeichnenden (σημαῖνον)
der ungünstigen Quellenlage ist dieses Gebiet zu rechnen (vgl. 2 .3.3.). Und drittens wird bei
schwierig zu rekonstruieren; über den durch dieser Deutung des Kasusbegriffs auch die
Frede (1974, 107—117) erreichten For- Extension verständlich, die er bei den Stoi-
schungsstand geht die Arbeit von Bobzien kern erhalten hat. Denn sie betrachteten auch
(1986, 40—12 0) am weitesten hinaus. Noch den Nominativ (εὐθεῖα) als einen Kasus; um
weniger wissen wir über verschiedene weitere das den Kritikern zu erklären, machten sie
Einteilungen der Aussagen und über Verbin- von der Kasusmetaphorik einen eigenwilligen
dungen von Aussagen und anderen vollstän- Gebrauch und sagten, daß die Begriffe bei der
digen Lekta (vgl. FDS 914; 698 col. XI— Nennung von Gegenständen als Wörter vom
XIII). Erheblich besser ist die Überlieferung Denken auf die Gegenstände herunterfallen
jedoch, wenn nach Formationsregeln für Aus- und auf sie senkrecht (Nominativ) oder
sagen und speziell nach der Konstitution der schräg (oblique Kasus) auftreffen; Nomi-
elementaren Aussage gefragt wird; hierzu soll nalphrasen sind daher immer Nominalphra-
nun noch etwas gesagt werden. Nach einer sen in einem bestimmten grammatischen Fall
Syntax hat man bei den Stoikern bis vor kur- und als solche ›Kasus‹ im Sinne der Stoiker
zem immer nur im ersten Teil der Dialektik (FDS 776 ff). Die Gegenstände werden dabei
gesucht, ist über die einschlägigen Anknüp- zu Namenträgern: Sie „πίπτουσιν ὑπό“ [fal-
fungspunkte (vgl. 2 .2 .2 .) aber nicht hinaus- len unter] die Kasus (FDS 636 a; 916), „τυγ-
gekommen. Dagegen gibt es im zweiten Teil χάνουσι τῶν πτώσεων“ [erlangen die Kasus]
eine ziemlich anspruchsvolle Syntax der (FDS 316; 763), sind „τυγχάνοντα“ [Erlan-
Lekta; Egli hat sie als förmliches Regelwerk gende] (FDS 67; vgl. 2 .3.1.) und lassen die
rekonstruiert und inzwischen eine Fassung Kasus als „τευκταί“ [Erlangte] erscheinen
(FDS 860). Die Peripatetiker meinten, diese
2.  Stoische Sprachphilosophie 33

ganze Metaphorik lasse sich auf alle Wörter die beiden ersten Kategorien (das ὑποκείμε-
mit Bedeutung übertragen. Aber das war ein νον [Substrat] und das ποιόν [eigenschafts-
Mißverständnis. Nur Nominalphrasen refe- mäßig Bestimmte]) mit den Unterarten des
rieren auf etwas; Verben (ῥήματα), Adverbien ἰδίως und des κοινῶς ποιόν [des individuell
(ἐπιρρήματα) und Konjunktionen (σύνδεσ- und des allgemein Qualifizierten] wurden
μοι) ›nennen‹ nichts; daher stellt sich bei ihnen nach Long und Sedley ursprünglich unter-
nicht die Kasusbeziehung zu den Gegenstän- schieden, um das ontologische Problem von
den her (FDS 536; 776 f). Aufgrund ihres Be- Identität und Wandel zu lösen (1987, I, 166;
griffs lassen die Kasus sich auf verschiedene 172 f).
Weisen betrachten, (a) im Hinblick auf die
grammatischen Fälle, womit sie Gegenstand 3.2.3.  Das Prädikat (κατηγόρημα) ist der
einer Flexionslehre werden (vgl. z. B. FDS zweite Konstituent der Aussage und bestim-
567 ff; Barwick 1957, 34—57), und nach syn- mender als der oder die Kasus. Als Funktion
taktischen Gesichtspunkten, insofern sie das im Sinne Freges regiert es nämlich die Syntax
sind, womit zusammen Prädikate Aussagen der Aussage und legt je nach seiner beson-
ergeben, und insofern die Prädikate bestim- deren Art ein anderes Aussagemuster fest (vgl.
men, in welchem grammatischen Fall eine 2 .3.3.). Daher soll nun kurz zusammengestellt
Nominalphrase an welcher Stelle einer Aus- werden, welche Prädikattypen die Stoiker un-
sage zu stehen hat (vgl. 3.2 .3.). Die Kasus terschieden haben und was sie über die tem-
lassen sich (b) unter semantischen Aspekten poralen und modalen Eigenschaften der Prä-
nach Wortarten (μέρη λόγου) betrachten. Sie dikate gesagt haben. Wie die zitierte Defini-
gliedern sich dann in ἄρθρα [Artikel], ὀνό- tion des Prädikats erkennen läßt, gab es zwei
ματα [Eigennamen], προσηγορίαι [Appella- Terminologien. Dazu betrachte man die Sätze
tiva] (FDS 536) und nominalisierte Infinitive ‘Sokrates spaziert’ und ‘Sokrates liebt Xan-
(FDS 763). Zu den Artikeln zählten dabei thippe’. Nach der einen Terminologie gilt die
auch die ἀντωνυμίαι [Pronomina]; des nähe- Bedeutung des Verbs als Prädikat, also ‘spa-
ren teilte man die Artikel in definite und in- ziert’ oder ‘liebt’; ein Prädikat in diesem Sinne
definite Artikel ein (ἄρθρα ὡρισμἑνα vs. kann u. U. mit mehreren Kasus verknüpft
ἄρθρα ἀοριστώδη) und betrachtete alle die werden. Nach der anderen Auffassung ist die
als definit, die deiktisch sind, während die Bedeutung des Verbs ‘liebt’ nur ein unvoll-
heutigen bestimmten Artikel bei den Stoikern ständiges Prädikat (ἔλαττον ἢ κατηγόρημα);
als indefinit galten (FDS 550 ff). Außerdem ein vollständiges (κατηγόρημα) ist erst die
lassen die nominalen Wortarten sich vielfältig Bedeutung von ‘liebt Xanthippe’ und allge-
kombinieren. Von den zugehörigen Untersu- mein das, was nach Streichung des logischen
chungen der Stoiker ist wenig erhalten. Aber Subjekts von einer Aussage übrigbleibt; ein
daß Chrysipp den Eigennamen als eigene solches Prädikat enthält u. U. einen Kasus,
Wortart bestimmt hat, die mit Bedacht un- kann aber nur mit einem einzigen weiteren
tergliederte Wortart der Artikel und einige Kasus verbunden werden. Ersichtlich entspre-
weitere Indizien deuten darauf hin, daß die chen diesen terminologischen Unterschieden
Stoiker an den logischen Eigenschaften der verschiedene Zerlegungen der Elementaraus-
nominalen Wortarten in dem Maße interes- sage. Aber man kann nun bei jedem Prädikat
siert waren, wie sie die Analyse und die Wahr- im ersten Sinne fragen, ob es im zweiten Sinne
heitsbedingungen der Aussage beeinflussen ein vollständiges Prädikat ist oder ein un-
(vgl. z. B. FDS 698 col. V; 914; 916; Pohlenz vollständiges, das einer Ergänzung bedarf, be-
1939, 163—166; Frede 1978, 59 ff; Brun- vor es zusammen mit einem Nominativ einen
schwig 1984, bes. 5 f; 2 .1.). Endlich (c) können abgerundeten Sinn ergeben kann. Und da es
die Kasus nach den Gegenständen betrachtet außer persönlichen Prädikaten (κατηγορή-
werden, auf die sie referieren. Das führt zu ματα, συμβάματα) auch unpersönliche (πα-
der sog. Kategorienlehre der Stoiker (FDS ρακατηγορήματα, παρασυμβάματα) gibt, bei
82 7—873). Sie arbeitet die metaphysischen denen das logische Subjekt in einem obliquen
Gesichtspunkte aus, unter denen ein Körper Kasus stehen muß, führt diese Frage zu ins-
betrachtet werden kann, und unterscheidet 4 gesamt 4 Prädikatklassen mit jeweils anderen
γένη τῶν ὄντων [Klassen des Seienden]. Diese Formationsregeln für Aussagen (FDS 789 ff).
weisen zwar Bezüge zur Wortartenlehre auf, Ferner haben die Stoiker auf handlungstheo-
sind aber wohl kein genuin dialektisches retische Art neben einer Gruppe von rezipro-
Thema, wie Lloyd (1971, 69 f) meinte. Denn ken oder reflexiven Prädikaten (ἀντιπεπον-
34 I. Raum-zeitliche Übersichten

θότα), die man später mit dem Begriff des überhaupt für Lekta gedacht waren.
Mediums (διάθεσις μέση) neu konzipiert hat,
aktive (ὀρθά) und passive (ὕπτια) Prädikate
unterschieden und Regeln für die wechsel- 4. Literatur in Auswahl
weise Transformation aktiver und passiver Ax 1986, Laut, Stimme und Sprache.
Aussagen angegeben (FDS 33; 696; 800 ff). Rekonstruiert 138—2 11 die stoischen Auffassungen
Des weiteren wurden die temporalen Eigen- zum De voce-Kapitel der antiken Sprachtheorie
schaften der Prädikate und Aussagen studiert und gibt weiterführende Literaturhinweise.
und ein Tempussystem entworfen (FDS 807—
82 6), das man auf verschiedene Weisen zu Egli 1979, Bibliographie zur stoischen Sprachwis-
senschaft (Dialektik), in: Schmidt, Die Grammatik
rekonstruieren versucht hat. Überzeugend der Stoiker.
war erst der Vorschlag von Versteegh, nach
dem das System von einer Grundeinteilung in Hülser 1987, Die Fragmente zur Dialektik der Stoi-
abgeschlossene und Verlaufstempora ausging ker. 4 Bde. (= FDS)
(1980, 338 ff). Für das Präsens, Imperfekt und Umfassende, systematisch angeordnete Sammlung
Futur gab man ebenfalls Transformationsre- der Quellen mit paralleler deutscher Übersetzung
geln an, die interessanterweise nicht so sehr und Kommentaren.
auf die Prädikate als vielmehr auf die voll- Long/Sedley 1987, The Hellenistic Philosophers. 2
ständigen Aussagen bezogen wurden (FDS Bde.
82 5; 92 1). Bei der Singular/Plural-Transfor- Zusammenstellung der wichtigen Quellentexte (Bd.
mation, die außer den Prädikaten auch die 2 ) mit englischer Übersetzung und einem textlich
Kasus betrifft, ist das sogar die näherliegende genauen, an philosophischer Systematik interes-
Konzeption (vgl. FDS 82 4 a). Was schließlich sierten Kommentar (Bd. 1). Zur Ontologie/Logik
den Modus (ἔγκλισις) angeht, nahmen die und Semantik/Erkenntnislehre der Stoa I, 162 —
Stoiker an, daß das Prädikat in der Aussage 266.
immer von einem Verb im Indikativ (ὁρι- Nuchelmans 1973, Theories of the Proposition.
στική, καταφατική) bezeichnet wird, und nä- Erörtert 45—87 den Lekton- und den Aussagen-
herten sich einer Theorie der Modi über die begriff der Stoiker und bespricht dabei auf sehr
Liste der vollständigen Lekta (Schenkeveld differenzierte Art die relevanten Termini und viele
1984, 331 ff). Dies mag eine weitere Bestäti- Textstellen.
gung dafür sein, daß die zahlreichen Unter-
scheidungen bei den Kasus und den Prädi- Karlheinz Hülser, Konstanz (Deutschland)
katen als Formationsregeln für Aussagen und

3. Jewish and Islamic philosophy of language

1. The Ikhwān al-Ṣafā’ the Rasā’il Ikhwān al-Ṣafā’ (ca. 970) com-
2. Al-Fārābī pactly summarizes the new ideas about lan-
3. Saadiah Gaon guage accessible in Arabic after the first major
4. Ibn Ṭufayl impact of the translation of Greek philo-
5. Maimonides sophic and scientific materials had been ab-
6. The philosophical thrust of the tradition sorbed (Goodman 1983). Discourse (nuṭq),
7. Ibn Khaldūn according to the Ikhwān, distinguishes men
8. Selected references from beasts, just as mortality distinguishes us
from the divine. Language, verbal discourse,
is a product of the unseen discourse of reason
1. The Ikhwān al-Ṣafā’ (cf. Plato Theaet. 189 e, Soph. 2 63 e, Aristotle
De Int., Augustine De Trin. VII 4.7). It is
1.1. The Power of Language perceptible, public, external and conven-
tional. It need not express all our inward
1.1.1.  The short essay on the subject matter thoughts. Written letters are signs of spoken
of the Isagoge found as the tenth epistle in ones, and spoken letters, of mental ones:
the mathematical (including logical) series of The true word is in the heart,
Of which the tongue but gives the sign.
3.  Jewish and Islamic philosophy of language 35

The mental letters are formed virtually (lit.: of language.


in their substances) prior to the utterance of
the corresponding sounds. Of all the arts, 1.2. Language and Logic
language is the most nearly spiritual, since its
substrate is the soul and its products are not 1.2.1.  In Arabic, as in Greek, the term for
physical bodies but moral effects “as in prom- logic (manṭiq) is derived from that for dis-
ise and threat, enticement and intimidation, course (nuṭq) and connotes rationality. (Nāṭiq
praise and censure”. It is “evident in the ef- is in the differentia of man because humanity
fects of speech upon the soul as compared is distinguished by the discourse of reason.)
with bodies upon one another” that language, “Verbal discourse is physical and sensory,
like thought, brings us into contact with a whereas mental discourse is spiritual and in-
different order of being, in which true values telligible” (Ikhwān 1957, 391 f). Thus there
and higher realities are found (Ikhwān 1957, are two logics, linguistic (lughawī) and phil-
1.390, 392 f, 399). As the Ikhwān argue in osophic. The former deals with morphology,
concluding their lengthy search for the proper inflection — the semantical and syntactical
basis of man’s claimed superiority (Ikhwān aspects of verbal discourse; the latter, with
1978, 2 00 ff), it is only conscience, our intel- the conception of things as they really are
lectual susceptibility to divine commands, and the distinctions among them in thought.
that renders the soul immortal and human Philosophical logic addresses language, but
life superior to that of the beasts. Language transcends it, since its interest in the expres-
is not the source but the expression of that sion of ideas relates to any language, whereas
consciousness. When the authors cite Arabic linguistic logic concerns the usages of a par-
verses (1957, 1.391) to corroborate their view ticular language. The method of philosophic
that the pen is mightier than the sword, logic is analytic. But its subject matter in-
“Words affix awe in the soul. cludes the means by which our concepts are
They have power to lead leaders of men. abstracted from sensory experience and the
Even swords, deadly as they are, means by which we achieve purely conceptual
Cannot slay like the stroke of a pen.” knowledge, “penetrating the meanings of
they are arguing for the efficacy of the true things in thinking of them by way of reason”.
reality, the realm of ideas. Such rational knowledge, the Ikhwān remark,
almost parenthetically, “is called revelation or
1.1.2.  The power of language, the Ikhwān inspiration” (1957, 391 f).
propose (1957, 1.392 ), rests not merely on its
affective dimension but on its virtual corre- 1.2.2.  Spoken sounds are made up of letters,
spondence to all things. The abundance of 2 8 in Arabic, joined to form words. Words
word and diversity of usages are not objects with meanings become names, and names
of anxiety, to be reduced to order in an arti- when they apply to more than one thing be-
ficial language. Rather, linguistic richness come terms. Properly joined together, these
(clearly reflected in the diction of the Arabic form sentences (cf. Aristotle De Int., 1—3) in
poetry for which the Ikhwān show such fond- metre or prose. Prose may be declamatory
ness) is a mark of the adequacy of language and rhetorical or discursive and conversa-
to touch on all things, just as a number can tional. Of this second, more intimate type,
be found for all things numbered. The argu- some serves the populace in pursuit of their
ment would be that for any identifiable object needs, without proof or controversy, while
a word either exists or can be devised. If some seeks to persuade or dissuade regarding
metaphor, symbolism, and allusion are al- worldly, religious or speculative matters, us-
lowed, the Ikhwān might have added, even ing proofs and criticisms. In higher as in
things unseen and unseeable. For the mention worldly persuasion testimony and reasoning
of warnings and reproofs alludes to the are relied upon; logic is the standard of sound
Qur’ān, whose admonitions and inducements argument, as calibrated weights and measures
make reference to a realm far beyond the are the standard of sound value in the mar-
concrete images it employs. Indirection too, ketplace (1957, 1.393—94). — Linguistic logic
then, is a source of linguistic power. That is the branch and philosophic is the root, for
helps to explain why ambiguity is not an words are only the conventional signs of
embarrassment but a blessing: It is a guar- ideas; but our entree into philosophic logic
antor of privacy but also an evidence of the rests on understanding of the general require-
larger, mental reality than underlies our use
36 I. Raum-zeitliche Übersichten

ments of language: A name is any word that properties‹; their names designate the char-
signifies some idea, meaning or notion acteristics which are ›properly proper‹ (the
(ma‛nā), without regard for time. The namer phrase tickled Edith Sitwell) in a species (Ikh-
is the speaker, the naming is what he says, wān 1957, 1.395—97). — The account grows
and the object named is the notion referred naturally out of the corresponding discus-
to. Similarly with description and predication sions in late Greek and early Islamic philos-
(1957, 1.398, 394 f). ophy and is fairly typical of their tenor (so it
need not be repeated in what follows). Aware-
1.2.3.  Philosophers use six (not five as in Por- ness of the linguistic basis of classification
phyry; see Gyekye 1979, 189) types of terms and predication and sensitivity to the relative
which are crucial to logic: ‘individual’, ‘spe- softness and extreme flexibility of linguistic
cies’ and ‘genus’ refer to the ideas of things, usage were not seen as requiring a Wittgen-
subjects of predication; ‘differentia’, ‘prop- steinian qualification to essentialism or de-
erty’ and ‘accident’ refer to the notions as- manding the least retreat from realism. For
signed as predicates. A (singular or) individ- the predications which are ›properly proper‹
ual term is any verbal expression used to organize reality according to its actual divi-
designate one sensory particular as distin- sions. Their relations of inclusion and exclu-
guished from all others, for example, ‘this sion ground the functioning of logic. All
man’, ‘that stone’, and like expressions, used (proper) predicates of a genus necessarily be-
to designate one thing only. A species name long to its species; and all those of a species,
is an expression used to designate a plurality to its members.
of individuals with the same essential, spiri-
tual form in common. A genus name is used 1.3. Language, Ideas, and Things
to designate a plurality diverse in some essen-
tial forms but alike in others. Differentia are 1.3.1.  All things are individuals or forms pro-
essential characteristics, dividing genera but jected and differentiated in the emanative act
uniting species: Without them the object they of God via the Active Intellect and the uni-
pertain to is not found. Accidents may be versal, celestial Soul, which is present in the
durable but not essential, like the blackness macrocosm like a person’s soul in the body.
of pitch or whiteness of snow; or they may Forms in the universal Soul are like a crafts-
be transient, like blushing, or standing. Du- man’s plan. In the Active Intellect they are
rable accidents are sometimes called proper- like a scholar’s lesson. In God they are like
ties because they can be used to differentiate the number one, from which all other num-
the kinds of things. But they are not essential, bers arise. The forms of things emanate from
substantial properties because their negation God to Nous, to Psyche, and from Psyche at
does not negate the being of the subject. Es- the cosmic level, onto matter, where they can
sential or substantial characteristics like the be apprehended by individual human beings
wetness of water or hotness of fire provide as the objects of conceptual understanding.
the proper differentia of things. They are Knowledge, or science, is the form of the
called ‘differentia’ (fuṣūl) because they differ- object known in the soul of the knower, and
entiate (tufṣilu) reality into species. The term art is the expression of that form by its im-
‘property’ may be applied in a weak sense to position on matter. Education is bringing out
a characteristic shared by several species, as (’ikhrāj) of intellectual potential, making the
bipedalism names a ›property‹ man has in mind actually intelligent, developing the inner
common with birds. In another sense the term likeness of man to the divine and leading us
‘property’ is applied to characteristics found to the supernal realm and immortality (1957,
in but one species, yet not in all its members, 1.399, citing Plato, Theaetetus 176 b and
as being a merchant is found only in man, Qur’ān 39: 9, 6: 12 2 ). Forms are the ultimate
but not in all men. A third sort of ›property‹ referents of all signification that does not refer
belongs to all and only members of a species, to individuals as individuals, and each human
but not at all times, as hoariheadedness in soul acquires its knowledge of them by em-
man. The fourth sort belongs to all and only ulation of the universal, cosmic Soul, with the
members of a single species and at all times, aid of the Active Intellect. For all forms, as
like the ability to laugh or cry in man. For principles of actuality in things and in
no other creature laughs or cries in just the thought, have their source in the Active In-
way man can do from birth to the hour of tellect and thus stem ultimately from God
death. Such predicates are called ›proper (1957, 398 ff).
3.  Jewish and Islamic philosophy of language 37

1.3.2.  Meanings or ideas are spirits, and some sixty languages in all. His distinctive
words are like their bodies: words without habit of citing examples from languages other
meanings are like spiritless bodies, and than Arabic, like his attempt to state general
thoughts without any word to express them rules about all languages and even to for-
are like bodiless spirits. In the manner typical mulate some of the principles of what we
of textbooks, Porphyry’s Isagoge had avoided might call a universal or deep grammar, is
an immediate display of its author’s neopla- indicative of his belief that logic (the philo-
tonic commitments, although these were sophic logic whose concept the Ikhwān adopt
hinted when Porphyry argued a tollendo tol- from him) is the universal guiding principle
lens, that to do away with the genus is to do behind the grammars of particular languages.
away with the species and its members. But It is said that al-Fārābī did not know Arabic
the Ikhwān, typically of the Muslim philo- well enough to do philosophy in it until he
sophic tradition, make no bones about their came to Baghdad as a young man and heard
neoplatonism. Their care to differentiate another Nestorian, Abū Bishr Mattā ibn Yū-
word and object expresses a Platonic interest nus. In order to master Arabic, he exchanged
in locating a referent for all significant ex- lessons in logic and musical theory for in-
pressions (cf. Ikhwān 1957, 400; 403). struction from the eminent Arabic grammar-
ian Ibn al-Sarrāj. His lifelong interest in the
problems of grammar, translation and the
2. Al-Fārābī philosophy of language is an example of the
non-native speaker’s interest in such formal
2.1. Life and Work questions, that many Muslim theorists re-
mark upon. Reportedly al-Fārābī lived and
2.1.1.  Abū Naṣr al-Fārābī (872 —950) (s. art. travelled in Byzantine lands for some eight
19) is called the Second Teacher because of years in the first decade of the tenth century.
his crucial role in conveying an adequate un- Returning to Baghdad, he won his reputation
derstanding of the logic of Aristotle (s. art. as a major philosopher; his students included
15) to readers of Arabic. He was a descendant the warmly humanistic Jacobite Christian
of Turkic tribesmen recruited by the Islamic philosopher Yaḥya ibn ‛Ādī (d. 975) and Ya-
Khalifate; his father, a military officer. He ḥyā’s brother Ibrahim. Al-Fārābī’s times saw
grew up in Fārāb, near the Jaxartes (Syr great political instability and theological fer-
Darya) and Aris rivers and began his training ment: The ‛Abbāsid Khalifate of Baghdad fell
in higher Islamic studies and music probably into the hands of dynasts from among its
in Bukhara. He advanced in the study of logic Turkic soldiery, and Islam itself redefined its
at Marw, under the Syriac speaking Nestorian orthodoxy in more predestinarian and less
Christian master Yuḥannā ibn Ḥaylān, as rationalistic and voluntaristic terms than had
whose disciple he came to Baghdad and per- been in the ascendant when the great work
haps Harran. It was evidently with Ibn Ḥay- of translation from the Greek was first un-
lān that al-Fārābī penetrated Aristotle’s An- dertaken. In 942 , after writing his magnum
alytica Posteriora (called in Arabic the ›Book opus on musical theory, al-Fārābī left Bagh-
of Demonstration‹) as well as the more fa- dad and traveled first to Damascus, then to
miliar earlier portions of Aristotle’s Organon. Egypt, finally back to Damascus, where he
His claims to primacy in such apodeictic stud- died at the court of the Shī‛te Ḥamdānid
ies on the grounds that Christian scholars Maecenas, Sayf al-Dawla. — In political
were restrained from passing beyond the An- thought al-Fārābī was an intellectualist and
alytica Priora were apparently somewhat ex- idealist who understood the rhetoric and di-
aggerated (al-Fārābī, 1981 a, cvii). Yet he was alectic of the Qur’ān Platonically, as poetic
a pioneer in these studies nonetheless, bring- persuasion. In metaphysics, ethics and cos-
ing them to life philosophically through his mology he was a reconciler of Plato and Ar-
original development of the themes explored istotle (al-Fārābī, 1961 a, 1985). His special
by his predecessors. Probably not a native interest in the philosophy of language reflects
speaker of Arabic, al-Fārābī may have spoken his cosmopolitanism, but his knowledge of
Soghdian or a Turkic language as his native Plato extended to the Cratylus, which he de-
tongue. He was proud of his (fairly rudimen- scribes as an investigation of the power of
tary) knowledge of Greek and of knowing language to inform and a critique of the no-
other languages such as Turkish and Persian. tion that the meaning of words is a sufficient
By one obviously fanciful account, he knew source of knowledge as to the natures of
things (al-Fārābī 1962, 56).
38 I. Raum-zeitliche Übersichten

2.2. Being and the Categories totle’s categories in their traditional order,


explaining that they were derived by the ear-
2.2.1.  In his Book of Letters al-Fārābī is at liest sages surveying reality with the mind’s
pains to explain that philosophers call the eye and arraying all as they found it, in sys-
answer to a when question ‘a when’, and tem, like the order of the numbers (Ikhwān
correspondingly in philosophy there are ‘a 1957, 404 f), al-Fārābī starts from the side of
where’, ‘a how’ (kayfa), ‘a how many’ (kam), language, treating the categories and other
‘a what sort’ (’ayy), and ‘a what’ (mā). These notions including ›thatness‹ by reference to
terms form abstract derivatives in philosophic the expressions that bring them into view. For
discourse (whence our ‘quiddity’, ‘quality’, logic, as he says, deals not with pure concepts
‘quantity’ and the like). But there is no such but with concepts insofar as these are signified
expression as ‘a whether’, or ›whetherness‹ by words: Logic shows a certain congruence
(pace the grammarian al-Sīrāfī, d. 979, whose between words and concepts because it often
polemical remark is probably parodistic; see uses words as surrogates of concepts where
al-Tawḥīdī 1905, 105; 12 4). Rather, philoso- such a congruence is found (al-Fārābī 1960 c,
phers speak of thatness, in an assertoric sense, 18). Thus al-Fārābī refers to substance in the
whose “assigned significance is clear in all first instance as an object and not merely of
languages”, that “meaning is persistence, du- perception (maḥsūs) but of ostension as well
ration, perfection, stability in existence and (al-mushār ’ilayhi). He defines substance, fol-
in knowledge“ (al-Fārābī 1969, 61). In Ara- lowing Aristotle, as that which is not predi-
bic, factuality is asserted by way of the affir- cated of anything else, except accidentally and
mative particle ‘’inna’ and (its grammatical artificially (“for we sometimes say, ‘That
sister) ‘’anna’, which means ‘that’. In Persian white object is Socrates’”, An. Pr. I 2 7, 43 a
there is the particle ‘ke’, again meaning ‘that’ 2 5—40). The categories too are defined lin-
[cf. the Latin ‘quod’ or French ‘que’]. In guistically and psychologically: “Every con-
Greek, ›more plainly‹, there is ‘on’ [ὄv], in- ceptual notion signified by a given expression
dicating affirmation, and its more emphatic in terms of which some aspect of this object
form with a long ‘o’ [oὖν = ὦν], reserved for of ostension is characterized we call a cate-
God (cf. Exod. 3: 14, ap. Philo Quod Det. gory” (al-Fārābī 1969, 62 ). Clearly al-Fārābī
160). In Arabic, philosophers speak of the does not believe that to be is to be the argu-
existence of a thing as its thatness. Al-Fārābī’s ment of a predicate, but he does not mistake
easy assertion that this notion (of factuality) the established philosophic table of predica-
is found in all languages provides fascinating tions for an unconstructed picture of reality.
evidence against the vulgar misuse of Whor- The primacy of ›absolute substance‹ (Aristo-
fian ideas in the popular thesis that language tle’s primary substance) is real: Substance is
sets the bounds of thought: Gliding past the not predicated of anything else because it does
fact that Semitic languages regularly suppress not belong to anything else. The essence of a
the present tense of the verb to be, he finds thing, which reveals what that thing is, is
the relevant concept as the referent of a par- predicated of the thing (and of all things of
ticle (al-Fārābī 1969, 61 f). Indeed he is strik- its kind), although it is in a secondary sense
ing in his emphatic treatment of the copula a substance, the substance in fact of the object
as a form of the verb ‘to be’, in accordance of reference. But it remains unpredicable of
with Aristotle’s doctrine of the manifold any other things, at least not by way of telling
senses of being in the Categoriae, despite the what they are in the most definitive way (al-
fact that Arabic, like other Semitic languages, Fārābī 1969, 63). Language does not impose
does not rely on the verb to be to express the but does reveal the underlying structure of
copula in the present tense. The copulative reality. The predication of genus and species
sense of the verb ‘to be’ (what Stephanus terms over a plurality is (not merely a con-
called the ›hyparctic‹) is present in any case, vention, nor yet a necessity of nature but) a
whether express or understood, since the be- feature of psychology, attendant on the entry
ing of an attribute is assigned to that of a of concepts into our minds. Here we see a
substrate or subject by predication, regardless strength of making notions the referents of
of how the assignment is communicated. As words. For we describe things as we think
al-Fārābī argues, the logical, not the morpho- them, not simply ›as they are‹.
logical form is what we must treat as primary
if our interest is in understanding. 2.2.3.  It is because concepts are mental that
they can be classified, related to one another,
2.2.2.  Where the Ikhwān carefully list Aris- known by way of one another, treated as
3.  Jewish and Islamic philosophy of language 39

more general or more specific. All these reflect whose unriddling leads us to the supernal
mental operations, just as a concept’s being world of the divine, the heavenly kingdom,
more or less ›intelligible‹ or ›understandable‹ Malakūt, which the Ikhwān al-Ṣafā’ identi-
is a reflex of its subjectivity. “If there are fied with the realm of Platonic ideas as elu-
concepts which are purely intellectual and do cidated by al-Fārābī (L. E. Goodman 1989;
not derive from the objects of the senses, that Ikhwān 1978, 1.400). — Since our conceptual
is not clear to us from the outset“ (al-Fārābī knowledge is framed on the trellis of sensory
1969, 64). Concepts derived from sense ex- experience, language naturally mingles con-
perience are simple, and the simple must pre- ceptual with empirical reference. The latter,
cede the complex. But the properties and re- al-Fārābī explains, is the focus of those who
lations that pertain to concepts insofar as the think (not groundlessly) that all reference
concepts are mental are themselves capable must be phenomenal and ultimately ostensive;
of being thought, and these concepts do not the former is the province of those who see
arise as images of sensory objects. Terms like that our ability to understand and make our-
‘man’ and ‘white’ do, of course, have a sen- selves understood to one another depends on
sory reference, and so accordingly does the our access to concepts beyond the sensory.
judgment ‘This white (object) is this man’,
where the indexical betrays the ostensive ref- 2.2.4.  We reach the realm of pure ideas by
erence. Even ‘Man is white’, where the osten- way of higher order thinking. Higher order
sion is eliminated, still leads back to sensory concepts treat ideas themselves as objects of
objects. But when the mind conceives what it thought, but they can be handled with the
is for man to be man or white to be white it same facility as other concepts. For we readily
leaves behind the sensory: Ideas of the es- perform the same operations on them recur-
sences of things cannot be derived simply sively (ta‛ūdu ‛alayhā tilka ’l-aḥwāl) as on
from sensory apprehension but must arise first order (sensory) concepts, just as we can
from reflection, apprehension of the character transform words morphologically, regardless
of an idea as an object of thought. “For what of their sense, to correspond to any syntac-
can be pointed at is only ‘this white’, not tical operation. Thus knowledge can become
whiteness or the white as such” (al-Fārābī an object of knowledge. There is no ground
1969, 75 f). Al-Fārābī renders somewhat for concern about the objections of Antis-
clearer how conceptual ideas succeed sensory thenes that such patterns lead to an infinite
images in his exposition of the role of the regress. For the regress is not vicious: Rec-
Active Intellect: Ideas in matter are only po- ognition of the concept ‘man’ as such is rec-
tentially understood, thus only potentially ognition of all its instances, be they finite or
ideas, as colors in bodies are only potentially infinite. No further concept is required. By
colors until light renders them actually seen. the same token we can freely perform any
Thus the sensory images preserved as mem- intellectual operation upon any concept (treat
ories by imagination are embedded in matter an idea as a genus, species or differentia and
and only potentially intellectual in nature; the draw appropriate inferences, for example),
mind in which they persist is itself intelligent provided that we understand the operation
or intellectual only potentially. But the Active — just as we can put any word into any
Intellect, identical with the form-giving, dis- grammatical case. We can have a concept of
embodied intelligence of the tenth (lunar) concept, and so ad infinitum — provided the
sphere, possesses the pure intellectual con- recursion is univocal. There can be genera of
cepts or patterns of things actually, and its genera just as the word ‘nominative’ can itself
emanative activity transforms the mere im- be placed in the nominative case. “The infin-
ages of the human material or potential in- ity founds no proof. For to know one instance
tellect into conceptual ideas, as the sun’s light is to know all, if we know what all have in
renders vision actual and as matter is realized common — even if they are infinite” (al-
by the receipt of form (al-Fārābī 1985, 196— Fārābī 1969, 64 f). Antisthenes was mistaken
2 04). The images that are the material sub- in objecting to the request for a definition of
strate for conceptual ideas are, in effect, cues ‘man’ by saying that first we must know the
(Platonic reminders); they serve, we might definition of ‘definition’ and then of ‘defini-
say, as signs suggestive of the pertinent ideas tion of definition’ and so ad infinitum. Such
(al-Fārābī 1985, 2 79). Here we see the roots knowledge was not relevant or needed. For
of al-Ghazālī’s profound, ultimately Aristo- once we know what definition is, the same
telian idea that this world is a symbol system notion holds throughout the series and indeed
40 I. Raum-zeitliche Übersichten

ad infinitum, just as the idea of ›nominative‹ the verb to be, whether explicit or understood,
is the same whether it applies to ‘Zayd’ (a applied as a copula of judgment in one or
man’s name) or to the word ‘nominative’ it- another of its special predicative senses. But
self. We do not need to know what knowledge these notions of being are all higher order
is, and knowledge of knowledge of knowl- concepts not derivable from the senses. So in
edge, ad infinitum before we can know. And the simplest phenomenal judgment there are
we do not need to know whether ‘same’ is the in fact at least two conceptual elements pres-
same as another ‘same’ or different, whether ent implicitly from the outset, even if the
‘other’ is other than another ‘other’ or the maker of the judgment is unaware of them:
same, so that other becomes same and same the conceptual notion of the predicate term
other — and so forth. All such questions are and the notion of being, that is the belonging
of a type. All deal with higher order concepts of the predicated characteristic to a subject.
and all receive the same answer, modelled on In addition, we can say, there is the existen-
the treatment of grammar, which does not tiated subject, treated conceptually insofar as
discriminate one level of metadiscourse from it is made notionally substantive. Analysis
another but recognizes the same formal re- reveals what a habit of language guided by
lations in all (al-Fārābī 1969, 65 f). Relying mere images need never make explicit, unless
on psychologism and the perfect abstractness judgments are to be made scientific: that all
of formal relations in grammar, al-Fārābī dis- our judgments rest epistemically upon con-
solves all concerns for the special treatment ceptual foundations.
of higher order concepts. Senses must be kept
distinct, as the example of ‘same’ and ‘other’ 2.2.6.  To designate concrete, sensory partic-
suggests. But the distinctions needed can trav- ulars which are not in a substrate and which
erse the boundaries that divide higher from anyone can point at does not require much
lower orders of discourse. So al-Fārābī does linguistic articulacy. Thus countless particu-
not feel bound to make a fetish of metalevels. lars are unnamed. Language becomes active
Still less does he make them ends in them- and highly inflected where it seeks to signify
selves. Problems of self-reference seem trans- in the categories other than primary sub-
parent to him, once the notion of pure ideas stance — to entail rather than to point. Epi-
is allowed. Yet he calls Antisthenes’ question stemically and thus linguistically we can dif-
an error, not a sophism. Like Spinoza (Ethica, ferentiate (schematizing an old illustration of
II, 43) he grounds its dismissal in the ade- Plato’s): (1) the ostensive object (›that, down
quacy of our primary concepts and their most there‹), (2 ) the fact that it is this man or this
elementary mental ›concomitants‹. white thing, (3) man or the white in general
(the extension of the term), (4) Man (human-
2.2.5.  Linguistically, al-Fārābī argues, the ity) or whiteness itself. It is important to al-
phenomenal dimension of thought is best ar- Fārābī’s account that universals are not just
rested in verbs, whose conjugations reflect the more widely referential terms than particu-
temporality of their (fleeting) objects of ref- lars. They are second order concepts; they
erence and allow their flexible use as predi- rely on a ›second intention‹. That is, they
cates in all nine non-substantial categories. indicate not just an idea of a thing, but an
But the conceptual dimension necessary to idea of an idea, or an idea taken as an idea
understanding and communication (fahm, ta- rather than as directly intending an object or
fāhum) is captured in the (unconjugated) ver- a sensory property in an object: There is an
bal noun (maṣḍar), analogous to our infini- inner recursiveness in the idea of a universal.
tive, and in ›abstract‹ nouns in ‘-iyya’, anal- It is self-conscious and modulated by a rule
ogous to our ending ‘-ity’ (al-Fārābī 1969, 78; of inclusion and exclusion. Gyekye (1971)
Arnaldez 1977). As ›derived forms‹, inflected following Madkour (1934) credits al-Fārābī
verbs suggest by their morphology that while with developing the notion of first and second
they may be phenomenally primary they are intention; and this may well be sound, al-
conceptually secondary, and al-Fārābī has lit- though there is probably a basis laid in the
tle difficulty in demonstrating that they are earlier commentators, going back to Ammon-
so. For verbal predication, he reasons, is just ius, Themistius and ultimately Porphyry and
a special case of attribution, linking a se- Alexander of Aphrodisias; for al-Fārābī han-
mantical predicate notion (linguistically ex- dles second intention as an established tech-
pressible in a maṣḍar) with a subject notion. nical notion and clearly regards it as a natural
This can be done, he argues, only by way of elaboration of Aristotle’s conceptual ap-
3.  Jewish and Islamic philosophy of language 41

proach to meaning. Gillespie cautions against consciousness and in the development of lan-
assigning to Aristotle the idea that words refer guage as a human institution, we always work
by way of concepts, arguing, “This is too from the sensory toward the conceptual. Lan-
sophisticated for a primitive logic. Adam gave guage develops, in the first instance, as a
names to things, not to meanings; these things representation of the notions in our soul; and
have natures of their own, signified by the they, in turn, represent what is external to it.
name. It is wise to avoid speaking of concepts For abstract notions do not occur outside the
and Begriffe in connexion with Plato and soul (al-Fārabī 1969, 74 ff). This bold asser-
Aristotle“ (192 5, 79, n. 11). But the Second tion may seem to qualify al-Fārābī’s commit-
Teacher is confident that his approach is on ment to Platonism, but it does so only within
good Aristotelian ground. Glossing the open- the limits of the tradition: ›Abstractions‹, of
ing lines of Peri Hermeneias, al-Fārābī writes: course, do not exist ›by themselves‹, but ever
“Aristotle reports that words indicate con- since Alexander of Aphrodisias adopted the
cepts in the soul [...] He says impressions in expedient of locating the (formative) ideas in
the soul rather than concepts because he the mind of God, his Active Intellect, the
wants to include all that arises in the soul ideas had not wanted for a home, or for an
when sensory objects are no longer present explanation of their causal efficacy. Al-Fārābī
to perception [...] like the mental image of assigned a threefold existence to ideas: in na-
Zayd and other things, like the goatstag, that ture, in the mind, and in the Active intellect;
the soul invents by combining images with only their logical use was abstract, thus con-
one another” (1960 c, 24 ad 16 a 1—4). fined to the mind. In each case the existence
of universals is dependent on that of some
2.2.7.  Since apprehension of the essences of particular; they never exist ›on their own‹.
things, knowing things conceptually as they Knowledge, as the Aristotelian correspon-
are, is dependent on our use of higher order dence theory of truth entails, involves match-
concepts, concepts self-consciously conceived ing our notions to (the forms of) things. Lan-
as concepts, it is only on the basis of the guage involves a three way match: words in-
fourth level of ›abstraction‹ that real naming dicate notions, and notions represent things:
begins, “For the soul is eager to signify what scil., under concepts.
cannot adequately be signified by pointing.
What is pointed at is this white, not whiteness 2.2.8.  Words, corresponding as they do to
or the white as such, this long thing, not the ideas in the soul, are much closer to thoughts
long in general — although the long or the than to things. It is for this reason that some
white is closer to what is pointed at than is thinkers deny the reality of the universals
length or whiteness” (De An. III 8, indicated by such words as ‘whiteness’. They
432 a 10—11). Having teased out these as- think that ideas are about words rather than
pects of things, our faculty of rational dis- vice versa. Indeed, many deny the reality of
course (al-quwwatu ’l-nāṭiqa), which is syn- ‘the white’ and ‘man’ and claim that what
thetic as well as analytic, can recombine or exists is only this white, this man. They argue
segregate them in various ways — indicatively that no totum can be pointed at and reject
in affirmations or denials, hypothetically in concepts altogether. But this violates our sen-
conditionals, imperatively in commands and sory awareness (of the commonalties among
prohibitions, and in other sentential com- our diverse sensory impressions), our primary
plexes. Using these — categorical and hypo- knowledge, and our very nature as humans.
thetical, universal and particular judgments “For it is human nature to discourse by way
— we can render terms considered and criti- of words, to signify and to teach. And it is
cal, allowing them to reflect conceptual rather human nature that things should enter our
than just sensory notions. Thus al-Fārābī, like minds as concepts correspondent to the terms
Kant, relies on the power of the sentential in which they are described.” (al-Fārābī 1969,
form of judgment to warrant the adequacy of 76 f). We must posit rationality, explanation
the ultimate conceptual categories. In al-Fār- and understanding to establish what we and
ābī’s case this means reliance on the power our detractors have in common and differ-
of the Aristotelian syllogism as the tool with entiate ourselves from the beasts. Otherwise
which to define classes and so hone our con- there would be no distinction between us and
cepts of the substances in the world to the a plant or stone. But whatever distinctions
true conceptual topography of the intellectual are introduced reintroduce ideas, even where
realm that is their source. But in our normal one might attempt to banish them.
42 I. Raum-zeitliche Übersichten

discourse of a culture — its myths, icono-


2.3. Language and Thinking graphy, common notions and the derivative
dialectic that arises from their themes. It is
2.3.1.  What relations hold between language not the oddness of symbols that confines but,
and critical thought? To address this question paradoxically, their commonness. The de-
al-Fārābī sets out a developmental account: pendence of public discourse on the vulgar
Sensitivity to demonstration takes time to and therefore parochial creates bonds which
develop, so philosophic certainty is preceded only conceptual thought can release.
by sophistic, dialectic, and a sort of proto-
philosophy that al-Fārābī calls muddled (mu- 2.3.2.  The common people, al-Fārābī writes,
mawwah), insights shot through with uncrit- exist before there are any who are elite. Each
ical notions, which there is not yet the tech- people has its own determinate land, bodily
nical means to refine away. Eristic and so- form, physical temperament, psychical pro-
phistic precede philosophy as the fertilizer pensities and receptivities toward specific
and the flower precede the fruit. Religion, modes of apprehension and imagination. An
insofar as it is a human institution, depends isolated individual growing up in a state of
on philosophy for its ideas. It comes after nature would develop habits of movement,
philosophy as a tool devised to meet a need. learning and thought simply by doing what
Its function is to promulgate philosophic came most easily to his nature. But such hab-
ideas as beliefs and practices among the its, based on repetition, are the matter of art,
masses. But to do so it relies on persuasive including linguistic art: If such a person
rather than demonstrative reasoning. Accord- “needed to inform another of what was in his
ingly, it transposes philosophical ideas into mind (fī ḍamīrihi) or what he inwardly in-
the vein of imagery and story. Its ancillary tended, at first he would use pointing to sig-
arts, jurisprudence and that dialectical mode nify what he wanted from the person with
of apologetics which the Arabs call ‘kalām’ whom he sought to communicate”. Next vo-
build upon assumptions given by religion; and calization would be employed: “The first vo-
if the philosophy at the base of the tree is calizations (taṣwītāt) were calls by which the
suppositious or addled, they may well accept person one sought to communicate with was
its ideas uncritically or defend the images and made aware that he himself was intended and
parables in which even true philosophic con- none other”. Subsequently a variety of deter-
ceptions have been clothed, as though they minate vocalizations came into use, to des-
were the truth itself (al-Fārābī 1969, 131 f). ignate each determinate ostensive sensory ob-
The theologian, practitioner of kalām, as dis- ject distinctly (al-Fārābī 1969, 134 ff). Vocal-
tinguished from the philosopher, is confined izations are simply beatings upon the air of
by the persuasive, ultimately rhetorical char- our breath by the divers parts of our throat
acter of the discourse he employs, to the pri- and mouth: As the air issues from our lungs
mal level of the populace, to whose common and passes out through the mouth and nose,
notions and emotions he appeals. He may the tongue, lips and teeth compress and mod-
exchange one doctrine for another within the ulate the stream into discrete and articulate
popular repertoire. He may even popularize segments. Linguistic differences arise in the
ideas derivative from philosophy, seeking to phonetic differences resultant from the ease
prove them by appeal to commonly held no- or difficulty of specific patterns of oral move-
tions or traditions. In a sense he is a leader, ment for the peoples of different lands. It is
but only within his particular community. In not Saussure’s need for phonemic contrast
international or intercultural terms, only the (or Lévi-Strauss’ for thematic contrast) but
philosopher stands apart from the populace. the biological differences of heredity and en-
The jurist or politician works within the vironment, then, that take the place of Babel.
framework laid down by the founder of his — The first vocalizations are ›vowelized let-
tradition, whereas one who relies on reason ters‹, i. e., syllables. But there are too few such
(al-muta‛aqqil) uses universally acknowl- signs (‛alāmāt) to allow designation of all
edged premises or premises derived from first- conventionally conceptualized objects. Lan-
hand experience, and thereby overcomes in- guage users must form combinations to cover
tellectual dependency (al-Fārābī 1969, 132 f). sensory objects and the notions dependent on
— Religion, not language, we observe, artic- (tastanidu ’ilā) reference to such objects. By
ulates the confining premises of popular cul- invention of signs, ostension of their objects,
ture. But the vehicle of religion is the peculiar and convention in their usage, a variety of
established signs is developed: proper names
3.  Jewish and Islamic philosophy of language 43

(’alqāb) to designate sensory objects, and the same through an alteration of successive
those signs (e. g. ‘dog’, ‘cat’) that signify uni- accidents, the expression assigned to it is a
versal ideas which have sensory instances (cf. word that remains constant while certain of
Aristotle, Categoriae 5, 3 b 14—17). The latter its letters alter, each shift indicating a chang-
are understood by way of their reference to ing accident” (al-Fārābī 1969, 139 f). — The
a given ostensive particular and to all others relations signalled by the use of common
like it (al-Fārābī 1969, 136 f). words may be non-essential or remote; and
words, accordingly, become ambiguous. Sim-
2.3.3.  Linguistic usage begins with one per- ilarly, through purely verbal distinctions and
son using a given vocalization to designate a connections language acquires synonymy and
given object, and another imitating the first. homonymy. These result, then, from a kind
It spreads by hearing and imitation from the of rambunctiousness of language, losing or
initial pair, ultimately to a whole society. All loosening its moorings in reference through
rests on convention and agreement. But as efforts at comprehensiveness and order. But
the stock of familiar signs grows, by invention while our linguistic penchant for projecting
and acceptance among the populace of a non-essential relationships is noted, there is
given country, one who ›orders their affairs‹ no Wittgensteinian discomfort with the con-
may introduce an entire body of vocalizations ceptual/referential account of meaning. The
to supply all that is necessary but wanting in model for words is reality, and combinations
the familiar stock. Such a figure is a linguistic of words are linked together in the same man-
founder or language giver, the very same as ner as combinations of ideas in the soul.
the lawgiver al-Fārābī describes in his politi-
cal works (al-Fārābī 1960 a, 2 7 11. 13—15; 2.3.5.  Once words are established as signs of
the identification, noted by Walzer in al-Fār- ideas and so ordered that they are capable of
ābī 1985, 476 n. 893, is omitted by Zimmer- signifying the actual natures of things, indi-
mann in al-Fārābī 1981 a since he cannot ac- rection (naskh) and figurative usage come
count for it in the MS tradition; cf. Plato, into play: “An idea is expressed without use
Cratylus 388 e—390 e, 437 e). — Language be- of its originally assigned name, and the name
gins with the commonplace, sensory objects earmarked for a given idea to signify its es-
seen by all and such sensorily manifest items sence, is assigned to express something else,
of theory as the sky, stars and earth and the with which it has some connection, regardless
general sensory notions pertinent to these. It how slight, whether a distant likeness or some
goes on to devise words for the basic human other relation, without the new application
actions that arise from our natural powers, becoming definitive and without the word
to the habits that develop when those actions, signifying the essence of its new referent. Thus
through repetition, become traits of character arise figurative and metaphoric usage [...]
or arts, which depend on skill and practice, Such are the origins, first of the rhetorical
and to the actions associated with such habits. and then, gradually, of the poetical” (al-Fār-
Gradually, language develops further, to en- ābī 1969, 141). Metaphor, in al-Fārābī’s view,
compass the knowledge derived from com- is not a main source but a derivative of the
mon experience and expectation, and then to primary, referential use of language. Essential
the specialized concerns of various practical reference is primary. Metaphoric usage, as its
arts, speaking of their tools and products, name ‘borrowed’ suggests, operates through
and ultimately covering all of a nation’s needs the direct, referential senses of words, inter-
(al-Fārābī 1969, 137 f). changing, arranging and embellishing them.
Poetry, in al-Fārābī’s account, is not the
2.3.4.  In a nation whose people are well bal- mother but the daughter of plain, prosaic
anced in constitution and naturally inclined speech. And so it must be if our reference to
to intelligence and understanding there is a things is to be by way of concepts that refer
natural propensity to develop a vocabulary to their real natures. For unlike images, words
reflective of reality as they accurately conceive have no resemblances to their referents; and
it. Where the nation as a whole lacks that the images words may stand for have real
propensity, those who direct their linguistic reference only through the concepts whose
affairs will legislate it (yusharri‛ūnahā). Dis- outlines they suggest to the emerging intelli-
tinctions and similarities will be marked by gence.
the use of universal and singular terms, and
by the inflection of words: “If a notion stays 2.3.6.  A native speaker who grows up using
the letters and words, phonetic values, mor-
44 I. Raum-zeitliche Übersichten

phologic patterns, and connected phrases of words in a language as faithfully as manage-


a given nation, and no others, so that he able, just as words, from of old, were devised
knows no other and his tongue chafes at even to correspond to ideas. Recorded in books,
pronouncing any others, is the perfect stan- the written word preserves what is too hard
dard of that nation’s usage. Such a person’s to remember or too important to risk forget-
notions are entirely on the level of rhetoric, ting, so that it can be passed on to posterity
as distinguished from philosophy. They arise or taught and made intelligible, even for those
from primary notions, gradually, in response who live in a distant land or time.
to the need to persuade. Poetic ideas arise
similarly, with the use of images and illustra- 2.3.7.  The formal study of language next
tions to elucidate or stand in for ideas, grad- arises, gradually, reflecting a passionate in-
ually generating the art of poetry itself. Po- terest in the words found embedded in pre-
etry, then, would be a fabric of discourse that served specimens of poetry, oratory and tra-
works by indirection. Like rhetoric it is “one dition, and a desire to glean them from the
of the rational arts, responsive to our natural discourse of eloquent speakers. In any nation,
predilection for order and design in all things” the purest linguistic materials upon which to
(al Fārābī 1969, 146 f). For in poetry the very found such studies are located among “the
measures of our syllables are ordered pleas- desert dwellers, who live in homes of wool or
ingly. (So poetry is the forerunner of logic, hair, in tents, wherever there is a sip of ground
science, and mathematics.) Both poetry and water”. They have never mingled with speak-
rhetoric become repositories of valued ers of another language and have never heard
traditions from the past and news of the pres- a barbarous phrase or construction, let alone
ent, fostering the crafts of the reciters and felt ready to twist their mouths around a
memorizors, from whom arise the eloquent foreign phrase (1969, 141—146). The Arabs
speakers and indeed the sages and linguistic afford a case in point, since some live in the
mentors of the nation. These artists and ar- deserts, while others inhabit the garrison cities
tisans construct new words synonymous with that grew up after the Islamic conquest. City
the familiar ones, creating an esoteric diction, Arabs began to pursue language studies av-
which they pass along among themselves. idly in the second Islamic century, from
Sometimes they take linguistic note of char- around the year 90 (708) down to the year
acteristics not yet named, or name objects for 2 00 (815), principally in Basra and Kufa. No-
which no noun as yet exists, perhaps because madic Arabs were the informants, preferably,
none had been needed for practical purposes. “those of the interior and those who were the
While the new names may remain rare, they wildest and wooliest (ashadduhum tawaḥḥu-
are continuous with the main linguistic stream shan wa-jafā’an), the most intractable and
because those who construct new words fol- unfettered — Qays, Tamīm, Asad, Ṭayy, then
low the phonetic patterns of the language, Hudhayl. These were the bulk of the sources
choosing among the permissible combina- for the Arab tongue. From the rest, nothing
tions of letters the construct most likely to was taken: They were from more marginal
signify the intended idea and making known Arab lands, had mingled with other peoples
its newly created function. Through such at- and docilely adapted to the modes of expres-
tentions a language is refined and perfected, sion used by the surrounding nations —
its diction made more expressive (afṣaḥa Ethiopians, Indians, Persians, Syrians, Ara-
mimmā kānat) and its usages smoother and maeans, and Egyptians” (al-Fārābī 1969,
pleasanter. The native speaker acquires this 146 f).
clear and eloquent language just by hearing
it from his elders and speaking it as he grows 2.3.8.  The scholars of language master and
up. Any divergence from its usages is barba- record the diction and then the connected
rous in his ears. One who circulates among expressions, common and arcane, of their in-
such people can preserve in memory the lin- formants, finally concentrating on poetry and
guistic achievements of the poets and orators rhetoric. They base their theories empirically
of the past — along with the traditions and upon the collected material, comparing,
customs they contain. But ultimately the cu- drawing analogies, classifying, and formulat-
mulative weight of tradition becomes too ing inductive rules. To express, learn and
great for memory, and writing is devised. In- teach these rules it becomes necessary either
itially the scheme is haphazard, but over a to create new words from the phonetic re-
long period it is refined to represent all the sources of the language or to adapt old ones
3.  Jewish and Islamic philosophy of language 45

to new senses, ideally developing the abstract and teach by demonstrative means. Dialectic,
vocabulary of grammar by analogy with the rhetoric and poetry remain accessible to all,
senses of words already in use. With the de- but the latter two take on the special role of
velopment of this specialized usage, language imparting to the masses practically or spec-
becomes a technical subject that can be stud- ulatively relevant beliefs and opinions, based
ied, taught, and explained in words. Profes- on conceptual knowledge validated by proof.
sions emerge in rhetoric, poetry, philology Using persuasion (rather than proof) a leg-
(“the ability to preserve their traditions, po- islator can teach and discipline (yu’addibu)
ems, and narratives”), the “profession of lin- the masses, informing their thought and
guistic science” (al Fārābī 1969, 148 f), and, ethos, and aiding them in securing happiness,
once it becomes possible to discuss the signs that is, their objective wellbeing, although, as
used in writing, orthography. Rhetoric, as a masses, they have no articulate awareness of
persuasive art directed to the concerns of the any interest higher than the material and no
masses, uses words in their first intention. vocabulary in which to express such higher
Poetry uses imagination to evoke the same interests. Religion is the outcome of this proc-
referents. The science of language itself uses ess. Jurisprudence (fiqh) and kalām arise from
words only in their primary intention: it does the efforts of interpreters to develop and ex-
not refer to higher order ideas but to words tend the ideas expressed by a religious law-
as objects. For this reason, none of these giver. But kalām readily acquires its apolo-
›popular‹ arts legitimately exerts leadership. getic role, defending received tradition against
To refer to signs which themselves refer only external polemic and internal critique. This
to sensory things might give an art a nominal popular function requires kalām to rely on
precedence over first order discourse. But a the common, persuasive mode of argument
chief who orders his subjects’ affairs for their and not rise to the apodeictic (al-Fārābī 1969,
material benefit or his own has only nominal, 150—153).
not real precedence to his subjects. Because
his goal is of the same order as theirs, he is 2.4. Symbol versus Idea
one of them in reality. And, for the same
reason, the linguistic arts do not rise above 2.4.1.  Now all of the foregoing describes the
the arts that use the object language: their development of the rational arts when they
ultimate concern goes no higher (al-Fārābī arise in nations from the natural talents and
1969, 148 f). So much for the still active no- interests of the people. “A religion based on
tions of the moral authority of criticism, the a philosophy that has matured after the dif-
metaphysical authority of linguistics, and ferentiation of all the rational arts in the
spiritual authority of poetics. manner and order we have laid down is sol-
idly grounded in excellence” (al-Fārābī 1969,
2.3.9.  A higher understanding arises when 153). But if philosophy in a nation has not
›souls incline‹, after the development of the yet become demonstrative and certain but still
popular arts, “to grasp the causes of sensory rests on rhetorical, dialectical or sophistical
things — on earth, above it and around it” claims then the religion that develops may
(al Fārābī 1969, 151). We yearn to understand well be infected in whole or in large part with
shapes, numbers, mirror images, colors. As a false beliefs, reflected in turn in false, mis-
result, we learn the inadequacy rhetoric in leading, ultimately corrupting imagery. The
disputes about reality and begin to disengage unsoundness is all the more insidious in that
dialectic from sophistry and to give preference it is insensate. Taken as truth, delusions may
to dialectic, except perhaps as a defense form the basis of corrupt laws. Only sound
against persecution (miḥna). Dialectic too philosophy can establish a sound society. But
falls short of certainty, but it continues to either religion or philosophy can be adopted
develop through its use in politics, as a sup- and adapted from an external source. Sup-
plement to rhetoric, becoming almost scien- pose a religion is adopted by a nation that
tific (‛ilmī) ultimately and thus setting the had no prior religion, perhaps improved, aug-
stage for the emergence of a Plato: “it contin- mented or altered in the new host community,
ues thus until the development of philosophy who are then governed by it, learn from it
reaches the stage it was at in the time of and form their ethos accordingly. Such a re-
Plato” (al-Fārābī 1969, 151). — Through di- ligion could take hold prior to the endemic
alectic the methodology of certitude is then development of philosophy in the host nation,
rapidly established, as it was by Aristotle. The even the primitive dialectical or sophistical
sciences are perfected, and the elite can learn
46 I. Raum-zeitliche Übersichten

philosophy. If the philosophy grounding the either (a) because it is not customary in that nation
adopted religion is sound but expressed solely for the unvarnished truth or matters of theory to
or largely in the language of parables, leaving be taught as they are but (in keeping with the
tacit its apodeictic basis, the religious symbols natures of the people or a bias among them or
will likely be mistaken for truth itself, and the against such studies) to seek to train the ethos
subsequent importation of philosophy, even through illustrations of the truth alone, or perhaps
of the very philosophy upon which the ac- through actions and practices, practical means
quired religion was founded, might well lead alone, not speculatively, or only minimally so, or
to dissension: “Philosophy would not be im- (b) because the religion is backward and corrupt
mune from opposition by that religion, whose and pursues not the interest of the people but that
adherents would attack and reject it. Advo- of its introducer, who intends to exploit it. Such a
cates of philosophy would attack that relig- figure dreads discovery by the nation, should they
ion, as long as they did not know that it investigate philosophy, of the corruption of the
comprised parables of philosophic matter” creed he has striven to instill in their souls. Thus
(al-Fārābī 1969, 155). Once they learned that in every religion there is some quarrel with philos-
the religion merely symbolized the contents ophy, and the art of apologetics (kalām) in each
of philosophy, philosophers would withdraw will be at odds with philosophy; its practitioners
their opposition. But adherents of the relig- will oppose philosophy in the same measure that
ion, operating within the confines of imagi- their religion does” (al-Fārābī 1969, 155 ff).
nation, and not grasping the conceptual
meaning behind the imagery, would continue 2.5. Coined and Imported Terminology
to oppose the seemingly alien philosophy.
Philosophy and philosophers would never be 2.5.1.  When a new religion arises new termi-
allowed a role of leadership, so philosophy nology is needed to express its legal principles
would not prove of much help to the religion, (sharā’i‛). The founder can either invent or
and philosophers might well be harmed griev- adapt terms or borrow them, relying on anal-
ously by its adherents (al-Fārābī 1969, 153 ff). ogies, perhaps with an earlier scripturally
The model seems intended to suggest the Is- founded tradition of legislation. If the new
lamic case: a religion founded on sound phi- religion is imported in whole or part, the
losophy, but engaged on a broad front in requisite terminology may be imported with
unwitting, parricidal conflict with the apod- it, needing adjustment only to the phonetic
eictic enterprise. forms of the recipient nation. Similarly, the
exponents of dialectic, sophistry, or philoso-
2.4.2.  Suppose, by contrast, al-Fārābī pro- phy, when these first arise, may either invent
poses, that a nation has adopted a religion or adapt the requisite terminology, relying on
founded on corrupt philosophy and then im- semantic analogies. When philosophy is bor-
ports sound demonstrative philosophy inde- rowed from another nation, its exponents
pendently. The opposition between philoso- must study the terminology of their foreign
phy and religion will be total. Each will aspire predecessors and devise their own, based on
to destroy the other; each will undercut the the notions found in common between the
other and would obliterate all trace of the two nations. They use words commonplace
other from the people’s souls, should it gain in their own language, but now in new, tech-
victory. The importation of dialectic or soph- nical senses. Or, if they find new ideas, un-
istry to a nation with an established religion, known and unnamed in their own language,
well entrenched in the people’s hearts, would they can assign them names based on analogy.
be detrimental to that religion, planting Ideally, the analogies are semantic/concep-
doubts and confusions in the minds of the tual, based on similarities of reference, not on
believers, through the powers of these two the words themselves. When no analogy can
trades to argue for or against any thesis. be found — “although this scarcely ever hap-
Accordingly lawgivers tend to oppose dialec- pens” (al Fārābī 1969, 156) — terms can be
tic and sophistry stringently; and monarchs invented, either as new words formed from
who take the role of protectors of religion, the letters of the recipient language, or as
any religion, seek vigorously to restrain soph- homonyms of existing words. Alternatively,
ists and dialecticians and vehemently warn foreign terms can be borrowed and adapted
their subjects against them. — Towards phi- for ease of pronunciation. The new ideas will
losophy policies vary: be quite exotic at first, if they have no coun-
“Some rulers are friendly toward it, others tolerate terpart or analogy in the recipient culture.
it, others say nothing about it, others forbid it — But there will be no ›incommensurability‹.
3.  Jewish and Islamic philosophy of language 47

The conceptual achievements of one nation’s Talmudic academy of Sura, relocated, by his
philosophers are accessible to those of an- time to the Islamic capital of Baghdad. After
other via the same intellectual insight that considering the poetics and hermeneutics Saa-
originally devised them, transmissible by or- diah deployed to guide his exegesis, we shall
dinary methods of instruction (al-Fārābī briefly acknowledge Ibn Ṭufayl’s application
1969, 156—159). In al-Fārābī’s nations, even of al-Fārābī’s theory of symbolic expression
when they are preliterate, Lucien Levy-Bruhl and then consider how the resultant theory
has not set foot, so language, in al-Fārābī’s was fused with Saadiah’s method by Mai-
theory, remains a tool rather than a cage. monides to form a profound theory of relig-
ious language and how Ibn Khaldūn relied
2.5.2.  “The philosophy found today among on the same Fārābīan theory in formulating
the Arabs was imported from the Greeks. his strikingly original philosophy of history
Those who transposed it chose the methods and culture.
we have mentioned in assigning names to its
ideas. Yet we find that the pedants and dan- 3.1.2.  The Arabic grammatical tradition to
dies tried to express all of these in Arabic. which al-Fārābī refers was of deep import to
The result was to breed equivocations, con- Saadiah both in his grammatical work (Skoss
founding, for example, the notions of matter 1955) and in the larger project of anchoring
and element by assigning to both the same Biblical exegesis on sound philosophic foot-
Arabic word”, where retaining the Greek ings. Saadiah was not the logician al-Fārābī
would have protected clarity. “Stoichos [ele- was, but he was a creative philosopher, par-
ment] is not called matter or hyle. But some- ticularly insightful in any area touching psy-
times they used ‘hyle’ for it; and sometimes chology or phenomenology. His unrivalled
they used ‘‛unṣur’ in place of ‘hyle’. Few Biblical learning allowed him not only to puz-
things were left with their Greek names” (al- zle out hapax legomena but also to elucidate
Fārābī 1969, 159). — Technical vocabularies Biblical imagery with unprecedented clarity
reliant on existing words can mislead because and consistency. His interest was not in the
of the familiar connotations of their non- imagery for its own sake but as a vehicle of
technical senses. So some prefer new coinages. meaning. In translating scripture his regular
But for purposes of instruction terms devel- practice is to resolve metaphors and other
oped by analogy are more effective than in- figures to their referential senses. In so doing
vented words. One need only take care not he articulates an awareness of the structure
to confuse the technical, philosophic senses and logic of Hebraic imagery which is far
with the familiar ones. If we keep in mind the more explicit than a merely passive reading
order of precedence of things and remember or calque. Using his immense store of Biblical
that what comes first to our knowledge might and Rabbinic diction and usage, a ready will-
well be last in real terms, we should not have ingness to draw analogies with Arabic and
difficulty in ordering the diverse senses of Aramaic cognates, and a keenly conceptual
terms, discovering which senses are primary, sense of tact, Saadiah enlivens Biblical images
and avoiding confusions (al-Fārābī 1969, 157; and Hebraisms which might readily have re-
159 f). mained dead or colorless in a less activist
reading. Where humdrum glossators read the
Hebrew ‘hen’ transparently as ‘lo’, Saadiah
3. Saadiah Gaon sees it as a signal of the painting of a verbal
picture, as in introducing Pharaoh’s dreams;
3.1. Life and Work he translates: ‘It was as if’. Saadiah knows
what gossamer is and how the role of ‘goel’,
3.1.1.  Saadiah Gaon (882 —942 ) was the ‘ger’ or ‘kohen’ parallels that of ‘walī’, ‘jār’
founding figure of Hebrew grammar, lexicog- or ‘imām’. His naturalism renders him im-
raphy, and scientific exegesis, translator of patient of aggadic embroideries, his ration-
the Hebrew Bible into Arabic, and the first alism readily discovers connected arguments
systematic philosopher of Judaism. Born in in the allusive rhetoric of scripture, his cos-
the Fayyūm region of Egypt, he rose to prom- mopolitan outlook simply dismisses parochial
inence by way of his learning not only in claims. His exegesis is critical in that it em-
Rabbinic and Masoretic studies but in phi- ploys a stated set of rules for evaluation of
losophy, cosmology, and the study of lan- figurative discourse, thus placing Biblical nar-
guage and was selected as Gaon of the ancient rative on the same level of seriousness that
Biblical legislation had enjoyed since Rabbi
48 I. Raum-zeitliche Übersichten

Ishmael’s laying down the 13 rules of exegesis iletic discourse on an elaborate tissue of al-
in the 2 nd century, or Hillel’s seven rules in legory. But prior to Saadiah it had not seemed
the first pre-Christian century. relevant to define systematically the ontic
status of that allegoric world vis a vis the
3.2. Saadiah’s Hermeneutics world spoken of directly in the sacred text,
answering at length the questions engendered
3.2.1.  As was traditional, Saadiah differenti- by the Biblical claim to universal truth: what
ates between the outward, apparent sense of was history, nature, reality — what was im-
words and a secondary, borrowed or deriva- agery? How did figurative usage bespeak fact,
tive sense. He is chary of arbitrary or exces- and where was it pure fiction or mere embel-
sive interpretation, a favorite device of sec- lishment? Saadiah’s poetics made possible a
tarians. His principal rule serves to control systematic answer to such questions and pro-
such abuse: The apparent sense of an expres- vided the methodic by which they could con-
sion is to be preferred — unless voided by tinue to be answered even when his own sci-
reason, scientific knowledge, a rival text or entific views had faded or the cosmologies
authentic tradition. The table of exceptions familiar in his time had been exploded. It is
vividly displays the tenor of Saadiah’s com- of particular relevance to our present concern
mitments: Scripture, as divinely inspired with language that the means by which Saa-
truth, must be congruent with Godgiven rea- diah rectified a world view and provided for
son and the teachings of the senses, which are the construction of subsequent world views
also vouched for by God. Further, Scripture long after his own time was hermeneutical.
is coherent internally. Each text is consistent The hierarchy of precedence and collabora-
with every other. The assumption is not con- tion among seemingly rival senses or stories
ducive to a disentangling of diverse historic by which Saadiah integrated the natural, di-
threads. But Saadiah’s purpose was not to vine and symbolic worlds rested on his
unravel but to discover (or elicit) conceptual achievements in marshalling the figurative us-
themes. Here his premise yields a powerful ages of Scripture and demonstrating that ul-
analytic tool. Every part of the canon may timately referential senses could be found for
elucidate any other, enlivening the poetry every scriptural usage: none must be con-
which is the scriptural vehicle of concept and signed to a pure realm of ›poetic‹ virtuality
argument. The Rabbinic technique of citing without external reference, once each was
prooftexts is refined into a grid of critical properly unfolded.
exegesis, by which every proposed figurative
reading must be justified by a scriptural par- 3.2.3.  Saadiah’s exegetical tool chest includes
allel in which context excludes the apparent semantic, syntactic, etymologic, idiomatic,
sense and determines the proposed one. Fi- phonetic and morphological principles. Citing
nally, the continuous tradition of Rabbinic prooftexts, he will demonstrate the possibility
learning (when undisturbed by alien incur- of consonantal shifts (e. g. ‘l’ to ‘n’), trans-
sions, apologetics, or arbitrary caprices) is positions, morphologic variants, semantic nu-
itself coherent with the scriptural thematic ances, and idiomatic implications. Using the
and therefore capable of demanding the recess Talmud and the Targumim as quarries and
of literalism. drawing on a rich Arabic vocabulary, Saadiah
can find cognates for roots and parallels for
3.2.2.  Allegories, symbols, allusions had long usages which vastly enhance his semantic
been found in Hebrew scripture. A chief bone reach. But it is in the realm of figurative usage
of contention between the Sadducees and that Saadiah finds the richest ore. In the
Pharisees had been the Pharisees’ penchant course of his commentary on Job (Saadiah
for finding allusions to an afterlife in Biblical 1988) he analyzes over sixty figures of thought
phrases that seemed innocent of any such and speech and a dozen more types of syn-
notion. It was Resh Lakish, the third century tactical and morphological shift. All require
gladiator turned amorah and aggadist, who taking the words of Scripture in senses other
argued that sin, death and the ›saṭan‹ were than the apparent. Almost never does Saa-
one and the same and that Job was a fictional diah introduce technical names for these de-
exemplum. The Aramaic Targumim (transla- vices; he tends simply to explain their function
tions) of the Bible (2 nd century) pioneered in and demonstrate their occurrence in Biblical
deanthropomorphising the text in periphras- parallels. But his perhaps circumlocutious
tic glosses. And the Midrash founds its hom- method has the advantage of demanding pre-
cise analysis rather than the somewhat fuzzy
3.  Jewish and Islamic philosophy of language 49

reference that technical names of figurative on the application of that theory by Ibn Ṭu-
usages tend to acquire. He follows the exact fayl.
semantic contours of each Hebrew figure,
rather than imposing a preconceived scheme.
4. Ibn Tufayl
3.2.4.  An artifact of Saadiah’s method is the
tendency to treat all figurative language as 4.1. Language as Vehicle and Obstacle
idiomatic. Since usage is the standard, estab-
lished texts must vouch for the authenticity 4.1.1.  Ibn Tufayl (ca. 1100—1185) follows in
of a figure, and unique figures become as the tradition of Ibn Bājjah, his Andalusian
problematic semantically as hapax legomena predecessor, who had lost Plato’s hope and
are etymologically. The values canonized by al-Fārābī’s wish that philosophers might one
the method are near diametrical opposites to day govern. Ibn Bājjah saw intellectual free-
those, say, of al-Hamadhānī, a literary dandy dom and ultimate fulfillment in withdrawal
who prizes coinages in proportion to their from the institutions of religion and the state.
rarity and assays a poet’s art in his leverage Ibn Tufayl carried further the ancient
in giving currency to unique expressions. — prompting of meditative philosophy towards
In Saadiah’s translations metaphors are re- contemplative withdrawal, idealizing the pu-
solved to similes and similes to comparisons, rity of rational inquiry and mystical insight,
with the tertio comparationis stated explicitly. conceived as accessible to individuals, not
Ironies, rhetorical questions and opening through but in spite of cultural institutions
gambits resolve to asseverations. Every indi- and social, even biological ties. Language, as
rection becomes candid, and a prose sense is the vehicle of social discourse and link with
found behind every poetic expression, much the empiric world, was not essentially a help
as Aristotle’s philosophy seeks to resolve in our quest for ultimate felicity, and Ibn
Plato into prose. The great difference is that Ṭufayl’s fictive hero, Ḥayy Ibn Yaqẓān dis-
where Aristotle finds myths or symbols in covers the truth about nature, the cosmos,
Plato which his philosophy is unable to re- God’s unity, ultimacy and necessity, even
solve, he usually attempts to replace or reject man’s near-divinity, without benefit of lan-
them. Saadiah will take no such liberties with guage, culture, parents or institutions.
Scripture. So, despite his serious commitment
to deanthropomorphizing the scriptural 4.1.2.  Language, Ibn Ṭufayl reasoned, is nat-
sense, a tendency to reify lingers within the urally a vehicle of prejudice. The theory bears
Gaon’s exegesis. He finds a concrete referent, comparison with modern linguistic relativism
for example, for the scriptural ‘glory’, the and determinism. But Ibn Ṭufayl thought that
›created glory‹, as he calls it, to make clear the biases of language could be overcome by
that it is no hypostasis or distinct divine per- reason. His depreciation of language was not
son but only a persona by which God mani- the distillate of a prior discovery of the rela-
fests Himself. Similarly with the ›light sown tivity of human thought — although allied
for the righteous‹ in the Hereafter. Despite ideas were accessible to him in the work of
Saadiah’s naturalism and his aliveness to po- his admired Eastern predecessor al-Ghazālī
etics, the Biblical symbolism is not resolved — but rather reflected the traditional dichot-
completely, and objects are reified which we omy between thought and language addressed
can honestly say were unknown to the pro- by the Ikhwān. Pure gnosis, in Ibn Ṭufayl’s
phetic poets. It is left to Maimonides to de- neoplatonic thinking, is sufficient to guaran-
ploy Saadiah’s own sensitivity to the subjec- tee the authenticity of insight, even if such
tive, creating an alternative to the supernal prosaic notions as that of identity and differ-
light and created glory by developing a phe- ence must be left behind in the empiric world
nomenology of prophetic experience which (Ibn Ṭufayl 1983, 154 f). The prejudice of
brings down the experientially (and therefore language, in Ibn Tufayl’s view, was not mere
finite) numinous definitively on the side of arbitrariness. It was not that languages simply
subjectivity. But to achieve this precipitation, guess among various positions and might as
which cleanses divine transcendence of the easily guess right as wrong. Nor was it that
projective (and therefore anthropomor- differences among linguistic categorizations
phized) human notions of glory, Maimonides undercut the very notion of a right or wrong
must rely on al-Fārābī’s theory of prophetic way to organize the universe. Rather, the dif-
imagination and of popular culture as a cul- ficulty was a systematic and predictable bias
ture of concrete imagination; and specifically,
50 I. Raum-zeitliche Übersichten

of language toward the world of sensory ob- scribe God, since all attempts to give defini-
jects and appetites. The bias was predicted by tion to the Infinite are irreducibly poetic. But
al-Fārābī when he spoke of the rootedness of Maimonides does not believe that language
language in sensory designata. Yet it could be can denote only by describing. Rather he un-
overcome, although systemic and constitutive folds a highly precise and specific linguistic
in all languages. For thought does not depend system of negative theology, deconstructing
on language or even on imagination, but can the imagery of scripture by developing Ibn
make language rise above its sensory refer- Ṭufayl’s tacit suggestion that religious im-
ence, as al-Fārābī had proposed. The system- pulses can be oriented dialectically, by the
atic dependence of language upon imagery extent and character of their departure from
and of imagery on sensory reference, Ibn Ṭu- the familiar sensory predicates of ordinary
fayl found, could be used rhetorically to free experience.
language, if not to follow thought then at
least to point the direction in which thought 5.1.2.  All common predicates, Maimonides
had gone: away from the crude and crass argues, are universals derived from sense ex-
attachments of this world and toward the perience. But God, as a necessary being, is
pure and intellectual, the oneness of the Ab- unique and beyond sensory experience or any
solute (Ibn Ṭufayl 1983, 163 f). Language, other finite intuition. There can be, therefore,
imagery, even culture, was not the real enemy. no positive description of God, and all talk
These are aids to ordinary men, suggesting of God, whether in ordinary discourse, Rab-
higher ideas by way of symbols, practical and binic allegory or Scriptural poetry, can have
poetic. The rituals and myths of Scripture no literal sense in the familiar ostensive or
convey our minimal obligations through laws, descriptive (thus finitizing) acceptations of the
which are, as Plato and al-Fārābī had seen idea of meaning. When Maimonides echoes
clearly, another way of rendering the ideal the Rabbinic dictum, “Great is the boldness
concrete for the ordinary mind. Symbols be- of the prophets who liken the creature to its
come an obstacle only when they lose trans- Creator” (cf. Guide I, 46), he has in mind the
parency and are taken for the truth itself; transcendence of God beyond finitude and
laws become a hindrance only when their the inadequacy of language to describe the
minimalism is lost sight of and obedience is Infinite. Organizing Scriptural predications
mistaken for moral sufficiency (Ibn Tufayl by the empiric method Saadiah had em-
1983, 161—164). For laws too have an opac- ployed, Maimonides discovers a hierarchy
ity, when the means to virtue are taken for from the sensuous to the intellectual/tran-
virtue itself, and moral virtue is taken for the scendent. Biblical words like ‘form’ show a
end rather than a means to the end of ultimate systematic range of senses, from the sensory
felicity. Language is a passive tool in all this, to the imaginative, to the conceptual. The
not neutral, but not fatal either. Wisdom ful- spectrum is Platonic, with the most purely
fills itself by cutting clear of it. intellectual senses pointing the way to abso-
luteness and the pure simplicity of the Nec-
essary Being. Any language applied to God
5. Maimonides is to be taken in the highest conceivable sense.
Thus God’s ›sitting at the flood‹ alludes to
5.1. Deconstructing Anthropomorphism His ontic stability; God’s notorious ›jealousy‹
alludes to His exclusivity. R. Judan in the
5.1.1.  Jurist, physician, and philosopher of Midrash had called out the Scriptural refer-
religious language, Maimonides (1135—12 04) ences to divine wisdom and design as anthro-
followed al-Fārābī and Ibn Tufayl in their pomorphisms on a par with describing God
Platonic accounts of prophecy as an imagi- in physical terms, and Maimonides now ar-
native bridge from the conceptual discoveries gued that compassion is as anthropomorphic
of philosophy to the pictorial thinking of a notion as corporeality: To assign any real
ordinary men, and he followed Aristotle (Me- predicate to God, thus limiting His nature
taphysica I 9, 991 a 2 0—2 2 ) in the belief that and compromising His unity, was on a par
poetic imagery which cannot be resolved must with polytheism and a more grievous depar-
be rejected: Thus he was prepared to ›alle- ture from truth (›more hateful to God‹, in
gorize away‹ any apparent sense of Scripture scriptural idiom) than idolatry. All Biblical
that could not be squared with reason. This language that makes reference to God oper-
will entail abandonment of all efforts to de- ates by license of prophetic exigency and does
not describe but only excludes broader or
3.  Jewish and Islamic philosophy of language 51

narrower ranges of finitude or privation. Only a before and after), causality (cause and effect
the tetragrammaton refers to God truthfully are correlatives), potentiality (it presupposes
in its primary and proper sense, and that is a material substrate) onto a realm of which
not to designate a finite or recurrent character we have no experience and in which the prem-
but to express necessity and self-sufficiency, ises of our familiar discourse are out of place.
as Maimonides infers, following Exodus (3: The problem was one of projecting the cate-
14). All other expressions only point to infi- gories and assumptions of ordinary usage
nite perfection by proximately denoting what upon a realm far beyond that of their origin,
would be finite and specialized perfections for having first secured the supposition of the
us, or by excluding imperfections whose in- universal adequacy of their application by
appositeness to divinity we may not have way of the seemingly innocent analysis of
considered (Maimonides Guide I, 46—63; language. Hume, who is the founder of our
L. E. Goodman 1976, 52—119). traditions of analysis, was a past master of
this sleight of hand. It lays the basis of his
celebrated critique of causality (A does not
6. The philosophical thrust imply B because A and B are distinct events)
of the tradition and of his equally celebrated insistence on the
If there is a moral here in the achievement of ‘is/ought’-dichotomy (‘is’-propositions can-
Maimonides and the traditions he synthesizes, not imply ‘ought’-propositions because they
I think it lies in the ray of light the Judaeo- say different sorts of things); it lays out the
Islamic tradition shines on a fissure and pos- lines on which all the subsequent bulwarks of
sible avenue of escape from the tyranny of reductive metaphysics will be built, buttressed
ordinary language (L. E. Goodman, 1988 a). against the confining chambers of logical at-
Avicenna (Ibn Sīnā 980—1037) led the way omism (L. E. Goodman 1988 b). Ordinary us-
with his powerful, ultimately Biblically in- age (as al-Fārābī’s analysis makes clear) ex-
spired analysis of the verb ‘to be’: Being, as presses facts and needs. It must sharply dis-
spoken of in ordinary language, is contingent. tinguish the two. But extraordinary usage, in
But that is because ordinary beings are finite. poets, philosophers and prophets, expresses
If belief in rational explanation is to be main- the unity of being with perfection and marks
tained, then finite beings presuppose an Ab- the ethical path not as one of divergence from
solute and Infinite Author, Source, Ground, or conformance to facticity but as one in
Cause or Creator, counterpart to the contin- which finite beings achieve or realize the ac-
gency of creation (Ibn Sīnā 1951, 2 5). The tuality of their being. Ordinary usage sharply
language of creation will not be applicable demarcates each being from its cause — not
properly to such a Being. Where Humeans to imply their isolation but to discriminate
would argue that all existential propositions their roles! Extraordinary usage, in mystics,
are synthetic and that a necessary Being is monists and speculative metaphysicians,
therefore inevitably a contradiction in terms, marks the unity or symbiosis of all causes and
the Judaeo-Islamic tradition, in a mingled and effects in an interactive system which allows
muted but still coherent voice answers that distinctions but no real discontinuities. Or-
the thesis that all existential propositions are dinary usage (to choose two of Aristotle’s
synthetic derives its plausibility from induc- clearest abuses of the authority of ordinary
tive sampling of existential propositions language) speaks of ‘place’ as the finite
about finite and thus contingent entities. It is boundary of a body and of species as discrete
custom in Hume that grounds causal and and invariant. But human thought can ex-
moral thinking, the natural and the social press itself in an extraordinary usage which
order. And for that reason Hume relied on speaks of space instead of place and can rec-
the familiar, contingent sense of the verb ‘to ognize — as it does in Darwin or in Genesis
be’ and projected its usage from customary — the possibility of evolution or creation.
language, the bastion of familiarity and tra-
dition, his repository of value and authority, 7. Ibn Khaldūn
onto the extraordinary realm in which our
daily usage and experience hold no sway.
Similarly, as Maimonides, following al-Gha- 7.1. Language as a Cultural Artifact
zālī (1058—1111), is keenly aware, the neo-
platonic Aristotelians who denied creation 7.1.1.  Ibn Khaldūn (1332 —1406), the great
gave color of rigor to their arguments by theorist of civilization, looks back on the
projecting their analysis of time (it always has achievement of medieval Arabic linguistic
52 I. Raum-zeitliche Übersichten

theory and caps the work of his predecessors shift and split, he argues, basing his claims
in much the way that the similarly encyclo- on phonetic as well as semantic differences.
pedic Ikhwān al-Ṣafā’ introduce that work No one can say that the Arabic of the tribes
and achievement. He sees language as a nec- today is the original form of the language,
essary basis of social cooperation and cites although it is the least disturbed by foreign
the speech of Mobedhan before Bahram, influences and probably the closest to the
from al-Mas‛ūdī: sovereignty and religion are language of the Prophet. It is excessive to
interdependent, both need men, and men need claim that city folk mispronounce the letter
property, which comes only from develop- ‘q’ by making it almost guttural, as some
ment (‛imāra). Development, civil and agri- Shī‛tes claim who wish to follow Beduin pro-
cultural, depends on justice; and the cooper- nunciation. But it is at least as foolish to reject
ation upon which the entire system rests is the Beduin pronunciation (further forward on
not possible without language (Ibn Khaldūn the soft palate, between ‘q’ and ‘k’). The
n. d., 39; Rosenthal, 1.79 f). Ibn Khaldūn’s Beduins preserve what is most likely the old
special interest in language is evinced by his sound. But both the city and the Beduin pro-
devising his own system of transliteration to nunciations stem from the same (Mudar)
represent Berber names more faithfully than source, and both are versions of the same
Arabic does (Ibn Khaldūn 34; Rosenthal sound: They do not represent different letters
1.66). Yet he regards linguistic sciences as (Rosenthal 3.347—5 2 ). Today’s Arabic,
ancillary. They rely for their raison d’etre on whether in the cities or in Beduin camps, is a
the need to preserve and interpret sacred different language from the Mudar of the
texts, and they tend to become overdeveloped, Prophet in the same way that Mudar was a
over-technical and somewhat decadent, an different language from Ḥimyarite. So no one
idle pastime, when language is treated as an should heed the pedants and purists who
object of study in its own right (Ibn Khaldūn, mourn the loss of the case endings. Gram-
537; Rosenthal 3.2 99). Pettish oversensitivity marians built up the linguistic sciences to
to matters of grammar and undersensitivity preserve the language of the Qur’ān and
to matters of fact and laws of nature led some traditions, but they had no exigent need to
readers of the Qur‘ān to believe the most develop corresponding sciences of contem-
outlandish tales, as, for example, of the fab- porary Arabic:
ulous city of Iram (Ibn Khaldūn, 14 f; Rosen- “Perhaps if we smoked out our present day Arabic
thal 1.25—28). language, studied its principles empirically, we
would find the equivalents in new laws specific to
7.1.2.  Native speakers of Arabic needed no it, which compensate for the loss of the case end-
formal linguistic training. But non-Arabs ings” (Ibn Khaldūn, 557; Rosenthal 3.347).
among the sedentary people of the garrison For the order and connection of words
cities in Iraq developed linguistic sciences and clearly convey much of the information once
became proficient in them because they had given in the case endings. “The endings may
to labor to acquire their mastery of Arabic. follow a different pattern from the old one in
To a great degree it came to them through the language of Mudar. But languages and
books rather than viva voce (Ibn Khaldūn, their habits of usage are not simply haphaz-
537—545, cf. 452 ; Rosenthal 3.2 98—319, cf. ard” (Ibn Khaldūn, 555—559 with 546; Ro-
3.2 0). — As in many other areas, Ibn Khal- senthal 3.345—353 with 321).
dūn adopts a somewhat more critical stance
about questions of linguistic purity and orig- 7.2. The Linguistic Sciences
inality than do many other writers. He accepts
the traditional view that the tribes of inner 7.2.1.  Ibn Khaldūn delineates four linguistic
Arabia represented the purest standard of sciences: that of grammar; that of diction,
Arabic, the closer to Quraysh, the tribe of i. e., lexicography; that of composition; and
Muḥammad, the better. The tribes of the pe- that of literature. Language, he writes
riphery were not consulted by grammarians “from the point of view of the communicator, is a
because their usage was barbarized by con- speaker’s expression of what he intends. Such ex-
tacts with Persians, Abyssinians, Byzantines pression is the task of the tongue, and it must be
and Europeans. But it was the language of acquired as a habit, by repetition in the organ
the interior, the language of the Mudar tribes, responsible, the tongue in the case of speech [sc.,
Ibn Khaldūn points out, that was most al- or the hand in the case of writing, but Ibn Khaldūn
tered in the diaspora that resulted from the is emphatic in assigning primacy to the tongue]; in
Islamic conquests. Dialects and languages
3.  Jewish and Islamic philosophy of language 53

every nation the habit is laid down in accordance portant linguistic science because it is the
with their own idiom” (Ibn Khaldūn, 546; Rosen- most crucial in determining meaning — dif-
thal 3.320 f). ferentiating subject from object or comple-
The Arabs, it was said, had their language ment, for example. Tracking the slight but
by nature. What this means is that they critical shifts of syntax is a far more sensitive
learned Arabic by imitation, while other task than that of lexicography, because the
nations learned it from them (Ibn Khaldūn, semantic dimension of language is far more
554 f; Rosenthal 3.342 f). One who studies stable: Words retain their sense semantically
classical models and has some taste and sen- through most syntactic shifts, even when such
sitivity for linguistic values can learn to ex- changes utterly transform the relations they
press himself in classic style. But language in stand in (Ibn Khaldūn, 545 ff; Rosenthal
all its forms is a matter of habit and therefore 3.319—25).
of practice, not of theory. Many people speak
fine Arabic while knowing nothing of formal 7.2.3.  The science of diction addresses the
grammatical rules, and some learn all the senses assigned to words. Again its original
rules yet can only embarrass themselves if raison d’etre was conservative. Its methods
called upon to write a brief letter to a friend are technical and systematic: al-Farāhīdī (died
or a petition for redress, just as a man who 786), the pioneer lexicographer, actually used
knows the principles of carpentry or tailoring the theory of permutations to calculate the
may find himself all thumbs, despite his ex- possible combinations of 2 , 3, 4 and 5 root
cellent discourses on such subjects, when consonants. (The usual Semitic root, of
called upon to sew or saw (Ibn Khaldūn, course, has three.) Organizing his material not
559 ff; Rosenthal 3.353—58). The linguistic according to the familiar alphabet, but pho-
facility of the Arabs is uniquely developed for netically, by the position of each letter in the
clarity and explicitness because Arabic can mouth, from laryngeals, to velars, to dentals
signify a variety of ideas without extra words and labials, he then sought to determine the
— by syntactic governance, for example in range of actual word formations. Later work-
the construct case, and by the letters that ers found it necessary to complete, but also
change verbs into substantives. to abridge al-Farāhīdī’s Kitābu ’l-‛Ayn for
“Other languages need a new word to signify ease of memorization, omitting obsolete
every idea or state of affairs. That is why we find words and occurrences. They also adopted
foreigners more prolix than Arabs, and that is what the alphabetic mode of ordering entries (Ibn
the Prophet meant in saying, ‘I was sent with com- Khaldūn, 548 ff; Rosenthal 3.32 5—32 8). The
prehensive words and the gift to speak concisely’” celebrated Mu‛tazilite exegete al-Zamakh-
(Ibn Khaldūn, 546; Rosenthal 3.321). sharī (died 1144) expanded the range of the
science by cataloguing comprehensively the
7.2.2.  No formal art was needed to establish metaphoric usages of Arabic, much in the
linguistic concision and precision in the early manner of Saadiah, whose theology was also
Arab days since people learned by imitation, Mu‛tazilite in flavor: As exegetes whose
as children do today. But when the Arabs set glosses anchored controversial points of the-
out for empire with the coming of Islam, they ology, the two understandably founded their
mingled with foreign peoples and picked up hermeneutics on empiric surveys of usage.
the barbarisms of the Arabized, “because This is the method Ibn Khaldūn approves.
hearing founds the habits of the tongue” (Ibn Scholars can easily discount al-Zamakhsha-
Khaldūn, 545 ff). Fearing linguistic decay and rī’s Mu‛tazilism, he argues, but will gain much
eventual transformation of the Qur’ān and from his comprehensiveness (see F. E. Peters
ḥadīth into closed books, scholars devised 1973, 2 2 4 ff). — Ibn Khaldūn’s pragmatism
rules to regulate usage. These were based on does not leave room for al-Fārābī’s type of
generalizations and schemes of classification speculation about the origination of words
drawn from the flow of usage, as universals by analogical reasoning, and his interest in
are abstracted by induction. They gave the diction does not parallel al-Fārābī’s fascina-
name ‘inflection’ to the phonetic shifts which tion with the process of borrowing and ad-
modulate meanings; the word that governs aptation of foreign terms and meanings. He
such a shift was called an ‘operator’. As they argues, as Saadiah does, that it is not enough
proliferated technical terminology, they trans- simply to know the semantic base or root
formed their study into the specialist disci- meaning of words if one wishes to use an
pline of grammar. Grammar is the most im- expression in context: The usage of the Arabs
54 I. Raum-zeitliche Übersichten

(Saadiah speaks identically of the usage of elation can be apprehended by all with the
the Hebrews) must attest the particular sense taste and sensitivity to recognize greatness in
intended. This is especially important for the Arabic expression (Ibn Khaldūn, 550—553;
man of letters (al-’adīb). The point is not to Rosenthal 3.332—39).
establish that the Arabs (sc., Beduins) in-
vented a given usage; there is no evidence of 7.2.5.  The science of literature “has no subject
that, and it is unlikely that they did. The of its own whose characteristics might be af-
model of the Arabs is a standard of pure firmed or denied in theories. Its sole object
usage, not a key to some ur-meaning. We for the students of our language is its fruit,
cannot simply deduce meanings a priori from which is excellence in the arts of poetry and
what analogy seems to require: usage is the prose, with the fashion and elan of the Arabs”
sole standard, unless one enters a technical (Rosenthal 3.339 f). It is to this end that stu-
realm like law, which has its own rules of dents of literature “collect the speech of the
inclusion and exclusion governing the refer- Arabs: poetry of the highest type and rhymed
ence of terms, e. g., that the prohibition of prose of equal quality, points of diction and
wine includes the fermented juice of dates grammar scattered through them in dispersed
(Ibn Khaldūn, 550; Rosenthal 3.331 f). occurrences” (Rosenthal 3.339 f). From these
a student can generally glean most of the
7.2.4.  To be Arabic at all, an expression must principles that govern Arabic expression. But
be fully articulate and explicit, using the full it is not enough simply to memorize. One
range of semantic and syntactic signs to spec- must also grasp the reference of the ancient
ify its referent and all the intended relations songs and stories to the Battle Days of the
and properties thereof. But Arabic is expres- Arabs, their lineages and traditions. It is only
sively rich (wasī’), not merely precise in dic- by giving precedence to sense that linguistic
tion and inflection. It uses word order and skills are perfected. For this reason scholars
other signs to establish emphasis, precedence, defined the discipline by saying, “Literature
insistence and other modal distinctions. It can is the preservation of the lays and lore of the
be terse or expansive, sententious, periphras- Arabs, taking a bit from every science” (Ro-
tic or indirect. The science of rhetoric (‛ilm senthal 3.339 f). Ibn Khaldūn explains:
al-balāgha) concerns the adequate expression “They meant, from the sciences of language and
of nuance. It is a branch of composition in religious law, strictly in terms of the materials they
the broad sense. But composition proper (‛ilm provide for studies of Qur’ān and ḥadīth. For there
al-bayān) is narrower than composition in the was no entry of other sciences into Arabic speech
broad sense and goes further: to the conno- until modern aficionados of style began to incor-
tative dimensions of language — metaphor, porate scientific allusions into their poetry and
metonymy and the like. This we would call prose” (Ibn Khaldūn, 553; Rosenthal 3.339 f).
poetics. Added to these as the third element
of composition in its broad sense is the matter 7.3. Language and History
of ornament — the use of rhyme (saj‛) punc-
tuationally in prose, and of word play (tajnīs) 7.3.1.  The great value of al-Zamakhsharī’s
to point up parallels and other coordinate poetics for Ibn Khaldūn, parallel to Saadiah’s
relations. Allusion suggests an unstated for Maimonides, is that its analyses of figu-
meaning. Antithesis points up contrasts. All rative language allow him to discern a the-
the embellishments come under the heading matic behind the indirections of Scripture; in
of style (badī‛). Thus in composition, beyond Ibn Khaldūn’s case, in the highly allusive and
the requirements of semantic and syntactic elliptical (Wansbrough 1977) usage of the
explicitness, we consider rhetoric, which mod- Qur’an. The project in both cases remains
ulates the articulacy of language; poetics, Fārābīan. Maimonides bases even his distinc-
which concerns figurative usage and again tion between divine and human laws on al-
adds semantic value; and style, which may Fārābī’s trenchant remark that a ruler who
seem a luxury but which makes language an legislates only for material welfare, his own
art and without which the higher forms of or that of others, does not rise beyond the
expression cannot be understood. Indeed the level of the mass. A divine law, Maimonides
analysis of rhetoric and style is the key to al- argues, would provide not only for the com-
Zamakhsharī’s exegesis of the Qur’ān and the mon weal (by civil and criminal legislation,
only way of apprehending the inimitability of the minimal requirements of social coopera-
its language, in which the miracle of the rev- tion, as in Ibn Ṭufayl) but also for moral
3.  Jewish and Islamic philosophy of language 55

betterment and intellectual awakening, as in (ed.).


Plato’s ideal law. Al-Ghazālī, M aqāṣid al-Falāsifa, S. Dunya; no
date.
7.3.2.  In Ibn Khaldūn the central subject is Graham 1965, Being in linguistics and philosophy,
not law but history. But the Fārābīan philos- in Foundations of Language 1; and the response of
ophy of language remains the foundation. F. Shehadi, Arabic and the concept of being, in
Tribes are the primitive human groups, held Essays on Islamic Philosophy and Science Hourani
together by ‛aṣabiyya, the zeal, nerve, iden- (ed.), 1975.
tification, that renders individuals willing to Halevi 1964, Kitāb al-Radd wa-’l-Dalīl fī’l-Dīn al-
fight and risk death for someone other than Dhalīl (Al-Kitāb al-Khazarī), Baneth (ed.) (tr. as
themselves. Empire is the goal of tribal spirit, The Kuzari, An Argument for the Faith of Israel).
leading to the efflorescence of civilization, the Halevi was one of the greatest of the post-Biblical
gradual loss of tribal virtues, decadence, de- Hebrew poets, and the particularities of language,
cline, and succumbing to a new wave of tribal culture, and sacred geography have a notable place
conquest. This is the pattern of history ac- in his philosophy.
cording to Ibn Khaldūn, divinely ordained Kraemer 1986, Philosophy in the Renaissance of
and unchangeable. Tribal ‛aṣabiyya is its en- Islam: Abū Sulaymān al-Sijistānī and his Circle.
gine. But ‛aṣabiyya at the tribal level can Pages 149—165 deal with logic and language.
achieve nothing and would remain mired in
petty feuding unless it were suffused by an Madkour 1969, L’Organon d’Aristote dans le M onde
idea. The sublimation of ‛aṣabiyya by the Arabe.
universal values of a religion renders tribal Rabin/Khalafallah/Fück/Gibb/Wehr/Fleisch/Mar-
energies coherent, integrated, historically sig- çais et al. 1960, ‛Arabiyya, in Encyclopedia of Islam
nificant (L. E. Goodman 1972 ). Yet tribes are 1.
not philosophers. Language, the symbolic A general survey of Arabic language and literature.
language of prophecy, is the vehicle in the Rachid 1978, Dieu et l’être selon Al-Fārābī: le
sublimation of ‛aṣabiyya. The written and chapitre de ‘l’être’ dans le Livre des Lettres, in Dieu
spoken word channel the energies of construc- et l’être: Exégèses d’Exode 3, 14 et de Coran 20,11—
tion and destruction, and, as in the couplet 24.
cited by the Ikhwān al-Ṣafā’, direct the hand Shehadi 1969, Arabic and ‘To Be’ in The Verb ‘Be’
behind the sword. and its Synonyms.
Weiss 1974, Medieval Muslim Discussions of the
origin of language in Zeitschrift der Deutschen mor-
8. Selected references genländischen Gesellschaft 12 4; see also his: Subject
Some pertinent sources not already cited above: and predicate in the thinking of the Arabic philol-
Anawati 1979, La Notion d’al-Wujūd (Existence) ogists, in Journal of the American Oriental Society
dans le Kitāb al-Ḥudūd d’al-Fārābī, in Actas del 105, 1985.
V Congreso Internacional de Filosofia Medieval, 1. Zimmermann 1972 , Some observations on al-Fār-
Bernand 1985, ’Uṣūl al Fiqh through a Manuscript ābī and logical tradition, in Islamic Philosophy and
of al-Gaṣṣās, in Journal of the American Oriental the Classical Tradition (Essays Presented to Richard
Society 105. Walzer), Stern/Hourani/Brown (ed.).
This legal theorist (died 980) developed an original Note on transliteration
theory of discourse as used in sacred law, partly For Arabic words the international system of trans-
under Stoic influence. literation has been used, cf. art. no 19.
Al-Fārābī 1938, Fī ‛Aql (De Intellectu), Bouyges
Lenn E. Goodman, Honolulu, Hawai (USA)
56 I. Raum-zeitliche Übersichten

4. Sprachphilosophie in der Scholastik

1. Einleitung Entwicklung sind: (a) die Übersetzungen,


2. Vom Scholion zur Scholastik Kommentare und logisch-semantischen Mo-
3. Chronologie, Perioden, Quellen nographien von Boethius (vgl. 4.2 .); (b) das
4. Scholastische Bedeutungslehre bis einschließ- monumentale Werk der lateinischen Gram-
lich Anselm matik, die Institutiones grammaticae von Pris-
5. Anfänge der Theorie der proprietates termi- cian (6. Jh.); (c) eine erste ›Aristotelisierung‹
norum dieser Grammatik und der von ihr beeinfluß-
6. Hoch- und Spätscholastik: Semantik der ten Bedeutungslehre im 11. Jahrhundert; (d)
Terme versus Semantik der Propositionen die Wiederentdeckung des gesamten aristo-
7. Zusammenfassung, Überblick, Ausblick telischen Organons in der Zeit Peter Abae-
8. Literatur in Auswahl lards (1079—1142 ) (s. Art. 2 0); (e) die sicht-
lich zunehmende Bevorzugung des extensio-
nalen Gesichtspunktes (Benennung (appella-
1. Einleitung tio); denotativer Bezug auf Individuen) gegen-
über dem intensional-konnotativen (Bezeich-
1.1. Vorbemerkung nung (significatio); Bezug auf Universalien;
Die philosophische Auseinandersetzung mit später bevorzugt intensional gedeutetes Ste-
der Sprache, mit Sprachlichem in sehr ver- hen-für (suppositio)) in der Bedeutungslehre
schiedenen Hinsichten ist im europäischen von der Zeit der Terministen (12 . Jh.) an (s.
Mittelalter vom Beginn an aufs engste mit der Art. 40); (f) die streng aristotelische Wissen-
Logik (im weiten Sinne des Triviums von schaftsauffassung durch Albertus Magnus
Grammatik, Rhetorik und Logik) verknüpft. (ca. 1193—12 80), Thomas Aquinas (12 2 5—
›Sprachphilosophie‹ erscheint auf der Bühne 12 74) und z. B. Boethius von Dänemark (flo-
des abendländisch-mittelalterlichen Denkens ruit 12 75—12 77); (g) die Unterscheidung zwi-
hauptsächlich und zunächst in Verbindung schen grammatischer und logischer Form von
mit Logik, sie wird als philosophische Seman- Aussagen schon bei Anselm von Canterbury
tik und Grammatik, als Bedeutungslehre also, (1033—1109) einerseits, sowie (h) von sprach-
sowie als Erörterung damit zusammenhän- licher Form (secundum formam loquendi)
gender mentaler Phänomene (Lewry 1981, und Wirklichkeit (secundum rem) spätestens
94—98; Marenbon 1981, 12 —2 9; Ebbesen seit Wilhelm von Ockham (ca. 12 85—1347)
1982 , 101 ff) betrieben. Diese philosophische andererseits (s. Art. 2 1), obgleich (i) das nicht
Sprachtheorie der Mittelzeit (im Sinne von schwindende Schwanken vieler Scholastiker
Pinborg 1967, 9—16) hat ihren Ausgangs- zwischen den Bereichen der appellativen De-
punkt in der Interpretation der aristotelisch- notation (Benennung von realiter existieren-
peripatetischen Texte der sog. ›Logica vetus‹ den Individuen) und der signifikativen Kon-
(Pinborg 1972 , 16—2 1), d. h. sie verdankt ihre notation (Bezeichnung von Universalien) und
Entstehung und Entwicklung dem ›Lehrplan‹ (j) ihr gemeinsames Festhalten am peripate-
(sowie besonders den Schul- und Textbüchern tischen Substanz-Begriff die Ausbildung einer
des Triviums) jener Schulen, aus welchen die Bedeutungslehre als einer konsequenten se-
Universitäten hervorgehen werden. In engem mantischen Theorie verhindert.
Anschluß an approbierte Texte erfolgt die
philosophische Lehre und Forschung hier vor 1.3.  ‘Scholastik’ und ‘scholastisch’ sind tref-
allem als Textanalyse und -interpretation. fende Beinamen für philosophische Erzeug-
Struktur und Grundbegriffe eines (autorita- nisse und Philosophen (besonders der Früh-
tiven) Textes müssen geklärt, von vermeintli- zeit) dieser Periode, da sie häufig und typisch
chen Widersprüchen befreit werden. Die Ent- als Kommentare/Kommentatoren von Text-
faltung der sich daraus ergebenden Reflexion und Lehrbüchern des Triviums in Erschei-
auf das implizite semantische Fundament ist nung treten. Scholastik in diesem Sinne ist
dadurch gekennzeichnet, daß sich ein von indes keine Schöpfung des europäischen Mit-
konkreten, individuellen Gegenständen aus- telalters; bereits seit dem 2 . nachchristlichen
gehender Aristotelismus gegenüber den pla- Jahrhundert erreicht eine derartige Schulphi-
tonisierenden Deutungen der Logica vetus losophie in der griechisch sprechenden Welt
mehr und mehr durchsetzt. der ausgehenden Antike eine erste Blüte (Bar-
nes 1981, 79—82 ), welche wenigstens bis 52 9
1.2.  Wichtige Marksteine bzw. Phasen dieser andauert, bis zum Jahr der Vertreibung des
4.  Sprachphilosophie in der Scholastik 57

Lehrkörpers der platonischen Akademie aus meinen Ausführungen zum kommentierten


Athen. Die lateinische Scholastik, über deren Text ergänzt werden. Um einen solchen Kom-
Sprachphilosophie hier gehandelt wird, ist mentar zu erzeugen, durchackerte der Scho-
nicht bloß ein vergleichbares Phänomen, sie lastiker (für Boethius vgl. Barnes 1981, 78 f)
ist die unmittelbare Nachfolgerin ihrer grie- im Normalfall ältere Werke und schuleigene
chischen Vorgängerin. Die spätantike griechi- ›Handexemplare‹; aus den so gewonnenen
sche Philosophie in ihrer Gesamtheit ist zwar Glossen und exzerpierten Scholien versuchte
vordergründig eine platonische, d. h. eine er ein neues Ganzes, z. B. einen Literalkom-
neuplatonische Scholastik, sie enthält aber mentar, zu komponieren.
aufgrund der Auffassung von der Lehrüber-
einstimmung (Homodoxie) aller alten Schulen 2.2. Literal- und Quaestionenkommentare
etwa seit der Zeitenwende ebenfalls aristote-
lische und stoische Schulweisheit. Während ‘Literalkommentare’ heißen solche Werke,
die aristotelische Scholastik vornehmlich der wenn sie Zeile für Zeile, Wort für Wort (lat.
Logik im weiteren Sinne diente, die stoische littera) dem Text folgen. Das lateinische Mit-
im besonderen auch in der Ethik tradiert telalter setzte diese Tradition der Glossen,
ward, wurde aus dem platonischen Erbe (un- Marginalien und scholastischen Literalkom-
ter gelegentlicher Verwendung fremder Lehr- mentare fort, welche noch im 12 . Jahrhundert
stücke) der Untergrund der übrigen philoso- in der Übernahme von Einteilungsgesichts-
phischen Teildisziplinen befestigt. Daraus er- punkten und Redewendungen den griechi-
gibt sich auch, daß spätantike wie frühmit- schen Vorbildern ebenso ähneln, wie bereits
telalterliche Scholastik nicht bloß das Tri- die Kommentare des Boethius zu Aristoteles
vium, oder gar nur Logik im engen Sinne und Porphyrios aus dem 6. Jahrhundert. Im
umfaßte, sondern u. a. auch Ethik, Musik (= 13. Jahrhundert kommt neben diesen und den
Harmonielehre), Astronomie, Metaphysik. Summen eine neue literarische Form zur
Wesentliche Teile der lateinischen Scholastik Blüte, der ‘Quaestionen-Kommentar’: Der
des 11. und beginnenden 12 . Jahrhunderts Verfasser verläßt die Enge einer zeilenweisen
konzentrierten sich in diesem Ausmaß erst- Deutung eines Textes, um eine Sammlung von
mals in der Geschichte des abendländischen (jeweils in der Form einer Disputation pro
Denkens auf Logik, Grammatik und Seman- und contra verfaßten) Problemerörterungen
tik, also auf ›Sprachphilosophie‹. (quaestiones disputatae; quaestiones quodli-
betales) zu geben. In der ursprünglichen, ein-
fachen Form hat eine ›quaestio‹ folgendes
2. Vom Scholion zur Scholastik Aussehen: (a) Das Problem (titulus quaestio-
nis) wird durch eine Frage, welche nur eine
2.1. Scholastische Methode Antwort mit ‘Ja’ oder ‘Nein’ erlaubt, einge-
führt. (b) Argumente bzw. autoritative Zitate
Griechischen wie lateinischen ›Sprachphilo- für Nein-Antworten (quod non) werden zu-
sophen‹ der genannten Periode standen ver- sammengetragen. (c) Argumente für Ja-Ant-
schiedene literarische Ausdrucksformen zur worten (quod sic) folgen. (d) Die richtige Lö-
Verfügung, aber die diesen Kommentatoren sung (ad hoc dicendum) des Problems wird
eigene Methode führte zu einer Bevorzugung vorgetragen. (e) Argumente aus (b) und (c)
des sog. Scholions, einer Anmerkung zu werden, insofern sie oder aus ihnen folgende
einem Textabschnitt in einem der gängigen Konklusionen mit (d) in Widerspruch stehen,
Lehrbücher. Der Umfang solcher Scholien der Reihe nach widerlegt oder aufgelöst. —
schwankt zwischen einer (kurzen) Zeile und Es gibt nichts diesen ›quaestiones‹ Vergleich-
mehreren Seiten, wobei längere Randbemer- bares in der Scholastik der ausgehenden An-
kungen regelmäßig Exkurse zu Problemen des tike; die Lanfrank (ca. 1010—1089) zuge-
Textes (lat. dubia; griech. ἀπορίαι) bringen. schriebenen, nur in einem sächsischen Kata-
Kurze, wenige Worte umfassende Notizen, log aus dem vorscholastischen 11. Jahrhun-
‘Glossen’ genannt, werden dabei einfach über dert erwähnten Quaestiones (ebenso wie seine
dem jeweils betroffenen Dubium zwischen Dialectica) sind verlorengegangen (Lewry
den Zeilen eingefügt; längere Anmerkungen, 1981, 99 f).
die eigentlichen Scholien, setzt man an den
Rand, weswegen diese auch ‘Marginalien’,
jene ‘interlineare Glossen’ heißen. Die Kom- 3. Chronologie, Perioden, Quellen
mentare der griechischen Scholastik sind viel-
fach bloße Sammlungen solcher Scholien, die Die lateinische, scholastische Philosophie glie-
gelegentlich durch eine Einleitung mit allge- dert sich in vier zeitliche Abschnitte: Neben
der Übergangszeit von der Spätantike (mit
58 I. Raum-zeitliche Übersichten

Apuleius bereits im 2 . Jh. n. Chr., bzw. Au- gik droht, die Grammatik zu verschlingen.
gustin im 5. Jh.) zum Mittelalter, der Vor- Die Autoren gehen zu diesem Zwecke genauer
scholastik (bis etwa Lanfrank und dem jun- den schon bekannten Schriften der ›Logica
gen Anselm von Canterbury), unterscheidet vetus‹ (Categoriae und De interpretatione von
man innerhalb der eigentlichen Scholastik Aristoteles in der lateinischen Version von
Frühscholastik (ca. 1100—12 40), Hochscho- Boethius sowie Porphyrs Einleitung) nach, sie
lastik (ca. 12 40—1300) und Spätscholastik sind aber bemüht, neue Quellenschriften auf-
(bis etwa 1450/1500). zufinden. Etwa ab 112 0 sind die übrigen
Übersetzungen des Boethius (Analytica
3.1. Vorscholastik (bis etwa 1050/1100) Priora; Topica mit Sophistici elenchi) wieder
zugänglich, um 1150 das ganze ›Organon‹ so-
Diese Übergangsperiode unterscheidet sich wie Physica, De anima und Teile von Parva
stark von der eigentlichen Scholastik, da sie naturalia und M etaphysica ins Lateinische
nicht nur in der Sprachphilosophie inhaltlich übertragen. Gestützt auf die ›Logica vetus‹
gesehen weitestgehend eine Wiederholung des wird bei schrittweiser Einbeziehung der ›Lo-
Vorangegangenen darstellt. Abgesehen von gica nova‹ (Analytica Priora; Topica; Sophi-
Augustin (354—430) (s. Art. 16) und Boe- stici elenchi; vgl. Pinborg 1972 , 18) eine se-
thius, deren Wichtigkeit für die beginnende mantische Analyse der aristotelischen Logik
Scholastik nicht leicht überschätzt werden vorangetrieben; dies führt in der Zeit von
kann, hält man sich bei sprachphilosophi- etwa 12 30 bis 12 45 zu neuartigen, den soge-
schen Themen besonders an die weitverbrei- nannten terministischen Lehrbüchern u. a.
teten Kompendien von Martianus Capella (5. eines Petrus Hispanus (ca. 122 0—12 77;
Jh.), Cassiodor (6. Jh.) und Isidor von Sevilla 12 76—12 77: Papst Johannes XXI.) oder eines
(7. Jh.), bzw. an die Grammatik des Priscian. Roger Bacon (ca. 12 10/14—12 92 /94). Da bei
Die antiken Definitionen werden einfach wie- diesen sogenannten Summulisten (Libera
derholt; sie werden als nebeneinandergestellte 1982 , 177 f), neben den Klassikern Aristoteles
Aussagen so gedeutet, daß sich die Gram- (s. Art. 15), Porphyrios und Boethius, neue
matik aus sich heraus als richtig erweist. Im Themen in signifikantem Ausmaß zur Spra-
10. Jahrhundert beginnen Gerbert von Auril- che kommen, ist der selbstbewußte Name
lac (seit 999 Papst Silvester II.; ca. 940/950— ‘Logica moderna’ durchaus berechtigt.
1003) und Abbo von Fleury (gest. 1004) die
Kommentare und auch die selbständigen Mo- 3.3. Hochscholastik (ca. 1240—1300)
nographien des Boethius ausgiebig auszuwer-
ten (Lewry 1981, 95). Im 11. Jahrhundert ist Die Entfaltung der Bedeutungslehre der Ter-
Berengar von Tours (ca. 1000—1088) ein Bei- ministen (s. Art. 40) zu einer ›Logica mo-
spiel für die Fortsetzung dieses Weges unter derna‹ geht mit der Aufnahme der ›Logica
Beiziehung eines aristotelisch gedeuteten Pri- nova‹ in allen Wissenschaftsbereichen einher;
scianus. Als Anselm 1059 Bec in der Nor- die Hochscholastik als solche konzentriert
mandie erreichte, war die Kontroverse zwi- sich dabei innerhalb der Logik bzw. des Tri-
schen seinem nachmaligen Lehrer Lanfrank viums auf die Syllogistik und die Wissen-
und Berengar über die Bedeutung der Wand- schaftslehre, welcher Umstand sich u. a. auch
lungsworte (der Messe) auf dem Höhepunkt. dem Bekanntwerden der beiden aristoteli-
Grammatik und Dialektik waren zum Vehikel schen Analytiken schon im 12 . Jahrhundert
einer (theologisch ausgebeuteten) Bedeu- verdankt. Durch die starke Ausrichtung auf
tungslehre geworden. Mit Anselm beginnt die das aristotelische Dogma eines feststehenden
Gegenstandsbereiches für jede Wissenschaft,
3.2. Frühscholastik (ca. 1100—1240) wird die Sprachtheorie (wie besonders die Lo-
gik) der Hochscholastik stärker mit der On-
Das Aufblühen der Städte im 12 . Jahrhundert tologie (Was ist die Substanz, was sind die
führt zu einer Neubelebung der Schulen und Gegenstände, mit welchen sich Logik, Gram-
des Geisteslebens, die eigentlich schöpferische matik und Semantik beschäftigen?) und der
Phase der Sprachphilosophie der Mittelzeit Psychologie (Wie entstehen Begriffe und Be-
(wie der scholastischen Philosophie über- deutungsinhalte von Termen im menschlichen
haupt) nimmt ihren Anfang. Für sprachphi- Intellekt?) verknüpft. Philosophische Gram-
losophische Leistungen dieser Periode ist, matik und Semantik werden auf Ontologie
neben Anselm und Gilbert von Poitiers (ca. zurückgeführt (Pinborg 1972 , 88; Pinborg
1080—1154), Abaelard beispielhaft. Gram- 1967, 55—59). Dies gilt auch für die etwa
matische und logische Terminologien bzw. 12 70 einsetzende Sprachtheorie der Modisten
Lehrmeinungen werden konfrontiert; die Lo-
4.  Sprachphilosophie in der Scholastik 59

(s. Art. 41), die ›Grammatica speculativa‹, 4. Scholastische Bedeutungslehre bis


welche sich in neuen Texten der Gattung ›De einschließlich Anselm
modis significandi‹ niederschlägt. Unter dem
Druck einer aristotelischen und regelmäßig 4.1. Vorscholastische Naivität
theologisch überhöhten Dogmatik tritt ter-
ministische Sprachtheorie und -philosophie Die Gigantomachie zwischen materialisti-
zwar etwas zugunsten eines ›reinen‹ Aristo- scher und idealistischer Philosophie, auf wel-
telismus zurück, aber die Problemstellungen che Platos Sophistes (2 46 ab) anspielt, ist auch
der Terministen haben ringsum sichtbaren in der Sprachphilosophie ausgefochten wor-
Einfluß auf Form und Inhalt verschiedener den. Wie kommen die Dinge zu ihren Namen?
Diskussionen der Hochscholastik. — Neben In welcher Beziehung stehen Name (nomen)
den Giganten der Scholastik Albertus Ma- bzw. Term (terminus) und benannter Gegen-
gnus, Thomas, Bonaventura (122 1—12 74) stand? Die Antworten auf diese Fragen ge-
und Duns Scotus (12 65—1308) seien Wilhelm hören zu den am heißesten umstrittenen Lehr-
von Shyreswood (ca. 12 00/10—12 66/72 ), Pe- meinungen der Disziplin, im besonderen be-
trus Hispanus, Robert Kilwardby (vor 12 2 0— züglich der generellen Terme (Universalien).
12 79), R. Bacon, Martin (floruit um 12 70) Haben die Bedeutungen von Sätzen und ihren
und Boethius von Dänemark, Radulphus Termen neben den benannten, realiter existie-
Brito (gest. 132 0) und Siger von Courtrai renden Gegenständen irgendeine Existenz-
(gest. 1341) wegen ihrer Bedeutung für die form? Oder existieren etwa nur die Worte mit/
Kontinuität der terministischen bzw. für die in ihrem konventionalen Gebrauch? usw. —
beginnende modistische Sprachphilosophie In Ermangelung einer brauchbaren semanti-
erwähnt. schen Analyse jener Formen von Aussagen
(propositiones) und ihrer Bestandteile, wie sie
3.4. Spätscholastik (ca. 1300—1450/1500) in der ›Logica vetus‹ seit Apuleius (2 . Jh.) und
Martianus Capella quer durch eventuelle se-
Im 14. Jahrhundert kommt es zu einer Ver- mantische Stufungen hindurch standardisiert
schmelzung von ›Logica nova‹ und termini- sind, widmen sich vorscholastische Autoren
stischer Sprachtheorie einerseits, zur Synthese in ihren Bedeutungsanalysen höherstufiger
der Modisten andererseits. Der Modus sig- Sätze einer weitgehend naiven Suche nach den
nificandi wird hier zum Kernstück der gram- Bezugsobjekten der in solchen Aussagen vor-
matischen Sprachbetrachtung; eine stärker se- kommenden Terme. Der Satz ‘Socrates est
mantische Analyse der aristotelischen Logik animal’ [Sokrates ist ein Lebewesen], in wel-
dort anerkennt sie wiederum als rein formales cher die Gattung (Lebewesen) von einem In-
System; auch die anderen Disziplinen des Tri- dividuum ausgesagt wird, dient dabei als
viums werden aus der ontologischen Um- Analogon für die Analyse von Aussagen der
klammerung gelöst. Die Gegenstände, mit de- Art ‘Mensch ist eine Spezies’ oder ‘Lebewesen
nen sich Logik und Semantik beschäftigen, ist eine Gattung’. Die einfältige, objektorien-
gelten als Produkte des Intellektes. Diese tierte Suche nach dem hierin Benannten und
Lehrmeinung wird gewöhnlich ‘Nominalis- die feste Überzeugung, daß individuelle Dinge
mus’ genannt. Wilhelm von Ockham wird bzw. irgendetwas Räumlich-Wirkliches (res)
zum Symbol einer solchen Epoche, in welche die gesuchten Bezugsgegenstände sind, führt
auch ein Dante Alighieri (12 65—132 1) und zum Universalienproblem (s. Art. 61).
ein Johannes Aurifaber (Erfurter Schule um
1330; vgl. Pinborg 1967, 141 f) hineinragen. 4.2. Boethius (ca. 480—524/26)
Für Entstehung und Entfaltung der spätscho-
lastischen Sprachphilosophie sind insbeson- Boethius geht in seinen beiden Kommentaren
dere die englischen Schulen von Bedeutung, zu Porphyrios’ Isagoge kurz auf die Univer-
wie auch die folgende Liste zeigt, welche zu- salienproblematik ein. Im ersten sagt er je-
nächst fünf Mitglieder der Oxforder Univer- denfalls soviel, daß Gattungen und Arten —
sität nennt: Walter Burley (ca. 12 75—1344/ für Boethius die Bezugsgrößen sprachlicher
45), Robert Holkot (gest. 1349), Ockham, Universalien — in irgendeiner Form existie-
Richard Billingham (floruit 1344—1361), ren müssen, sie können nicht bloßes Figment
William Heytesbury (gest. 1372 /73), Gregor des Geistes sein; im zweiten Kommentar ent-
von Rimini (ca. 1300—1358), Johannes Bu- wickelt er zur Erklärung der Universalien die
ridan (ca. 1300—1358; Rektor der Universität Idee einer in der Wahrnehmung bzw. in der
Paris 132 8 und 1340), Albert von Sachsen (ca. Wirklichkeit selbst gegründeten Abstrak-
1316—1390) und Paulus Venetus (gest. 1429). tionsleistung des Denkens (cogitatio): Spezies
60 I. Raum-zeitliche Übersichten

wären danach mentale Gegenstände aufgrund sie unabhängig von der wahrnehmbaren Sin-
einer Abstraktion aus der Wesensgleichheit nenwelt (Henry 1982 , 12 9—133; Lewry 1981,
(similitudo substantialis) numerisch unter- 101 f)?
scheidbarer Individuen; Gattungen wären
derlei gedankliche Konstrukte aus der We- 4.3. Bedeutung in Grammatik und Semantik:
sensgleichheit verschiedener Arten (cogitatio Priscian versus Aristoteles
collecta ex specierum similitudine). Die ›Si-
militudo‹ in den Individuen ist den Sinnes- In den 18 Büchern von Priscians Institutiones
organen zugänglich (sensibilis), d. h. Gegen- grammaticae findet die vor- und frühschola-
stand der Wahrnehmung, die ›Similitudo‹ in stische Sprachbetrachtung eine unerschütter-
den Arten ist intelligibel, d. h. Ergebnis des liche Autorität, die Grundlage jedes tieferge-
Denkens. Die (Bezugsgegenstände von) Uni- henden Studiums der lateinischen Sprache; als
versalien subsistieren demnach aufgrund der Hinweis auf die Bedeutung dieser Autorität
Tatsache ihrer Wahrnehmbarkeit in indivi- sei erinnert, daß mehr als 1000 Priscian-
duellen Substanzen realiter, hinsichtlich ihrer Handschriften bekannt sind. Die ersten 16
nur der Vernunft zugänglichen Anwesenheit Bücher behandeln die Laut- und Formen-
in Spezies und Genera aber bloß mental. An lehre; dieser sogenannte Priscianus maior
einer Stelle im Kategorienkommentar schlägt steht neben dem Priscianus minor, der Syntax
Boethius jedoch vor, daß die Terme (nomina) in den beiden letzten Büchern. Zu Priscian
in den zuletzt angeführten Beispielsätzen wie- hinzu wird noch die Ars grammatica des Ae-
derum Nomina benennen; er erklärt dort lius Donatus (4. Jh.), eine knappe, für den
‘Gattung’ (genus) und ‘Art’ (species) für Na- Anfangsunterricht geeignete Schulgramma-
men von Namen (sunt quodammodo nomi- tik, ausgiebig benützt. Neben der lateinischen
num nomina), ohne daraus weiteres Kapital Bibel (Vulgata), Aristoteles und den eigentli-
zu schlagen. Garlandus Compotista (floruit chen Autoren (auctores) der ›Logica vetus‹
2 . Hälfte des 11. Jhs.) folgt dieser Lehrmei- genossen diese Grammatiker uneingeschränk-
nung, wenn er z. B. die Aussage ‘Animal est tes Ansehen, in der Sprachtheorie war an
genus’ auf eine Prädikation über das Wort ihren Lehren nicht zu rütteln. Sie erwiesen
‘animal’ (de [...] sola voce [...] animal agit) sich als unentbehrliche Mittel zur Erlernung
reduziert. Der Nominalismus und insbeson- und für das Verständnis jener Sprache, in der
dere eine angemessene Debatte über ihn stek- die heilige Schrift übermittelt war, in welcher
ken jedoch im 11. Jahrhundert noch in den in den Schulen gelehrt und disputiert wurde.
Kinderschuhen; der Nominalismus unterliegt (Vom Griechischen wußte man am Festland
zunächst einmal u. a. wegen der Übermacht so gut wie nichts mehr; die romanische oder
solcher aus der theologischen Dogmatik germanische Muttersprache galt als barba-
schöpfenden Dialektikfeinde wie Petrus Da- risch oder vulgär.) Aus Priscian und Donatus
mian (gest. 1072 ) und wegen der von Pri- bezog man die Auffassung des Vorliegens von
scian herrührenden Auffassung der Gram- acht Redeteilen (partes orationis), d. h. von
matiker, daß Nomina sowohl Substanz(en) acht semantischen Kategorien: Nomen, Ver-
als auch Qualität(en) bezeichnen. Anselms bum, Präposition, Partizip, Pronomen, Ad-
Attacke (nach 1090) gegen Roscelin von verb, Konjunktion, Interjektion. Die Acht-
Compiègne (ca. 1050—112 5) ist jedoch alles zahl selbst rührt von Dionysios Thrax (ca.
andere als ein unbehauener Universalienrea- 170—90 v. Chr.) her, dem Verfasser des älte-
lismus. Vielmehr ist auch Anselm Zeuge für sten Handbuchs der griechischen Grammatik,
die Auswirkungen jener Naivität, von der wobei anstatt des im Griechischen gebräuch-
oben die Rede war; sie ist sichtbar in einer lichen bestimmten Artikels bei den genannten
Liste von vorgeblich erschöpfenden Antwor- Lateinern die Interjektion zu einem eigenen
ten auf die Fragen nach dem durch solche Redeteil erhoben wird. Im 11. Jahrhundert
Universalien Benannten, die sich bereits in konnte man bereits auf eine lange Tradition
einer über und über zitierten Stelle der Por- in der Abweichung der semantisch-logischen
phyrischen Isagoge finden: Existieren Genera Lehre über Natur und vor allem Anzahl der
und Spezies realiter, oder sind sie bloßes Ge- Redeteile von der grammatischen zurückblik-
dankenprodukt? Wenn sie wirklich sind, sub- ken. Boethius hielt mit der aristotelischen Lo-
sistieren sie als Körper oder unkörperlich? gik daran fest, daß es nur zwei logisch rele-
Bestehen sie in (Verbindung mit) den wahr- vante Redeteile, das Nomen (Substantiva und
nehmbaren Gegenständen, oder subsistieren Adjektiva umfassend) und das Verbum, gibt.
Mit Priscian und Donatus mußte man diesen
4.  Sprachphilosophie in der Scholastik 61

beiden Kategorien noch Partizipium, Prono- dings, daß das aristotelisch-boethianische La-
men, Präposition, Adverb, Interjektion und tein diese Bedingung gar nicht erfüllt, wie
Konjunktion anfügen. z. B. aus ‘humanitas’ für ‘homo’ ersichtlich
ist. Es mag also sein, daß ‘grammaticus’ nur
4.4. Proprium est nominis significare die Qualität, schreiben und lesen zu können,
substantiam et qualitatem bezeichnet, und nicht auch die Substanzen,
die so gebildet sind, d. i. individuelle Men-
Die Unterschiede zwischen Logik und Gram- schen — allerdings nicht aus den Gründen,
matik führen aufgrund einer Sonderdeutung die Anselm anführt. Nun hat Priscian dazu,
des als Kapitelüberschrift zitierten Priscian- wenn auch nur beiläufig durch ein Beispiel,
textes über die Bezeichnung des Nomens schon vor Anselm Stellung genommen: Der
(Henry 1982 , 133 f; Pinborg 1967, 46 f; 72 ; Sprachlehrer unterscheidet innerhalb der
2 2 6; 2 41; 2 53) im weiteren zu Details der Klasse der Nomina ›nomina propria‹ [Eigen-
Sprachanalyse, die für die Entwicklung der namen] und ›nomina appellativa‹ [Gattungs-
Bedeutungslehre durchaus belangvoll sind. namen], ja er teilt das Genus ›Nomen‹ in die
Nach Priscian bezeichnen Nomina Substanz Spezies ›Eigennamen‹ und ›Gattungsnamen‹;
und Qualität; in der Kategorienschrift des die Spezies der appellativen Nomina enthält
Aristoteles (caput 4) liest man bezüglich einer weiters die Adjektiva als Subspezies. Solche
Teilmenge der Nomina, der Paronyma, sie Adjektiva werden regelmäßig mit Eigenna-
würden ausschließlich Qualität bezeichnen. men und Gattungsnamen, welche beide Sub-
Da nun scholastische Sprachlehre im Fahr- stanz(en) benennen, verbunden, um die Qua-
wasser Priscians die Position einnimmt, alle lität und Quantität der benannten Gegen-
Nomina bezeichneten jeweils Substanz und stände zu spezifizieren. Als ein Beispiel für
Qualität in einem (substantiam cum qualitate solche Substanzen bezeichnende Namen führt
anstatt des milderen substantiam et qualita- Priscian jenes ‘grammaticus’ an, welches nach
tem), muß es zum Konflikt mit der aristote- des Meisterlogikers Categoriae längst als au-
lischen Abweichung in der für einen Teil der toritatives Beispiel für einen Qualität-Namen
Nomina geltenden Auffassung als nur Qua- besetzt ist. Priscian fügt also zu seiner anti-
lität bezeichnend kommen. In den Categoriae aristotelischen Lehre, daß alle Nomina Sub-
(caput 4) wird ‘grammaticus’ [des Schreibens stanz(en) und Qualität(en) in einem bezeich-
und des Lesens kundig: gebildet] als Beispiel nen, noch die Ungehörigkeit eines Gegenbei-
eines Nomens angeführt, welches nur Qualität spiels zur Bedeutungsanalyse der ›Logica-ve-
bezeichnet. (Die im Griechischen wie Latei- tus‹-Theoretiker hinzu. Der daraus entste-
nischen gegebene Ununterscheidbarkeit eines hende Konflikt ist in Vor- und Frühscholastik
adjektivischen von einem substantivischen schön nachweisbar. Durch die Enge der scho-
‘grammaticus’ ist deutsch nicht nachahmbar, lastischen Methode herrscht indes auf beiden
hier in diesem Kontext aber irrelevant.) ‘Ge- Seiten der Kampflinie die Tendenz vor, nicht
bildet’, ‘weiß’ oder ‘gerecht’ werden als Pa- zu sehen bzw. nicht zu untersuchen, was ist,
ronyma rubriziert, d. h. als Ableitungen zu sondern zu fragen und zu beweisen, warum
bzw. von entsprechenden abstrakten Nomina, das, was ist, so ist, wie es ist. Man steht vor
z. B. ‘gebildet’ (grammaticus) von ‘Bildung’ fraglosen Gegebenheiten, hie Priscian, dort
(grammatica), ‘gerecht’ von ‘Gerechtigkeit’ Boethius und die ›Logica vetus‹; daran knüpft
usw. (Derartige Ableitungen werden ‘deno- Anselm in De grammatico z. B. seinen Ver-
minativ’ genannt.) such nachzuweisen, daß das von (der seiner
Meinung nach höheren Autorität) Aristoteles
4.5. Anselms De grammatico Gelehrte wahr ist; ähnlich ergeht sich die
In seinem Dialog De grammatico weitet An- Sprachphilosophie der Vorscholastik in schier
selm diese Beobachtung an gewissen deno- unaufhörlichen Erklärungen des Warum und
minativen Namen in eine strikte Zweiteilung des Weil autoritativer Lehrmeinungen. Trotz
von Nomina, welche Substanz(en), und sol- der traditionellen Nomenklatur derartiger
che, welche Qualität(en) bezeichnen, aus, wo- Kontroversen zeigt sich bei näherem Hinse-
nach nur noch denominative Nomina Quali- hen aber, daß der Konflikt Voraussetzungen
täten bezeichnen. Daraus folgt für Anselm, hat, die zwei grundsätzlich verschiedene Me-
daß die Sprache selbst Substanz-Namen von thoden der Bedeutungs-, ja der Sprachanalyse
Qualität-Namen scheidet, indem für Sub- spiegeln. Einerseits kann man den tatsäch-
stanz-Nomina keinerlei Abstrakta zu ihrer lichen Gebrauch einer Sprache (usus lo-
Herleitung existieren; Anselm übersieht aller- quendi) durch eine Gruppe als kompetent an-
erkannter Benützer untersuchen; Priscian er-
62 I. Raum-zeitliche Übersichten

weist sich als Anhänger einer solchen empi- von ›significatio‹ und ›appellatio‹, welche die
risch-deskriptiven Vorgangsweise, die er me- nächsten Jahrhunderte beherrschen wird, zu
thodisch auf die Tradition der Grammatiker einer Terminologie, die ihn zum Erfinder
seit Dionysios Thrax und inhaltlich auf die (Gombocz 1983, 12 5—130) des Unterschieds
Texte der von ihm hochgeschätzten Schrift- von Intension und Extension, von Sinn und
steller stützt; andererseits kann man a priori Bedeutung in Fregescher Ausdrucksweise,
und vor Erforschung des Sprachgebrauchs die macht:
Bedeutung von Worten und auch von Sätzen „[...] Diese Distinktion wird aber nicht zu einer
unter Zuhilfenahme des Instrumentariums allgemeinen semantischen Unterscheidung zwi-
der aristotelischen Logik und Semantik ana- schen Intension und Extension ausgebaut. Das ge-
lysieren, wie es Anselm im Falle der deno- schieht erst im Mittelalter, zuerst bei Anselm“ (Pin-
minativen Namen tut. Betrachten wir das Bei- borg 1972, 41).
spiel aus caput 14 von De grammatico: In
einem Schuppen sind weiße Pferde einge- 4.6. Appellatio versus significatio
schlossen; jemand, der davon weiß, behauptet
dazu wahrheitsgetreu, daß sich etwas Weißes ›Appellatio‹ ist bei Anselm (De grammatico,
in dem Gebäude befindet. Der Hörer ist ohne caput 12 ) explizit als jene Bedeutungskom-
Kenntnis näherer Umstände nicht in der ponente bzw. als jener semantische Bezug de-
Lage, das durch das paronyme Subjekt der finiert, mittels welchen sich ein Wort im ak-
Aussage Benannte eindeutig bzw. auch nur tuellen Kontext der gesprochenen Sprache auf
näherungsweise zu identifizieren. Die Weite die durch es benannten individuellen Gegen-
möglicher Denotata würde in Ermangelung stände bezieht:
irgendeines einschränkenden Hinweises „Appellativum autem nomen cuiuslibet rei nunc
schließlich die gesamte Welt physischer Sub- dico, quo res ipsa usu loquendi appellatur“ [Ap-
stanzen im Sinne der aristotelischen Ontolo- pellativ aber nenne ich den Namen von irgendei-
nem Etwas nun, insofern durch ihn im gewöhnli-
gie umfassen. Nach Anselms Überzeugung
chen Sprachgebrauch dieses Etwas selbst benannt
kann ein derartiger Umfang möglicher De-
wird.]
notata nicht in der Bedeutung von ‘weiß/
etwas Weißes’ enthalten sein; er wäre lediglich Bei paronymen Nomina mag im Usus lo-
aufgrund der empirischen Gegebenheiten im quendi das Benannte (die Extension) verschie-
Universum kontingenterweise mitassoziier- denen Arten oder Gattungen zugehören, wie
bar. Anselms Argumentation will erhärten, im Falle von ‘weiß’, oder die Spezies aller
daß die eigentliche und strenge Bedeutung benannten Individuen ist gleichbleibend, wie
(significatio per se) des denominativen No- bei ‘grammaticus’. Dagegen bringt die ›sig-
mens ‘weiß’ nur Weiße ist, oder genauer nificatio‹ eines Terms im eigentlichen Sinne
›weiß-seiendes ...‹, wobei die Leerstelle auf (significatio per se) nur den Begriffsinhalt (in-
irgendeine Substanz deutet. Insofern hat An- tellectus) bzw. die ›Definition‹ (definitio et
selm wenigstens für einige Paronyma gezeigt, esse; caput 13) zum Ausdruck. Bei denomi-
daß sie per se nur Qualität bezeichnen, womit nativen Nomina ist diese ›Definition‹, i. e. die
Aristoteles Recht bekommt, das vermeintliche Intension, offen hinsichtlich zukünftiger Er-
Priscian-Dogma aber, alle Nomina bezeich- weiterungen der Extension auf bisher im tat-
neten Substanz und Qualität in einem, wider- sächlichen Sprachgebrauch damit nicht be-
legt ist. Anselm ist jedoch nicht blind für den nannte Gegenstände. In diesem uneigentli-
Druck, der vom ›Usus loquendi‹ ausgeht; eine chen Sinne (per aliud) bezeichnen ‘weiß’ und
Erforschung des tatsächlichen Sprachgebrau- ‘gebildet’ auch Menschen, im eigentlichen
ches bezüglich ‘grammaticus’ zeigt, daß es Sinne aber (significatio per se) bezeichnen
immer vom Menschen ausgesagt wird, wel- beide, wie alle Paronyma, nur Qualität, hier
cher Umstand des Grammatikers Behauptung die Eigenschaften, weiß bzw. gebildet zu sein.
zu bestärken scheint, es würde ‘gebildeter Anselm kann durch seine Unterscheidung von
Mensch’ und nicht bloß ‘gebildeter/s ...’ be- ›significatio per se‹ und ›appellatio‹ als ›sig-
deuten. Es ist Anselms Anliegen, die Kom- nificatio per aliud‹, d. h. von Intension und
ponente ‘Mensch’ aus dem Bedeutungsgehalt Extension eines Terms, sowohl Priscian als
von ‘grammaticus’ herauszuschneiden, wie er auch Aristoteles sagen lassen, was sie sagen
überhaupt einen Bezug auf identifizierbare wollen, obschon eine explizite Definition der
Substanzen aus der eigentlichen Bedeutung intensionalen Bezeichnungskomponente
paronymer Nomina entfernt. Dies führt bei fehlt, ja diese selbst aufgrund der Substanz-
Anselm zur Entwicklung einer Nomenklatur Qualität-Ontologie Anselms verschwommen
bleibt: Im eigentlichen Sinne (per se) bezeich-
4.  Sprachphilosophie in der Scholastik 63

nen Nomina ihren Bedeutungsinhalt, die ari- dieser finden sich u. a. auch Theoriestücke
stotelischen Paronyma a fortiori also nur über die Notwendigkeit einer Unterscheidung
Qualität; in einem uneigentlichen Sinne (per von Objekt- und Metasprache, über die Se-
aliud) kann mit Priscian auch die appellative mantik nominaler und propositionaler Ne-
Beziehung eines Nomens zu seinen Relata als gation, über Intension und Extension privati-
ein Bezeichnen aufgefaßt werden, aber eben ver und leerer Namen und zur Verwendung-
nur per aliud [mittels eines anderen, i. e. mit- Erwähnung-Unterscheidung.) Seit dem Jahre
telbar], wie z. B. ‘grammaticus’ in einem um- 1936, in welchem Franciscus Salesius Schmitt
gangssprachlichen Kontext tatsächlich (nur) die sog. Lambeth-Fragmente veröffentlichte
Menschen betrifft, d. h. benennt. Diese Un- (Schmitt 1936, 2 3—45; Hopkins 1976, 3—2 9;
terscheidung von ›appellatio‹ und ›significatio Henry 1982 , 139 f), ist der Zugang zum ›gan-
per se‹, von Extension und (etwas ungenau) zen‹ Sprachphilosophen Anselm erleichtert.
Intension, ist vom Beginn des 12 . Jahrhun- Die 2 2 Druckseiten dieser Erstausgabe ent-
derts an Gegenstand intensiver Diskussion, halten mehrere Bruchstücke, welche als erste
ohne daß man einen unmittelbaren Einfluß Entwürfe verschiedener allgemeiner Sche-
von Anselm bisher nachgewiesen hat. Wil- mata für die Sprachanalyse angesehen werden
helm von Champeaux (ca. 1070—112 2 ), Gil- können. Diese seine nirgendwo vollständig
bert von Poitiers, Abaelard, Johannes von ausgeführte Sprachphilosophie ist, wie seit
Salisbury (ca. 112 0—1180) und die zeitgenös- Desmond P. Henrys Forschungen klargewor-
sische anonyme Ars M eliduna halten an dieser den ist, im Gesamtwerk durchaus anwesend.
Distinktion fest, ja bereits Gilbert verfeinert Anselm versucht im längsten der Fragmente
die Unterscheidung durch seine verallgemei- den Kontrast zwischen ungenauer, ja irrefüh-
nernde Forderung, jedem Nomen sowohl ein render Umgangssprache und präziser ›Ideal-
›appellatum‹ als auch ein davon immer ver- sprache‹ am Beispiel propositionaler Verbal-
schiedenes ›significatum‹ zuzuweisen. konstruktionen zu verdeutlichen. Ihm
schwebt in diesem (auf das Prädikatsverb in
4.7. Umgangssprache versus Idealsprache Standardaussagen der ›Logica vetus‹ gerich-
teten) Kontext eine Schablone vor, die er mit-
Bedeutsamkeit, wahrer Rang und Ansehen tels des Verbums ‘facere’ entwickelt; seine
Anselms als eines Bedeutungstheoretikers und Analyse erbringt vier allgemeinste Satzfor-
›logischen Linguisten‹ werden bis in die neu- men, welche letztlich, wenn auch partiell nur
este Zeit herauf durch seine hervorragenden uneigentlich (improprie), auf eine Grund-
Leistungen in Theologie und Metaphysik ver- form, die unten Form (1) genannte Scha-
deckt. Dieses Ungleichgewicht in der ›nor- blone, reduzierbar sind. Durch eine Verknüp-
malen‹ Historiographie der Philosophie be- fung äquipollenter positiver und negativer
ginnt sich erst in den letzten Jahrzehnten zu- Formen von Propositionen (in Analogie zum
gunsten eines gerechteren Bildes, wie es z. B. logischen Quadrat) mit einer zweifachen Deu-
bei Abaelard schon lange vorliegt, zu ändern: tung von ‘facere’ als ‘verursachen per se’
Anselm wird gerne (neben oder zusammen (causa proxima) und ‘verursachen per aliud’
mit Boethius) Vater der Scholastik genannt; (causa longinqua) kann Anselm insgesamt 48,
dann aber ist er erst recht Vater der schola- davon 32 sekundäre Aussageformen auflisten
stischen Sprachphilosophie. In der Überwin- (s. Hopkins 1976, 33—36). ‘Facere’ [tun; han-
dung der vorscholastischen Naivität bezüg- deln; verursachen], so argumentiert Anselm,
lich der Lehre von der Bedeutung der Nomina kann an die Stelle jedes beliebigen Verbums
eilt Anselm seinen Zeitgenossen voraus; er gesetzt werden:
stimmt mit den auf ihn folgenden Generatio- „Verbum hoc, quod est facere, solet poni pro omni
nen von Sprachtheoretikern in der Ansicht verbo cuiuslibet significationis, finito vel infinito,
überein, eine logisch präzise Idealsprache etiam pro non facere“ [Das Verb ‘facere’ kann
müsse gelegentlich die Regeln der Umgangs- gewöhnlich für jedes Verb beliebiger Bedeutung, sei
sprache verletzen; er übertrifft aber diese alle es finit oder infinit, selbst für ‘non facere’ [nicht
in seiner Ausweitung der Unterscheidung von tun], substituiert/supponiert werden] (Schmitt
›significatio per se‹ und ›significatio per aliud‹: 1936, 2 5; Hopkins 1976, 5; vgl. Proslogion, caput
Diese Distinktion beim Nomen (worüber sy- 7).
stematisch De grammatico handelt) wird auf Die vier propositionalen Formen lauten:
das Verbum übertragen, womit er zum Weg- (1) ‘facere esse ...’ [tun, daß etwas ist; kurz:
bereiter einer sehr allgemeinen Term- und tun-daß]; (2 ) ‘facere non esse ...’ [tun, daß
Propositionensemantik, welche ein deutlich etwas nicht ist; kurz: tun-daß-nicht]; (3) ‘non
kausales Element enthält, wird. (Innerhalb
64 I. Raum-zeitliche Übersichten

facere esse ...’ [nicht tun, daß etwas ist; kurz: etwas umfangreicheres Beispiel soll die allge-
nicht-tun-daß]; (4) ‘non facere non esse ...’ genwärtige Unterscheidung von eigentlicher
[nicht tun, daß etwas nicht ist; kurz: nicht- (= logischer) Form und umgangssprachlicher
tun-daß-nicht]. Anselm behauptet nun, Aus- (= regelmäßig irreführender) Form einer
sageform (1) habe eine eigentliche, ihr eigen- Aussage anhand eines leeren Namens demon-
tümliche Bedeutung unmittelbaren Handelns strieren: Anselms Gegenstück zu ‘Butter kann
bzw. Verursachens: Wer immer tut-daß, tut durch nichts ersetzt werden’ lautet ‘Nihil me
etwas direkt, d. h. verursacht als ›causa pro- docuit volare’ [Nichts hat mich fliegen ge-
xima‹ bzw. als ›causa efficiens‹, daß etwas der lehrt]. ‘Nihil’ ist zwar das grammatische Sub-
Fall ist, das nicht der Fall war. Oft aber werde jekt der Aussage, für Anselm aber nicht das
(1) — tun-daß — in der Umgangssprache logische; wäre ‘nihil’ ein Nomen im Sinne der
uneigentlich (improprie) verwendet, wenn logischen Analyse von Aussagen, folgte dar-
z. B. streng genommen eine Instanz von nicht- aus z. B., ich (me) hätte von dem durch dieses
tun-daß-nicht, also Aussageform (4) vorliegt: Nomen benannten Etwas fliegen gelernt; ähn-
Man sagt z. B., ein Mensch tue Böses, wenn lich wie bei privativen Nomina (Blindheit;
in Wirklichkeit er nicht(s) tut, daß dieses Böse Ungerechtigkeit) unterscheidet Anselm noch
nicht sei, wenn er z. B. zusieht, wie Böses vor Anwendung seiner Appellatio-significa-
geschieht, ohne einzugreifen, d. h. wenn er tio-Distinktion bei ‘nihil’ eine als signifikativ
eigentlich eine ›causa non efficiens‹ ist. Und angesehene Funktion ›secundum formam lo-
doch ist Anselm gewillt, in diesen beiden Fäl- quendi‹ [gemäß der Struktur der Umgangs-
len hier von einem ›facere per se‹ zu sprechen, sprache] von einer solchen ›secundum rem‹
welches er einem vierfachen ›facere per aliud‹ [nach Maßgabe der realen Umstände]. In
gegenüberstellt. Ein weiteres Beispiel soll dies Wirklichkeit (secundum rem) benennt ‘nihil’
verdeutlichen (Schmitt 1936, 2 9 f; Hopkins kein Etwas, vom Standpunkt grammatischer
1976, 9 f; 33 f): Ein Mensch (M) tötet einen Strukturen aus betrachtet aber bezeichnet es
anderen Menschen (P). Nach der ›facere‹- etwas (aliquid). — Den Abschluß der Frag-
Analyse lautet die Übersetzung der Aussage mente bildet ein hierzu komplementäres Lehr-
in Form (1) so: M tut, daß P tot ist. Anselm stück über die Bedeutung von ‘aliquid’, in
gibt als Beispiel, daß M selbst, also direkt, P welchem Anselm durch Verbindung von Ex-
mit dem Schwert tötet. Die zweite direkte tension und Intension eines Ausdruckes und
Form einer Tötung sieht Anselm in der Über- unter Einbeziehung des Wortes selbst (im
setzungsmöglichkeit (4): M tut/verursacht Sinne eines Graphems oder Phonems), vier
nicht, daß P nicht tot ist. Anselm sagt, er Gebrauchsweisen bzw. Bedeutungen (quat-
habe dafür kein Beispiel aus dem Leben, es tuor modi) von ‘aliquid’ unterscheidet
sei denn, M hätte die Macht, Tote zum Leben (Schmitt 1936, 42 f): (1) Im eigentlichen Sinne
zu erwecken und würde es im Falle des P (proprie) nennen wir dasjenige ‘aliquid’ [et-
nicht tun. Diesen eigentlichen Fällen einer was; ein Etwas], was „suo nomine profertur
Tötung ›per se‹, stellt er uneigentliche Fälle et mente concipitur et est in re“ [durch seinen
von Tötung ›per aliud‹ gegenüber, welche in Namen benannt wird, durch den Verstand
einer präzisen Sprache auch als solche erschei- erfaßt wird und real existiert]. Ein Etwas im
nen müßten: (a) M tut, daß P tot ist, weil er eigentlichen Sinne (proprie dicto) liegt also
tut, daß N mit einem Schwert bewaffnet ist, vor, wenn einem entsprechenden Ausdruck
mit welchem er P tötet (Form (1) ›per aliud‹). Intension und Extension zukommen, wie bei
(b) M tut, daß P tot ist, weil er nicht tut, daß ‘Stein’ oder ‘Holz’. (2 ) Aber auch extensions-
P bewaffnet ist, um sich gegen N schützen zu lose Ausdrücke wie ‘Chimäre’ führen zum
können (Form (3) ›per aliud‹). (c) M tut, daß (umgangssprachlichen) Gebrauch von ‘ali-
P tot ist, weil er tut, daß P nicht bewaffnet quid’. Ein solches Etwas hat zwar einen Na-
ist, um sich schützen zu können (Form (2 ) men und einen Begriffsinhalt (et nomen habet
›per aliud‹). (d) M tut, daß P tot ist, weil er et mentis conceptionem), existiert aber nicht
nicht tut, daß N nicht mit einem Schwert in Wirklichkeit. (3) Die dritte Art des Ge-
bewaffnet ist, mit welchem er P tötet (Form brauchs von ‘aliquid’ liegt bei Ausdrücken
(4) ›per aliud‹). In allen diesen Fällen ist Aus- vor, die nach Anselms Auffassung, der hier
sageform (1) — M tut, daß P tot ist — in der in der Tradition der Augustinischen Privati-
Umgangssprache in Gebrauch, obschon eine onstheorie steht, weder Intension noch Exten-
Analyse zeigt, daß dieser Gebrauch einer Per- sion haben, wie z. B. die Nomina ‘iniustitia’
se-Form anstatt des zutreffenden Per-aliud [Unrecht] oder ‘nihil’ [nichts]. (4) Die scho-
systematisch irreführend ist. — Ein letztes, lastische Vervollständigung dieser Einteilung
4.  Sprachphilosophie in der Scholastik 65

sei wörtlich angefügt: ›Nominamus etiam ali- Fragestellungen, die schrittweise vom Wort
quid, quod nec suum nomen habet nec con- zum Satz führen, wie es in den einleitenden
ceptionem nec ullam existentiam [...]‹ [Wir Abschnitten in Beispielen beschrieben wird.
nennen ‘etwas’ auch (dasjenige), was weder Außer von Berengar von Tours gilt dies z. B.
(s)einen Namen hat, noch einen Be- für die Schule von Chartres bereits um 1030:
griff(sinhalt), noch irgendeine Existenz]. — Worte werden nicht mehr als selbständige,
Für Anselm handelt es sich nur bei (1) um quasi-lexikalische Einheiten außerhalb des
ein eigentliches Etwas (aliquid proprie dic- Sprachzusammenhanges untersucht, dieser
tum), (2 ) bis (4) nennt er ‘quasi aliquid’. ‘Ni- sprachliche Kontext selbst und der ›usus lo-
hil’ hätte nach Bedeutung (3) auf den ersten quendi‹ gelangen in den Blickpunkt linguisti-
Blick weder ›Sinn‹ noch ›Bedeutung‹ (um Fre- schen Interesses. Aussagen (propositiones),
ges Worte zu gebrauchen); Anselm kommt nicht einzelne Worte unabhängig vom Aus-
aber bereits im Nachsatz (Schmitt 1936, 43) sagenzusammenhang, werden als Grundein-
diese durch die Privationstheorie vorgegebene heit von Sinn und Bedeutung erkannt, und
extreme Position problematisch vor, so daß folglich zum bevorzugten Gegenstand der lin-
er einschränkt, ‘nihil’ konstituiere zwar kei- guistischen Analyse gemacht. Die Bedeutung
neswegs etwas (aliquid) im Intellekt, es gäbe bzw. Bezeichnung eines Wortes im tatsäch-
aber dem Intellekt doch Information (consti- lichen Gebrauch eines propositionalen Kon-
tuere intellectum), insofern es ›removet ali- textes wird schließlich für so wichtig erachtet,
quid et non ponit aliquid in intellectu‹ [etwas daß es zur Ausbildung einer neuen Nomen-
entfernt, obwohl es nicht etwas im Intellekt klatur kommt, welche sich auf Terme (ter-
setzt]. — Die Möglichkeit intensionsloser mini), d. i. auf die Nomina und Verba als Teile
Ausdrücke mit Extension, wie es nach Auf- von Standardpropositionen, und auf ihre syn-
fassung mancher moderner Semantiker ge- taktischen und semantischen Eigenschaften
nuine Eigennamen wie ‘Snoopy’ oder ‘Sokra- bezieht. Umfang und Geschwindigkeit der
tes’ sind, kommt Anselm nicht in den Sinn. Entwicklung der Lehre von den ›proprietates
Auch Platzhalter wie ‘nihil’ hätten hier als terminorum‹ verdanken sich dabei nach einer
eine scholastische Subspezies Platz finden anfänglichen Periode der Dominanz der ›ap-
können. pellatio‹ der rasch wachsenden Vorherrschaft
eines anderen solchen Merkmals, nämlich der
›suppositio terminorum‹, der Eigenschaft
5. Anfänge der Theorie von den eines Wortes, für etwas zu stehen, kurz der
proprietates terminorum Eigenschaft des Stehens-für. Auf der anderen
Die Wechselbeziehungen von Denken und Seite bleiben autoritative Lehrstücke der ›Lo-
Sprache, bzw. von Sprache und Wirklichkeit gica vetus‹ und Priscians in Kurs, welche nicht
rücken schon im 11. Jahrhundert zum Mit- immer zum Vorteil der Disziplin Vorausset-
telpunkt philosophischen Interesses hin. In zungen und Begrenzungen weiterer Entwick-
letzter Beurteilung erscheinen dabei Sprache, lungen bestimmen. Das auffälligste Beispiel
Denken und Wirklichkeit als selbständige für eine solche Beschränkung ist das Festhal-
Ganzheiten von gleicher logischer Struktur ten an der Lehre von der ›significatio termi-
bzw. Konsistenz. Die Sprache wird nicht bloß norum‹ innerhalb der Grenzen der ›significa-
als Mittel des individuellen Sich-Ausdrük- tio per se‹ der scholastisch-aristotelischen
kens, der zwischenmenschlichen Kommuni- Substanz-Qualität-Ontologie bis hinauf in die
kation und als Instrument des Denkens an- Spätscholastik.
gesehen, die gesprochene Sprache selbst wird
für die Philosophen dieser Periode zu einer 5.1. Kontextanalyse und ›significatio per se‹
wichtigen Erkenntnisquelle über Wesen und Selbst jene Bedeutungstheoretiker der begin-
Natur der Wirklichkeit. Aufgrund dieser Ver- nenden Scholastik, welche den aktuellen
flechtung von den Anfängen her sind logisch- Sprachgebrauch und den propositionalen
semantische und ontologisch-metaphysische Kontext eines Terms als von höchster Wich-
Problemstellungen innerhalb der Sprachbe- tigkeit für seine tatsächliche Bedeutung an-
trachtung stets miteinander verwoben. Die sehen, und die daher zum Zwecke des Auffin-
ersten Scholastiker mit einem ausgeprägten dens der Bedeutung(en) eines Terms die Kon-
Fachinteresse an der Sprache selbst waren die textanalyse forcieren, stehen unter der Hy-
Lehrer des Triviums, bes. die Grammatiker. pothek der unausrottbaren Lehre von der
Neben der Pflege der Syntax kommt es bei vorgegebenen Bedeutung von Worten, wenn
ihnen zur Entwicklung logisch-semantischer
66 I. Raum-zeitliche Übersichten

auch im Gewande der Signifikation der 5.2. Significatio, impositio, appellatio


Terme, wie sie aus der Beschäftigung mit pla-
tonischen Versatzstücken antiker Sprachent- ›Significatio‹ gilt nach dem Ausgeführten als
stehungslehre in Verbindung mit der Logica ein Wesensmerkmal des Terms selbst, als der
vetus erwachsen ist. Der unhintergehbare Grundbestandteil jeder Art seiner Bedeutung.
Kern dieser Doktrin, welche u. a. ›konserva- Diese ›significatio‹ eines Terms stützt sich in-
tive‹ Elemente der voraristotelischen Physei- haltlich auf seine ›impositio‹, d. h. die ur-
thesei-Kontroverse (s. Art. 62 ) weiterschleppt, sprünglich-erstmalige Einführung bzw. An-
ist der folgende: Die aktuelle Bedeutung ir- wendung des Terms. Eine einzige, d. h. ein-
gendeines Terms, d. h. seine Bedeutung in malige ›impositio‹ hat eine einzige, d. h. ein-
einem beliebigen Einzelfall seines Gebrau- deutige ›significatio‹ des betreffenden Terms
ches, gilt als prinzipiell auf eine postulierte zur Folge. Terme werden gewöhnlich und
Grundbedeutung (ϕύσει; ›significatio per se‹ selbstverständlich öfter als einmal verwendet;
bzw. später ›naturalis‹) rückführbar; diese erfolgen alle diese Verwendungen mit dersel-
Grundbedeutung erscheint als eine Wesensei- ben ›significatio‹, dann nennt man den Ge-
genschaft des Terms selbst, welche seine Na- brauch, aber auch den Term selbst ‘univok’.
tur bzw. seine Form (essentia; forma) aus- Univoken Termen stehen äquivoke gegen-
macht. Bei heuristischer Gegenüberstellung über, Terme, welche mehr als eine ›impositio‹
dieser zwei Elemente, hier theoriegeleitete zu verzeichnen haben/hatten, und die daher
Kontextanalyse, dort das Grunddogma der mannigfache ›significationes‹ in verschiede-
›naturgegebenen‹ ›significatio‹ von Termen, nen Einzelvorkommnissen besitzen bzw.
wird man wichtige Entwicklungsstufen in der haben können. Ein univoker Term weist also
Lehre von den ›proprietates terminorum‹ bis eine eindeutige einzige Signifikation auf, ob-
hin zur ›suppositio naturalis‹ als jeweils unter schon er bei Verwendung in unterschiedlichen
Propositionen für verschiedene Gegenstände
dem Übergewicht des einen oder des anderen stehen kann. Univoker Gebrauch von No-
Einflusses stehend rubrizieren dürfen. Ein er- mina wie ‘Lebewesen’ oder ‘Mensch’ schließt
ster Nebenertrag derartiger Bedeutungslehre das Stehen dieser Nomina für numerisch un-
ist die terministische Klassifikation in Terme, terscheidbare Individuen nicht nur nicht aus,
welche unabhängig und für sich allein Bedeu- dieses sich wandelnde Supponieren wird viel-
tung haben (›termini significativi‹ bzw. ›cate- mehr als eine Wirkung der sogenannten ›ap-
gorematici‹), und in solche, welche nur in pellatio(nes)‹ solcher Nomina angesehen. Als
Verbindung mit Termen der ersten Art etwas eine Folge daraus entwickeln die Terministen
bedeuten (›termini consignificativi‹ bzw. ›syn- eine prinzipielle Unterscheidung zwischen
categorematici‹). Nur die erstgenannten Ka- ›significatio‹ und ›appellatio‹ eines Terms, wie
tegoremata haben Bedeutung im eigentlichen sie uns in ähnlicher logisch-semantischer Um-
Sinne (significatio). Sieht man einmal von An- gebung schon bei Anselm (noch im 11. Jh.)
selm ab, so konzentriert sich die Sprachphi- begegnet. Sie ist um 1150 allgegenwärtig
losophie vor und in der terministischen Phase (Henry 1982 , 137 f; Libera 1982 , 174 ff; Spade
auf die Bedeutung des Nomens (nomen). Die 1982 , 188—196). Nicht erst die Terministen
entsprechende und auf Priscian zurückge- haben bemerkt, daß gewisse Terme, insbeson-
hende Definition lautet, das Nomen be- dere Gattungsnamen und andere Universa-
zeichne Substanz und Qualität in einem (sub- lien, auch für ihren Begriffsinhalt oder für
stantiam cum qualitate). ‘Substantia’ meint sich selbst als Wort supponieren können: (a)
hier nichts anderes als individuelle Gegen- ‘Mensch’ ist eine Spezies. (b) ‘Mensch’ ist ein
stände, ‘qualitas’ bezieht sich auf (allgemeine) Nomen. (c) ‘Mensch’ ist einsilbig. Hinzu tritt
Eigenschaften, in bzw. an welchen Individuen die Beobachtung, daß das Tempus des Ver-
partizipieren. Noch im 13. Jahrhundert ist bums der Proposition, in welcher ein Nomen
innerhalb von Logik und Grammatik die Auf- als Subjektterm verwendet wird, die aktuelle
fassung vorherrschend, daß eine ›substantia‹ Bedeutung dieses Nomens beeinflußt. In
ein Individuum, ›qualitas‹ aber (s)eine einem solchen Fall eines komplexen Analy-
Wesenseigenschaft ist, d. h. die Menge jener sandums mit variierenden ›significationes‹
Gegenstände benennt, zu der das Individuum und ›suppositiones‹ erscheint die ›appellatio‹
gehört. ›Substantia‹ wird auch zum eigentlich gewissermaßen als Anker der Terministen:
tauglichen Thema des philosophischen Dis- ›Appellatio‹ eines Terms heißt hier Benennung
kurses erklärt, es sei „id de quo sermo fit“ existierender Individuen durch das Nomen,
[das, worüber die gelehrte Disputation han- und zwar zunächst unabhängig davon, ob sie
deln soll] (de Rijk 1982, 163 f).
4.  Sprachphilosophie in der Scholastik 67

jetzt existieren, in der Vergangenheit existier- mens als Subjektterm von Standardproposi-
ten oder in Zukunft existieren werden. ›Ap- tionen, d. h. über die ›subiectio‹ appellativer
pellatio‹ erscheint in diesem sehr allgemeinen Nomina. In dieser Phase der Entfaltung mit
Kontext als zeitunabhängige (omnitemporale) Konzentration auf den Subjektterm von Pro-
Extension des Terms. In einem engeren Sinne positionen bzw. auf ›nomina appellativa‹ tre-
ist die Rede von der Appellation eines Terms ten zwar die verschiedenen ›suppositiones‹
aber mit einem präsentischen ‘est’ oder ‘sunt’ noch nicht mit ihren späteren Bezeichnungen
(oder mit einer derlei implizit enthaltenden auf, die ersten Anfänge aber der neuen Ter-
finiten Verbform) verbunden. So definiert minologie sind erkennbar. Den Abschluß die-
z. B. Wilhelm von Shyreswood ‘appellatio’ als ser Entwicklung terministischer Theorie bil-
die ›gegenwärtige‹, richtige Anwendung/Ver- det die Lehre von den ›suppositiones‹, wobei
wendung eines Terms. Innerhalb von Propo- die übrigen bereits definierten ›proprietates‹
sitionen kann aber aus verschiedensten Grün- (›ampliatio‹, ›appellatio‹, ›restrictio‹, ›signifi-
den die ›korrekte gegenwärtige‹ ›appellatio‹ catio per se‹, ›subiectio‹) der ›suppositio‹ un-
durch ›restrictio‹ [Beschränkung] oder durch tergeordnet werden. Jeder Gebrauch eines
›ampliatio‹ [Erweiterung] modifiziert werden; Terms wird nun durch die Theorie von der
dies kann z. B. durch ein futurisches Tempus ›suppositio‹ gedeckt bzw. erklärt. Es gibt voll-
des Verbums oder durch Worte wie ‘potest’ ständige Listen der Termini technici für die
geschehen, womit hier auch mögliche Indivi- verschiedenen ›suppositiones‹, ja die anony-
duen in die Extension einbezogen würden. men Introductiones Parisienses fassen die
Die erste und entscheidende Stufe in der Ent- ›suppositio‹ bereits in ›Anselmscher‹ Breite
wicklung der Lehre von den ›proprietates ter- auf, wenn sowohl Subjekt als auch Prädikat
minorum‹ ist die Betonung der ›appellatio‹, einer Proposition mittels ihrer ›suppositio‹
und nicht, noch nicht, der ›suppositio‹, welche analysiert werden. In diesem Entwicklungs-
später zum Charakteristikum terministischer prozeß spielen zunächst die Berücksichtigung,
Sprachtheorie wird. Bemerkenswert ist das dann die Betonung und grundsätzliche Ein-
Faktum, daß ›ampliatio‹ und ›restrictio‹ sich beziehung des Aussagenzusammenhanges in
in dieser Phase nur auf die ›appellatio‹ bezie- die Bedeutungsanalyse von Worten die ent-
hen, während sie doch in der voll entwickelten scheidende Rolle. Dieser kontextbezogene
Form der Lehre von den ›proprietates ter- Zugang wird schließlich so dominant, daß die
minorum‹ den ›Artenreichtum‹ der ›supposi- traditionellen Ausdrücke ‘nomen’ und ‘ver-
tiones‹ bestimmen. ›Appellatio‹ scheint sogar bum’ zugunsten des als eine ›pars orationis‹
einen Primat gegenüber der ›significatio‹ er- definierten ‘terminus’, welcher sowohl Sub-
reichen zu können, wie die bereits genannte jekt als auch Prädikat einer Proposition sein
Ars M eliduna anzunehmen nahelegt (de Rijk kann, in den Hintergrund treten. Wir haben
1982, 164 ff). es nun eben mit einer Theorie über ›proprie-
tates terminorum‹ zu tun. Aus dem bisher zu
5.3. Appellatio, subiectio, suppositio Anselm und wiederum in diesem Kapitel Aus-
geführten ergibt sich meines Erachtens klar,
Die zweite und nicht minder entscheidende daß bei wichtigen Gruppen der frühscholasti-
Phase in der Entwicklung der Lehre von den schen und terministischen Sprachphilosophen
›proprietates terminorum‹ ist die Erweiterung das Hauptinteresse dem extensionalen Bedeu-
und schließliche Überwindung der Lehre von tungsaspekt gewidmet ist, jedenfalls mehr In-
der ›appellatio‹ durch die komplexe Theorie teresse, als dem eher abstrakten Begriff der
von den ›suppositiones terminorum‹. Diese ›significatio‹ mit der betont ›intensionalen‹
durch die Bewegung weg vom Wort und hin Komponente. Was ein Term in primärer Hin-
zum Satz beförderte Entwicklung vollzieht sicht bedeutet oder meint, sind für diese Phi-
sich in zwei Schritten: (1) Ergänzung bzw. losophen individuelle konkrete Gegenstände,
Erweiterung der ›appellatio‹ durch ›subiectio‹; die er benennt; lediglich in sekundärer Weise
(2 ) Erweiterung und schließliche Überwin- ist auch das von Interesse, was diese Indivi-
dung der ›appellatio‹ durch ›suppositio‹. — duen gemeinsam haben und der Term eben-
Um solche Aussagen, wie ‘ ‘Lebewesen’ ist ein falls bedeutet bzw. bezeichnet. Diese Darstel-
Nomen’ oder ‘ ‘Lebewesen’ ist eine Gattung’, lung mit einem Übergewicht zugunsten des
mit einer betont appellativen (= extensiona- extensionalen Zuganges betont jedoch nur
len) Semantik in den Griff zu bekommen, eine, wenn auch sehr wichtige Entwicklungs-
bedurfte es einer Ausweitung der Lehre von linie der scholastischen Sprachtheorie; tat-
der ›appellatio‹ in eine allgemeinere Theorie sächlich indes krankt die gesamte Sprachphi-
über jeden möglichen Gebrauch eines No-
68 I. Raum-zeitliche Übersichten

losophie der scholastischen Periode — ana- 168 ff). Sofern ein Wort (vox) Signifikation
chronistisch gesprochen — an einer grund- (etwas durch Imposition) besitzt, wird es zu
sätzlichen, inneren Inkohärenz bezüglich der einem Term (terminus) im Sinne einer ›pars
Auffassung von Intension und Extension, i. e. orationis‹ und bezeichnet (significat) eine ›na-
an dem unauflöslichen Konflikt von Bedeu- tura/essentia universalis‹ [eine allgemeine Na-
tung als Bezug auf konkrete Individuen und tur/eine Wesenseigenschaft/ein Universale],
von Bedeutung als Bezeichnung des allgemei- welche(s) als sein eigentliches Signifikatum
nen Begriffsinhalts. Dieser Gegensatz geht angesehen wird. Eine derart ausgestattete vox
u. a. in die Lehre von der natürlichen Sup- erwirbt als terminus die ›natürliche‹ Fähigkeit
position ein. zur Supposition für alle wirklichen und mög-
lichen Individuen, welche unter das Univer-
5.4. Suppositio, significatio, sale fallen; genau diese Eigenschaft eines
suppositio naturalis Terms nennt Petrus Hispanus ‘suppositio na-
turalis’ [natürliche Supposition]. Diese sehr
Petrus Hispanus sagt in den Summulae logi- allgemeine natürliche ›Disposition‹ eines
cales (ca. 12 35), der Term ‘Mensch’ suppo- Terms verdankt sich ausschließlich seiner Sig-
niere natürlich, d. h. außerhalb und abgese- nifikation, d. h. sie ist die natürliche ›Fähig-
hen vom sprachlichen Kontext (per se sump- keit‹ oder Anlage, in einem signifikativen
tus), für alle Menschen, für jene, die jetzt Term innerhalb einer Proposition, aber auch
leben, für die bereits vergangenen und für alle ohne Kontext, für etwas zu supponieren.
zukünftigen Menschen. Dieser ›suppositio na- Diese natürliche Supposition ist verschiede-
turalis‹ von ‘Mensch’ steht eine ›suppositio nen Restriktionen gegenüber offen; eine sol-
accidentalis‹ gegenüber, welche durch den che Einschränkung kann durch Hinzufügung
Kontext der Verwendung innerhalb einer Pro- eines weiteren Terms geschehen, wie z. B. die
position entsteht. In ‘Homo est’ supponiert komplexe Verbindung ‘weißes Pferd’ eine ›re-
‘homo’ akzidentell z. B. für jetzt lebende strictio‹ der ›suppositio‹ von ‘Pferd’ bedeutet,
Menschen, in ‘Homo fuit’ für bereits vergan- oder wie jede Verwendung in einer Proposi-
gene, usf. in weiteren Beispielen akzidenteller tion durch Hinzufügung des Verbs eine Re-
Supposition. — In welcher Beziehung stehen striktion der natürlichen Supposition des
nun ›significatio‹ und ›suppositio naturalis‹ Subjektterms ergibt. Immer dann nun, wenn
eines Terms zueinander? Petrus Hispanus ver- in solchen Fällen eines aktuellen Zusammen-
wendet offensichtlich ‘significatio’ als allge- hanges vom Kontext abgesehen wird, d. h.
meinsten Begriff von Sinn und Bedeutung, da der Term für sich genommen wird, dann be-
die Signifikation eines Terms nach ihm zwei- sitzt der Term für Petrus Hispanus seine
erlei umfassen kann: (1) Die Benennung jener ganze, durch keine Beschränkung vermin-
konkreten Individuen, welche die Referenz- derte Extension: In unserem Beispiel sind dies
objekte des Terms sind, und (2 ) die Bezeich- alle Individuen der Spezies Pferd, gegenwär-
nung der allgemeinen Eigenschaft, welche ih- tig, vergangen und zukünftig. Das heißt aber,
nen gemeinsam ist. Für Petrus befaßt also daß für Petrus Hispanus ›suppositio naturalis‹
‘significatio’ sowohl Extension als auch In- das extensionale Gegenstück zu ›significatio‹
tension unter sich. Die Einbeziehung der ›sup- (im Sinne der ›impositio‹) ist. Die dominie-
positio naturalis‹ durch Petrus scheint daher rende Parallelität zur ›significatio‹ liegt darin,
prima facie die beiden ihm und der Tradition daß die natürliche Supposition eines Terms
zugehörigen Unterscheidungen ‘Extension- das Stehenkönnen für alle Individuen invol-
Intension’ und ‘significatio-suppositio’ zu ver- viert, welche Disposition ein signifikativer
wässern. Die Signifikation eines Terms (in Term von Natur aus besitzt; diese weitestmög-
dem ausgeführten, sehr allgemeinen Sinn) liche Extension des Terms wird durch das
stützt sich auf seine Imposition; Supposition Absehen vom tatsächlichen Kontext seines
eines Terms bedeutet aber die Annahme bzw. Vorkommens erreicht. Die Tatsache des Vor-
Verwendung dieses Terms als für-etwas-ste- liegens eines faktischen Zusammenhanges,
hend, wobei die Signifikation, sei sie eindeu- von welchem zum Zwecke der Analyse ab-
tig, sei sie mehrdeutig, bereits als gegeben gesehen wird, unterscheidet indes die natür-
vorausgesetzt ist. Eine sorgfältige Überprü- liche Supposition von der Signifikation, wel-
fung der relevanten Texte von Petrus Hispa- che ihrerseits als vor jedem sprachlichen Ge-
nus zeigt aber, daß ihm mittels seiner Deutung brauch oder Zusammenhang bereits gegeben
von ›suppositio naturalis‹ eine konsistente Er- gilt. Und doch darf man Petrus Hispanus
weiterung der terministischen Semantik ge- keine ›idealistische‹ Auffassung der ›supposi-
lungen ist (Libera 1982 , 177 f; de Rijk 1982 , tio naturalis‹ vorwerfen.
4.  Sprachphilosophie in der Scholastik 69

5.5. Materialistische versus idealistische spezifischen Modifikationen (z. B. innerhalb


Auffassung von Supposition und einer Proposition) resultieren kann. Einen
Appellation Grund für diesen Umstand sieht R. Bacon
darin, daß eines Wortes Imposition nur für
Petrus Hispanus ist indes Zeuge für die Fort- bzw. auf gegenwärtige Gegenstände gesche-
setzung der Gigantomachie zwischen ›Mate- hen kann. Es ist nicht überraschend, daß An-
rialismus‹ und ›Idealismus‹ in der Sprachphi- hänger dieser letzten Position wenig Interesse
losophie auch des 13. Jahrhunderts. In diesem an den Themen von Restriktion oder von
Zusammenhang sind die folgenden Begriffe ›idealistisch‹ verstandener De-se-Supposition
von größter Wichtigkeit für die Suppositions- bekunden. Und doch muß angemerkt werden,
lehre: ›ampliatio‹, ›restrictio‹, ›appellatio‹. Da- daß selbst die scharfsinnigsten unter den scho-
bei erscheint ›appellatio‹ als empirisch-exten- lastischen Sprachphilosophen dem vielver-
sionales Gegenstück zu einer ›idealistisch‹ ge- sprechenden Zugang über den sprachlichen
deuteten ›suppositio‹. Nach Petrus besteht die Kontext nicht zum ›erwarteten‹ Durchbruch
allgemeine(re) Auffassung unter den Philo- verholfen haben; vielmehr glaubt eine füh-
sophen darin, daß die Appellation eines rende Forschungsrichtung, daß diese Scho-
Terms nur realiter existierende Individuen lastiker den zielführenden Kontextzugang
zum Zeitpunkt der Äußerung der Proposition von der ständigen Gefahr der Zerstörung
betrifft, während die Supposition sich glei- durch die indirekte Voraussetzung einer na-
chermaßen und natürlicherweise auf existie- türlichen Priorität der Signifikation vor der
rende und nicht existierende Gegenstände be- Supposition nicht befreien konnten. Ein sich
zieht. Unter diesen Gegebenheiten muß die darauf beziehendes, hier nicht (mehr) für
Supposition durch Restriktion auf den Be- überzeugend gehaltenes Diktum der Cam-
reich der Appellation eingeengt werden, da bridge History of Later M edieval Philosophy
eine so verstandene Supposition einem Term konnte auch Wilhelm von Ockham nicht von
aus sich selbst heraus (de se) zugeschrieben einem entsprechenden Urteil ausnehmen:
wird. R. Bacon nun verteidigt die gegenteilige „They would have done a better job, if, instead of
Position: Ein Term steht von sich aus (de se) rejecting such notions as natural or simple suppo-
nur für gegenwärtig existierende Gegen- sition, they had abandoned their notion of signifi-
stände; immer dann, wenn ein Term für an- cation itself. The most critical logicians of the
dere Gegenstände supponiert, geschieht dies Middle Ages used a sharp knife, but amputated the
aufgrund einer kontextualen Modifikation wrong leg“ [Sie hätten bessere Arbeit geleistet,
wie z. B. Ampliation. Im Beispielsatz ‘Ein wenn sie anstelle der Widerlegung solcher Begriffe
Mensch läuft’ steht ‘Mensch’ für sich genom- wie natürliche oder einfache Supposition ihren eige-
men nur für gegenwärtig lebende Menschen, nen Begriff der Signifikation aufgegeben hätten.
welche Supposition auch durch das Prädikat Die scharfsinnigsten Logiker des Mittelalters be-
‘läuft’ nicht verändert wird. Wenn die Pro- nützten ein scharfes Messer, sie amputierten indes
position aber lautet ‘Ein Mensch läuft oder das falsche Bein] (de Rijk 1982, 173).
kann/wird laufen’, dann ist die Supposition
faktisch von wirklich lebenden bzw. wirklich
laufenden Menschen auf nicht existierende 6. Semantik der Terme versus
Menschen erweitert worden. Folglich, so be- Semantik der Propositionen
hauptet man dann, falle der eigentliche, durch
die Sprache selbst gegebene Bereich von Sup- ‘Terminus’ wird in der scholastischen Philo-
position mit dem der Appellation zusammen, sophie in mehrfachem Sinn verwendet; wenig-
womit es notwendig ist, die Supposition mit- stens drei dieser Bedeutungen sind hier wich-
tels Ampliation zu modifizieren, um über den tig: Einmal sind Subjekt und Prädikat in einer
Bereich der Appellation hinauszugelangen. kategorischen Standardaussage Terme, d. i.
Die Möglichkeit einer restriktiven Modifika- sie bilden die zwei ›Begrenzungspunkte‹ (=
tion durch das Verb im umgekehrten Sinne termini) der Proposition. In diesem Sinne
wird damit illusorisch. R. Bacon nimmt in können auch komplexe Phrasen Terme sein,
seinen Summulae ausdrücklich auf zwei Auf- wie z. B. sowohl das Subjekt als auch das
fassungen von Appellation Bezug, wird aber Prädikat in ‘Einzeln ausgesprochene Worte
nicht müde, jene Position zu verteidigen, daß sind Nomina, welche etwas bedeuten’, aber
ein Term de se nur für existierende Gegen- nur bestimmte Wortarten können für sich ge-
stände stehen kann, und daß folglich ein Sup- nommen als Terme auftreten: Substantiva,
ponieren für nicht existierende Dinge nur aus Adjektiva, Verba. In einem allgemeineren und
nicht durch die logische Enge von Standard-
70 I. Raum-zeitliche Übersichten

propositionen bestimmten Sinne kann jedes mentalen Termen bestehende mentale Spra-
beliebige Wort als Term betrachtet werden, che hielt man für eine alle Menschen umfas-
womit neben den genannten Kategoremata sende einheitliche Denksprache bzw. Begriffs-
andere kategorematische und vor allem syn- welt. Die verständlichen Teile dieser Theo-
kategorematische Terme einbezogen werden rie(n) fügten sich gut in die Lehre ein, Sprache
können. (Die dritte Bedeutung fußt auf einer diene der sozialen Verständigung, sie veran-
Dreiteilung in geschriebene, gesprochene und lasse andere Menschen, unsere Gedanken zu
mentale Termini, von der etwas später gehan- verstehen. Sie erklärten z. B. auch das Gelin-
delt wird.) Von den zwei Grundeigenschaften gen von Übersetzungen, welche sozusagen als
der Terme (in der scholastischen Semantik), die jeweilige Reduktion verschiedener ge-
Signifikation und Supposition, wird die Si- schriebener/gesprochener Sprachen auf die
gnifikation von vielen Scholastikern für eine eine mentale Sprache angesehen wurden. Sie
(zumindest teilweise) kausale Eigenschaft der führten indes in einen Gegensatz zur ›ge-
Terme selbst gehalten, und zwar aufgrund des wöhnlichen‹ Auffassung, sprachliche Imposi-
autoritativen Textes aus Aristoteles’ De inter- tion könne Terme mit beliebiger Bedeutung
pretatione (in der interpretierenden Überset- schaffen, um alle möglichen Themen zu er-
zung des Boethius): örtern, und nicht bloß eigene, in mentalen
„Ipsa quidem secundum se dicta nomina sunt et Aussagezusammenhängen vorgegebene Ge-
significant aliquid. Constituit enim qui dicit intel- danken.
lectum et qui audit quiescit“ [Worte selbst für sich
gesprochen sind eben Nomina und bezeichnen et- 6.1. Signifikation kategorematischer und
was. Wer (sie aus)spricht, erzeugt ein Verstehen, synkategorematischer Terme
und wer (sie) hört, hält untätig still] (caput 3).
Dieser Text führte zur weit verbreiteten Aus der Vielfalt an Theorien über die Signi-
Gleichung: Signifikation eines Terms = Ver- fikation synkategorematischer Terme seien
ursachung/Erzeugung seines Verstehens. Ein einige markante Positionen gestreift: Präpo-
Term ›bezeichnet‹ (significat) das, was er einen sitionen oder Konjunktionen, die wichtigeren
ihn hörenden Menschen denken/verstehen Synkategoremata, würden nicht bezeichnen
macht; die Signifikation eines Terms ist also (significare), sondern ›mitbezeichnen‹ (consi-
eine kausale Eigenschaft seiner selbst. Eben- gnificare; consignificatio), liest man schon bei
falls aufgrund aristotelisch-boethianischer Boethius; sie besitzen eine unbestimmte Si-
Autorität, bestärkt durch Augustin, hielt man gnifikation, während die Kategoremata be-
an drei Gattungen von Termen sowie drei stimmt bezeichnen (Abaelard); sie bezeichnen
Arten von Sprachen fest: Geschriebene, ge- überhaupt nicht, sie bestimmen nur die Wahr-
sprochene und mentale Terme bzw. Sprache. heitsbedingungen von Propositionen (Ock-
Mentale Terme oder Begriffe sind zwar die ham); sie bezeichnen mentale Einstellungen
eigentlichen, naturgegebenen Terme und be- bzw. verursachen ein Verstehen, wenn auch
sitzen eine natürliche Signifikation; gespro- nicht ein Verstehen von etwas (Augustin; An-
chene Terme aber werden für diese Begriffe selm); sie bezeichnen lediglich sekundär oder
konventional (ad placitum), d. i. aufgrund mittelbar, sie konnotieren; usw. usf. Konno-
einer willkürlichen sprachlichen Setzung ver- tation sah man auch bei kategorematischen
wendet; geschriebene Terme stehen in dersel- Termen wie ‘Blindheit’ oder ‘Ungerechtigkeit’
ben konventionalen Beziehung zu den gespro- gegeben, da diese indirekt (per aliud) den
chenen. Diese vermeintliche Doktrin des Boe- Verstehenden von Gerechtigkeit und Recht
thius ist alles andere als klar. Mancherlei bzw. von Sehkraft und Gesicht denken ma-
Scholastiker hielten des weiteren diese kom- chen, woraus man schloß, daß ‘Blindheit’
plexe Beziehung selbst für eine semantisch- auch, wenn auch uneigentlich oder bloß mit-
signifikative Relation, d. h. sie glaubten, ge- telbar, Sehen mit-bezeichnet, sowie ‘Unge-
schriebene Terme (wie auch Propositionen; rechtigkeit’ Recht und Gerechtigkeit; An-
dazu s. u.) bezeichneten (significant) gespro- selms Analysen von ‘nihil’ und ‘aliquid’ fallen
chene Terme, und diese gesprochenen Terme unter dieses Thema konnotativer Signifika-
hätten als ihre Signifikation mentale Terme, tion.
was immer dies heißen soll. Durch diese
Quasi-Transitivität der Signifikation bildeten 6.2. Suppositionstheorie;
manche von ihnen die weitere Ansicht aus, Arten der Supposition
gesprochene und insbesondere geschriebene Supposition ist eine Eigenschaft ausschließ-
Terme bezeichneten lediglich mittelbar, wäh- lich kategorematischer Terme im strengen
rend den mentalen Termen eine ›letzte, un- Sinne des propositionalen Kontextes, d. h.
mittelbare Signifikation‹ zueigen sei. Die aus
4.  Sprachphilosophie in der Scholastik 71

eine Eigenschaft von Subjekts- und Prädikats- Nominalisten im nicht-persönlichen Vor-


term(en). Die Suppositionstheorie selbst zer- kommnis von ‘Mensch’ in ‘ ‘Mensch’ ist eine
fällt in zwei relativ selbständige Teile, (1) in Spezies’ gegeben. Damit sind auch schon die
die eigentliche, allgemeine Lehre von den drei Grundrelationen semantischer Betrach-
›suppositiones‹ als ein extensionales Gegen- tung genannt: Personale, einfache und mate-
stück zur ›significatio terminorum‹, (2 ) in die riale Supposition. Diese werden nun regel-
besondere Theorie von den verschiedenen Ar- mäßig von gegensätzlichen bzw. komplemen-
ten bzw. Modi der ›suppositio personalis‹. Die tären Suppositionen abgehoben, so daß es zur
allgemeine Suppositionstheorie ist eine Refe- Bildung von Paaren kommt (Enders 1975,
renztheorie für Terme; im gewöhnlichen Dis- 81—86): In der materialen Supposition steht
kurs supponieren diese ›Endpunkte‹ einer ein Term für sein eigenes Laut- bzw. Schrift-
Proposition für jedes einzelne Ding, von wel- gebilde, in einfacher Supposition für ein Uni-
chem sie zutreffend prädiziert werden kön- versale, d. i. je nach ontologischer Position
nen, d. h. sie stehen in allen Fällen wahrer eine mentale oder extramentale Entität; in der
Prädikation für etwas durch sie Benanntes. persönlichen steht der Term für das, worauf
In diesen Fällen der Benennung außersprach- er zutrifft, d. i. je nach semantischer Position
licher Gegenstände heißt ihre Supposition die signifikative Verwendung oder nicht; die
persönlich [personalis]. Aber es gibt auch an- diskrete personale Supposition ist die der sin-
dere Kontexte und andere Formen von Prä- gulären Terme, die allgemeine die der gene-
dikation. So hat man metaphorischen oder rellen Terme; die konfuse allgemeine Suppo-
poetischen Gebrauch als uneigentliche Sup- sition liegt vor im allgemeinen Satz, die de-
position (impropria) klassifiziert. Andere Ver- terminierte im partikulären. Petrus Hispanus,
wendung wiederum wurde zwar als eigentlich, Wilhelm von Shyreswood, Walter Burley,
aber nicht persönlich rubriziert, wie z. B. ›sup- Wilhelm von Ockham, Albert von Sachsen
positio materialis‹ und ›suppositio simplex‹. und viele andere Scholastiker treffen diese
Materiale Supposition liegt vor, wenn ein Unterscheidungen, sie unterscheiden sich aber
Term in nicht-persönlicher Supposition für ihrerseits untereinander stark in den Unter-
einen geschriebenen oder gesprochenen Aus- und Überordnungen der Paare, welche z. B.
druck supponiert, z. B. ‘Mensch’ in ‘ ‘Mensch’ bei Wilhelm von Ockham folgendes Aussse-
ist einsilbig’. Einfache (simplex) Supposition hen haben:
sahen sowohl Universalienrealisten als auch

Abb. 4.1: Ockhams Suppositionsbaum

6.3. Terme und Propositionen Proposition, eine Rede (gr. λόγος; 16 b 2 6),


die dazu verwendet wird, etwas Wahres oder
Für eine getrennte semantische Analyse von etwas Falsches auszudrücken bzw. mitzuteilen
Termen und Propositionen konnte man eben- (oratio verum falsumve significans). Der la-
falls auf die Autorität des Aristoteles zurück- teinische Fachterm ‘propositio’ meint (seit
greifen, der in Categoriae (caput 2 ; 1 a 16— Apuleius) einen Aussagesatz als Satz, und
19) und in De interpretatione (caput 4—5; nicht das, was eine solche Aussage ausdrückt
16 b 2 6—17 a 2 4) die Propositionen gegenüber bzw. bedeutet. Weiters sind sich die schola-
›unverbundenen‹ Nomina und Verba (incom- stischen Philosophen über den Unterschied
plexa) dadurch kennzeichnet, daß jene wahr einig, der zwischen einer ›propositio/comple-
oder falsch sind, während auf diese die Be- xio/ἀπόϕασις‹ im Sinne einer bloßen Prädi-
griffe von Wahrheit und Falschheit nicht ohne kation und einer solchen Prädikation mit
›Verknüpfung‹ (συμπλοκή; σύνδεσμος) an- Wahrheitsanspruch besteht, sie unterscheiden
gewandt werden können. Durch eine solche also gewöhnlich zwischen (prädikativer bzw.
einheits- und wahrheitsstiftende Verbindung oft bloß mentaler, nicht assertorischer) Aus-
(lat. complexio) von Termen entsteht eine sage und Behauptung. Wie bei der Bedeu-
tungsanalyse der Terme stellt sich auch hier
72 I. Raum-zeitliche Übersichten

bei den Propositionen die Frage nach der dieses Etwas, welches einem Urteil(en) oder
semantisch-ontologischen Beziehung menta- einem Behaupten als rechtfertigende Grund-
ler Propositionen zu ihren geschriebenen und lage dient? Mit Aristoteles (12 b 9—15) mußte
gesprochenen Surrogaten. Diese Frage mün- man ja ein solches Etwas für wahre, aber auch
det in jene nach der Bedeutung deklarativer für falsche Propositionen ansetzen, womit es
Propositionen aller drei Arten, erfährt jedoch — das ›negative‹ Etwas zumindest — eine
eine klare, ja einfache Antwort: In Anlehnung Mittelstellung zwischen dem Akt des Urtei-
an die Anfangsbestimmungen von De inter- lens oder Behauptens für sich und der äußeren
pretatione (16 a 3—18) und in Übereinstim- Wirklichkeit einnehmen muß. Beschränkt
mung mit Boethius lehrt man zunächst, ge- man sich auf positive bzw. wahre Urteile oder
schriebene Propositionen seien konventionale Behauptungen, so stellt sich die Doppelfrage,
Zeichen für gesprochene, und diese seien kon- was ihnen denn in der aktuellen Welt ent-
ventionale Zeichen für mentale Propositio- spricht, und welchen Rang oder welchen Platz
nen, bzw. sie bezeichneten mentale Akte sie selbst in der wirklichen Welt einnehmen?
(παθήματα τῆς ψυχῆς; 16 a 6—7). Später lehrt Weiters stellen sich hier die Fragen nach den
Ockham z. B., alle drei Arten von Propositio- eigentlichen Trägern von Wahrheit und
nen hätten zwar dasselbe Signifikatum, aber Falschheit und nach der Natur der realen
mentale Propositionen bezeichneten es auf Relata logischer oder semantischer Beziehun-
natürliche und direkte Weise, während die gen überhaupt. Für den mittelalterlichen Ari-
anderen konventionale Zeichen dafür seien. stotelesinterpreten läßt sich dieser Komplex
Mentale Propositionen erscheinen dabei als auf die Frage nach der Natur jenes Etwas
bejahende oder verneinende intentionale (πρᾶγμα) reduzieren, von dem die Katego-
Akte, welche in einer einenden Verbindung rienschrift mehrfach spricht:
(λόγος συνδέσμῳ εἷς; De int. 17 a 9) des Prä- „τῷ γὰρ τὸ πρᾶγμα εἶναι ἢ μὴ εἶναι, τούτὼ καὶ ὁ
dikates mit dem Subjekt bestehen, wobei im λόγος ἀληθὴς ἢ ψευδὴς εἶναι λέγεται ... [Denn
Falle einer Behauptung gedacht wird, was darum, weil dies (andere) Etwas ist oder nicht ist,
bzw. wie es tatsächlich ist. Diese mentalen wird auch die (mentale) Proposition als wahr oder
›Moleküle‹ nun sollen ihre Signifikata auf na- falsch bewertet ...]“ (4 b 8—10). „ἒστι δὲ ὁ μὲν
türliche Weise bezeichnen. Was aber ist über- ἀληθὴς λόγος οὐδαμῶς αἴτιος τοῦ εἶναι τὸ
haupt das Signifikatum einer (mentalen) Pro- πρᾶγμα, τὸ μέντοι πρᾶγμα ϕαίνεταί πως αἴτιον
position? τοῦ εἶναι ἀληθῆ τὸν λόγον˙ τῷ γαρ εἶναι τὸ
πρᾶγμα ἢ μὴ ἀληθὴς ὁ λόγος ἢ ψευδὴς λέγεται.
6.4. Signifikata mentaler Propositionen [Nun ist aber die wahre Proposition gewiß nicht
Grund dafür, daß das Etwas ist; vielmehr erscheint
‘Significare/significatio’ ist im Kontext inten- dies Etwas geradezu (πως) als der Grund dafür,
tionaler Akte mindestens doppeldeutig. Zum daß die Proposition wahr ist. Denn insofern dies
einen verwendet man es zur Bezugnahme auf Etwas ist oder nicht ist, wird die Proposition wahr
denkende bzw. sprechende Subjekte, welche oder falsch genannt.]” (14 b 18—22)
einen Glauben oder eine Ansicht sprachlich Die wichtigsten, unter den bisher aus dem
ausdrücken, wobei ‘significare’ hier dann be- überfließenden Quellenmaterial erhobenen
deutungsverwandt mit ‘proponere’, ‘enun- Antworten lassen sich unter drei Überschrif-
tiare’ oder ‘dicere’ ist; das so Geäußerte ist ten zusammenfassen: Dictum-, Res- und
eben ›dictum‹, ›enuntiabile‹ oder ›significa- Complexum-Theorie.
tum‹ oder dergleichen. Zum andern bedeutet
‘significare’ nach dem Verständnis des Den- 6.5. Dictum versus res
kens als eines nach außen stummen, ›inneren‹
oder mentalen Sprechens die Gegenstände der An der Unterscheidung zwischen einer ›pro-
rein mentalen Akte des Urteilens, Glaubens positio/complexio‹ im Sinne einer bloß be-
oder Wissens; die Frage erweitert sich zur hauptbaren Prädikation und einer solchen
Fragestellung nach dem adäquaten Signifi- Prädikation als einem behauptenden Akt mit
katum mentaler Propositionen im Gegensatz Wahrheitsanspruch hält zum Beispiel Abae-
zu den (als problemlos angesehenen) Signifi- lard fest; er stellt also (prädikative, nicht as-
katen gesprochener oder geschriebener Pro- sertorische) Aussagen und Behauptungen
positionen. Was ist das eigentliche Objekt neben- bzw. gegeneinander: Um eine ›pro-
eines Urteilsaktes oder einer mentalen Be- positio‹ vom bloß assertiblen in den asserto-
hauptung? Oder in den Worten des Aristoteles rischen Modus überzuführen, bedarf es eines
(Cat. 10; 12 b 15) gefragt: Was ist dieses Etwas mittels finiten Verbums erhobenen An-
(τὸ ὑϕ’ ἑκάτερον πρᾶγμα), was ist das Wesen spruchs, daß die in der Proposition ausge-
drückte (enuntiabile; dictum) Verknüpfung
4.  Sprachphilosophie in der Scholastik 73

(von Subjekt und Prädikat) tatsächlich der kein ›dictum‹. Gegen die Res-Theorie konnte
Fall ist. Das ›enuntiabile‹, bzw. das als fak- man wiederum aus dem Wahrheitsanspruch
tisch vorliegend Behauptete, betrifft als sol- des Gläubigen bezüglich seines Glaubens Ka-
ches zwar Gegenstände der Dingwelt und pital schlagen: Der Inhalt jedes Glaubensan-
nicht etwa Worte oder Gedanken, ist aber spruches ist als Gegenstand eines Glaubens-
selbst nicht ein Gegenstand von der Art, wie aktes entweder wahr oder falsch, tertium non
sie von Nomina benannt werden. Ein ›enun- datur. Die Begriffe von Wahrheit und Falsch-
tiabile‹ oder ›significatum propositionis‹ er- heit sind aber nur auf durch Propositionen
scheint vielmehr als eine bestimmte Sachlage, Ausgesagtes anwendbar, d. h. Wahrheit und
d. h. als die Art und Weise, in welcher die Falschheit betreffende Urteile setzen die ent-
durch Subjekt- und Prädikatterm benannten sprechende ›complexio‹ (σύνδεσμος) von
Dinge aufeinander bezogen sind (rerum mo- Subjekt und Prädikat voraus. Der Gegen-
dus habendi se). Das ›significatum proposi- stand menschlichen Glaubens, welcher im Be-
tionis‹ fällt daher nicht unter die Kategorie deutungsfeld einer ›propositio‹ gesehen wird,
individueller Gegenstände, es ist etwas Kom- ist demnach ein ›complexum‹. Gibt man dies
plex(er)es, das (im Lateinischen) durch Aus- zu, so kommt hier — vereinfachend gespro-
drücke in der sächlichen, dritten Person (sic chen — ein subjektives Moment herein; ob-
est; contingit) mit nachfolgender Infinitivkon- gleich die theologischen Fakten von Gottes
struktion (AcI) ausgedrückt werde(n kann). wahrer Einfachheit und z. B. von Christi wah-
Darum nennt Abaelard derartige ›enuntiabi- rer Geburt als eines Menschen vom wahr-
lia‹ bevorzugt ‘dicta’ und hält sie für Wahr- heitssuchenden Gläubigen unabhängige ›Sa-
heitsträger schlechthin; verglichen mit den chen‹ (πράγματα; res) sind, erscheinen die ent-
›dicta‹ sind gesprochene, geschriebene, aber sprechenden Behauptungen des Glaubenden
auch mentale Propositionen lediglich in einem als sekundäre Menschengebilde. Während
abgeleiteten Sinne wahr oder falsch. Ein Bonaventura die theologisch striktere Res-
wahrheitswertfähiges ›dictum‹ muß demnach Auffassung durchzuhalten versucht, sieht sein
neben (dem Akt) der Behauptung und außer- Zeitgenosse Thomas Aquinas eine Möglich-
halb der wirklichen Dingwelt ein ontologi- keit, beide Theorien zu vereinen: Vom Stand-
sches Drittes sein, über dessen Natur wir aber punkt des Glaubenden aus kann die Comple-
von Abaelard, sieht man vom nachdrückli- xum-Theorie, vom Gesichtspunkt des Ge-
chen Hinweis auf das Nicht-Ding-Sein ab, in glaubten her die Res-Auffassung Wahrheit
einem Dunkel belassen werden. Der bald weit beanspruchen. Thomas ist mit diesem Kom-
verbreiteten Dictum-Theorie aus dem 12 . Jh. promißvorschlag ein beredtes Zeugnis für das
wird im 13. Jh. — offensichtlich aus theolo- Nebeneinander von Dictum-, Res- und Com-
gischen Gründen — eine Res-Theorie an die plexum-Auffassung, welche in Abaelards Zeit
Seite gestellt: Was ist der unveränderlich und unmittelbar danach noch nicht in dem
gleichbleibende Gegenstand eines beliebigen exklusiven Wettstreit liegen, wie ihn das 14.
Artikels des Glaubens? Die hochtheologisch Jh. voraussetzt.
begründete und bevorzugte Antwort lautet:
Gegenstand z. B. des Glaubens, Gott sei 6.6. Complexe significabile
höchst einfach, ist und bleibt durch alle
Sprachvariation hindurch ein ›aristotelisches Der frühscholastischen Dictum-Deutung
Etwas‹ (πρᾶγμα; res), hier der einfache Gott, kommt Gregor von Rimini (ca. 1300—1358)
welches jedenfalls kein ›complexum‹, wie eine mit seiner Lehre vom ›complexe significabile‹
›propositio/complexio‹ sie darstellt, sein sehr nahe. Der in Wien verstorbene Gregor
kann, und also ein incomplexum, eine einfa- steht jedoch aufgrund der derzeitigen For-
che res, ist. Zur Stützung dieser orthodoxen schungslage im Schatten von Adam Wode-
Ansicht konnte man anführen, daß der Gläu- ham (ca. 12 98—1358) und dem ein wenig
bige während seines irdischen Lebens densel- älteren Wilhelm Crathorn, deren darauf be-
ben Glaubensgegenstand, i. e. Gottes Ein- zügliche Theorie-Stücke gerade erst erforscht
fachheit, anzielt bzw. trifft, welchen er in der werden. Betrachten wir Gregors Analyse von
jenseitigen ›visio beatifica‹ durch einen ein- Akten des Zustimmens bzw. des Wissens; Ge-
fachen und vollkommen klaren ›intuitus‹ genstand solchen mentalen ›Tuns‹ ist nicht
schauen werde; eine derartige, klarste Intui- eine res der Dingwelt, auch nicht ein ›com-
tion ist aber weder zusammengesetzt, also plexum‹ im Sinne der Complexum-Theorie,
kein ›complexum‹, noch durch irgendeine sondern das, wovon eine ›propositio mentalis‹
›Prädikation‹ qualifiziert oder bestimmt, also ein natürliches Zeichen ist, etwas, das nur
durch eine ›propositio‹ als ›complexio‹ zweier
74 I. Raum-zeitliche Übersichten

Terme, niemals durch einen alleinstehenden türlichen‹ Ausnahme der rationalen Theolo-
Term oder eine Anhäufung von Termen ohne gie ab. — Als Renaissance und Humanismus
assertive Verknüpfung bezeichnet wird; ein zu ihrem Kampf gegen die mittelalterliche
derartiges natürliches ›significatum proposi- Scholastik antraten, richteten sich viele der
tionis‹ nennt er ‘complexe significabile’ (oder: schärfsten Attacken gegen die Logik, die lin-
‘complexe enuntiabile’). Bei der Erläuterung guistischen Theorien und die darin begrün-
des ontologischen Status der ›complexe si- deten neuen Lehrmethoden. Es sind die da-
gnificabilia‹ greift Gregor auf eine dreifache mals mitverschütteten Schätze, die es heute
Bedeutung von ‘aliquid’ und ‘res’ zurück, wo- zu bergen gilt. Obschon die letzten Dezennien
bei es ihm gelingt, die autoritative Äußerung große Fortschritte bezüglich wichtiger Editio-
des Aristoteles bezüglich πρᾶγμα (res; ›etwas‹) nen, Übersetzungen und Handbücher ge-
miteinzubeziehen: Ein ›complexe significabile‹ bracht haben, liegt dennoch der Großteil re-
ist kein Etwas (aliquid; res; πρᾶγμα) im Sinne levanter Texte in unüberschaubaren Mengen
der durch kategorematische Terme benannten von Handschriften verborgen. Erst wenige
Substanzen; es ist aber ein Etwas in dem Monographien, die über Einzelfragen oder
Sinne, in welchem Aristoteles von ihm sagt, individuelle Figuren hinausgehen, liegen vor,
daß dieses Etwas einer Behauptung zugrun- d. h. wir stehen an einem Beginn; gerade im
deliegt, welche genau deswegen wahr ist, weil Bereich der früh- und hochscholastischen
dies Etwas (der Fall) ist; und es ist weiters ein Sprachphilosophie wird man künftiger For-
wirkliches Etwas bzw. etwas Wirkliches (res), schung ausreichend Zeit und Mittel einräu-
insofern im Falle einer wahren Proposition men müssen.
das durch sie bezeichnete ›complexe signifi-
cabile‹ wirklich ist, d. h. ein Teil der Welt, wie
sie ist. Die ›complexe significabilia‹ Gregors 8. Literatur in Auswahl
sind also entweder (a) Tatsachen, oder (b) Adams 1987, William Ockham, 2 Bde.
Sachverhalte, aber niemals (c) Dinge im engen
Sinne der Substanz-Akzidenz-Ontologie. Ashworth 1978, The Tradition of M edieval Logic
Trotz eines sich gleich erhebenden Widerstan- and Speculative Grammar from Anselm to the End
des gegen Gregor (z. B. durch Buridan) bleibt of the Seventeenth Century: A Bibliography from
seine Terminologie, welche noch im 16. Jh. 1836 Onwards.
(in Paris) in Gebrauch ist, im Schwange. Gemeinsam mit Koerner (1980) und Kretzmann
(1982 ) faktisch vollständige Bibliographie von pu-
blizierten Quellen und Sekundärliteratur.
7. Zusammenfassung, Überblick, Barnes 1981, Boethius and the study of logic, in
Ausblick Boethius. His Life, Thought and Influence.
Zu 4.2.
Mit Rücksicht auf die in eigenen Artikeln Biard 1989, Logique et théorie du signe au xive siècle.
ausführlich behandelten Philosophen und Zu 5.—6.; monographische Darstellung der
philosophischen Positionen im für die latei- Sprachlogik ausgewählter, Autoren des 14. Jhs.
nische Scholastik einschlägigen Umkreis sind Bursill-Hall 1971, Speculative Grammars of the
hier neben einer allgemeinen Übersicht vor M iddle Ages. The Doctrine of Partes Orationis of
allem Boethius, Anselm, Petrus Hispanus und the Modistae.
Gregor von Rimini etwas ausführlicher be- Zu 6.
handelt worden. Die Fragestellungen des Uni-
Covington 1984, Syntactic Theory in the High
versalienstreites (s. Art. 61) sowie die Physei-
M iddle Ages. M odistic M odels of Sentence Struc-
thesei-Kontroverse (s. Art. 62 ) konnten eben-
ture.
falls unberücksichtigt bleiben, so daß haupt-
Zu 6.; ausgezeichnete Darstellung der syntaktischen
sächlich die frühscholastische Vorbereitung
Theorien der Modisten.
und einige wesentliche Züge der sich daraus
entwickelnden hochscholastischen Sprachtheo- Ebbesen 1982 , Ancient scholastic logic as the
rien in ihrer Einbettung ins Trivium zur Dar- source of medieval scholastic logic, in The Cam-
stellung gelangen. Gerade hierin, d. h. in der bridge History of Later M edieval Philosophy.
Logik in ihrem weiten scholastischen Feld Zu 3.
samt Sprachanalyse, Bedeutungslehre und Gál 1977, Adam of Wodeham’s question on the
grammatisch-linguistischer Theorie, hat die ‘complexe significabile’ as the immediate object of
Scholastik größere Fortschritte als in allen scientific knowledge, in Franciscan Studies 37.
anderen Disziplinen der mittelalterlichen Uni- Zu 6.6.; belegt die Abhängigkeit Gregors von Wo-
versität verzeichnet — sieht man von der ›na- deham.
5.  Indian philosophy of language 75

Gombocz 1983, Anselm über Sinn und Bedeutung, Nuchelmans 1980, Late-Scholastic and Humanist
in Anselm Studies. An Occasional Journal 1. Theories of the Proposition.
Zu 4.4.—4.7. Nuchelmans 1982 , The semantics of propositions,
Grabmann 192 6 b, Die Entwicklung der mittelal- in The Cambridge History of Later M edieval Phi-
terlichen Sprachlogik (Tractatus de modis signifi- losophy.
candi), in M ittelalterliches Geistesleben. Abhandlun- Zu 6.
gen zur Geschichte der Scholastik und M ystik Bd. Panaccio 1990, Supposition naturelle et significa-
1, [1922]. tion occamiste, in De Ortu Grammaticae, Bursill-
Zu 5. Hall/Ebbesen/Koerner (Hg.).
Henry 1982 , Predicables and categories, in The Zu 5.5.; u. a. gegen de Rijk.
Cambridge History of Later M edieval Philosophy. Perler 1990, Satztheorien. Texte zur Sprachphilo-
Zu 4.1.—4.3. sophie und Wissenschaftstheorie im 14. Jahrhundert.
Hopkins/Richardson (Hg.) 1976, Anselm of Can- Pinborg 1967, Die Entwicklung der Sprachtheorie
terbury, Bd. 2, Philosophical Fragments. im Mittelalter.
Koerner 1980, Medieval linguistic thought: A com- Pinborg 1972 , Logik und Semantik im M ittelalter.
prehensive bibliography, in Studies in M edieval Lin- Ein Überblick.
guistic Thought Dedicated to Geoffrey L. Bursill- Pinborg 1984, M edieval Semantics. Selected Studies
Hall. on Medieval Logic and Grammar.
Kretzmann/Kenny/Pinborg/Stump (Hg.) 1982 , The de Rijk 1982 , The origins of the theory of the
Cambridge History of Later M edieval Philosophy properties of terms, in The Cambridge History of
from the Rediscovery of Aristotle to the Desintegra- Later Medieval Philosophy.
tion of Scholasticism 1100—1600. Zu 5.
Trotz beachtlicher Mängel und Lücken eine aus- Schmitt (Hg.) 1936, Ein neues unvollendetes Werk
gezeichnete Darstellung nach thematischen Zusam- des Hl. Anselm von Canterbury.
menhängen; bes. zu 5. und 6. Spade 1982 , The semantics of terms, in The Cam-
Lewry 1981, Boethian logic in the medieval west, bridge History of Later M edieval Philosophy.
in Boethius. His Life, Thought and Influence. Zu 5.2.—5.4.
Zu 4. Tachau 1987, Wodeham, Crathorn and Holcot: The
Marenbon 1981, From the Circle of Alcuin to the development of the complexe significabile, in Logos
School of Auxerre. Logic, Theology and Philosophy and Pragma, de Rijk/Braakhuis (Hg.).
in the Early Middle Ages. Zu 6.6.
Konzise Darstellung zur Kategorien- und Univer- Tachau 1988, Vision and Certitude in the Age of
salienlehre von Vor- und Frühscholastik. Ockham.
Nuchelmans 1973, Theories of the Proposition.
Wolfgang L. Gombocz, Graz (Österreich)

5. Indian philosophy of language

1. Introduction impossible without language and hence by


2. Grammar and linguistic studies analysing language, we can analyse thought.
3. Classification of words Our thoughts are communicable by means of
4. Primary and non-primary meanings of a language. This is not an accidental connec-
word: Metaphor tion. We use language to communicate
5. Kāraka as a set of unique categories of the thoughts, because we have an implicit under-
philosophy of Sanskrit grammar standing of how our language works. These
6. Knowledge from linguistic utterance principles governing the use of language are
7. Selected references shared though implicitly by all the language-
users. One modern philosopher, Michael
Dummett (*192 5), who firmly believes that
1. Introduction the philosophy of language is “the base of the
Human language is a very complex phenom- entire structure” (Dummett 1980, 442 ) we call
enon. But its supreme relevance lies in the ‘philosophy’, argues that there is a very gen-
recognition of the fact that thinking is almost eral aspect of our concern with language and
this concern is with the fundamental outlines
76 I. Raum-zeitliche Übersichten

of an account of how language functions — philosophy of language. As the list of topics


it is in this sense that the philosophy of lan- is rather vast, it would be difficult to prepare
guage is to be regarded as the foundation of an exhaustive account. We shall aim at limited
all the rest in philosophy. This over-all con- comprehensiveness, focussing our attention
cern with how our language works was not upon certain particular issues.
the chief concern of most classical Indian ‘Śabda’ in this writing will be often trans-
philosophers except the Grammarians like lated as ‘language’ unless the context de-
Bhartṛhari (ca. 450—510) (s. art. 17). Thus mands that it be translated as ‘linguistic ut-
with Bhartṛhari and all post-Bhartṛhari terance’, that is, ‘word-instance’ and ‘sen-
Grammarians, language acquired a meta- tence-instance’. But often ‘linguistic expres-
physical importance. Although Bhartṛhari sion’ would be a good translation, that is
sometimes asked similar questions as post- ‘śabda’ would mean ‘words and sentences’. A
Fregean philosophers did, what he supplied piece of knowledge derived from the linguistic
as answers would not engage the attention of utterance (the hearer’s knowledge) is ac-
modern analytical philosophers. Hence we corded (by all philosophers except the Vaiśe-
must conclude that the basic attitude was very ṣikas and the Buddhists) a special status side
different. by side with perception and inference. It is
When we talk about Indian philosophy of not subsumed under perception (pratyakṣa),
language we must take a slightly different nor under inference (anumāna) either. When,
approach. In a specific sense, the philosophy for example, my father tells me that his grand-
of language was part of the Indian philo- father (whom I did not see) was six feet tall
sophical activity from the beginning of its my knowledge derived from his statement is
history. One reason was to recognize the unique in the sense that it is neither percep-
Scripture’s (Veda’s) authority in certain areas tually obtained (my father cannot transmit
of our belief system. The Indians do not al- his ›perception‹ to me) nor inferentially ar-
ways talk about ›revelation‹ in the way it is rived at on the basis of a ›mark‹ or an evi-
understood in the Judaeo-Christian tradition. dence (which must be known to be concom-
The Scriptures were regarded by the tradition itant with what I infer). But my father’s words
as embodying certain truths derived from the themselves coupled with my implicit trust in
supposedly ›revealed‹ insights of the sages him generates the required knowledge in me
called ‘seers’ (ṛṣi). The ›Veda‹ means thus a (that my great-grandfather was six-feet tall).
body of knowledge, in fact, a source or Vātsyāyana (ca. 350—42 5) cites as examples
›means‹ of knowledge called ‘verbal testi- scriptural statements about heaven etc. im-
mony’ (śabda), insofar as it is a text. There parting knowledge about such facts (Nyāya-
are other sources of knowledge, like percep- sūtra 2.1.52).
tion and inference, but concern about verbal
testimony has led to the general inquiry about
how a word or a sentence, imparts knowledge 2. Grammar and linguistic studies
to the hearer. Therefore, what we call the
philosophy of language in India has always 2.1. Setup of grammar
formed a part of the classical philosophers’
general epistemological inquiry, the ›pra- The traditional name for grammar or linguis-
māṇa-śāstra‹, or theory of knowledge. tics is ‘vyākaraṇa’. Its foremost author of
In particular, however, analysis of sen- great importance was Pāṇini (ca. 400 B. C.).
tences and words into significant components, There were, to be sure, a number of pre-
the relationship between word and meaning, Pāṇinian Sanskrit grammarians, but Pāṇini’s
classification of words according to semantic glory eclipsed that of all others. Linguistics
contribution, division of words in reference and along with it the philosophy of language,
to the division of ontological categories, log- developed in India since fifth century B. C.
ical and psychological factors for knowing although not much is known about them in
the meaning of a sentence, philosophical sig- the early centuries except the work of three
nificance of grammatical analysis, and prin- grammarians, Pāṇini, followed by Kātyāyana
ciples of linguistics — all these have been (ca. 2 50 B. C.) and Patañjali (ca. 150 B. C.) as
repeatedly discussed by philosophers over the well as that of the etymologists such as Yāska
centuries. This discussion constitutes the vast (ca. 5th century B. C.).
amount of writing which we can very profit- Vyākaraṇa (literally it may mean ‘analysis’)
ably explore to talk about the classical Indian was regarded as the gateway for other disci-
plines. It was part of the curriculum for the
5.  Indian philosophy of language 77

study of the Vedas. It was traditionally called original root-stem called ‘dhātu’ and a num-
a ‘Vedāṅga’, one of the six ›limbs‹ i. e. auxil- ber of endings called ‘pratyayas’. These end-
iary (or preparatory) disciplines for the suc- ings, Pāṇini thinks, give the verbs their tem-
cessful study of the Vedas. The six ancilliaries poral and modal significance. While dealing
include grammar, phonetics, etymology, met- with verbal endings, Pāṇini notices that there
rics, astronomy, and the science or art of are a vast number of verbal derivatives which
rituals. Of these, grammar was regarded as are treated as substantives and take kāraka
the ›prime mover‹ of Vedic studies. Early de- inflections but they can be analysed into root-
velopment of ›grammar‹ led to many inter- stems and a set of inflections which he calls
esting results. Intimate relationship between ‘kṛt’. This has led to the interesting philo-
logical and grammatical categories was no- sophical discussion between the Nairuktas or
ticed: What may be called certain ›universals‹ Etymologists and Pāṇinīyas: According to the
of logic and language were noted, distinction Etymologists, all nouns (substantives) are de-
between language and metalanguage, or rived from some verbal root or other. Yāska
rather between use and mention, was under- in his Nirukta defends this view which re-
lined, and metalinguistic notions were more quires that all words are to be analysable into
clearly understood and treated accordingly. atomic elements, ›roots‹ or ›bases‹ and ›af-
For example, in rule 1.1.68, Pāṇini notes the fixes‹ or ›inflections‹, i. e. dhātu and pratyaya.
distinction between the practices in the ›lan- ‘Dhātu’ in ordinary Sanskrit meant ‘base
guage‹ of grammar and the ordinary lan- metal’ and ‘pratyaya’ meant, among other
guage. In grammar, by the use of a word (say things, a ‘causal factor’ or a ‘condition’ (a
‘cow’) we refer to the word itself while in constituent), in dependence upon which a
ordinary language by the use of a word we product will come into being. Hence the im-
refer to its object, a cow. Pāṇini seems to be plicit physical analogy was: Usable words of
saying that in ordinary language when we use language were like finished products, pro-
a word to refer to itself, i. e. where we mention duced from the ›bases‹, being modified or
it, we mark it (in Sanskrit) with an ‘iti’ (which transformed by the causal factor, inflection.
functions as quotation-marks in Sanskrit), There is also an implicit ritualistic analogy:
but in grammatical rules where we frequently just as in a Vedic sacrifice, an ordinary object
mention the word instead of using it, it is or a naturally produced object, e. g. some
convenient to have the reverse convention: grains of rice, cannot be used as such but has
mark the word with ‘iti’ when we use it and to be ritualistically ›cleansed‹ (of saṃskāra)
leave it unmarked when we mention it; pos- by sprinkling water, etc. with mantras, a root
sible exceptions were also noted in the same cannot be used directly or as such in an actual
rule, e. g. the technical terms of grammar itself linguistic expression (sentence, etc.) unless it
should be used, not mentioned. is ›cleansed‹ with inflections. This last point
Pāṇini’s Aṣṭādhyāyī is certainly a monu- is realized in Pāṇini (rule 2 .3.46) where the
mental work — an achievement of encyclo- first ›vibhakti‹ or first triplet for nominal root
paedic research and technical perfection, a marker, is assigned the function of bringing
comprehensive grammar of the Sanskrit lan- out ›the meaning of the root itself‹ (prātipa-
guage which includes both the Vedic Sanskrit dikārtha), and the nominative or accusative
and what is called ‘classical’ or laukika San- relation is expressed by the verbal ending
skrit. It consists of nearly four thousand sū- (Pāṇini rule 3.4.69; see also Thieme 1971,
tras, short grammatical rules in aphoristic 573—595).
style. A comparatively simple outline of Pāṇ- Leonard Bloomfield (1887—1949) has de-
ini’s subject-matter in Aṣṭādhyāyī may be at- scribed Pāṇini’s grammar as “one of the
tempted here. ‘Vyākaraṇa’ may be taken to greatest monuments of human intelligence”
mean the process of analysing language and (Bloomfield 1933, 11). Few have disputed this
in such a process the first element we reach claim. Besides, some linguists have recognized
is a sentence, which consists necessarily of a the significance of Pāṇini’s functional analysis
verb in various tenses and moods, and a num- of word forms of Sanskrit for the rise of
ber of substantives called ‘kārakas’ [causal or comparative grammar in the West. Paul
contributory factors] to the action denoted Thieme has said that it is on the whole not a
by the verb or the action-word, and also the description of Sanskrit speech but an argu-
qualifiers and other related items belonging ment that is meant to show that most of the
to such kārakas. The forms of verbs found in speech units (śabda) are ›built up‹ from sim-
sentences can be viewed as made up of an pler elements in a way that can be captured
78 I. Raum-zeitliche Übersichten

by formulating ›grammatical rules‹ (cf. biguous words are used (asaṃdeha). Of these,
Thieme 1971, 617). These rules are called ‘lak- the last two might have some significance
ṣaṇas’ [characteristics], and the forms ex- today, for grammar is certainly the simpler
plained thereby are called ‘lakṣya’ [that which and more effective way of learning a new
is (to be) characterized]. Or, if the rules are language, because we cannot learn a language
called ‘definitions’, the forms are those that word by word, and it is true that ambiguities
are captured by such ›definitions‹ (Matilal in word-meanings are sometimes dispelled by
1985, 176 f). The Pāṇinīyas (grammarians our knowledge of the grammar.
who follow Pāṇini and comment on his sys- It is significant to note that no clear and
tem of grammar) claim that the grammar cogent reason was given for the study of
follows correct usage, i. e. it explains the grammar, except the most obvious ones. The
forms of such correct usage. Pāṇini’s gram- discipline nevertheless became important be-
mar is generally regarded as descriptive, not cause it became part of the scriptural educa-
prescriptive. Patañjali’s characterization of it tion. The impetus for the development of the
as a śabdānuśāsana [(treatise on) instruction science of linguistics, phonetics and metrics
for (forming correct) words] has created the came from the motivation for the pursuit of
impression among the modern interpreters religious merit. In fact Patañjali says at one
(Thieme) that the grammar dealt exclusively point that language is the great ›spirit‹ (deva)
with word formation, to the exclusion of syn- that has entered into the mortals (mankind)
tax. But this was not quite correct. For Pāṇini and study of grammar helps us to get control
deals with syntactic relations as well as rela- of this great spirit in mankind, viz., language,
tion among certain kinds of sentences. His i. e. to get ourselves to be identified with this
kāraka system is based upon an implicit sen- ›essence‹ of mankind.
tence analysis (see 5.). It is, however, unde- In this same context Patañjali asks how
niable that he had only limited interest in should the grammar be written or taught? We
syntax and semantics. cannot separate incorrect word-forms from
correct word-forms just by enumerating them
2.2. Why should anyone study grammar? one by one. It may be said that since correct
words are by far outnumbered by incorrect
Why did Pāṇini compose his grammar? It is words (for each correct words, there could be
difficult to answer the second question. We several incorrect forms), we can make a list
shall use comments of later scholars to for- of correct words (a lexicon?). But even that
mulate an answer. Grammar is regarded as a has been found to be impracticable. For one
śāstra, ›a system of thought‹ with a purpose can spend one’s whole lifetime by collecting
and directed towards a goal composed for the and learning a language through the word-
sake of well-defined readership. As a śāstric by-word method. Hence the best method is
discipline it has four anubandhas or ›param- to formulate rules following the principles of
eters‹, or ›delimiting lines‹: subject, connec- generalization (sāmānya) and showing excep-
tion, purpose and readership (›owners of en- tions (viśeṣa) to such generalities. A general
titlement‹). The ›subject‹ of grammar is śabda rule will teach a number of word-forms to-
insofar as it analyses śabda into roots and gether, and an ›exception‹ rule will mark those
suffixes and thus helps our understanding of which are different. Example: add ‘a(Ṇ)’ affix
its significances. Its purpose is clearly stated when the root is connected with an accusative:
in Pāṇini’s title of Aṣṭādhyāyī: śabdānuśāsana:
teaching of the principles that would serve to ‘kumbha + vkṛ + a(Ṇ)’ (= ‘kumbhakāra’)
[maker of pots] (Pāṇini 3.2 .1), but add ‘(K)a’
distinguish correct forms from incorrect ones.
This is the main or immediate purpose, as affix to the roots ending in a: ‘go + vdā +
Kaiyaṭa, a Grammarian from Kaśmīr in the (K)a’ (= ‘goda’) [giver of cows].
11. century, has noted. But Patañjali has re-
marked in the beginning of his Mahābhāṣya 2.3. Learning a language
[Great Commentary] that the ›purpose‹ would Does grammar help our learning a language?
be (also) to take care of the following: ›pro- If learning a language is facilitated by our
tection‹ of the scriptural texts in their pristine learning of the meanings of words, then In-
purity (rakṣā), transformation of word-affixes dian philosophers, from very ancient times,
to suit ritual context (ūha), recitation of the gave almost unanimous answer to this ques-
Scriptures (agama), a simpler way of learning tion. It is one of many ways (they counted
the language (laghu) and certainly a way of eight such ways) of learning the meaning of
learning about the proper meanings when am- the word.
5.  Indian philosophy of language 79

a) Grammar: As has been noted already, the sides the speech-behaviour of the elders”
meanings of all laukika words, i. e. words (Prabhākara 1932 , 2 58). In Gaṅgeśa (ca. 1300
normally derived from roots and suffixes and A. D.) we find almost the same view: “Eve-
other ›atomic‹ words, are learnt through rybody in his or her first learning of the
grammar, for it supplies the roots (as well as language depends exclusively on the speech-
their meanings) and the significance of the behaviour of the elders” (Gaṅgeśa 1884—
suffixes. The list of roots (called ‘dhātupāṭha’) 1901, Śabdakhaṇḍa). The process is described
is thus thought to be an integral part of Pāṇ- as follows.
ini’s grammar, although it is not known to us The older adult of the community com-
today whether the meanings were also sup- mands ‘Bring a cow’ and the younger adult
plied with roots in the primitive list or a later obeys by bringing a cow. The child as an
hand added to them. onlooker understands that the utterance
b) Analogy: An unknown object, say a kan- (sound-blasts emitted by the older adult) as
garoo, may be learnt through a description a whole means the activity of the younger
of it (from someone who is familiar with it) adult. Then on another occasion from such
based upon analogy or similarity with some and other commands as ‘Bring a horse and
known or familiar object. The word ‘kanga- tie the cow’ which prompt the younger adult
roo’ may be introduced as meaning ‘some to bring a horse and tie the cow, the (on-
animal similar to a rabbit’. But we learn the looker) child through an unconscious process
meaning of this word when we have actually of assimilation and elimination (āvāpod-
seen the animal in question and remember vāpa), learns the meanings of such words as
the analogising description, the resulting form ‘cow’, ‘horse’, ‘bring’ and ‘tie’. The process
of our knowledge being ‘this is called a kan- involves not only both perception and infer-
garoo’. Such knowledge of meaning can also ence, but also something else. The child must
be derived from dissimilarity and other de- understand that the adults’ intention is shown
scriptive words, provided we remember the by their bodily movements and that the com-
older description when we first experience the mand of the older adult causes activity in the
object. This analogy-based information is re- younger adult who is commanded, and that
garded as a separate source of knowledge in a sort of communication takes place between
the Nyāya school of philosophy, upamāna them. The method parallels here the usual
(comparison). It is neither perception, nor pragmatistic explanation of our language
inference, nor is it word-generated. The word- learning mechanism (s. art. 32).
generated knowledge supplies the crucial in- f) Larger context of the sentence or the pas-
formation about similarity, and the later per- sage: The special meaning of a word may be
ception coupled with the already gathered learnt from our knowledge of the larger con-
information generates the knowledge by text. Contextual factors are the main source
which we learn to associate the word ‘kan- for resolving ambiguities in meaning.
garoo’ with its denotation. g) Explanation or Commentary: Words of
c) Lexicon: It is an obvious source of the doubtful meanings are usually explained by a
knowledge of the meanings of words. Presum- definition of some knowledgeable person in
ably, it supplies what is meant by the primary a commentary.
significative power of the word. Metaphorical h) Syntactic connection with words whose
meanings are not noted in a lexicon, unless meanings are already known: This is a com-
they are already well-known and well-en- mon way of determining the meaning of an
trenched. unfamiliar word occurring in a sentence. ‘The
d) Statement of a trusted person: The parents pika sings sweetly sitting on this mango tree’.
point to an object and say ‘this is a horse’, Here the word ‘this’ indicates that both the
and the child learns the meaning of the word speaker and the hearer can see a tree nearby
‘horse’. where a particular bird sits and sings sweetly.
e) Speech-behaviour of the elders: This is per- Hence the meaning of the unfamiliar word
haps the most important one among these ‘pika’ can be inferred from its syntactical con-
eight ways (Nāgeśa 192 5, 64) upon which nection with other known words. This may
Prabhākara (ca. 650—72 0) makes a signifi- be taken to be a special case of contextuality,
cant comment in Bṛhatī. “We do not find any but attention is drawn specially to syntactical
other cause (reason, source) to be there, be-
80 I. Raum-zeitliche Übersichten

consideration. In the case under considera- universal cowhood. Again another view states
tion, a cuckoo will be presumably singing, that the artha of ‘cow’ is the locus (tad-vān)
and ‘pika’ will mean ‘cuckoo’. of cowhood whereas the Buddhists state that
it is the exclusion (apoha) of all classes which
are contrary to the class of the cows (s. art.
3. Classification of words 42 ). Classification of words from the point of
Yāska divides words or ›parts of speech‹ view of their artha would automatically have
(pada) into four groups: nāma [nouns], ākh- relevance to ontology and semantics. This
yāta [verbs], upasarga [›pre-verbs‹ or prefixes], becomes clear from Patañjali onwards. Yās-
and nipāta [›particles‹, invariant words or ka’s contribution however lay in singling out
prepositions(?)]. This four-fold division was, two main (ontological) categories, a process
as John Brough rightly conjectures (Brough or an action and an entity or a being or a
1953, 414), a legacy of the analysis of the thing. Lakshman Sarup chose to contrast
saṃhitā or ›connected text‹ as uttered in the these two, ‘bhāva’ and ‘sattva’, by using the
recitation of the Ṛg-vedic hymns, into its con- familiar terminology of ‘becoming’ and ‘be-
stituent words called the ‘pada-text’, i. e., the ing’ (Sarup 192 1, 5). Recently E. Kahrs has
forms in which they appear in isolation. This questioned these translations and suggested
breaking down of sentences into words gen- ‘being’ for ‘bhāva’ and ‘entity’ for ‘sattva’
erated a philosophical controversy. In the (Kahrs 1986, 117 f). I am not sure whether
Prātiśākhya texts, the gist of the controversy translation of ‘bhāva’ as ‘being’ is really help-
was cryptically put as samhitā pada-prakrtih. ful. We need a contrast in selecting a pair of
According to one analysis of the compound English words, as Yāska originally intended
word, here ‘pada-prakṛtiḥ’, the words would by choosing the pair of Sanskrit words
be primary elements (prakṛti), out of which ‘bhāva’ and ‘sattva’. Yāska first defined the
the sentence is constructed, while according notion of ‘ākhyāta’ [verb], and then the no-
to another analysis, it means the opposite, tion of ‘nāma’ [noun], by reversing the order
viz. the sentence would be the primary entity, of his own enumeration. It may be that he
originally given, and the words are arrived at was implicitly influenced by the philosophical
only through analysis and abstraction. To call view of the grammarians that the verb con-
something ‘primary’ in this context meant stitutes the centrepiece of any sentence. The
that it had a preferred ontological status. verb is defined as that which has bhāva [›proc-
What was called secondary would have a ess‹] as its predominant notion and a noun is
derived status, either a constructed conglom- defined as that which has sattva [›thing‹] as
erate or an abstracted constituent. The con- its predominant notion. Although I am some-
troversy over the relative primacy of the word what persuaded by the argument of Kahrs, I
and the sentence was long and protracted, wish to suggest that the ›thing—process‹ po-
and, one should add, tenuous in a way that larity might capture the contrasting function
Yāska was completely unaware of (s. art. 63). of the pair ‘sattva—bhāva’. The ›process‹ is
The fourfold division of words was not one that has, according to one interpretation,
directly connected with the ontological divi- a former stage and a later stage and when
sion of entities. But since Yāska was also such a ›process‹ is the dominant sense, a finite
concerned with the meaning of words, this verb is used as in ‘vrajati’ [walks], ‘pacati’
had implication for the ontological categories. [cooks]. But when a process is referred to as
The rather intriguing Sanskrit term for what a ›petrified‹ or ›configured‹ mass (mūrta) ex-
is generally called (ontological) categories, is tending from start to finish, a verbal noun is
‘padārtha’ [literally: ‘word’s referent’]. But the used as ‘vrajyā’ [(a) walk], ‘pakti’ [(a) cook-
word ‘artha’ like Latin ‘res’ is highly ambig- ing]. In the latter case the notion of process
uous. Regarding the artha of a word, there is is subordinated for the element of sequence
a variety of views. According to some, it is in the process is lacking. Hence we have a
the individual thing (vyakti), the cow individ- noun derived from a verb to express it.
ual if the word is ‘cow’; according to others, There might have been a profound insight
it is the universal (jāti) cowhood. According in Yāska’s writing when he used the demon-
to still others, it is the form or configuration strative pronoun ‘that’ and said that a ›thing‹
(ākṛti) of a cow — as seen in such usages as is referred to by the pronoun ‘that’. Whatever
‘the golden cow’. In early Nyāya it is all these we can point out by saying ‘that’, such as, a
three items taken together, in late or Navya cow, an elephant or a horse, would be the
Nyāya it is the individual qualified by the referent of a noun. Even an abstract idea or
5.  Indian philosophy of language 81

an action can be referred to by a noun, be- ‘karma-pravacanīya’. These words, mostly


cause we can also refer to it by ‘that’. This pre-verbs, stand alone in a sentence, i. e. with-
may be the beginning of the idea that ‘things’, out being added to any verbs. They signify
whatever they are, can be referred to by the various meanings, in fact the meanings that
use of a noun and that the pronoun ‘that’ is are assignable to some verbs or other. I say
a dummy for any noun. Yāska’s intuition was ‘signify’ here, for the original theory was that
right. Perhaps, it was re-interpreted by He- the pre-verbs do not have a denotative power,
lārāja (early 11th century A. D.) in his com- and the same point of view is maintained in
mentary on Bhartṛhari’s Vākyapadīya when this case of karma-pravacanīya. They should
he was talking about the definition of ‘dravya’ be said to ›indicate‹ meanings, but meanings
which in the absence of a better term I shall of what? The answer lies in the derivative
call ‘substance’. The idea of a ›thing‹ or a meaning of the technical term itself. Here
›substance‹ necessarily carries with it the idea ‘karma’ means ‘verb’. Hence a karma-pra-
of ›existence‹ or ›reality‹ or ›substantiality‹. vacanīya is actually a dummy for a full-
We can support it from our direct experience fledged pre-verb plus a verb in combination.
of the objects in the physical world. I shall Such verbs were mainly ›relational‹ verbs, and
come back to the problem below. a karma-pravacanīya in this way is said to
The pre-verbs (upasarga) were never con- specify or qualify the relation expressed by
sidered to be independently meaningful. Their the absent verb. In the sentence ‘He was
significance lies in the contribution they make granted a boon after prayers’ the Sanskrit
to the meaning of the main verb to which word ‘anu’ would be used for ‘after’ and it
they are attached. Sometimes they modify, would not simply indicate the temporal rela-
sometimes they reverse the meaning of the tion of posterity between prayers and grant-
main verb. A well-known (later) verse states ing a boon, but would specifically signify ‘af-
that the pre-verbs by force change and modify ter having heard (the prayer)’. The verb ‘hear’
the meaning of the verbs just like the ocean- was understood. Similarly in ‘Lightning
water contaminates the sweetness of the water flashes at the tree’ the Sanskrit ‘anu’, used
of the river Ganges. For example, the root for ‘at’, would signify not simply the partic-
‘hṛ’ means ‘to steal’, but with ‘pra-’ it means ular direction but rather ›aiming towards or
‘to strike’, with ‘ā-’ it means ‘to eat’, and with at’ (the verb ‘aiming’ being understood).
‘pari-’ ‘to abandon’. Some have propounded
the theory that the pre-verb are not to be
regarded as ›denotative‹ of any meaning, but 4. Primary and non-primary meanings
only ›indicative‹ of some meaning that is ac- of a word: Metaphor
tually located in the verbs, and to round up While discussing the ›multiple meaning‹ prob-
the view they would say that a verbal root lem, we have seen that a word having multiple
does not have any fixed meaning. In fact such meaning may be said to have one primary
roots implicitly possess the power to have meaning (as a lexicographer would note) and
many meanings, and a particular pre-verb’s perhaps several secondary or derived mean-
function is to bring about some such meaning ings. Expressive power of any natural lan-
as is already implicitly existent in the verb. guage is thus enhanced. This is to be distin-
On this view, the pre-verbs would be only guished from the cases of homonyms which
functional, lacking any denotation. generate systematic ambiguity to be resolved
Nipāta constitutes a very heterogeneous by contextual factors. We may limit ›words
group of words. According to Yāska (stan- with multiple meaning‹ (or homonyms) to
dard interpretation), they do not have any those in which each of the two or several
fixed meaning but each has a variety of mean- meanings would be considered primary. But
ings and the contextual factors etc. determine it is a common phenomenon of a natural
which meaning it has. In Pāṇini’s grammar language, where any word, apart from having
they have been defined by a list beginning one or several primary meanings, could be
with ‘ca’ [‘and’] (rule 1.4.57) as well as de- used to convey meanings (or denote objects)
scribed as signifying ›non-things‹ (a-sattva). which are, though distinct from the ordinary
In fact in Pāṇini, nipāta forms a much (primary) meaning, nevertheless, connected in
broader category of invariant words. The some way or other with the same primary
class of pre-verbs forms a sub-class of this meaning. This phenomenon is usually cap-
broader class. Another sub-class is formed by tured by the rhetoricians’ term, ‘metaphor’ or
the group of ›pre-verbs‹ that are called
82 I. Raum-zeitliche Übersichten

‘metaphorical use’. This may also be called ances of the sentence ‘gaṅgāyām ghoṣaḥ’ [The
the ‘metaphorical extension’ of the meaning village is on the (river) Ganges] he may fur-
of a word. In fact this phenomenon is so ther comprehend that the speaker here in-
pervasive in our language that sometimes we tends to emphasize by this metaphor the nat-
wonder whether there is any sense in our ural beauty and simplicity of the place, the
assuming that there are at all any fixed pri- village (and hence its excessive proximity to
mary meanings of the words we use, and it the river has been underlined).
may be that the meaning of a word is to be This claim for a third power of the word
found or determined simply by its use. Our (by the literary critics) has not gone unchal-
general tendency is however to isolate and lenged. Words may be suggestive because peo-
learn the words as having certain fixed pri- ple are suggestible. But it may become a very
mary meanings (determined possibly by their subjective factor and each hearer might have
frequency of occurrences) and then explain propensity to be suggestible in different ways.
the additional meanings of senses that the Hence an account of this power of suggestion
user of a word may convey, as metaphorical can be given in terms of inference (by the
extensions. hearer), without attributing a separate
Indian philosophers (specially of the ›power‹ or dispositionality to the word itself.
Nyāya school) give an account of this phe- In poetry or literature there may be well-
nomenon by identifying two different ›pow- entrenched and well-practiced ways of sug-
ers‹ in a word: one is that of saying (abhidh- gesting beauty, charm, and aesthetic rapture
āna) and the other is that of signifying or through use of particular words and devices.
indicating (lakṣaṇā). The first is called the This, however, can hardly be a proof for the
primary meaning-giving power while the sec- existence of an ontological property in words
ond is called the secondary or indicatory called ‘the suggestive power’. But the power
meaning-giving power. By the first, the word to denote or mean (the primary meaning) as
speaks as it were while by the second it only well as to indicate or signify (the metaphorical
points up, and a metaphor is born. or non-primary meaning) is a different kettle
The rhetoricians and the literary critics of fish. Both are, let us say, designatory
however sometimes argue that there is, be- power, without which the meaning of a sen-
sides the primary (denotative) power and the tence would not be comprehended. It has
indicatory power, a third power of the word, already been noted that sometimes the old
the suggestive power, which is sometimes rel- metaphorical meaning can be so well-en-
evant in poetry and rhetorical speech. A word trenched as to gain currency as the lexical
can thus have a suggested meaning, which is meaning. (To resolve the translational prob-
not covered by the scope of its primary or lems we may, I suggest, decide to use ‘denot-
indicatory meaning. High class poetry, says ing’, ‘signifying’ and ‘suggesting’ for the three
Ānandavardhana (ca. 9th century A. D.) is powers: abhidhāna, lakṣaṇā, and vyañjanā).
one where the suggested meaning of the word
excels, that is, it is more beautiful and more
charming than the ordinary meaning (which 5. Kārakas as a set of unique
may be either the lexical meaning or, to suit categories of the philosophy of
the context, the indicatory or transferred Sanskrit grammar
meaning). It should be noted that the need
for the metaphorical or indicatory or trans- 5.1.  The notion of kāraka is one of the central
ferred meaning (lakṣyārtha) arises when and themes of Pāṇinian system of grammar.
only when the primary or normal or lexical George Cardona has said that it is “basic to
meaning does not fit the context. But the Pāṇini’s derivational system” (Cardona 1976,
suggested meaning is appealed to only after 2 15). ‘Kāraka’ is not defined by Pāṇini, but
the (literal) sentence-meaning has been fully rule 1.4.2 3 kārake is read as a head rule (ad-
comprehended with the help of both normal hikāra). It is followed by the definition of six
and metaphorical meaning. This has appeal varieties of kāraka: apādāna [point of origin],
only to the appropriate hearer, in poetry it saṃpradāna [recipient or beneficiary], karaṇa
appeals only to the sensitive reader. Ānan- [instrument], adhikaraṇa [locus], karman [ob-
davardhana has called it ›reverberation‹ of ject of action], kartṛ [agent]. Apādāna and
the sense from the sound, i. e. speech. When sampradana may be said to correspond to the
the hearer has apprehended that the village is meaning of ablative and dative in Western
on the bank of the Ganges from the utter- Grammar. But I hesitate to accept William
5.  Indian philosophy of language 83

Dwight Whitney’s (182 7—1894) characteri- on, Pāṇini formulated a number of additional
zation of kāraka categories as “simply a re- rules which widened the scope of each cate-
flection of the case-forms” (Whitney 1893; gory formulating definition in terms of syn-
Staal 1972 , 166), so I have refrained from tactic and other considerations. For example,
suggesting such equivalents at the outset. rule 1.4.45 says that the substratum relative
A kāraka, as the name implies, is a con- to an action is adhikarana, the locus, but
tributory factor for some action. An action is 1.4.46 says that the same substrata relative to
usually denoted by a verbal form such as an action would be karman, the object, pro-
‘patati’ [falls]. The action of falling requires vided that action is denoted by particular
at least three (or two) factors; e. g. ‘vṛkṣāt verbs prefixed with particular pre-verbs ‘adhi-
parṇam bhūmau patati’ [leaf falls from the śī’ ‘adhi-sthā’ and ‘adhi-ās’ [lying, staying or
tree to the ground]. Here there are three fac- being seated].
tors mentioned as contributing to the action (1) grāmam adhitiṣṭhati
of falling: the leaf, the tree and the ground. [(He) stays in the village].
Pāṇini’s rules assign each factor to a partic- (2) grāme tiṣṭhati
ular kāraka class for the purpose of deriving [(He) stays in the village].
the said sentence. The classification is pre-
sumably based upon the particular role each The village here is classified as the ›object‹
plays with respect to the action. The leaf is (karman) in (1) and the ›locus‹ in (2 ). This
the agent because it functions independently shows at least that a kāraka category like
(svatantra) (cf. rule 1.4.54 svatantraḥ kartā), karman or adhikarana is not defined by Pāṇ-
the tree is the ›fixed‹ (dhruva, rule 1.4.2 4) ini in purely semantic terms. The kāraka cat-
point of departure and hence called ‘apā- egories were introduced (obviously they were
dāna’, and the ground is the locus (adhikar- not exactly what were called cases in Latin or
ana, rule 1.4.45) of the falling leaf, and hence Western grammar, e. g. the genitive was not
called ‘adhikaraṇa’. Similarly in ‘rājā viprāya a kāraka), as far as I can judge, as an expe-
sva-hastena dhanam dadāti’ [the King gives dient to facilitate Pāṇini’s own description of
wealth to the brahmin by his own hand] we the Sanskrit language. In particular they me-
have besides the agent, the king, an object to diate between introduction of affixes in words
be given, wealth (rule 1.4.49), a recipient and the representation of certain semantic
called ‘saṃpradāna’, the brahmin (rule relations. Unless the narrow, semantically
1.4.32 ), and an instrument for the giving, the conceived kāraka categories are widened (in
hand (rule 1.4.42 ). The kāraka classification the way Pāṇini did) to include various other
is set up to indicate conditions under which items, grammar would have to be conceived
post-verbal and post-nominal affixes would differently. The same expediency might have
be introduced. Although the above categories prompted Pāṇini to disregard a distinction
are defined by Pāṇini in terms of some se- between agents (kartṛ) which are sensient be-
mantic considerations, the kārakas are con- ings and those which are not. He classifies
nected with the general syntactic system of both a man (Devadatta) and an axe as agents
the Sanskrit language. After applying the kā- receiving the same analysis and (linguistic)
raka categorization rules to classify items, it derivation:
becomes easy to formulate grammatical rules (3) devadattaḥ vṛkṣam chinatti
which introduce affixes to such items based [Devadatta is cutting the tree].
upon such condition. An object (karman) for (4) paraśur vṛkṣam chinatti
example, takes the ‘-am’ affix, the second [The axe is cutting the tree].
triplet (provided it is not otherwise expressed) It is well known that Pāṇini and the Pāṇ-
and an instrument the ‘-ṭā’ affix (the third inīyas were śabdapramāṇakāḥ [those who re-
triplet). gard speech patterns as authority]. Patañjali
Modern writers have disputed the precise has said (which has often been quoted): ›We
status of kāraka categories. Some have ar- accept the authority of the speech. What
gued that they are extra-linguistic, logical and speech ›tells‹ us is what we depend upon (for
ideational. Some claim that they are purely deciding issues)‹. This, I believe, means that
semantic. Others believe that they are also we should put stress upon the point that
syntactic. I believe the controversy has been grammar is not concerned with ontology (or
somewhat counter-productive (Cardona semantics, i. e. things and events) but with
1976, 2 15—2 2 4). After defining the kāraka what people actually say, or rather how peo-
categories on the basis of semantic consider- ple speak of things and events. Pāṇini’s kā-
ations, the agent, the locus, the object and so
84 I. Raum-zeitliche Übersichten

raka categories fit in well with this point and falls from the tree’, the tree is the apādāna [fixed
hence we can easily account for such usages point of departure] for it is the unmoved point
as ‘sthālī pacati’ [the cauldron cooks], al- when separation through movement is intended. In
though we know very well that the cauldron ‘the crows live in the tree’, the tree is the locus by
is the substrate where cooking takes place, virtue of its being the substrate with regard to the
not the agent of cooking. But philosophically, ›action‹ of living. In this way it is neither the thing
one can still think of the cauldron as a con- itself nor the action itself that is a kāraka. What
tributing factor to the action of cooking and then? When a thing is a participant in an action or
some agency may be attributed to it. when it is endowed with a special functional activ-
This syntactic-semantic dispute over the ity, it becomes a kāraka. That which is independent
nature of the kāraka categories might be read in performing an act is the agent, it is neither the
as a reflex of a much older dispute between bare thing nor the bare action. That which is most
the logicians (Naiyāyikas) and the grammar- desired to be obtained (by the agent) is the object,
ians (Vaiyākaraṇas). The Naiyāyikas were ar- it is neither the bare thing nor the bare action. In
tha-pramāṇakāh [those who regard things this way one can explain the notion of the most
and events as authority] as opposed to śab- efficacious in defining the instrument and so on.
dapramāṇakāh. They were interested in the The assigning of kāraka categories follows this rule.
way the world is (or supposed to be), not A kāraka category applies neither to the bare thing
particularly in how people speak about them. nor to the (mere) action. What then? It applies to
They were, to be sure, concerned with seman- the thing that participates in action and to what is
tics, ontology and epistemic questions, al- endowed with some special functional activity”.
though they would try to derive their insights Vātsyāyana apparently refers to Pāṇini’s
through an analysis of how people speak six major rules that ›define‹ the six kārakas
about such things. Vātsyāyana got involved in their initial or primary meanings and ig-
in the discussion of kāraka categories while nores the usage of kāraka categories in their
he was trying to answer the Mādhyamika extended or secondary senses. In these major
criticism of the logicians’ distinction of pram- rules, the semantic criteria for the kāraka
iti [knowledge], pramātṛ [knower], prameya categories are most dominant. But as I have
[object to be known] and pramāṇa [means of already noted, Pāṇini’s assignment of kāraka
knowledge]. In the grammarian’s terminol- categories was based upon many other con-
ogy, the first one is an ›action‹ (meaning of a siderations. For example, sometimes presence
verb) and the other three are three kārakas, of certain pre-verbs (upasarga) in the root
the agent, the object, and the instrument. verb turns a ›locus‹ into an ›object‹ (rule
Nāgārjuna (founder of the Mādhyamika 1.4.46). Here the Pāṇinīyas will say that the
school of Buddhism, 2 th century A. D.) argues same item village (see above examples (1), (2 ))
that this popular distinction (prevalent both can manifest both powers or properties, that
in grammar and logic) is arbitrary, for the of being a substrate in (2 ), and that of being
same item can be the object according to one an object in (1). The accompanying condition
description and the instrument according to determines (in this case, presence of certain
another. Vātsyāyana in reply said that the pre-verbs) which aspect or power is to be
fundamental kāraka classification was based given prominence to. The moral is that the
upon some property (power) grounded in the usage must determine the grammatical theo-
things and a thing can have many powers. In ries, not the meaning. Patañjali’s idea of
other words, it is not a classification of things ›śabda-pramāṇakāḥ‹ is again vindicated here.
but of powers in the thing. I quote from
Vātsyāyana (Nyāyasūtra 2.1.16): 5.2.  The question about the ‘quiddity’ of kā-
“(All) kāraka words apply through the incidence raka, that is the question, ‘what is a kāraka?’
of some ground or other. In ‘the tree stands (there)’ has not been settled by Pāṇini. Patañjali has
— the tree is the agent because it has ›independence‹ remarked under rule 1.4.2 3 that the derivative
(Pāṇini’s rule 1.4.54) with regard to the matter of meaning of ‘kāraka’ will help us to under-
standing. In ‘(he) sees the tree’, the tree is ›ardently stand its actual usage. He derives it as ‘karoti
desired‹ through the action of seeing (by the agent) kriyām nirvartayati’ [that which does, per-
and hence it is the object. In ‘(he) shows the moon forms the action]. ‘Kāraka’ thus means a do-
by the tree’, the tree is the ›chief instrument‹ for er, an actor, hence a participant in an action.
showing and hence is the instrument (karaṇa). In This is, however, ambiguous. There are in
‘(he) sprinkles water for the tree’, the tree is in- general two suggested definitions of ‘kāraka’
tended to be ›the beneficiary‹ of the action of sprin- prevalent in the tradition of both grammar
kling, and hence is the saṃpradāna. In ‘the leaf and logic. One is ‘kriyānimittam’ [causal fac-
5.  Indian philosophy of language 85

tor of an action/verb], and the other is ‘kri- tically) connected with the action-verb we un-
yānvayin’ [syntactically connected with ac- derline its syntactic or its grammatical aspect.
tion/verb, kriyā]. Both definitions exploit the Both these definitions have been faulted. The
ambiguity of the term ‘kriyā’. It may stand causal relationship between a kāraka and the
for an action (or at least the meaning of a action must be taken in a broader sense so
verb) or just the verb-form, a syntactic entity. that it would include both direct relationship
I believe the former definition depends upon and the indirect or ›chain‹ relationship. For
the meaning, action, while the latter upon the otherwise only the agent or the instrument
verb-form. If this is a correct appraisal, then would be designated as a kāraka. The saṃ-
of the two definitions we may say that the pradāna [recipient] (or the meaning of dative)
former has semantic overtones while the latter and apādāna [the unmoved point in depar-
syntactic overtones. There is need for another ture] (or the meaning of ablative) are only
subtlety here. ‘Kriyā’ [action] has also a tech- very indirectly connected with the action by
nical sense, it means meanings of verbal roots causal relationship. Now if we widen the no-
(dhātu). But the meaning of some root can tion of causal relationship to include both
even denote a substance. For ‘dhātu’ refers direct and indirect relations in the present
to the items in the list of roots in the dhātu- context, we make the definition too wide or
pāṭha, a text attached to Pāṇini’s grammar. over-extensive (ativyāpta). For there is an-
Now it just happens that some dhātu [bases] other peculiarity in the notion of ‘kāraka’ that
found in the list do not mean activity, but a is not shared by Western case grammar. The
substance, e. g. the base ‘gaṇdi’ means ‘part so-called genitive (Pāṇini’s term for it is ‘śeṣa’
of the face’. The sentence ‘gaṇḍati kapolam’, [the remainder]) is not a kāraka. A discussion
consisting of a noun and a verb, is interpreted of this point will further illuminate the notion
as meaning ‘the cheek is what is identical with of kāraka. A kāraka underlines the relation
a part of the face’. Here ‘gaṇḍati’, the verb, between a thing (dravya) and an action. The
denotes kriyā but what it denotes is not an genitive or ›the remainder‹ is what expresses
action in the ordinary sense but a substance, a relation between one thing or substance
part of the face. We have to call such items (dravya) and another, e. g. ownership, and
kriyā and thereby explain the cheek as the parenthood — ‘Caitra’s wealth’, ‘Caitra’s
agent, a kāraka in relation to this kriyā. We son’. We have to be careful, however, to dis-
should note that there is no ‘is’ of identity in tinguish between the remainder relation to be
the given Sanskrit sentence. It consists of a contrasted with kāraka relation and the sixth
noun and a verb — both apparently refer to triplet (or sixth ›case‹-affix, ṣaṣṭhi vibhakti)
the same object. which is used to express both. In ‘Rāmasya
A further point is this. If ‘kāraka’ means putraḥ’ [Rāma’s son] the sixth affix denotes
a do-er then it would be synonymous with the remainder relation, but in ‘Rāmasya ga-
the agent (kartṛ) and the other kārakas will manam’ [Rama’s going] the sixth affix de-
have to be excluded. Bhartṛhari says that we notes the agency of Rāma, a kāraka relation.
can get around this difficulty in the following There is some laxity here in the usage. The
way. All the kāraka-items are in some sense sixth affix is also used in the case of some
doing something or performing some function other kāraka relation, the object etc., pro-
towards the completion of the main action. vided the speaker wishes to emphasize only a
When Devadatta is cooking, the action is a general kāraka relationship, but not any spe-
set of functions extending over some time, the cial kāraka relationship. In any case, it is
logs burn to cook, the pot holds the rice for agreed by all parties that the remainder re-
cooking, the rice-grains soften to facilitate lation must be distinguished from kāraka re-
cooking and so on. Hence in this rather loose lation, although both relations may be ex-
sense, they are all behaving as agents, i. e. pressed by the sixth affix. At the syntactic
they are characterized by agenthood. How- level, the remainder relation introduces the
ever, we call one the instrument, the other the sixth affix to combine two nominal or pro-
object and another the locus when we con- nominal words. But a kāraka introduces af-
sider the difference of their roles and func- fixes of the sixth triplet that combine a nom-
tions towards the completion of the main inal or pronominal word with a verb.
action (Vākyapadīya III.7.18). We can explain the over-extension of the
If kāraka is defined simply as a causal above two definitions. Consider the example:
factor of an action we underline its semantic ‘Caitrasya taṇḍulam pacati’ [(he) cooks the
aspect and if it is defined as what is (syntac- rice of Caitra]. Here Caitra does not fall under
any of the kāraka categories, it is a śeṣa, the
86 I. Raum-zeitliche Übersichten

remainder. But with a little ingenuity one can the eye is clearly a causal factor. But in ‘gha-
argue that our ›extended‹ notion of causal tam jānāti’ [knows the pot], the pot may not
relationship will also hold between Caitra and be, under certain views, strictly a causal factor
cooking. For the cook could not have cooked for knowledge. It is at least at the syntactic
the rice in question if Caitra somehow were level connected with the action verb through
not a factor in it (Caitra being the owner the intermediary of the meaning of the second
must have given tacit permission to cook, triplet.
etc.). Hence the definition based upon causal The reason for adding the qualification
relationship is too wide. Can we say that ‘through the intermediary of the meaning of
‘Caitra’ is not syntactically connected (anvita) case-affixes’ is not absolutely clear. Bhavān-
with the verb-form ‘cooks’ directly and there- anda believes that this will avoid the overlap
fore the second definition based upon syntac- with adverbs, e. g. ‘stokam pacati’ [(he) sel-
tic connection is faultless? Not quite. We can- dom cooks]. The word ‘stoka’ takes second
not use ‘direct syntactic connection’ in our triplet but according to one theory these ad-
definition of ‘kāraka’. For Pāṇini has several verbial affixes do not denote any meaning.
rules (from 2 .3.51 to 2 .3.56) which mention They are used to turn the stem into a usable
several specific (syntactic and other) condi- (inflected) Sanskrit word (pada) in a sentence.
tions that turn a specific kāraka, an object or Hence the qualification is necessary to ex-
an instrument, into a non-kāraka, śeṣa, the clude adverbs from the domain of karaka.
remainder. Consider these examples: ‘mātuḥ But according to another view, the adverbs
smarati’ [(he) remembers mother] and ‘sar- are to be treated as adjectives or qualifiers of
piṣo jānīte’ [(he) acts with the idea that there verbs. The affix that we add in this way to
is butter]. Here both words expressing mother the adverbial stem is denotative of abheda
in one and butter in another have direct syn- [nondifference or identity] with what they
tactic connection with their respective verbs. qualify. On this view, however, adverbs like
Both are recognized as having affixes of the adjectives will be treated as kārakas. Hence
sixth triplet on the condition that they are we do not need this qualification to exclude
śesa and non-kāraka. By using ‘direct’ to them. Some say that the said qualification is
qualify syntactic connection we cannot avoid needed to exclude from the domain, effort or
the overlap. Besides, use of ‘direct’ cannot be krti, for kṛti being the meaning of the verbal
replaced by ‘direct or indirect’ or by ‘no qual- affixes would otherwise be covered by the
ification at all’, for then in ‘Rāmasya putram definition. But in any case, this qualification
abhivādayate’ [(he) greets Rama’s son], ‘Rā- cannot be happily explained.
masya’ is at least indirectly connected with The main purpose of defining ‘kāraka’
the verb through the word denoting son. This would be to exclude the non-kāraka relations
will be another case of over-extension, for which Pāṇini called ‘śeṣa’, the ›remainder‹,
Rāma in the given sentence is a non-kāraka, and which are usually denoted by the sixth
it belongs to the ›remainder‹ category. triplet. Syntactically, the words denoting
The Navya-naiyāyikas of 15th/16th cen- these remainders, or more specifically the
tury A. D. devised a way out of this difficulty. word taking the sixth triplet are also con-
I shall follow Bhavānanda (ca. 1570 A. D.) in nected with verb forms as in ‘caitrasya pacati’
suggesting this device. Bhavānanda says that [(he) cooks Caitra’s (rice)]. Thus Bhavān-
a karaka, both in its principal sense and its anda at the end says that the correct definition
secondary sense, is to be defined as that which would be as follows: A kāraka is what is
is syntactically connected (anvayin) with the syntactically connected with (anvita) the ac-
action verb through the intermediary of the tion-verb and is endowed with any one of the
meaning of vibhaktis (the so-called case-af- six properties or powers: agenthood, object-
fixes). It is clear here that the karaka cate- hood, instrumentality, recipienthood, apā-
gories are intermediaries between the seman- dānatva [being a fixed point of departure],
tic interpretation and grammatical expres- and locushood. The crucial term here is ‘an-
sions. A principal karaka, according to Bhav- vaya’. It is sometimes used in an ambiguous
ānanda, is what both denotes an explicit fashion, although predominantly, I believe, it
causal factor and is connected with the verb- means syntactic connection between gram-
form syntactically through the meanings of matical or syntactic elements. But it may also
case-affixes. Obviously in the secondary indicate the semantic counterpart, the con-
sense, a karaka category is determined by nection between meanings of grammatical el-
various syntactic and other considerations. ements. When we do not wish to emphasize
Thus in ‘cakṣuṣā paśyati’ [sees by the eye], the syntactic connection (of a nominal stem)
5.  Indian philosophy of language 87

with some verbal form, we opt for a non- ‘Śabda’ stands for human speech and hence
kāraka relation. Similarly in ‘daṇḍena gha- for linguistic utterances. Such utterances are
ṭaḥ’ [the pot is (produced) by the stick], the usually made by a speaker, a person who is
stick is called simply ‘hetu’, a causal factor, a participant in a linguistic community. The
not a kāraka because its explicit connection mechanism can be understood on the basis
with the action-verb is missing. Pāṇini for- of the following considerations. (1) The
mulated a special rule (rule 2 .3.2 3) to explain speaker emits such sound as is identifiable as
the third triplet here. The same stick would a piece of linguistic utterance. (2 ) This is done
be a kāraka, an instrument, and this relation to communicate some knowledge or infor-
would be denoted by the same third triplet, mation to a hearer. (3) The hearer is a par-
by rule as in ‘daṇḍeṇa ghaṭaḥ kṛtaḥ’ [the pot ticipant in the same linguistic community (i. e.
is produced by the rod], provided an explicit he has linguistic competence). (4) The utter-
syntactic connection with a verb is shown. ance must be that of a sentence which consists
The concept of ‘kāraka’ was presumably of words, sometimes simply a word plus a
clear to the native language user as it was to suffix. It can consist of a single word but that
Pāṇini. But it is almost impossible to define word would be a one-word sentence. (5) The
it or to find a lakṣaṇa, i. e., a uniquely distin- hearer has auditory perception of each word
guishing feature that would belong to all and in the utterance. (6) The hearer, as a conse-
only the six well-known kārakas. Various al- quence of (3) and (5), is reminded of the
ternative definitions that have been suggested, meanings/objects/things associated with each
in order to try to capture this intuition, but word. (7) The hearer then acquires knowledge
they fail to do so completely. Bhavānanda of the connected meaning communicated by
finally resolves that we have to list the six the utterance. The hearer thus comes to know
powers independently in a list and then say what the speaker wants him to be informed
that any one of them would supply the of by the utterance. (8) Several auxiliary fac-
ground (nimitta) for applying the term ‘kā- tors or pieces of knowledge are worth men-
raka’. It is not unusual to say in philosophy tioning to explain how the final knowledge is
that we can possess a unifying intuition to reached as the end-product. (8 a) The words
combine these six powers under one heading, must be mutually related (syntactically) to
‘kāraka’, but we cannot often fully and fault- constitute a linguistic sentence. Call it ‘syn-
lessly articulate this intuition in a logical def- tactic expectancy’, for it is seen that one word
inition. or one element ›expects‹ the other word to
form together an independent linguistic ut-
terance. This ensures indirectly the grammat-
6. Knowledge from ical acceptability of the sentence uttered.
linguistic utterance Words are expected to be grammatically tied;
an analytic list of necessary words and suf-
6.1. Basic tenets of the Nyāya school fixes will not do. (8 b) The meaning of the
Most Indian philosophers accept that linguis- word-elements must fit or be compatible with
tic utterance is another (in fact, a very im- each other or the hearer must have some
portant) source of knowledge. It has been awareness of such compatibility or, at least,
recognized as verbal testimony (śabda) in he must not be aware of any incompatibility
Western tradition. In giving an account of it, or lack of fitness. Call this the ›fitness‹ con-
I shall follow the Nyāya school. According dition. ‘Fire’ and ‘dampness’ are not com-
to Nyāya it is a separate type of pramā, a patible, neither are ‘pig’ and ‘fly’. Another
different type of knowledge, the causal factors way of putting the same point is to say that
of which cannot be assimilated into those of if the hearer knows that ›pig‹ (the meaning of
perception (pratyakṣa) or inference (anu- ‘pig’) and ›fly‹ (the meaning of ‘fly’) do not
māna). Predominant Western views are di- fit, he would not have any śābdabodha, any
vided. According to some it is an inference, language-generated knowledge from the ut-
while according to others, it is a sort of per- terance ‘pigs fly’. (8 c) Word-elements must
ception. Nyāya view differs from both. Since be spatio-temporarily proximate to each
type-distinction in knowledge is taken to be other so that the hearer will be able to discern
based upon the distinction of the ways by the togetherness of the two or more word-
which we acquire it (upon the crucial causal elements. Call this ‘āsatti’ [physical proxim-
factors that generate it), we must distinguish ity]. (8 d) If some word in the sentence is
this utterance-generated knowledge from per- ambiguous (usually has two or more mean-
ception and inference. ings), the hearer should be able to have an
88 I. Raum-zeitliche Übersichten

intelligent guess about the speaker’s intention between the evidence or reason and the infer-
from the context, the situation of utterance, able feature (sādhya) is called the ‘pramāṇa’
etc. Thus, ambiguities can sometimes be re- (I), and the combined knowledge (technically
solved as in ‘Please, bring me saindhava’ ut- called a ‘parāmarśa’, a judgement having a
tered during a meal by a speaker. ‘Saindhava’ special structure) that the particular evidence
can either mean ‘a horse’ or ‘some salt’. Ob- in question is such an evidence as is pervaded
viously the latter meaning is intended by the by the inferable features is called the inter-
speaker, as the context no doubt indicates. mediate factor or vyāpāra (V). The knowl-
In the above analysis of the ›causal‹ mech- edge of concomitance is usually derived from
anism, the utterance triggers off the process. memory. It is usually a knowledge of the
The knowledge of the word in the hearer connection between universal features or sor-
(derived from hearing) is the efficient causal tals. But the final premise which gives, i. e.
factor (instrument) for the final (hearer’s) produces, the inferential conclusion — the
knowledge of the meaning of the uttered sen- final episode of knowledge derived from an
tence. The final piece of knowledge (called a immediately preceding knowledge-episode —
‘pramā’, also a ‘śābdabodha’) is produced must be of the form: the particular case (P)
through another intermediate factor called contains this particular evidence, i. e. instan-
‘vyāpāra’ [function, operation], which is in tiation of the same evidence which is pervaded
this case the resulting remembrance of the by (concomitant with) the feature we intend
meaning of the individual words from the to infer. Thus the instantiation of the model
auditory perception of the words. The theory ‘(I + V) ~> R’ in the case of perception is
is that an efficient causal factor (an instru- (The sense-organ + the sense-object con-
ment [karaṇa]) needs an intermediate factor, nection) ~> perceptual knowledge
called ‘vyāpāra’, to produce the end-product and in the case of inference
(phala, in this case a pramā). (Knowledge of concomitance + parā-
The following skeletal causal model is pre- marśa) ~> inference
supposed. We write with a pen. The pen is an The same applied to śābdabodha is given as
›instrument‹ (the most efficient causal factor) follows:
for the end-product, writing on the paper. (Knowledge of the word-elements +
But besides the agent (the writer, who is not knowledge of their meanings) ~> (hearer’s)
considered in this skeletal account), the pen knowledge-episode from śabda.
needs to be in physical contact with the paper In the case of the production of the hearer’s
to produce writing. Such contact with the knowledge from the hearing of the utterance
paper is its vyāpāra, its ›operation‹, ›function‹ (i. e. śābdabodha) several other factors de-
or ›intermediate causal factors‹. This inter- mand attention. The hearer’s knowledge of
mediate causal factor owes its origin to (is the word-meanings from the utterances of the
caused by) the pen and at the same time causes words is generated according to the following
the writing (the final result) to come about. psychological rule of association and mem-
Hence here is the skeletal causal model: ory. The hearer is a competent language-user,
(I + V) ~> R, and he is acquainted with the connection be-
where ‘I’ stands for the ›instrumental cause‹, tween word and meaning. The acquaintance
‘V’ for the intermediate vyāpāra, and ‘R’ for or cognition may be called ‘śakti-jñāna’ or
the end-product. ‘vṛtti-jñāna’. The said connection is called
The model is applied to explain the origin ‘vṛtti’, and an awareness of it would be called
of any mental event, specially the cognitive ‘vṛtti-jñāna’. The general nomological rule is
events we call knowledge-episodes. In the case that whenever such cognition of the connec-
of perception, the sensory faculty is the ›in- tion between the two items is present a cog-
strument‹. What is instrumental to generate a nition of one will generate remembrance of
piece of knowledge (a pramā) is called an the other. Hence if words are cognized, mean-
epistemic means (pramāṇa). Thus the sense- ings are presented to the hearer. This is there-
faculty is called ‘pramāna’ (I) in the case of fore noted as an auxiliary factor. It is easy to
perception and the sense-object connection is see why this factor is necessary. If the hearer
the intermediate vyāpāra (V). The end-prod- hears a word, say ‘a pot’, and comprehends
uct (R) is the perceptual knowledge. In the its meaning, and then remembers through
case of inference, the knowledge of concom- association another item, say the space (since
itance or pervasion (vyāpti, i. e. implication) he recalls that a pot is always in the space)
5.  Indian philosophy of language 89

he may then have an awareness where the words, ‘drink’ and ‘milk’, are set apart spatio-
two items are computed as ‘a pot in a space’. temporally or intervened by such words as
But this would not be a piece of knowledge ‘eat’ and ‘rice’, as in ‘drink eat milk rice’, the
derived from any linguistic expressions or hearer will fail to get the message. The hear-
śabda, for the second item, the space, was er’s awareness of the meaning of the uninter-
presented in a different way, not as the mean- vened sequence of words is another auxiliary.
ing of the word ‘(the) space’ by the utterance This seeks to avoid to some extent the struc-
of the word ‘(the) space’. The above factor is tural or constructional ambiguities of sen-
noted so as to ensure that the resulting knowl- tences, etc.
edge is generated solely from the linguistic
expressions through our cognition of their 6.2. An alternate account by the
meanings. Grammarians and the Mīmāṃsakas
Some further considerations enter in the
account of the origin of speech-generated So far, I have delineated the mainstream view
knowledge. Naiyāyikas note four further aux- in the Navya-Nyāya tradition ignoring any
iliaries, which are also necessary. Even if the difference of opinion and controversies within
bits of knowledge of the word-meanings are the Nyāya tradition or even between Nyāya
presented by the knowledge of the words in schools and others. My concern here has been
the relevant manner there must exist syntactic to give a causal account of the origin of the
expectancy between the words uttered in se- mental episode called ‘śābdabodha’, i. e. the
quence. In other words, words must be related hearer’s knowledge from the linguistic utter-
to each other in the way they are made to ance, underlining the usual nomological con-
relate in a given linguistic practice. There is nection between mental events. ‘Śābdabodha’
syntactic expectancy between word A and is also used, by extension, to denote the de-
word B, if the utterance of A cannot contrib- scription of the content of the hearer’s rele-
ute to the knowledge of the sentence-meaning vant knowledge. Given a sentence-utterance,
without being in combination with word B. one may ask: What is its śābdabodha? The
It follows that the utterances of words must answer is presumably given by describing the
follow an established linguistic practice, i. e. knowledge-episode which is produced in the
the grammar and syntax of a particular lan- hearer by the utterance. In this way, an in-
guage. Some have said that syntactic expec- stance of śābdabodha is given by the descrip-
tancy is in fact the sequential order in which tion of exactly the message contained in and
words and suffixes are arranged in a partic- communicated through the utterance of the
ular language following its rules of grammar sentence. This description corresponds very
and syntax (ānupūrvī = ākāṅkṣā). A se- roughly to what we sometimes call a ‘para-
quence of word utterance that violates these phrase’, provided such paraphrasing is done
established rules will not be potent to set the following a definite set of ›translational‹ rules.
mechanism in action and produce the relevant The idea is to represent the meanings of each
hearer’s knowledge. With such input, there is word along with its semantic connection with
no output such as an episode of word-gen- others in the cluster. Implicit relations are
erated knowledge. thereby made explicit and the meaning in-
The words and inflections may be juxta- tended by the speaker of the original sentence
posed following the rules of grammar and is supposed to be rendered unambiguous.
syntax, but if they are juxtaposed at random This process is variously called ‘śābdabodha’,
in this way, the result may still be at times a ‘anvayabodha’ or ‘vākyārtha-bodha’ (knowl-
nonsensical utterance such as ‘pigs fly’ or edge of the ›meaning‹ of the sentence).
‘drink bananas’. These utterances lack se- I have used the word ‘meaning’ here with
mantic fitness or compatibility (yogyata). some trepidation. It is clear from above that
Again, such utterances cannot be proper in- the Naiyāyikas along with many others in
puts for the śābdabodha mechanism. Thus India are trying to articulate the hearer’s
the hearer’s lack of awareness that the items meaning. Meaning, as the modern adage goes,
do not fit is a necessary factor, another aux- is not ›in the heads of the speakers‹, nor is it
iliary for language-generated śābdabodha. ›in the heads of the hearers‹ either. In actuality
The hearer should also have clear indication the hearers sometimes may hear but not fully
as to the spatio-temporal togetherness of the comprehend what is said. What goes on in
relevant words. This is ensured by the phys- the ›inner world‹ of the individual hearer is
ical proximity of such words. If the two not presumably accessible to us. We therefore
conceive here an ›ideal hearer‹ who is also a
90 I. Raum-zeitliche Übersichten

competent language-user. The idea is that the root and the verbal suffix. For example, ‘pa-
structured thought or knowledge-episode that cati’ [cooks] = ‘pac’ + ‘(a)ti’. According to
is supposed to arise (being caused in the above the Vaiyākaraṇas (Grammarians), the mean-
manner) in the ›ideal hearer‹ is what is shared ing of the verbal root (e. g. ‘pac’) is dominant,
by all language-user and hence inter-subjec- and therefore this should be selected as the
tively available. The knowledge-episodes aris- principal qualificand while a structural de-
ing in all individual hearers are distinct scription of the śābdabodha is in order. Con-
events, but, on this theory all such events sider the sentence
share the same structured content, provided ‘Rāmaḥ annam pacati’ [Rama cooks rice].
the original causal mechanism is triggered off It should first be analysed into the constituent
by the utterance of the same sentence in the lexical and grammatical elements (altogether
same situation (by the same speaker). In fact, six such elements here) as
the ideal hearer is like a computing machine, ‘Rāma + S/ anna + am/ pac + (a)ti’
where the input would be the utterance and Here ‘ti’ which is technically called ‘ākhyāta’
the output would be a corresponding here, means ›agency‹ which qualifies the
uniquely structured knowledge-episode. In meaning of the verbal root ‘pac’, i. e. the
conceiving such an ›ideal hearer‹, we have to cooking or the action conducive to cooking.
exclude obviously a number of other variable In fact the verbal root is said to have both
factors that may inhibit the functioning of meanings, the result (phala, here: cooking)
the said machine. The Naiyāyikas have and the activity conducive to such result. The
claimed in this way that an account or anal- meaning of the second ending or inflection,
ysis (or structural description) of the object- ‘am’, in the nominal root ‘anna’, is karma,
complex grasped by the knowledge-episode the accusative, or rather the substratum of
would be an account of the meaning of the accusativeness, and this is connected with the
sentence. Hence the equation: śābdabodha = meaning of the root itself by the relation of
vākyārthabodha. The ›meaning‹ is the object- identity. That is, the substratum, denoted by
complex related in a given manner that has ‘am’ is identical with rice (the meaning of
been grasped by the knowledge of the hearer ‘anna’). This complex is then connected (as
when he hears the sentence uttered. being the accusative) with the meaning of the
The said knowledge-episode is qualificative verbal root, cooking, being softening of the
in character. Its structure is assumed to be rice grain as well as the operation or activity
attributive-substantive in form (that is, the conducive to such softening. The ākhyāta, i. e.
›qualifier-qualificand‹ model), and hence the ‘ti’ has three meanings apart from meaning
structural description seeks to identify what agency, a substratum, a number (singular),
qualifies what: If ‘x is qualified by y’ then x and a particular time (present time). The one
can be called the qualificand, the substantive, with the first inflection, Rāma, is connected
and y the qualifier, the attribute. The lexical with the substratum of agency by the relation
items along with the grammatico-syntactic el- of identity, the number also goes along with
ements of the uttered sentence are mapped it, and the present time qualifies the operation
into the object-complex of the said knowl- or activity, one of the meanings of the verbal
edge-episode following some conventional root. Besides, I have already noted that the
rules of mapping. There is however difference meaning of ‘ti’ qualifies the meaning of ‘pac’.
of opinion among the philosophers as to Hence the description of the content of the
which word in the sentence would contribute śābdabodha, according to the Vaiyākaraṇas,
its meaning-element as the chief qualificand, is as follows:
the chief substantive. The chief qualificand is (1) It is the activity, which is presently taking
the nucleus around which the other elements place, which is tied to the substratum
would gather as qualifier, qualifier of the which is identical with one (single) Rāma,
qualifier, the bonding agent between a qual- and which is conducive to the softening
ifier and a qualificand and so on. located in the substratum which is iden-
The Grammarians and the Mīmāṃsakas tical with rice.
believe that the principal element in a sentence
is the verb itself and hence part of the mean- In the above presentation, I have followed
ing-complex of the verbal expression should the old Vaiyākaraṇas. The New Vaiyākaraṇas
be the chief qualificand. In Sanskrit, the ver- would have a slightly different structural de-
bal expression has two main parts, the verbal scription. Roughly the New School as found
e. g. in the writings of Nāgeśa (ca. 1670—
5.  Indian philosophy of language 91

1750) and Kauṇḍabhaṭṭa (ca. 1610—1660) To avoid complications I have omitted the
would say: mention of singularity or singleness (ex-
(1 a) The activity of cooking occurring in pressed by the singular suffixes) in such items
present time has an agent which is iden- as the karman (rice), and the agent (Rāma).
tical with Rāma (or qualified by Rāma I have also avoided complications in the Eng-
as its agent) and qualified by rice which lish presentation by not giving the detailed
is connected with it by way of being its analysis of the connection between such items
object. as making function and cooking, cooking and
rice, cooking and firewood.
According to the Mīmāṃsakas, the meaning The Naiyāyikas however give a different
of the verbal suffix or ākhyāta, not of the analysis, for they believe that the word with
root, should be the principal qualificand. This the first ending (prathamā vibhakti) should
meaning is identified by the Mīmāṃsakas as be given primacy in a sentence and hence its
bhāvanā [making something to be, to become meaning should be selected as the chief qual-
or to happen]. Āpadeva (ca. 1610 A. D.) has ificand. All the other meaning elements in-
defined bhāvanā as “bhavitur bhāvanānukūlo cluding that of the verbal root or verbal suffix
bhāvaka-vyāpāraviśeṣaḥ” (Āpadeva 1911, 1). should be connected with this element as its
It is argued that in each sentence there is a qualifiers. To use an imagery, according to
verb, and in each verb there is an implicit the Vaiyākaraṇas, the meaning of the verbal
verb ‘bhū’ [to be, to become]. When some- root, and according to the Mīmāṃsakas, the
thing becomes, that which happens or be- meaning of the final verbal suffix, should be
comes is called ‘bhavitṛ’ [become-er] and it at the centre around which all other meaning-
presupposes something else that makes it be- elements should rotate. According to the Nai-
come, and the second item is called ‘bhāvaka’ yāyikas, the meaning of the word with the
or ‘bhāvayitṛ’ [maker of becoming]. Bhāvanā first ending (usually the nominative or the
is the operation or function of the maker subject), should be at the centre around which
conducive to his making whatever he makes. other elements should rotate.
Bhāvanā is therefore the making function. The meaning of ‘ti’ in ‘pacati’ on this view
This is expressed by the ākhyāta, ‘ti’, in ‘pa- is the effort, a property, which can be located
cati’, and according to the Mīmāṃsakas, this in the agent who cooks. Udayana (ca. 975—
meaning is the chief qualificand which the 1050) in Nyāyakusumāñjali gives the initial
action of cooking qualifies as a qualifier. In paraphrase of ‘pacati’ [cooks] as ‘pākānu-
fact, the action of cooking becomes the object kūla-vartamāna-yatna-van’ [possesses effort
(karman) or the instrument (karaṇa) of the at present conducive to cooking]. The Nai-
making function (bhāvanā). ‘Pacati’ [cooks] yāyikas in this regard have sometimes been
is paraphrased as ‘pākam karoti’ [makes followed by the Ālaṃkārikas such as Jagan-
cooking], and ‘annam pacati’ [cooks rice] is nātha (17th century) and Vedāntins such as
paraphrased as ‘pākena annam karoti’ [makes Dharmarāja (17th century). Consider the sen-
rice by cooking]. Here the meaning of the tence:
verbal root takes the role of a kāraka, a ‘Rāmaḥ mahānase kāṣṭhena annam pacati’
›maker‹, an auxiliary to making, just as the [In the kitchen Rāma cooks rice with fire-
meanings of the nominal roots are kārakas wood].
(and hence they take kāraka inflections ex- The structural description of the relevant
plicitly). Consider the sentence: hearer’s knowledge (generated in the above
‘Rāmaḥ kāṣṭhena annaṃ pacati’ [Rāma manner by the utterance) would be:
cooks rice with fire-wood]. (3) It is Rāma who is qualified by the effort
The initial paraphrase on this view would be: that is conducive to cooking, which cook-
‘Rāmaḥ kāṣṭhena pākena annaṃ karoti’ ing has rice as its object-goal (i. e. quali-
[Rāma makes rice by cooking by firewood]. fied by the ›object-hood‹ in rice), which
The final structural description of the knowl- is qualified by instrumentality in fire-
edge would be wood, and it is the same Rāma who is
(2) It is a making function, which is happen- qualified by being located in the kitchen.
ing at present, which is done through the
instrumentality of cooking (i. e. qualified The last clause can also be written as
by cooking), which (cooking) has rice as
its object-goal (karman) and is done
through the instrumentality of firewood,
and it is the making function qualified by
Rāma as its agent.
92 I. Raum-zeitliche Übersichten

(3 a) [...] which cooking is qualified by being ious verbs, ‘cooking’, ‘going’ and ‘knowing’)
located in the kitchen. etc. In fact the connectors are regarded as the
semantic counterpart of various syntactic-
In fact (3 a) would be more in accordance grammatical elements represented in the sur-
with the grammatical convention according face structure of the sentence. Identity is usu-
to which the locative is a kāraka which pro- ally the connector between the meaning-ele-
vides the location of the action. ments where two or more words are apposi-
The above way of representing the knowl- tional (have same endings or vibhakti).
edge-content is admittedly very cumbersome In the above analysis, the following cor-
and tenuous specially in its English version. relation between the linguistic elements and
In Sanskrit however, part of the complexity the corresponding components of the knowl-
is resolved by natural nominalizations, com- edge-content of the hearer has been made:
pound-formation, etc., which are very com-
mon features of the Sanskrit language. To Linguistic elements Components of knowledge
represent clearly the structure or formation The word ‘Rāma (+ s)’ Rāma
of this rather artificial description of the The verbal suffix ‘ti’ The effort (kṛti)
knowledge-content, we may use a device The root ‘pac +’ The action of cooking
which I had suggested earlier (Matilal 1968). ‘mahānasa +’ kitchen
Use ‘Q’ for qualification-connector and read The affix (locative) ‘-e’ location or occurrenthood
‘Q (ab)’ as ‘a (is) qualified by b’. Allow the ‘kāṣṭha +’ firewood
following formulas: The instrumental suffix ‘-ena’ instrumentability
(i) Q (ab) Q (ac) = Q (a (bc)). ‘anna +’ rice
(ii) Q (ab) Q (bc) = Q (a Q (bc)) The accusative ‘am’ objecthood
The affix ‘s’ in ‘Rāmaḥ’ The meaning of the stem
Read (i) as ‘a (is) qualified by both b and c’ itself (prātipadikārtha)
and (ii) as ‘a (is) qualified by b which is
qualified by c’. Using this convention we may 6.3. Supporting arguments for either view
represent (3 a) as
(3 a′) Q (a Q (e Q (e (rfk))) Both the Naiyāyikas and the Vaiyākaraṇas,
Where a = Rāma, e = effort, c = cooking, and also the Mīmāṃsakas, have given argu-
r = rice, f = firewood, and k = kitchen. ments to support their respective positions.
The above structural representation both re- The details of these arguments I shall omit
veals and conceals. We have used a simple here. Only one argument may be mentioned.
connector-function, a two-place predicate ‘Q’. This is based upon the supposed relationship
But in each case the specific nature of this between a sentence with a sub-sentence.
connector is different and hence it needs to Consider: ‘Look, the deer runs’ (Paśya
be spelled out in each case to reveal the struc- mṛgo dhāvati)
ture in full. In the fully explicit Sanskrit rep- The Vaiyakāraṇas argue that since this is
resentation, each connector is articulated in to be treated as a single sentence with one
language. For example, the connector be- principal qualificand in the content of the
tween cooking and rice is the objecthood that verbal knowledge, their own analysis with the
is resident (niṣṭha) in rice and conditioned meaning of the verbal root as the principal
(nirūpita) by cooking. When even a deeper element provides a better structural descrip-
analysis is required, it would be represented tion.
by saying that cooking is connected with ob- (1) It is the seeing (by you) which is the object
jecthood and objecthood is connected with of command, and which is at the present
rice. Writing ‘o’ for ‘objecthood’ we can write: time and which has the running as its
Q (c, r, Ro) object, which running belongs to the deer
and read it as ‘Rice qualifies cooking through as its agent.
objecthood connector’. Here, since the object (karman) is expressed
These ›connectors‹ or ›mixers‹ between the by a verbal root (dhāv [run]), and not by a
meaning-elements are usually of two types: nominal root, one would not expect a second
non-identity and identity. Non-identity has ending ‘am’ (those endings are specifically
various sub-categories, owner-owned (repre- meant for nominal stems). The proto-analysis
sented usually by genitive), location-locatable of the Naiyāyikas would have been
(represented by locative suffixes), objecthood,
goal-hood, contenthood (all represented by (1 a) The deer is qualified by the effort con-
the accusative suffix in connection with var- ducive to running, and your being the
5.  Indian philosophy of language 93

location of seeing is the object of com- the structure of the object complex being
mand. uniquely determined by the particular sen-
Here clearly we have two sentences joined by tence that is uttered. In the case of perceptual
‘and’, and the two components are independ- knowledge such unique determination is ab-
ent of each other. But this is counter-intuitive. sent. For example, consider a perceptual sit-
For intuitively this sentence is to be treated uation where a cat is sitting on the mat. The
as a single sentence with a subordinate clause object complex which produces the perceptual
or subsentence. If however the first part is awareness has a ›neutral‹ structure, a cat, a
made dependent upon the latter part, the deer mat and a connection. The resulting percep-
would undoubtedly be the object (of seeing) tual knowledge may have either of the two
and hence the word for deer would have to forms: ‘The cat is on the mat’ or ‘The mat is
be inflected with second (accusative) ending. under the cat’. Different verbal expressions of
The Naiyāyikas do not think this to be a the perceptual knowledge reveal different
serious argument. For the above sentence can structures. But the utterance of ‘The cat is on
also be explained on their theory as one single the mat’ would produce in the hearer a knowl-
sentence with one subordinate clause. edge-episode with a determinate structure. It
(2) You are the locus of a commanded seeing, is the cat qualified by the occurrence-in-the-
which seeing has such deer as its object, mat. From the utterance of ‘The mat is under
as is qualified by the effort conducive to the cat’ there will be a different knowledge-
running. episode in the hearer.
The same feature, that of having a struc-
Here the entire sentence (subsentence) ‘the ture uniquely determined by the particular
deer runs’ refers to the object of seeing, not utterance, distinguishes language-generated
simply the expression for the deer, and there- knowledge from inference also. In inference,
fore there is no scope for the second (accu- the final knowledge episode is produced by
sative) ending to appear as an inflection for what is called a ‘parāmarśa’, a combined
the subsentence. Such inflections to be sure judgement based upon an awareness of the
appear in nominal roots only, not in a sen- presence of evidence (of liṅga or hetu), and
tence as a whole. another awareness (knowledge) of its con-
I shall conclude by noting a few arguments comitance with the inferable feature, the sād-
of the Naiyāyikas in support of the language- hya. The combined judgement may take ei-
generated knowledge as a separate knowl- ther of the two forms (revealing two different
edge, distinct from perception and inference. structures of the object complexes of the
In other words, a question generally arises: knowledge):
Why the hearer’s relevant knowledge from ‘The hill has smoke which is concomitant
the utterance cannot be a special case of in- with fire’
ference or even a case of perception? Why it or
should be regarded as another category of ‘There is such smoke on the hill as is con-
knowledge-episode, called ›verbal knowl- comitant with fire’.
edge‹? Both the Vaiśeṣikas and the Buddhists These judgements lead to two different
have settled for inference. That is, for them, knowledge-episodes (i. e. inferential knowl-
this so-called ›verbal knowledge‹ or speech- edge):
generated knowledge is only a special case of ‘The hill has fire’
inference. But the Naiyāyikas find it impor- or
tant to distinguish verbal knowledge from ‘There is fire on the hill’.
both perception and inference. Many argu- Although the verbal expressions of these two
ments have been given by Udayana as well inferential knowledge-episodes imply each
as other Naiyāyikas. I shall note only one other, the knowledge-episodes themselves are
argument here which will be based on Jagad- different as episodes. Hence the structural
īśa (ca. 1600 A. D.). content of the inferential knowledge-episode
He (Jagadīśa 1934) says that the verbal is not uniquely determined by the evidence or
knowledge or śābdabodha or the knowledge- the inferential mark (liṅga). But in the case
episode arising in the hearer from the utter- of the uttered sentence ‘The hill has fire’ there
ance of a sentence has always a determinate will arise a knowledge-episode with a
structure that constitutes it (niyantritārtha). uniquely determined structure. Thus, argua-
This determination is a causal determination, bly a śābdabodha, the hearer’s knowledge,
94 I. Raum-zeitliche Übersichten

has a distinct feature and it is distinguished edge.


from perception and inference. But of course, Matilal 1985, Logic, Language and Reality. An In-
if we wish to put little importance on this troduction to Indian Philosophical Studies.
feature of having a uniquely determined Staal 1969, Sanskrit Philosophy of Language.
structural content, the distinction between in- Sastri 1959, The Philosophy of Word and Meaning.
ference and śābdabodha may be eliminated.
Scharfe 1977, Grammatical Literature.
Siderits 1991, Indian philosophy of language.
7. Selected references Ruegg 1959, Contributions à l’histoire de la philo-
sophie linguistique indienne.
Biardeau 1964, Théorie de la Connaissance et Phi-
Kunjunni Raja 1969, Indian Theories of Meaning.
losophie de la Parole dans le Brahmanisme Clas-
sique. Bimal K. Matilal, Oxford (Great Britain)
Bilimoria 1988, Śabdapramāṇa: Word and Knowl-

6. Chinese philosophy of language

1. Introduction whether it is ›so‹ (ran) that it is white or


2. Confucian and Mohist theories of naming someone is riding it. Although some (e. g.
3. Sophist and Taoist criticism of language Fung 1952 , 2 03 ff) have claimed to find real-
4. Selected references ism in Chinese philosophy, all explicit theories
of naming in the classical period take nomi-
nalism for granted. The terms closest to
1. Introduction ‘meaning’ are ‘zhi’ [point out (objects from
China provides the unique instance of philos- each other)] and ‘yi’ [idea, image (of ob-
ophy of language developed in a language of jects)]. In order to escape as far as possible
uninflected words organised solely by word from imposing Western preconceptions on
order and the functions of grammatical par- Chinese thought, it will be necessary to root
ticles. In the absence of morphological fea- the exposition in non-technical equivalents of
tures such as compel attention in Indo-Eur- the key Chinese terms (e. g. avoiding ‘true’
opean and Semitic languages, there is little to for ‘so’, and refusing such Western technical
make Chinese aware of the structure of their terms as ‘class’, ‘category’ or ‘species’ for ‘lei’
own language. Linguistic study therefore [kind]), and also to translate at some length
centred on lexicography rather than on gram- in order not to lose touch with the manner in
mar, and philosophy of the classical period which the thought proceeds. Only philosophy
(500—2 00 B. C.) on the name rather than the of the classical period, when the main lines
sentence; (only one text clearly distinguishes of thought were laid down, will be considered
sentence from complex name, cf. 2 .1.4). Phi- here.
losophy of language is nevertheless quite cen-
tral to Chinese thought whenever it passes 2. Confucian
from moral and political to epistemological
and logical questions, which are discussed in and Mohist theories of naming
terms, not of abstract entities, but of fitting
ming [names] to shí [objects] (concrete and 2.1. Later Mohism
particular). In philosophical discourse the
regular way of asking ‘What is X?’ is ‘What 2.1.1.  Chinese philosophy of language has no
does one call ‘X’?’ (he wei ‘X’). There is con- known mythological background. Attention
sequently no tendency to think of each name to naming begins in concern with the im-
as representing an entity: ‘horse’, ‘white’ and proper use of ritual and moral terms. The
‘ride’ all raise the question whether in their slogan ‘Make names correct’ already appears
different ways they ›fit‹ (dang) the particular in a saying doubtfully ascribed to Confucius
object, whether it is ›this‹ (shì), a horse, and (551—479 B. C.), on the regulative function
of names in ordering society:
6.  Chinese philosophy of language 95

“When names are incorrect saying is off course, & dealing with them in the same order. A point
then things are left undone, & then rites & music long overlooked (as in Hansen 1983, 100 ff),
do not flourish, & then punishment misses the resulting in serious confusion about Chinese
mark, & then the people have nowhere to lay hand logic, is that explanation of names (Canons
or foot. Therefore what the gentleman puts a name A 70—75, B 32 —82 ) and of joining names to
to can always be said, & what he says can always objects (Canons A 1—6, A 88—B 12 ) are
be put into effect. It is simply that the gentleman treated in different parts of the book as fun-
is never careless in what he says” (Analects 13.3). damentally different disciplines, of which only
Theorising begins in the 4th century B. C. the former relates to logic. The crucial differ-
with the sophists, from whom few fragments ence is that, since objects change, their rela-
remain (cf. 3.1.1.—4.). But from ca. 300 B. C. tion to names also changes, while relations
we have a manual of disputation from the between names do not. The Canons on change
school of Confucius’ earliest rival Mozi (late conclude the definitions with “›Staying‹ is
5th century B. C.), the Canons and their Ex- continuing as such” (Canons A 50), “ ›Neces-
planations, as well as the remains of two frag- sary‹ is unending” (Canons A 51). Names only
mentary treatises, Expounding the canons and temporarily ›stay‹ in objects, allowing the last
Names and objects (ch. 40—45 of the Mohist of four kinds of doubt (classified in Canons
corpus M ozi, translated Graham 1978). The B 10): “Is it knowing, or is it supposing the
Canons divide into a series of 75 definitions already ended to be so?”. Between names
of logical, ethical and geometrical terms, with however there are relations which never end,
an appendix listing different usages of a fur- and also, as causal necessity, between objects.
ther 12 (A 1—87), and a series of 93 propo- The relations are the ›joins‹ (classified in three
sitions (A 88—B 82). kinds in Canons A 83), one of them necessary:
“If without the other it is necessarily absent, the
2.1.2.  ‘Name’ is classed among the terms with join is necessary. The judgments of the sages, em-
different usages. ploy but do not treat as necessary. The ›necessary‹,
“Name: Unrestricted, of the kind, private. Ex- accept and do not doubt”.
planation: ‘Thing’ is unrestricted; any object nec-
essarily awaits this name. Naming something 2.1.3. Explanation of names
‘horse’ gives its kind; for ›like the object‹ this name
is necessarily usable. Naming someone ‘Zang’ is
Since a common name is applied on the basis
private; this name stays confined to this object”
of similarity, one requires a standard for the
(Canons A 78).
name:
“The ›standard‹ is that in being like which it is so.
It may be noticed that the assumption that
Explanation: The idea, the compasses, a circle, all
one applies common names on grounds of
three may serve as standard” (Canons A 70).
similarity is so deep-rooted that ‘thing’, being
applied irrespective of similarity, is classed Although the Mohist frequently mentions
separately like the proper name. Referring to saying as the transmission of ideas or images,
an object by name, and all saying, are under- this does not affect his position as nominalist,
stood as presenting what the object is ›like‹: not conceptualist; it is only in the absence of
“›Referring‹ is presenting the analogue for an actual circle for comparison that one has
the object” (Canons A 31); “›Saying‹ is utter- to imagine one. The Mohist art of disputation
ing references” (Canons A 32 ). The proof that is based on the principle that a name, e. g.
knowledge of an object is sufficiently con- ‘ox’, either fits an object or does not, in which
veyed by names for what it is like is that to case what does fit is ‘non-ox’: “they do not
say that an unknown object is in colour like both fit, and if they do not both fit necessarily
a known object which is white conveys that one does not fit” (Canons A 74). Debate on
it is white (Canons B 70). Knowledge, other whether an object is ox or horse (it could be
than of concrete objects and of how to act, neither) or whelp or dog (it could be both)
is conceived exclusively in terms of naming: are excluded on principle from the art; “in
“Knowing: By hearsay, by explanation, by personal
›disputation‹ one calls it this, the other calls
experience. Of names, of objects, of how to join
it not this, and to fit is to be the winner”
them, of how to act” (Canons A 80).
(Canons B 35). Namings are said to ›exclude
The fourfold classification of knowledge each other‹ or ›follow from each other‹, but
by explanation seems to be the basis of the the Mohist has the same indifference as all
organisation of the Canons, since both defi- Chinese thinkers to the forms of argument.
nitions and propositions run in sequences His whole attention is focused on the defining
of names. Thus he has no account of the
96 I. Raum-zeitliche Übersichten

syllogism but does have definitions of the swer) If men do not fill the limitless, men are
quantifiers: “ ‘All’ (jin, verbally ‘exhaust’, ad- limited, and there is no difficulty about exhausting
verbially ‘all’) is none not being so” (Canons the limited. If they do fill the limitless, the limitless
A 43), “ ‘Some’ is not all” (Names and objects has been exhausted, and there is no difficulty about
5). He uses ‘xian’ [beforehand (of knowl- exhausting the limitless” (Canons B 73).
edge)] founded on the operation of names
without appeal to observation (cf. our ‘a 2.1.4. Explanation of joining names to
priori’), and says of the circle: “By the things objects
which follow from or exclude each other one
may know beforehand that something is this” This second discipline is concerned, not with
(Canons A 93). It is characteristic of his ap- inferring from the known to the unknown,
proach that he offers no consecutive demon- but with describing the known consistently,
stration of this claim, instead designs his scat- naming the similar similarly and the different
tered definitions to interlock in a chain arrivat differently. Four varieties of sameness and
‘circle’ from the undefined terms ‘like’ and difference are distinguished (Canons A 86,
‘so’ (= ‘like it’) at the foundations of his 87): being identical or two, belonging to a
theory of naming. “ ›Exhausting‹ is none not whole or not belonging, being together or not,
being so” (Canons A 43), “ ›Same in length‹ is being of a kind or not. Whether two objects
exhausting each other when laid straight” are judged the same or different is for some
(Canons A 53). “The ›centre‹ is the place from names relative to a third object (‘more/less’,
which they are the same in length. Explana- ‘elder/younger’), for other names is not
tion: Distances outward from this are alike” (‘white/black’, and above all the crucial ‘this/
(Canons A 54). “ ›Circular‹ is having the same not this’) (Canons A 88). The Canons lay
lengths from one centre” (Canons A 58). The down a procedure in four stages for defending
weak link is ›straight‹, which he has to define a description (Canons A 93—B 2 ): (1) The
by visual alignment (a difficulty familiar also ›commitment‹; to explain why you call some-
in the Western tradition): “›Straight‹ is thing short you say what you are committed
aligned” (Canons A 57). Similarly he describes to calling long. (2 ) The ›standard‹ for the
the virtues and vices as “what the sage desires name (cf. 2 .1.3.). (3) What you depend on
or dislikes beforehand on behalf of men” (Ex- (yin) in applying a standard which does not
pounding the canons 2 ), and organises his eth- fit exactly. ‘Circle’ does fit exactly, but to
ical definitions in a chain deriving from the apply ‘black man’ to a man only partially
undefined ›desire‹ and ›dislike‹ (the usages of black requires a decision as to which parts of
which he distinguishes in Canons A 84). The the body to depend on. (4) The ›kind‹; what-
Explanations attached to the Canons do in- ever name is given to the object must be
clude consecutive demonstrations. But even usable of all of the same kind. The Canons
in the following, very neat in form (to be discuss the sentence only in terms of ›linking‹
contrasted with the very different kind of names (Canons B 3); thus in describing two
argument used in joining names to objects, men one may link ‘both’ with ‘fight’ (‘They
2 .1.4.), the Mohist’s attention is not on an both fight’) but not with ‘two’ (‘They are both
abstractable form but on the precise use of two’), an observation which leads on to fur-
names: no less than seven of the words, the ther differentiations of distributive and col-
most important, have been defined elsewhere lective usages.
in the corpus. The issue discussed is whether We find a more advanced and presumably
one can love all men if their number is infinite, later system in Names and objects. This trea-
i. e. if space is infinite (for which ‘The south tise (which begins ‘Names and objects do not
is limitless’ was the standard formula) and is join necessarily’) distinguishes in its fragmen-
everywhere inhabited. tary first part between ›naming by shape and
“Being limitless is not inconsistent with some- characteristics‹ (e. g. ‘mountain’, ‘sword’),
thing being done to every one. Explanation: (Ob- ›naming by number and measure‹ (e. g. ‘big’),
jection) The south if limited is exhaustible, if lim- and ›naming by residence and migration‹ (e. g.
itless is inexhaustible. If whether it is limited or ‘Qin horse’). Observing that
limitless is not yet knowable, then whether it is “to have a certain Qin horse is to have a certain
exhaustible or not, whether men fill it or not, and horse & to know that it is the horse of a comer
whether men are exhaustible or not, are likewise from there”, and that “in cases where naming can-
not yet knowable, and it is fallacious to treat it as not be by shape and characteristics we may know
necessary that men may be exhaustively loved. (An- such-and-such even if we do not know this thing
is such-and-such” (Names and objects 2).
6.  Chinese philosophy of language 97

It arrives at the crucial insight that “know- clear that the exposure of idiomatic shifts is
ing is different from having an image”; thus the whole point of the exercise. Thus the
“having an image of a pillar is not having an Mohists had been accused of inconsistency in
image of wood, it is having an image of the advocating both love of everyone and exe-
wood of this pillar”, while on the other hand cution of robbers; it was objected that ›Rob-
“having an image of a catch of game is having bers are people, killing robbers is killing peo-
an image of birds” (Names and objects 3). ple‹. They discerned that what makes this
With recognition of the distinction between formulation treacherous is that it seems to
the complex name conveying an image and say more than ‘A robber is a man, to kill a
the sentence by which one knows, attention robber is to kill a man’; ‘sha’ [kill] combined
shifts to the similarities and differences be- with ‘dao’ [robber] becomes ‘sha dao’ [exe-
tween sentences. The four types of sameness cuting robbers], combined with ‘ren’ [people]
distinguished in the Canons (identity, belong- becomes ‘sha ren’ [murder], so that execution
ing to the whole, together, of a kind) are of an enemy of mankind seems to be the
repeated and summed up as “sameness with murder incompatible with love of mankind.
the same name”; then four more types are The confusion is exposed by classing this with
listed and contrasted with the former as sentences of the second kind which make sim-
“sameness with the some root” (Names and ilar idiomatic shifts (Names and objects 15).
objects 6). Of these two are plainly intelligible “Huo’s parent is a person, serving her parent is
from the many examples of parallel sentences not ›serving a person‹ (shi ren [serving a husband]).
quoted as the same or different, and as about Her younger brother is a handsome man, loving a
being ›this‹ or ›so‹: ›sameness in being this‹ younger brother is not ›loving a handsome man‹
(of ‘A white horse is a horse’ and ‘A black (loving him for his looks) [...] The whole world
horse is a horse’) and ›sameness in being so‹ agrees in accepting these; but if such is the case,
(of ‘Rides a white horse’ and ‘Rides a black there is no longer any difficulty in admitting that,
horse’). It seems then that the ›root‹ is the although robbers are people, loving robbers is not
complement (‘is a horse’) or the main verb ›loving people‹ (loving mankind), not loving rob-
(‘rides’), which in Classical Chinese are most bers is not not loving people, killing robbers is not
conveniently treated, not as predicated of a ›killing people‹ (murder).”
subject, but as the sentence core expandable If this argument is mistaken for a muddled
with dependent elements including the sub- attempt at logical demonstration (of which
ject. This interpretation of the ›root‹ agrees we saw a meticulous example in 2 .1.3.), it
with the description of the ›ci‹ [sentence] seems to depend on an arbitrary decision to
(Names and objects 10): class with the second instead of the first kind
“The sentence is that which is generated in accor- of sentence. But an opponent could not reply
dance with facts, grows up according to a pattern, ‘I prefer to class with ‘A white horse is a
and proceeds according to its kind”. horse, riding a white horse is riding a horse’’
As for ›proceeding according to its kind‹, without shifting the meaning to the neutral:
‘A white horse is a horse’ proceeds (xing) to ‘A robber is a man, killing a robber is killing
‘Riding a white horse is riding a horse’ (i. e. a man’, emptying the sentence of the pejora-
implies it), but there are superficially parallel tive associations incompatible with universal
sentences which do not proceed similarly, be- love. It may be noticed that quantification is
cause they are not of the same kind. To sort irrelevant to this issue; when Names and ob-
out the possibilities of confusion the Mohist jects does introduce quantification, it is in
distinguishes between cases of (1) ›being this making another sort of distinction, between
(e. g. horse) and so (that one rides it)‹ (2 ) ‘He rides horses’ (which implies only having
›being this but not so‹ (3) ›being not this but ridden at least one horse, Names and objects
so‹. He then lays out series of parallel sen- 17) and the superficially parallel ‘He loves
tences, by comparison with which one decides people’ (which implies loving all mankind).
to which kind a sentence belongs. His group- These and other analyses and comparisons
ings of sentences alike in form are easily mis- show that sentences
understood as a unique case of a Chinese “become different as they proceed, become dan-
thinker attending to logical form, but misled gerous when they change direction, fail when car-
by failure to notice idiomatic shifts. But once ried too far, become detached from their base when
it is seen that they belong to his art of con- we let them drift, so that we must on no account
sistently joining names to objects, it becomes be careless with them, and must not use them too
98 I. Raum-zeitliche Übersichten

rigidly. Hence saying has many methods, separate make their conventional names general and thereby
kinds, different reasons, which must not be looked mark things off from each other” (Xunzi 142).
at only from one side” (Names and objects 12). We observe similarities and differences be-
tween objects, then
2.2. Xunzi “we proceed to name them. If they are similar name
them similarly, if different differently. If a single
2.2.1.  Among early Confucians Xunzi (ca. name is sufficient to communicate, use a single
2 98—2 38 B. C.) has an essay M aking names name; if not, use a compound. When the single is
correct. Like the Canons, on which it probably nowhere inconsistent with the compound, it is more
depends, this begins with a series of defini- general, and it is no objection to it that it is more
tions of key terms. Xunzi recognises naming general. To know that different objects have dif-
as by convention, a point not made explicitly ferent names and therefore make every different
in surviving Mohist texts, although probably object have a different name, so that they cannot
implicit in their criticisms of Zhuangzi be confused, would be no better than making every
(3.2.2.). different object have the same name. Therefore,
“Names have no inherent appropriateness, one although the myriad things are so many, there are
names by convention. When the convention is fixed times when we wish to refer to all of them, and
& the usage established one calls them appropriate, therefore call them ‘things’. ‘Thing’ is the major
when they differ from the convention one calls general name. Pushing forward to generalise, be-
them inappropriate” (Xunzi 144). yond the general here is the more general, and only
Consequently names change with the when there is nothing more general do we stop.
times: “Should a true king arise, he will cer- There are times when we wish to refer to some
tainly follow some of the old names and in- rather than others, and therefore call them ‘birds’
vent some new names” (Xunzi 141). To invent or ‘animals’. ‘Bird’ and ‘animal’ are major distin-
names which conflict with the convention guishing names. Pushing distinctions further,
should be treated as “like the crime of falsi- within distinctions there are distinctions, and only
fying tallies and measures” (Xunzi 140). Al- when there are no more distinctions do we stop”
though like Names and objects he mentions (Xunzi 143 f).
the ‘ci’ [sentence], it is not clear that he has
got past the assumption of the Canons that it 2.2.2.  Xunzi lays down three tests of whether
is a mere ›linkage‹ of names: names are being properly applied; these may
“The object being conveyed when the name is heard be seen to correspond to the Mohist classifi-
is the function of names. Composing a text by cation of knowing how to join names to ob-
connecting them is the linking of names. When its jects, knowing objects and knowing names.
function and links are both grasped one is said to He classes fallacious propositions by which
know the name. The ›name‹ is the means of mark- test they fail. Test 1: ›the purpose of having
ing connected objects off from each other. The names‹, which is to clarify similarities and
›sentence‹ is a compounding of the names of dif- differences. The Mohist’s ‘Killing robbers is
ferent objects to organise a single idea” (Xunzi 147). not killing people’ is classed as a case of
His nominalism is as uncompromising as “disordering the names (i. e. in the description) by
the Mohist’s. ‘Shí’ [object] (unlike the more confusion in the use of names. If you test it by the
general ‘wu’ [thing]) is concrete and particu- purpose of having names and observe which alter-
lar: native proceeds, you can put a stop to it” (Xunzi
“There are things the same in characteristics but 145).
different in place, and things different in charac- Here Xunzi takes the common sense posi-
teristics but the same in place, which are to be tion that ‘Robbers are people’ does ›proceed‹
distinguished. Things the same in characteristics to ‘Killing robbers is killing people’, but he
but deemed different in place, although joinable we agrees with the Mohist in treating the issue
call two objects; things deemed different in that as one, not of inferring from the unknown to
characteristics have altered without objects becom- the known, but of coherently describing the
ing distinct we call ›transformed‹, and what has known.
transformation without distinction we call one ob- “Therefore the wise made for us divisions and
ject” (Xunzi 144 f). distinctions, in the first place to clarify levels of
Objects if similar can share a common value, in the second place to discriminate between
name. same and different. When levels of value are clar-
“With whatever is the same in kind and in es- ified, and same and different distinguished, there
sentials, the presentation by the senses of the image is in consequence never the trouble of intentions
of a thing is the same. Therefore, when compared, not being communicated, never the misfortune of
being assimilable they interchange; this is why we affairs being hampered and frustrated” (Xunzi 142).
6.  Chinese philosophy of language 99

Test 2 : ›the evidence on which we assimilate we may notice what seems to be an underlying
and differentiate‹, which comes from percep- assumption of Chinese in contrast with West-
tion by the five senses in conjunction with a ern thought, that language makes divisions in
judgment by the heart (supposed in ancient the whole rather than brings discrete entities
China to be the organ of thought). Such a together. Hansen (1983, 30 ff), in calling at-
claim as ›the essential desires are few‹ (a thesis tention to this difference, explains it by the
of Song Xing, 4th century B. C.) is a case of Chinese noun functioning more like the mass
“disordering the names by confusion in the consid- nouns of Indo-European languages than the
eration of objects. If you test it by the evidence on count nouns marked by grammatical number.
which we assimilate and differentiate, and observe Since dividing and naming are guided by both
which alternative agrees with it, you can put a stop subjective interests and objective differences,
to it” (Xunzi 145). Chinese thought does not draw a sharp line
Here we are in the realm of the Mohist between prescription and description; ›mak-
knowledge of objects; the thesis, as Xunzi ing names correct‹ is a socially regulative ac-
explains when directly criticising Song Xing, tivity not only for Confucius but for the whole
conflicts with the factual evidence that there tradition. Xunzi puts value distinctions before
is a wide variety of desires essential to being the same and the different (cf. 2 .2 .2 . Test 1);
human. Test 3: ›the pivotal requirements for for Zhuangzi dividing starts from self-centred
instituting names‹, in particular ›the conven- preference, and it is in ceasing to divide that
tion for the name‹ (presumably the defini- one finds oneself moving spontaneously on
tion). ‘A white horse is not a horse’ (a noto- the course which is the Way.
rious sophism of Gongsun Long, early 3rd
century B. C.) is a case of 3.1.2.  Radical questions about naming had
“disordering the objects by confusion in the use of already been raised by the sophists, of whose
names. If you test it by the convention for the work we possess only lists of unexplained
name, and use the accepted to show the fallacy in paradoxes (some ascribed to Hui Shi, an elder
the rejected, you can put a stop to it” (Xunzi 146). friend of Zhuangzi), and two essays (The
This belongs to the Mohist realm of knowl- white horse and Pointing and things) ascribed
edge of names, and for Xunzi too is the only to Gongsun Long. The latter are preserved in
type which raises logical issues. The Confu- the book Gongsun Long zi, the rest of which
cian Kong Chuan had replied to Gongsun (with the probable exception of a dialogue on
Long that ‘horse’ is simply more general than left and right) was forged between A. D. 300
‘white horse’. For Xunzi the same answer and 600. The white horse defends his sophism
would follow from his principle that a single ‘A white horse is not a horse’. Pointing and
name is more general than a compound, but things is the most variously interpreted doc-
if compatible with it can apply to the same ument in Chinese philosophical literature, but
object. The third type of error, like the second, on the reading assumed here (cf. Graham
is a factual mistake; unlike the second, it 1978, 457 ff) its theme is a crucial problem of
derives not from bad observation but from naming. Since the function of names is to
bad logic. point out one object from another (cf. Xunzi’s
›instituted names whereby to point out ob-
jects‹, 2 .2 .2 . Test 1), how can there be such a
3. Sophist and Taoist criticism name as ‘world’ to embrace the whole? Even
of language among Taoists, who are quite willing to ac-
cept the undivided as the nameless, one meets
3.1. The Sophists and Zhuangzi such a sentence as “ ‘Universal’, ‘everywhere’,
‘all’, these three are different names for one
3.1.1.  The Confucians and Mohists were object, what they point out is one” (Zhuangzi
moralistic schools, concerned with fixing 161). But if these names indeed serve to point
names in order to lay down the firm standards out, one is driven to the paradox enunciated
for the conduct of life and government which at the head of Gongsun Long’s essay: “When
constitute the ›Way‹ (dao) in which society no thing is not the pointed out, to point out
should be organised. The Taoist texts is not to point it out”. The essay starts with
Zhuangzi (nucleus by Zhuangzi ca. 32 0 B. C.) a defence of the thesis:
and Laozi (first attested ca. 2 50 B. C.) take “[...] That, nothing within the world being the
the opposite position, that standards and pointed out, a thing may not be said to be the
names hamper us in reaching the Way. Here pointed out, is there not being anything not the
pointed out, which is no thing not being the pointed
100 I. Raum-zeitliche Übersichten

out; and no thing not being the pointed out, to Hui Shi’s friend the Taoist Zhuangzi takes
point out is not to point it out”. up both these themes of the sophists, in the
The sophist then refutes the thesis, arguing swift fluid style which reflects his distrusts of
that the pointing out of world is the collection the precise formulations of sophists and Moh-
of the pointings out of things: ists.
“That nothing within the world is the pointed out “Saying is not blowing breath, saying says some-
derives from each thing having its own name and thing; the only trouble is that what it says is never
not being deemed the pointed out. When though fixed. Do we really say something? Or have we
not deemed the pointed out we say they are the never said anything? If you thing it different from
pointed out, we make a collection of the not the twitter of fledgelings, is there proof of the
deemed the pointed out [...] It is not that to point distinction? Or isn’t there any proof?” (Zhuangzi
out is not to point it out, it is pointing out with a 52 ). “If you look at them from the viewpoint of
thing conjoined which is not pointing it out.” their differences, from liver to gall is as far as from
Chu to Yue; if you look at them from the viewpoint
3.1.3.  Several of the sophisms preserved with- of their sameness, the myriad things are all one”
out their arguments raise issues of naming. (Zhuangzi 76 f).
The Mohists, while recognising that an object
may have more than one name, such as 3.1.4.  Much of Zhuangzi’s criticism takes ad-
‘whelp’ and ‘dog’, had denied that one may vantage of the Chinese practice of making
call a dog a ‘crane’, on the grounds that what judgments with demonstratives, ‘this’ or ‘so’
is so of it is not so of a crane. Such a transfer referring back to a name, which calls atten-
they call ‘loan-naming’, and object that tion (as Western ‘true’ does not) to the de-
“what it is loan-named it necessarily is not, other- pendence of a judgment on the initial choice
wise it would not be a loan-name. When a dog is of name. To assent to an object being an ox
loan-named to be a crane, it is as when ‘Crane’ is in Classical Chinese you must have divided
given as its personal name” (Canons B 8). off oxen as ›this‹ from non-oxen as ›that‹.
But the dismissal assumes that there are Nor is this the only preceding choice; the
already acknowledged standards for what is Mohists recognised that to describe objects
so of a dog and of a crane. If all naming is often assumes a choice, not only of the stan-
conventional, is any object in itself the thing dard for the name, but of which object or
we call it rather than another thing? Among part of it to ›depend on‹ (yin) in applying the
the propositions of the sophists is “A dog standard (cf. 2 .1.4.). This complication in-
may be deemed a sheep” (Zhuangzi 2 84), on spired the unattributed sophism “A white dog
which the commentator Sima Biao (died A. D. is black” (Zhuangzi 2 84), on which Sima Biao
306) says: comments:
“By the name one names the thing but it is not the “When a dog’s eyes are blind we call it a blind
thing. The name ‘dog’ or ‘sheep’ is not the dog or dog, when a dog’s eyes are big we do not call it a
sheep. If what is not a sheep may by naming be big dog. Here in the former case it is this and in
deemed a sheep, a dog may be named a ‘sheep’. In the latter is not. If so, a white dog with black eyes
Zheng what they call ‘pu’ is undressed jade, in may also be deemed a black dog”.
Zhou unprepared ratmeat. Therefore the form be- From such considerations Zhuangzi drew
longs to the thing but the name to man”. the radical conclusion that every judgment as
Difficulties were seen also in the assumption to what thing an object is starts from arbi-
that we can divide things into kinds and judge trary choices of which alternative is ›this‹
oxen similar to each other and different from rather than ›that‹ and of which tests to ›de-
horses. The Mohists themselves acknowl- pend on‹, which could just as well have been
edged that kinds differ in scale, the same made the other way round. Gongsun Long
object being on the smaller a deer and on the wasted his time trying to prove that a white
larger an animal (Canons B 2 ). Hui Shi sees a horse is not a horse; you have only to reverse
paradox in classing things as either the same the names ‘horse’ and ‘non-horse’, and what
or different: was previously called a horse is not a horse.
“Being both similar on a large scale and different Moreover even when the choices are made,
from the similar on a small scale is what one calls there will be a moment of change when the
‘being similar or different on a small scale’. The name ceases to apply and the object is simul-
myriad things to the last one being similar, to the taneously this and not this, as shown by a
last one being different, is what one calls ‘similar paradox of Hui Shi: “At the moment of being
or different on the large scale’” (Zhuangzi 283). at noon the sun is declining, at a moment of
6.  Chinese philosophy of language 101

being alive a thing dies” (Zhuangzi 2 83). This never had borders, saying has never had
is only one of a series of spatio-temporal norms; it is by a ‘This’ which deems that a
paradoxes of Hui Shi (e. g. ‘The South has a boundary is drawn” (Zhuangzi 57). But since
limit yet has no limit’) which could be read naming is only of the things we divide up,
as proofs that there can be no division with- even the ›dependent This‹ lapses in the word-
out contradiction. Zhuangzi’s solution is to less Illumination in which division even of self
open oneself to the ›illumination‹ of ceasing and other ceases altogether. This state is con-
to divide even self from other. All these ceived in Chinese terms as the discovery, not
themes mingle in the following lengthy pas- of ultimate Reality or Being (the existential
sage: ‘you’ [there is] is in any case used only of
“The Way is hidden by the complete on a small concrete things) but of that ›Way‹ guiding
scale, saying is darkened by its foliage and flowers. action which Confucians and Mohists try
Consequently we have the ‘This or not this’ of vainly to pin down in words. The Way is the
Confucians and Mohists, by which what for one direction in which, in ceasing to divide, you
of them is this for the other is not, what for the find yourself tending spontaneously, moved
one of them is not this for the other is. If you wish by forces you no longer conceive as outside
to affirm what they deny and deny what they af- you. In the words of a Taoist describing one
firm. The best means is Illumination. No thing is level of trance, “names and objects had not
not that, no thing is not this. If you make yourself found a way in, but the impulses were coming
that they do not appear, if you know of yourself up from my heels” (Zhuangzi 97).
you know of them. Hence it is said, ‘That comes “The Way in being walked becomes complete,
out from this, this too depends on that’, the opinion things by what you call them become so [...] The
that that and this are born in the same moment. dividing of them is completion, the completion of
However, ‘at the moment of being alive one dies’ them is dissolution; all things by completion or
and at the moment of dying one is alive, at a dissolution reverting interchange and are deemed
moment of being allowable the one (i. e. that one to be one. Only the understanding which is unres-
is alive) becomes unallowable, at a moment of tricted knows how to interchange and deem them
being unallowable the other (i. e. that one dies) one: the ›This‹ which deems it does not use, but
becomes allowable. If depending on the one it is finds for them lodging-places in the usual. The
this then depending on the other it is not, if de- ›usual‹ is the usable, the ›usable‹ is the interchange-
pending on the one it is not then depending on the able, to ›interchange‹ is to have grasped; and once
other it is. This is why the sage does not take this you grasp it you are almost there. The dependent
course, but opens them up to the light of Heaven; ›This‹ comes to an end; and when it is at an end,
his too is a dependent ‘This’. This too is that, that that of which you do not know what is so of it you
too is this. There they say ‘This or not this’ from call the ‘Way’” (Zhuangzi 53 f).
one point of view, here we say ‘This or not this’ Since all naming implies division, the un-
from another point of view. Are there really that divided can have no name; ‘Way’ itself is
and this? Or really no that and this? Where neither merely a term relating it to action. It is a case
that nor this finds its opposite is called the axis of of that ›loan-naming‹ to which the Mohists
the Way. When once the axis is found at the centre objected: “ ‘Way’ as a name is what we loan-
of the circle, there is no limit to responding with name to walk it” (Zhuangzi 153). Even to call
either, on the one hand no limit to what is this, on it the ‘One’ is to separate oneself off from it.
the other no limit to what is not. Therefore I say “‘Nothing in the world is bigger than the tip of
‘The best means is Illumination’. Rather than use an autumn hair, and M ount Tai is small; no one lives
the pointed out to show that ‘to point out is not longer than a doomed child, and Peng Zu died young;
to point it out’, use what is not the pointed out. heaven and earth were born together with me, and
Rather than use the horse to show that ‘a horse is the myriad things and I are one’ — Now that we
not a horse’ use the non-horse. Heaven and earth are deemed one, can I still say something? Already
are a single thing pointed out, the myriad things having called us one, did I succeed in not saying
are a single horse” (Zhuangzi 52 f). something? One and the saying make two, two and
one make three. Proceeding from here even an
3.1.5.  It is in this passage that Zhuangzi in- expert calculator cannot get to the end of it, much
troduces a technical term of his own, the less a plain man. Therefore if we take the step from
›dependent This‹ (yin shì) which shifts with nothing to something we arrive at three, and how
changing viewpoints and circumstances, much worse if we take the step from something to
treating all division and naming as fluid; he something. Take no step at all, and the dependent
contrasts it with the ›This which deems‹ (wei ‘This’ comes to an end” (Zhuangzi 56).
shì) of Confucians and Mohists who assume
fixed divisions and names. “The Way has 3.1.6.  Since philosophers argue from differ-
ent definitions of names, disputation can lead
102 I. Raum-zeitliche Übersichten

to no agreed result. Debating with Hui Shi with the even. Hence the dictum ‘In saying say
Zhuangzi says: nothing’. If in saying you say nothing, all your life
“‘If archers who hit what they haven’t previously you say without ever having said, all your life you
marked off as the target were to be called good refuse to say without ever failing to say. What from
archers, everyone in the world would be as great one standpoint is allowable from another is unal-
an archer as Yi — allowable?’ ‘Allowable’, said Hui lowable, what from one standpoint is so from an-
Shi. ‘If the world has no common ‘This’ and each other is not so” (Zhuangzi 107).
treats as this what is this for him, everyone in the
world is as great a sage as Yao — allowable?’ 3.2. Laozi
‘Allowable.’ ‘Then of the four doctrines of Confu-
cians & Mohists, Yang and Bing, which with your 3.2.1.  The Taoist, instead of arguing with
own make five, which is really ‘this’” (Zhuangzi Confucians and Mohists over their conflicting
101). definitions of the Benevolence and Duty
How then should one use language to guide which they mistake for the Way, uses or dis-
towards the Way? Zhuangzi recommends cards the moral terms according to whether
three methods (Zhuangzi 106 f): (1) “ ‘Saying in given circumstances he sees them as coin-
from a lodging-place works 9 times out of 10’ ciding with the Way.
— You borrow from outside to sort the mat- “Names are tools for public use, one should not
ter out”. This has traditionally been taken for have too strong preferences between them. Benev-
the literary device of speaking through imag- olence and Duty are the grass huts of the former
inary characters, but seems rather to be ar- kings; you may put up in them for a night but not
gumentum ad hominem. By ›lodging-place‹ settle in them for long, and the longer you are
Zhuangzi elsewhere means the temporary noticed in them the more will be demanded of you.
standpoints between which the sage circulates The utmost men of old borrowed right of way
as circumstances change; in ›saying from a through the benevolent, lodged for a night in the
lodging-place‹ you argue from the other dutiful, to roam in the emptiness where one rambles
man’s definitions, which although arbitrary without a destination” (Zhuangzi 129).
are the ones you must start from to shake his The sage grasps the Way as a carpenter
faith in fixed divisions. “If mine are the same masters his craft:
as his he responds, if not he turns the other “If I chip at a wheel too slowly, the chisel slides
way. What agrees with his he approves with and does not grip; if too fast, it jams and catches
a ‘This’ which deems, what disagrees he re- in the wood. Not too slow, not too fast; I feel it in
jects with a ‘Not this’ which deems.” (2 ) the hand and respond from the heart, the mouth
“ ‘Weighty saying works 7 times out of 10’ — is unable to say it, there is a knack in it somewhere
It is what you say on your own authority”. which I cannot convey to my son and my son
Weighty saying makes its point without ar- cannot learn from me” (Zhuangzi 140).
gument; it is presumably most concentrated All that the sage values in words is an ›idea‹
in aphorism. Its value depends on the expe- which guides in the right direction, not of
rience of the speaker; an old man without course an intellectual concept but the image
experience is only an ›obsolete man‹. (3) of something concrete inseparable, outside
“ ‘Spillover saying is new every day, smooth logical discussion of such a name as ‘circle’,
it out on the whetstone of Heaven’ — Follow from the impulse to act with which one re-
what it depends on and let the stream find its sponds to it. (Needless to say, there is no idea
own channels; this is the way to last out your of the Way.)
years.” The metaphor here is from a type of “The bait is the means to get the fish where you
vessel designed to tip over and right itself want it; catch the fish and you forget the bait. The
when filled too near the brim. Since language snare is the means to get the rabbit where you want
fits things ›unevenly‹, to let the ›dependent it; catch the rabbit and you forget the snare. Saying
This‹ vary with circumstance, keeping a fine is the means to get the idea where you want it;
balance between affirming too strongly and catch on to the idea and forget the saying. Where
too weakly, is the most natural way to talk, shall I find a man who forgets what was said, so
not wearing yourself out and shortening your that we can say something to each other?”
life by forcing experience into a rigid frame; (Zhuangzi 190).
without it, ›who could keep going for long?‹.
In distinguishing and naming you treat all 3.2.2.  In Laozi there is none of Zhuangzi’s
divisions as fluid and provisional, aware that intellectual ›saying from a lodging-place‹ to
no name fits perfectly. smash conceptual schemes, but intensive ex-
“If you refrain from saying, everything is even; ercises in the aphoristic mode of his ›weighty
the even is uneven with saying, saying is uneven
6.  Chinese philosophy of language 103

saying‹ and the paradoxes of his ›spillover poem throughout moves backward and for-
saying‹. This philosophical poem is not a the- ward between treating the Way as nothing or
oretical but a practical demonstration that all something, the nameless or a ›thing‹ with a
names mislead unless you shift their meaning name. “The Way is constantly nameless [...]
from sentence to sentence and with a change Only when it is cut up are there names” (Laozi
of context use them to say the opposite (Laozi 32 ). Now that it is cut up, when you search
78): “Correct saying is as though wrong way into the origin of things, “from the present
round”. Its mode of language, in which the to the past its name does not depart” (Laozi
sayer can himself say “The knower does not 21). To get to it you ceaselessly rename it.
say, the sayer does not know” (Laozi 56) is “There is a thing completed by jumbling to-
already in full spate in the preliminary words gether,/born before heaven and earth. [...] It may
on the Dao [‘Way’, verbally ‘speak of as the be deemed the mother of heaven and earth./I have
Way’] with which the book starts: not got to know its name,/style it the ‘Way’. I force
“A dao which can be dao-ed is not the constant a name on it, ‘Great’,/for great say ‘Receding’,/for
Dao,/a name which can be named is not the con- receding say ‘Far’,/for far say ‘Gone back’” (Laozi
stant name./The nameless is the beginning of 25).
heaven and earth,/the named is the mother of the
myriad things./By being constantly desireless ob- 3.2.3.  The section of the Mohist Canons on
serve the most fine in it,/by constantly having de- the logical relations between names (Canons
sires observe where it tends./These two are the same B 32 —82 ) has a number of items defending
in origin but differ in name; as the same, call them the art of disputation against the Taoist en-
the ‘Dark’./Go from the dark into the darker,/to terprise in deconstruction. Debate being con-
the gate of all that is most fine.” fined strictly to the issue of whether e. g. ‘ox’
The first sentence rejects the formulated or ‘non-ox’ fits the object, so that necessarily
ways and fixed names of Confucians and oth- one fits if the other does not, there is no room
ers, but suggests that beyond them there is for doubt that in disputation one party i s
indeed a constant Way with a constant name. right and the other wrong. That the Mohist
Yet the contradiction in ‘a name which can thinks even of debating philosophers as ob-
be named is not the constant name’ implies jects which a complex name fits is shown very
that in reaching it we leave the name behind. clearly by the phrasing of his answer to
The very first words warn that the book will Zhuangzi: “To call disputation ‘without a
not tell us what the Way is, only orientate us win’ necessarily does not fit” (Canons B 35).
towards it. The next sentence poses the alter- As for the problem of the demonstratives, it
natives of treating it as the ›nameless‹, the does not matter which alternative you choose
perfectly insubstantial which preceded the ex- as ‘this’ as long as you recognise them as
istence of things, into which we return in different and call the other ‘that’.
ceasing to prefer one to another (and so di- “If the ones ›here‹ and ›there‹ are to stay where
vide), or as the ›named‹, the ancestral thing they are, and on this condition you treat the one
which generates distinguishable things, along here as ›there‹, then the one there will likewise be
a course which we discover by from moment treated as ›here‹” (Canons B 68).
to moment preferring one to another. (The To Zhuangzi’s advice to “treat even what
unorthodox translation ‘observe where it is not this as ›this‹”, the demonstrative being
tends’ is based on the oldest manuscripts, only applicable to anything, the Mohist replies that
recently discovered, cf. Lau 1982 , 170.) Con- “You cannot treat as ›this‹ without treating
fidence in the adequacy of the words ‘con- only this as ›this‹” (Canons B 82 ), and that
stant’ and ‘desire’ is shattered by forcing us the demonstrative is used of only one thing
to search for a sense in which one can be at a time. Although you can call anything
constantly both desiring and desireless. Then you like a ‘crane’, to do so does not abolish
our assumption that the nameless must be its difference from what is commonly called
nearer to the Way than the named is over- a crane (Canons B 72). The insistence of Taoist
turned by the pronouncement that the two, teachers that there is nothing to learn gets the
although different in name (the ›nameless‹ answer one would expect: “If he deems it
now emerging as itself a name) derive from useless to learn, to teach is self-refuting”
the same source. With the invitation to call (Canons B 77). Of especial interest are two
this the ‘Dark’, and the shift of metaphor to arguments similar to Aristotle’s refutations in
the ›gate‹, it turns out that, even if it is nam- the M etaphysics of ‘All propositions are true’
able, ‘Way’ is an imperfect name for it. The and ‘All propositions are false’. The implica-
104 I. Raum-zeitliche Übersichten

tions of Zhuangzi’s claim that to be allowable the failure to reject it. Explanation: If he does not
from one standpoint is to be unallowable reject his own denial he does not reject denial.
from another, that one may either affirm or Whether rejection is rejectable or not, it is failure
deny anything, are formulated as ‘All saying to reject denial” (Canons B 79).
is self-refuting’ and ‘Reject denial’. The Moh-
ist answers:
“To deem all saying self-refuting is self-refuting. 4. Selected references
Explained by what he says himself. Explanation:
Fung 1952, A History of Chinese Philosophy.
To be self-refuting is to be unallowable. If what he
says is allowable, there is saying which is allowable Graham 1978, Later M ohist Logic, Ethics and Sci-
(and so not self-refuting); if what he says is unal- ence.
lowable, to suppose that it fits is necessarily ill- Hansen 1983, Language and Logic in Ancient China.
considered” (Canons B 71). Lau 1979, Confucius. The Analects.
Here it may be noticed that the logical Lau 1982, Laozi. Chinese Classics, Tao Te Ching.
inadmissibility of a combination of names, Watson 1963, Xunzi (= Hsün Tzu). Basic Writings.
and the consequent necessity that it does not Graham 1981, Zhuangzi (= Chuang Tzu). The
fit the object, are separate steps, not reduced Seven Inner Chapters and Other Writings from the
to one by any equivalent of our own word Book ‘Chuang tzu’.
‘true’.
“To reject denial is self-refuting. Explained by Angus C. Graham, Singapore

7. Renaissance philosophy of language

1. The scholastic tradition disappeared. As it is this background which


2. Nicholas of Cusa drew most of the attacks mounted by the
3. Anti-scholastic humanism innovators, it is useful to recall briefly its
4. The language question principal features. — In general, scholastic
5. Philosophy of grammar thinkers were led by an ideal of theoretical
6. Selected references knowledge reached by intellectual insight and
discursive reason. They strove after scientific
truth, provable apodictically by means of syl-
1. The scholastic tradition logistic reasoning that consists of abstract and
During the period of the Renaissance, which universal propositions. On this view the best
will be taken here as covering roughly the preparation for further academic studies was
years between 1450 and 1600, scholastic phi- a course in the liberal arts, especially in the
losophy (s. art. 4) was still very much alive. arts of the trivium. Within the trivium pride
Within that current of thought philosophy of of place was given to logic, in particular to
language was mainly discussed in treatises on the theory of the syllogism and to those issues
logic, more particularly in that part of the in the field of formal logic and semantics
›logica modernorum‹ which was called Parva whose treatment was considered to be indis-
logicalia and dealt with such subjects as the pensable for the solution of problems in phi-
various properties of terms and so-called ex- losophy proper and theology. Grammar was
ponible propositions, that is, declarative sen- taught for the practical purpose of learning
tences that have to be analysed in order to Latin, but also as an introduction to subjects
exhibit the import of some syncategorematic which came after it; that is why in grammar
sign occurring in them. During the whole ample attention was paid to questions of a
period a considerable number of texts con- logical and ontological nature. Rhetoric, on
taining this kind of questions continued to the other hand, was regarded as being only
appear. That means that in spite of the several of secondary importance. The Latin lan-
innovatory tendencies that are characteristic guage, in which academic instruction, re-
of the Renaissance the general background search and debate were conducted, had been
against which the more traditional interests gradually adapted to precisely those pur-
become understandable had not altogether poses. In addition to being a lingua franca for
7.  Renaissance philosophy of language 105

the learned, it was also a technical and arti- him. Moreover, there is a clear streak of mys-
ficially refined instrument by which the results ticism in his writings. And he also shows a
of a variety of investigations could be most more than usual appreciation of mathematics.
adequately expressed. — It is in this atmos- In these latter respects too, he may be con-
phere of intellectual activity and education sidered as a forerunner of tendencies that,
that in Italy the school of Paul of Venice, for each in its own way, were to become typical
instance, continued to exert a considerable of later generations. The originality with
influence during the fifteenth century. And at which Nicholas combined past currents of
the University of Paris the scholastic concep- thought into a tightly coherent system can
tualism of the ›nominales‹ enjoyed a remark- also be claimed for his philosophy of lan-
able vogue between about 1470 and 1530. guage, which is an organic part of the whole
There, scholars from France, Spain, Scotland structure. He never wrote a special treatise on
and the Low Countries developed the tradi- that subject, but, apart from passages where
tional doctrines to a point beyond which he incidentally touches upon certain of its
worth-while extensions were hardly possible aspects, there is one text which offers suffi-
with the means which at that time they had cient information about his basic ideas to be
at their disposal. The newly invented art of taken as the source of a brief exposition. That
printing provided these epigones with the op- text is the Idiota de mente (A Layman on the
portunity to make their own views and those Mind) of 1450, in particular chapters II and
of their predecessors widely known. But to- III (Nicholas of Cusa 1937, 49 ff). — There,
wards the middle of the sixteenth century this a general discussion about the meaning of a
vigorous revival of conceptualism came to the word is occasioned by the Layman’s conten-
end of its resources and virtually disappeared tion that ‘mens’ is derived from ‘mensurare’
from the scene. By contrast, Thomist and [to measure]. In accordance with this starting-
Scotist realists managed to hold their posi- point, it seems appropriate to begin with some
tions in face of the hostile reactions coming remarks made by Nicholas about the differ-
from those circles and countries in which the ence between the divine mind and the human
combined forces of humanism and reforma- mind. As the Word (Logos, Verbum) par ex-
tion had got the upper hand. A steady stream cellence, the divine mind is the infinite and
of textbooks and commentaries carried their absolutely simple enfolding (complicatio) of
specific doctrines on to the seventeenth cen- the exemplary ideas of everything there is, the
tury, without, however, adding anything re- totality of the truth and precision of all things.
ally new to what they had inherited from the Its thinking produces the ineffable form that
past. is the essential and antecedent determination
of all entities coming into existence. Although
the actual nature of the divine mind eludes
2. Nicholas of Cusa human understanding, Nicholas tries to elu-
cidate it through some analogues. According
2.1.  In a survey of Renaissance philosophy to him, the ideas of mathematical figures are
of language, Nicholas of Cusa (1401—1464), devised by the human mind, as one of the
whose thought might be characterized as ly- ways in which that mind unfolds itself. When
ing somewhere between scholasticism and the we want to make an idea such as that of
revolutionary changes which the more radical triangularity visible, we draw a certain figure
representatives of Renaissance humanism at- having three angles. In so far as that figure
tempted to bring about, deserves a separate exhibits the intended shape, the form of tri-
niche. While sharing with the humanists an angularity shines forth in it. If it is further
eager interest in the revival of classical stud- supposed that the word ‘trigon’ is the precise
ies, he elaborated a philosophical system that name of the form of triangularity, the preci-
is rather different from what most of the other sion of that name enables us to know the
champions of antiquity propagated under precise names of all polygons: a figure with
that name. But his philosophy also has some four angles will be called ‘tetragon’, a figure
fundamental features which distinguish it with five angles ‘pentagon’, and so on. Anal-
from the common run of scholastic doctrines. ogously, if we could know the precise name
In the first place, Nicholas’ thought has con- of one of God’s works, we would know all
spicuous affinities with that Platonic tradition the names of all his works, since the divine
which had never been interrupted in the Mid- word is the precision of every possible name.
dle Ages and was to gather new strength after A second comparison used by Nicholas con-
cerns the art of making wooden spoons. The
106 I. Raum-zeitliche Übersichten

exemplary idea of a spoon exists only in the fallible domain, whose proper study is logic.
craftsman’s mind. In contrast with sculptors
and painters, who imitate the forms of things 2.2.  According to Nicholas, words are im-
that already exist, the carver of spoons creates posed upon things by the activity of reason.
new objects in conformity with a model that The concepts that reason frames in order to
he conceives of by the sheer power of his own record the similarities and differences encoun-
mind. In this respect, his art resembles the tered among perceptible things are the mental
infinite art of God. Now, when the craftsman correlates that lend meaning to the spoken
wants to make his preconceived idea of and written sounds. Now, just as human rea-
spoonness (coclearitas), which in itself is son does not attain to the true nature of
wholly inaccessible to the senses, perceptible, things as it is in the divine mind, so do the
he applies the various movements of his tools words whose meanings are determined by
to a piece of wood until the exemplary form such entities of reason as the genera and spe-
of spoonness shines forth in it to a satisfactory cies that are the contents of human concep-
degree. While the truth and precision of tions fall short of it. Words have meanings
spoonness, which as such is unmultipliable that, measured by the ideal standard of God’s
and incommunicable, cannot be rendered sen- mind, are only more or less adequate. In
sible perfectly by any tools or by any artist, addition to the obvious differences in sound
it is still the case that in all the finished spoons which words for the same thing display in
the absolutely simple form of spoonness various languages, there are bound to be dif-
shines forth to a varying degree, more in one ferences in meaning as well. For what ac-
and less in another, but in none precisely. quires a name under one conception of hu-
There is only one completely true and precise man reason in some community may be
ideal form of spoonness; all the perceptible named under another conception elsewhere.
instances in which that form is exemplified If human discretion is involved in framing the
display varying degrees of diversity and im- genera and species that are associated with a
perfection. — Whereas, then, the divine mind word, these must be an element of variability
is the totality of truth in things and its act of and arbitrariness in the meanings of words
conceiving is an act of producing things, the for the same thing, no less than in the sounds.
human mind is merely the totality of the — This element of arbitrariness, however,
concepts which it frames as similitudes of the does not prevent the imposed word from be-
objects of which it is thinking. While the ing fitting (congruus). The arbitrariness is lim-
divine mind is the enfolding of perfectly true ited by the fact that, although perceptible
and precise exemplars, the human mind is the things exemplify an ideal form only imper-
enfolding of mere likenesses of the absolute fectly, yet it is that form as it is variously
truth. So the human mind itself is nothing shining forth in those things which determines
but an imperfect image of God’s infinite the generalizing conception of them and con-
mind. Nicholas calls that aspect of mental sequently the meaning of the common name
activity which derives the abstract concepts destined to denote them. It is this necessary
of genera and species from the similarities connection with the form as it is revealed in
and differences noticed among sensible the denoted things which makes the name
things, ›reason‹ (ratio), as opposed to ›intel- fitting. At the same time, it is evident that the
lect‹. This faculty of the human mind is de- names imposed by men cannot be precise.
pendent upon the observation of those per- The only word that is precise and natural
ceptible things in which the forms are realized (vocabulum naturale) is the name that forms
only in varying degrees. It is from that im- a unity with the ideal exemplar in the divine
perfect material that reason gathers its no- mind. The names given by men are not en-
tions of genera and species, which therefore tirely dissimilar to that natural name; they
share with the sensible things the defective are related to it by the fact that the natural
way in which they are related to the true name shines forth in all the various names
forms in the divine mind. Since the notions which as a result of one conception or another
of genera and species, as entities of reason, have been imposed by communities of lan-
covary with the contingent individuals of guage-users. But it is impossible that the ac-
which they register the similarities and differ- tual names imposed by human reason should
ences, reason is doomed to mere conjecture ever coincide with the single precise and nat-
and opinion. Nevertheless, human nature be- ural name that is God’s word. There is only
ing what it is, man feels most at home in this
7.  Renaissance philosophy of language 107

one ineffable word that is the precise name liberty which human reason has in classifying
of all things upon which human reason im- things according to observed similarities and
poses a name. This ineffable name typically differences. To the extent that the classifica-
shines forth in all names, because it is the tory concepts vary from one community to
infinite possibility of any name whatever. — another the meanings of the corresponding
In connection with his philosophy of lan- words will equally show a lack of universal
guage Nicholas divides philosophers into two sameness. Man’s discretion, however, is not
classes. Some of them limit their investiga- absolute, but limited by the fact that his con-
tions to the domain of reason. They refuse to cepts and thus the meanings of the words he
admit pure and independent forms having a imposes upon things are derived from the
separate existence of their own and devote eternal forms as they are imperfectly exem-
their studies solely to those forms which are plified in perceptible objects. The dynamic
products of human reason. They are inter- aspect of Nicholas’ philosophy of language
ested only in the observation of individual lies in his view that man’s attachment of
things, in the way concepts of genera and meanings to sounds is an open-ended process
species are formed on the basis of that obser- of approximating ever more closely to the
vation, and in the logic of the linguistic ex- ideal standard that is thought by the divine
pressions that derive their meaning from the mind.
notions produced by human reason. In sum,
they hold that there are no other things than
those which are signified by language. Others 3. Anti-scholastic humanism
extend the realm of being beyond the individ-
ual things that are perceptible by the senses 3.1.  Before considering some philosophical
and beyond the concepts of genera and spe- aspects of the views about language put for-
cies that are derived from perceived things ward by particular humanists it may be useful
and determine the meaningfulness of the to sketch the changes in outlook which were
words of human language. For them, there more or less common to all of them. Many
are not only individual men and the concept of the humanists’ mordant reactions against
of man framed by reason, but also the ex- scholasticism are explainable in the light of
emplary idea of humanity as such, which is their belief that the gradually changed social
quite independent of the existence of individ- circumstances required a drastic reform of the
ual men and of the various conceptions by predominant system of education. Especially
which reason attaches meaning to such words in Italy a strong need was felt to replace the
as ‘man’. Such philosophers do not content inherited fashion of schooling adolescents by
themselves with studying, as logicians, the a novel programme which aimed at forming
domain of reason and language, but, realizing all-round personalities that would be capable
that this field concerns nothing but sem- of any kind of public service in worldly pro-
blances of the true forms, they try to see fessions and careers. In order to become able
things in a more theological light by directing to cope with all facets of life in the upper
their attention to the exemplary ideas them- circles of the community, promising young
selves. This mystical search for the ineffable men should receive a well-balanced and har-
wisdom which precedes the imposition of monious instruction in which the emotional
names and everything namable requires si- and moral sides of their character and various
lence and intellectual vision rather than talk- kinds of practical skills had a place of no less
ing and listening. — Nicholas of Cusa’s phi- importance than theoretical knowledge and
losophy of language is remarkable in that it the cultivation of reason and intellect. Besides
clearly diverges from a main tenet of the this predilection for useful and efficacious
Aristotelian tradition. Both realist and con- knowledge, doubt had spread with regard to
ceptualist scholastics commonly followed Ar- the attainability of absolutely guaranteed
istotle in holding that the thoughts which lend truth by means of apodictic proofs. It was
meaning to the conventional signs of a spoken urged that this austere standard be lowered
or written language are the same for all men. to a more feasible endeavour at reaching
Nicholas, on the other hand, extends the el- workable solutions for specific problems by
ement of variability that is obviously char- reasoning dialectically from commonly ac-
acteristic of the written and spoken signs used cepted starting-points to probable conclu-
by diverse language-communities to meanings sions in arguments that were less cogent than
as well. He makes allowance for a certain the syllogism cherished by the scholastics, but
more effective in producing agreement. — As
108 I. Raum-zeitliche Übersichten

this sceptical attitude led to a keen appreci- tance with ancient theories of language.
ation of the element of persuasiveness in the
means by which debates are conducted, a 3.2.  The new pattern of culture of which the
different conception of the functions of lan- above-mentioned features are characteristic
guage came to the fore. Influenced by the was not only zealously practised, but also
rhetorical writings of Cicero and Quintilian, reflected upon and explicitly defended. Al-
the humanists stressed the need of a tight ready in 1439, Lorenzo Valla (1407—1457)
connection between wisdom or knowledge in wrote the Disputationes dialecticae, a treatise
the broadest sense, and eloquence. This con- of modernized logic that may be regarded as
tinuously recurring theme of the unity of ›sap- a manifesto of the rapidly growing humanist
ientia‹ and ›eloquentia‹ reflects the conviction movement. The general view of language that
that a common store of insights and courses permeates this book and which became ex-
of action can be arrived at only by persuasion tremely influential when, at the close of the
and that the success of attempts at persuading century, it was diffused in print, is squarely
each other is largely dependent upon an ap- opposed to the conception of language cur-
propriate use of language, modelled upon the rent in scholastic circles. Whereas the latter
great examples of the past and adapted to considered language as a highly specialized
customary practice and general intelligibility. instrument in the service of philosophical doc-
Naturally, this altered view of the purposes trines that were largely gained on independent
language was expected to fulfil caused a shift grounds, Valla tended to measure the cor-
in the hierarchy of the arts of the trivium. rectness of philosophical theories by stan-
Logic as a discipline whose core was formed dards imposed upon the language in which
by the syllogism lost its privileged position. they were expressed. According to him, phi-
Instead, rhetoric was given the lion’s share of losophers, like anybody else, should employ
attention, in the renewed guise that was made language, in particular Latin, in a manner
possible by a fresh study of ancient sources. that is grammatically impeccable, true to the
Accordingly, logic or dialectic was increas- Latinity of the best classical authors, and
ingly assimilated to the dominant subject of scrupulously conforming to ordinary usage as
rhetoric. And grammar too changed its char- it is found among common people. He likens
acter: it was no longer considered mainly as the status of ›auctoritas‹ and ›consuetudo‹, in
a preparatory training for the purpose of be- which the proper nature of each language
coming a skilled user of the technical idiom manifests itself, to the sanctity of the laws
of philosophy and theology, but rather turned and customs that regulate life in a political
into a philological and stylistic exercise in community. Whoever violates linguistic
handling the instruments that gave access to norms ought to be despised by the literate in
the culture and literature of antiquity and the same inexorable way as those who show
enabled the student to imitate those models contempt for laws and customs should be
after his own fashion. — Besides the rhetor- turned out from the state. Valla’s attitude
ical, literary and philological-historical bent seems to be rooted in the conviction that truth
that is typical of the humanist movement, the in the broadest sense is embodied in the com-
growing need of gentlemanly education also mon core of concepts and beliefs developed
prompted its adherents to assure a wide dis- and tested by members of a society in a long
semination of their pedagogical ideas by pre- process of exchanging experiences and opin-
senting the necessary subject-matter in the ions; and that this store of commonsensical
most elegant and simplified didactic form. It thought is preserved in the structure and
is this striving after simplification that is, no products of their language. From this view-
less than the shift in interest, responsible for point it becomes at least intelligible that he
the gradual disappearance of the major part so often and so confidently appeals to phil-
of scholastic philosophy of language, which ological and literary criteria in deciding phil-
was of a highly specialized nature. That tra- osophical issues. — For example, his reduc-
ditional body of doctrine was deemed to be tion of the six traditional transcendentals to
not only irrelevant, but also far too technical. one, namely thing (res), and of the ten Aris-
The neglect of this valuable material was com- totelian categories to three, substance, quality
pensated only partly by the enlarged interest and action, in I, 1—13 (Valla 1962 , 645 ff) is
in the peculiar structure of such diverse lan- chiefly based on observations concerning pe-
guages as Greek, Hebrew and the various culiarities of Greek and Latin usage, strength-
vernaculars and by a more profound acquain-
7.  Renaissance philosophy of language 109

ened by a longing for simplicity. In this con- and — to turn to immaterial things — just
nection, Valla (1962 , 649) also tries to refute as ‘knowledge’ is the name of knowledge,
Aristotle’s contention that one is not a num- ‘virtue’ of virtue, ‘genus’ of a genus, and
ber by invoking the ordinary parlance of two ‘species’ of a species, so too ‘substance’ is the
unsophisticated women who have agreed that name of a substance, ‘quality’ of a quality,
an even number of eggs laid on one day by ‘action’ of an action, and, finally, ‘thing’ the
their commonly owned twelve hens will go to name of a thing. Therefore, we can say that
one of them and an uneven number to the ‘thing’ as a sign signifies a thing as that which
other: on a day when only one egg has been is signified by the sign. The thing as that
laid they will certainly say that it is due to which is signified is not necessarily a word,
the owner who is entitled to the uneven num- but the sign ‘thing’ which signifies it is a word.
ber. That proves that plain women sometimes Consequently, as a signifying device ‘thing’
have a better understanding of the meaning may be defined, namely, as a word or vocable
of words than the smartest philosophers. The that includes in its significate the significates
former keep to the established usage of words, of all other words. As one will observe, in
while the latter only trifle with them in play. this definition the generic notion of a word is
— No doubt such an appeal to ordinary wider than the notion of ‘thing’ as a sign,
idiom and common sense can be very effective since ‘thing’ is a word among other words.
in restraining the all too fanciful flights of the By contrast, what ‘thing’ signifies is more
speculative mind and exposing consequential comprehensive than what ‘word’ signifies;
perversions of language. In so far as scholastic from that point of view a word is a thing,
philosophy showed excesses that needed a and one kind of thing only. The word ‘thing’,
corrective, Valla abundantly obliged it. Some however, has the peculiar feature of signifying
authors, however, notably Gerl (1974, 2 17 ff), all things. We may compare it to the word
Waswo (1979, 2 65 ff) and Otto (1983, 504 ff), ‘God’: that is less general than many other
have claimed merits for Valla’s philosophy of words — such as ‘spirit’, ‘substance’, ‘es-
language that go much farther. In their eyes, sence’, ‘something’, ‘thing’ — but because of
he held a kind of Humboldtian view of lan- the dignity of its signification it transcends
guage according to which it does not repre- everything else, since God is the creator of all
sent an independently existing reality but other things. That peculiar feature of the
rather constitutes, in a second, specifically word ‘thing’ is the reason why, whereas one
human creation, a world consisting of things can intelligibly ask for a definition by such
that are determined by the particular mean- questions as ‘What is wood?’ or ‘What does
ings of the corresponding words and come ‘wood’ signify?’, it is impossible to make sense
into existence for man only in so far as lan- of such a demand for a definition as ‘What
guage reveals their specific relevance to his is a thing?’ or ‘What does ‘thing’ signify?’.
needs. This thesis is derived especially from a Given that ‘what’ is equivalent to ‘what kind
remarkable passage in Disputationes dialecti- of thing’, such a question is tantamount to
cae, I, 14 (Valla 1962 , 676 f). Unfortunately, ‘What kind of thing is a thing?’ or ‘What kind
that passage only appears to lend support to of thing does ‘thing’ signify?’. Nonetheless,
those authors’ theory by the fact that they there is a proper answer to the different ques-
seriously misread it. For that reason and be- tion ‘What kind of word is ‘thing’?’, namely,
cause it is interesting in its own right, it may the definition already given: that it is a word
be worth-while to outline its correct interpre- that signifies the significates of all other
tation. After distinguishing the sounds pro- words. In that case the word ‘quae’ in the
duced by the human voice, the meanings at- Latin sentence ‘Quae vox est res?’ is taken in
tached to those sounds by divinely inspired the sense of ‘qualis’, which means that as a
human fiat, and the spoken and written words sign ‘thing’ can be considered as somehow
in which sound and meaning are combined, subordinate to the more general notion of a
Valla states that by words in the strict sense word. To put it briefly, Valla is making the
(vox, vocabulum) is understood everything altogether plausible point that, while as a
that we utter (quidquid loquimur), even the linguistic expression the word ‘thing’ is quite
names of his three categories, ‘substance’, capable of being defined, from that very def-
‘quality’, ‘action’, and also the transcendental inition it is evident that what ‘thing’, as the
term ‘thing’ (res). For just as ‘wood’ is the sole transcendental term, signifies is undefin-
name of wood, ‘stone’ of stone, ‘iron’ of iron, able. If this reading is correct, the passage
does not in the least support the Humboldtian
110 I. Raum-zeitliche Übersichten

theory defended by the above-mentioned au- competent to judge its merits. While the
thors. Greek of Aristotle and the Latin of Cicero
conform to these precepts, Peter of Spain (ca.
3.3.  The impact of Valla’s Disputationes di- 12 05—12 77) and his followers continually vi-
alecticae was considerably strengthened by olate them. They concoct examples and con-
the treatise De inventione dialectica which was duct their investigations in a language that
written by the Dutch humanist Rodolphus deviates from all known idioms and certainly
Agricola (1444—1485) about 1479 and is not Latin; Cicero would not have under-
printed for the first time in the second decade stood their outlandish lucubrations. They be-
of the sixteenth century. Continuing the line have as if they had power to make words
that starts from the beginning of Aristotle’s mean whatever they please. But if they decide
Topics, where the author declares that he is to teach logic in Latin, they ought to use
seeking for a method which will enable dis- words with meanings that are established by
putants to argue about any propounded ques- the conventions of that language-community,
tion from premisses that are readily believa- rather than employ expressions that belong
ble, Agricola’s work has strongly contributed to other languages or to no language at all.
to the tendency to make questions and the In this connection Vives (1979 b, 66) offers
methods for discovering answers to them in the example of a double negative, which in
a systematic manner the very heart of dialec- Latin is equivalent to an affirmative, but in
tic. It is this dialectical and rhetorical turn many other languages yields greater negative
given to logic by Valla and Agricola that force than a single negative. Now, if those
became characteristic of many other text- logicians had to teach their subject in one of
books in the sixteenth century and thus these latter languages, would they be so fool-
helped to determine the nature of the philos- ish as to employ a double negative, not ac-
ophy of language that pervades them. Per- cording to the rules of that particular lan-
haps the most important writer in this con- guage, but according to Latin usage? If not,
nection is the Spanish scholar Juan Luis Vives then neither should they introduce all kinds
(1492 —1540), who spent most of his life in of foreign elements into Latin, the language
the north of Europe. He had received a thor- which they are actually wont to use. — Al-
ough training in the logic of the ›nominales‹ though Vives thus severely restricts the pos-
at the College of Montaigu in Paris, but in sibilities of developing technical modes of
his Adversus pseudodialecticos of 152 0 he took speech for the purpose of adequately express-
vengeance for this painful experience through ing the results of highly specialized sciences,
a furious attack on what by then he had come he occasionally permits a useful philosophical
to consider as sheer sophistry. While the gen- neologism, as in general he has a keen eye for
eral drift of this pamphlet is determined by the historical process through which words
the common aversion for the doctrine of the come and go. In De prima philosophia, I, he
syllogism and the Parva logicalia associated follows Valla in rejecting the usual lists of
with it, Vives intersperses his harsh censure categories and transcendentals. As regards the
of traditional logicians with occasional re- latter, he agrees that the word ‘res’ is more
marks that display his positive view of lan- familiar to Latin ears than the word ‘ens’.
guage. Being convinced that the three arts of Nevertheless, he is prepared to admit that
the trivium are about language, he frequently ‘ens’ is a more apposite term; and though not
insists that writers on logical subjects, no less current at a given time, it may be generally
than authors of grammars and treatises of accepted and so become familiar by being
rhetoric, should strictly keep to the idiomatic used (Vives 1782 —1790, III, 196 f). — At the
usage that is characteristic of the language in beginning of the first book of De censura veri
which they have chosen to write. Both with in enuntiatione, a treatise that covers books
regard to the sentences selected as subject- 17—18 of the large work De disciplinis of
matter and in their own comments on those 1531, Vives (1782 —1790, III, 142 ff) offers a
samples, they ought to respect the peculiar more systematic and irenic survey of his se-
features that determine the specific nature of mantic theory. Conspicuous is the extent to
each language. Common practice precedes which he simply adopts traditional scholastic
theory and is the only measure of its correct- concepts and distinctions. But there are a few
ness; at the same time, the theory should be points that deserve to be mentioned. In the
expressed in such a way that it is intelligible first place, Vives is sharply aware of the tri-
to the average language-user, who is most adic nature of the relation of signifying: a
7.  Renaissance philosophy of language 111

conventional sign signifies something, not ab- that was still largely shaped by the uniform
solutely or universally, but always with re- faith of the Roman Church, the humanist
spect to certain people, or even animals, such movement that they helped to initiate also
as horses or dogs. In this connection, he men- came to be very closely linked to the Refor-
tions the peculiar language used by the blind mation as it was embodied in the Protestant
in Spain, as well as codes employed for se- Churches. The educational programme fa-
crecy. Furthermore, in discussing the distinc- voured by Lutherans was mainly due to the
tion between categorematic and syncatego- pedagogical activities of Philipp Melanchthon
rematic signs, he declares that old and prim- (1497—1560), whose textbooks of logic,
itive languages have fewer syncategorematic which became a paradigm for several gener-
words than those which are of more recent ations of teachers, show all the features that
origin and more developed and refined, just are typical of the treatises composed by Valla
as the most eloquent speakers excel in making and Agricola. In Calvinist regions humanism
a very accurate use of them, whereas children exercised its influence chiefly through the
and dull-witted persons acquire command of writings of Petrus Ramus (1515—1572 ), who
the names of things more easily than of those was deemed to have died as a martyr for the
secondary signs. As regards categorematic new creed in the Massacre of St Bartholomew.
signs, he points out that they are used as From the viewpoint of the philosophy of lan-
public marks by means of which people dis- guage, Ramus is of some interest in that he
close to each other what they mentally con- strove to establish logic as the autonomous
ceive of and that therefore the signification study of thought and its purely conceptual
of those words is related to the mind, rather constructions. In his view, this study should
than to things in the outside world. Such accordingly be sharply delimited from the
words as ‘Hector’, ‘chimera’, ‘The Punic neighbouring arts of grammar and rhetoric,
War’, mean something even though the cor- which are about language, and its independ-
responding things exist nowhere in nature; ence ought to find reflection in an appropriate
they have a sort of being at the moment of terminology having a minimum of associa-
utterance only inasmuch as they are appre- tions with the technical terms of the other
hended by the understanding. Moreover, after fields of inquiry. As Ramus was firmly con-
distinguishing tokens of the same word, syn- vinced that scholastic terminology, with its
onyms, and such equivalent expressions as emphasis on the analogy between language
‘Socrates’ and ‘the son of Sophroniscus’, he and thought, tended to obscure the funda-
brings up the question whether words that mental difference between the two, and as he
have a similar meaning but belong to different loathed that kind of Latin anyhow, he at-
languages should be called synonymous. Ac- tempted to introduce an entirely new vocab-
cording to Vives, the answer is negative, ex- ulary for logic, derived from the usage he
cept when the foreign word has gained cur- found in ancient authors. Most of the energy
rency in the language in which the other word of his numerous followers and adversaries
is at home, as is the case with ‘ϕλέγμα’ and was spent in disputes about the merits and
‘pituita’. In view of the triadic nature of the demerits of these terminological proposals. In
relation of signifying, two words can be said general, Renaissance philosophers, ac-
to be synonymous only if they signify the quainted as they were with a much greater
same thing for the same community. — The variety of possibilities than their medieval col-
foregoing points, to which one might add the leagues, devoted a lot of time to heated de-
very acute remarks about the art of transla- bates concerning purely verbal questions, of-
tion in Ch. 12 of the De ratione dicendi (Vives ten without any proportional gain on the
1782 —1790, II, 2 32 ff), testify to a certain substantive side. — The latter remark applies
freshness and openmindedness with which also to Marius Nizolius (1488—1567), who is
Vives looked at language. Although for the perhaps best known as a lexicographer of
most part his conceptual tools are fairly tra- Ciceronian Latin, but deserves a place in this
ditional, he applied them to a much richer survey because of his De veris principiis et
material than the scholastics did and from vera ratione philosophandi contra pseudophi-
points of view that often surprise by their losophos of 1553, a work that was reprinted,
originality. with an introduction by Leibniz, in 1670 and
again, under the title Anti-Barbarus sive phi-
3.4.  Whereas Valla, Agricola, and Vives de- losophia scholasticorum impugnata, in 1674.
veloped their ideas in a climate of thought At the outset of this book Nizolius (1956, I,
112 I. Raum-zeitliche Übersichten

2 1 ff) sums up the five principles on which in ways in which individual things may be com-
his opinion the right mode of philosophizing pared and grouped the names they acquire
should be based. First of all, the philosopher under the head of the predicables may vary
ought to possess a complete mastery of Greek as well (Nizolius 1956, I, 152 ff). — Much of
and Latin, because in these languages every- what Nizolius says about the mental opera-
thing that is worth knowing has been written tion of ›comprehensio‹ and its products, the
and handed down to posterity, in an ideal ›universa‹, is strongly reminiscent of the doc-
combination of wisdom and eloquence. The trine of such act-conceptualists as William of
second principle requires a thorough famil- Ockham (s. art. 2 1). But there are differences
iarity with the precepts of grammar and rhet- too. For Ockham and his followers, univer-
oric, which are not only true, but also useful salizing acts of conceiving things in general
and indispensable from a practical and social are the same for all men. Nizolius, on the
point of view, in contrast with the teachings other hand, calls attention to the possibility
of the dialecticians and metaphysicians, who that things are collected according to the par-
are concerned solely with theoretical truth. ticular needs and interests of a single com-
Moreover, the latter wrongheadedly believe munity, thereby giving a certain relativistic
that they are entitled to a special jargon of flavour to his philosophy of language. More-
their own, whereas actually there is only one over, there is some evidence (cf. Breen 1955,
right usage of Greek and Latin, to which even 82 f) that he connected the act of ›compre-
philosophers should adhere. According to the hensio‹ with the rhetorical figure of ›synec-
fourth principle, philosophers ought to rec- doche‹. When we speak, for example, of the
ognize no other authorities but the five senses, triangle, we actually mean all triangles as
intelligence, reflection, memory, use and ex- individual things, collected into one ›univer-
perience. Lastly, Nizolius urges the philoso- sum‹, but choose the singular number in order
pher to refrain from any ways of expressing to bring out that any one element of the set
himself that are paradoxical or obscure to can do duty for all the others. Therefore,
men of non-specialized interests. — In elab- while in fact Cicero entitled one of his works
orating these principles, Nizolius directs his De officiis, in a literal way of speaking, he
caustic attacks especially against the dialec- might just as well have called it De officio,
ticians and metaphysicians, to whom he as- using the figure of synecdoche. What Nizolius
cribes the delusion that absolutely guaranteed seems to be driving at is the thesis that the
truths can be reached by syllogistic proofs act of universalizing is nothing but the mental
consisting of propositions about abstract uni- operation that makes the figure of synecdoche
versals. He repudiates the claim that there intelligible. This idea is characteristic of his
exist abstract universals in their sense; con- endeavour to rejuvenate philosophy by bring-
sequently, there cannot be any apodictic ing it into the ambit of rhetoric. In the same
proofs exploiting them, which means that vein, he maintains that arguments, which of
metaphysics and dialectic, in so far as they necessity are about contingent individuals or
pretend to use demonstrative methods of ar- sets of individuals, should be conducted, not
riving at the truth, are wholly superfluous. according to the inappropriate standards of
The only real entities that exist in the world the syllogism, but rather in conformity to the
are particulars, either as singular individuals rules of more flexible patterns of reasoning
or as collections of such items. Instead of the that induce the audience to concede the prob-
process of abstraction by which scholastic ability of a conclusion in the light of premisses
philosophers thought they could attain uni- which they already believe. Every attempt at
versals, Nizolius introduces the mental oper- convincing others has to start from state-
ation of ›comprehensio‹, an intellectual act by ments that are known better than the conclu-
which the mind collects a number of individ- sion, not by nature, but to the particular
uals into a homogeneous set, called ‘univer- persons who happen to be addressed at a
sum’. This act of collecting individuals into given moment (Nizolius 1956, II, 150).
some group is based upon an act of compar-
ing individuals. As the comparison may be
performed from different points of view, Ni- 4. The language question
zolius denies that the predicables are fixed Although Renaissance humanism is, almost
once for all, so that for instance the notions by definition, characterized by an absorbing
of ‘differentia’ and ‘proprium’ would be mu- interest in classical Greek and Latin, this does
tually exclusive. According to the various not mean that other languages were com-
7.  Renaissance philosophy of language 113

pletely ignored. Apart from the fact that each true that as long as there exist no translations
humanist was a native speaker of his mother in the various national languages it will be
tongue, especially in Italy there was also a necessary for scientists to consult the original
flourishing literature in the vernacular that texts of their Greek and Latin colleagues; but
could hardly fail to attract attention or even if progress is to be made, future generations
admiration. This situation, in which a zealous will have to bring about a situation in which
cultivation of the classical languages coexisted any subject can be treated in any language in
with a growing awareness of the possibility any part of the world. — At this point, Las-
of developing a full-blown national language caris compares translating Aristotle from the
as a rival, led to a long series of disputes Greek into the dialect of Lombardy to trans-
about the relative potentialities and merits of planting an orange-tree or an olive-tree from
the competitors. A typical example of such a a well-cultivated garden into a clump of
debate is the Dialogo delle lingue that was thorny shrubs. Moreover, the subject-matter
published by Sperone Speroni (1500—1588) of philosophy has a weight that demands
in 1542 . After a lively exchange of arguments other shoulders than those of the vulgar
by a champion of extreme Latinism and de- tongue. Pomponazzi, however, insists that all
fenders of some variety of Italian, this dia- languages are of equal value and that it is a
logue contains an alleged report of a conver- mistake to consider them, like trees or grass,
sation between the Greek immigrant Janus as products of nature, some of them weak
Lascaris (1445—1534) and Peretto, who is the and sickly, others strong and robust and more
Aristotelian scholar Pietro Pomponazzi fitted to carry the burden of our ideas. Lan-
(1462 —152 5). As the latter’s standpoint is guages are tools invented by man in order to
fairly representative of a strand in Renais- express his thoughts; and by the same exercise
sance thought that is very different from the of the human will that has made languages
humanist mentality and was to become at so different every one of them can be devel-
least equally influential, it is worth-while to oped and improved at pleasure. No language
expound it in some detail. — The conversa- whatever has a natural privilege of being the
tion (Speroni 1975, 108 ff) is said to have been unique vehicle of the concepts of the mind. It
occasioned by Pomponazzi’s remark that he is an error to believe that the contingent fact
is going to teach a course on Aristotle’s Me- that it has become customary to discuss phil-
teorologica, and that in doing so he will make osophical questions in Greek and Latin is
use of a Latin translation of the commentary sufficient proof that it is impossible to do
on that work by Alexander of Aphrodisias otherwise. Instead of regarding philosophy as
(ca. 2 00 A. D.). When Lascaris expresses something holy and divine, to be touched
doubt about the profitableness of reading a rather with the letters of a foreign language
Greek text in a Latin translation, Pomponazzi than with the living voice of one’s own, we
replies that he expects to learn as much from ought to hope that at last somebody will have
the Latin translation, or even from a trans- the courage to make the treasures of knowl-
lation in the vernacular, if that existed, as a edge that are still inaccessible to so many
Greek learns from the Greek text. According available to them in their own tongue. —
to him, Lascaris would be right if the user of Pomponazzi’s passionate defence of a kind of
the translation were a native speaker of principle of unlimited expressibility is further
Greek, but that not being the case it would strengthened by the bold contention that the
surely be foolish to require from someone mastering of Greek and Latin, which in itself
who wants to become a philosopher that he cannot be extremely difficult, is so vexatious
double his efforts by acquiring a knowledge because in concentrating on mere words we
of Greek as well. In Pomponazzi’s opinion, go against the natural inclination of the hu-
the fact that the quality of contemporary sci- man intellect. Since our mind has an innate
entific activities is inferior to the level attained urge to acquire knowledge about the world
in antiquity is mainly due to the priority given of things, it experiences the study of language
to the study of Greek and Latin. At the most as a hindrance that prevents it from getting
vital age such an amount of time and energy its proper food and reaching genuine happi-
is spent in becoming fluent in these foreign ness. Given this prevailing curiosity about the
languages that those who have been subjected structure of the world of things, it would have
to this kind of education either do not care been most fitting if mankind had been pro-
any more for non-verbal knowledge or simply vided by nature with a single universal lan-
echo what they read in ancient treatises. It is guage. This not being so, the best solution
114 I. Raum-zeitliche Übersichten

consists in thinking and writing in a way that oric. — In the course of the sixteenth century,
is most conformable to nature, by using the however, there also appeared some grammars
language that we learn soon after birth, at a of Latin that are remarkable precisely because
time when we are not yet able to understand of the theoretical background against which
other things. Humanists, however, seem to the observed phenomena are treated. Of the
regard the very fact that the vulgar tongue is two that gained widest fame — the De causis
learnt so easily as proof that it is unfit for linguae Latinae published by Julius Caesar
adequately expressing the higher products of Scaliger (1484—1558) in 1540, and the Mi-
the mind. Far from seeing that it is only the nerva seu de causis linguae Latinae published
road of universal reason that, through any in a final version by Franciscus Sanctius Bro-
language whatever, leads to the attainment of censis (152 3—1600) at Salamanca in 1587 —
truth, they arrogantly believe that they can especially the latter is worthy of note. After
show a knowledge of the world of things by Chomsky had tried to establish a link between
cleverly quoting some Greek or Latin author. his own theory of language and certain as-
— It is evident that Pomponazzi is made to pects of ›Cartesian linguistics‹ as it is found
voice a view of language that came to be in the Grammar and Logic of Port-Royal (s.
shared by many pioneers of the rising natural art. 44), others have attempted to go back
sciences. It is opposed to essential ingredients even farther, and one of the effects of this
of the humanist ideal in three respects: it search has been an enlarged interest in Sanc-
claims priority for knowledge of things over tius’ work as a possible influence on the au-
fluency in some privileged language; it con- thors of the Grammaire générale et raisonnée
siders languages in general as different man- of 1660. But even apart from this wider per-
made tools that in principle are all equally fit spective, Sanctius is fully entitled to a place
for the purpose of expressing the products of of his own in Renaissance philosophy of lan-
universal human reason; and it denies that guage. — In particular the first two chapters
there are any languages which by a special of the first book of the M inerva contain a
connection between eloquence and wisdom general view of language which is an original
are inherently superior to all other idioms. development of tendencies that had been pres-
ent in linguistics from Plato’s Cratylus and
Sophist onwards. According to Sanctius, man,
5. Philosophy of grammar endowed as he is with reason, must have
In the Middle Ages attempts at providing devised primeval language in conformity to
theoretical foundations of a philosophical na- nature and the universal laws of human
ture for grammar had been most prominent thought. Originally, therefore, the relation-
in several treatises on grammatica speculativa ship between words and things was such that
or modi significandi which appeared in the to each thing as it was conceived of by the
period between 12 75 and 132 5. After that mind there corresponded exactly one word
time the movement of the so-called ‘modistae’ and that no word signified more than one
(s. art. 41) had lost its vigour and proved thing. Homonyms and synonyms are to be
unable to resist attacks from many quarters. seen as deviations from this ideal situation
Among humanists, the paradigm of a very caused by the arbitrariness that came to de-
different approach to grammar was no doubt termine later stages of evolution. Equally, the
Lorenzo Valla’s Elegantiae Latini sermonis, syntactic structures of the sentences of the
completed about 1440 and printed in no less first language mirrored the forms of thinking
than 59 editions between 1471 and 1536. As about the world that are peculiar to the hu-
the title of this influential book indicates, it man intellect as such, and the parts of speech
is first and foremost an erudite display of which are the elements of those constructions
samples of right usage, culled from authors were a faithful reflection of the overall organ-
who were deemed worthy of being imitated. ization of reality. Now, Sanctius claims that
Valla proceeds by apt illustration, rather than this initial concord between reason and lan-
by inculcating abstract formal rules and of- guage is still the key to understanding and
fering theoretical considerations in support of describing language in the various shapes that
them. In general, grammarians who follow it has taken subsequently. For it may be as-
Valla’s lead show a similar predilection for sumed that each language has preserved its
concreteness, practical utility and persuasive- original rationality to such a degree that its
ness, in complete accordance with the meth- outer appearances are determined and ex-
ods preached in humanist dialectic and rhet- plainable by an underlying system of regular-
7.  Renaissance philosophy of language 115

ities that may be expressed in uniform laws of a sentence is often hidden by its external
and rigorous rules. Some of these rules apply appearance and has to be brought to light by
to all languages without exception — for ex- eliminating such distorting features as ellipsis,
ample, that every sentence contains a noun redundancy, transposition, and figures of
and a verb, that active verbs are always tran- speech. In sum, Sanctius’ philosophy of lan-
sitive and therefore require supplementation guage proves again that during the Renais-
by at least two nouns, that everywhere nouns sance period universalism and rationalism did
have exactly six cases — while other rules not lose their attraction, but rather underwent
have only a limited scope. — In actually dis- interesting modifications which were to give
closing and demonstrating the underlying them a new lease of life in the next centuries.
structures to which the grammarian is entitled
to appeal, Sanctius puts his main trust in
logical considerations that reveal the univer- 6. Selected references
sal workings of the human mind. Of course, Ad 1: Ashworth 1974, Language and Logic in the
he tries to corroborate the results of this Post-Medieval Period.
method as much as possible by empirical ev-
idence in the form of actually occurring ex- Ad 2 : Apel 1955 a, Die Idee der Sprache bei Ni-
pressions of Latin, or, if need be, of other colaus von Cues, in Archiv für Begriffsgeschichte 1.
languages, but even in cases where such con- Ad 2 : Jacobi 1979, Nikolaus von Kues. Einführung
firmation is not to be had he remains confi- in sein philosophisches Denken.
dent of the plausibility of the hypothesis con- Ad 2 : Nicholas of Cusa 1937, Idiota de mente
cerned on logical grounds. At the same time, (Opera Omnia V).
he is careful to state a kind of rules of trans- Ad 2 : Van Velthoven 1977, Gottesschau und men-
formation which lead from a postulated un- schliche Kreativität. Studien zur Erkenntnislehre des
derlying structure to the actual surface form. Nikolaus von Kues.
For instance, in the pattern that underlies Ad 3.1: Apel 1963, Die Idee der Sprache in der
constructions with a relative pronoun the rel- Tradition des Humanismus von Dante bis Vico.
ative is flanked by two case-forms of a noun, Ad 3.1: Jardine 1982 , Humanism and the teaching
one as antecedent and one in the relative of logic, in The Cambridge History of Later M e-
clause, as in ‘Vidi hominem qui homo dis- dieval Philosophy, Kretzmann et al. (eds.).
putabat’. By ellipsis either one or both of the Ad 3.1: Otto 1983, Rhetorische Techne oder Phi-
case-forms of the noun may be deleted. Be- losophie sprachlicher Darstellungskraft? Zur Re-
sides this type of ellipsis, which is strictly konstruktion des Sprachhumanismus in der Ren-
circumscribed, there is also a looser kind of aissance, in Zeitschrift für philosophische Forschung
omission by which constructions that other- 37.
wise would be too complex and prolix are
Ad 3.1: Keith Percival 1982 , Changes in the ap-
simplified for the purpose of brevity and el-
proach to language, in The Cambridge History of
egance. Further, there is a rule of addition,
Later Medieval Philosophy, Kretzmann et al. (eds.).
whereby for example adjectives, which have
no inherent gender, receive the gender of the Ad 3.1: Pfeiffer 1976, History of Classical Schol-
substantive with which they already agree in arship, from 1300 to 1850.
case and number. Finally, transposition ac- Ad 3.1: Seigel 1968, Rhetoric and Philosophy in the
counts for such phenomena as the placing of Renaissance Humanism. The Union of Eloquence
the preposition ‘cum’ after ‘me’ in ‘mecum’, and Wisdom, from Petrarch to Valla.
whereas substitution explains the fact that a Ad 3.1: Vasoli 1968, La dialettica e la retorica
neuter relative occurs after a feminine ante- dell’Umanesimo.
cedent in ‘Lunam et stellas quae tu fundasti’: Ad 3.1: Verburg 1952 , Taal en functionaliteit. Een
the relative agrees with the unexpressed sub- historisch-critische studie over de opvattingen aan-
stitute ‘negotia’. — Sanctius’ assumption of gaande de functies der taal.
a latent harmony between an ideal language Ad 3.2 : Gerl 1974, Rhetorik als Philosophie. Lor-
of reason and each particular language as it enzo Valla.
has historically grown is rather similar to the Ad 3.2 : Gerl 1982 a, Humanistische und geome-
basic tenet of the modistae, that the modes of trische Sprachphilosophie. Ein Paradigmenwechsel
being determine the modes of thinking and von Leonardo Bruni zu Francesco Patrizi, in Zeit-
that the latter determine the modes of signi- schrift für philosophische Forschung 36.
fying. It also resembles the view of many Ad 3.2 : Gerl 1982 b, Abstraktion und Gemeinsinn.
logicians concerning ›crypsis‹, by which was Zur Frage des Paradigmenwechsels von der Scho-
meant the circumstance that the logical form
116 I. Raum-zeitliche Übersichten

lastik zum Humanismus in der Argumentation- Ad 3.4: Breen 1955, Marius Nizolius, Ciceronian
stheorie Lorenzo Vallas, in Tijdschrift voor Filosofie lexicographer and philosopher, in Archiv für Re-
44. formationsgeschichte 46.
Ad 3.2 : Jardine 1977, Lorenzo Valla and the intel- Ad 3.4: Meinhold 1958, Luthers Sprachphilosophie.
lectual origins of humanist dialectic, in Journal of Ad 3.4: Nizolius 1956, De veris principiis et vera
the History of Philosophy 15. ratione philosophandi.
Ad 3.2 : Valla 1962 , Disputationes dialecticae, in Ad 3.4: Nizolius 1980, Vier Bücher über die wahren
Opera omnia I, Garin (ed.). Prinzipien und die wahre philosophische M ethode
Ad 3.2 : Waswo 1979, The ‘Ordinary Language Phi- gegen die Pseudophilosophen.
losophy’ of Lorenzo Valla, in Bibliothèque Ad 3.4: Nuchelmans 1980, Late Scholastic and Hu-
d’Humanisme et Renaissance 41. manist Theories of the Proposition.
Ad 3.3: Coseriu 1971 a, Zur Sprachtheorie von Juan Ad 3.4: Wesseler 1974, Die Einheit von Wort und
Luis Vives, in Aus der französischen Kultur- und Sache. Der Entwurf einer rhetorischen Philosophie
Geistesgeschichte, W. Dierlamm/W. Drost (eds.). bei Marius Nizolius.
Ad 3.3: Coseriu 1971 b, Das Problem des Über- Ad 4: Speroni 1975, Dialogo delle lingue.
setzens bei Juan Luis Vives, in Interlinguistica. Ad 5: Breva-Claramonte 1983, Sanctius’ Theory of
Sprachvergleich und Übersetzung, Bausch/Gauger Language. A Contribution to Renaissance Linguis-
(eds.). tics.
Ad 3.3: Vives 1979 a, In pseudodialecticos, Fantazzi Ad 5: Keith Percival 1976 a, Deep and surface
(ed.). structure concepts in Renaissance and medieval
Ad 3.3: Vives 1979 b, Against the Pseudodialecti- syntactic theory, in History of Linguistic Thought
cians. and Contemporary Linguistics, Parret (ed.).
Ad 3.3: Waswo 1980, The reaction of Juan Luis Ad 5: Sanctius 1587, M inerva, seu de causis linguae
Vives to Valla’s philosophy of language, in Biblio- Latinae.
thèque d’Humanisme et Renaissance 42.
Ad 3.4: Ayers 1980, Language, logic and reason in Gabriel Nuchelmans, Leiden
Calvin’s Institute, in Religious Studies 16. (Netherlands)

8. Sprachphilosophie in der Aufklärung

1. Stellenwert sprachtheoretischer Positionen in licher Erkenntnisprozesse wurden auch in Ge-


der Aufklärung stalt sprachtheoretischer Fragestellungen dis-
2. Philosophische Implikationen der These vom kutiert. In ihren Stellungnahmen zu Proble-
arbiträren Zeichencharakter men der Sprache haben Philosophen, wie z. B.
3. Die Sprachursprungsfrage, ihr anthropologi- François Marie Arouet de Voltaire (1694—
sches und erkenntnistheoretisches Umfeld 1778), Denis Diderot (1713—1784), Jean-Jac-
4. Sprachrelativität des Denkens — ein Diskus- ques Rousseau (1712 —1778), Etienne Bonnot
sionsgegenstand der Aufklärung de Condillac (1714—1780), Gottfried Wil-
5. Differenzierung und Radikalisierung der helm Leibniz (1646—1716) (s. Art. 2 3), Chri-
Sprachphilosophie der Aufklärung stian Wolff (1679—1754), Johann Gottfried
6. Literatur in Auswahl Herder (1744—1803) (s. Art. 2 6), Michail Va-
sil’evič Lomonosov (1711—1765), Cesare
Beccaria (1738—1794), Melchiore Cesarotti
1. Stellenwert sprachtheoretischer (1730—1808), Adam Smith (17 2 3—1790)
Positionen in der Aufklärung oder Gaspar Melchor de Jovellanos (1744—
Sprachtheoretische Auffassungen waren ge- 1811), gerade ihre Positionen als Aufklärer
rade in der Aufklärung nicht nur Ausdruck, ausgedrückt. Bei aller weltanschaulich-philo-
sondern oft sogar konstitutiver Bestandteil sophischen Differenziertheit und nationalen
philosophischer Positionen. Anthropologi- Spezifik ihrer Aussagen zur Sprache im all-
gemeinen und zu den historischen Sprachen
sche Probleme, wie die Überwindung des im besonderen verband sich die auf dem Hö-
Dualismus von Körper und Geist, das ge- hepunkt der Aufklärung ausgearbeitete sä-
schichtliche Menschenbild der Aufklärung, kularisierte Sicht des Menschen und der Ge-
die Entwicklung und Perfektibilität mensch-
8.  Sprachphilosophie in der Aufklärung 117

sellschaft mit einer entsprechenden Weiter- vermittelter Erkenntnisse verband sich in der
entwicklung und Umwertung sprachtheore- Aufklärung zunehmend mit dem Bewußtwer-
tischer Positionen des 17. Jahrhunderts (vgl. den der Sprachverwendung als Instrument
Ricken 1984, 8). Im Spannungsfeld der Aus- der Täuschung und der geistigen, oft auch der
einandersetzungen um das sinnliche Vorstel- politischen Unterwerfung. Daß solche
lungsvermögen und die körperliche oder gei- Sprachkritik unmittelbar in Gesellschaftskri-
stige Natur des Menschen hatte die Sprach- tik münden konnte, zeigt besonders ein-
problematik bereits im 17. Jahrhundert große drucksvoll die Beschreibung der Sprache als
philosophische Aktualität gewonnen. Mit der Instrument der Ausbildung und Festigung der
Erklärung der Sprache und des Denkens als Herrschaft eines Teils der Gesellschaft über
Ergebnisse einer langen wechselseitigen Ent- den anderen in Rousseaus Discours sur l’ori-
wicklung in der Geschichte der Menschheit gine et les fondements de l’inégalité (1755).
wird Stellungnahmen zu Wesen und Ursprung Auch in so zentralen Werken der Aufklärung
der Sprache in der Aufklärung eine neue Trag- wie Claude Adrien Helvétius’ (1715—1771)
weite verliehen. In naturwissenschaftlicher De l’esprit (1758) und De l’homme, de ses
Richtung weitergeführt, verbindet sich die facultés intellectuelles et de son éducation (po-
Auseinandersetzung über den Sprachur- stum 1772 ) ist die Darstellung des Sprach-
sprung (s. Art. 65) mit den damaligen Ansät- mißbrauchs einer korrupten Gesellschafts-
zen des Evolutionsdenkens, dessen sprach- form eine Verbindung von Sprachkritik und
theoretische Gesichtspunkte sich in der na- Gesellschaftskritik. — Als eine für das Anlie-
turwissenschaftlichen Transformationslehre gen der Aufklärung besonders geeignete Pu-
des 20. Jahrhunderts wiederfinden lassen. blikationsform erwies sich das dictionnaire,
Auch die Betrachtung grammatischer Er- das die bewußte und oft unverhohlene Stel-
scheinungen der Sprachen, wie z. B. der Wort- lungnahme nicht nur zu sprachlichen, son-
stellung, der Metaphorik oder der Synony- dern darüber hinaus zu philosophischen,
menunterscheidung, gewann in der Aufklä- ästhetischen, politischen und naturwissen-
rung ausgeprägt philosophische Züge. In schaftlichen Kontroversen der Epoche erlaubt
Frankreich, wo diese Tendenz besonders (vgl. Ricken 1984, 80). Als Sachwörterbücher
deutlich war, wurden Autoren, die sich in illustrieren Voltaires Dictionnaire philosophi-
philosophisch-weltanschaulicher Sicht mit que (1764) und die gegenaufklärerische Er-
sprachlichen Problemen beschäftigten, ‘gram- widerung in Gestalt des Dictionnaire antiphi-
mairiens-philosophes’ genannt, eine Wortneu- losophique (1767) das unmittelbare Eintreten
bildung, die den engen Zusammenhang phi- für oder gegen die Aufklärung in dieser Pu-
losophischer und linguistischer Probleme un- blikationsform. Diderots und Jean le Rond
terstreicht. Die Skala der verschiedenen d’Alemberts (1717—1783) Encyclopédie ou
Grammatiktypen erstreckt sich von elemen- Dictionnaire raisonné des Sciences, des Arts et
taren didaktischen Werken bis zu überwie- des M étiers (1751 ff) ist als größtes buch-
gend sprachphilosophischen, die eine Erklä- händlerisches Unternehmen des 18. Jahrhun-
rung sprachlicher Erscheinungen und ihrer derts zugleich wissenschaftliches Sachwörter-
Zusammenhänge mit dem Denken beabsich- buch und Wörterbuch der französischen
tigen. — Neben das Interesse für sprachliche Sprache und widerspiegelt außerdem in den
Normen und Korrektheit des Ausdrucks, das sprach- und grammatiktheoretischen Artikeln
durch das Bedürfnis nach einer einheitlichen wichtige Aspekte der Sprachphilosophie der
nationalen Literatursprache in einzelnen Län- Aufklärung. — Im Zusammenhang mit dem
dern (z. B. Italien, Rußland) besonders stark Aufschwung der Lexikographie und der Dis-
sein konnte, trat auch im Bewußtsein der kussion des Zusammenhangs von Sprache
sprachlich interessierten Öffentlichkeit zuneh- und Denken steht auch die Aktualität seman-
mend die Frage nach der Funktion der Spra- tischer Fragestellungen, beginnend mit der
che für den Menschen und für die Gesell- zunehmenden Detaillierung der praktischen
schaft, nach der Rolle der sprachlichen Zei- Bedeutungsbeschreibung in Wörterbüchern
chen für das menschliche Denken in den Vor- bis hin zur Erörterung der Zuverlässigkeit
dergrund. In diesem Zusammenhang wurde sprachlich fixierter Erkenntnis. Ein besonde-
in der Sprachdiskussion der Aufklärung auch rer Stellenwert in der damit verbundenen Dis-
die Wahrheit der Erkenntnisse und Ideen, die kussion um die Wortbedeutungen, ihren
mit Hilfe der Wörter fixiert und kommuniziert Wahrheitswert und ihre Entstehung kommt
werden, thematisiert. Die grundsätzliche Er- der Auffassung vom arbiträren Zeichencha-
örterung der Zuverlässigkeit durch Sprache rakter zu (vgl. Coseriu 1968, 81 ff), in deren
118 I. Raum-zeitliche Übersichten

Modifikation und Umdeutung im 18. Jahr- Körper und Seele nicht identisch sind, könne
hundert zugleich eine spezifisch aufkläreri- es überhaupt zur Verschiedenheit der Spra-
sche Sicht der Sprache deutlich wird. chen kommen. Einen Beweis für die Sprach-
unabhängigkeit des Denkens sieht schließlich
Cordemoy (1970, 61 f) auch darin, daß wir
2. Philosophische Implikationen uns oft nicht erinnern können, in welcher
der These Sprache wir einen Gedanken formuliert hör-
vom arbiträren Zeichencharakter ten. — Wenn in der augustinisch-rationalisti-
schen Tradition das reine Denken zwar als
2.1. Arbitrarität sprachlicher Zeichen in der sprachfrei angenommen wird, so wird eine
augustinisch-rationalistischen Tradition Folge der Kommunikation mittels Sprache
darin gesehen, daß die Menschen sich daran
Die Einbeziehung der Sprache in die philo- gewöhnt haben, auch in ihrem Denken Zei-
sophischen Systeme solcher Denker wie René chen zu benutzen. Die unumgänglich gewor-
Descartes (1596—1650), Antoine Arnauld denen sprachlichen Zeichen genügen jedoch
(1612 —1694), Nicolas Malebranche (1638— dem Denken nur in sehr unvollkommener
1715) und Baruch Spinoza (1632 —1677) be- Weise, denn intuitive Konzeptionen überflu-
ruht vor allem auf der Annahme einer Ana- ten das Denken, während die Sprache eher
logie der Beziehung von Sprache und Denken verlangsamt und ablenkt. Aus diesem Span-
zum Verhältnis von Körper und Geist. In nungsverhältnis zwischen unkörperlichem
ihren Grundzügen bereits bei Aurelius Au- Denken und körperlichem Kommunikations-
gustinus (354—430) (s. Art. 16) entwickelt, mittel, insbesondere aus der Annahme, daß
wurde die Lehre vom unkörperlichen, reinen die Unvollkommenheit der Wörter mit ihren
Denken, das jedoch für den Menschen nach verschwommenen Bedeutungen das Denken
der Erbsünde nicht mehr verfügbar sei und behindert, ergeben sich bereits deutliche An-
durch ein von Zeichen unterstütztes Denken haltspunkte für eine rationalistische Sprach-
ersetzt werde, auch zur Grundlage der ratio- kritik. — Die Untersuchung der drei Ebenen
nalistischen Sprachtheorien (s. Art. 12 ). Spra- des sprachfreien. Denkens, des in der Kom-
che ist für Augustinus das notwendige Ge- munikation mitgeteilten Denkens und des
wand des Denkens, wenn dieses sich in die schließlich aus Gewohnheit sprachgebunde-
körperliche Welt herabläßt, d. h. wenn es mit- nen Denkens findet sich auch in der Gram-
geteilt werden soll. Das vom sprachlichen Zei- matik (1660) und der Logik (1662 ) von Port-
chen Bezeichnete ist demnach ein rein geisti- Royal wieder (vgl. Robinet 1978, 9 ff) (s. Art.
ger Gegenstand, der mit dem Wort als kör- 44). Arnauld, der philosophisch bestimmende
perlichem Gegenstand nur eine Repräsenta- Autor beider Werke, knüpft an die augusti-
tionsbeziehung eingehen kann. Während nisch-cartesianische Position an und sieht das
Wörter eine unterschiedliche, arbiträre Laut- einzige Mittel zur Erkenntnis der Wahrheit
gestalt haben, sind die Begriffe weder grie- darin, dem Gedanken mehr Aufmerksamkeit
chisch noch lateinisch, sondern universell und zu widmen. Wörter sind arbiträr, was bedeu-
von sinnlichen Gegebenheiten unabhängig. — tet, daß es lächerlich wäre, so natürliche und
Wie für Augustinus ergibt sich auch für die einleuchtende Erscheinungen wie die Gedan-
an ihn anknüpfenden Philosophen des 17. Jh. ken als abhängig von den nur nach Phantasie
die Notwendigkeit der Sprache erst durch die und Laune festgelegten Wörtern anzuneh-
Kommunikation zwischen den Menschen, in men. — Die Bedeutung eines Wortes wird
der eine Weitergabe reiner Begriffe unmöglich jedoch in der Logik von Port-Royal nicht als
ist. Schon die Tatsache, daß Tiere mit hoch- feste Größe angenommen, sondern in Abhän-
entwickelten Sprechwerkzeugen zwar in der gigkeit von der Anschauungsweise des jewei-
Lage sind, menschliche Lautsprache nachzu- ligen Sprachverwenders gesehen. Einen Zu-
ahmen, aber niemals menschliches Denkver- sammenhang zwischen Sprache und spezifi-
mögen erreichen können, verweist nach Des- schem Denken und Erkennen der Sprecher
cartes auf die besondere Stellung des Men- sehen Arnauld und Pierre Nicole (162 5—
schen und die Unabhängigkeit seines Den- 1695) nicht nur beim Vergleich der verschie-
kens von materiellen Erscheinungen wie der denen Nationalsprachen, sondern auch bei
Sprache. Wie später noch ausdrücklicher bei der Betrachtung verschiedener Entwicklungs-
Géraud de Cordemoy (ca. 162 0—1684) wird etappen einer Sprache (vgl. Arnauld/Nicole
hier die Verbindung zwischen Zeichen und 1965, 75 f). Diese Problematisierung des Zu-
Gedanken als eine Art Modell der Beziehung sammenhangs von Sprache und Denken er-
von Körper und Geist angenommen. Nur weil
8.  Sprachphilosophie in der Aufklärung 119

gibt sich daraus, daß die Entsprechung des Denkens von den Sprachzeichen vorgebracht
Zeichens nicht unmittelbar im Gegenstand hatte, hatten Descartes und die Logik von
gesehen wird, sondern in den sich verändern- Port-Royal entgegengehalten, daß das
den Vorstellungen der Menschen von diesem menschliche Denken mit dem Bedeuteten
Gegenstand. Mit dieser Feststellung wies die operieren würde, nicht mit den Wörtern
Logik von Port-Royal bereits über den streng selbst, die durch Konvention festgelegt wür-
rationalistischen Rahmen hinaus und berei- den und daher einzelsprachlich verschieden
tete die Erkenntnis vor, daß sich gute Rhe- sein können, ohne die Universalität des Den-
torik, um das Bewußtsein der Menschen zu kens aller Menschen in Frage zu stellen (vgl.
erreichen, auch unter Berücksichtigung kon- Arnauld/Nicole 1965, 32 ). Dagegen verwen-
notativer Merkmale an die Imagination und det Giambattista Vico (1668—1744) (s. Art.
nicht nur an den Verstand wenden muß. — 2 4) die Behauptung eines formenden Einflus-
Hatte bereits die Logik von Port-Royal auf ses der Sprachen auf das Denken als Prämisse
den erkenntnisfördernden Einfluß der Spra- seines Beweises für die Überlegenheit des
che hingewiesen, indem sie erklärte, daß von Französischen als Sprache der Wissenschaf-
einem Wort gebildete Ableitungen uns durch ten und kehrt damit die Argumentationsweise
ihre Form zu neuen Gedanken hinführen (Ar- der bisherigen, auf rationalistischer Grund-
nauld/Nicole 1965, 2 47), so wendet sich Spi- lage vorgenommenen Sprachapologie um
noza noch grundsätzlicher gegen eine Über- (Vico 1947, 71). Nicht weil die französische
betonung der hemmenden Wirkung der Spra- Sprache geeignet sei, eingeborene und unwan-
che im Erkenntnisprozeß. Alles durch Spra- delbare Denkstrukturen ohne Umwege aus-
che Überlieferte, auch die Bibeltexte, ist nach zudrücken, sondern weil sie selbst ein den
Spinozas Auffassung unter dem Gesichts- Wissenschaften angemessenes Denken
punkt zu überprüfen, inwieweit allgemeingül- schaffe, gebührt ihr nach Vico der Vorrang
tige Konzeptionen oder entsprechend der als Wissenschaftssprache.
Sprache der Zeit und des Volkes ausgeprägte
Begriffe ausgedrückt werden. Spinozas Anlie- 2.2.1.  Wesentliche Veränderungen in der Auf-
gen ist ein von sprachlichen Vorbildern freier fassung vom arbiträren Zeichencharakter
und kritischer Sprachgebrauch. Die Ver- hatten sich vor allem infolge der nominalisti-
wechslung von Wörtern, Ideen und Sachen schen (s. Art. 11) Grundhaltung des engli-
wird von ihm als gefährliche Quelle von Irr- schen Empirismus ergeben. Ausgehend von
tümern und Vorurteilen beschrieben (Spinoza sensualistischen erkenntnistheoretischen Po-
192 5, Opera II, 131). — Bei Arnauld, Des- sitionen dehnte John Locke (1632 —1704) (s.
cartes und Spinoza sowie bei anderen ratio- Art. 2 2 ) in seinem Essay concerning Human
nalistischen Denkern des 17. Jahrhunderts Understanding (1690) den arbiträren Zeichen-
waren somit bereits Ansätze gegeben, den charakter nicht nur auf die Beziehung zwi-
Einfluß der Sprache auf den Erkenntnispro- schen Lautfolgen und Ideen, sondern auch
zeß als Problemstellung zu erkennen und zu auf die Zusammensetzung der bezeichneten
erörtern. In Verbindung mit der Anerkennung Ideen selbst aus. Das sprachliche Zeichen re-
eines sprachfreien, reinen und in seinen präsentiert nach Locke nicht unmittelbar die
Grundzügen eingeborenen Denkens (s. Art. Erkenntnisgegenstände, sondern die Begriffe,
72 ) war jedoch erkenntnistheoretisches Inter- die sich der Erkennende bildet. Sowohl Ideen-
esse an der Sprache eine zweitrangige Erschei- bildung als auch Bezeichnung sind willkür-
nung, der nur im Rahmen rationalistischer lich, durch ›voluntary imposition‹ festgelegt.
Sprachkritik größere Bedeutung zukam. Die Die Sprache wird von Locke nicht mehr als
Auffassung vom arbiträren Zeichencharakter System zum Ausdruck der universellen Ratio,
nimmt dabei noch eine Schlüsselstellung in sondern als Widerspiegelung des unter den
der Argumentation gegen eine erkenntnis- speziellen historischen und sozialen Bedin-
theoretische Relevanz der Sprachverschieden- gungen einer Sprachgemeinschaft organisier-
heit ein. ten Denkens verstanden. Umgebung, Sitten
und Gewohnheiten sind nach Locke maßge-
2.2. Umdeutung des Arbitraritätsbegriffs bend für die begriffliche Einteilung der Welt,
unter dem Einfluß für die Bildung komplexer Ideen und deren
sensualistischer Erkenntnistheorien Bezeichnung. Ideenkombinationen, die im
Leben der Menschen häufig auftreten, werden
Der Hypothese einer körperlichen Natur des zu komplexen Ideen und erhalten Namen,
Denkens, die bereits Hobbes als extreme während die Menschen es bei seltenen Kom-
Schlußfolgerung aus der Abhängigkeit des
120 I. Raum-zeitliche Übersichten

binationen von Ideen vorziehen, sie lose und der Sprache im Erkenntnisprozeß ergeben
ohne Namen zu lassen und die einzelnen hatten, wurden bereits im 17. Jh. unternom-
Ideen aufzuzählen, wenn sie wirklich einmal men. Als Mangel in Lockes Essay empfindet
zusammen benötigt werden. Die einmal es schon George Berkeley (1685—1753)
sprachlich fixierten Ideenkomplexe wirken (1871, Works I, 153), daß der Sprache nicht
dann auf das Denken zurück. Z. B. würde das durchgängig und systematisch Aufmerksam-
Vorhandensein der unterschiedlichen Bezeich- keit gewidmet werde. Locke habe der Sprache
nungen ‘ice’ und ‘water’ jedem Engländer na- zu sehr vertraut und verkannt, daß sie das
helegen, auch zwischen zwei verschiedenen größte Hindernis auf dem Wege zur Erkennt-
Dingen zu unterscheiden. Dagegen würde je- nis sei. Die folgenschwerste Auswirkung des
mand, der in Jamaika aufgewachsen sei und Einflusses der Sprache im Erkenntnisprozeß
daher weder die Erscheinung Eis noch den sieht Berkeley gerade darin, daß sprachliche
Namen dafür kenne, nicht zögern, Eis und Zeichen den Anschein erwecken, es gäbe ab-
Wasser als ein und dieselbe Sache anzusehen strakte Ideen, zu deren gefährlichsten die Ma-
und sie mit demselben Wort zu benennen terie gehöre (vgl. Berkeley 1871, Works I,
(Locke 1894, II, 69). — Diese nominalistische 143 ff). Nach Berkeleys Auffassung bezeich-
Erklärung der Rolle der Sprache im Erkennt- nen die Wörter nichts anderes als eine Vielzahl
nisprozeß forderte die Kritik Leibniz’ (s. Art. von einzelnen Ideen, die den Empfindungen
2 3) heraus, der auf der Grundlage seiner des Subjekts entsprechen, und erwecken nur
Lehre von der prästabilierten Harmonie die den Anschein, es handle sich um Abstraktio-
Annahme ablehnt, daß die sprachlichen Zei- nen. — Einen wichtigen Grund für die hem-
chen die einfachen Ideen willkürlich zusam- mende und irreführende Wirkung der Sprache
menfassen. Sogar den sprachlichen Zeichen im Erkenntnisprozeß sieht Berkeley neben
selbst billigt Leibniz, ausgehend vom Prinzip dem Vortäuschen von Abstraktionen auch
des zureichenden Grundes und der prästabi- darin, daß sich die Sprache an den Begriffen
lierten Harmonie, eine gewisse Motiviertheit und Vorurteilen der Menge orientiert. So
zu. Zwar werde nicht die Gestalt der Wörter müsse selbst der von der Richtigkeit des ko-
durch eine natürliche Notwendigkeit be- pernikanischen Weltbildes Überzeugte davon
stimmt, ihre Bedeutungen werden jedoch sprechen, daß die Sonne aufgeht, untergeht
nicht vom Zufall festgelegt (Leibniz 192 3 ff, oder sich dem Scheitelpunkt nähert (vgl. Ber-
Sämtl. Schr. R. 6 VI, 2 78). Im Hinblick auf keley 1871, Works I, 182 f). Zwar nehme man
Lockes Erkenntnistheorie hatte Leibniz die stillschweigend eine Korrektur an diesem
sensualistische Formulierung ‘nihil est in in- Sprachgebrauch vor, das sei jedoch nur mög-
tellectu quod non prius fuerit in sensu’ mit lich, weil in diesem Fall das Auseinander-
dem Zusatz ‘nisi intellectus ipse’ versehen. Er klaffen von Sprache und Vorstellung beson-
spielt damit auf die Tatsache an, daß Locke ders sinnfällig sei. In anderen Fällen sei dem
mit der ›reflection‹ eine von den Sinneswahr- sprachlich verursachten Irrtum Tür und Tor
nehmungen und von den Einflüssen der Spra- geöffnet.
che unabhängige Erkenntnisquelle angenom-
men hatte. Mit dem Dualismus von ›sensa- 2.2.3.  Ebenfalls ausgehend von Locke, je-
tion‹ und ›reflection‹ unterscheidet Locke doch mit ganz anderen Schlußfolgerungen als
neben den unmittelbar durch die gegenständ- Berkeley entwickelte Condillac in seinem Es-
liche Welt hervorgerufenen Sinneseindrücken sai sur l’origine des connaissances humaines
eine neue Stufe von Ideen, die auf apriorische (1746) eine zusammenhängende sensualisti-
Denkfähigkeit des Menschen zurückgehen. sche Theorie für die Entwicklung aller Denk-
Diese Annahme einer neben der Sinnestätig- vorgänge, in der die Auffassung vom arbiträ-
keit von Anfang an vorhandenen Reflexion ren Zeichencharakter eine zentrale Stellung
korreliert bei Locke (1894, § 1) mit der Über- einnimmt. Hatte Locke neben den ›sensa-
nahme der biblischen Schöpfungsthese in der tions‹ in der ›reflection‹ noch eine von den
Erklärung des Sprachursprungs: Gott stellte Sinnen unabhängige Erkenntnisquelle aner-
den Menschen als ein über Reflexion verfü- kannt, so führte Condillac die gesamte
gendes und damit der Sprache fähiges gesell- menschliche Erkenntnistätigkeit auf die Sin-
schaftliches Wesen in die Welt. neswahrnehmungen zurück und erklärte die
höheren Denkoperationen als mit Hilfe
2.2.2.  Versuche einer Lösung der Widersprü- sprachlicher Zeichen umgewandelte Empfin-
che, die sich bei Locke aus dem dualistischen dungen (sensations transformées). Nach Con-
Relikt für eine kohärente Erklärung der Rolle dillacs Theorie verfügten die Menschen ur-
8.  Sprachphilosophie in der Aufklärung 121

sprünglich über eine aus Schreien und Ge- Bedeutungen mit sprachlichen Zeichen belegt
bärden bestehende Sprache (langage d’ac- werden. Arbiträre Zeichen sind aufgrund ih-
tion), die zunächst für ihre primitiven Le- rer Beziehungen untereinander Träger von
bensverhältnisse genügte. Mit der weiteren Bedeutungen und funktionieren auf der
Entwicklung der Kommunikationsbedürf- Grundlage der im Sprachsystem vorliegenden
nisse entstanden die arbiträren Zeichen der Analogie (s. Art. 85). Die Verwendung arbi-
Lautsprache, durch die es dem Menschen trärer Zeichen ist nicht mehr natürliche und
möglich wird, frei über seine Imagination zu spontane Reaktion auf Sinneswahrnehmun-
verfügen und Sinneseindrücke abwesender gen, sondern Sprachtätigkeit auf einer be-
Gegenstände bewußt wachzurufen. Arbiträ- stimmten Stufe der miteinander verflochtenen
ren Charakter besitzen nach Condillac solche Entwicklung von Sprache und Denken. —
Zeichen, deren Gebrauch von unmittelbaren Condillac wendet sich dabei ausdrücklich ge-
äußeren Stimuli unabhängig ist und der Ent- gen eine vorwiegend negative Einschätzung
scheidungsfreiheit des Sprechenden unterliegt des Einflusses der Sprache auf das Denken.
(vgl. Auroux 1979 a, 2 9). Darin bestehen ge- Die Sprachen sind zwar unvollkommene Me-
rade die Voraussetzungen für die höheren thoden und lenken deshalb das Denken
Denkoperationen des Unterscheidens, Verall- manchmal auf Irrwege. Aber gerade weil sie
gemeinerns, Vergleichens, Urteilens und Methoden sind, deren Funktionieren auf in-
Schließens, durch deren psychogenetische Er- nerer Analogie beruht, müssen sie in vielen
klärung Condillac die Kluft zwischen Erfah- Fällen zu richtigen Ergebnissen führen (Con-
rung und Verstand überwinden konnte. — dillac 1947—1951, Œuvres philos. II, 400). Je
Kennzeichnet Condillac im Essai die Sprach- größer die Bewußtheit der Menschen in der
zeichen noch im Anschluß an Locke als ›insti- Verwendung der Sprache wird, um so besser
tutionell‹ und ›arbiträr‹, so schlägt er in seiner sind sie in der Lage, sich von den negativen
Grammatik (1775) vor, sie zur Vermeidung von Einflüssen der Sprache auf das Denken zu
Mißverständnissen nicht ‘arbiträr’, sondern befreien, die Sprache selbst zu korrigieren und
‘künstlich’ (artificiels) zu nennen. Diese sie als analytische Methode zu verbessern.
künstlichen oder institutionellen Zeichen sind Für die richtige Verwendung der Sprache im
in einem kontinuierlichen Prozeß aus natür- Interesse des Denkens und der Wissenschaft
lichen hervorgegangen, wobei stets von schon trägt nach Condillacs Auffassung die Gesell-
bekannten Zeichen ausgegangen wurde. Die- schaft volle Verantwortung. Mehrfach richtet
ses von Condillac immer wieder unterstri- er die Aufforderung an die Herrschenden, sich
chene Prinzip der Analogie bei der Bereiche- für eine sinnvolle Sprachverwendung einzu-
rung von Zeichensystemen ist dann auch die setzen, um die menschliche Erkenntnis zu för-
notwendige Bedingung für das Funktionieren dern. Wenn die Erkenntnisentwicklung ge-
der künstlichen Zeichen, nachdem sie einen hemmt wird, so ist daran nicht die Sprache
autonomen Status gegenüber den natürlichen schuld, die ihrem Wesen nach fähig ist, sich
Zeichen erreicht haben (vgl. Ricken 1984, an neue Bedürfnisse anzupassen, sondern die
12 9). Mit der Berufung auf die Analogie bei Regierungen, die das Fortschreiten der Ver-
der Erklärung des Funktionierens und der nunft aufhalten: „La raison n’est jamais re-
Weiterentwicklung der menschlichen Laut- tardée dans ses progrès, que par les vices du
sprache spricht Condillac den Sachverhalt an, gouvernement“ (Condillac 1947—1951, Œuv-
der in der modernen Linguistik als Motiviert- res philos. II, 38). — Die aufklärerische For-
heit des sprachlichen Zeichens charakterisiert derung, sich der eigenen Vernunft zu bedienen
wird. In dieser funktionellen Perspektive läßt und dabei scheinbare Schwierigkeiten, die
die Lautsprache keinesfalls eine von der sich aus den Unvollkommenheiten der Spra-
Laune des Sprechenden abhängige Zeichen- che ergeben, zu überwinden, richtet Condillac
wahl zu. Die in einem langen Prozeß der auch an die Philosophen. Ein grundsätzlicher
Wechselwirkung von Sprache und Denken Fehler der Metaphysik sei es, um Worte statt
entstandenen Regeln für Kombinationen von um Dinge zu streiten (z. B. Condillac 1947—
Ideen und für deren Belegen mit Zeichen sind 1951, Œuvres philos. II, 92 ). Den übermäßi-
vielmehr für den Sprecher verbindlich und gen Drang der Philosophen, ihre Lehren zu
bestimmen den besonderen Charakter einer Systemen auszubauen und die Rolle der Spra-
Sprache (le génie de la langue). Zum beson- che beim starren Beibehalten dieser Systeme
deren Charakter der Sprachen gehört ihre kritisierte Condillac in seinem Traité des sy-
einzelsprachliche Spezifik als analytische Me- stèmes (1749). Der sprachkritische Gedanke,
thode, die vor allem davon abhängt, welche den Condillac vor allem von Locke überneh-
122 I. Raum-zeitliche Übersichten

men konnte, erhält im Rahmen seiner Sprach- Blick auf Aspekte der gegenseitigen Abhän-
theorie durch die Annahme der Möglichkeit gigkeit und gemeinsamen Entwicklung von
einer bewußten Einwirkung auf die Sprache Sprache und Gesellschaft freigeben. Durch
und ihrer Anpassung an die Erfordernisse des das Prisma biblischer Überlieferung gebro-
Denkens eine erkenntnisoptimistische Ergän- chen, wurde diese Problematik dann in Ge-
zung. stalt der babylonischen Sprachenverwirrung
oder der grundsätzlichen Annahme, Sprache
und Gesellschaft hätten sich von einem ide-
3. Die Sprachursprungsfrage, alen Urzustand entfernt, thematisiert.
ihr anthropologisches und Bei grober Abstraktion von vielfältigen Be-
erkenntnistheoretisches Umfeld sonderheiten bei den einzelnen Autoren lassen
sich die im 18. Jahrhundert vorgetragenen
3.1. Hauptrichtungen der Diskussion Hypothesen über den Ursprung der Sprache
der Sprachursprungsfrage in drei hauptsächliche Gruppen einteilen (vgl.
in der Aufklärung (s. Art. 65) Ricken 1984, 164): (a) Übernatürliche Ein-
Die Problematik des arbiträren Zeichencha- gebung der Sprache an die ersten Menschen
rakters in einer solchen Perspektive wie Con- (z. B. Johann Peter Süßmilch, 1707—1767;
dillac aufzuwerfen, bedeutet zugleich auch Nicolas Beauzée, 1717—1789), (b) Sprache
Aspekte der Entstehung und Entwicklung der als Schöpfung der mit Denkfähigkeit ausge-
menschlichen Lautsprache zu behandeln. Be- statteten Menschen, womit sowohl für eine
reits in der Frühaufklärung wurde die Frage rationalistische Ausgangsposition als auch für
nach dem Sprachursprung im Rahmen der einen Sensualismus Lockescher Prägung der
historischen Bibelkritik (insbesondere Ri- Sprachursprung erklärbar und zudem durch
chard Simon, 1638—1712 ) und der Natur- das Ausgehen von einer Denkfähigkeit über-
rechtslehre (Samuel Pufendorf, 1632 —1694) natürlicher Herkunft die Übereinstimmung
aufgeworfen, wobei sich Bezüge zu der vom mit einem religiösen Weltbild gesichert war,
Cartesianismus ausgelösten Debatte über die (c) gemeinsame Entstehung und Entwicklung
Existenz psychischer und kommunikativer von Sprache und Denken im Verlauf der Ge-
Fähigkeiten der Tiere ergaben. Im Bemühen schichte der Menschheit. — Auf dem Höhe-
um eine „Resakralisierung“ (Droixhe 1978, punkt der Auseinandersetzungen um die Phi-
162 ff) der schon Anfang des 18. Jh. vorhan- losophie der Aufklärung gewann die Debatte
denen Tendenz zu einer säkularisierten Inter- über den Sprachursprung (s. Art. 65) zuneh-
pretation des Sprachursprungsproblems hatte mende Aktualität. Der Zusammenhang von
Jean Frain du Tremblay (1641—172 4) in sei- Zeichen und Denken und der Bezug zur Ent-
nem Traité des langues (1703) den später stehung der Gesellschaft stellten die Sprach-
mehrfach aufgegriffenen Einwand erhoben, ursprungsproblematik in den Rahmen der
wie es denn möglich sein sollte, daß man Diskussion um ein neues geschichtliches Bild
Sprache erfindet, ohne sprechen zu können, des Menschen und der Gesellschaft.
da man doch keine Brillen herstelle, ohne
sehen zu können. In der weiteren Diskussion 3.2. Psychogenetische Erklärung
um die Reihenfolge der Entstehung der Spra- des Sprachursprungs
che, des Denkens und des sozialen Verhaltens und geschichtliches Menschenbild
als wichtiger Wesenszüge des Menschen sowie Während bei Locke der Sprachursprung als
um den Typus der Gattung Mensch, der am Problem noch außerhalb des Gesichtskreises
Anfang der Geschichte steht, ging ein ähnli- lag, war Condillacs Sprachursprungshypo-
ches Dilemma aus der Erkenntnis der gegen- these besonders deshalb folgenreich für die
seitigen Bedingtheit von Sprache, Denken Sicht des Menschen und der Gesellschaft, weil
und Gesellschaft hervor. Ein Lösungsversuch er den Zeichen die bestimmende Rolle beim
bestand in der Annahme, daß Formen der Übergang von der sinnlichen Erkenntnis zum
menschlichen Gesellschaft und die mit voller abstrakten Denken zuwies. Nicht unbedeu-
Denkfähigkeit ausgestattete Gattung Mensch tend dürfte dabei der Einfluß Christian Wolffs
als Ergebnis übernatürlicher Schöpfung be- gewesen sein, der die Sprache mit den Leib-
standen haben müssen, bevor die Sprache er- nizschen Erkenntnisstufen in Beziehung ge-
funden wurde. Selbst das u. a. bei Locke vor- setzt hatte und dabei zu der Schlußfolgerung
zufindende Postulat, daß Sprachfähigkeit und gekommen war, daß die Sprache der Stufe der
Gesellschaft auf einen gemeinsamen Schöp- figürlichen Erkenntnis entspricht, möglicher-
fungsakt zurückgehen, konnte durchaus den weise diese Stufe sogar erst begründet.
8.  Sprachphilosophie in der Aufklärung 123

3.2.1.  Condillacs Sprachursprungshypothese menschlichen Gesellschaft ebenso wie die


bezieht nun auch die Gesellschaft in die ge- Sprache und das Denken als Werk des Men-
netische Betrachtung ein und stellt sie damit schen selbst verstanden. Gesellschaft, voll
in eine neue entwicklungsgeschichtliche Per- ausgebildete menschliche Denkfähigkeit und
spektive. War bereits mit der kommunikativ Sprache sind somit für Condillac Ergebnisse
beabsichtigten Verwendung von Schreien und der Geschichte, und die Gemeinschaft der
Gebärden im Stadium des ›langage d’action‹ Menschen ist ihr Schöpfer in einem kontinu-
ein erster Schritt vom Instinktiven zum Be- ierlichen Prozeß geschichtlicher Erfahrung
wußten gegeben, so waren diese Zeichen der (Ricken 1984, 171 f).
Gebärdensprache doch entsprechend dem
Bau des menschlichen Körpers von der Natur 3.2.2.  Die sensualistische Sprachursprungs-
vorgegeben, in ihren Grundzügen eingeboren. hypothese erhielt in Rousseaus Discours sur
Gerade im Zusammenhang mit der Ableh- l’origine et les fondements de l’inégalité parmi
nung der eingeborenen Ideen gewinnt die An- les hommes (1755) eine betont sozialkritische
nahme eines eingeborenen Kommunikations- Stoßrichtung. Rousseau übernimmt Condil-
mittels besondere Bedeutung. Die Frage nach lacs Hypothesen zur Rolle der Sprache in der
der Herkunft der ersten geistigen Operatio- Entwicklung des Denkens und beim Über-
nen, die über reine Wahrnehmungsprozesse gang der Menschheit vom Natur- zum Kul-
hinausgingen, sich aber noch nicht auf be- turzustand, hebt dabei jedoch statt eines re-
wußte Zeichenverwendung stützen konnten, lativ harmonischen Verlaufs der Menschheits-
wurde von Condillac durch den Verweis auf entwicklung gerade die sozialen Widersprü-
die Gebärdensprache und ihre Rolle im Er- che hervor, die Gesellschaft und Individuum
kenntnisprozeß beantwortet. Die mit der wei- deformieren. Mit Hilfe der Sprache konnte
teren Entwicklung der Kommunikationsbe- von denjenigen, die sich den Boden aneigne-
dürfnisse entstandenen arbiträren Zeichen der ten, allmählich die Idee des Eigentums aus-
Lautsprache vermischten sich zunächst mit gebildet und zu einer bestimmenden Norm
der Gebärdensprache. Erst allmählich er- des gesellschaftlichen Lebens gemacht wer-
langte die Lautsprache in einem Prozeß der den. Mit der Feststellung der sprachlichen
ständigen Wechselwirkung mit dem Denken und damit historischen Relativität der Be-
allgemeine Geltung, behielt jedoch zunächst griffe und Termini der Moral, des Besitzes
noch Merkmale des ›langage d’action‹ bei, und der Macht wendet sich Rousseau gegen
was sich besonders in der Wortstellung, der ihre naturrechtliche Legitimierung (Rousseau
Flexion und der Prosodie äußerte. Die Be- 1970, 197 ff; 2 09; 2 15). — Der Beginn des
dürfnisse der Menschen in ihrer Auseinan- Sprechens wird von Rousseau aus dem Na-
dersetzung mit der Umwelt erfordern und er- turzustand in eine geschichtliche Zeit verla-
möglichen dann die beständige Weiterent- gert und gemeinsam mit der Entstehung so-
wicklung der intellektuellen und kommuni- zialer Ungerechtigkeit als Ergebnis eines
kativen Fähigkeiten. — Die geschichtliche Lernprozesses der Menschen dargestellt, der
Entwicklungsdimension der Menschheit wird sich aus bestimmten Veränderungen in der
durch die menschliche Lautsprache und die physischen Welt ergibt. Katastrophen, Über-
auf ihrer Stufe erreichte kognitive und kom- schwemmungen und Gewaltakte der Natur,
munikative Funktion überhaupt erst ermög- die zur Vereinigung der Menschen in der Ge-
licht. Während bei den Tieren der Lernprozeß sellschaft drängten, hinterließen ihre Spuren
von Generation zu Generation immer wieder in der entstehenden Sprache. Der Gedanke
auf der gleichen Stufe einsetzt und auf diese eines Bruches wird dabei durch die Verbin-
Weise keine Entwicklung zuläßt, die über den dung von Sprache, Gesellschaft und Un-
Stand des Individuums der Gattung hinaus- gleichheit besonders akzentuiert. Der erste,
geht, können die Menschen in ihrer Sprache der mit den Worten ‘ceci est à moi’ etwas als
von Generation zu Generation gesellschaftli- Eigentum beanspruchte und der Menschen
che Erfahrung akkumulieren und weiterge- fand, die einfältig genug waren, ihm zu glau-
ben. In dem Maße, wie sich die anthropolo- ben, war nach dieser These der wahre Be-
gische Betrachtung der Sprache als Instru- gründer der bürgerlichen Gesellschaft. Hätte
ment der Entfaltung geistiger Fähigkeiten des sich damals jemand gefunden, der diese
Individuums der Gattung Mensch zur Ein- sprachliche Eigentumsbekundung als Lüge
ordnung der Sprache als Voraussetzung für entlarvt hätte, so wären den Menschen Ver-
die geschichtliche Entwicklung der Gesell- brechen, Kriege, Morde und anderes Elend
schaft erweitert, wird die Geschichte der erspart geblieben. Das zentrale Spannungs-
124 I. Raum-zeitliche Übersichten

feld in Rousseaus Sprachdenken liegt zwi- menarbeit zu bewirken. Wenn die Winter hart
schen dieser gesellschaftskritischen Konzep- und Jagdzüge unmöglich wurden, waren die
tion und dem eher ‘affektiven’ Herangehen, Menschen zur Vereinigung gezwungen und
das im Sprechen einen spezifischen und dem wurden dadurch zugleich in die Lage versetzt,
Wesen des Gesangs vergleichbaren Ausdruck einander zu helfen und eine Art Konvention
von Gefühl sah. Beide Tendenzen fließen in untereinander einzugehen. In den warmen
Rousseaus Essai sur l’origine des langues (po- Klimazonen führte die Notwendigkeit der
stum 1781) zusammen, wo das ›affektive‹ Wassersuche die Menschen zusammen und
Herangehen bereits durch den Untertitel pri- brachte dadurch die ›passions‹ hervor, aus
vilegiert wird (‘où il est parlé de la mélodie, denen sich Sprache ergab. Es erscheint daher
et de l’imitation musicale’) und die Darstel- übertrieben, einem Süden mit gesungener
lung durch die Annahme einer Polygenese an Sprache und Kommunikation aus Liebe einen
Komplexität gewinnt. Außerdem wird der Norden gegenüberzustellen, der Prinzip des
Sprache in ihrer Funktion (Kapitel 1), Ge- Unglücks und der Verderbtheit sei. Rousseaus
schichte und sogar in ihrem Verfall (Kapitel sprachphilosophisches Denken läßt sich nicht
2 , 9 und 2 9) die Bestimmung offengehalten, auf dichotomische Gliederungen und Wort-
der moralischen, affektiven und materiellen spiele reduzieren, wie etwa seine Aussage über
Vereinigung des Menschengeschlechts zu die- die Völker des Nordens: „le premier mot ne
nen. Die Sprachentstehung wird dabei nicht fut pas chez eux, aimez moi, mais aidez moi“
etwa einem bestimmten Menschentyp oder (Rousseau 1970, 131). — Auch die Opposi-
einer bestimmten Epoche vorbehalten. Die tion Natur/Zivilisation erfaßt offensichtlich
historisch aufeinanderfolgenden Produk- nur die als solche unvollständigen Gegenpole
tionsstufen der Jagd, Weidewirtschaft und einer dialektischen Bewegung, die nicht auf
Bodenbearbeitung werden vielmehr als Etap- eine nostalgische Sicht, sondern auf Befreiung
pen der Vergesellschaftung des Menschen und abzielt. Wie der Mensch selbst wird die Spra-
seiner Kommunikationsfähigkeit gesehen. Im che entwürdigt und mißbraucht, wenn sie vor
Zeitalter der Weidewirtschaft entwickelt sich allem dazu dient, das egoistische Ich zu be-
die primitive Sprache auf zwei Wegen, von haupten, ungerechten Eigentumsverhältnis-
denen der eine mit den Notwendigkeiten des sen Dauerhaftigkeit zu verleihen oder gesell-
Überlebens zusammenhängt. Ein Teil der Jä- schaftliche Mißstände zu verdecken. Dennoch
ger wurde seßhaft und zähmte Vieh, woraus ist die Sprache so eng mit der Vervollkomm-
sich bereits eine größere Übung der Sprech- nung des Menschen und dem Prozeß seines
organe ergab. Das Hirtenleben weckte außer- notwendigen Hinauswachsens über die pas-
dem Leidenschaften, die nicht auf das unmit- sive und animalische Natur verbunden, daß
telbare Überleben gerichtet waren. Während man die Andeutungen einer positiven Kraft
die lebenserhaltenden Bedürfnisse und die Su- der Sprache in Rousseaus Essai nicht über-
che nach Nahrungsmitteln die Menschen sehen kann.
dazu brachten, sich gegenseitig zu fliehen,
wurden sie durch diese ›passions‹ einander 3.3. Zur Sprachursprungsfrage
nähergebracht. Nicht der Hunger und der in der Enzyklopädie
Durst, für deren Ausdruck außerdem Gesten der französischen Aufklärung
genügt hätten, brachten somit die ersten laut- Für die weltanschauliche Heterogenität der
sprachlichen Äußerungen hervor, sondern Encyclopédie (1751 ff), aber auch für die
Gefühle wie Liebe, Haß, Mitleid und Wut Komplexität des Sprachursprungsproblems
(vgl. Rousseau 1970, Kapitel 2 ). Solche ›pas- selbst spricht allein schon die Tatsache, daß
sions oiseuses‹, insbesondere die Liebe, wer- mit nur wenigen Seiten Abstand zwei völlig
den jedoch durch nichts anderes als durch auf entgegengesetzte Auffassungen zu dieser
Lebenserhaltung gerichtete Bedürfnisse er- Frage vertreten werden konnten. Im Artikel
möglicht. Rousseau fragt danach, wie die langage begründet der Chevalier de Jaucourt
Selbstgenügsamkeit und das Gleichgewicht (1704—1779) unter Berufung auf Condillac
des Hirtenzeitalters zerüttet werden konnten den menschlichen Sprachursprung, während
und führt als Grund wie im Discours zunächst Beauzée im Artikel langue die übernatürliche
den störenden Einfluß der Umwelt an. Dabei Schöpfung der Sprache als einzige Erklä-
handelt es sich im Unterschied zum Discours rungsmöglichkeit ansieht. Bei Diderot selbst,
jedoch nicht um Katastrophen, sondern Un- aber auch bei den für die Mitarbeit an der
terschiede der Jahreszeiten und des Klimas Enzyklopädie gewonnenen Grammatikern
genügen, um Gruppenbildung und Zusam- César Chesneau du Marsais (1676—1756)
8.  Sprachphilosophie in der Aufklärung 125

und Beauzée, sind Bemerkungen zum Sprach- wird. Wenn bereits im Titel von Du Marsais’
ursprung der Absicht untergeordnet, die all- Aufsatz nach den Gründen des Sprechens ge-
gemeinen, abstrakten, aber verifizierbaren Be- fragt wird, so ist also andererseits das Spre-
dingungen der Entstehung eines Ausdrucks- chen selbst eigentliche Ursache des Denkens.
mittels zu untersuchen. War bereits Rousseau Sprache wird notwendig, um unser Denken
davon ausgegangen, daß die Entwicklung der zu gliedern, zu analysieren, es in seinen Ein-
Gesellschaft eines Tages Sprache hervorbrin- zelheiten auszudrücken und wahrnehmbar zu
gen mußte, und hatte er die tatsächliche Exi- machen. Die Notwendigkeit der Analyse des
stenz der Sprache in die Geschichte projiziert, Denkens zum Zweck der Kommunikation
so verlagern die Enzyklopädisten den Sprach- läßt uns dann oft erst erkennen, was ohne die
ursprung in eine zeitlich unbegrenzte Gegen- sprachliche Verarbeitung unbemerkt geblie-
wart, da die für Sprachentstehung notwen- ben wäre. Nach erfolgter Analyse muß der
digen Bedingungen ständig gegeben sind. Die Satz in der Sprachverwendung das wieder-
Frage nach der Kausalität des Sprechens und herstellen, was im Denken als Einheit exi-
der Sprache schließt dabei die genetische Fra- stierte. Eine solche Sichtweise, die auch Di-
gestellung nicht aus, verlagert sie jedoch auf derot teilte, läßt die Frage nach einer not-
die Ebene theoretischer Notwendigkeiten. — wendigen, festgelegten Wortfolge unange-
Diderot selbst entwickelte seine Gedanken bracht erscheinen. Alle Sprachen haben eine
zum Sprachursprung in der Lettre sur les ihnen angemessene Wortfolge und lassen
sourds et muets (1751) vor allem im Zusam- durch die Beziehungen zwischen den Wörtern
menhang mit der Problematik der Wortstel- im Satz Sinn entstehen. — Neben der Syntax
lung (vgl. Ricken 1978, 118 ff). Sollten sich behandelte Du Marsais als bevorzugtes
aus der Reihenfolge der Entstehung von Be- Thema die Metaphern (Des Tropes, 1730), die
nennungen nicht auch Hinweise für das viel er als eine Art zweite Geburt der Sprache
diskutierte Thema finden lassen, welche betrachtet (s. Art. 91). Nachdem in der Phase
Wortfolge in der gegenwärtigen Verwendung des Ursprungs der Sprache den sinnlich wahr-
der Sprachen die ›natürliche‹ ist? Diderot nehmbaren Objekten Namen beigelegt wur-
folgt dabei der Auffassung, daß zunächst die den, entstehen durch Nachahmung und Ana-
wahrnehmbaren Objekte benannt wurden, die logie Metaphern, die Abstraktes durch Kon-
als erste die Sinne getroffen haben. Mit bereits kretes, Geistiges durch naheliegendes Mate-
vorliegenden sensualistischen Positionen rielles abbilden. Wie im Bereich der Syntax
stimmt Diderot auch in der Erklärung der ersetzte Du Marsais auch in der Semantik die
Entstehung abstrakter Begriffe durch den Genesis durch eine Nachschöpfung, die im
Vergleich und das Herausarbeiten des Ge- alltäglichen Sprechen faßbar wird.
meinsamen sprachlich verarbeiteter Bedeu- Bemerkenswert am Vorgehen Beauzées, der
tungen überein (vgl. Condillacs Analogiebe- die Nachfolge Du Marsais’ als wichtigster
griff unter 2 .2 .3.). Im Unterschied zu Condil- Grammatiker der Enzyklopädie antrat und
lac steht jedoch bei Diderot die Simultaneität 1767 eine Grammaire générale veröffentlichte,
des Denkakts im Vordergrund. Das Problem ist das Bemühen, den offensichtlichen Wider-
der Entstehung und Verwendung sprachlicher spruch zwischen der Schöpfungslehre und der
Zeichen stellt sich daher im Grunde immer für die menschliche Erfahrung faßbaren
wieder von neuem, sobald die Ganzheit eines Sprachentwicklung zu überbrücken. Die gött-
Gedankens durch die lineare Abfolge von liche Sprachgebung betrachtet Beauzée ledig-
Wörtern ausgedrückt werden soll. — Einen lich als Schöpfung und Anregung einer
ähnlichen, auf die gegenwärtigen Funktionen menschlichen Fähigkeit, die dann entspre-
und die Kausalität der Sprache gerichteten chend den Bedürfnissen der sich entwickeln-
Anspruch erhebt Du Marsais’ Fragment sur den Gesellschaft wirksam wurde. Mit der Be-
les causes de la parole, das 1793, also sieben- zugnahme auf die kommunikativen Bedürf-
unddreißig Jahre nach dem Tode seines Ver- nisse und der Feststellung, daß die Menschen
fassers, erschien. Du Marsais gehörte als ver- selbst die notwendigen Wörter und Wendun-
mutlicher Autor eines Essais über die Vorur- gen erfinden, versucht Beauzée, den sprach-
teile zu den hervorragendsten Denkern seiner lichen Erfahrungstatsachen Rechnung zu tra-
Zeit. Im Anschluß an Locke kommt Du Mar- gen. In seiner Begründung des göttlichen
sais zu der Feststellung, daß die Analyse der Sprachursprungs nimmt er Rousseaus Ein-
Sinneswahrnehmungen als Grundlage der ge- geständnis, daß die Entstehung der Sprache
samten Denk- und Sprachtätigkeit erst durch auf natürlichem Wege schwer erklärbar ist,
das Kommunikationsbedürfnis veranlaßt als Beweis gegen den menschlichen Sprach-
126 I. Raum-zeitliche Übersichten

ursprung. Den einzelnen Argumenten Rous- ten, dem französischen Philosophen, Mathe-
seaus brauche man nichts hinzuzufügen, nur matiker und Biologen Pierre Louis Moreau
habe er in der Annahme göttlicher Einwir- de Maupertuis (1698—1759) zu, der 1748
kung noch einen Schritt weiter gehen sollen. selbst eine Arbeit unter dem Titel Réflexions
— Die Vorstellung von einem primitiven Zu- philosophiques sur l’origine des langues et la
stand der Menschen, in dem sich die Sprache signification des mots in die Diskussion ein-
allmählich entwickelte, betrachtet Beauzée als gebracht hatte (vgl. 4.2 .). Von ihm war die
besonders gefährliche und Glaubenswahrhei- Anregung ausgegangen, in der schließlich für
ten widersprechende Hypothese. Jede Sprache 1759 ausgeschriebenen Preisfrage der Aka-
setze bereits eine Gesellschaft voraus, die je- demie den Zusammenhang der Sprache mit
doch ohne Sprache ihrerseits nicht entstehen den Meinungen des Volkes zur Diskussion zu
könne. Als Ausweg aus diesem Dilemma sieht stellen (vgl. 4.3.). Ausschlaggebend dafür, daß
Beauzée nur die Anerkennung einer gleich- auch die Sprachursprungsfrage dann für 1770
zeitigen Erschaffung von Sprache und Ge- als Preisfrage thematisiert wurde, war neben
sellschaft durch Gott. Mit der Auffassung dem breiten Interesse für dieses Problem Süß-
vom göttlichen Sprachursprung verbindet milchs Versuch eines Beweises, daß die erste
sich hier der Hinweis auf den Offenbarungs- Sprache ihren Ursprung nicht vom M enschen,
charakter der entstandenen gesellschaftlichen sondern allein vom Schöpfer erhalten habe (ge-
Verhältnisse. Der Sprachursprung bringt in lesen 1756, veröffentlicht 1766, vgl. 3 ff). Süß-
diesem Sinne eine politische Konsequenz mit milch wollte diese Arbeit ausdrücklich als Re-
sich, die auf die Erhaltung der bestehenden aktion gegen Maupertuis verstanden wissen,
Ordnung gerichtet ist und zu einer der wich- wandte sich darin jedoch auch gegen Condil-
tigsten sprachphilosophischen Thesen der Ge- lac und Rousseau. Ganz im Sinne einer Re-
genaufklärung wurde. sakralisierung der Sprachursprungsfrage wird
dabei die These vom untrennbaren Zusam-
3.4. Resakralisierung und säkularisierte menhang von Sprache und Denken zum zen-
Sicht der Sprachursprungsfrage in der tralen Argument gegen die Möglichkeit der
Debatte an der Berliner Akademie Sprachhervorbringung durch den Menschen
umgedeutet: Sprache ist nach Süßmilch not-
Die Lehre vom göttlichen Sprachursprung be- wendige Voraussetzung für die Tätigkeit des
hielt nicht nur Anhänger aus Gründen der Verstandes, sie ist jedoch andererseits selbst
Orthodoxie, sondern sie gewann als fertige ein so kompliziertes und vollkommenes Pro-
Antwort auf ein schwieriges Problem wieder dukt, daß ihre Erfinder unbedingt bereits über
an Attraktivität. Der enge entwicklungsge- Verstand verfügt haben müssen, was wie-
schichtliche und funktionelle Zusammenhang derum ohne Sprache unmöglich sei. Als Aus-
von Sprache, Denken und Gesellschaft ließ weg aus diesem Dilemma sieht Süßmilch nur
die Frage nach der Priorität eines der drei die Anerkennung der Sprachgebung durch
sich gegenseitig voraussetzenden Relations- Gott. — Andererseits trug zur Verbreitung
partner zu einem Dilemma werden, das Auto- der Sprachphilosophie Rousseaus in Deutsch-
ren wie Beauzée oder Noël-Antoine Pluche land insbesondere die 1756 erschienene und
(1688—1761) unter dem Hinweis auf göttliche von Moses Mendelssohn (172 9—1786) be-
Einwirkung lösen wollten. Die Möglichkeit, sorgte Übersetzung des Discours sur l’origine
in derartige Begründungen eines übernatür- de l’inégalité bei. Mendelssohn teilt darin voll-
lichen Sprachursprungs Argumente Rousse- kommen die natürliche Erklärung der Spra-
aus einzubeziehen, ergab sich eher aus Ge- che als Schöpfung des Menschen, ohne sich
meinsamkeiten in der Komplexität der Sicht- allerdings Rousseaus politischer Radikalisie-
weise als aus einem selbständigen weltan- rung anzuschließen. Als Voraussetzung für
schaulichen Wert dieser Argumente. die Schaffung der Sprache sieht Mendelssohn
nicht eine ausgebildete Vernunft, sondern sin-
3.4.1.  Besonders deutliche Gegensätze in der nesgebundene Einbildungskraft und die Fä-
philosophischen Erklärung wechselseitiger higkeit zur Vervollkommnung. Gegen diese
Beziehungen von Sprache, Denken und Ge- sensualistische Erklärung des Sprachur-
sellschaft zeigt die Sprachursprungsdebatte sprungs wandte sich z. B. Jean Henri Samuel
an der Berliner Akademie der Wissenschaften Formey (1711—1797), der später als ständi-
und Schönen Künste (vgl. Aarsleff 1982 a, ger Sekretär der Akademie sogar den Ankün-
146 ff; Droixhe 1978, 178 ff; Ricken 1984, digungstext der einschlägigen Preisfrage zu
177 ff; Hartung 1977, 83 ff). Eine wichtige verlesen hatte. Unter dem Eindruck des Wi-
Vermittlerrolle kommt dabei deren Präsiden-
8.  Sprachphilosophie in der Aufklärung 127

derspruchs zwischen Maupertuis und Süß- wurden, Momente der psychologischen


milch war 1759 Formeys Schrift Réunion des Sprachbetrachtung und des Verhältnisses von
principaux moyens pour découvrir l’origine du Sprache und Denken betonten. Eine Reihe
langage, des idées et des connaissances de von Einsendungen, nicht zuletzt die preisge-
l’homme entstanden, die ihr Autor wegen der krönte Schrift Herders selbst, verdeutlichen,
besonders gegen Rousseau gerichteten Pole- daß die Frage nach dem Ursprung der Spra-
mik 1763 in seinen Anti-Emile aufnahm. Be- che immer zugleich eine Frage nach ihrem
merkenswert ist, daß Formey von Anfang an Wesen und ihrem Verhältnis zum Denken ist
auf die Argumentationsweise aus säkulari- (vgl. Bahner 1978, 93 ff).
sierter Sicht eingeht und die Frage nach dem
Sprachursprung mit der Frage nach der Na- 3.4.2.  Auf dem Hintergrund der vorangegan-
tur des Menschen verbindet. Unmittelbar auf genen Diskussion um die Sprachursprungs-
die explizite Formulierung dieser wichtigen frage wirkt der erste Satz von Herders Preis-
Grundposition der Sprachdiskussion der Auf- schrift provokatorisch: „Schon als Thier hat
klärung läßt Formey jedoch den Vorwurf fol- der Mensch Sprache“ (Herder 1978, Werke
gen, Philosophen wie Condillac oder Charles II, 91). Herder (s. Art. 2 6) beabsichtigt damit
Bonnet (172 0—1793) hätten nichts zur Un- jedoch nicht jene Rückführung der Sprache
terscheidung von Körper und Seele und damit auf unartikulierte Schreie, die er in Ausein-
auch nichts zur Erfassung des ursprünglichen andersetzung mit Condillac und Rousseau ab-
Charakters der menschlichen Seele beigetra- lehnt, sondern vielmehr die Kennzeichnung
gen, ja sogar möglicherweise durch ihre Leh- des Menschen als sprachliches Wesen von An-
ren dem Materialismus den Weg geebnet (vgl. fang an. Schon vor seiner Preisschrift hatte
Formey 1763, 2 13). Die Ablehnung auch nur Herder Süßmilch vorgeworfen, daß ihm der
in der Tendenz materialistisch interpretier- Geist der Geschichte fehle und damit das
barer Thesen liegt der gesamten Schrift For- Verständnis dafür, daß die Sprache nur als
meys zugrunde und führt schließlich auch zur ein historisches Entwicklungsprodukt im Ver-
Verneinung der Frage, ob die Menschen sich lauf der Menschheitsgeschichte erklärbar sei
selbst überlassen Sprache erfinden konnten (vgl. Ricken 1984, 179). Als die Eigenschaft
(Formey 1763, 2 2 9). Wenn er dennoch ein des Menschen, die ihn aus dem Tierreich her-
›Experiment‹ vorschlägt, bei dem Kinder iso- vorhebt und auch zur Entwicklung von Spra-
liert von jeglichen sprachlichen Einflüssen che befähigt, hebt Herder in der Preisschrift
aufwachsen sollten, äußert er von vornherein die Besonnenheit hervor. Diese Besonnenheit
die Überzeugung, daß diese Versuchsperso- ist zwar noch nicht mit der voll ausgebildeten
nen keine Sprache entwickeln und bis zu ih- Reflexion gleichzusetzen, ermöglicht jedoch
rem Lebensende im Zustand der ›animalité‹ sowohl Sprache als auch Reflexion, indem sie
verbleiben würden. Der Gedanke eines Na- den Strom der Empfindungen anhält und in
turzustandes der Menschen wird schließlich Merkmale zergliedert. Nach ihrer Herausbil-
von Formey zugunsten der Vorstellung ver- dung wirkt dann auch die Sprache fördernd
worfen, der Mensch habe vom Schöpfer zu- auf die Besonnenheit zurück, sie ist somit
sammen mit seiner Existenz auch die ersten letztlich sowohl ihr Produkt als auch ihr Or-
Ideen und die Fähigkeit zu ihrer Mitteilung gan. Das eigentliche Wesen des Menschen
erhalten. Für die Ausbildung und weitere Ent- bildet sich, ausgehend von der Besonnenheit
wicklung dieser Fähigkeit setzt er jedoch ge- als einer apriorischen Grundlage, erst im Ver-
sellschaftliche Unterweisung und Kommuni- lauf der nachfolgenden Evolution von Spra-
kation als notwendig voraus. — Eine heftige che und Denken heraus. — Nach den äußerst
Diskussion, in der vor allem die sensualisti- kritischen Einwänden seines Lehrers Johann
sche Sprachursprungsthese auf weltanschau- Georg Hamann (1730—1788) (s. Art. 2 5) et-
lich betonte Ablehnung gestoßen war, hatte was verhaltener geworden, wandte sich Her-
somit die schließlich 1769 gestellte Preisfrage der im Vorwort zu der 1784 erschienenen
vorbereitet: ‘Haben die Menschen, ihrer Na- deutschen Übersetzung von Lord Monbod-
turfähigkeit überlassen, sich Sprache erfinden dos (James Burnett, 1714—1799) Origin and
können? und auf welchem Wege wären sie am Progress of Language nochmals der Sprach-
füglichsten dazu gelangt’. Wenn Herder 1771 ursprungsfrage zu, ohne allerdings im Sinne
schließlich als Preisträger aus 31 Einsendun- seiner Preisschrift auf Monboddos Wider-
gen ausgewählt wurde, ist zunächst bemer- sprüchlichkeit in der Behandlung dieses Pro-
kenswert, daß fast alle Einsendungen, die vom blems einzugehen. Für Monboddo hat die
Preisrichter mit lobenden Worten bedacht Sprache, die erst nach der Ausbildung der
128 I. Raum-zeitliche Übersichten

Ideen entstand, ihren Ursprung in unartiku- rekonstruierte Ursprache oder die unmittel-
lierten Schreien, und sie kann nur von in einer bare Herkunft bestimmter Sprachen bis hin
Gesellschaft lebenden Menschen hervorge- zur aktuellen Sprachverwendung als Folge
bracht werden, sobald sie für die Bedürfnisse allgemeingültiger Gesetzmäßigkeiten der
der kollektiven Arbeit notwendig ist. In einer Sprachentstehung werden die verschiedensten
zweiten Phase treten bei Monboddo dann Gegenstände im Zusammenhang mit der
anti-empiristische Momente in den Vorder- Sprachursprungsfrage thematisiert.
grund, die seine Sprachursprungslehre als hi-
storische Seite und Ergänzung der neoplato- 3.5.1.  Elemente einer ›Resakralisierung‹ des
nischen universellen Grammatik James Har- Ursprungs der Sprache aufnehmend, kam es
ris’ (1709—1780) kennzeichneten (vgl. 4.5.1.). auch zur Hervorkehrung mythisch-poetischer
Dagegen war Herders an den Sensualismus Anhaltspunkte für die Suche nach transzen-
der Aufklärung angelehnte Sprachauffassung dentaler Erkenntnis. Für den im Zentrum der
Bestandteil seines geschichtlichen Menschen- französischen Illuminaten stehenden ›philo-
bildes und trug zu seinem Vertrauen in die sophe inconnu‹ Louis-Claude de Saint-Mar-
Perfektibilität des Menschen bei. Obwohl tin (1743—1803) liegt der Sprachursprung
Herders Position zur Sprachursprungsfrage in nicht in einem nach der Entstehung des Men-
ihren philosophischen und gesellschaftstheo- schen und seines Geistes vollzogenen Ereig-
retischen Konsequenzen gemäßigt war, wurde nis, sondern Sprachursprung und Ursprung
ihm aus der Sicht der Gegner der Aufklärung des Denkens fallen zusammen. Unterscheidet
vorgeworfen, mit der Leugnung des göttli- er sich in dieser dialektischen Sicht der Ent-
chen Sprachursprungs die menschliche Ge- stehung der Sprache im Zusammenhang mit
sellschaft als ein Werk der Menschen selbst den menschlichen Fähigkeiten kaum von her-
erklärt und damit ihre Umwälzung vorberei- vorragenden Vertretern der Aufklärung, so
tet zu haben. hebt sich der übergreifende Rahmen seiner
Sprachtheorie deutlich von deren Anliegen ab
3.5. Differenziertheit der Aspekte der (vgl. Friedrich 1935, 2 93 ff). Die Sprache
Sprachursprungsfrage (langage) der geoffenbarten Geisteseinheit
mit Gott sei verlorengegangen, sie schimmere
Die Sprachursprungsfrage findet sich in der aber — gemäß dem Symbolcharakter aller
Aufklärung in sehr speziellen Aspekten des Erscheinungen — in den ›langues‹, den gefal-
Funktionierens und des Erwerbs von Zei- lenen Sprachen, noch durch. Dieser univer-
chensystemen thematisiert. Phylogenese und sale Symbolismus zeigt sich auch in der An-
Ontogenese werden dabei bis zu einem sol- nahme einer ursächlichen Verbindung zwi-
chen Grade identifiziert, daß die Beschrei- schen Wörtern (Namen) und Sachen, wobei
bung des Spracherwerbs durch ein menschli- den Wörtern die Eigenschaft zugeschrieben
ches Individuum zum Modell der Sprachent- wird, etwas vom Wesen der Sachen zu ent-
stehung überhaupt werden kann. In dieser hüllen. Das Bestreben der Illuminaten, unter
Perspektive waren außerhalb der Gesellschaft Umgehung des diskursiven Denkens der
aufgewachsene Kinder, Taubstumme, primi- Wahrheit innerlich ansichtig zu werden, er-
tive Stämme oder auch Völker mit stark ab- hielt bei Saint-Martin eine ausdrücklich
weichenden Sprach- bzw. Schriftsystemen sprachtheoretische Prägung. In einigen
vielversprechende Forschungsgegenstände,
die allerdings oft nur im Gedankenexperiment Grundgedanken besteht dabei Übereinstim-
als ›empirisches‹ Material herangezogen wur- mung mit Autoren wie Beauzée und Formey,
den. die bereits im Verlauf der Sprachdiskussion
Mit dem Bewußtwerden der Schwierigkei- des 18. Jahrhunderts um eine Neubegründung
ten des Sprachursprungsthemas im 18. Jahr- des göttlichen Sprachursprungs bemüht
hundert geht außerdem seine Aufspaltung in waren. Ähnlich wie diese verwendet Saint-
mehrere Richtungen einher, in denen die phi- Martin die von Rousseau aufgezeigten
losophische Problematik auf unterschiedliche Schwierigkeiten bei der Sprachentstehung als
Weise mit anthropologischen, politisch-ge- Argument gegen den natürlichen Ursprung
sellschaftstheoretischen, philologischen und der Sprache. Die von Saint-Martin selbst er-
poetischen Gesichtspunkten verbunden wird. wähnte Gemeinsamkeit mit Rousseau er-
Jede dieser Richtungen faßt die zeitliche Aus- streckt sich auch auf die Ablehnung der Auf-
dehnung des Begriffs der Genese sehr unter- fassung, daß die Sprache nur als Instrument
schiedlich auf: vom mythologischen Ursprung zur Befriedigung der unmittelbaren Lebens-
jenseits aller möglichen Erkenntnis über die bedürfnisse entstanden sei sowie auf die An-
8.  Sprachphilosophie in der Aufklärung 129

nahme eines Bruchs zwischen der Ebene des seau den Schwerpunkt vom Problem der Ge-
Ursprungs und der geschichtlichen Zeit. nese auf das Problem der ständigen Sprach-
Wenn Saint-Martin diese Gedanken Rous- erzeugung und der Ursachen dieses Prozesses.
seaus aufnimmt und radikalisiert, so unter- Wie Daniel Droixhe (1976, 119 ff) am Beispiel
scheiden sich beide jedoch in wesentlichen Zü- Proudhons nachgewiesen hat, konnte ein in
gen ihres Denkens. Was Rousseau als Argu- dieser Perspektive entwickeltes sprachphilo-
mente in einer Beweisführung darstellte, ver- sophisches Interesse zu gesellschaftstheoreti-
wandelt Saint-Martin in Schlußfolgerungen, schen Konsequenzen und sogar zu entspre-
und Rousseaus Suche nach den Ursachen der chenden Handlungen führen.
Entfremdung im Verlauf der Geschichte wird
bei Saint-Martin durch eine Poetik des Verfalls 3.5.3.  Die anthropologischen Konsequenzen
ersetzt. Trotz ihrer gegensätzlichen Orientie- der Sprachursprungsdiskussion der Aufklä-
rung, der Notwendigkeit der persönlichen rung fanden auch bei den Naturwissenschaft-
und sozialen Wiederherstellung des Menschen lern Aufnahme und Fortsetzung. Im Kontext
bei Rousseau und der Sehnsucht nach einer der Debatte um naturwissenschaftliche und
in der Vielzahl von Sprachen verlorengegan- philosophische Fragen der Entstehung der
genen Einheit bei Saint-Martin, teilen beide Arten ergaben sich Ansätze einer naturge-
die Auffassung von der Sprache als wesent- schichtlichen Entwicklungslehre auch bei der
lichem Instrument des menschlichen Wesens. Behandlung der Tiersprache und des Sprach-
ursprungs (vgl. Ricken 1984, 182 ff). Wie
3.5.2.  Ein anderer Weg, das Sprachur- überhaupt bei der Anwendung solcher zen-
sprungsproblem in seinen Auswirkungen in tralen Begriffe des Geschichtsdenkens der
die Gegenwart zu verlagern, regte die Dicht- Aufklärung wie Fortschritt und Perfektibilität
kunst an, die immer deutlicher als Bestandteil wurde versucht, den Menschen auch in seiner
des Wesens der Sprache verstanden wurde. So Sprach- und Kommunikationsfähigkeit in
bereitete z. B. Du Marsais die Wiederbele- den Gesamtzusammenhang der Natur zu stel-
bung der bildhaften Sprache vor, und Diderot len. — Schon 1739 hatte Guillaume-Hyacin-
suchte am Gegenstand des Inversionspro- the Bougeant (1690—1743) mit seiner Schrift
blems eine neue Art und Weise, die ursprüng- Amusement philosophique sur le langage des
liche Ganzheitlichkeit der Sinneswahrneh- bêtes die Kirche zum Eingreifen veranlaßt,
mungen im sprachlichen Ausdruck herzustel- weil seine Darstellung der Empfindungs- und
len. Der notwendigen und für die menschliche Kommunikationsformen von Tieren den
Erkenntnis vorteilhaften Wirkungsweise der Rang des Menschen als Krone der Schöpfung
Sprachen als analytische Methoden wird so- in Frage stellte. Dabei hatte Bougeant ver-
mit bereits in der Aufklärung die beschwer- sucht, die philosophische Tragweite der An-
liche Linearität der Rede als Nachteil gegen- erkennung einer Seele der Tiere als unab-
übergestellt, den der Dichter durch Andeu- wendbare Folgerung der Anerkennung ihrer
tungen, Konnotationen der Wörter und In- ›Sprache‹ einzuschränken, indem er ihnen nur
versionen in der Wortfolge überwinden muß. Seelen von Dämonen zuwies. Doch sogar die
— Unabhängig davon, ob sie von der schöp- bei Voltaire von Locke übernommene Be-
ferischen Kraft des Wortes in seiner aktuellen teuerung, daß die hypothetische Annahme
Verwendung ausgingen oder sich vorwiegend einer materiellen Seele nicht glaubenswidrig
für die ›Harmonie‹ der Sprachen und ihre sei, da sie die Allmacht des Schöpfers, der
Verwandtschaft interessierten, führten die auch die Materie mit Denkfähigkeit ausstat-
Überlegungen zur Ursprungsproblematik oft ten könne, unterstreiche, hatte den Verdacht
zu politischen Implikationen. In Fortsetzung des Materialismus und Atheismus nicht ab-
der Theorien Beauzées und Saint-Martins wenden können. — Die sensualistische Hypo-
verbanden Antoine Fabre d’Olivet (1768— these über Ursprung und Entwicklung der
182 5), Louis Bonald (1754—1840), Pierre-Si- Sprache gab sprachtheoretischen Fragestel-
mon Ballanche (1776—1847) und Joseph de lungen eine neue weltanschaulich-philosophi-
Maistre (1753—182 1) mit der sprachlichen sche Dimension, die auch für das Evolutions-
Offenbarung die göttliche Auferlegung einer denken wichtig wurde. Die These, daß die
festen sozialen Ordnung. Durch die Betonung Tiere nach Maßgabe ihrer Bedürfnisse unter-
des wichtigen Anteils der sprachlichen Zei- einander kommunizieren und dafür Körper-
chen an der Vervollkommnung des Individu- bewegungen und nichtartikulierte Laute einer
ums und der Entwicklung der Gesellschaft auch dem Menschen eigenen Gebärdenspra-
verlagern dagegen z. B. Condillac und Rous- che verwenden, wird in die Argumentation
130 I. Raum-zeitliche Übersichten

für eine naturgeschichtliche Entwicklungs- Jean Lamarck (1744—182 9) hatte im An-


lehre einbezogen. So betrachtet Condillac, schluß an die sensualistische Erklärung der
insbesondere in seinem Traité des animaux Sprachentwicklung die Rolle der Bedürfnisse
(1755), die Elemente der Aktionssprache als bei der Höherentwicklung der Artikulations-
für Tier und Mensch gleichermaßen in Gestalt organe und des Gehirns betont und letztere
ihres Organismus gegeben. Den Lernprozeß, außerdem in einem Prozeß der Wechselwir-
der für die Anwendung der Aktionssprache kung mit der Sprache gesehen. In Darwins
bei Tier und Mensch nötig ist, führt der 1871 veröffentlichter Abstammung des M en-
Mensch schließlich bis zur Ausbildung der schen (The Descent of M an) findet sich dann
artikulierten Lautsprache weiter (Condillac die Feststellung:
1947—1951, Œuvres philos. I, 360 ff). Trotz “I cannot doubt that language owes its origin to
aller qualitativen Unterschiedlichkeit haben the imitation and modification, aided by signs and
die tierisch-menschliche Aktionssprache und gestures, of various natural sounds, the voices of
die artikulierte Lautsprache des Menschen ein other animals, and man’s own instinctive cries”
gemeinsames Funktionsprinzip in der Gedan- (Darwin 1871 I, 56).
kenverknüpfung (liaison des idées) und eine Darwin beruft sich dabei auf Veröffentlichun-
gemeinsame Triebkraft in Gestalt der Kom- gen von zeitgenössischen Linguisten, die er
munikationsbedürfnisse. — Diese bei Condil- zum Teil selbst durch sein erstes Hauptwerk
lac vorwiegend philosophisch-spekulativ for- Über den Ursprung der Arten (On the Origin
mulierte Erklärung der tierischen und of Species) (1859) angeregt hatte. So hatte
menschlichen Kommunikation wird bei Char- August Schleicher (182 1—1868) unter dem
les Bonnet durch Tierbeobachtungen und Einfluß Darwins in seiner Schrift Über die
physiologisch-anatomische Gesichtspunkte Bedeutung der Sprache für die Naturgeschichte
erweitert. Neben den Kommunikationsbe- des M enschen (1865) die Entstehung und Ent-
dürfnissen werden von ihm vor allem Unter- wicklung der Sprache in Formulierungen dar-
schiede in der organischen Struktur als Ur- gelegt, die an die sensualistischen Argumente
sache unterschiedlicher Kommunikationsfä- der Sprachursprungsdiskussion in der Aufklä-
higkeit bei Mensch und Tier aufgezeigt. Auch rung erinnern. Ebenso betonte Ernst Haeckel
der bedeutende Naturforscher Albrecht von (1834—1919) unter Berufung auf die glänzen-
Haller (1708—1777) widersprach der von den Resultate der vergleichenden Sprachfor-
Georges Louis Leclerc Buffon (1707—1788) schung seiner Zeit den Zusammenhang von
im Anschluß an den cartesischen Dualismus Sprachursprung und Anthropogenese. Auch
gezogenen Trennungslinie zwischen Mensch in dieser Fortsetzung einer Reihe von Grund-
und Tier und sah eine wichtige Gemeinsam- positionen der Sprachursprungsdebatte der
keit beider in der Sprache der Leidenschaften, Aufklärung im 19. Jahrhundert und in ihrer
die sogar eine Kommunikation zwischen Integration in ein naturwissenschaftlich ori-
Mensch und Tier erlaube. Das schlechtere entiertes Weltbild zeigt sich die philosophi-
Gedächtnis und damit die geringere Perfek- sche Tragweite der auf dem Höhepunkt der
tibilität der Tiere erklärt Haller aus der Tat- Aufklärung entwickelten Sprachphilosophie.
sache, daß sie weniger Zeichen besitzen. — Sie wurde zum Bestandteil und Instrument
An die Stelle einer statischen Stufenfolge und einer säkularisierten Sicht des Menschen, das
Verkettung der Lebewesen (Chaîne des êtres) über seine Zeit hinauswies und zu anthropo-
trat bei Maupertuis und mit noch deutliche- logischen Forschungen anregte.
ren sprachtheoretischen Bezügen bei Diderot
ein evolutionistisches Transformationskon-
zept, das die Funktion von Sprache und Zei- 4. Sprachrelativität des Denkens —
chen einbezog (vgl. Ricken 1984, 189). Di- ein Diskussionsgegenstand
derot ging dabei in seinen Pensées sur l’inter- der Aufklärung
prétation de la nature (1753—1754) bis zu der
Annahme, daß eine Vereinigung von Elemen- 4.1. Universalismus und Relativität — zur
ten der Materie einen Organismus bildet, der Charakteristik einer Problemstellung
in einem langen Entwicklungsprozeß immer
neue Stufen erreichen kann. — Die Über- Die Vorstellung von einem ›Paradigma‹ der
nahme sprachphilosophischer Überlegungen Sprachphilosophie der Aufklärung, das die
der Aufklärung in das naturwissenschaftliche Vielfalt der Sprachen universell gültigen
Evolutionsdenken läßt sich bis hin zu Charles Denkstrukturen nach- und unterordnet und
Darwin (1809—188 2 ) nachweisen. Schon für die Sprachbetrachtung feste Kategorien
einer an streng rationalistischer Logik orien-
8.  Sprachphilosophie in der Aufklärung 131

tierten allgemeinen Grammatik vorschreibt, nahme eingeborener Ideen verwendete. — Die


ist in der Forschung der letzten Jahre mehr- Verschiedenheit der Sprachen konnte auch als
fach relativiert worden (vgl. z. B. Aarsleff sprachpraktisches Phänomen nicht übersehen
1982 a, 101 ff; Auroux 1979 a, 69 ff; Ber- und mußte in der wissenschaftlichen Sprach-
gheaud 1984, 31 ff; Christmann 1967, 441 ff; betrachtung zunehmend beachtet werden.
Delesalle/Chevalier 1986, 331 ff; Haßler 1984, Dabei verschob sich das Interesse von einer
2 7 ff; Ricken 1984, 210 ff). Die These, daß die Begründung der Tatsache der Sprachverschie-
Sprachen in ihrer vielfältigen Gestalt nur in denheit zugunsten der Notwendigkeit, den be-
Abhängigkeit von einer universellen Struktur sonderen Charakter der Sprachen in der Be-
des Denkens existieren, ließe sich als eine der stimmung des Verhältnisses von Sprache und
in der Sprachphilosophie der Aufklärung vor- Denken zu berücksichtigen. Obwohl der Blick
liegenden paradigmatischen Positionen cha- auf jene, die über andere Zeichensysteme ver-
rakterisieren, die sich vor allem mit der Be- fügen, oft nicht ein Blick auf die Alterität,
gründung der Einheit und Unveränderlichkeit sondern in die eigene Vergangenheit war (vgl.
der Menschheit in Zeit und Raum verbindet. Schlieben-Lange 1984, 2 4), wurde das Be-
Mit der Erkenntnis der historischen Entste- wußtsein für die Verschiedenheit der Sprachen
hung und Entwicklung des Menschen und all auch in erkenntnistheoretischen Zusammen-
seiner Lebens- und Kommunikationsformen hängen geschärft. Aus der Sprachdiskussion
erlangt jedoch eine andere paradigmatische der Aufklärung erwuchs die Annahme einer
Position an Gewicht, die der Sprache einen Sprachrelativität des Denkens, die zur Über-
formenden Einfluß auf das Denken zugesteht. windung der rationalistischen Erkenntnis-
Die Sprachenvielfalt ist aus dieser Perspektive theorie beitrug und den Aufruf zur verant-
nicht mehr Hülle und Verkleidung des uni- wortungsbewußten Verwendung der Sprache
versellen Denkens, sondern Folge der unter- unterstützte (Haßler 1984, 2 7 ff; 43 ff; 113).
schiedlich verlaufenen gemeinsamen Entwick- Dabei ergab sich bereits als ein wichtiger
lung von Sprache und Denken. In Anlehnung Aspekt der intensiven Diskussion um den Zu-
an später besonders explizite und wirksame sammenhang von Sprache und Denken die
Formulierungen dieser paradigmatischen Po- Korrelation bzw. Wechselwirkung zwischen
sition (s. Art. 74) ist der Gedanke, dem besonderen Charakter der Sprachen und
„daß die Sprache, d. h. in erster Linie natürlich die der Denkweise ihrer Sprecher. — Die bei
Muttersprache, in irgendeiner Art und in irgend- Locke vorhandene Tendenz zur Annahme
einem Ausmaß (also keineswegs notwendigerweise einer Sprachrelativität des Denkens, die zu-
vollständig) die ›Weltansicht‹, das Denken, das Le- nächst durch den Dualismus von Sensation
ben ihrer Sprecher beeinflußt“ (Christmann 1981, und Reflexion eingeschränkt blieb, wurde
87) durch die späteren Vertreter des Sensualismus
auch im Hinblick auf die Sprachphilosophie in verschiedenen Richtungen weiterentwik-
der Aufklärung als ‘These vom Weltbild der kelt. Condillacs Erklärung der höheren Denk-
Sprache’ oder als ‘Linguistic Relativity’ (Penn prozesse als mit Hilfe sprachlicher Zeichen
1972 , 45 ff) bzw. ‘Linguistic Relativism’ (Po- umgewandelte Sinneswahrnehmungen gibt
litzer 1963, 5 ff) bezeichnet worden. — Mit auch der Besonderheit der einzelnen Sprachen
der Sprachrelativität des Denkens als Diskus- als Erkenntnismethoden eine neue Tragweite.
sionsgegenstand der Aufklärung ist die das Voraussetzung für das Funktionieren der
Denken konstituierende und in seiner Spezifik Sprache als Kommunikationsmittel und Mit-
gestaltende Funktion der Sprache gemeint. tel der Erkenntnis ist die Berücksichtigung
Diese Auffassung konnte sich vor allem auf der durch ihren besonderen Charakter vor-
der Grundlage einer neuen Einordnung der gegebenen inneren Zusammenhänge und Re-
Problematik des arbiträren Zeichencharak- gelmäßigkeiten. Die funktionelle Bestimmung
ters ergeben, die im Rahmen der sensualisti- der sprachlichen Zeichen als historisch moti-
schen Sprachtheorien erfolgte und mit einer viert eröffnet daher die Möglichkeit, daß be-
Überwindung der dualistischen Interpreta- stimmte relativ selbständige und isolierbare
tion des Verhältnisses von Sprache und Den- Kategorien für einen konkreten Zustand der
ken verbunden war. Unter 2 .2 .1. wurde be- Sprache als vorgegeben angenommen und in
reits darauf hingewiesen, daß Locke die Tat- ihrer Rückwirkung auf das Denken betrach-
sache der Sprachverschiedenheit und die da- tet werden können. Die Annahme eines Den-
mit verbundene unterschiedliche Bildung kens in der jeweiligen Einzelsprache (Condil-
komplexer Ideen bei verschiedenen Völkern lac 1947—1951, Œuvres philos. II, 90) verbin-
als Argument gegen die rationalistische An- det sich dabei jedoch mit der Anerkennung
132 I. Raum-zeitliche Übersichten

einer über die Bedürfnisse vermittelten Be- Turgot/Condillac u. a. 1970, 2 4 ff; vgl. auch
zogenheit des Erkenntnisprozesses auf die Politzer 1963, 5 ff). Maupertuis hatte ver-
Außenwelt. Sprachen sind korrigierbar, so- sucht, eine Art mathematisches Modell der
bald es der von den Bedürfnissen angeregte Sprachentstehung darzulegen, ließ dabei je-
Erkenntnisprozeß erfordert, denn die von doch keinen Zweifel daran, daß es ihm um
Condillac angenommene Wechselbeziehung die Fortsetzung der Philosophie Berkeleys auf
zwischen Sprache und Denken schließt ein, sprachtheoretischem Gebiet ging. Dabei geht
daß zur Weiterentwicklung des Denkens eine er ganz in Übereinstimmung mit Berkeley da-
Änderung der sprachlichen Konvention not- von aus, daß der Erkenntnis zunächst nur
wendig werden kann. Er gesteht den Men- isolierte Perzeptionen zur Verfügung stehen,
schen trotz aller Verbindlichkeit der sprach- über deren Herkunft und Beziehungen unter-
lichen Zeichen durchaus zu, die Sprache zu einander keine gültige Aussage möglich sei.
verbessern: „[...] pour rendre le langage exact, Um sie voneinander zu unterscheiden, belege
on doit le réformer sans avoir égard à l’usage“ der Mensch diese Perzeptionen mit Zeichen,
(Condillac 1947—51 I, 106). Die Annahme etwa mit A für die Perzeption /ich sehe einen
einer Sprachrelativität des Denkens ordnet Baum/ und mit B für die Perzeption /ich sehe
sich somit der aufklärerischen Forderung un- ein Pferd/. Allmählich stelle sich dabei heraus,
ter, sich der eigenen Vernunft zu bedienen und daß die dafür benötigte Menge an Zeichen
dabei scheinbare Schwierigkeiten, die sich aus die Möglichkeiten des menschlichen Gedächt-
der Sprache ergeben, zu überwinden. nisses übersteigt, weshalb schließlich im Er-
Am Beispiel Berkeleys (vgl. 2 .2 .2 .) hatten gebnis einer weiteren Aufgliederung der Per-
wir jedoch bereits gesehen, daß die Annahme zeptionen jeweils gleiche und rekurrente Teile
eines formenden Einflusses der Sprache auf gleiche Zeichen erhalten. Im Unterschied zur
das Denken auch zu ausgesprochen pessimi- psychogenetischen Erklärung des Sprachur-
stischen Schlußfolgerungen hinsichtlich der sprungs (vgl. 3.2 .) sind für Maupertuis die
Verläßlichkeit und Perfektibilität der mensch- ersten Zeichen demnach nicht Namen für Ge-
lichen Erkenntnis führen konnte. Mit der an genstände und Erscheinungen der Außenwelt,
Condillac gerichteten Aufforderung Diderots sondern Bezeichnungen subjektiv vermittelter
zur Auseinandersetzung mit dem subjektiven Perzeptionen. Die anschließend erfolgende
Idealismus (vgl. Haßler 1984, 33 ff) war deut- sprachliche Fixierung der Aufgliederung der
lich geworden, daß die vom Sensualismus als Perzeptionen folgt keiner vorgegebenen Rich-
erkenntnistheoretischer Richtung durchlau- tung und läßt von vornherein der Sprache
fene Entwicklung zwei gegensätzliche Tenden- viel Selbständigkeit. — Durch ein Gedanken-
zen aufwies. So stand Mitte des 18. Jahrhun- experiment, in dem er den Sprachvergleich als
derts die Auffassung der Sinneserkenntnis als Methode zur Gewinnung philosophischer Er-
Widerspiegelung der objektiven Realität im kenntnisse vorschlägt, gelangt Maupertuis
menschlichen Bewußtsein gegen die Isolie- zur Annahme sprachlich bestimmter geistiger
rung der Perzeptionen von ihrer außerhalb Ebenen, die die Erkenntnismöglichkeiten der
des Bewußtseins liegenden Quelle, der Mate- Sprecher festlegen (vgl. Maupertuis/Turgot/
rie, die in extremen Fällen bis zum Aufgeben Condillac u. a. 1970, 2 7). Aus der Auffassung
des Materiebegriffs führte. — Daß sich dieser von solchen ›plans d’idées‹ ergibt sich für
Gegensatz auch auf sprachphilosophischem Maupertuis die Frage, ob eine objektive, von
Gebiet ausprägte, ist sicher nicht zuletzt auf den Besonderheiten des jeweiligen Sprach-
die Bedeutung der Sprache als Methode zur baus unabhängige Erkenntnis überhaupt
Analyse der Perzeptionen zurückzuführen. möglich ist. Ein extremer Pessimismus in die-
Nicht zu übersehen ist auch, daß dabei das ser Frage kann Maupertuis nur mit wesent-
Problem der Sprachrelativität des Denkens im lichen Einschränkungen zugeschrieben wer-
Mittelpunkt stand. den, obwohl Formulierungen, die Fragestel-
lungen und Denkmuster der Wissenschaften
4.2. Die Auseinandersetzung zwischen allein auf die Gestalt der Sprachen zurück-
Maupertuis und Turgot führen, einen solchen Gedanken nahelegen
könnten:
Die konzentrierteste Anwendung des subjek- „Ce que nous appellons nos sciences dépend si
tiven Idealismus Berkeleys auf die Sprache intimement des manieres dont on s’est servi pour
und ihre Stellung im Erkenntnisprozeß hatte désigner les perceptions, qu’il me semble que les
Maupertuis 1748 in seinen Réflexions philo- questions et les propositions seroient toutes diffé-
sophiques sur l’origine des langues et la signi- rentes si l’on avoit établi d’autres expressions des
fication des mots vorgelegt (vgl. Maupertuis/
8.  Sprachphilosophie in der Aufklärung 133

premieres perceptions“ (Maupertuis/Turgot/Con- danken einer konsequent sensualistischen


dillac u. a. 1970, 39). Kritik an Maupertuis’ Abhandlung vorweg-
Diese gegenüber den Wissenschaften und den genommen. Der später vor allem als Ökonom
menschlichen Erkenntnismöglichkeiten so und Staatsmann bekannt gewordene Anne
skeptischen Überlegungen werden jedoch da- Robert Jacques Turgot (172 7—1781) hatte
durch modifiziert, daß Maupertuis im Zusam- mit den bis zu seinem Tode unveröffentlichten
menwirken von Wissenschaftlern mit unter- Remarques critiques sur les Réflexions philo-
schiedlichen Muttersprachen eine Möglich- sophiques de M aupertuis eine der besten und
keit zur Überwindung der Grenzen des durch eigenständigsten Arbeiten seiner frühen
die ›plans d’idées‹ vorgegebenen Erkenntnis- Schaffensperiode geschrieben. Vielleicht war
kreises sieht. Mit dem Gedanken, daß die es gerade die offensichtliche Übereinstim-
verschiedenen Sprachen im Zusammenwirken mung Maupertuis’ mit Berkeley, zu dessen
gerade durch ihre Verschiedenheit zur weite- Widerlegung Turgot 1750 eine weitere Schrift
ren Annäherung an die Erkenntnis der Wirk- verfaßte, die ihn zur Abfassung der kritischen
lichkeit beitragen können, hatte seinerzeit be- Bemerkungen gegen Maupertuis anregte. —
reits Leibniz auf einen wichtigen Aspekt der Inkonsequenzen in Maupertuis’ Anwendung
Problematik der Sprachrelativität des Den- des sensualistischen Prinzips auf die Beschrei-
kens hingewiesen (vgl. Leibniz 192 3 ff, Sämtl. bung der Sprachentstehung bilden zunächst
Schr. R. 6 VI, Kap. IX). Im Sinne einer — den Hauptangriffspunkt der Kritik Turgots.
analog zur Vielheit der Monaden — durch Die Sprachen sind nach Turgots Auffassung
die Sprachen bewirkten Vervielfältigung der nicht mit mathematischen Gebilden zu ver-
Welt hatte sich Leibniz Aufschlüsse für die gleichen, die im Ergebnis kühler Reflexion
Erkenntnis der Wirklichkeit und der mensch- entstehen, sondern sie bilden sich unter Ein-
lichen Denkprozesse durch die Aufzeichnung wirkung von Bedürfnissen und Leidenschaf-
und den Vergleich des Wortschatzes und der ten heraus. Unvorstellbar ist von diesem
Grammatiken verschiedener Sprachen erwar- Standpunkt aus, wie die sprachlichen Zeichen
tet. Maupertuis abstrahiert nun bewußt von zunächst nur Perzeptionen und nicht sinnliche
bestimmten durch den sozialökonomischen Dinge bezeichnet haben sollen. In seiner Po-
Entwicklungsstand objektiv gegebenen Er- lemik gegen Maupertuis beruft sich Turgot
kenntnisschranken der Völker, die wenig ent- auch auf den traditionellen Gegensatz von
wickelte Sprachen sprechen, und betrachtet Wörtern und Sachen und deutet ihn im Sinne
die Sprachen verschiedener Erkenntnisstufen seiner Theorie. Nicht die Suche nach Wörtern
als gleichwertige Methoden der Erkenntnis, als Entsprechungen irgendwelcher Perzeptio-
die im Zusammenwirken fruchtbare Ergeb- nen sei für die sprachliche Tätigkeit des Men-
nisse bringen können. — Trotz der zunächst schen kennzeichnend, sondern die Dinge
sehr geringen Anzahl der verfügbaren Ex- selbst müßten ausgedrückt werden. Wenn alle
emplare fanden die Réflexions Maupertuis’ Menschen die gleichen Sinne haben, ist es
bald Beachtung und ausführliche Kritik. 1752 nach Turgots Auffassung unmöglich, ihnen
antwortete Condillac, dem Maupertuis ein unterschiedliche ›plans d’idées‹ zuzuschrei-
Exemplar zugesandt hatte und der auf Ver- ben. Für die Ausrichtung der geistigen Ent-
anlassung des Präsidenten Maupertuis in die wicklung einer Menschengruppe sei es daher
Preußische Akademie aufgenommen worden nicht von so weitreichender Bedeutung, mit
war, in einem Brief mit dem Bekenntnis, mög- welcher Sprache man die ersten Ideen be-
licherweise selbst den Zeichen einen zu großen zeichnete, da die Quelle der Ideen, die Sin-
Einfluß zuerkannt zu haben (Condillac neswahrnehmungen, in jedem Fall die gleiche
1947—1951, Œuvres philos. II, 536). Die Prä- bliebe (vgl. Maupertuis/Turgot/Condillac
zisierung des Verhältnisses von Sprache und u. a. 1970, 38). Ohne einen engen Zusammen-
Denken in späteren Arbeiten Condillacs, die hang von Sprache und Denken in Frage zu
sich im Vermeiden von Überspitzungen der stellen, wendet sich Turgot damit gegen Mau-
These von der Sprachrelativität des Denkens pertuis’ sprachrelativistische Konsequenz und
und in der Betonung des eingeborenen Cha- betont die Bezogenheit der Erkenntnispro-
rakters einer Aktionssprache ausdrückt, ist zesse auf die Außenwelt. Die Sprachen kön-
sicher nicht zuletzt auf die Auseinanderset- nen die Weiterentwicklung des Denkens un-
zung mit der relativistischen Grundhaltung in terstützen, sie jedoch nicht selbst hervorbrin-
Maupertuis’ Réflexions zurückzuführen. gen. — Wie die Kontroverse zwischen Turgot
Doch schon 1750 hatte ihm ein damals noch und Maupertuis zeigt, waren auch innerhalb
sehr junger Gelehrter die wesentlichsten Ge- der paradigmatischen Position, die der Spra-
134 I. Raum-zeitliche Übersichten

che einen formenden Einfluß auf das Denken zeichnete Grundposition einer Wechselseitig-
zugesteht, gegensätzliche Standpunkte mög- keit des Zusammenhangs von Sprache und
lich, die sich mit philosophisch-weltanschau- Denken machten sich die einzelnen Bewerber
lichen Schlußfolgerungen verbanden. Ausge- keinesfalls in der gleichen Tiefe zu eigen. Den
hend von der entgegengesetzten paradigma- Preis erhielt schließlich die Beantwortung der
tischen Position, der Annahme einer Sprach- Frage von dem Einfluß der M einungen in die
unabhängigkeit des Denkens, wurde der Streit Sprache und der Sprache in die M einungen von
zwischen Maupertuis und Turgot 1815 Ge- Johann David Michaelis (1717—1791), der
genstand von Überlegungen, die eine Abkehr sich als gründlicher Philologe und Kenner der
vom Gedankengut der Aufklärung kennzeich- bisherigen Sprachdiskussion der Aufklärung
neten. Der ehemals von der sensualistischen erwies, auf die er seinerseits zurückwirkte. —
Richtung der Aufklärungsphilosophie beein- Ausgehend von einer am Gebrauch orientier-
flußte, im Verlauf seiner Entwicklung aber ten, demokratischen Sprachauffassung sieht
immer mehr auf spiritualistische Positionen Michaelis die Beziehung zwischen Einzelspra-
übergehende Maine de Biran unterzog die che und Erkenntnisstand unter neuen Ge-
Gedanken Maupertuis’ und Turgots einer sichtspunkten und mißt der Rückwirkung der
Kritik, in der er sich sowohl gegen den sub- Angehörigen aller Schichten auf ihre Mutter-
jektiven Idealismus Maupertuis’ als auch ge- sprache noch größere Bedeutung bei als etwa
gen den Sensualismus Turgots wandte. Turgot Condillac und Diderot. Jede einzelne Sprache
habe zu Unrecht versucht, Maupertuis nach- betrachtet Michaelis als
zuweisen, daß man die Sprachentstehung „eine Sammlung der Weisheit und des Genies gant-
nicht mit mathematischen Modellen beschrei- zer Völcker, zu dem ein jeder das seinige gegeben
ben kann. Sprachen seien nämlich durchaus hat: nicht blos der Gelehrte, der oft ein kleines
das Werk des sich selbst gegenwärtigen Ver- Genie hat, und noch öfter durch Vorurtheile ab-
standes, nicht, wie Turgot behauptete, das gehalten wird etwas neues zu entdecken, und am
Ergebnis einer durch Bedürfnisse und Gefühle Ende doch nur den hundertsten Theil der Men-
bestimmten Auseinandersetzung mit der Um- schen ausmacht, sondern auch der witzige, und der
welt. Gegen Maupertuis wendet sich Maine Natur gleichsam näher wohnende Ungelehrte; nicht
de Biran (Marie-François-Pierre Gonthier de blos der, dessen Gedancken die Menge annahm,
Biran, 1766—182 4) mit der Überzeugung, sondern auch der weiter sehende Kätzer; ja das
daß man keine Sprache finden könne, die Kind, dessen Genie das lebhafteste, und von Vor-
tatsächlich auf grundsätzlich anderen geisti- urtheilen am wenigsten eingeschränckte ist, und
gen Ebenen aufgebaut ist als die bekannten welches oft durch dreiste Associationen der Ideen
europäischen Sprachen. In den verschiedenen Wahrheit findet, giebt seinen Tribut zu diesem all-
Sprachen werde man vielmehr immer wieder gemeinen Schatz des Volckes“ (Michaelis 1760,
die gleichen Grundformen des Denkens wie- 15 f).
derfinden, die dem menschlichen Wesen von Damit erweitert Michaelis die bereits von den
der Natur gegeben sind und das charakteri- französischen Aufklärern gestellte Forderung,
stische Kennzeichen aller denkenden Lebe- entsprechend den spezifischen Erkenntnis-
wesen ausmachen (vgl. Maine de Biran möglichkeiten jeder Berufsgruppe zur Verbes-
192 0 ff, Œuvres X, 316). Gegen die relativi- serung der Sprache beizutragen, indem er sie
stische Auffassung von sprachspezifischen ge- auf jeden auch noch so ›ungelehrten‹ Sprecher
danklichen Ebenen stellte Maine de Biran so- anwendet. Allerdings wird nicht jeder gleich
mit die Annahme eingeborener Ideen und der eine wirkliche Sprachveränderung bewirken
Existenz des Denkens vor der Sprache. können, denn die ›oberste Gewalt‹ in der
Sprache ist das Volk selbst, das eine Neuerung
4.3. Sprache und ›Meinungen‹ des Volkes — annehmen oder ablehnen kann. — Den rück-
eine akademische Preisfrage wirkenden Einfluß der Sprache auf die ›Mei-
nungen‹ des Volkes sieht Michaelis sowohl als
Zu den von Maupertuis ausgegangenen Ein- positive als auch als negative Erscheinung.
flüssen auf die sprachphilosophische Diskus- Vorteilhaft ist dieser Einfluß der Sprache,
sion in der Aufklärung gehört auch die An- wenn ihr Reichtum an Wörtern genügend Ge-
regung, in der für 1759 ausgeschriebenen nauigkeit im Denken zuläßt. Dagegen ist es
Preisfrage der Königlichen Preußischen Aka- für Michaelis, wie vor und nach ihm für viele
demie der Wissenschaften den Zusammen- andere Vertreter der These von der Sprach-
hang der Sprache mit den ›Meinungen‹ des relativität des Denkens, unvorstellbar, daß
Volkes zur Diskussion zu stellen. — Die be- man bei Völkern, deren Sprache und Denken
reits durch den Text der Preisaufgabe vorge- noch keine Bezeichnungen für größere Zahlen
8.  Sprachphilosophie in der Aufklärung 135

entwickelt haben, Menschen zu Mathemati- ausgelöst hatte. Ein so bedeutender Denker


kern heranbilden könnte (vgl. Michaelis 1760, wie Hamann hatte sich zur Thematik der
34). Jedoch nicht nur Armut in der Sprache Preisfrage selbst geäußert, in Gotthold Eph-
kann zu schädlichen Auswirkungen für Den- raim Lessings (172 9—1781) Literaturbriefen
ken und ›Meinungen‹ führen, sondern auch erschien eine ausführliche Besprechung von
unproportionierter Überfluß und Homony- Michaelis’ Schrift, und direkte Bezüge zu ihr
mie verwechselbarer, bedeutungsverwandter finden sich sogar noch 1796 in einer Philo-
Wörter. Auch das Fehlen von neutralen Be- sophisch-kritischen Vergleichung und Würdi-
zeichnungen für bestimmte Begriffe kann sich gung von vierzehn älteren und neueren Spra-
ungünstig auswirken, insofern negativ oder chen Europens des Berliner Predigers Daniel
positiv wertende Bezeichnungen Vorurteile Jenisch (1762 —1804). — Wie Michaelis sieht
festlegen. So gebe es im Deutschen kein wer- Lambert die
tungsfreies Wort für das französische ‘le luxe’, „Sprache als eine Democratie [...], wo jeder dazu
mit dem eine in der Aufklärung vieldiskutierte beytragen kann, wo aber auch alles, gleichsam wie
Erscheinung bezeichnet wurde, und Wörter durch die Mehrheit der Stimmen, angenommen
wie ‘Üppigkeit’ oder ‘Überfluß’ legten bereits oder verworfen wird, ohne daß man sich immer
abwertende Urteile fest. In Etymologien kön- um das Wahre oder Falsche, Richtige oder Unrich-
nen nach Michaelis’ Auffassung sowohl tige, Schickliche oder Ungereimte viel umsieht“
Wahrheiten als auch Irrtümer verewigt wer- (Lambert 1764, II, 6).
den und die Meinung der Sprecher bestim- Sprachliche Zeichen werden von ›Ungelehr-
men. So komme von der Etymologie der ten‹ entworfen, sie gehen der wissenschaftli-
Krankheitsbezeichnung ‘Krebs’ die abergläu- chen Erkenntnis voraus, die sich dann jedoch
bische Vorstellung, daß diese Krankheit von ihrer bedienen muß. Zu Schwierigkeiten kann
der Berührung toter und verfaulter Krebse es dabei kommen, wenn ein Begriff nach wis-
komme (Michaelis 1760, 50 ff). — Obwohl senschaftlichen Erkenntnissen anders gefaßt
Michaelis den nachteiligen Einflüssen der werden muß, als ihn das Volk vorher auffaßte.
Sprache auf die ›Meinungen‹ des Volkes brei- Wörter konservieren nämlich nicht nur die
ten Raum gibt, möchte er sie nicht über- Resultate des bisherigen Denkens, sondern
schätzt wissen. Falsche sprachliche Bilder und die
Etymologien, Armut oder unnötiger Überfluß „ziemlich bestimmte Anzahl der Wörter einer Spra-
in der Sprache bilden sich immer gemeinsam che setzet unserer Erkenntniß, in Absicht auf ihre
mit einem fehlerhaften Denken heraus, kön- Ausdehnung, gewissermaßen Schranken und giebt
nen allerdings unter Umständen in der Spra- derselben eine ihr eigene Form oder Gestalt, welche
che länger und nachhaltiger wirken. Michaelis allerdings in die Wahrheit selbst einen Einfluß hat
wendet sich damit bereits gegen die Ersetzung [...]“ (Lambert 1764, II, 5).
einer verantwortungsbewußten Haltung zum In Überwindung dieser Schranken soll die
gesamten Erkenntnisprozeß und seinen Er- Neuordnung der Wissenschaften, ausgehend
gebnissen durch den Verweis auf eine sprach- von den Sinnesempfindungen und deren Ver-
liche Determiniertheit des Denkens. arbeitung, auch die Grundlage für eine wis-
Eine Seite der von Michaelis behandelten senschaftliche Sprache schaffen. Da die stän-
Preisfrage griff der Mathematiker und Phi- dige Verwechslung von Begriffen und Wör-
losoph Johann Heinrich Lambert (172 8— tern unvermeidlich sei, sieht Lambert das
1777) 1764 nochmals in einer Arbeit auf, der Ideal einer Sprache in dem Zustand, wo die
er den Titel Neues Organon oder Gedanken ›Theorie der Sache‹ und die ›Theorie der Zei-
über die Erforschung und Bezeichnung des chen‹ ohne Gefahr miteinander verwechselt
Wahren und dessen Unterscheidung vom Irr- werden können. Lambert wiederholt damit
thum und Schein gab. Doch nicht nur die Condillacs Gedanken von der Wissenschaft
Fragestellung, ob die Sprache, in die der als einer wohlgeformten Sprache und stellt
Mensch ganz im Sinne der Aufklärung die Forderung
„die Wahrheit einkleidet, durch Mißverstand, Un- nach ständiger Verbesserung der Sprache und
bestimmtheit und Vieldeutigkeit sie unkenntlicher ihrer Anpassung an die Erfordernisse des Er-
und zweifelhafter mache, oder andere Hindernisse kenntnisprozesses.
in den Weg lege“ (Lambert 1764, Vorrede)
weist große Ähnlichkeit mit Michaelis auf. 4.4. Nationalsprache und Entwicklung
Lambert stimmt in wichtigen Positionen mit der Kultur
dem Preisträger überein, der in Deutschland Neben der Frage, welche sprachlichen Vor-
bei vielen Aufklärern ein Nachdenken über aussetzungen die Entwicklung der Wissen-
den Einfluß der Sprache auf die Denkprozesse schaften fördern können, wurde im Zusam-
136 I. Raum-zeitliche Übersichten

menhang mit der Sprachrelativität des Den- Beispiele für den besonderen Charakter ein-
kens auch der Einfluß der Sprache auf die zelner Sprachen genannt hat, kommt Alga-
Nation und ihre Geschichte diskutiert. Die rotti zu der Erkenntis, daß Sprache und Den-
Betrachtung der Sprache als ›Bildungsmittel ken eines Volkes so eng zusammenhängen,
der Nation‹ trat dabei besonders dort in den daß in einer fremden Sprache zu schreiben
Vordergrund, wo der Kampf um eine einheit- hieße, seine eigene Wesensart aufgeben zu
liche Literatursprache und deren Geltungs- wollen. — Die Diskussion um die Rolle der
bereich noch nicht abgeschlossen war. So Sprache im Erkenntnisprozeß erreichte in Ita-
wurde die Problematik einer Sprachrelativität lien in den Jahren des Erscheinens der Zeit-
des Denkens zum Bestandteil der italienischen schrift Il Caffè (Juni 1764—Mai 1766) ihren
›Questione della lingua‹, die vor dem 18. Jahr- Höhepunkt. Mit Cesare Beccarias Frammento
hundert vor allem den Geltungsbereich des sullo stile wurde in ihr 1764 ein Text abge-
Toskanischen und der übrigen Dialekte, Fra- druckt, der die Grundlagen einer sensualisti-
gen der sprachlichen Norm, die Bewertung schen Sprach- und Stiltheorie in sehr konzen-
des im 14. Jahrhundert erreichten Höhe- trierter Form darbot. Das Verfolgen der kul-
punkts in der Sprachentwicklung und den turellen und sprachlichen Entwicklung der
Widerstreit zwischen Modernisten und Tra- Völker läßt Beccaria zur Feststellung der
ditionalisten beinhaltet hatte. Mit der For- Wechselseitigkeit des Zusammenhangs von
derung, das Italienische gegenüber anderen Sprache und Denken kommen. Das einfache
Sprachen, insbesondere dem Lateinischen Volk sei größtenteils darauf angewiesen, die
und dem Französischen, aufzuwerten, war die Objekte danach zu unterscheiden, welche Un-
Notwendigkeit verbunden, seine Eigenart und terschiede in den Wörtern einer Sprache vor-
Individualität gegen den rationalistischen zufinden sind. Bevor ein Volk den Höhepunkt
Universalismus zu verteidigen. Eine Bezug- seiner geistigen Entwicklung erreichen kann,
nahme auf den besonderen Charakter der müsse die Sprache bereits diesen höchsten
Sprachen (genio della lingua) ergab sich somit Stand erreicht haben, das ›Jahrhundert des
bereits aus der Tradition der ›Questione della Ausdrucks‹ (secolo dell’espressioni) gehe im-
lingua‹. Die im 18. Jahrhundert auch in Italien mer dem ›Jahrhundert der Reflexion‹ (secolo
zunehmende philosophische Durchdringung delle riflessioni) voraus. (Beccaria 1958 b,
der Sprachbetrachtung (vgl. Formigari 1984, 171). — Im bedeutendsten italienischen
61 ff) und die gesellschaftliche und politische sprachphilosophischen Traktat des 18. Jahr-
Relevanz einer einheitlichen Nationalsprache hunderts, Cesarottis Saggio sulla filosofia
führten dazu, daß insbesondere dem Verhält- delle lingue, wurde dann der flexible Charak-
nis zwischen Sprache und Kultur sowie dem ter der sprachlichen Besonderheiten betont,
Zusammenhang zwischen Sprache und We- die sich ständig mit der Entwicklung des Wis-
sensart eines Volkes besondere Aufmerksam- sens der Völker verändern und sich als Re-
keit gewidmet wurde. sultat der Auffassungs- und Urteilsweise der
Sprachgemeinschaft an neue Erfordernisse
4.4.1.  Zwar hatte Vico den gegenseitigen Zu- anpassen (Cesarotti 1788, 125).
sammenhang von Sprache und Denken be-
reits als Feststellung formuliert, systematisch 4.4.2.  Auch in der Apologie der spanischen
wurde jedoch dieses sprachtheoretische Pro- Sprache nimmt die These von der Sprachre-
blem in Italien erst behandelt, nachdem der lativität des Denkens eine wichtige Stellung
französische Sensualismus diskutiert bzw. ein. Schon der bedeutendste Vertreter der spa-
übernommen war. Das Verdienst, die Sprach- nischen Frühaufklärung Benito Jerónimo Fei-
theorie Condillacs in Italien bekannt gemacht joo y Montenegro (1676—1764) hatte die Be-
zu haben, gebührt vor allem Francesco Al- tonung des Wortreichtums der spanischen
garotti (1712 —1764), dessen Saggio sopra la Sprache mit Angriffen gegen ihre Überfrem-
necessità di scrivere nella propria lingua (1750) dung durch Entlehnungen aus dem Franzö-
die grundlegenden sprachtheoretischen Fest- sischen verbunden. Er appelliert an das Na-
stellungen des Essai sur l’origine des connais- tionalgefühl der Spanier, wenn er das Fran-
sances humaines zusammenfaßt. Die von Al- zösieren der spanischen Sprache als ein Zei-
garotti beabsichtigte Verteidigung des Ge- chen der Unterwürfigkeit gegenüber einer an-
brauchs der italienischen Sprache auf allen deren Nation kennzeichnet, und nennt Bei-
Gebieten stützt sich auf Argumente, die die spiele aus der spanischen Geschichte, wo die
Erkenntnis eines Einflusses der Einzelsprache Sprache trotz fremder Besetzung beibehalten
auf das Denken voraussetzen. Nachdem er oder im Fall der Eroberung durch die Römer
8.  Sprachphilosophie in der Aufklärung 137

erst spät aufgegeben wurde. Können diejeni- die Sprachdiskussion in Deutschland für die
gen, die ohne Notwendigkeit die spanische Bestimmung des Verhältnisses von Sprache
Sprache französieren wollen, noch als legitime und Denken, insbesondere die Vorbereitung
Abkömmlinge dieser Geschichte gelten? (Fei- der Humboldtschen Idee von der sprachlichen
joo 192 3, 2 73 f). Verbindet sich diese Frage Weltansicht leistete, wird in vielen Darstellun-
bei Feijoo mit der ausdrücklichen Bejahung gen der Geschichte der Sprachtheorie als ent-
der Verarbeitung aufklärerischen Gedanken- scheidend betrachtet, wobei oft vom Vorläu-
guts aus dem Ausland und damit verbundener fer-Denken, das in Herder einen Vorroman-
sprachlicher Entlehnungen, so wurde sie bald tiker sieht, ausgegangen wird. Abgesehen da-
aus traditionalistischer Sicht vereinnahmt. von, daß die Sprachdiskussion an der Berliner
Aus der Sprachdiskussion der Aufklärung Akademie in allen Grundzügen der Aufklä-
entlehnte z. B. Juan Pablo Forner (1756— rung verbunden ist (vgl. 3.4. und 4.3.), läßt
1797) (192 5, 107 f) die Feststellung eines en- sich jedoch eindeutig nachweisen, daß auch
gen Zusammenhangs zwischen der Denkweise aus anderen Ländern zahlreiche Anregungen
eines Volkes und dem Charakter seiner Spra- kamen, die Wilhelm von Humboldts (1767—
che, kehrte sie jedoch zu einem Argument 1835) (s. Art. 2 7) ›innerer Sprachform‹ und
gegen die ›afrancesados‹ um. Gerade wegen ›sprachlicher Weltansicht‹ einen geschichtli-
dieses Zusammenhangs zwischen dem Volks- chen Hintergrund geben.
charakter und den Besonderheiten der Spra-
che könne man die Denkweise eines anderen 4.5. Innere Form und Sprache bei Harris
Volkes nicht nachahmen, ohne dem Charak-
ter der eigenen Sprache Schaden zuzufügen. Hamann hatte für seinen Schüler Herder 1768
Harris’ Hermes bestellt, über den sich dieser
4.4.3.  Einen unmittelbar sprachpraktischen später in seinem Vorwort zur Übersetzung
und sprachpolitischen Aspekt gewann die auf- von Monboddos Of the Origin and Progress
klärerische Einsicht in den Zusammenhang of Language sehr lobend äußerte. Die Wert-
von Sprache und Kultur einer Nation in Ruß- schätzung Herders für Harris und Monboddo
land. Die sich in der Aufklärung vollziehende kann sicher nicht nur als eine Verbeugung vor
und mit ihr verbundene Herausbildung der dem englischen Neoplatonismus gewertet
russischen Literatursprache ist ein Prozeß, der werden, die Herder Hamann nach dessen Kri-
durch theoretische und praktische Bemühun- tik an der Abhandlung über den Ursprung der
gen der russischen Aufklärer gefördert wurde. Sprache (1772 ) schuldig zu sein glaubte. In
Die dabei gewonnene Erkenntnis des eigen- James Harris’ Hermes or a philosophical in-
ständigen Werts und der gesellschaftlichen quiry concerning universal grammar (1751),
Bedeutung einer philologischen Kultur trug den Herder durch Hamanns Vermittlung
zur Formierung des Bilds einer Sprecherper- zwanzig Jahre vor dem Erscheinen einer deut-
sönlichkeit und einer Sprachgemeinschaft bei. schen Übersetzung kennenlernen konnte, fin-
Bereits Lomonosov hatte sich die Annahme den sich tatsächlich Ansätze zu einer Bestim-
einer Wechselbeziehung zwischen Sprache mung des Verhältnisses von Sprache und
und Denken zu eigen gemacht und die Spra- Denken, die erst bei Humboldt konsequent
che als Voraussetzung der Entwicklung der angewandt wurden.
Gesellschaft betrachtet. Einen noch größeren
Stellenwert erhält die Sprache in Aleksandr 4.5.1.  Nachdem eine sprachliche Gestaltung
Nikolaevič Radiščevs (1749—1802 ) philoso- der menschlichen Erkenntnisprozesse bereits
phischer Schrift Über den M enschen, über in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts dis-
seine Sterblichkeit und Unsterblichkeit (O če- kutiert worden war, gibt Harris erstmalig
loveke, o ego smertnosti i bessmertii, 1792), Hinweise, die den Begriff der ›inneren Form‹
wo sprachliche Zeichen als Voraussetzung für mit der Rolle der Sprache im Erkenntnispro-
die praktische und wissenschaftliche Tätigkeit zeß in Zusammenhang bringen. In der An-
des Menschen angenommen werden. Wegen wendung des Begriffspaares ‘Stoff/Form’, das
der wichtigen Rolle der Sprache für die Er- er aus der griechischen Philosophie entlehnte,
ziehung des Denkens tritt Radiščev für den bleibt Harris allerdings ganz im Rahmen eines
Unterricht in der Muttersprache ein, die sich besonders an Platon und der Cambridger
am Sprachgebrauch des Volkes zu orientieren Schule orientierten Rationalismus, der den
habe und eine Norm erhalten müsse (Zur Stoff als passiv und nur potentiell als Träger
Sprachphilosophie der russischen Aufklärung von Gestalten auffaßt und alles Aktive, Be-
vgl. Berezin 1979, 2 1 ff). — Der Beitrag, den wegende, Strukturierende der Form zu-
schreibt. Während im mechanischen Hervor-
138 I. Raum-zeitliche Übersichten

bringen von Lauten die menschliche Sprache Uhrmacher hat eine Idee von dem, was er
durch nichts wesentliches ausgewiesen sei, sie bauen will, bevor er die Uhr als äußere, wahr-
in ihrem Stoff also mit vielen anderen hör- nehmbare Form schaffen kann. Damit ge-
baren Erscheinungen übereinstimme, bestehe steht Harris der inneren Form auch die Ei-
ihr Charakter gerade darin, daß bestimmte genschaft zu, nicht nur Ergebnis, sondern ge-
Gliederungseinheiten der Sprache eine Bedeu- staltendes Element des Erkenntnisprozesses,
tung haben und Ideen ausdrücken. Diese nicht nur ergon, sondern energeia zu sein. —
Ideen und Bedeutungen, die die Menschen Harris gliedert seine epistemologische Kritik
durch Beobachtung und Abstraktion gewon- somit nach einer Typologie der Ideen, in der
nen haben, sind die Form, das eigentlich Prä- es drei Entstehungsebenen gibt: die des Be-
gende der Sprache. Durch eine einfache obachters, die Ebene des beobachteten Ge-
Zuordnung, die von den in der Gesellschaft genstandes und die des Schöpfers. Auf der
lebenden Menschen vorgenommen wird, er- Ebene des Beobachters können die empiri-
halten die Laute Symbolcharakter und wer- schen Beschreibungen gültig sein, jedoch
den zusammen mit ihren Bedeutungen zu nicht zu einer Aussage über die Natur der
Wörtern (Harris 1972 , 318 ff). Diese Wörter Ideen, sondern höchstens über ihre Aneig-
tragen jedoch nichts zum Abstraktionsprozeß nung führen. Die Trennung von Erfahrung
bei, abstrakte Ideen seien vielmehr vor ihren und Wissenschaft sowie von Aneignung und
sprachlichen Bezeichnungen gegeben. Die Be- Entstehung ermöglicht es Harris in Überein-
schreibung der Wörter anhand ihres lingui- stimmung mit Locke, das Wort als Symbol
stischen Status ermöglicht nicht die Kon- einer allgemeinen, durch Abstraktion ange-
struktion einer Theorie des Verstandes, son- eigneten Idee zu akzeptieren und dennoch die
dern höchstens die Beobachtung verschiede- sensualistische Erkenntnisformel in „nihil est
ner Abstraktionsgrade, so wie der Verstand in sensu, quod non prius fuit in intellectu“
sie sich aneignet. — Harris’ Beitrag zur Wei- (Harris 1972 , 356) umzukehren. Nicht weni-
terentwicklung der Auffassungen von der ger bedeutsam ist es, daß Harris in der iso-
Rolle der Sprache im Erkenntnisprozeß liegt lierten Betrachtung des menschlichen Er-
jedoch weniger in seinen unmittelbaren Aus- kenntnisprozesses die Sinneswahrnehmungen
sagen zu diesem Problem als vielmehr in einer zum Ausgangspunkt für die Ideenbildung er-
nur in Ansätzen skizzierten Analogie der Er- klärt. Dementsprechend zwiespältig ist sein
kenntnisfindung zum künstlerischen Schaf- Verhältnis zum Sensualismus, den er insbe-
fensprozeß. Die Frage nach der Herkunft sondere in Gestalt der Assoziationspsycho-
unserer Ideen versucht Harris durch den Ver- logie in David Hartleys (1705—1757) Obser-
gleich mit der Beobachtung eines komplizier- vations on M an, his Frame, his Duty and his
ten, kunstvoll hergestellten Uhrwerks zu be- Expectations (1749) zwar bekämpfte, dessen
antworten. Nach eingehender Betrachtung sprachtheoretische Schlußfolgerungen zur
habe man ein genaues Bild von der Uhr und Rolle des besonderen Charakters der Spra-
ihrem Aufbau. Dieses Bild habe nichts Ma- chen im Erkenntnisprozeß aber mit seinen
terielles an sich, es sei eine ›innere Form‹ eigenen Überlegungen nicht nur überein-
(internal form), die sich der Mensch im Pro- stimmten, sondern durch Harris’ Formbegriff
zeß der Beobachtung eines materiellen Ob- sogar größere Tragweite erhielten. Doch auch
jekts, einer ›äußeren Form‹ (external form) als System von Bedeutungen, als Genius of
bildet (Harris 1972 , 349). Die dabei gewon- the language, ist die Sprache sekundär und
nene innere Form, die auch zur inneren Form durch eine vorher existierende innere Form
der Sprache wird, sobald das Erkenntniser- gestaltet.
gebnis mitgeteilt werden soll, ist zwar zu-
nächst etwas Festes, ein ›Werk‹ oder — mit 4.5.2.  Eben jene Postulierung des Primats der
einem späteren Terminus — ein ergon. Ideen, die sich aus dem Neoplatonismus er-
Gleichzeitig besitzt aber der Mensch damit gab, läßt auch Monboddo in seinem Origin
auch eine Art intellektuelle Form, mit der er and Progress of Language (1773—1792 ) zwar
in der Lage ist, nicht nur den Mechanismus eine notwendige Verbindung zwischen Den-
bereits gesehener Werke zu erkennen und zu ken und Reden anerkennen, gleich darauf
verstehen, sondern auch den jeglicher anderen aber feststellen, daß es keine Sprache ohne
Werke der gleichen Art, die er später sehen Ideen und keine Ideen ohne Abstraktion gebe.
könnte. Darüber hinaus sieht er in der inneren Seine Theorie über den Sprachursprung er-
Form sogar eine Art Bauplan für das Vor- scheint auf diese Weise als die historische Seite
gehen in der schöpferischen Tätigkeit: der der universellen Grammatik und entspricht
8.  Sprachphilosophie in der Aufklärung 139

zunächst der gleichen Zielstellung, eine Ge- stellung jener universellen Prinzipien der Lo-
genposition zu Lockes Erkenntnistheorie zu gik, als deren Manifestation die Sprache be-
entwickeln. Ausgehend von der entgegenge- trachtet wurde, so suchte Beauzée auch All-
setzten paradigmatischen Position eines Ein- gemeines in den Gesetzmäßigkeiten der Spra-
flusses der Sprache auf das Denken, aber in chen selbst, und mit dem Vordringen der emp-
einer gegenüber Monboddo wesentlich enge- iristischen Methode war es üblich geworden,
ren Perspektive hatte sich in England auch dieses Allgemeine zumindest hypothetisch auf
Adam Smith in seinen Considerations concer- induktivem Weg zu ermitteln (Auroux 1979 a,
ning the First Formation of Languages (1761) 19 f; Delesalle/Chevalier 1986, 88). — Auch
der Sprachursprungsfrage zugewandt und am Beispiel der These von der Sprachrelati-
war dabei zu Ansätzen einer Sprachtypologie vität des Denkens wurde deutlich, daß durch-
gekommen (zum paradigmatischen Gegen- aus von sehr unterschiedlichen philosophi-
satz zwischen Monboddo und Adam Smith schen Standpunkten Beiträge zu aktuellen
vgl. Bergheaud 1984). sprachtheoretischen Fragestellungen geleistet
Wie die dargestellten Beispiele zeigen, hatte wurden. Andererseits wirkten die Verwen-
sich die Korrelation bzw. Wechselwirkung dung sprachtheoretischer Einsichten zu poli-
zwischen dem besonderen Charakter der tischen Zwecken, die unterschiedlichen natio-
Sprachen und der Denkweise der Sprecher in nalen Bedingungen der Entfaltung der
der Sprachdiskussion der Aufklärung als ein sprachtheoretischen Diskussion, Anforderun-
wichtiger Aspekt der intensiven Debatte um gen der gesellschaftlichen Sprachpraxis sowie
den Zusammenhang von Sprache und Den- gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Notwen-
ken ergeben. Hans Helmut Christmann (1981, digkeit der Anpassung an die veränderte Si-
87 ff) hat sogar ›praktische‹ Anwendungsver- tuation nach der Französischen Revolution
suche der These von der Sprachrelativität des und ihre Auswirkungen in Europa als Fak-
Denkens im 18. Jahrhundert nachgewiesen: toren der Differenzierung. Neben der Ab-
So ergab sich der Kampf des Abbé Henri schwächung philosophischer Konsequenzen,
Grégoire (1750—1831) gegen die Dialekte aus die sich sowohl aus den veränderten Bedin-
dem nach der Französischen Revolution vor- gungen als auch aus dem Vordringen empi-
handenen Bedürfnis nach einer einheitlichen rischer Verfahren in der Sprachbetrachtung
Nationalsprache, die auch das Denken der ergeben konnte, kam es in einigen Fällen auch
Bürger entsprechend formen sollte, und eine zur Radikalisierung sprachphilosophischer
1780 im fürstlichen Auftrag entstandene Positionen der Aufklärung. Die folgende Dar-
Schrift von Carl August Göriz (1744—1799) stellung kann nur einige wenige Beispiele für
läßt bereits im Titel keinen Zweifel an der die Differenzierungsprozesse innerhalb der
Hoffnung, die man in die erkenntnisleitende Sprachphilosophie der Aufklärung und ihrer
Funktion der Sprache setzte: Untersuchung Rezeption vorführen.
über den Einfluß der Verbesserung der mutter-
ländischen Sprache in den moralischen Cha- 5.1. Das Thema ›Mißbrauch der Wörter‹
rakter einer Nation.
Nicht unbeeinflußt von der philosophisch-an-
thropologischen und erkenntnistheoretischen
5. Differenzierung und Problematik, wandte sich die Diskussion des
Radikalisierung der 18. Jahrhunderts auch dem Sprachgebrauch
Sprachphilosophie der Aufklärung in der gesellschaftlichen Kommunikation zu.
Vehemente Kritik der Aufklärung richtete
Die Darstellung der Aufklärungsphilosophie sich gegen die sprachliche Verfestigung und
als einer einheitlichen Erscheinung, die sich Überlieferung der Vorurteile als eine Form
in ein und derselben Richtung entwickelte des Mißbrauchs (vgl. Ricken 1984, 195).
und auf eine eindeutig bestimmbare Weise zur Hatte die Betonung eines Abstandes oder Ge-
Säkularisierung des Weltbildes und zur Mün- gensatzes zwischen Wörtern und Dingen eine
digsprechung des menschlichen Verstands bei- lange, bis zu Platons Kratylos zurückgehende
trug, wäre eine unzulässige Vereinfachung. Tradition (s. Art. 62 ), so war insbesondere im
Schon das Erscheinungsbild der allgemeinen 17. Jahrhundert der politische Sprachmiß-
(philosophischen) Grammatik, die als vor- brauch zu einem Thema geworden, zu dem
herrschendes Paradigma der Sprachbetrach- sich Vorläufer der Aufklärung wie Francis
tung im 18. Jahrhundert angesehen werden Bacon (1561—162 6), Hobbes, Pufendorf, Spi-
könnte, ist recht differenziert. Ging es in der noza äußerten. Locke hatte darauf hingewie-
Grammatik von Port-Royal noch um die Dar-
140 I. Raum-zeitliche Übersichten

sen, daß die Sprache zu einem Instrument der Durch die Französische Revolution wurde
Aufhebung des Völkerrechts werden und der Auseinandersetzung um sozial und poli-
durch pompöse Terminologie den Weg zu tisch relevante Wortbedeutungen eine noch
wirklicher Erkenntnis verstellen kann. — größere Aktualität verliehen. Anhänger wie
Dem ›abus des mots‹, der sich auf die Un- Gegner der Revolution beschuldigten einan-
klarheit der Wortbedeutungen stützte, der, die Sprache zu verfälschen und den Wort-
schreibt Helvétius im Anschluß an Locke mißbrauch für ihre politischen Zwecke ein-
nicht nur die Verantwortung für philosophi- zusetzen. Aus der Sicht der Konterrevolution
sche und religiöse Streitigkeiten, sondern wurde der Wortmißbrauch als Instrument der
auch für Blutvergießen und Kriege zu. Beson- Verführung des Volkes sogar zur Ursache der
ders spürbar werde die Verschwommenheit revolutionären Umwälzungen erklärt (vgl.
der Bedeutungen bei solchen Wörtern wie Ricken 1984, 2 06). Die Maßnahmen gegen
‘amour-propre’, ‘liberté’, ‘vertu’, die den den Wortmißbrauch gingen bis zu praktischen
Menschen sehr nah berührten und für deren Vorschlägen und der Gründung verantwort-
Bedeutungsbestimmung sie oft aus Eigennutz licher Gremien. So wurde 1791 eine Société
kein Interesse hätten. Der Sprachverbesse- des amateurs de la Langue Française gegrün-
rung, der Erfindung einer philosophischen det, die das Befreiungswerk der Revolution
Sprache, in der alle Bedeutungen genau de- auf die Sprache übertragen sollte. Der viel-
finiert sind, steht Helvétius schon aus diesem leicht verhängnisvollste Irrtum, der die Men-
Grunde sehr skeptisch gegenüber. Da der schen ins Unglück stürzte, nämlich der Miß-
Sprachgebrauch das Bewußtsein der Be- brauch der Wörter, der uns über die Natur
herrschten ablenken soll, sei die Festlegung der Dinge täuscht, sollte jetzt endlich beseitigt
der Wortbedeutungen unter den gegebenen werden. Zu den Abonnenten des Journal de
Bedingungen nicht möglich. Falls ein solches la Langue Française, das dieser Gesellschaft
Projekt tatsächlich zu verwirklichen sei, nahestand, gehörten auch Condorcet (Marie-
könne es nur von einem freien Volk in Angriff Jean-Antoine-Nicolas de Caritat, 1743—
genommen werden. — Mit deutlichen gesell- 1794) und Robespierre.
schaftskritischen Akzenten wendet sich auch
Diderot in seinem Enzyklopädieartikel Bas- 5.2. Der linguistische Empirismus
sesse sprachkritischen Fragen zu und verwirft Horne Tookes und seine
die Erklärung von ‘bassesse’ und ‘abjection’ gesellschaftspolitischen Konsequenzen
als Synonyme, die von einer Verbindung von
Bezeichnungen der sozialen Herkunft mit mo- Zu einer nicht nur anthropologischen und
ralischen Wertungskriterien ausgeht und da- erkenntnistheoretischen Radikalisierung des
mit Vorurteile sprachlich anerzieht. Die Er- sensualistischen Standpunkts kam es in der
kenntnis, daß die Verwendung der Sprache Sprachtheorie des englischen Philosophen
nicht außerhalb gesellschaftlicher Beziehun- und Demokraten John Horne Tooke (1736—
gen und Interessen erfolgt, verleiht der Be- 1812 ), der eher eine Einzelerscheinung der
trachtung des Einflusses der Sprache auf das Sprachdiskussion in seinem Land war und
Denken einen pragmatischen Aspekt, der auf sich bald heftiger Kritik ausgesetzt sah. In
die Problematik der Bewußtseinsbildung mit- Gegenposition zu der Sprachtheorie Harris’
tels Sprache hinweist. — Nach Rousseaus und Monboddos (vgl. 4.5.) führt Horne
Auffassung ist die gesellschaftliche Kommu- Tooke einen zugespitzten Nominalismus ein,
nikation seit dem Zustand der Ungleichheit den er außerdem mit ethisch-politischen Aus-
ein Dialog zwischen Reichen und Armen, sagen verbindet. Die Rekonstruktion der ur-
Mächtigen und Unterdrückten, in dem die sprünglichen Bedeutung der Wörter durch die
Wörter zum Instrument der ›Überzeugung‹ Untersuchung ihrer historischen Überliefe-
werden, mit dessen Hilfe die Zustimmung des rung in den Sprachen ermöglicht es nach
Volkes zu den im Interesse der Herrschenden Tooke zu zeigen, daß auch abstrakte Wörter
gesetzten gesellschaftlichen Normen erreicht auf Bezeichnungen sinnlicher Wahrnehmun-
werden soll. Bezeichnungen für Gerechtigkeit gen der gegenständlichen Welt zurückgehen.
und Gehorsam sind deshalb in Wirklichkeit — Als Gegner des konservativen Establish-
Instrumente der Gewalt und des Unrechts, ment und Anhänger der amerikanischen Un-
und Wörter wie ‘bien public’, ‘patrie’ und abhängigkeitsbewegung war Horne Tooke
‘citoyen’ dienen der Verschleierung sozialer 1777 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wor-
Ungleichheit und sind in dieser Eigenschaft den, weil er in einer ›aufrührerischen‹ Schrift
Indiz einer korrupten Gesellschaftsform. — die englischen Soldaten des Mordes angeklagt
hatte. Tooke hatte bereits damals die Gültig-
8.  Sprachphilosophie in der Aufklärung 141

keit des Urteils anhand linguistischer Argu- des katholischen Glaubens“ (Krauss 1973, 7 f)
mente bestritten, indem er die semantische gesetzt waren, wurden auch auf sprachtheo-
Interpretation bestimmter Anklagepunkte retischem Gebiet sichtbar und führten insbe-
diskutierte. Besonders im zweiten Teil seiner sondere bei der Behandlung des Sprachur-
Diversions of Purley (1. Teil 1786, 2. Teil 1805) sprungs und des arbiträren Zeichencharakters
nutzt er dann die etymologische Argumenta- zu spezifischen Lösungsversuchen und Kom-
tion bei der Untersuchung ethischer und ju- promissen. So wäre es im Spanien des 18.
ristischer Schlüsselwörter wie ‘true’, ‘right’, Jahrhunderts zweifellos eine sinnlose Verwe-
‘law’ mit unmittelbar ideologischer Zielstel- genheit gewesen, die Sprachursprungslehre
lung. Die Etymologie ist für ihn Argument der Bibel prinzipiell anzugreifen. Auch auf
dafür, daß die Begriffe ‘Wahrheit’, ‘Gesetz’, dieser Basis kam es jedoch zur Diskussion
‘Gerechtigkeit’, ‘Ungerechtigkeit’ nur in ih- sprachtheoretischer Fragestellungen, die sä-
rem Bezug auf konkrete menschliche Zu- kularisierte weltanschauliche Positionen
stände bestimmt werden können. Den Begrif- sichtbar werden lassen (vgl. Lázaro Carreter
fen des Rechts und der Moral wird somit der 1985, 65 ff). Die Erklärung des Ursprungs der
Bezug auf eine ewige, vom Menschen unab- menschlichen Sprache tritt dabei hinter Über-
hängige Wahrheit abgesprochen, sie werden legungen zu ihren funktionellen Eigenschaf-
völlig säkularisiert und sogar historisiert. — ten zurück (z. B. bei Feijoo), oder die Per-
Die Thesen Horne Tookes lösten eine Debatte spektive wird unter Hervorkehrung nationa-
aus, in die im sprachtheoretischen Bereich vor ler Gesichtspunkte auf die Herkunft und Ent-
allem John Fearn (1768—1837) mit seinem wicklung des Spanischen verkürzt (z. B. bei
Anti-Tooke (182 4—182 7) eingriff. Doch auch Martin Sarmiento). Die relativ späte Rezep-
Dugald Stewart (1753—18 2 8) hielt die tion des Lockeschen Sensualismus in Spanien
sprachtheoretischen Auffassungen von Tooke bedingt allerdings auch, daß er von Anfang
für so gefährlich, daß er selbst eine gesonderte an durch Einflüsse des konsequenteren, ins-
Antwort auf sie verfaßte, in der er den Aus- besondere auch sprachtheoretisch weiter aus-
sagewert historischer Untersuchungen über gearbeiteten Sensualismus Condillacscher
die Sprache für philosophische Zwecke be- Prägung überlagert war. Der Rezeption einer
streitet und ähnlich wie seinerzeit Harris den Sprachtheorie, die den Zeichen der Lautspra-
Bereich der empirischen Erforschung der Welt che eine zentrale Rolle bei der Erklärung der
von dem der Ontologie und der Moral trennt. höheren Denkprozesse beimißt, kam entge-
Um sowohl Anzeichen von Skeptizismus und gen, daß ein qualitativer Unterschied zwi-
Materialismus als auch eine Rückkehr zum schen den ursprünglichen (natürlichen) und
systematischen Idealismus zu vermeiden, ak- den arbiträren Zeichen in der spanischen
zeptieren Thomas Reid (1710—1796) und Ste- Sprachdiskussion bereits mehrfach festgestellt
wart die induktive Methode, schränken ihre worden war. Der Hintergrund dieser Fest-
Gültigkeit aber zugleich durch den Hinweis stellung war allerdings die Notwendigkeit ge-
auf die apriorische Existenz bestimmter Ka- wesen, zwischen den natürlichen Wörtern der
tegorien ein, die unter Berufung auf den ›com- Ursprache und den arbiträren Zeichen der
mon sense‹ begründet werden. historisch überlieferten Sprachen zu unter-
scheiden. Als Besonderheit kam außerdem
5.3. Nationale Besonderheiten der hinzu, daß die Grammatik und die Logik von
Sprachdiskussion am Beispiel Spaniens Port-Royal in Spanien weitgehend unberück-
sichtigt geblieben waren, obwohl der spani-
Zur Differenzierung der Sprachphilosophie sche Grammatiker des 16. Jahrhunderts Fran-
der Aufklärung trugen auch nationale Beson- cisco Sanchez de las Brozas (Sanctius, 152 3—
derheiten bei, die sich aus der Spezifik der 1600) zu den wichtigsten Quellen des gram-
Aufklärungsbewegung in den einzelnen Län- matischen Rationalismus gehört hatte. Die
dern, aber auch aus den besonderen Erfor- zeitliche Verkürzung in der aufeinanderfol-
dernissen bei der Entwicklung nationaler Li- genden Rezeption des Sensualismus Locke-
teratursprachen ergaben. Gerade in Spanien scher, Condillacscher und ›ideologischer‹ (vgl.
führte das Spannungsverhältnis zwischen der 5.4.) Prägung sowie die um etwa ein Jahrhun-
Fortführung nationaler Traditionen und den dert verzögerte Aufnahme der rationalisti-
Einflüssen der europäischen Aufklärung zu schen Sprachtheorie von Port-Royal führte in
sprachtheoretischen Fragestellungen, deren Spanien zu einem Nebeneinander und zur
ideologische Brisanz sich in der Rezeption Verflechtung verschiedenartiger Ansätze und
fortsetzte. Die Grenzen, die der spanischen Positionen. So folgte Jovellanos in seiner
Aufklärung durch „die unzerreißbare Macht
142 I. Raum-zeitliche Übersichten

Trennung der sinnlichen Erkenntnis von den seines anthropologischen Werkes unter dem
höheren Denkprozessen dem Lockeschen besonderen Gesichtspunkt der Verschieden-
Dualismus von Sensation und Reflexion und heit der Sprachen und Völker, ihrer Kultur
begründete seine Notwendigkeit unter dem und Geschichte ist. Die anthropologische, in
Eindruck der inzwischen erfolgten Weiterent- der Tradition der Aufklärung stehende Ziel-
wicklung des Sensualismus sogar ausdrück- stellung des Catalogo bringt Hervás selbst
lich mit der Unteilbarkeit, Unkörperlichkeit zum Ausdruck, wenn er die Sprachen zum
und Unveränderlichkeit der Seele. Demgegen- geeignetsten Kriterium für die Klassifizierung
über schloß er sich in methodologischer Hin- der Völker erklärt. Wie bereits Fernando Lá-
sicht Condillac an und erklärte die analytische zaro Carreter (1985, 12 3) feststellte, wollte
Methode zum einzig möglichen Weg der Hervás mit seinem monumentalen Werk je-
Wahrheitsfindung und der Vermittlung der doch nachweisen, daß die Vielfalt der Spra-
Wissenschaften. — In einem in dieser Tradi- chen nur durch übernatürliches Eingreifen er-
tionslinie stehenden Werk von Ramón Cam- klärbar ist. Ein Werk, das noch heute mit-
pos (gest. 1808) (El don de la palabra en órden unter zu den unmittelbaren Vorläufern der
a las lenguas y al exercicio del pensamiento, historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft
1804) kommt es sogar zu einer Radikalisie- gezählt wird, entstand somit aus der Über-
rung der These von einer konstitutiven Rolle zeugung vom göttlichen Sprachursprung und
der Sprache für das Denken. Campos attak- der Sprachverwirrung von Babel.
kiert Condillacs Bestimmung der Identität der
menschlichen Persönlichkeit als ein Sich- 5.4. Der Beitrag der ›Ideologen‹ zur
Empfinden mit sprachtheoretischen Argu- Fortsetzung und zum Vergessen der
menten und wirft ihm Inkonsequenz in der Sprachphilosophie der Aufklärung
Anwendung des sensualistischen Prinzips vor.
Ausgangspunkt ist dabei die Feststellung, das Gegen Ende des 18. Jh. hatte die Kritik an
menschliche Denken sei von Natur aus nicht sprachphilosophischen Positionen der Auf-
zur Abstraktion und Verallgemeinerung fä- klärung bereits ein Ausmaß erreicht, das ihre
hig, da es immer an irgendwelche sinnlichen unmodifizierte Fortsetzung in Frage stellen
Eindrücke gebunden sei. Auch die Bedeutun- konnte. Insbesondere in der Nachfolge der
gen der Pronomen (‘yo’ [ich], ‘tú’ [du] etc.) Französischen Revolution war es zu einer
seien Abstraktionen, nämlich aus den mögli- Veränderung der Bedingungen gekommen, in
chen Handlungsträgern der Verben entstan- die sich auch die anthropologischen, erkennt-
den. Das Wesen des Menschen als vernunft- nistheoretischen und politischen Implikatio-
begabter und moralisch Handelnder bestehe nen sprachtheoretischer Thesen neu einord-
demgegenüber in einer Menge für ihn charak- neten. Für Frankreich selbst, wegen ihrer
teristischer Instinkte. — Zu völlig entgegen- Wirkung und Ausstrahlung im 19. Jahrhun-
gesetzten Schlußfolgerungen kommt Padre dert jedoch auch für andere europäische Län-
Lorenzo Hervás y Panduro (1735—1809), der und Lateinamerika, kommt dabei den
dessen Werke sich als philosophische Zurück- ›Ideologen‹ eine wichtige Rolle zu (vgl. Rik-
weisung, aber auch als empirische Fortset- ken 1984, 2 50 ff; Haßler 1984, 85 ff; Schlie-
zung und Bestätigung der Sprachphilosophie ben-Lange 1984, 18 ff; Busse/Trabant 1986,
der Aufklärung ansehen lassen. Der ehema- 19 ff). Diese in sich sehr differenzierte Gruppe
lige Jesuit und Gegner des ›siglo tenebroso‹ von Philosophen, Psychologen, Grammati-
der Aufklärung betrachtet den Zusammen- kern, Pädagogen und Medizinern, die beson-
hang zwischen Zeichen und Ideen analog zum ders zwischen 1795 und 1802 in Frankreich
Verhältnis von Körper und Geist. Während über maßgeblichen Einfluß verfügte, hatte
die psychogenetische Erklärung der gemein- sich das Ziel gestellt, eine umfassend verstan-
samen Entstehung von Sprache und Denken dene Wissenschaft vom Menschen zu schaf-
in ihren weltanschaulichen Konsequenzen fen, wobei der Problematik des sprachlichen
nicht mit Hervás’ Absicht vereinbar ist, er- Zeichens eine integrative Funktion zukam.
weist sich die funktionelle Bestimmung des Bestand unter den Ideologen weitgehende
Wechselverhältnisses von Besonderheiten in Übereinstimmung in der Anerkennung einer
Sprache und Denken der Völker als durchaus Erkenntnisfunktion der Sprache, so blieb je-
nutzbar. Eben diese Wechselbeziehung ist doch der Grad des Einflusses der Zeichen auf
auch die Grundlage für Hervás’ berühmten das Denken ein umstrittenes Thema. — Mo-
Catálogo de las lenguas de las naciones cono- difikationen der sprachphilosophischen Fra-
cidas (1800—1805), der eine Art Fortsetzung gestellungen und Thesen der Aufklärung er-
gaben sich dabei bereits aus der veränderten
8.  Sprachphilosophie in der Aufklärung 143

Wissenschaftsauffassung der Ideologen. Die tivation der Ideologen erforderte außerdem


Betonung der Beobachtung und Verarbeitung eine Vereinheitlichung und Elementarisierung
von ›faits positifs‹ mußte sich in besonderem des Wissens im Interesse seiner Lehrbarkeit,
Maße auf die Sprach- und Zeichenproble- in deren Ergebnis poetische, politische und
matik auswirken, die bei der Fundierung der utopische Züge der Aufklärungsphilosophie
›Ideologie‹ als einer im naturwissenschaftli- weitgehend ausgegrenzt wurden (vgl. Schlie-
chen Sinne verstandenen exakten Wissen- ben-Lange 1984, 18 ff). Die Betrachtung psy-
schaft von den Ideen eine Schlüsselstellung chogenetischer Aspekte einer gemeinsamen
einnahm. Deutlich kam diese neue Funktion Entwicklung von Sprache und Denken als
sprachtheoretischer Fragestellungen im Stel- ursprünglich zentraler Gegenstand der sen-
lenwert der Einzelsprachen in den Überlegun- sualistischen Sprachtheorien war zunehmend
gen der Ideologen zum Ausdruck. Obwohl hinter klassifikatorische Gesichtspunkte und
eine zumindest implizite Unterscheidung zwi- die Beobachtung des Beobachtbaren zurück-
schen ‘langue’ und ‘langage’ längst nicht mehr getreten. Waren die Ideologen als philoso-
neu war, wirkte sich das veränderte gesell- phisch und politisch identifizierbare Gruppe,
schaftliche Bedürfnis nach der Untersuchung als nach der rechten Zeit gekommene ›Spät-
von Einzelsprachen in einer bisher nicht ge- aufklärer‹ im 19. Jahrhundert einer Tabuisie-
kannten Hervorhebung der ›langue‹ gegen- rung ausgesetzt, so hatten sie selbst nicht un-
über dem ›langage‹ aus. Auch die Frage nach erheblich zur Umdeutung und sogar zum Ver-
der Berechtigung, von sprachlichen Univer- gessen bestimmter Fragestellungen der
salien zu sprechen, wurde in diesem neuen Sprachphilosophie der Aufklärung beigetra-
Zusammenhang gestellt. Andererseits wurde gen. — Ein interessanter, bisher wenig beach-
gerade der Herausarbeitung sprachlicher Uni- teter Gesichtspunkt liegt in der Tatsache, daß
versalien und der Entwicklung einer Univer- die Ideologen gerade dann in anderen euro-
salsprache oder Universalschrift (Pasigra- päischen Ländern aktuell wurden, als ihnen
phie) verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet. die Bedingungen ihrer Wirksamkeit in Frank-
— Zur Diskontinuität der Ideologen gegen- reich weitgehend entzogen waren. In Italien
über der Aufklärung trug sowohl die mecha- und Spanien blieb die Sprachtheorie der Ideo-
nisch-materialistische Anthropologie eines logen noch bis weit in das 19. Jahrhundert
Georges Cabanis (1757—1808) bei als auch hinein einflußreich und verband sich mit An-
Versuche, die sensualistische Philosophie von sätzen der historisch-vergleichenden Sprach-
befürchteten materialistischen Tendenzen zu betrachtung. — Wilhelm von Humboldt (s.
säubern und sie der veränderten Situation Art. 2 7) äußert sich in seinen Tagebüchern
nach der Französischen Revolution anzupas- über die Ideologen als Schüler Condillacs, die
sen. Letzteres geschah in einigen Fällen sogar „unendlich viel Gewicht in die Verbindung
in ausdrücklicher Auseinandersetzung mit der Begriffe mit Zeichen“ (Humboldt 1916—
dem ›Reduktionismus‹ Condillacs und unter 1918, I, 449) legen. Gerade jene Bindung des
Rückgriff auf den Lockeschen Dualismus von Denkens an Sprache ging als implizite Über-
Sensation und Reflexion. Joseph-Marie de nahme aus der Aufklärungsphilosophie in die
Gérando (1772 —1842 ), Preisträger des von Sprachtheorie Humboldts ein, wurde dort je-
den Ideologen am Institut National ausge- doch nicht mehr unter dem Zeichenaspekt,
schriebenen Wettbewerbs zur Bestimmung sondern im Zusammenhang mit der Betrach-
des Einflusses der Zeichen auf die Ideenbil- tung der Sprache als eines organischen Gan-
dung betont z. B. die Aufmerksamkeit (atten- zen problematisiert (vgl. Haßler 1986, 163 ff).
tion) und die Willenskraft (volonté) als wich- Für die Berechtigung, die Aufklärung ein
tige Komponenten der inneren, von der phy- Jahrhundert der Sprachdiskussion zu nennen,
sischen Organisation des menschlichen Kör- spricht nicht nur die Tatsache, daß sprach-
pers und den Sinneswahrnehmungen weitge- philosophische Argumente in so zentralen
hend freien Aktivität des Menschen. Der Bei- Werken wie Helvétius’ Über den Geist oder
trag der Sprache zur Entwicklung der höhe- Rousseaus Abhandlung über die Ungleichheit
ren Denkprozesse besteht nach de Gérando verwendet wurden, sondern auch das weit
vor allem in der weiteren Ausbildung der ›at- verbreitete Aufgreifen sprachlicher Themen in
tention‹, jener auf innerer Aktivität beruhen- historiographischen, belletristischen und na-
den menschlichen Fähigkeit, die für ihn das turwissenschaftlichen Texten. Ebenso wie
einzige verläßliche Mittel zur Wahrheitsfin- Wörterbücher als für das 18. Jh. typische Pu-
dung darstellt (Gérando 1800, III, 2 69 f; 2 81; blikationsform trugen sie zur Entwicklung des
191). — Die grundlegende pädagogische Mo- Sprachbewußtseins bei. — Auch ein so be-
144 I. Raum-zeitliche Übersichten

deutender Philosoph der Aufklärung wie Im-


manuel Kant (172 4—1804), der sich nicht 6.2. Zur Spezifik der Sprachphilosophie in
selbst mit der Sprache beschäftigt hatte und einzelnen Ländern
deshalb bereits von Hamann und Herder kri-
tisiert worden war, beeinflußte mittelbar das Aarsleff 1967, Study of Language in England.
sprachphilosophische Denken. Während Ver- Auroux 1979 a, La sémiotique des encyclopédistes.
suche wie die August Ferdinand Bernhardis Berezin 1979, Istorija russkogo jazykoznanija.
(1769—182 0) und Karl Leonhard Reinholds Formigari 1984, Teorie e pratiche linguistiche nell’
(1758—182 3), die Erkenntnistheorie Kants Italia del Settecento.
unmittelbar auf die Sprache anzuwenden, wi- Hartung 1977, Problem des Sprachursprungs.
derspruchsvolle programmatische Skizzen Lázaro Carreter 1985, Ideas lingüísticas en España
blieben, wurden schließlich bei Humboldt die durante el siglo XVIII.
Beziehung der Sinneswahrnehmungen zum Ricken (Hg.) 1990, Sprachtheorie und Weltanschau-
Denken und die geistige Tätigkeit selbst sy- ung.
stematisch als sprachlich beschrieben.
Rousseau 1986, Connaissance et langage chez Con-
dillac.
6. Literatur in Auswahl
6.3. Zur Diskussion um die Rezeption der
6.1. Überblicksdarstellungen zur Sprachphilosophie der Aufklärung
Sprachphilosophie der Aufklärung Aarsleff 1982 a, From Locke to Saussure.
Droixhe 1978, La linguistique et l’appel de l’histoire. Busse/Trabant (Hg.) 1986, Les Idéologues.
Haßler 1984, Sprachtheorien der Aufklärung. Haßler 1986, These von der Sprachrelativität des
Ricken 1984, Sprache, Anthropologie, Philosophie. Denkens.
Ricken 1988, Sprachtheorie und Weltanschauung. Schlieben-Lange 1984, Vergessen in der Sprachwis-
senschaftsgeschichte.
Robinet 1978, Le langage à l’âge classique.
Zum Vorfeld der Sprachphilosophie der Aufklä- Schlieben-Lange et al. 1989/91, Europäische
rung. Sprachwissenschaft um 1800. 2 Bde.
Rosiello 1961, Linguistica illuminista. Trabant 1986, Apeliotes.
Humboldts Sprach-Bild.

Gerda Haßler, Halle (Deutschland)

9. Historisch orientierte Sprachphilosophie im 19. Jahrhundert

1. Erklärung des Titels 1. Erklärung des Titels


2. Der philosophiegeschichtliche Rahmen für die
Darstellung
Der Titel dieses Artikels bedarf einer termi-
3. Die Interdependenz von Denken und Sprache
nologischen Klärung. Der Ausdruck ‘histo-
4. Der sprachanalytische Empirismus
risch’ hat in der Philosophiegeschichte meh-
5. Denkakte und Sprechakte
rere Bedeutungen. Er bedeutet nicht nur was
6. Die Wissenschaft vom Denken auf der Basis
vergangen ist, sondern bezieht sich besonders
der Sprachwissenschaft
seit der von John Locke (1632 —1704) (s. Art.
7. Die monistische Sprachtheorie
2 2 ) im Essay Concerning Human Understan-
8. Die glottopsychische und glottologische
ding vorgeschlagenen ›historical plain me-
Theorie
thod‹ auch auf genetische, entwicklungsge-
9. Sprache ein menschliches Erzeugnis, aber
schichtliche Aspekte. Aus räumlichen Grün-
keine Erfindung des Menschen
den beschränkt sich die Darstellung in diesem
10. Der Ursprung der Vernunft aus der Sprache
Artikel auf die deutsche Tradition dieses Den-
11. Die Bedeutung der Gegensätze für die Denk-
kens im 19. Jahrhundert. Daraus ergibt sich,
und Sprachentwicklung
daß in diesem Rahmen solche Theorien vor-
12. Sprache als sekundäre Effloreszenz des Wil-
zustellen sind, die in besonderer Weise die
lens
Denk- und Sprachentwicklung zum Gegen-
13. Das Leben der Sprache
stand hatten und in vielen Fällen zur For-
14. Literatur in Auswahl
9.  Historisch orientierte Sprachphilosophie im 19. Jahrhundert 145

mulierung von Theorien der Interdependenz und David Hume (1711—1776) besondere
von Denken und Sprechen geführt haben. Beachtung. Sofern die historisch orientierte
Obwohl es sich hierbei nicht um eine formelle Sprachphilosophie in Deutschland jedoch
oder begrifflich scharf definierte Schule han- nicht nur die Theorien der britischen Empiri-
delt, erlauben der begriffliche Zusammenhang sten berücksichtigte, sondern auch Kants me-
dieser Theorien und in vielen Fällen die per- thodologischen Ansatz in Anschlag brachte,
sönlichen Beziehungen ihrer Autoren den- schloß sie eine bloß historische, ebenso wie
noch eine zusammenfassende Darstellung. eine bloß sprachwissenschaftliche oder
Historische Orientierung ist hier so weit ge- sprachpsychologisch-genetische Betrachtung
faßt, daß sich darunter die Theorien der frü- aus. Sie war deshalb nicht einseitig empiri-
hen sprachkritischen Opponenten Immanuel stisch in ihrer Grundtendenz, sondern schloß
Kants (172 4—1804), d. h. besonders die Jo- wesentlich transzendentale Untersuchungen
hann Georg Hamanns (1730—1788) (s. Art. ein, die sich im Sinne Kants mit den Bedin-
2 5), Johann Gottfried Herders (1744—1803) gungen der Möglichkeit von Denken und
(s. Art. 2 6) und Karl Leonhard Reinholds Sprechen befaßten. Die heute weitverbreitete
(1758—182 3), aber auch diejenigen Theorien sprachphilosophische Ansicht von Sprachkri-
späterer antiidealistischer Denker mit gleich- tik als Grundlagendisziplin für sprachabhän-
falls sprachkritischer Absicht aufführen las- gige Tätigkeiten findet sich damit schon aus-
sen. Ebenfalls zu berücksichtigen ist die drücklich in der deutschen Sprachphilosophie
Sprachphilosophie solcher Denker, die an der des 19. Jahrhunderts. Sprachkritik wurde bei
gleichen Thematik arbeiteten, obwohl ihr In- Reinhold zur Grundwissenschaft, zur Philo-
teresse so stark sprachwissenschaftlich und sophie der Philosophie, die anstelle der Me-
sprachpsychologisch war, daß sie zwar die taphysik als philosophia prima zu fungieren
Bedeutung sprachphilosophischer Überlegun- hat. Wilhelm von Humboldts (1767—1835)
gen für die Erkenntnistheorie betonten, je- (s. Art. 2 7) These der Relativität der Welt-
doch selber nicht an deren Ausarbeitung gin- ansichten auf Grund der verschiedenen
gen. Die Thematik, die hier zu behandeln ist, Sprachstrukturen ihrer Sprecher bereitete
reicht bis zum Ende des 18. Jahrhunderts grundsätzlich die Theorien der Relativität al-
zurück, erstreckt sich durch das 19. Jahrhun- ler Begriffe vor (s. Art. 73), die von Otto
dert und findet sich noch im 2 0. Jahrhundert Friedrich Gruppe (1804—1876), Gustav Ger-
etwa bei Fritz Mauthner (1849—192 3) (s. Art. ber (182 0—1901), Max Müller (182 3—1900),
35). Ludwig Noiré (182 9—1889) und anderen aus-
gebaut wurden. Dies fand seinen schärfsten
Ausdruck im Kampf gegen den deutschen
2. Der philosophiegeschichtliche Idealismus, dem ungerechtfertigtes Schlußfol-
Rahmen für die Darstellung gern aus absolut genommenen Begriffen vor-
geworfen wurde. Hierin zeigt sich eine meta-
Vom Ende des 18. Jahrhunderts an wurde in physikkritische Haltung, die die Annahme der
Deutschland gelegentlich betont, daß das Stu- Relativität aller Begriffe mit Grundpositionen
dium der Sprache die wichtigste Aufgabe der der klassischen britischen Empiristen verbin-
Philosophie sei und sprachkritisches Philo- det, sofern sie Metaphysik als sinnlos, da
sophieren mit der Berücksichtigung der nicht verifizierbar, betrachtet. Gleichwohl hat
Sprachentwicklung den besten Aufschluß die historisch orientierte Sprachphilosophie in
über die Denkentwicklung böte. Dieser An- Deutschland, die diese Ansicht vertrat, tiefer
sicht lag die fundamentale Annahme der In- gegraben und einen angeblich reinen Em-
terdependenz von Denken und Sprechen zu- pirismus als naiv zurückgewiesen. Desglei-
grunde. Vertreter dieser Sprachphilosophie chen verwarf sie Positivismus und Materialis-
verstanden Geschichte im Sinne von Lockes mus als Spielformen der Metaphysik und da-
›historical plain method‹, die nicht Bezüge auf mit als sinnlos. Sie bestand darauf, im Sinne
zeitlich frühere Theorien herstellen, sondern Kants die Bedingungen der Möglichkeit von
die Entstehung von Begriffen, in Lockes Ter- Erfahrung zu ergründen. Dabei wurde
minologie von Ideen, freilegen wollte. Diese sprachkritisches Philosophieren als notwen-
Theorien wurden darum auch meist im be- dig und radikal neuartig erklärt und als eine
wußten Rückblick auf die Vorarbeiten der Revolution in der Philosophie ausgerufen.
britischen Empiristen (s. Art. 11) entwickelt. Wie die sprachanalytische Philosophie des 2 0.
Unter ihnen fanden Francis Bacon (1561— Jahrhunderts hoffte sie auf eine Beendigung
162 6), Locke, George Berkeley (1685—1753) der Streitereien in der Philosophie, sobald sich
146 I. Raum-zeitliche Übersichten

zeigen läßt, daß der Streit ein bloßer Wort- zur Erhellung dieser Zusammenhänge in der
streit ist, sich um Scheinprobleme dreht und europäischen Sprachphilosophie finden sich
nicht sinnvolle Sätze zum Gegenstand hat. bei Sylvain Auroux (1988), Wilhelm Bütte-
Anstatt jedoch Sprachkritik einseitig als de- meyer (1986) und Siegfried J. Schmidt (1968,
struktives Werkzeug zur Bekämpfung der Me- 1971, 1976); die erste ausführliche Darstel-
taphysik zu sehen, wurde sprachkritisches lung für den deutschen Sprachraum bei Cloe-
Denken auch wesentlich bei transzendentalen ren (1967, 1971, 1972, 1988).
Untersuchungen über die Bedingungen der
Möglichkeiten der Philosophie und Wissen-
schaft gebraucht. Dementsprechend lassen 3. Die Interdependenz von Denken
sich die Funktionen sprachkritischer Philo- und Sprache
sophie wie folgt zusammenfassen: Sprachkri- Der Gedanke von der gegenseitigen Abhän-
tik als Erkenntniskritik zeigt die Bedingungen gigkeit von Denken und Sprechen wurde zu-
der Möglichkeit des Erkennens im allgemei- nächst in Deutschland in kritischer Wendung
nen und der Philosophie im besonderen auf, gegen Kants Annahme der Unabhängigkeit
d. h. sie übernimmt die Aufgabe der Erkennt- der Vernunft von der Sprache entwickelt. Ha-
niskritik in ihrer transzendentalen Funktion. manns und Herders Beiträge zu dieser Dis-
In ihrer negativen, destruktiven Funktion ent- kussion sind bekannt. Weniger Beachtung hat
larvt sie sinnlose Ausdrücke und Sätze und Reinholds Theorie von der Reziprozität von
dient zur Eliminierung der Metaphysik. In Denken und Sprechen gefunden. Doch nahm
ihrer positiven Funktion begründet sie legi- diese Thematik bei Reinhold wie bei späteren
time Begriffe und bietet Kriterien für sinn- Denkern in der historisch orientierten Sprach-
vollen Sprachgebrauch. Durch ihre Befreiung philosophie eine zentrale Stelle ein und be-
von sinnlosen Sätzen und philosophischem gründete weitgehend einen Traditionszusam-
Unsinn erzielt sie Heilung und bringt dem menhang unter ihnen. Gemeinsames Interesse
befreiten und erleichterten Philosophen Frie- jedoch schloß keineswegs verschieden akzen-
den und Harmonie. Das sprachphilosophi- tuierte Bearbeitungen aus. Deshalb wird die
sche Problem, über Sprache in Sprache zu Bedeutung der Denk- und Sprechakte, die
denken und über Denken in Sprache zu spre- von Gruppe ebenso wie von Müller und an-
chen, wurde zwar gesehen, wurde aber meist deren erkannt und betont worden ist, hier im
unter ziemlich allgemein gehaltenen Verwei- Blick auf Gerber dargestellt werden, während
sen auf die Interdependenz von Sprechen und die auch schon bei Lichtenberg, Gruppe und
Denken und die Aktualität von Kommuni- Gerber vorhandene Praxis der Sprachanalyse
kation als nicht unüberwindbar betrachtet. Es zum intendierten Zweck der Destruktion me-
wurde zur Aufgabe sprachkritischen Den- taphysischer Substanzen wie Geist, Verstand,
kens, die normalerweise nicht reflektierten Vernunft und Wille besonders bei Müller ins
Bedingungen von Sprechen und Denken, be- Auge gefaßt werden wird. Wie diese Gedan-
sonders den Hintergrundcharakter der Spra- ken der Interdependenz von Denken und
che zu thematisieren. Wichtige Anstöße dafür Sprache, zum Teil unter Arthur Schopenhau-
fand die deutsche Tradition dieses Denkens ers (1788—1860) Einfluß, zur Ausbildung von
in Bacon. Dann war es besonders Hamann, Theorien führte, die entweder ausdrücklich
der das historische Apriori der Sprache her- oder wenigstens ihrer Tendenz nach monisti-
ausstellte und damit bedeutende Impulse für sche Züge zeigten und Annäherungen an eine
die sprachkritische Philosophie gab. Dieselbe Willensmetaphysik darstellten, wird im Blick
Thematik wurde von Herder in seiner Meta- auf die Sprachphilosophie Noirés, Georg
kritik aufgegriffen, und Reinhold, Friedrich Runzes (185
2 —19 22 ), Lazarus Geigers
Heinrich Jacobi (1743—1819) und Georg (182 9—1870) und Julius Bahnsens (1830—
Christoph Lichtenberg (1742 —1799) entwik- 1881) dargestellt werden. Die wichtige Refle-
kelten sie weiter. Eine besondere Bedeutung xion auf die Sprache und ihre synchrone Ent-
kommt dabei Reinhold zu, der zumeist nur stehung mit dem Denken ist ein gemeinsamer
Beachtung findet, insofern er den Übergang Zug in der historisch orientierten Sprachphi-
von Kant zum deutschen Idealismus geschaf- losophie des 19. Jahrhunderts in Deutschland.
fen hat. Wie weit sich in den Theorien dieser Karl Wilhelm Ludwig Heyse (1797—1855)
und späterer sprachkritischer Denker ein lenkte dabei die Aufmerksamkeit besonders
Frühstadium sprachanalytischen Philoso- auf den physiologisch-psychologischen Pro-
phierens entwickelt hat, ist allerdings immer zeß, in dem dies geschieht. Die für diese Tra-
noch nahezu unbekannt. Einzelne Beiträge
9.  Historisch orientierte Sprachphilosophie im 19. Jahrhundert 147

dition ebenfalls typische Zurückweisung in- Effizienz der naturwissenschaftlichen Analyse


strumentalistischer Sprachauffassungen fin- erreicht, deren Erfolg Reinhold paradigma-
det bei Geiger, unabhängig von Schopen- tisch in der chemischen Analyse verkörpert
hauer, eine Ausformung, die, statt die Prio- sieht. Nach Reinhold lassen sich in den Na-
rität des Denkens von der Sprache anzuneh- turwissenschaften schwankende Wortbedeu-
men, zum anderen Extrem geht und, um die tungen vermeiden und Eindeutigkeit der Aus-
Wechselbeziehung von Erkenntnis und Spra- sagen, sowie intersubjektive Verständigung
che zu betonen, die Entstehung des Denkens unter den Forschern erzielen, weil ein Rekurs
aus der Sprache behauptet. Konstituierend auf die Erfahrung möglich ist, d. h., weil
für die Sprach- und Denkentwicklung ist das Nachprüfbarkeit möglich ist, die sich letztlich
Denken in Gegensatzpaaren. Diese Theorie auf die Evidenz des Zeugnisses der Sinne
wird von Gruppe im Rückgriff auf Herder so gründet. In der Philosophie jedoch ist ein
entwickelt, daß die begrifflich-sprachliche solcher objektiver Bezugspunkt nicht erreich-
Notwendigkeit in Gegensatzpaaren zu den- bar, da die Interdependenz von Sprache und
ken und zu sprechen betont wird. Bei Geiger Denken ein faktisches Apriori darstellt, das
findet sie sich unter Verweis auf ein ursprüng- nicht unterlaufen werden kann. Obwohl Rein-
liches Gefühl für Gegensätze, das sich in der hold Sprachkritik als metaphysikkritische
unterscheidenden Sinneswahrnehmung ma- Sprachanalyse versteht, tendiert er damit
nifestiert. In der weiteren Entwicklung dieses nicht zum Szientismus mit positivistischer Er-
Gedankens versucht Carl Abel (1837—1906) setzung der Philosophie durch die Naturwis-
die Bedeutung der Gegensätze für die Ge- senschaften. Die Sätze der empirischen Wis-
schichte der Sprachentstehung nutzbar zu senschaften sind nie absolut sicher, sondern
machen. Während Abel bei seinen Ausfüh- bleiben wesentlich hypothetisch. Reinholds
rungen ontologische Aussagen vermeidet, ver- Interesse an der transzendentalen Fragestel-
ankert Bahnsen die Bedeutung von Gegen- lung läßt ihn die Untersuchungen über die
sätzen in seiner Realdialektik und erläutert Fundamente der Erkenntnis und der Philo-
die wechselseitige Bedingtheit zwischen Ver- sophie um eine Sprachkritik bereichern. Da-
nunft und Sprache in seiner Willensmetaphy- bei verspricht er sich von der Sprachkritik
sik. Die Ansicht, daß Sprache und Denken eine gründlichere Erkenntnistheorie als die
aus etwas ihnen Vorausgehendem entsteht, Kants. Als therapeutische Wirkung erwartet
wird von Philipp Wegener (1848—1916) so er die Befreiung vom Wahn der Metaphysik
ausgelegt, daß egoistische und sympathische durch das Bewußtmachen der Relation von
Gefühle denk- und sprachvorgängig sind und Denken und Sprechen. Das aber heißt für ihn
zu rudimentärer Kommunikation führen. We- näherhin, daß die Interdependenz, in der
gener führt zur Erklärung Beispiele aus der Sprache und Denken zueinander stehen,
Sprachwissenschaft und Psychologie an. Eine sichtbar gemacht werden muß. Damit wird
eingehendere Darstellung der Modifikationen die Einseitigkeit einer instrumentalistischen
dieser für die historisch orientierte Sprach- Sprachauffassung mit ihrer Annahme der
philosophie im Deutschland des 19. Jahrhun- Priorität des Denkens vor dem Sprechen (s.
derts charakteristischen Themen wird im fol- Art. 71) vermieden und die stets mögliche
genden unter Berücksichtigung der besonde- Bedrohung des Denkens durch die Sprache
ren Beiträge geboten, die einzelne Sprachphi- aufgewiesen. Die Gefahren, die dem Denken
losophen als Repräsentanten dieser Denktra- von der Sprache her drohen, sind, daß die
dition in Deutschland geliefert haben. — Sprache in ihrem Hintergrundcharakter nicht
Reinhold sah in der Sprachkritik die neue reflektiert wird und die Sprache deshalb das
philosophia prima, die als Metakritik der Ver- Denken (den Intellekt) unter ihre Herrschaft
nunft grundsätzlich eine Metaphilosophie ist. bringen kann, wie Reinhold im Rückgriff auf
Sprachkritik erhält bei ihm die Funktion der Jacobi und letztlich auf Bacon sagt. Es erhellt
Erkenntniskritik. Wenngleich Reinhold diese daraus, daß sprachkritisches Philosophieren
Position erst am Ende seiner Laufbahn nach durchaus nicht erst seit Ludwig Wittgenstein
vierfachem Wechsel früherer Positionen be- (1889—1951) (s. Art. 39), wie oft, aber zu
zog, so läßt sich dennoch zeigen, daß Rein- Unrecht behauptet, als Kampf gegen die Ver-
hold immer noch an der Hauptaufgabe seines hexung des Denkens durch die Sprache ver-
Lebens arbeitete, der Philosophie ein neues standen worden ist. Wie später etwa Rudolf
Fundament zu geben. Da es bislang noch Carnap (1891—1970) im logischen Positivis-
keine erfolgreich durchgeführte Sprachana- mus oder die ›therapeutic analysts‹ der Ox-
lyse gab, hat die Philosophie noch nicht die ford Schule, so verspricht sich schon Reinhold
148 I. Raum-zeitliche Übersichten

von der Sprachanalyse Befreiung von Schein- kann die Begründung der Philosophie nicht
problemen. Der Streit unter den Philosophen die erste Arbeit des Philosophen sein, sondern
entfiele, wenn er nur verstanden würde als muß die letzte Frucht philosophischer Ana-
„bewußtlose Wortstreitigkeiten zwischen par- lyse sein, die alle vorausgegangenen großen
tikulären Sprachgebräuchen“ (Reinhold philosophischen Arbeiten zu notwendigen
1812 , 10). So lange aber eine solche Sprach- Voraussetzungen hat und diese kritisch reflek-
kritik fehlt, ist kein Fortschritt in der Philo- tiert. Die Entwicklung Reinholds ist deshalb
sophie zu erwarten. Reinhold betrachtet Spra- um so interessanter, als er selber erst geholfen
che als Werkzeug, als Organ der Vernunft, hat, Kants Philosophie zu popularisieren und
zugleich aber auch als die Bedingung von danach maßgeblich den Weg bereitet hat für
deren Möglichkeit, so daß der Sprache damit den deutschen Idealismus. Dieser war es, der
eine transzendentale Funktion zukommt. Die eine neue Welle sprachkritischen Denkens
Interdependenz von Sprechen und Denken provozierte und schon zu Lebzeiten Georg
wird von Reinhold unmißverständlich for- Wilhelm Friedrich Hegels (1770—1831) in
muliert: Gruppe einen scharfen Gegner der spekula-
„Das Denken, als solches im Bewußtsein und seine tiven Philosophie fand.
Darstellung in demselben, das Sprechen, setzen sich
daher nicht nur einander wechselseitig voraus: son-
dern sie gehen auch in einander über, sind nur In- 4. Der sprachanalytische Empirismus
und Durcheinander, was sie sind“ (Reinhold 1812 ,
Die historisch orientierte Sprachphilosophie
3).
in Deutschland war im wesentlichen empiri-
Vom Standpunkt dieser Interdependenztheo- stisch und opponierte durchweg scharf gegen
rie aus weist Reinhold wie nach ihm andere Metaphysik und Spekulation. Insofern sich in
Denker dieser Tradition jede instrumentali- dieser Haltung Empirismus und Sprachkritik
stische Sprachauffassung zurück, die eine verbinden, kann Gruppe als besonders reprä-
Priorität des Denkens vor dem Sprechen be- sentativ betrachtet werden. Immer wieder be-
hauptet und als die wichtigsten Funktionen tont Gruppe, daß Philosophie nur in steter
der Sprache ansieht, das zuvor Gedachte aus- Reflexion auf ihre eigene Geschichte betrie-
zudrücken, zu speichern und zu kommunizie- ben werden könne. Die Gründe für einen sol-
ren. Daß aber gerade eine solche Theorie vor- chen zunächst rein historisch scheinenden Zu-
herrschend gewesen ist, zeigt Reinhold in gang zur Philosophie sind aber in den früher
einem aufschlußreichen philosophiegeschicht- erwähnten Bedeutungen von ‘historisch’ zu
lichen Überblick. Reinhold finden. Philosophie tritt nur sprachlich auf.
„beschreibt die Eigentümlichkeit der Sprache als Sprache und Denken sind geschichtlich ge-
wesentlicher Bedingung des denkenden Vorstellens; geben und haben eine unaufgebbare Rezipro-
und zeigt, daß und warum und inwieferne die Wort- zität. Aufschlüsse über Wortbildung geben
sprache nicht etwa nur zur Auffassung, Festhaltung Aufschlüsse über Begriffsbildung. Begriffe
und Mitteilung, sondern auch zur ursprünglichen werden im Urteilsakt gebildet, in dem meta-
Erzeugung, und Entwicklung der Begriffe, diese
mögen dem Verstande, oder der Vernunft angehö-
phorische Übertragungen die Erkenntnis er-
weitern, neue Begriffe bilden und Kommu-
ren, und in der Erfahrung, im Gewissen, oder im
nikation ermöglichen. Das Ergebnis solcher
Philosophieren statt finden, durchaus unentbehr-
Betrachtung ist die Einsicht in den relativen
lich ist“ (Reinhold 1816, 14).
Charakter von Denken und Sprechen, Be-
Die Sprache wird dementsprechend von Rein- griffen und Wörtern. Gruppe nimmt in Hum-
hold charakterisiert boldts Sinn eine Relativität der Weltansichten
„als unentbehrlich zur ursprünglichen Erzeugung,
an, die durch die Verschiedenheit der Sprach-
und Entwicklung aller Begriffe ... als grundwe-
strukturen bedingt ist. Diese Sicht der Rela-
sentliche Bedingung alles denkenden Vorstellens,
tivität von Denken und Sprechen lehnt jeden
und als innerlicher Bestandteil des menschlichen
absoluten Gebrauch von Begriffen ab. Sie
Erkenntnisvermögens selber“ (Reinhold 1816, 3).
veranlaßt Gruppe zum schärfsten Angriff auf
Reinhold sieht „die menschliche Erkenntnis, den deutschen Idealismus und alle spekulative
als durch die Wortsprache bedingt und durch und metaphysische Philosophie. Die Besin-
dieselbe sich aussprechend“ (Reinhold 1816, nung auf Sprach- und Denkgeschichte
2 52 ). Man ist gewohnt, diese Gedanken auf schließt absoluten Sprachgebrauch als unbe-
Humboldt zurückzuführen, übersieht damit rechtigt aus. Unter Verwendung eines empiri-
aber, daß Reinhold diese Gedanken bereits stischen Sinnkriteriums werden Inhalt und
1812 und 1816 publiziert hat. Nach Reinhold Verifizierbarkeit für alle sinnvollen Sätze ver-
9.  Historisch orientierte Sprachphilosophie im 19. Jahrhundert 149

langt, sofern sie nicht inhaltsleere und tau- akt wie Denkakt. Diese Akte wiederum sind
tologische mathematische oder logische Sätze nicht absolut, sondern vollziehen sich in ge-
sind, deren Wahrheit oder Falschheit auf schichtlichen, kulturellen und sozialen Situa-
Grund formaler Kriterien ermittelt werden tionen, die als außersprachliche Faktoren an
können. Die Entstehung der Metaphysik wird der Konstitution von Bedeutung wesentlich
durch Gruppe damit erklärt, daß die Philo- beteiligt sind. Damit ist jeder absolute Denk-
sophen seit den Zeiten der Griechen sich nicht und Sprachgebrauch zurückgewiesen und der
über die Strukturen der Sprache und ihren spekulativen Philosophie eine grundsätzliche
Einfluß auf das Denken und die Logik im Absage erteilt. Gerber geht soweit, die Ar-
klaren waren. Metaphysik entsprang aus miß- beiten Hegels und der Hegelianer für verrückt
verstandener Sprache. Philosophen wurden zu erklären. Er erklärt die Metaphysik für
die Opfer der Täuschung, die von der Sprache sinnlos, weil sie ohne kognitiven Inhalt sei,
ausging, insofern sie z. B., wie Bacon schon wobei Inhaltlichkeit im Sinne des Empirismus
betonte, an die Existenz von Dingen glaubten, verstanden wird, der empirische Nachprüf-
die sie nur deshalb annahmen, weil sie sie als barkeit zum Kriterium für sinnvolle Aussagen
Korrelate von Wörtern und Begriffen ansa- macht. Was an der Metaphysik zu bewundern
hen, die bereits in der Sprache existierten. Die ist, ist nicht ihr Inhalt, sondern ihre architek-
Sprache hat eine täuschende, verführende, tonische Form. Metaphysik bietet keine
autonome Kraft, die die Philosophen zur An- neuen Erkenntnisse, sie hat jedoch ästheti-
nahme unberechtigter hypostatisierter Enti- schen Wert und gleicht als Poesie der Begriffe
täten verführt, nur weil es gewisse Worte gibt, oder Begriffsdichtung anderen Kunstformen,
die diese suggerieren. Die Aufgabe der sprach- die keine inhaltlichen Aussagen machen, aber
kritischen Philosophie ist, diese Scheinpro- Gefühle zum Ausdruck bringen. Gerber er-
bleme zu erkennen, Sprachanalyse zu betrei- klärt das Unaussprechliche nicht einfachhin
ben, die die Metaphysik beendet, den legiti- als das Unvernünftige. Vieles bleibt unsagbar,
men Gebrauch relativer Begriffe zu erklären was dennoch gefühlt werden und durch die
und zu begründen und dem Philosophen, be- Kunst, etwa in der Musik, zum Ausdruck
freit von Scheinproblemen, die Ruhe seines gebracht werden kann. Was gefühlt wird,
Geistes zurückzugeben, seine Heilung zu er- kann nicht erkannt werden. Aber daß etwas
zielen. In seiner Theorie antizipiert Gruppe in gefühlt oder geahnt wird, kann gewußt wer-
oft verblüffenden Formulierungen wesent- den und etwa vom empirischen Psychologen
liche Züge der Philosophie sowohl des frühen studiert werden. Gerber stellt die Metaphysik
wie des späten Wittgenstein. auf die Stufe von mythologischen Allegorien,
die er selber für die Produkte einer kranken
Sprache ansieht. Gerber folgt hierin Müller
5. Denkakte und Sprechakte und Herbert Spencer (182 0—1903). Diese
Die grundsätzliche Annahme der Interdepen- Krankheit der Sprache affiziert die spekula-
denz von Denken und Sprechen ermöglicht tiven Philosophen in einem so hohen Grade,
ein besseres Verständnis der Denk- und daß Hegel und die Hegelianer mit den Insas-
Sprechakte, das in kritischer Stellungnahme sen eines Irrenhauses verglichen werden. Da
gegen Kant erarbeitet wird. Gerber ist in sei- Erkenntnis immer sprachlich vermittelt und
ner Theorie typisch für diese Sicht, die einen damit relativ ist, verbietet sich jeder absolute
gemeinsamen Zug in der hier behandelten Sprachgebrauch wie etwa der von ‘Nichts’ als
Sprachphilosophie darstellt. Gerber hält es sinnlos. Die Interdependenz von Denken und
für höchst unkritisch in Kants kritischer Phi- Sprechen, Gerber spricht von einem Gesetz
losophie, daß er die Rolle der Sprache für das der Wechselwirkung, schließt damit auch jede
Erkennen nicht berücksichtigt hat. Demge- rein instrumentalistische Sprachauffassung
genüber verlangt Gerber, die Kritik der reinen aus. Denken und Sprechen sind synchrone
Vernunft durch eine Kritik der unreinen Ver- Elemente. Gleichwohl weiß Gerber, von Ba-
nunft, d. h. durch Sprachkritik zu ersetzen, cons Idolenlehre beeinflußt, um die negative
da Denken immer nur sprachlich auftritt. Wirkung, die die Sprache auf das Erkennen
Diese Ansicht schließt eine instrumentalisti- ausüben kann: Usus tyrannus. In der Politik,
sche Sprachauffassung aus. Anstatt Begriffs- ebenso wie in der Religion und der Philoso-
bildung als sprachunabhängig oder sprach- phie, kann der Sprachgebrauch der verschie-
vorgängig anzunehmen, ist sie in ihrer Inter- denen Parteien, Kirchen oder Schulen zu hef-
dependenz mit Wortbildung zu verstehen. Be- tigen Kämpfen führen, die nicht immer nur
griffsbildung ist nach Gerber ebenso Sprech- leere Wortstreite bleiben, sondern oft zu blu-
150 I. Raum-zeitliche Übersichten

tigen Kämpfen führen. Sprachkritik ist nötig, Gefühl. Gerber spricht von der Bildekraft des
um hier zu befreien und den Frieden herzu- Universums und der Bildekraft der Seele, die
stellen. — Gerber steht damit im Zusammen- den Erkenntnisprozeß initiieren. Das heißt,
hang von Theorien, die sich von Reinhold daß nicht-rationale oder vorrationale Gefühle
über Gruppe weiter bis zu Mauthner, zum Willensimpulse auslösen, die zu sprachlich
logischen Empirismus und zur analytischen und begrifflich artikulierter Erkenntnis füh-
Philosophie im 2 0. Jahrhundert verfolgen las- ren. Schopenhauers Einfluß ist hierin zu ver-
sen. — Sprachkritisches Denken zeigt aber spüren. Doch lehnt Gerber Schopenhauers
auch, daß es nicht die Sprache schlechthin Hypostatisierung des Willens strikt ab. Für
gibt, sondern daß es sehr verschiedene Spra- Gerber sind die Bildekraft des Universums
chen gibt wie eine Geschäftssprache, eine und die Bildekraft der Seele nicht transzen-
Sprache der Wissenschaften, eine Sprache der dente Entitäten, sondern transzendentale
Höflichkeit und eine Sprache des Rechts. Das Funktionen. Insofern sie den Erkenntnispro-
Kriterium dieser Sprachen ist ihre Effizienz. zeß einleiten, sind sie Bedingungen der Mög-
Das heißt, daß diese Sprachen nicht notwen- lichkeit der Erkenntnis. Letzten Endes aber
digerweise etwas aussagen, sondern etwas lei- bleibt Gerbers Versuch, dem Willen keine on-
sten, d. h. im heutigen Sprachgebrauch per- tologische, sondern nur eine transzendentale,
formativ sind. Die Sprache hat, bzw. die Spra- erkenntnistheoretische Funktion zuzuweisen,
chen haben folglich auch nicht-kognitive fragwürdig. Gerber steht damit denselben
Funktionen. Dieses Thema ist heute beson- Problemen gegenüber, auf die auch die an-
ders im ethischen Non-Kognitivismus aktuell. deren Sprachdenker stoßen, die eine vorratio-
Die Effizienz der sprachlichen Kommunika- nale Basis für Denken und Sprechen in ir-
tion beruht nicht, wie etwa die formalen Ana- gendwelchen Gefühlen suchen.
lytiker anstreben, auf präzise definierten Be-
griffen/Wörtern. In seiner Bacon, Lichtenberg
und Gruppe verwandten anti-definitorischen 6. Die Wissenschaft vom Denken auf
Haltung weist Gerber vielmehr das Postulat der Basis der Sprachwissenschaft
nach solcher Präzision und Eindeutigkeit ab. Innerhalb der hier besprochenen Tradition
Die phänomenologische Beschreibung des ak- verlagerte sich das sprachphilosophische In-
tuellen Sprachgebrauchs deutet nämlich auf teresse von der Erkenntnistheorie mehr zur
ein relativ präzises Verständnis und auf über- Sprachwissenschaft und Sprachpsychologie.
lappende Bedeutungsgebiete von Wörtern Die Theorie Müllers, der in Oxford lehrte,
und Begriffen. Hierin ist Gerber ein Vorläufer charakterisiert die Verbindung von Sprach-
des späten Wittgenstein. Gerber betont immer wissenschaft und sprachphilosophischem In-
wieder, wie vor ihm besonders auch Gruppe, teresse in besonderer Weise. In der Sprach-
die grundsätzliche Bedeutung, die Kontext wissenschaft sieht er die Basis für eine Wis-
und Sprechsituationen im Zusammenhang senschaft vom Denken, insofern sich die ent-
mit der kulturellen Tradition der Sprecher für wicklungsgeschichtlichen Aspekte von Den-
die Konstitution von sinnvollen Sätzen und ken und Sprechen in ihrer gegenseitigen Ab-
erfolgreicher Kommunikation haben. Mit sol- hängigkeit gegenseitig erhellen. In Anlehnung
chen Überlegungen steht Gerber im Lager der an Bacons Warnung vor der Macht der Spra-
nicht-formalen Analytiker (s. Art. 60), die che über das Denken spricht Müller vom un-
hier von den formalen Analytiker (s. Art. 59) widerstehlichen Charme der Sprache, dem-
von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716) zufolge nomina zu numina werden. Demge-
(s. Art. 2 3) über Gottlob Frege (1848—192 5) genüber wendet er Sprachanalyse an, um me-
(s. Art. 34) zu Bertrand Russell (1872 —1970) taphysische Substanzen zu entlarven. Seine
und Carnap zu unterscheiden sind. Wenn- Analyse von ‘Vernunft’ und ‘Gedächtnis’ ist
gleich Gerber idealistische Spekulation und ein gutes Beispiel. Es gibt weder eine Substanz
Metaphysik als kognitiv sinnlos zurückweist, ›Vernunft‹ noch eine Substanz ›Gedächtnis‹,
so glaubt er dennoch an den Fortbestand der die Träger der Aktivitäten des Denkens oder
Metaphysik. Sie ist zusammen mit Mytholo- Erinnerns wären. Eine gewisse Kontinuität
gie für die Sprache selbst kennzeichnend und dieser Aktivitäten genügt, sie mit den zusam-
entspringt einem tief verwurzelten menschli- menfassenden und abkürzenden Ausdrücken
chen Bedürfnis nach Vollständigkeit der Er- ‘Vernunft’ und ‘Gedächtnis’ zu benennen. Die
kenntnis. Während Kant dieses als eine Na- Sprache verführt dazu, eine Substanz anzu-
turanlage der Vernunft ansah, verankert Ger- nehmen, die den existierenden Substantiven
ber diese Sehnsucht nach Vollständigkeit im
9.  Historisch orientierte Sprachphilosophie im 19. Jahrhundert 151

entspreche. Es gilt jedoch, diese irreführenden Denkens werden zu Gegenständen eines hi-
metaphysischen/mythologischen Begriffe storischen Studiums, das auf Fakten, den
durch Ausdrücke zu ersetzen, die wir heute Fakten der Sprache beruht. Da ‘historisch’
im Anschluß an Gilbert Ryle (1900—1976) hier besonders ‘entwicklungsgeschichtlich’ be-
‘dispositional terms’ nennen. In der empiri- deutet, kann Müller diese Untersuchungen
stischen Destruktion metaphysischer Sub- auch als naturwissenschaftliche Studien an-
stanzen steht Müller in besonderer gedankli- sehen. Sprachgeschichte wird zur Autobiogra-
cher Verbindung mit Hume und Lichtenberg phie des menschlichen Geistes erklärt. In jeder
und später mit Ernst Mach (1838—1916), Sprache liegt eine versteinerte Philosophie.
Russell, Mauthner, Ryle und John Langshaw Jede Sprache ist eine Schicht in der Entwick-
Austin (1911—1960), die alle zwar Denktätig- lung des Denkens, die es sorgfältig zu erfor-
keiten betonen, aber ein dahinterstehendes schen gilt. Die Sprachwissenschaft öffnet
metaphysisches Subjekt als Träger solcher Steinbrüche des Denkens, in denen die ver-
Akte für überflüssig erklären. Müller betrach- schiedenen Schichten der Entwicklung sicht-
tet solche metaphysischen Entitäten als my- bar werden. Im Einklang mit seiner Erwar-
thologisch und als eine Krankheit der Spra- tung des Endes der Philosophie erklärt Müller
che. Gleichwohl sieht er das mythologische die Sprachwissenschaft für eine Naturwissen-
Denkstadium in der intellektuellen Entwick- schaft. Die Metaphern, die er aus der Geo-
lung der Menschheit als unvermeidlich an. logie und Biologie entlehnt, unterstreichen
Obwohl er mit der Annahme solcher Stadien, dies. Wortbildung, genauer die Bildung
die schließlich zu wissenschaftlichem Denken sprachlicher Wurzeln sind für Müller iden-
führen, in die Nähe Auguste Comtes (1798— tisch mit Begriffsbildung. Eine etymologische
1857) rückt, lehnt Müller Positivismus ebenso Wortanalyse ist darum zugleich Bedeutungs-
wie Materialismus und Idealismus ab und analyse von Begriffen. Dementsprechend
nimmt eine Position ein, die die Philosophie sieht er die Geschichte eines Wortes als dessen
als eine analytische Tätigkeit begreift. Die beste Definition an. Sprache bleibt ein histo-
Aufgabe dieser analytischen Tätigkeit ist, risches Apriori für den Menschen. Es gibt
einen gesunden Sprachgebrauch herbeizufüh- keinen sprachfreien oder sprachunabhängi-
ren. Die Durchführung von Sprachanalyse gen Standpunkt für das Erkennen, das damit
beendet in Müllers Sicht nicht nur mytholo- wesentlich relativ bleibt. Wir bleiben Sklaven
gisches Denken, von dem sie befreit, sie über- der Sprache. Die gegenseitige Abhängigkeit
nimmt auch die Aufgabe der Erkenntnistheo- von Denken und Sprechen verbietet jeden ab-
rie und wird in dieser Funktion zur philoso- soluten Gebrauch von Worten und Begriffen
phia prima und ultima philosophia. Am Ende und schließt damit die spekulative Philoso-
dieser analytischen Tätigkeit steht das Ende phie und Metaphysik aus. Nicht einmal
der Philosophie selber, wenn dieses auch nicht Sprachanalyse kann darum ein für allemal
in der nahen Zukunft zu erwarten ist. Der völlige Heilung bringen, sie muß vielmehr eine
Grund, weshalb Sprachanalyse Erkenntnis- lebenslange, therapeutische Tätigkeit bleiben:
theorie sein kann, liegt in der Interdependenz aegri mortales. Müller rückt in seiner Sprach-
und letztlich in der Identität von Denken und philosophie scharf von der Metaphysik ab,
Sprechen, die die Griechen mit dem Ausdruck deren Probleme für ihn bloße Scheinprobleme
λόγος bezeichneten. Müller betont, daß seine sind. Doch führt ihn sein erkenntnistheoreti-
›Science of Thought‹ auf seiner ›Science of sches Interesse von der Sprachpsychologie zur
Language‹ basiere. Intellekt, Geist, Vernunft Sprachwissenschaft hin. Für ihn ist die Frage
haben keine absolute, selbständige Existenz, nicht, was der Geist oder das Ich sind, son-
sie existieren nur in sprachlicher Manifesta- dern was man geistige oder rationale Akte
tion, in speziellen sprachlichen Testimonia. oder Ereignisse nennen kann. Anstatt über
Da Denken und Sprechen interdependent metaphysische Substanzen zu sprechen, be-
sind, ist ein methodischer Zugang zum Den- schreibt Müller die Funktion von Ausdrük-
ken durch eine Analyse der Sprache möglich, ken, die heute ‘dispositional terms’ genannt
deren historische Manifestationen sich empi- werden.
risch studieren lassen. Die wahre Geschichte
des menschlichen Geistes ist deshalb die
Sprachgeschichte. Tote Sprachen sind Petri- 7. Die monistische Sprachtheorie
fakte früherer Entwicklungsstufen. Sorgfäl- Die monistische Sprachtheorie zeigt beson-
tige Analyse kann die Zellen des Denkens in deres sprachpsychologisches Interesse. Wie
den Sprachwurzeln freilegen. Der Ursprung sehr darin sprachkritisches und monistisches
und die Entwicklung der Begriffe und allen
152 I. Raum-zeitliche Übersichten

Denken historisch orientiert ist, geht aus Noi- spielt und wie sie eine verführerische Gewalt
rés Bemerkung hervor, nach der die Wissen- hat, die zu Scheinproblemen führen kann. Für
schaften erst dann wirklich wissenschaftlich Noiré gibt es kein absolutes Erkenntnisver-
geworden sind, als sie sich von Spekulation mögen, das Sinneseindrücke in Gedanken
und apriorischem Denken entfernt haben und umformen und dann sprachlich zum Aus-
historisch geworden sind. Noiré meint damit, druck bringen könnte. Die Sprache ist bereits
daß die Wissenschaften begonnen haben, ihre beim Erkenntnisprozeß beteiligt. Noiré
Aufmerksamkeit auf die entwicklungsge- knüpft damit, wie andere deutsche Sprach-
schichtlichen Aspekte und den Prozeßcharak- philosophen in dieser Tradition, an Bacon an,
ter ihrer Gegenstände zu richten. Der erfolg- wenn er auf den Hintergrundcharakter der
losen spekulativen Philosophie stellt er als Sprache aufmerksam macht. Seine Sicht von
Beispiele für erfolgreiche Wissenschaften die der Relation von Denken und Sprache sieht
Naturwissenschaften, die Sprachwissenschaf- er am kürzesten durch das griechische λόγος
ten, Jurisprudenz, Ökonomie, Philologie, Ar- ausgedrückt. Noiré würdigt Schopenhauers
chäologie und Psychologie gegenüber. In Angriff auf die Illusion, daß die Erkenntnis
Übereinstimmung mit Müller sieht er voraus, Priorität vor dem Willen besitze, lehnt aber
daß die Philosophie der Zukunft Sprachphi- die metaphysischen Aspekte in Schopenhau-
losophie sein wird. Noiré sieht Sprache und ers Theorie des Willens ab. Noiré, der klare
Denken als untrennbar, spricht von alternie- Züge analytischen Denkens aufweist, ist sicht-
renden Wirkungen und lehnt die Annahme lich beeinflußt von monistischen Gedanken,
der Unabhängigkeit des Denkens vom Spre- die auf ihn wie andere Denker, die die Dua-
chen als einen weit verbreiteten Irrtum ab. lität von Denken und Sprechen hinterfragen
Seine Interdependenztheorie von Denken und wollen, eine starke Anziehung ausüben. Das
Sprechen steht im erklärten Widerspruch zu zeigt sich etwa darin, wie er mit dem Zirkel-
instrumentalistischen Sprachauffassungen, problem umgeht, das mit der Annahme der
die Denken für unabhängig von der Sprache Interdependenz von Denken und Sprechen
erklären und Sprache als bloßes Instrument auftritt. Ein Ausbrechen aus dem Zirkel —
betrachten, zuvor Erkanntes im Gedächtnis Sprache, darum Vernunft; Vernunft, darum
zu speichern, auszudrücken und anderen mit- Sprache — ist nur im Rückgang auf etwas
zuteilen. In dieser kritischen Stellung erblickt möglich, das beiden vorausgeht. Aus diesem
Noiré, wie andere Denker in dieser frühen Grunde lehnt Noiré es ab, im Streit darüber,
sprachanalytischen Tradition, eine Revolu- ob die Sprache aus der Vernunft oder, wie
tion in der Erkenntnistheorie. Da Sprache Geiger lehrte, die Vernunft aus der Sprache
und Denken wesentlich aufeinander bezogen entstanden sei, Position zu beziehen. Er be-
sind, sind sie beide wesentlich relativ. Damit trachtet diese Fragestellung selbst als falsch
kann es keine absolut sichere Erkenntnis ge- gestellt und müßig. Noiré verteidigt Geiger
ben und jeder absolute Wortgebrauch ist il- allerdings mit dem Hinweis darauf, daß die
legitim. In scharfen Angriffen wendet er sich Annahme, die Sprache sei vom Menschen be-
gegen die Abstraktionsdichtung und den sinn- wußt und absichtlich hervorgebracht worden,
losen Sprachgebrauch der idealistischen Phi- abzulehnen sei und billigt Geiger zu, daß er
losophen, den Baader-Schelling Unsinn und der Deutlichkeit halber seine Gegenthese so
den spekulativen Schwindel, der mit Aus- habe zuspitzen müssen, daß sie geradezu pa-
drücken wie ‘reines Sein’ und ‘das Absolute’ radox erschien. Was Geiger wirklich heraus-
betrieben wird. In Noirés Sicht führen die stellen wollte, war, wie Noiré betont, die Kor-
spekulativen Philosophen einen mystischen relation von Denken und Sprechen. Noiré
Eiertanz auf. Hegels Philosophie ist ihm voll findet in einer monistischen Willenstheorie die
von Hirngespinsten und die Absurditäten der Möglichkeit, die Dualität von Denken und
Hegelianer hält er für denselben Unsinn wie Sprechen auf eine gemeinsame Wurzel, den
den, den die Insassen eines Irrenhauses pro- Willen, zurückzuführen und sie daraus zu er-
duzieren. In Übereinstimmung mit anderen klären. Bei diesem Versuch jedoch zeigt er
hier behandelten Denkern wirft Noiré den sowohl Übereinstimmung mit Schopenhauer,
spekulativen Philosophen insbesondere vor, sowie Distanz zu ihm. Schopenhauer bietet
daß sie keine Aufmerksamkeit auf die Be- Noiré sozusagen im Willen ein Letztes, auf
griffsbildung richteten, Worte und Begriffe als das sich Denken und Sprechen reduzieren las-
vorhanden und statisch verstanden und somit sen. Doch kann man annehmen, daß es Kants
darüber hinwegsahen, welche Rolle die Spra- Einfluß ist, der Noiré davor bewahrt, diese
che für das Denken und die Begriffsbildung monistische Theorie als ontologische Position
9.  Historisch orientierte Sprachphilosophie im 19. Jahrhundert 153

zu behaupten. Stattdessen argumentiert er rungen anstrebt. Wenn Runze aber seine


energisch, daß der Wille für ihn keine meta- eigene Methode ‘sprachpsychologisch’ nennt,
physische Substanz ist, sondern nur die fun- so bewahrt ihn doch Kants Einfluß davor,
damentale epistemische Funktion hat, durch dem Psychologismus zu verfallen. Sprachkri-
Handlungsimpulse zu Erkennen und Sprache tische Erkenntnistheorie nämlich wird bei ihm
zu führen. D. h., der Wille ist als transzen- zur Grundwissenschaft. Damit aber nimmt sie
dental anzusehen, wenn Noiré auch davor in Kants Sinn transzendentale Aufgaben
zurückscheut, den Terminus ‘transzendental’ wahr, von denen empirische Probleme in der
zu gebrauchen. Der Wille, obwohl er die Be- Psychologie zu unterscheiden sind, mit denen
dingung der Möglichkeit von Denken und sie allerdings auch zu tun hat. Runze hat von
Sprechen in ihrer historischen und dynami- Kant gelernt, daß Untersuchungen, sofern sie
schen Natur ist, ist selber keine metaphysische sich auf transzendentale Bedingungen der Er-
Entität. Noiré macht damit einen kühnen Ver- kenntnis beziehen, nicht wissenschaftliche,
such, kantisches und schopenhauerisches d. h. empirische Untersuchungen sein können,
Denken in seiner Sprachphilosophie zu ver- da sie freizulegen suchen, was jeder Einzel-
binden, ein Versuch, der auch von Runze un- erfahrung voraus bzw. zugrunde liegt. Über
ternommen wurde. Gleichwohl gebraucht Kant hinausgehend, dessen Ignorieren des
Noiré so oft Formulierungen, die dem Willen apriorischen Charakters der Sprache Runze
letzte Qualitäten zusprechen und in ihm den als seine Achillesferse ansieht, betont er, daß
Urgrund der Realität sehen, daß es schwer- wissenschaftliche Fragen selber bereits
fällt, ihm zu glauben, dies alles sei nur tran- sprachlich geprägt sind. Die Sprache beein-
szendental zu verstehen und er könne alle flußt sowohl die Formulierung von Proble-
ontologischen Bindungen vermeiden. Bahn- men wie deren Lösungen. Runze, selber Autor
sen bekannte sich seinerseits konsequenter- einer Metaphysik, versteht unter Metaphysik
weise zu einer Willensmetaphysik und Real- aber keine Wissenschaft, die sich mit erfah-
dialektik, die nicht nur epistemologische Be- rungsjenseitigen, transzendenten Entitäten
deutung hatten, sondern auch ontologische beschäftigt, sondern eine analytische Tätig-
Positionen waren. keit, die die Aufgabe hat, die allgemeinsten
Begriffe zu klären und das Problem der Re-
lation von Denken und Sein zu untersuchen.
8. Die glottopsychische und Soweit sich die Relativität des Denkens und
glottologische Theorie Sprechens empirisch studieren läßt, ist sie ein
Sprachpsychologische Untersuchungen sind wissenschaftlicher Gegenstand. Sofern sie je-
in Gefahr psychologistisch zu werden. Inner- doch wiederum jeder wissenschaftlichen Fra-
halb der hier beschriebenen Tradition jedoch gestellung und jeder Konstatierung von Fak-
finden sich methodologisch reflektierte Stu- ten vorausgeht, ist sie nur als transzendental
dien, die dies vermeiden, wie besonders bei zu verstehen. Runze sieht durchaus die At-
Runze sichtbar wird. Runze beruft sich auf traktivität einer monistischen Position, die die
Hamann, Müller und andere frühe sprach- Dualität von Denken und Sprechen auf einen
kritische Denker, um jede Annahme der Un- gemeinsamen Ursprung reduziert. Darin
abhängigkeit des Denkens von der Sprache gleicht er Noiré. Er unterscheidet sich von
zurückzuweisen. Sprache ist nie bloßes In- ihm dadurch, daß er nicht völlig der monisti-
strument zum Ausdrücken von zuvor Er- schen Versuchung erliegt, wenn er auch davon
kanntem, sie ist vielmehr oft causa cognos- überzeugt ist, daß die Erkenntnistheorie zu
cendi. Sprache ist ein historisches Apriori für einer monistischen Weltsicht fortschreiten
das Denken. Denken tritt immer nur in einer wird. Zur Erklärung muß hier hinzugefügt
bereits bestehenden Sprache auf, so daß die werden, daß Runze den Monismus nur als
Begriffe des Denkens auf ihre sprachge- metaphysische Position zurückweist, ihn aber
schichtliche Entstehung untersucht werden als das Resultat einer psychologischen und
erkenntnistheoretischen Sprachkritik an-
müssen. In Übereinstimmung mit dieser nimmt. Der Monismus, den er von Schopen-
Denkrichtung betont Runze deshalb eine
sprachgeschichtliche Untersuchung der Be- hauer beeinflußt akzeptiert, ist, wie er immer
griffe und empfiehlt eine sprachpsychologi- wieder behauptet, nur methodischer Art. Statt
sche Methode zur Erhellung der Begriffsbil- dogmatisch zu werden, bleibt Runze seiner
dung. Dies Verfahren ist im mehrfach erläu- sprachkritischen Überzeugung treu und
terten Sinn historisch, als es genetische Erklä- spricht seiner eigenen Theorie konsequenter-
weise nur eine probeweise Bedeutung zu; sie
154 I. Raum-zeitliche Übersichten

ist nur ein dialektischer Versuch. Dement- gensatzpaaren zu denken, zur Illusion führt,
sprechend ist sein Monismus, in dem er Spra- daß die Realität selber dualistisch sei. — In
che und Denken auf den Willen zurückführt, diesem Punkt unterscheidet sich Runzes
ein epistemologischer Versuch und keine me- Theorie von derjenigen Bahnsens. — Sprach-
taphysische Lehre. Der erkenntnistheoreti- kritisches Philosophieren kann vor solchen
sche Monismus ist als ein Versuch zu verste- Täuschungen bewahren oder, wenn man ih-
hen, Materialismus und Idealismus zu verei- nen zum Opfer gefallen ist, von ihnen wieder
nen. Doch darf auch ein glottopsychisch und analytisch befreien. Philosophie in ihrer ana-
glottologisch begründeter Dualismus beibe- lytischen Funktion hat darum auch eine the-
halten werden, da auch er einen relativen Nut- rapeutische, heilende Kraft und verhilft dem
zen hat. Er muß nur dann aufgegeben werden, Philosophen zur Ruhe und Lebensharmonie.
wenn er keine brauchbare erkenntnistheore- Dies Thema wird in Varianten bei Bahnsen
tische oder sprachliche Funktion mehr hat. und Wegener wieder aufgenommen.
Monismus wie Dualismus sind für Runze ge-
wisse Sichtweisen der Welt, die aber keinen
Anspruch darauf erheben dürfen, ein logisch 9. Sprache,
oder metaphysisch korrektes Spiegelbild der ein menschliches Erzeugnis,
Realität zu sein. Die epistemologische Vor- aber keine Erfindung des Menschen
sicht, die ihn metaphysische Bindungen im
traditionellen Sinn vermeiden läßt, bewahrt Die historisch orientierte Sprachphilosophie
Runze auch vor Szientismus und Materialis- sah Sprache nicht als eine Erfindung des Men-
mus. Positivismus und Materialismus sind für schen an, wenngleich sie sie als ein mensch-
ihn nur verschiedene Formen willkürlicher liches Erzeugnis betrachtete. In seinem Sy-
Spekulation. Ein angeblich reiner Empirismus stem der Sprachwissenschaft versucht Heyse
erscheint ihm als naiv, weil eine solche Posi- dies zu erläutern. Obwohl uns Sprache immer
tion übersieht, daß es keine neutralen, objek- schon erfahrungsmäßig gegeben ist, bleibt sie
tiven Daten und Fakten gibt, auf die man meist unreflektiert.
„Wir denken, ohne uns dabei zugleich der Gesetze
sich als festen Ausgangspunkt beziehen
des Denkens bewußt zu sein; wir sprechen, ohne
könnte. Wissenschaftliche Erkenntnis ist im-
uns der Sprachgesetze bewußt zu sein. Diese Tätig-
mer hypothetisch und vorläufig. Einerseits
keit also, obwohl Tätigkeit des selbstbewußten Gei-
gibt es nämlich nie genug Material für eine
stes, ist selbst nur eine unreflektierte; sie hat die
vollständige Induktion, andererseits kann
Form einer natürlichen, organischen Funktion.
man nie zu absolut sicheren und definitiven
Das Agens in ihr ... ist ein natürlicher Trieb, ein
Resultaten gelangen, weil das vorhandene
instinktmäßiges Gefühl“ (Heyse 1856, 3; 63 f).
Material, zu dem immer neue Erfahrungsda-
ten hinzukommen, zu reichhaltig und dyna- Es ist Aufgabe der Sprachphilosophie, die für
misch ist. Zwar gibt es feste Begriffspaare wie Heyse als Wissenschaft große Wichtigkeit hat,
‘Subjekt und Objekt’, ‘Geist und Materie’, darauf zu reflektieren.
„Philosophie der Sprache ... ist aber notwendig
αἴσθησις und αἴσθημα, αἴσθησις und νόη- zugleich Geschichte der Sprache, da die Sprache
σις, die unverrückbare Gegensätze darstellen,
ihrer Natur nach geschichtlicher Prozeß ist“ (Heyse
aber diese sind nicht ontologisch begründet,
1856, 21).
sondern sind, wie Runze mit Nachdruck her-
ausstellt, sprachlicher Natur. Statt also diese Wenn Heyse auch in der Tradition des deut-
Differenzen als ontologische zu behaupten, schen Idealismus gesehen wurde und von sei-
macht er vielmehr auf die Unaufgebbarkeit nem Schüler und Freund Heymann Steinthal
von analoger sprachlicher Differenzierung (182 3—1899), der die originale Leistung Hey-
aufmerksam. ‘Subjekt und Objekt’, ‘aktiv und ses in keiner Weise schmälern wollte, der
eigentliche Repräsentant der Hegelschen Phi-
passiv’, ‘Welt und Ich’, ‘φύσις und ψυχή’ losophie in der Sprachwissenschaft genannt
können beibehalten werden, wenn sie als
sprachliche Gegensätze verstanden werden, wurde, so darf man dabei nicht vergessen,
die für Denken und Sprache notwendig sind. daß Heyse selber diese Charakterisierung zu-
Runze führt damit ein Thema fort, das bei rückgewiesen und seine Eigenständigkeit be-
Gruppe große Aufmerksamkeit gefunden hat, hauptet hat. Heyses Position ist tatsächlich
sich zuvor schon bei Herder und Rousseau, antiidealistisch, wenn er die Philosophie als
sowie in verschiedenen Formen bei Abel und eine unendliche Aufgabe betrachtet, die nur
Bahnsen findet. Scheinprobleme entstehen, relative Lösungen zuläßt und die es als Wis-
wenn diese sprachliche Notwendigkeit, in Ge- senschaft mit empirischen Gegenständen zu
9.  Historisch orientierte Sprachphilosophie im 19. Jahrhundert 155

tun hat. Die Empirie aber ist nie völlig von ausgebildet voraussetzen müssen, um ver-
der Theorie einzuholen, sondern ist mit immer ständlich zu machen, wie die Menschen etwas
neuem Material ihrer theoretischen Erfassung so Kompliziertes wie die Sprache hätten er-
voraus und läßt sich darum nie endgültig und finden können. Eine solche Unabhängigkeit
abschließend systematisieren. Die Sprache des Denkens vom Sprechen weist er jedoch
läßt sich als historisch geworden deshalb auch im Einklang mit den anderen hier besproche-
nicht in einem idealistischen Begriffssystem nen Denkern unter Verweis auf die synchrone
konstruieren. Entwicklung von Denken und Sprechen und
„Ihre Entwicklung muß als ein psychologisch-phy- die Identität von Wort und Begriff entschie-
siologischer Prozeß dargestellt werden, in welchem den zurück. Die Sprache ist das Korrelat der
beide Seiten sich vollständig durchdringen“ (Heyse Vernunft.
1856, 66). „Daher muß auch der Ursprung der Sprache un-
Bei Heyse blieb diese Aufgabe ein Postulat. mittelbar mit dem Ursprung des Menschenge-
Sein Schüler Steinthal dagegen widmete der schlechtes zusammenfallen“ (Heyse 1856, 63).
psychologischen Betrachtung seine volle Auf- Die Menschen waren nicht erst Tiere, die nur
merksamkeit. Heyse betont, daß es zum We- langsam zu Bewußtsein erwachten. Was denn
sen der Sprache gehört, daß sie keine durch meint Heyse, wenn er die Sprache ein Natur-
den subjektiven Verstand fixierte Form ist, erzeugnis des menschlichen Geistes nennt?
sondern lebendiger Prozeß, fortschreitende Heyse erklärt, daß die historische Entwick-
Entwicklung. Das Werden der Sprache ist lung der Sprache weder das Werk des berech-
substantielle Bestimmung der Sprache selbst. nenden Verstandes noch der Willkür, noch
Nach Heyse entwickelt sich die Sprache wie eines blinden Zufalls ist, sondern des absichts-
ein Naturprodukt, und darf in einem be- los wirkenden Volks- und Sprachgeistes.
stimmt umrissenen Sinn als ein „ursprünglich „Die Erzeugung der Sprache geschieht mit Not-
durch und durch ... organisches Gebilde“ wendigkeit, ohne besonnene Absicht und klares
(Heyse 1856, 66) angesehen werden. Gleich- Bewußtsein, aus innerem Instinkt des Geistes, also
wohl betont Heyse, daß sie kein Organismus in der Form einer organischen Naturtätigkeit“
im vollen Sinne dieses Begriffes ist, denn sie (Heyse 1856, 62).
entwickelt sich nicht passiv wie eine Pflanze, Heyse hält aber daran fest, daß diese Not-
sondern ist durch Selbstentwicklung charak- wendigkeit kein Naturzwang einer organi-
terisiert. Die Sprache, die für den Menschen schen Funktion ist, sondern die Lebensäu-
in ihrer historischen Natur etwas empirisch ßerung des freien Geistes. Heyse erklärt dies
Gegebenes ist, ist „nicht mit dem physischen weiter, indem er zwischen zwei Hauptfaktoren
Organismus des Menschen fertig gegeben“ des menschlichen Selbstbewußtseins, dem all-
(Heyse 1856, 46). Deshalb ist eine Betrach- gemeinen, objektiven Geist und dem beson-
tung ihrer Entstehung erforderlich. Historisch deren, subjektiven Geist unterscheidet. Der
ist allerdings nichts über die Entstehung der allgemeine, objektive Geist wird von ihm auch
Sprache auszumachen, denn der Ursprung die menschliche Vernunft in ihrem Natur-
der Sprache, wie der Ursprung des Menschen- grunde genannt. Der besondere, subjektive
geschlechtes selbst, liegt jenseits der Ge- Geist ist der reflektierende Verstand als die
schichte. Deshalb freie Tätigkeit des Individuums. Neben dieser
„müssen wir die Vorstellung eines Ursprungs der Unterscheidung findet sich bei Heyse auch
Sprache als eine schiefe und unhaltbare verwerfen, die Einteilung des geistigen Wesens des Men-
sofern man bei Ursprung dem Wortsinne nach an schen in die empfindende Seele, die als be-
ein einmaliges Entstehen denkt“ (Heyse 1856, 48). wußtloser Trieb die Funktionen des Empfin-
Heyse kritisiert folglich frühere Theorien der dens und Begehrens hat, und den Geist, des-
Sprachentstehung. Sprache ist dem Menschen sen Funktionen Denken und Wollen sind und
nicht fertig und unmittelbar von Gott gege- der sich dementsprechend als theoretischer
ben worden; die Sprache ist kein von vorher- und praktischer Geist ansehen läßt. Heyse
gehendem Denken geplantes Produkt der wehrt jedoch entschieden den Gedanken ab,
Menschen. Das heißt genauer gesprochen, daß Seele und Geist getrennt seien; sie sind
daß die Sprache keine Erfindung des Men- nicht nebeneinander, sondern ineinander zu
schen ist, wenn sie auch von ihm erzeugt wird. denken. Es ist dasselbe immaterielle Wesen
Mit dieser Unterscheidung will Heyse solche des Menschen, das Seele genannt wird, sofern
Theorien zurückweisen, die zur Erklärung der es in der Leiblichkeit des Menschen existiert
Sprachentstehung menschliches Denken als und materiell bedingt und gebunden ist. Es
156 I. Raum-zeitliche Übersichten

kann Geist genannt werden, sofern es zum intellectus unum et idem sunt‹. „Im Denken
Selbstbewußtsein gelangt und in freier Selbst- ist zugleich das Wollen, im Wollen das Den-
bestimmung sich über seine materielle Ge- ken“ (Heyse 1856, 2 6). Damit kehrt sich
bundenheit erheben kann. Insofern Heyse Heyse implizit von Kants Aufsplitterung der
einen unreflektierten, natürlichen Trieb, ein menschlichen Geisteskräfte ab. Für ihn sind
instinktmäßiges Gefühl als das Agens be- diese geistigen Kräfte zwar unterscheidbar,
zeichnet, das im Denken und Sprechen wirkt, aber auch untrennbar. Trotz großen Respekts
weist er in die Richtung, die Geiger und be- und freundschaftlicher Beziehung zu Heyse,
sonders Noiré und Bahnsen in ihren Bemü- dessen System der Sprachwissenschaft Stein-
hungen einschlugen, etwas Grundsätzliches thal nach Heyses Tod herausgab, wies schon
zu erreichen, das sowohl Denken und Spre- Steinthal auf ungelöste Probleme in Heyses
chen vorausgeht und sie ermöglicht. Insofern Theorie hin.
er in seiner Erklärung der Sprachentstehung
die Sprache als dem theoretischen Geist zu-
gehörig erklärt, mit dem sie sich synchron 10. Der Ursprung der Vernunft
entwickelt, steht er im Gegensatz zu Bahnsen, aus der Sprache
der die Sprach- und Vernunftentstehung und Die Bemühungen innerhalb der historisch ori-
Entwicklung auf den praktischen Geist, ge- entierten Sprachphilosophie, die Priorität des
nauer auf den Willen zurückführt. Heyse sieht Denkens vor dem Sprechen zurückzuweisen
natürlich, daß die Sprache auch zu Willens- und durch Interdependenztheorien zu erset-
äußerungen dienen kann, etwa in Befehlen zen, findet einen zugespitzten Ausdruck bei
oder Wünschen. Allerdings betont er, daß die Geiger. Früh durch die Lektüre Herders auf
Sprache dabei primär Gedachtes zum Aus- den Zusammenhang von Denken und Spra-
druck bringt. Sprache bezieht sich grundsätz- che aufmerksam gemacht, lenkte Geiger sein
lich nicht unmittelbar auf äußere Objekte, Interesse auf Sprach- und Begriffsentwick-
sondern auf Vorstellungen. Hierin führt lung. Die Vernunft ist weder unveränderlich,
Heyse einen Gedanken fort, der eine beson- noch ist sie plötzlich entstanden, sondern hat
dere Rolle in Lockes Erkenntnis- und Sprach- eine Entwicklung durchlaufen. Ihr Studium
theorie spielt. Heyse weiß aber auch um an- hat darum ein historisches zu sein; es ist als
dere Funktionen der Sprache als die der di- empirische Forschung zu verstehen. Dies ist
rekten Benennung von geistigen Inhalten und möglich, wie Geiger in einer methodologi-
der indirekten Benennung äußerer Objekte. schen Reflexion begründet, weil man analy-
Wie Gruppe vor ihm und Austin nach ihm tisch vom Gegebenen zum Gesuchten fort-
darauf achteten, was Worte tun und ausrich- schreiten kann. Was aber gegeben ist, ist die
ten, also performativ sind (s. Art. 95), so sieht Sprache; was studiert werden kann, ist die
auch Heyse, daß Worte Taten sein können, Sprache in ihrer Entwicklung, ist Sprachge-
insofern sie förmliche Willenserklärung, Zu- schichte. Da sich Natur und Geist in der
sage oder Verweigerung oder beleidigende Sprache geeint haben und Naturgeschichte
Rede sein können. Wenn Heyse die Sprache geworden sind, läßt sich hoffen, daß eine ex-
als Hauptform des theoretischen Geistes er- akte Wissenschaft der Sprache die Sprach-
blickt, so heißt das für ihn nicht, daß die philosophie zum Verschwinden bringt. Von
Sprache die einzige Äußerung des theoreti- einer sicheren Lehre des Begriffs erhofft Gei-
schen Geistes ist. Vielmehr betont er, daß es ger eine empirische Unterlage für die Philo-
wichtige andere Manifestationen gibt. Damit sophie. Denn, da das Denken von einem ge-
berührt er ein Thema, dem später besonders wissen Punkte an eine nachweisbare Ge-
Ernst Cassirer (1874—1945) (s. Art. 37) und schichte hat, wird die Frage nach der Entste-
Susanne Katherina Knauth Langer (1895— hung des Denkens zu einer empirischen. Gei-
1985) ausführliche Aufmerksamkeit gewid- ger betont, daß die Probleme der Sprach- und
met haben. Sosehr Heyse einerseits an einem Denkentstehung und ihrer weiteren Entwick-
Gegensatz zwischen Denken und Wollen, lung damit aufhören, transzendente Gegen-
Sprechen und Handeln festhält, er spricht von stände der Metaphysik zu sein. Seine Theorie
einer Urspaltung des geistigen Wesens der steht im gleichen schroffen Gegensatz zu in-
menschlichen Natur in Denken und Wollen, strumentalistischen Sprachauffassungen, der
so betrachtet er sie anderseits als Äußerungen die Theorien der anderen Denker in diesem
desselben freien Geistes, der sich in ihnen nur Traditionszusammenhang kennzeichnet. Die
in verschiedener Weise äußert. Mit Baruch Sprache ist nicht nur das Werkzeug, zuvor
Spinoza (1632 —1677) erklärt er, ›voluntas et
9.  Historisch orientierte Sprachphilosophie im 19. Jahrhundert 157

Gedachtes zum Ausdruck zu bringen und an- Erfinden zuzugestehen [...] Die Vernunft ist ge-
deren mitzuteilen. Eine solche Sicht würde die wachsen, aus wesentlich anderen Geisteszuständen
explizite oder implizite Annahme einschlie- erst entsprungen, deren Spuren sie noch jetzt in
ßen, daß es eine sprachunabhängige oder der ihren Funktionen aufweist, ja ohne deren Voraus-
Sprache vorausgehende Vernunft gäbe, was setzung als Grund und Wurzel ihres Daseins sie
diese Linie in der deutschen Sprachphiloso- garnicht lebensfähig wäre“ (Geiger 1865, 16).
phie entschieden zurückwies. Zwar erkennt Damit erübrigt sich in seiner Sicht eine tran-
Geiger an, daß die Sprache ein höchst wich- szendentale Untersuchung im Sinne Kants. In
tiges Werkzeug für den Menschen ist, betont kantischer Terminologie könnte man jedoch
aber, daß sie nicht ein Produkt des Denkens sagen, daß für Geiger die Bedingungen der
ist, sondern selber Erkenntnis ermöglicht. So Möglichkeit der Vernunft und des Denkens
muß für eine neue Erkenntnis von Gegen- in der Sprache liegen. Diese wiederum ist ih-
ständen eine neue Sprache gebildet werden, rerseits ermöglicht durch die fundamentale
wie Geiger es z. B. in der Chemie geschehen menschliche Fähigkeit der Unterscheidung
sieht. Sprache und Erkenntnis sind in ihrer von Empfindungen, die aus dem Gefühl des
Wechselbeziehung zu sehen. Die Sprache ent- Gegensatzes entspringt. Begriffe sind für Gei-
springt nicht aus dem Denken, sondern, wie ger relativ, sie sind von der jeweiligen Welt-
Geiger pointiert formuliert, das Denken aus anschauung, d. h. wörtlich davon, wie die
der Sprache. Geigers These ist, daß der Be- Welt physisch gesehen wird, abhängig. Damit
griff als einfachster Bestandteil der Vernunft aber zeigt sich, daß die Sprache sich nicht
aus Sprachlauten zu erklären ist. Diese hält direkt auf Gegenstände der Außenwelt be-
er für befähigt, Begriffsbildung, Denktätig- zieht, sondern nur mittelbar. Unmittelbar ist
keit und Selbstbewußtsein zu erzeugen. Die sie mit Gedachtem beschäftigt. Geiger folgt
Sprache sieht er mit einem tierischen Schrei darin Lockeschen Gedanken. Der Erkennt-
beginnen, wobei dieser Schrei selber schon auf nisprozeß vollzieht sich nach Geiger in einem
einen Eindruck des Gesichtssinnes folgt. Das Dreischritt von Verwechslung, Unterschei-
Denken ist damit wesentlich die Vorstellung dung und Vergleichung. Die Fähigkeit zu un-
gesehener Bewegung. terscheiden basiert auf dem Gefühl des Ge-
„Das Denken ist in Wahrheit das zweite Gesicht, gensatzes. Quantitative Unterschiede von
es ist das Sehen des Ungesehenen, des Unsichtbaren Empfindungen ermöglichen absichtliches Ver-
[...]“ (Geiger 1868, 76). gleichen.
Für Geiger wäre ohne den Gesichtssinn keine
Wahrnehmung des Ursachenverhältnisses
möglich. Bewußtseinsbildung ist erst möglich 11. Die Bedeutung der Gegensätze für
mit der Unterscheidung der Sinneswahrneh- die Denk- und Sprachentwicklung
mungen. Die quantitativen Unterschiede von Der Gedanke, daß die Erfassung von Gegen-
Empfindungen ermöglichen absichtliches Ver- sätzen eine grundsätzliche Funktion für die
gleichen. Unterscheidungen aber entspringen Entwicklung des Denkens und Sprechens be-
dem Gefühl des Gegensatzes. Verglichen mit sitzt, findet in der hier behandelten Tradition
dem scharfen Ton, mit dem die frühen sprach- sprachphilosophischen Denkens verschiedene
analytischen Denker Kant und die deutschen Ausprägungen, die teils mehr epistemolo-
Idealisten kritisierten, ist Geigers Kritik gisch, teils mehr sprachwissenschaftlich oder
Kants überaus gemäßigt. Seine fundamentale psychologisch geprägt sind. In seinen Refle-
Theorie von der geschichtlichen Natur der xionen über den Ursprung der Sprache und
Vernunft und ihrem Ursprung in der Sprache über den Gegensinn der Urworte verweist
steht zwar im Gegensatz zu Kants Philoso- Abel darauf, daß Antithese und Vergleich nö-
phie. Geiger erklärt aber in ruhigem Ton, daß tig sind, um Urteile zu bilden und daß Be-
die Erforschung der Sprache und ihrer Ent- griffsbildung durch Vergleichung ermöglicht
wicklung bereits eine empirische Kritik der wird. Abel bemüht Sprachgeschichte, um die
menschlichen Vernunft darstellt. Entwicklung des Denkens in seinem Verhält-
„Kant behandelt die Vernunft wie ein Augenglas,
nis zum Sprechen zu erklären. Er legt seine
dessen Farbe oder Brechungskraft feststehen, um
Sprachtheorie im Rückblick auf das in seiner
bei Beurteilung der Gegenstände von ihr abstrahie-
ren zu können, aber [...] die Vernunft ist das Auge Schrift über Jahrtausende fixierte Ägyptisch
selbst. Es genügt nicht länger, dem Denken eine
und seine gewandelte Form im Koptischen
bloße Ausbildung, eine sozusagen mechanische Zu-
dar. Er ist der Absicht, daß man durch das
nahme durch [...] Erfahren, Lernen, Entdecken und
Studium von Worten mit entgegengesetzten
Bedeutungen, er spricht auch von gegenfüß-
158 I. Raum-zeitliche Übersichten

lerischen Wörtern, das Werden von Begriff sammenziehen. Angesichts des von Abel be-
und Sprache in primitiver Zeit erhellen kann. schriebenen Begriffsbildungsprozesses kann
Ohne Unterscheidung von Gegensätzen ist man fragen, was es bedeutet, daß im jüngsten
keine Begriffsbildung möglich. Hell läßt sich Amerikanisch der Gebrauch von ‘bad’ im
nur im Kontrast zu dunkel, warm zu kalt, Sinne von ‘good’ lexikographisch erfaßt ist
groß zu klein, gut zu schlecht begreifen. In mit Beispielen wie ‘He is a bad man on drums,
modernen Sprachen bleibt zwar jedes Wort and the fans love him’.
mehrsinnig, aber es schließt nicht mehr seinen
absoluten Gegensinn ein. Es ist von dieser
Sicht aus deshalb zunächst schwer zu verste- 12. Sprache als sekundäre Effloreszenz
hen, daß die Urworte Gegensinn gehabt des Willens
haben sollen. Abel aber weist nach, daß im Die Gegensätzlichkeit, die bei Abel eine
Altägyptischen viele Worte kontradiktorische sprachwissenschaftliche und erkenntnistheo-
Bedeutungen haben. Begriffe sind Zwillinge retische Bedeutung hat, ohne ontologische
ihrer Gegensätze. Sie konnten anderen darum Behauptungen einzuschließen, verfestigt sich
nur mitgeteilt werden, wenn sie an ihren Ge- bei Bahnsen in der Realdialektik zur ontolo-
gensätzen gemessen werden konnten. Abel gischen Theorie der grundsätzlichen Wider-
spricht daher von der bewußten Gegensätz- sprüchlichkeit der Welt. Diese tritt anti-evo-
lichkeit der Urbedeutung solcher Worte wie lutionistisch auf, wenngleich sie, wie Bahnsen
‘stark’ und ‘schwach’. Beide Ideen hatten ur- eigens betont, keineswegs geschichtslos ist. Sie
sprünglich im Bewußtsein gegenwärtig zu führt zu einer affirmativen Willenspraxis und
sein, daß man je eine von ihnen spezifisch hat den Charakter eines Erlösungswerkes, in-
fassen konnte. So hat nach Abel der mensch- sofern sie durch die Einsicht in die alles durch-
liche Geist denken gelernt. Die sprachliche waltende Widersprüchlichkeit den Philoso-
Mitteilung von Begriffen und Worten be- phen der Mühe enthebt, an der Auflösung der
durfte aber weiterer Hilfe. Um die Bedeutung Widersprüche zu arbeiten. Diese bleiben un-
zu klären, die ein Doppelbegriff wie ‘stark- auflösbar. Nach Bahnsen steht die Sprache
schwach’ in einem bestimmten Zusammen- wie alle Intellektualfunktionen zum Willen im
hang und einem bestimmten Augenblick hat, Verhältnis einer sekundären Effloreszenz. Das
bedurfte es im schriftlichen Ägyptisch des er- läßt sich dadurch beweisen, daß man zeigt,
klärenden Bildes hinter dem alphabetisch ge- daß die Vernunft von der Sprachentwicklung
schriebenen Laut, z. B. ‘stehender bewaffneter abhängig ist. Die Vernunft ist ebensosehr ein
Mann’ oder ‘hockender Mann’. Für die ge- Produkt historischen Werdens wie die Spra-
sprochene Sprache bedurfte es der erklären- che. In einer kritischen Stellungnahme gegen
den Geste. Begriffe mußten allerdings vor- Schleichers Organismus-Auffassung der Spra-
handen sein, um ausgedrückt werden zu kön- che betont Bahnsen, daß die Vernunft sich
nen, aber die Begriffsbildung kam nur zu- zum Sprechen wie das Gewissen zu ethisch
stande mit Hilfe gegensinniger Laute. Ihre prädizierbarem Handeln verhält. Beide, d. h.
Mitteilung benötigte sowohl diese Laute wie Vernunft wie Gewissen, erwachen erst „unter
sie begleitende erklärende Gebärden. den Friktionen des geselligen Austausches aus
„Die Begriffe, die nur antithetisch gefunden werden
der Latenz eines gänzlichen Nichtumsichsel-
konnten, werden dem menschlichen Geist im Laufe
berwissens“ (Bahnsen 1881, 17). Nach Bahn-
der Zeiten genügend angeübt, um jedem ihrer bei-
sen statuiert die Willensmetaphysik eine
den Teile eine selbständige Existenz zu ermöglichen,
wechselseitige Bedingtheit zwischen Vernunft
und jedem somit seinen separaten lautlichen Ver-
und Sprache. Demgemäß hat Sprachphilo-
treter zu schaffen“ (Abel 1885, 334 f).
sophie ein integrierender Bestandteil der Er-
Abel betont, daß alles auf Erden relativ ist. kenntnistheorie zu sein. Damit wendet sich
Man kann einem Ding nur dann unabhängige Bahnsen gegen instrumentalistische Sprach-
Existenz zusprechen, wenn man es in seinen auffassungen und betont, weit über die frü-
Beziehungen zu und von anderen Dingen un- here Annahme hinauszugehen, nach der die
terscheidet. Mit diesem Gedanken führt Abel Sprache nur die älteste Tochter der Vernunft
der Sache nach weiter, was vor ihm schon von sei. Bahnsen nimmt Geiger, mit seinen dyste-
anderen wie Gruppe und Geiger ausgebildet leologischen Anschauungen, sofern dieser bei
worden war. Individuen, sowohl als Gattun- der Sprachentwicklung den Zufall am Werk
gen, gibt es nicht in der Natur. Sie sind vom sah, zum Bundesgenossen der antilogistischen
Menschen gebildete Entitäten, die komplexe Realdialektik gegen die rationalistischen An-
Relationsverhältnisse denkökonomisch zu-
9.  Historisch orientierte Sprachphilosophie im 19. Jahrhundert 159

sprüche der Vernunft, als unanfechtbare Au- nötigt ist sich zu äußern und mitzuteilen.
torität die letzte Instanz für alle Wissensprü- Bahnsen sieht drei Hauptfunktionen, für die
fung zu sein. Die Sprachschöpfung vollzieht der Wille die Sprache gebraucht. Sprache ist
sich naiv, sie ist ein prometheischer Schöp- „erstens ein Nachaußensetzen innerer Regungen
ferakt. Die Vernunft dagegen ist durch ihre zum Zweck der Selbstbefreiung durch Objektivie-
Reflexion auf sich selber epimetheisch. Vom rung, er will etwas loswerden, was er innerlich als
Standpunkt der Willensmetaphysik aus will Hemmendes, Drückendes, Beklemmendes empfin-
Bahnsen zeigen, wie der Wille sowohl Sprache det — zweitens ein Mitteilen äußerer oder innerer
wie Vernunft aus sich herausbringt. Die Ver- Vorgänge, Ereignisse, Pläne u. dergl. zum Zweck
nunft verharrt solange in phänomenloser Exi- des Mitwissens anderer und drittens ein geistiges
stenz, bis die Sprache ihr jene Begriffssphären Verarbeiten ungegliederten Bewußtseinsmaterials
eröffnet, die dem sprachlosen Intellekt ver- zum Zweck bequemerer Verwendbarkeit, klarerer
schlossen sind. Dieses aber „ist nur möglich Einsicht, handlicherer Mitteilbarkeit, kurz: ver-
vermöge der aus dem Ursein stammenden nünftiger Beherrschung“ (Bahnsen 1881, 3).
präformierenden Präexistenz der intellektua- Bahnsen hat damit Gedanken ausgesprochen,
len, im Willen urständenden Urpotenz“ die sich auch bei Wegener finden, dem Langer
(Bahnsen 1881, 2 0). Die Denkformen stam- und David Wilfred Abse (*1915) größere Auf-
men jedoch nicht aus der Sprache. Die Spra- merksamkeit gewidmet haben. Der Grund für
che äußert sie nur als Typen, die die Vernunft dieses Interesse liegt bei Abse besonders
zuvor geprägt hat. Diese Typen aber sind darin, daß sich in der Sprachtheorie Wegeners
selber Siegelabdrücke von Urbildern, die wichtige Impulse für die Tiefenpsychologie
nicht aus der Vernunft, sondern aus dem Wil- und Psychoanalyse Sigmund Freuds (1856—
len stammen. Unter Berufung auf Geiger und 1939) finden, sowie Ideen, die sich in der
mit einer abschätzigen Bemerkung über klinischen Psychotherapie anwenden lassen.
Noiré, der nur Geigers Gedanken ausgear- Gerade dieser Gedanke von der befreienden
beitet habe, betont er, daß die Vernunft mehr Wirkung, der Heilung, die darin liegt, daß
Produkt als Produzent ist, mehr Resultat als innerlich Bedrückendes zum Ausdruck, also
Anlage. Der intuitive Wille in seinem Drang wörtlich nach außen gebracht wird, ist, wie
nach Klarheit und Mitteilung läßt Denken die zitierte Stelle zeigt, eben auch schon von
und Sprache entstehen; er verlangt nach Bahnsen formuliert worden. Für Bahnsen ist
Äußerung. Bahnsen sieht einen instinktiven sie in der Tat die zentrale und die erste Funk-
Willensmechanismus am Werk, der das ge- tion der Sprache. Bahnsen nennt als ein Bei-
samte Räderwerk des Sprechens in Gang spiel solcher Befreiung Tagebuchaufzeichnun-
setzt. Die Sprache ist einer der μηχαναί des gen, die vielleicht absichtlich in einer so un-
Willens. Der Wille mit seinem Sensorium geht leserlichen Schrift gemacht sind, daß sie selbst
der reflexionsmäßigen Bewußtheit überall von ihrem Schreiber bald danach nicht mehr
voraus. Damit ist die Rezeptivität für Bahn- entziffert werden können. Sie haben als Äuße-
sen nicht wie für Kant passiv, sondern spon- rungen inneren Bewußtseinsinhaltes damit
tane Rezeptivität. Um angesammelte Vorstel- schon von diesem befreiend gewirkt und so-
lungsmassen zu bewältigen, schafft sich der mit ihren Zweck erfüllt. Allerdings sind der
Wille die Sprache und Vernunft zum abstrak- Sprache Umfang und Grenze gesetzt: was
ten Denken. Damit hat der Wille für Bahnsen nicht aufgeht in Bewegungsformen, kann von
eine ähnliche transzendentale Funktion wie ihr nicht zum Ausdruck gebracht werden.
die, die Kant der Spontaneität zuspricht, die Eben deshalb verstummt der Mystiker, wenn
zur apriorischen Begriffsbildung führt und er sich meditativ im namenlosen Geheimnis
dem Verstand erlaubt, das Empfindungsge- des ewigen Ursprungs versenkt. Bahnsen sieht
wühl zu organisieren. Wie Kant Bewußtsein es als Humboldts große Entdeckung an, daß
ermöglicht sieht durch die Ursynthese in der er die Bewegung als das zwischen Laut und
transzendentalen Apperzeption, so sieht Bedeutung Vermittelnde erkannt habe.
Bahnsen den intuitiven Willen mit seinem
Drang nach Klarheit des Erkennens und nach
Mitteilung des Erkannten die Vorstellungs- 13. Das Leben der Sprache
massen präformieren und, anders als bei Der Gedanke von der Wichtigkeit der Be-
Kant, sogar erzeugen. Die Aufgabe der Ver- wegung wird von Wegener fortgeführt. Er
nunft ist dann die weitere und feinere For- versteht seine Untersuchungen über das
mung dieses Materials. Klarheit der Erkennt- Sprachleben so, daß diese Auskunft geben
nis ist aber erst dann erreicht, wenn sie ge- über die Geschichte des Erkenntnislebens, der
160 I. Raum-zeitliche Übersichten

Ethik und Ästhetik. Die Erscheinungen des Entwicklung der Grammatik war deshalb
Geisteslebens formen für ihn einen Gesamt- „das Verfahren der Korrektur“ (Wegener
organismus, in dessen Organen insgesamt 1885, 36) notwendig. Wegener sieht das Ver-
„jede Regung des einzelnen Organs nachzit- ständnis einer Erzählung oder sonstigen
tert“ (Wegener 1885, 60). Die Frage ist, was sprachlichen Mitteilung ermöglicht, „erstens
diese Bewegungen veranlaßt und wie diese durch Schlüsse auf nachfolgende Momente
Sprache und Denken verursachen und for- der Entwicklung, zweitens durch Rück-
men. Um darüber Auskunft zu gewinnen, schlüsse auf Vorausliegendes“ (Wegener 1885,
empfiehlt er Ethik und Psychologie als die 12 8). Solche Schlüsse jedoch lassen sich nicht
Disziplinen, die zur Lösung dieser Probleme aus Worten allein ziehen, sondern können nur
die Schlüssel halten. Wie andere Sprachden- aus der Erfahrung geschöpft werden. Fehlt
ker vor ihm, insbesondere jene, die von einer diese völlig, läßt sich kein Verständnis einer
monistischen Position ausgingen, den Willen erzählten Handlung erzielen.
als vernunft- und sprachvorgängig und diese „So kann die Mitteilung: das Fleisch wird gekocht,
verursachend ansahen, so nimmt Wegener das Fleisch ist gar ... nur dadurch verstanden wer-
Gefühle als denk- und sprachvorgängig an. den, daß man den Zweck des Kochens kennt und
Es sind nach ihm egoistische, sowie sympa- danach die Mittel, welche demselben dienen, findet
thische Gefühle, die in den ethischen Bedin- oder aus der Erfahrung erschließt, und bei gar, daß
gungen der Gesellschaft wie des Einzelmen- uns der Zustand bekannt ist, in dem das Fleisch
schen verwurzelt sind, die man berücksichti- als genießbar gilt“ (Wegener 1885, 128).
gen muß, wenn man die Sprache in ihrer Letzten Endes setzt das im Sinne des Empi-
kommunikativen Funktion verstehen will. rismus Sinnesdaten voraus: „Also eine Tätig-
Beim Kind führt der egoistische Wunsch, den keits-Mitteilung ist nur dem verständlich, der
Willen anderer zu beeinflussen und sie zu die Tätigkeit durch Gesicht oder Tastsinn
Handlungen zu veranlassen, zu lautlichen wahrgenommen und mit Bewußtsein erfahren
Äußerungen, zur ursprünglichen Sprache in hat“ (Wegener 1885, 159). Diese bewußten
abgekürzten Imperativen und in Fragen, bei Erfahrungen lassen sich jedoch normalerweise
denen Sätze aus einem Wort bestehen, ehe nicht völlig in physiologisch, begrifflich und
später weniger zweckinteressierte Äuße- sprachlich atomare Bestandteile zerlegen.
rungen in der Form von Aussagesätzen da- Vielmehr stößt man auf Reihen von unbe-
zukommen. Im Hörer korrespondiert, unter wußten körperlichen und seelischen Bewegun-
der von Wegener vorausgesetzten Bedingung gen. Wegener sieht diese automatischen Me-
der gleichen psychischen Struktur der Men- chanismen als molekulare Vorgänge an, die
schen, ein sympathisches Gefühl, das den Hö- sich nur von Experten weiter analysieren las-
rer zu korrespondierenden Taten veranlaßt sen. So kann der Laie beim bloßen Hören der
und seinerseits sprachliche Äußerungen her- Worte die Handlung nicht verstehen, wenn
vorruft. Wegener belegt dies mit Hinweisen man ihm, ohne etwas zu zeigen, sagt, „man
auf die Entwicklung in den indoeuropäischen lege die Zunge an die Alveolen, öffne die
Sprachen, die Form ihrer Imperative und ihre Stimmritze usw.“ (Wegener 1885, 158), um
Tendenz, das logische Prädikat vorherrschend etwa ‘a’ oder ‘r’ auszusprechen. Die Hand-
zu machen und es dann zum grammatischen lung des ›Legens‹ und ›Öffnens‹ ist zwar nor-
Prädikat zu machen. Andere Wortarten und malerweise bekannt, aber im gegebenen Bei-
grammatische Elemente entwickelten sich als spiel fehlen dem Laien die Bezugspunkte.
Hilfen und in untergeordneter und erklären- Daraus folgt allgemein, „Tätigkeit ist ohne
der Funktion. Substantiv und Adjektiv waren die Berührung der Beziehungspunkte nicht
ursprünglich selber Sätze. Weil die Kommu- vorhanden, und ein Verbum ohne seine Ob-
nikation mit der Äußerung des Prädikats oder jekte ist ein nichtssagendes Abstraktum“ (We-
Ein-Wort-Satzes oft nicht gelingt, sind „nach- gener 1885, 158). Die Erwartung von Hand-
trägliche Korrekturen“ (Wegener 1885, 60) lungsabläufen ist von größter Wichtigkeit für
nötig. Der Sprechende erkennt die Notwen- das Verständnis der Welt.
digkeit einer Exposition, um sich verständlich „Es wandelt sich somit der psychische Zustand der
zu machen. Dies führt zu immer weiterer Erwartung in die logische Vorstellung eines Kau-
Sprach- und Gedankenbildung, besonders salitätsverhältnisses und unsere durch Erfahrung
wenn nicht nur auf direkte Handlungen Be- gewonnenen Erwartungen in ihrer Totalität sind
zug genommen wird, sondern komplexe Tat- die Formen und das Schema, nach denen wir alles
bestände dargestellt werden sollen. Für die Geschehen in der Welt verknüpfen“ (Wegener 1885,
130).
9.  Historisch orientierte Sprachphilosophie im 19. Jahrhundert 161

Die Intensität der Erwartung, das Gefühl der losophen in Deutschland. Lichtenberg gab
Spannung, oder beim Widerspruch das Ge- grundsätzliche Hinweise darauf. Gruppe,
fühl der getäuschten Erwartung weicht dem Müller und Noiré, um nur diese zu nennen,
blassen „Gefühl logischer Übereinstimmung betonten die grundsätzliche Funktion von
und logischen Widerspruchs“ (Wegener 1885, Metaphern nicht nur im allgemeinen, sondern
131). Wegener reduziert somit das Logische wiesen ihre Bedeutung auch in detaillierten
auf das Psychologische. Er ist sich über den Untersuchungen nach. Was Abse mit Recht
lückenhaften Charakter der Erfahrung im als wichtig bei Wegener betont, „velleity per-
klaren und schließt sich, ohne es eigens zu vades developed speech“ (Abse 1971, 6), ist
erwähnen, den klassischen Empiristen an, aber auch schon grundsätzlicher Bestandteil
wenn er zugibt, der auf der Willensmetaphysik basierenden
„daß die Schlüsse auf die Weiterentwicklung einer Sprachtheorie Bahnsens. Die Bedeutung von
Handlung unsicher und nur Vermutungsschlüsse Kontext und Kotext ist ein Thema, das Ber-
seien“ (Wegener 1885, 131). keley schon streifte, das dann bei Gruppe,
Wegener führt ein grundsätzliches Thema der Gerber und anderen frühen sprachanalyti-
hier behandelten Sprachphilosophie fort, schen Denkern in Deutschland vor Wegener
wenn er Metaphern als Hauptfaktoren der ausführlich behandelt wurde. Für Wegener ist
Sprach- und Denkentwicklung ansieht. Um charakteristisch, daß er seine Gedanken nicht
neue Inhalte mitzuteilen, braucht man grund- in beständiger Rückbeziehung auf frühere
sätzlich Metaphern. Diese Metaphern vermit- Sprachphilosophen präsentiert, sondern sie
teln in bestimmten Kotexten und Kontexten, aus seinen psychologisch-sprachwissenschaft-
i. e. gesellschaftlichen Sprechsituationen In- lichen Untersuchungen entwickelt. Wie Lan-
halt, insofern sie Beziehungen zu Neuem ger (1957) und Abse (1971) zeigen, hat We-
durch Rückbezug auf bereits Bekanntes her- gener mit seinen Gedanken besonders Karl
stellen und Teile dessen auf bislang Unbe- Bühlers (1879—1963) (s. Art. 38) Sprachtheo-
kanntes übertragen. Gewisse Erwartungen rie beeinflußt. Der diesem Beitrag gesetzte
auf der Seite des Hörers fungieren als ver- Rahmen gestattet lediglich, die interessanten
ständnisermöglichend. Des weiteren tragen gedanklichen Verbindungen von Wegener zu
Kontext und Kotext (s. Art. 92 ) zur effektiven Freud und Bühler zu erwähnen, nicht mehr
Verständigung bei. dagegen, diese im Detail zu verfolgen. — Die
„Erwartung und Zweckvorstellungen von Bewe- hier vorgestellten Theorien zeigen, wie sich
gungsreihen sind wichtige Faktoren für das Ver- das sprachphilosophische Interesse der histo-
ständnis der Handlung“ (Wegener 1885, 181). risch orientierten, d. h. der entwicklungsge-
Diese Bewegungsreihen sind teils lautlicher, schichtlich orientierten Sprachphilosophie im
teils logischer Natur. Das heißt, daß sich auf 19. Jahrhundert in Deutschland mehr und
gewisse Gefühle durch inneren Mitteilungs- mehr sprachwissenschaftlichen und sprach-
drang — beim Kind oft unter Weinen — psychologischen Untersuchungen zugewandt
lautliche Äußerungen einstellen, die durch die hat.
Bewegung unserer Organe hervorgebracht
werden. Es heißt aber auch, daß die Verket-
tung von Gedanken in logischen Schlüssen 14. Literatur in Auswahl
eine solche Bewegungsreihe darstellt. Ein bei Abel 1885, Sprachwissenschaftliche Abhandlungen.
Wegener unerwähnt bleibender Ahnherr vie- Abse 1971, Speech and Reason.
ler dieser Gedanken ist Thomas Hobbes
(1588—1679), der ebenfalls in seiner mecha- Bahnsen 1881, Aphorismen zur Sprachphilosophie.
nistischen Erkenntnistheorie die gedankli- Cloeren 1972 , Philosophie als Sprachkritik bei
chen, logischen Bewegungen und Verkettun- K. L. Reinhold, in Kant-Studien 63.
gen auf die mechanischen Bewegungen des Cloeren 1988, Language and Thought.
Addierens und Subtrahierens reduzierte. Was Erste ausführliche Darstellung frühen sprachana-
Langer bei Wegener als neu ansieht, z. B. die lytischen Denkens in Deutschland.
mnemonische Funktion von Worten und die Geiger 1868, Ursprung und Entwickelung der
fundamentale Einsicht in die erkenntniser- menschlichen Sprache und Vernunft.
weiternde und kommunikationsermögli- Gerber 1961, Die Sprache als Kunst. [1871, 2 . Aufl.
chende Funktion der Metaphern, sowie der 1885]
Kotexte und Sprechsituationen, in denen Gerber 1884, Die Sprache und das Erkennen.
diese wirken, ist jedoch geradezu schon Ge- Gruppe 1831, Antäus.
meingut der frühen sprachanalytischen Phi-
162 I. Raum-zeitliche Übersichten

Gruppe 1834, Wendepunkt der Philosophie. Noiré 1877, M onistische Erkenntnistheorie, 2 . Aufl.
Gruppe 1855, Gegenwart und Zukunft der Philoso- 1884.
phie. Noiré 1885, Logos.
Heyse 1856, System der Sprachwissenschaft. Reinhold 1812, Grundlegung einer Synonymik.
Keller 1884, Der Ursprung der Vernunft. Eine kri- Reinhold 1816, Das menschliche Erkenntnisvermö-
tische Studie über Lazarus Geigers Theorie von der gen.
Entstehung des Menschengeschlechts. Runze 1886, Die Bedeutung der Sprache.
Müller 1978, The Science of Thought [1878]. Runze 1889, Sprache und Religion.
Müller 1861—1864, The Science of Language. Runze 1905, Metaphysik.
Noiré 1874, Die Welt. Wegener 1885, Grundfragen des Sprachlebens.
Noiré 1875, Der monistische Gedanke.
Noiré 1877, Der Ursprung der Sprache. Hermann J. Cloeren, Worcester, Mass. (USA)

10. The sceptical tradition in the philosophy of language

1. Introduction and ‘scepticism’ are words with a wide range


2. Parmenides, Plato, and the roots of reference of connotations, and we should determine at
3. The origins of language and linguistic signif- the outset just what varieties of scepticism are
icance to be treated as being relevant.
4. Naming, ostension, and individuation First of all, there is a quite general and
5. Conclusion non-technical notion of scepticism; one is
6. Selected references sceptical, in this sense, if one is inclined to
doubt things, if one is predisposed against
credulity. Secondly, there is the rather more
1. Introduction technical issue of what David Hume (1711—
This article is of necessity general in its aims: 1776) called ‘Scepticism with regard to the
it is to be hoped that this does not render it senses’; how far can we be confident of the
superficial in its content. I intend to follow truth of our perceptual notions of the world
through on a broad front the history and in the face of the evident facts of illusion and
development of a series of themes which relate delusion? Derived from this latter considera-
language to various types of position which tion is the notion that language itself, in which
can be accounted sceptical. The treatment is we report our affections, and with which we
thematically organised; but within each sub- communicate our perceptions, may itself be
section I shall pursue the inquiry historically; radically unable to bear the weight that or-
the historical parameters of the discussion will dinary usage places upon it.
be set by the Presocratics at one end, and First, the relation between the alleged ref-
Willard Van Orman Quine (* 1908), Saul erential terms in our language and the objects
Aaron Kripke (* 1940), and Jacques Derrida supposedly referred to may be disputed: how
(* 1930) in the twentieth century at the other. can we be sure that our language relates di-
What I hope thereby to demonstrate is the rectly to extra-linguistic items in the world?
longevity and vitality of the themes that Such questions have been alive at least since
emerge, and their enduring interest and value the time of Parmenides (ca. 500 B. C.), and it
in the philosophy of language. My treatment is with the Parmenidean arguments that I
will be necessarily abrupt, and skewed in the propose to begin; but they have contempo-
direction of my own areas of interest and rary resonances as well.
competence. I should begin with a little pre- Secondly, one may hold, with Quine, that
liminary mapping of the territory. ‘Sceptical’ our criteria for the interpretation of utter-
10.  The sceptical tradition in the philosophy of language 163

ances are themselves provisional and sus- half of the fifth century B. C., and it is to
pect — such moves are, I think, distinctively him that the first articulation of a genuinely
modern, and I shall consider them last. But sceptical position regarding language is to
related to this is a concern, to be found at be attributed. However, even earlier than
least as early as Aristotle (384—32 2 B. C.) (s. Parmenides, Xenophanes of Colophon (ca.
art. 15), and treated in a sceptical vein by 580—485 B. C.) elaborated a position re-
Augustine (354—430) (s. art. 16), with the garding the world, our sensory access to it,
question of how we can be sure what our and the language in which we habitually re-
ostensive definitions pick out. Furthermore, port that access, which might (with a little
one may inquire sceptically into the founda- charity) be described as sceptical. Xeno-
tion of meaning in language: can language, phanes is accorded a role by Sextus Empir-
in any sense, be semantically natural? These icus in the development of a sceptical out-
issues were first raised by the Greek Sophists, look (Adv. M ath. VII 49, = Bury 1933—
are discussed in Plato’s Cratylus, and formed 1949, Sext. Emp. II, 2 5), for what that’s
the locus of a dispute between the Epicureans worth (Sextus tends to discern scepticism in
and the Stoics on the one hand and the Greek almost everybody); and one fragment which
sceptics on the other; and they resurface in bears on this claim, and is relevant to the
the seventeenth and eighteenth centuries. issue of language is: “no-one has yet or will
Lastly there is a more technical concern, in future see the clear truth of what I speak
evinced most directly in the writings of Sextus about [...] and even if he should manage to
Empiricus (ca. 2 00), as to whether there can speak what was indeed the truth, none the
ever be a properly founded science of lan- less he himself would not know it” (Diels-
guage, or whether rather all the pretensions Kranz 1951, 2 1 B 34; cf. B 35, 38). Xeno-
of the professional grammarians to produce phanes appears to make the claim that, even
one are inherently flawed. Scepticism some- if on occasion our language does refer ap-
times denotes an attitude of either a general propriately to reality, we can never know
or a restricted nature to the credibility of that it does: and that seems, in at least one
beliefs and the possibility of knowledge: of the senses I distinguished in the Intro-
Hume’s scepticism was at least in part of this duction, to be a sceptical claim about lan-
type. More rarely it can be a way of life, a guage. But its scepticism is modest. Xeno-
set of practical procedures, as it was for the phanes does not claim that reality is so di-
ancient Pyrrhonists. Failing that, it can be a vorced from our attempts to describe it that
methodology, a type of approach to concep- language as a whole may fail to refer at all;
tual issues that holds out the hope ultimately rather it seems that our terms will refer, but
of clarifying and laying bare the foundations we can never be sure whether the things we
and scope of possible knowledge, a procedure predicate of them are true or false.
with which we are familiar since René Des- Heraclitus (ca. 500 B. C.) perhaps adopts
cartes (1596—1650). In this paper I shall ex- a similar stance: at all events, he holds that
amine some of the impact of each of these “of this account that holds always men prove
varieties of scepticism on the philosophy of uncomprehending” (Diels-Kranz 1951, 2 2 B
language and linguistics. I have very little to 1; the awkward translation preserves an in-
say about some of the larger figures in the determinacy in the reference of ‘always’),
history of scepticism, notably Nicolas of Au- which might plausibly be expanded to involve
trecourt (ca. 1300—1350), Michel Eyquem de the claim that no-one thinks and hence ex-
Montaigne (1533—1592 ), and Hume: this is pounds the right view of reality, and hence
simply because in my view they contribute that their language fails in some relatively
nothing of substantial interest to the debate radical way to refer properly. Ordinary lan-
concerning language as such — epistemolog- guage is wedded to stability; but subtle meta-
ical scepticism does not necessarily directly physics shows that everything must be per-
affect linguistic concerns. petually in flux; hence ordinary language rad-
ically misrepresents the world as it is. This is
certainly how Plato (42 7—347 B. C.) (s. art.
2. Parmenides, Plato, 14) is to develop the account in the Theaete-
and the roots of reference tus, although Plato is concerned to make ex-
plicit sceptical conclusions which he takes ul-
2.1. Forerunners timately to constitute a reductio of the Her-
aclitean position, and which are only latent
Parmenides of Elea flourished in the first within it.
164 I. Raum-zeitliche Übersichten

2.2. Parmenidean metaphysics, platonic cally obviates the possibility of language


reaction, sophistic arguments having any proper reference (Theat. 179d2—
183b8); if everything is in a constant state
However, it is in Parmenides that we first of change, then nothing is any more F than
come across an argument that self-con- not-F for any value of F. This commits one
sciously involves reference. Ordinary lan- to a Protagorean relativism:
guage, Parmenides thinks, behaves as though “since not even this stays constant [...] but it
it can refer both to what is and to what is changes, so that there is a flux of that very thing,
not; and yet a subtle investigation of the logic whiteness, and change to another colour, [...]
of being, as well as of the causal conditions since that’s so, can it ever be possible to refer to
for generation and destruction, will con- any colour in such a way as to be speaking of it
vince the researcher that as a matter of fact rightly?” (Theaet. 182d1—5).
generation and destruction are impossible, By contrast, the stability of Eleaticism is
and all that exists is a single, unchanging, greatly to be preferred (Theaet. 183e2 ff):
spherical One (Diels-Kranz 1951, 31 B 8); and of course it is partially at least in order
for only the things that can be thought of to take advantage of such stability, and to
(and hence described) can exist (B 3, 6). If nail down the reference of key terms to
something cannot exist, it cannot be re- something non-fluid, that Plato feels con-
ferred to (Diels-Kranz 1951, 31: cf. Wittgen- strained to develop his theory of Forms.
stein T 5.473, PU § 45). But any attempt to In the Parmenidean vein (although for
describe change necessarily involves ›refer- more questionable motives) — it is reported
ence‹ to things which are not: for the logical by Sextus (Adv. M ath VII 65—87, Bury
form of a change is ‘x becomes F from hav- 1933—1949, Sext. Emp. II, 35—45) — the
ing been not-F’ (or vice versa). Thus it fol- sophist Gorgias of Leontini (floruit late fifth
lows that any attempted reference to century B. C.) held, in his On Nature (or On
change, decay, generation and destruction, Non-Being), that nothing existed; or if it
fails. It is actually the case that our lan- did, it was inapprehensible; or even if it was
guage refers to the unaltering Eleatic One, apprehensible, it was uncommunicable. The
even if ordinary mortals “who ply a ringing arguments involved are for the most part
ear and tongue” (Diels-Kranz 1951, 31 B 7), jejune and sophistical; but they are interest-
and who “know nothing and wander two- ing for two reasons. Firstly, their form (not-
headed” (B 6) get this wrong. Human lan- A; but even if A, not-B; but even if B, not-
guage “sets up two forms for naming” C) is characteristic of later scepticism. And
(Diels-Kranz 1951, 31 B 8), i. e. that things secondly the final argument explicitly con-
can be and not be, but all such “orderings cerns language. Truths are incommunicable,
of words [are] deceitful” (B 8); this is where because they must concern objects; but the
language goes wrong. In a sense, Parmen- medium of communication (speech) is not
ides’ metaphysics can be viewed as the con- an object (or perhaps not the same as the
trapositive of Heraclitus’s: the latter argues objects it purports to communicate; Adv.
from the instability of the cosmos to the M ath. VII 84, Bury 1933—1949, Sext. Emp.
failure of reference of language; the former II, 45), hence it cannot communicate them;
argues from the conditions of reference for furthermore, speech is produced by (and
language to the stability of the cosmos. hence explained by) objects; and so objects
Both, in a relatively clear sense, evince a cannot be explained by speech (Adv. M ath.
scepticism that relates to the philosophy of VII 85); and finally even if speech does sub-
language. sist in some way, it does not do so in the
Plato treats of these issues in the first same way as the objects it attempts to con-
part of his Theaetetus, in the course of re- vey, nor is it appreciated by the same sense-
futing Theaetetus’s claim that knowledge is modalities (Adv. M ath. VIII 86). I shall
perception. Plato in effect argues that such leave those arguments with the remark that,
a claim involves relying on a Protagorean according to the influential recent interpre-
relativist epistemology, plus a Heraclitean tation of Hintikka and Hintikka (1986), the
metaphysics. The details of the argument Gorgian claim that language is not an ob-
need not detain us: but what does matter is ject is precisely what Ludwig Wittgenstein
his explicit espousal of the idea that a Her- (1889—1951) (s. art. 39) came to reject in
aclitean metaphysics of instability intrinsi- the course of his development of the pri-
vate-language argument.
10.  The sceptical tradition in the philosophy of language 165

3. The origins of language into a language (Letter to Herodotus, Diog.


and linguistic significance Laect. X. 75 f, Arrighetti 1973, II, 6).
The Stoics, as reported by Origen (ca.
3.1. The Sophists and Plato’s Cratylus 185—2 54) (cf. Against letters I 2 4, Borret
1967—76, I, 136; s. art. 2 ), held a similar
In his dialogue Cratylus, Plato deals with the view, “that names come to be by nature, and
question of the origin of language. Do words that the primary sounds are imitations of
signify naturally or merely by convention? (s. things of which the names are said” (Long/
art. 62 ) This issue had been raised in the fifth Sedley 1987, 192 ). And they too were devotees
century B. C. by the Sophistic movement: and of supposedly explanatory etymology; Galen
the debates turned partly on the question of (ca. 130—2 10) reports (and derides) Chrysip-
the correctness of names, whether there was pus’s argument that the word ἐγώ [I] is nat-
some objectively proper form of language urally significant because in pronouncing it
(Protagoras, ca. 485—415 B. C., and Prodi- the jaw points to the chest, which is the seat
cus, ca. 460 B. C., offered instruction in the of the soul. Sextus Empiricus, as one might
matter). In some cases, this simply evinced a expect, has no time for such claims. At Adv.
concern with the canons of conventionally M ath. I 142 —158 (Bury 1933—1949, Sext.
correct usage; and sometimes it is connected Emp. IV, 84—95), he attacks the view of
with the topic of rhetoric, in other words with grammarians (he has the Stoics and Stoic-
persuasion; and in neither case has the debate influenced theorists primarily in mind) that
got much to do with scepticism. But the habit certain nouns are ›naturally‹ feminine in gen-
of giving etymologies of a supposedly enlight- der, others ›naturally‹ masculine; and he pref-
ening nature was deeply ingrained in the aces his attack with some general remarks on
Greek psyche; and those etymologies fre- the concept of naturalness, to the effect that
quently took the form of an attempt to show it is unclearly defined (143), and extremely
that names were, in some disguised manner, difficult to determine (144); but in any case,
definite descriptions. if such things were natural, then there should
In the Cratylus, Hermogenes holds that be general agreement as to genders, which
names are purely conventional; and in this he there is not (148 f). This rests on a general
follows Democritus (ca. 470—380 B. C.) principle (one put to work throughout Sex-
(Diels-Kranz 1951, 68 B 2 6); Socrates pro- tus’s scepticism, and which is indeed the cor-
ceeds to demonstrate, by means of some fairly nerstone of all Pyrrhonian anti-Dogmatic ar-
wild ›etymologies‹, that this is not unrestrict- gument) that if anything is F by nature, it is
edly the case. Hence he ›shows‹ that ὅ ἄν- F unrestrictedly, without exception, and in all
θρωπος [man] is derived from ὅ ἄναθρῶν circumstances (147). If language was natu-
ὄπωπεν [the one who looks up at what he rally significant, there would be no problems
sees] (Crat. 399 c); and he attempts to dem- with translation, and everyone would natu-
onstrate the fact that ‘heroism’ and ‘eroticism’ rally understand everyone else (145); and fur-
ultimately derive from the same root, and thermore, if gender were naturally built into
hence have a linked significance. language, then all things that were male
would have masculine names, and so on
3.2. The Epicureans and Stoics (150—153). Finally, Sextus argues that the
and the sceptical reaction doctrine of naturalism asserts that language
Whatever the oddnesses of the Cratylus ac- is natural either because uttered sounds are
count, Plato stops short of attributing natural natural, which has already been refuted (cf.
significance to all words in a language; plainly 145); or in virtue of the naturalness of some
such ›etymologies‹ as that of ὅ ἄνθρωπος rest non-evident theoretical entities, the existence
on the significance of further, more basic, of which cannot be established in non-ques-
signifiers: and it seems that they at least must tion-begging terms (155—158).
be conventional (otherwise infinite regress Sextus too, predictably, rejects etymology
threatens, as Sextus realised). The Epicureans as a criterion of correct Greek (Adv. M ath. I
made no such concessions. For them, lan- 2 41—2 47, Bury 1933, Sext. Emp. IV, 136—
guage was natural in a much stronger sense: 139) on the grounds that an infinite regress
human beings are caused by environmental is threatened if we attempt to explain each
circumstance to utter certain sounds (yelps of descriptive term on the basis of some further
pain, and the like); and these get solidified set of descriptive terms (2 42 f); and if we rely
on some conventional basis for the etymolog-
166 I. Raum-zeitliche Übersichten

ical structure, then we will have agreed that between sign and object. Ockham’s distinc-
the whole thing is, au fond, conventional — tions form part of his general philosophical
which is just what the Sceptics want to show account of language, an account of much
(2 44). Sextus’s targets are modest; they are intrinsic interest and power, in particular in
the pretensions of the professional grammar- its distinction between categorematic and syn-
ians to having constructed a science of lan- categorematic terms (broadly, between terms
guage capable of legislating canons of cor- that genuinely refer, and those which are of
rectness. By contrast, Sextus repeatedly urges logical force), and between terms of ›first and
that the only canon is ordinary usage, and second imposition‹, between signs that refer
any attempt to provide an alternative is either to items in the world, and those that refer to
circular, question-begging, infinitely regres- other signs, that are in other words metalin-
sive, or as a matter of fact relies ultimately guistic. While this is not of direct relevance
on ordinary usage. Such arguments are cen- to the sceptical tradition, some of these dis-
tral to the Pyrrhonian account of the proper tinctions will later be made, in a variety of
way to live: ordinary life, and ordinary cus- guises, to go to work in sceptical arguments.
tom are to be the guides, not vacuous and All these issues, in the medieval context at
ultimately foundationless theorising (cf. Hyp. least (s. art. 4), are related to theological
pyrrh. I, 2 3 f, Bury 1933—1949, Sext. Emp. I, questions; and in particular (for our purposes
16—17); and ordinary language is an intrinsic at any rate) to the dispute concerning the
part of this project. extent to which God and God’s attributes
could be known. This debate has its sceptical
3.3. The conventionalism of signs: ramifications: for effectively, if one adopts the
mediaeval and early modern debates via negativa of pseudo-Dionysius (= Diony-
sios Areopagita, treatises from the end of 5th
The idea that names are merely convention- century), and denies that we can ever under-
ally applied, contra the claims of the Epicu- stand or positively predicate properties of
reans and the Stoics, became a philosophical God (on the grounds that his attributes, being
commonplace in the early modern period; but infinite, are literally beyond human compre-
it had already been reemphasised by medieval hension), then one is committed to a sceptical
thinkers, such as William of Ockham (ca. reassessment of the nature and significance of
12 85—1347) (s. art. 2 1) Ockham held (Summa the language that one uses in speaking of the
Totius Logicae I 1: On Terms, Boehner 1990, divine in the first place. The acceptance of
47 ff, Hyman/Walsh 1983, 653 f) that “lan- the via negativa makes it the case that all that
guage is three-fold: written, spoken, and con- we can truly say about God is negative in
ceptual” (he fathered this view on Boethius, form; we can say what he is not, but we
ca. 480—52 4), and of this triad only the latter cannot say what he is. This conclusion was,
is naturally significant; “words”, Ockham for fairly obvious reasons, unsatisfactory to
writes, paraphrasing Aristotle, “are the signs many thinkers: Thomas Aquinas (12 2 5—
of impressions in the soul, and “a concept or 12 74) (Summa Theologiae, I, Qu. 13, Art. 2 ,
mental impression signifies naturally what- 5, Hyman/Walsh 1983, 52 7—531) resisted it
ever it signifies; a spoken or written term on by arguing that although such concepts as
the other hand does not signify anything ex- ‘wise’ and ‘good’ could not be understood as
cept by free convention”. Consequently “we holding of God in the same way as their
can change the designation of a spoken or analogues are predicated of ordinary individ-
written term as we wish, but the designation uals in the world, that did not render them
of a conceptual term is not to be changed at simply ambiguous; consequently it is not the
anyone’s will”. There is, on Ockham’s view, case that we cannot understand the one on
a sort of ›mentalese‹ common to everyone in the basis of the other. In order to develop this
which we frame our concepts. In order to solution to the sceptical difficulty, Aquinas
obviate confusions, Ockham distinguishes has to rely on a doctrine of analogous signif-
two ways in which a sign can be naturally icance. ‘Wise’ does not mean exactly the same
significant: it can have the tendency to make thing when applied to God as it does when
us ›know something actually which we al- predicated of a man; but their separate sig-
ready have the disposition to know‹ (ordinary nificances are intrinsically linked. In a similar
written and spoken words fall into this class); vein, John Duns Scotus (12 65—1308) argues
but this must not be confused with the in a strikingly sceptical fashion that if the via
broader notion of natural signification, in the negativa is all that is open to us as a means
sense of there being a direct link of fitness
10.  The sceptical tradition in the philosophy of language 167

of coming to understand God’s attributes, we “reasoning is nothing but reckoning”; infer-


would as a matter of fact fail to understand ence consisted in teasing out the syntactical
them completely: for “however far we go with entailments of the sentences involved. And as
negations, either God is no more understood such, language formed a closed system; there
than is nothing, or the series must come to a was no easy road from the syntactic structure
halt in a positive concept which is primary” of the language itself to a semantics that
(Ordinatio I, Dist. 3, Qu. 1; cf. Qu. 2 ; cf. Dist. would relate it to objects in the world. These
2 ; Qu. 2 , Hyman/Walsh 1983, 602 —614). The considerations formed the basis of his objec-
belief that words are signs with a merely con- tions to Descartes’ M editationes (Obj. III, 4;
ventional significance becomes one of the Descartes 1897—1910, Œuvres Complètes
commonplaces of the early modern period; VII, 178 [Descartes 1911, II, 65 f]):
and thus a sceptical position (in a very limited “ratiocinatio nihil aliud [est] quam copulatio et
sense) becomes part and parcel of the gener- concatenatio nominum sive appellationum, per ver-
ally accepted account of language. Thomas bum hoc ‘est’. Unde colligimus ratione nihil om-
Hobbes (1588—1679), in his robust and anti- nino de natura rerum, sed de harum appellationi-
scholastic account of meaning and truth bus, nimirum utrum copulemus rerum nomina se-
(Hobbes 1951, 100—110), agrees with Ock- cundum pacta (quae arbitrio nostro fecimus circa
ham: “the general use of speech is to transfer ipsarum significationes) vel non” [reasoning is
our mental discourse into verbal”; for John nothing but a combination and series of names
Locke (1632 —1704) (s. art. 2 2 ), all naming is joined by the word ‘is’. From this it would follow
conventional (Locke 1894 II, 87 f); and this that by reasoning we conclude nothing at all con-
is one of the things which Gottfried Wilhelm cerning the nature of things, but only concerning
Leibniz (1646—1716) (s. art. 2 3), in his Nou- their names. We simply see whether we join well or
veaux Essais (1704—1714), agrees with him ill the names of things according to the conventions
about: “Il ne s’agit point ici des noms, qui that we have arbitrarily made concerning the sig-
sont arbitraires en quelque façon, au lieu que nifications of those names].
les idées et les vérités sont naturelles” [names Descartes’ reply turns on the idea that, not-
are not in question here. They are in a way withstanding the fact that French and Ger-
arbitrary whereas ideas and truths are natu- man (say) are distinct languages, with distinct
ral] (Leibniz 192 3 ff, Sämtl. Schr. 6. R. VI, and arbitrary structures, none the less it is
85). Locke’s views are given their fullest ex- possible to determine when a Frenchman and
pression in Book III. Language is natural in a German are thinking or expressing the same
the sense that it is appropriate to the sort of proposition (cf. Ockham and ›mentalese‹);
social creature God designed us to be (Locke similarly Antoine Arnauld (1612 —1694) (Ar-
1894, II, 3); but the actual types of significant nauld 1964, 31—38) had taken issue with
sound occur accidentally and conventionally: Hobbes:
“thus we may conceive how words [...] came to be “finally, the word ‘arbitrary’ is misleading: that a
made us of by men as signs of their ideas; not by given idea be joined to one sound rather than
any natural connexion that there is between par- another is arbitrary; but the ideas themselves [...]
ticular articulate sounds, for then there would be are not arbitrary” / Enfin il y a une grande équi-
but one language amongst all men; but by a vol- voque dans ce mot d’arbitraire. Car il est vrai que
untary imposition, whereby such a word is made c’est une chose purement arbitraire, que de joindre
arbitrarily the mark of such an idea” (1894, II, 8; une telle idée à un tel son plutôt qu’à un autre:
cf. 1894, II, 18); mais les idées ne sont point des choses arbitraires”
but here too Leibniz does not attack the basic (1964, 35 / Arnauld 1965, 4).
general point (192 3 ff, Sämtl. Schr. 6. R. VI, This debate is located in a theological context
2 78). George Berkeley (1685—1753), in the — and the basic issue is, as it was with the
Third Dialogue Between Hylas and Philonous mediaevals, that of how we can come to form
agrees that ›names are of arbitrary imposi- an adequate concept of God. Descartes and
tion‹, and Hume equally holds this view — Arnauld detect a sceptical threat to the co-
but neither adds anything of importance to herence of religious language which they are
the general picture that has emerged. concerned to nullify.
Although he is quite clear that the signs Leibniz takes up the cudgels against scep-
themselves are arbitrary and conventional, ticism concerning this type of language in the
Leibniz is none the less concerned to counter Discours Préliminaire of his Essais de Théo-
possible sceptical developments of that thesis. dicée, although his immediate target is Pierre
Hobbes (1951, I 5) had famously held that Bayle (1647—1706), and the latter’s claim
that the truths of religion were beyond ra-
168 I. Raum-zeitliche Übersichten

tional appreciation, and hence must be ac- between signifiers and what they signify (sets
cepted on faith (a view with a long and varied of objects in the world); there is no intrinsic
philosophical and theological pedigree); Leib- property of all members of a particular set of
niz’ reply takes the form of distinguishing objects that makes them members of that set
between truths that are against reason and (this view has affinities with Wittgenstein’s
those that are merely above it, and of locating doctrine of family resemblance: see 4.2 . and
the religious mysteries in the latter class — art. 39). Secondly, there is an arbitrariness
we cannot comprehend them: but we can intrinsic to the functioning of signifieds, in-
come to see that they are necessary. The co- ternal mental concepts: for the taxonomic
herence of such a view rests, as Leibniz clearly structures they impose upon the world are
saw, on a theory of linguistic signification not determined by the actual structure of the
which allows our language to refer to things, world itself (in this sense, Saussure’s position
and not merely to be a closed syntactical is metaphysically anti-realist); taxonomies for
system — for in some way, even though we Saussure (as they were to an extent at least
cannot comprehend the full significance of even for Charles Darwin, 1809—1882 ) are
the terminology we use (because God’s atri- arbitrary, and hence the structure of signifieds
butes are beyond human comprehension), that constitutes the conceptual apparatus of
none the less our religious language can refer any language community is arbitrary too (the
to God (this recalls Aquinas’ doctrine of an- well-known difficulties of producing accurate
alogical significance, s. art. 85). Leibniz laid translations from one language to a remote
out his views on conventionalism and signif- one with a different implicit taxonomy are
icance most concisely in his Dialogus de con- relevant here, as they are to Quine: see 4.3.).
nexione inter res et verba (Leibniz 1875— Saussure uses these insights to draw the con-
1890, Philos. Schr. VII, 193 [Leibniz 1956, I, clusion that language is a sort of floating mass
283]): of inherently unstable and fluid structures.
“Vides utcunque arbitrio sumantur characteres, The constituent units of language, the pho-
modo tamen in eorum usu certus ordo et modus nemes and sememes, are to be defined purely
servetur, semper omnia consentire [...] veritates in terms of their relations with the rest of the
[consistunt] [...] non in eo quod in [characteribus] system; but the system itself is nothing more
est arbitrarium, sed in eo quod est perpetuum” [no than the sum-total of those inter-relations.
matter how arbitrarily we choose characters, the There is a kind of vertiginous anti-founda-
results always agree provided we follow a definite tionalism behind the whole structure here:
rule and order in using the characters [...] truth is ›language is a form, not a substance‹ is per-
not based on what is arbitrary in characters, but haps Saussure’s most famous and influential
what is permanent in them]. dictum.
It was upon this counter attack to a sceptical It is by way of this vertiginousness, and
threat in semantics that Leibniz was to erect the apparent decoupling of language from
his hopes for the discovery of the universal direct links with the world, that the sceptical
calculus of human reasoning, the character- elements in Saussurian linguistics were to
istica universalis. have their particular impact on structuralism
and post-structuralism, in particular on the
3.4. Saussure and Derrida work of Derrida. Derrida extends and elab-
orates upon the vertiginousness of the Saus-
The Swiss theoretical linguist Ferdinand de surian position. Derrida’s critique of estab-
Saussure (1857—1913) (s. art. 36), in his rev- lished views in metaphysics and semantics
olutionary development of structural linguis- begins with his attack on the centrality of the
tics at the beginning of this century, also ›metaphysics of presence‹ to the western tra-
insisted on the arbitrary nature of phonetic dition, a metaphysics which broadly speaking
and semantic units; but his conception of the affirms that only what is present (spatio-tem-
arbitrariness involved was of a deeper and porally) is real; for Derrida, to hold this belief
more radical kind, and turns on his funda- is already to have made a disastrous and
mental distinction between signifiers, uttered irretrievable mistake. Bound up with the met-
and written words and signs, and signifieds, aphysics of presence is the supremacy in the
or mental concepts (note that the relation at western tradition of the spoken over the writ-
issue here is not that between words and their ten word. Derrida traces the history of this
referents). Natural languages are arbitrary, from Plato’s Phaedrus onwards (cf. 1972 a);
according to Saussure, in two distinct ways. in contemporary discussion this primacy has
Firstly there is no natural, determinate link
10.  The sceptical tradition in the philosophy of language 169

once again been affirmed by Hans-Georg philosophers cannot even express their Pyr-
Gadamer, geb. (* 1900), what Derrida char- rhonism: for they would need a new language
acterises as ›phonocentricity‹ (which is a spe- to do it. Derrida, like other sceptics before
cies of the more general disease of logocen- him, cheerfully accepts the implications of his
tricity). The idea is that the spoken word has critique for his own texts; like the sceptical
attained this privileged position because it arguments of the Pyrrhonists which ›act as
alone is, in the appropriate sense, present; purges, expelling first dogmatism and then
everything else turns out to be in some way themselves‹, Derrida’s deconstruction decon-
or other illusory (cf. Hume’s account of the structs itself.
›fiction‹ of identity across time, and Alfred
Jules Ayer’s, 1910—1989, early views on the
past and the future in Ayer 1936); a product 4. Naming, ostension, and
of the phonocentric view of the world is the individuation
belief in the objectivity of the world as it is
characterised in speaking, and of a necessary 4.1. Aristotle and natural kinds
connection between signifier and signified.
Thus Derrida’s critique is situated firmly Aristotle had little time for sceptical argu-
in the tradition of semantic discussion which ments (although M et. IV 4—5 shows him to
we have been discussing: his views grow out be aware of them; and indeed his argument
of a consideration of Saussure’s; and he is for the absolute fundamental certainty of the
naturally radically opposed to any moves in Principle of Non-Contradiction in M et. IV 4
the direction of discerning a natural signifi- rests primarily on the claim that, if it were
cation for words, the view that objects some- false, language would be meaningless); but a
how wear their names on their sleeves, in the brief summary of his brief account of how we
way in which Gadamer (1960, Pt. 3) appar- come to be able to apply natural kind terms
ently does. This conventional view is, Derrida will be of relevance to what follows. At the
holds, mistaken, and necessarily productive beginning of the Physica (I 1), Aristotle re-
of irreducible paradox; for then language marks that very small children refer to all
must in some way at all times involve elements men as ‘father’ and all women as ‘mother’
of both the past and the future in ways in before they learn to distinguish general terms
which, at least on the surface (if Derrida’s from names (cf. Locke 1894, II, 17 f; cf. Leib-
account is the right one), it ostensibly es- niz 192 3 ff, Sämtl. Schr. 6. R. VI, 2 90). This
chews. Just as, for Saussure, the sign only has prompts the question: ‘how are they able to
meaning in the context of the system in which do this?’ It looks as though ostension alone
it is embedded, so for Derrida it must be the will be inadequate, if we are to be hard-line
case that the present phoneme (or grapheme) empiricists about the issue; for in order to
owes its very existence and its significance to know what the name is supposed to apply to,
non-present surrounding structures: nothing, we need to know antecedently what is being
either in the elements or the system, is either ostended (this is a point of fundamental im-
›simply present‹ or ›simply absent‹. The up- portance for the Quinian account of indeter-
shot of this (crudely put) is, among other minacy of translation: see 4.3. and art. 73).
things, that every act of speaking and writing Aristotle’s own answer to the question is
that depends in whatever way upon the met- to be found in the final chapter of Analytica
aphysics of presence contains within itself the Posteriora. We come to form general concepts
seeds of its own incoherence; in Derrida’s as a result of repeated experiential exposure
terms, it deconstructs itself. The role of the to instantiations of those concepts (we learn
Derridean semantic investigator is to show up the concept ‘white’ by observing very many
the ways in which texts (principally written white things). But this raises again the ques-
texts) actually do this. Argument is reduced tion of how we can ever form a picture of the
to rhetoric; and indeed it seems as if the structure of the world and the categories it
structure of meaning itself must break down. breaks down into in default of some antece-
Derrida’s position is, self-consciously, a par- dent knowledge of the categories themselves.
adoxical one: he attempts to describe in writ- How can I form empirical generalisations in
ing the incoherence of all (conventional) writ- the Lockean manner (Locke 1894, I, 64—91;
ing; one might imagine that such a project cf. Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schr. 6. R. VI, 69 ff)
was at best self-defeating, at worst simply if I do not antecedently know what to gener-
incoherent. As Montaigne put it, Pyrrhonian alise over? That problem is just as telling in
the matter of language; and Aristotle’s solu-
170 I. Raum-zeitliche Übersichten

tion is, in effect, to say that in a sense we do and walk; might I not think that you mean
have that antecedent knowledge (in this he is by ‘walk’ what you in fact mean by ‘hurry’
a precursor of Leibniz, and more remotely of (De M agistro iii 6; x 2 9)? Augustine’s solution
Noam Chomsky, * 192 8); it is a part of the is that, while some words are explicated in
necessary conceptual equipment for animal terms of other words and further signs, what
survival. Consequently, induction does not is ultimately required on the part of the
feature in language-learning, at least at its learner is something like an innate intelligent
most basic level. We do not infer that all ability to pick up on precisely what it is which
animals of that sort form a particular species is being ostended (in however complex a fash-
which we call ‘dogs’: we just see that they ion, cf. De M agistro 32 ); indeed “if I am given
form such a species. In this Aristotle is fol- a sign and I do not know of what it is the
lowed by Galen (Kühn 182 1—1833, X, 12 8— sign, it can teach me nothing” (De M agistro
135). Language, then, follows the natural de- x 33). But no explanation (apart from the
velopment of innate conceptual structures; invocation of divine illumination) can be
and there is no sceptical problem about how given for that ability.
the concepts can have been individuated prior It will be seen that Wittgenstein’s report
to their receiving names. traduces the complexity of Augustine’s ac-
count; but for all that, there is a naïve model
4.2. Augustine, Wittgenstein, of language which is the target both for Witt-
and language acquistion genstein and (properly understood) for Au-
gustine. And the inadequacies of that model
At the beginning of his Philosophische Unter- which was perhaps adopted by Locke (1894,
suchungen Wittgenstein quotes from Augus- II, 10) indicate the shortcomings of a purely
tine’s Confessiones (I 8) a passage designed to empiricist account of language-acquistion,
exemplify a naïve ostension theory of naming shortcomings which must be overcome if the
and language-acquisition. On this model, chil- philosophical account of language-learning
dren learn the names of things as a result of and comprehension is to be rendered immune
having them pointed out to them, along with to sceptical objections. A consideration of
the names, by their parents: “their intention Wittgenstein’s answer to the problem will lead
was shown by their bodily movements, which us directly to Quine, Donald Davidson
are as it were the natural language of all (* 1930), and radical translation, and to the
peoples” (PU § 1). As a matter of fact, Witt- ›sceptical paradox‹ discerned by Kripke at the
genstein seriously misrepresents Augustine’s very heart of Wittgenstein’s late philosophy
actual position in order to create a target for (s. art. 39). Wittgenstein’s solution is, essen-
his own sceptical arguments — Augustine tially, that to grasp a language is to under-
himself does not subscribe to such a simple stand a system of rules for the manipulation
view of language, nor is it the case (as Witt- of words; language-use is a type of rule-fol-
genstein charges) that he “does not speak of lowing; and the understanding of a language
there being any difference between kinds of consists in understandig the rules that govern
word” (PU § 1). the moves that are allowable with the partic-
In an early dialogue, the De M agistro (Hy- ular counters (in this case words) in the lan-
man/Walsh 1983, 2 0—33), Augustine dis- guage-game. The different legitimate uses for
cusses the shortcomings of simple ostension: the words may be linked by no more than
the problem is that of explaining the meanings ›family resemblance‹, there may be no non-
of words. Some words can be explained in trivial property or disjunction of properties
terms of others; but some appear to resist common to all successful applications of a
such explanation (De M agistro ii 3), and in word. Crucial to the whole enterprise is the
any case, such a process of explanation must rejection of the atomistic account of language
come to an end somewhere; the obvious step, which Wittgenstein had himself embraced in
at least in the case of names, is to think that his Tractatus (and which he attributes directly
the process ends with an act of ostension, or to Bertrand Russell 1872 —1970); words now
baptism (De M agistro iii 5: something like only have meanings in the context of the
this is, in a very much more sophisticated sentences in which they find themselves (this
form, the basis of the referential accounts of insight is attributed to Frege, but it has ob-
Keith Donnellan, Saul Kripke, and Hilary vious Saussurian overtones; see 3.4.; as for
Putnam). But there are immediate difficulties Davidson, cf. 4.3.). The vital insight for Witt-
with this. Supposing I want to know the genstein is that language is something which
meaning of the word ‘walk’, and you get up
10.  The sceptical tradition in the philosophy of language 171

is used (he frequently invokes metaphors of ample is that of the word ‘gavagai’ uttered
tool-using); and that use consists in the rule- by a native in the presence of a rabbit; the
governed operation of words as part of com- visiting anthropologist might be tempted by
plete sentences. Thus Wittgenstein rejects the this occurrence to frame the hypothesis that
view of the Theaetetus which has it that there ‘gavagai’ meant ‘rabbit’, or possibly ‘Look: a
are primary, indefinable elements the refer- rabbit’; and he could proceed to test this
ence to which is fixed by ostension, basic hypothesis by constructing a variety of ex-
simples out of which the complex totalities perimental situations and assessing the na-
are built (PU § 2 1), on the grounds that the tive-speaker’s response to them. However,
notions of simplicity and complexity are not this procedure will work if it works at all only
pellucid and context independent: what for a certain class of sentences, which Quine
counts as simple in any instance will depend calls ‘occasion sentences’: sentences for which
upon the interests of the speaker, and conse- assent and dissent is appropriate only in the
quently cannot be used as an independent presence of certain stimuli. Yet even at this
given from which to construct an account of level it is sometimes difficult or impossible to
meaning in language (PU § 21 f). discern simply from apparent similarities of
In his discussion of the primitive language perceptual phenomena what as a matter of
game described for the purposes of showing fact constitutes the appropriate stimulus for
up the drawbacks of the naïve ›Augustinian‹ an occasion sentence: ‘that man is a bachelor’
account of language, Wittgenstein writes: would be an example, as there is no set of
“how we group words into kinds will depend observable characteristics common to all
on the aim of the classification, and on our bachelors; in Quine’s terms, some sentences
own inclination” (PU § 8; cf. the common will be more ›observational‹ than others: “we
anthropological claims of the culture-relativ- have defined observationality for occasion
ity of taxonomic procedures). The notion, sentences [...] as degree of constancy of stim-
common to the tradition of the Stoics and ulus meaning from speaker to speaker” (1960,
William of Ockham, that there can be any- 43).
thing like a science of grammar independent Given all of this, we can define ‘stimulus
of linguistic interests and objectives is itself synonymy’ as a relation holding between two
under attack. The scope and intensity of the separate terms just in case they share identical
Wittgensteinian scepticism about language, stimulus-meanings (Quine 1960, 46—51).
and the profundity of its assaults on ordinary, However, it is not the case that stimulus syn-
deeply-entrenched ideas of the signification onymy guarantees sameness of reference:
of words in a language, should by now be “for consider ‘gavagai’. Who knows but what the
clear; I shall return finally to in 4.4. objects to which this term applies are not rabbits
after all, but mere stages, or brief temporal seg-
4.3. Quine, Davidson, ments, of rabbits? In either event the stimulus sit-
and radical interpretation uations that prompt assent to ‘Gavagai’ would be
the same as for ‘Rabbit’. Or perhaps the objects to
In his Word and Object, Quine treats of what which ‘gavagai’ applies are all and sundry unde-
he calls ‘radical translation’: radical transla- tached parts of rabbits; again the stimulus meaning
tion is the type of translation undertaken by would register no difference. When from the same-
an anthropologist from a foreign language ness of stimuli the linguist leaps to the conclusion
into his own when he has no independent that a gavagai is a whole enduring rabbit, he is just
means, either through chains of interpreta- taking for granted that the native is enough like us
tion, or in the form of a lexicon, for deter- to have a brief general term for rabbits and no
mining what correspondences might hold be- brief general term for rabbit-stages or parts” (52 f).
tween the two languages. Quine describes And there are further options. Crucially, our
(1960, 2 6 f) how such an anthropologist might ability even to begin to build up the transla-
go about constructing a ›translation manual‹ tion manual of occasion sentences depends
for such a language. Quine’s picture relies upon an assumption of the relative concur-
upon his notion of ›stimulus meaning‹: the rence of our taxonomic interests and those of
stimulus meaning for any sentence is just that the tribe whose language we are interpreting;
set of external circumstances which will and perhaps upon the stability of our intui-
prompt a speaker to utter (truly, non-ironi- tions concerning natural kinds (there are ob-
cally, and so on: these caveats point to the vious connections here with Putnam’s work
intrinsic difficulties of the task) some token on meaning, reference, and natural-kind
sentence of the language. Quine’s own ex- terms).
172 I. Raum-zeitliche Übersichten

The difficulties become even more acute stages of the same animal as’, then ‘gavagai’,
when we consider the procedures necessary under precisely the same circumstances of
for dealing with logical connectives. For while questioning, will seem to mean ‘rabbit-stage’
it may seem relatively straightforward to dis- (Quine 1960, 72 ). The upshot is that radical
cern truth-conditionally the native equiva- translation is indeterminate: we cannot settle
lents for the logical connectives in terms of the interpretation of the occasion sentences
their effects on complexes of stimulus mean- independently of the adoption of the analytic
ing, how can we be sure that the native lan- hypotheses; or as Davidson put it (1973, 12 7):
guage operates according to the same, or even “interpreting an agent’s intentions, his beliefs
roughly similar, logical constraints? and his words are part of a single project, no
“Consider the familiar remark that even the most part of which can be assumed to be complete
audacious system-builder is bound by the law of before the rest is”; and this leads to a certain
contradiction. How is he really bound? If he were type of holism: “there is no chance of giving
to accept contradiction, he would so readjust his a foundational account of words before giv-
logical laws as to insure distinctions of some sort; ing one of sentences” (cf. the views of Saus-
for the classical laws yield all sentences as conse- sure, 3.4.). The old decompositional semantic
quences of any contradiction. But then we would picture, of giving an account of sentence-
proceed to reconstrue his heroically novel logic as meanings in terms of their basic semantically
a non-contradictory logic, perhaps even familiar and epistemologically privileged atomic con-
logic, in perverse notation” (Quine 1960, 59). stituents, which is as old as Aristotle, but
This is presented as a basic interpretative tool: which was alive as late as the Viennese posi-
indeed, it is a version of the principle of tivists and the Wittgenstein of the Tractatus,
charity (on the principle, see Davidson 1979 a, has yielded to a sceptical argument in the
2 2 8). We will make what adjustments we need philosophy of language.
in our theory to ensure that the language we The thesis of the indeterminacy of radical
are interpreting makes sense to us. Davidson translation is closely linked to that of the
(1973, 136) goes even futher: inscrutability of reference (see Quine 1969 a,
“we look for the best way to fit our logic, to the and Davidson 1979 a; indeed, Quine later held
extent required to get a theory satisfying conven- that the ‘gavagai’ example was intended to
tion T [the convention that says a theory of truth illustrate the latter); but I will not deal with
is satisfactory if it generates a T-sentence for each that directly here (for a further example of
sentence of the object-language] on to the new how different candidates for translations of
language”. occasion-sentences may each perfectly satisfy
But matters do not stop there; for the creation different analytical hypotheses, see Davidson
of a translation manual involves the use of 1979 a, 2 30). Neither Quine nor Davidson
what Quine calls ‘analytic hypotheses’, work- draw explicitly sceptical conclusions from the
ing models which enable the translator ten- sceptical arguments about translation and ref-
tatively to assign English ›equivalents‹ to na- erence: although their solutions (Quine’s in
tive words and phrases, in accordance with particular) are, in Kripke’s sense, sceptical
what has been discovered about the translat- solutions (see Kripke 1982 , 66). Kripke ac-
ability of the various types of sentence and knowledges the connections between Quine’s
connective. But these hypotheses must reflect concerns and those which motivate Wittgen-
the translator’s own linguistic expectations; it stein but feels that Quine (1969 a, 31) misses
is “a method of catapulting oneself into the the point when he thinks that Wittgenstein’s
jungle language by the momentum of the difficulty concerning the ostensive definition
home language” (Quine 1960, 70). of ‘sepia’ (PU § 14 f) is an unreal one.
And here is the pay-off: different hypoth- In the final analysis, Quine does not think
eses will yield different equivalent versions for that we are as a matter of fact in doubt about
the same locutions; and yet there may be no how to proceed in radical translation (at least
internal method of testing the hypotheses one in general); but that every procedure is as he
against the other; there may be any number characterizes it an inductive one, prone to the
of such hypotheses, all of which are empiri- frailties of induction in general; and, more
cally adequate. Suppose we hypothesize that radically, that very fact may itself mean that,
some native locution L means ‘are the same’; in the case of determining meanings, there is
then in response to a question concerning no room for ontological realism: “the point
‘gavagai’, we may conclude that ‘gavagai’ is not that we cannot be sure whether the
means ‘rabbit’; but if we take L to mean ‘are analytical hypothesis is right, but there is not
10.  The sceptical tradition in the philosophy of language 173

even [...] an objective matter to be right or rule can uniquely determine the rule; any ar-
wrong about” (1960, 73). Methodological ithmetic series, of no matter what length, can
scepticism proceeds in the philosophy of lan- be continued in indefinitely many ways. Thus
guage, as it does so frequently, by undermin- there seems to be no internal canon, to be
ing the robust realism of the ordinary man determined simply from an examination of
concerning matters of fact; in the case of previous moves in the sequence, to determine
reference, what there is for Quine is what our how the sequence ought to be continued.
best theories tell us that there is; as Davidson Kripke considers the arithmetic function of
(1979 a, 2 32 ) puts it, “the fixing of reference addition; supposing someone, having added
and ontology for the object language has been in a perfectly ordinary and familiar way pairs
done on the basis of an arbitrary choice”; and of numbers up to 57, suddenly produces 5 as
there is no theory-independent means of jus- a ›sum‹ for 57 and 68; have they gone wrong?
tifying that choice: “[for Quine] reference and How can they tell? And suppose they define
ontology are doubly relative, once to a choice a rule that yields this result (Kripke calls it
of manual of translation and once to some ‘quaddition’), and claim to have been follow-
background theory or language”. ing it all along; how can we tell whether we
as a matter of fact have been applying the
4.4. Kripke, Wittgenstein, rule of addition ourselves rather than some
and private languages exotic variant such as quaddition? The whole
point of rules of this sort is that they are
It is time to turn finally to Kripke’s interpre- indefinitely applicable; and for this reason no-
tation of Wittgenstein’s Private Language Ar- one can survey the whole range of applica-
gument, and his belief that “Wittgenstein has tions to see which rule they are actually fol-
invented a new form of scepticism ... the most lowing. It is this that Kripke fastens on in his
radical and original scepticism that philoso- account of Wittgenstein’s radical scepticism;
phy has seen” (Kripke 1982 , 60), although it what differentiates Wittgenstein from Quine
is at least arguable that both the problem and on this view is Quine’s reliance on external
the solution are to be found in Nelson Good- behavioural criteria, while Wittgenstein con-
man’s (*1906) early work on projectibility centrates on a process of introspection
and entrenchment (see Goodman 1973, 59 ff; (Kripke 1982 , 14 f); it is this which generates
99 ff). The scepticism derives directly from the radical doubt as to which rule we our-
something which we have already considered, selves have been following, a doubt which (on
namely Wittgenstein’s notion of rule follow- Kripke’s reading) no amount of introspection
ing. (and no amount of searching for meta-rules
If learning a language is a matter of inter- for the application of rules) could of itself
nalising rules and systematically applying settle.
them, how can we know whether we have Whether or not Kripke’s is the correct in-
grasped the right rule? Indeed, what can be terpretation of Wittgenstein’s meaning need
said to constitute, in any genuine sense, the not trouble us (although I personally doubt
›right‹ rule in the first place? In any case, “the that it is); for Kripke’s Wittgenstein, whatever
use of a word [...] is not everywhere circum- his intellectual ancestry, is an independently
scribed by rules” (PU § 33); and yet “what interesting figure. And Kripke’s version has
does a game look like that is everywhere the advantage of showing the argument
bounded by rules? [...] Can’t we imagine a against the possibility of a private language
rule determining an application of a rule and in a revealing light. Broadly, the argument is
a doubt it removes, and so on?” (PU § 39). that there can be no entirely private language
The answer to that question is, ultimately, no, simply because we need some external, public
or only on pain of infinite regress. Wittgen- criterion of the correctness of application of
stein indeed thinks that rules simply are things a name which, ex hypothesi, no private can-
we apply in appropriate ways; we just know didate for a language could satisfy. Kripke
how to use words, and use them correctly holds that some of the undoubted strangeness
(›blindly‹, as he puts it), without being thereby of this view is dissipated if we see Wittgenstein
able to spell out their enormously complex not as trying bizarrely to show that something
truth-conditions — even supposing such a which we can all uncontroversially manage is
thing were in principle possible (PU § 53 f). itself suspect, but rather as desperately search-
This leads Wittgenstein, on Kripke’s account ing for some guarantee that will under-write
at least, into his ›sceptical paradox‹: for no any linguistic practice, all of which has been
finite number of applications of a putative
174 I. Raum-zeitliche Übersichten

called into question by the sceptical paradox, and pre-theoretical tight bonding with the
and finding it only in the possibility of exter- world; sceptical methodology shows why it
nal checking against canons to be found in does not need to hold that privileged and
the public criteria. The crucial point is made untenable place in order to be the effective
at § 81 of Philosophische Untersuchungen: “it medium it is.
is not possible to obey a rule ›privately‹: oth-
erwise thinking one was obeying a rule would
be the same as obeying it”. If one’s practice 6. Selected references
cannot in principle be corrected, then one is Arrighetti 1973 (ed.), Epicuro: Opere.
not in any genuine sense following a practice
at all. Barnes 1984, The Complete Works of Aristotle: The
The ›solution‹ to the problem, if it really is Revised Oxford Translation.
one, is certainly sceptical; it consists in em- The best available English translation of Aristotle.
bracing the conclusion that there can be no Bury 1933—1949, The Works of Sextus Empiricus.
genuine facts about an individual, disposi- Greek text with facing English translation.
tional or otherwise that determine whether or Davidson 1973, Radical interpretation. In: David-
not they are acting in accordance with a par- son 1984 a.
ticular rule, for the application of language, Davidson 1979, The inscrutability of reference. In:
or for the construction of arithmetical pro- Davidson 1984 a.
cedures, or whatever. But, Kripke’s Wittgen- Derrida 1967 a, L’écriture et la différence.
stein thinks (Kripke 1982 , 83), understanding Derrida 1972 b, Positions.
and applying a rule is simply a matter of going These texts outline and exhibit the major preoc-
on in the right way. Correctness of language- cupations Derrida’s earlier work on language.
use is not a matter of sentences correctly
Diels/Kranz 1951 (eds.), Die Fragmente der Vor-
picking out facts, of words hooking up to
sokratiker.
objects in the atomistic vein of the Tractatus
(Kripke 1982 , 78; 84 f) at all; it is simply a Hintikka/Hintikka 1986, Investigating Wittgen-
matter of behaving in a certain sort of way: stein.
not arbitrarily, but correctly (and corrigibly) Hobbes 1951, Leviathan (ed. C. B. Macpherson)
within a practice (Kripke 1982 , 86—88). [1651].
There is, in most cases, no room for doubt Hyman/Walsh 1983 (eds.), Philosophy in the M iddle
about the correctness of the procedure simply Ages.
because there is no doubt about it; doubt is, An excellent selection, covering more than a thou-
in these instances, simply misplaced; and a sand years of philosophy.
radical scepticism about foundationalism in Jowett 189
2 , The Dialogues of Plato.
meaning has shown, simply, that meaning and Still the most accessible and readable Plato.
language use cannot be a matter of determin- Kripke 1982 , Wittgenstein on Rules and Private
ing linguistic and semantic foundations. Language.
Locke 1894, Essay Concerning Human Understand-
ing (ed. A. C. Fraser, 1960).
5. Conclusion Quine 1960, Word and Object.
I hope to have shown, albeit in a crabbed and Quine 1969 a, Ontological Relativity and Other Es-
compressed manner, the multiplicity, diver- says.
gence, and fecundity of what one might call These two texts of Quine contain the exposition of
the sceptical tradition in the philosophy of his views on radical translation and inscrutability
language. Our investigations have taken us of reference.
through a wide variety of quite distinct and de Saussure 1916; Cours de Linguistique Générale.
indeed not obviously related types of concern. The posthumously published summa of Saussure’s
And yet I hope to have shown how the dif- views.
fering threads of sceptical inquiry intertwine Wittgenstein 1953, Philosophische Untersuchun-
to weave a coherent philosophical fabric in gen/Philosophical Investigations [= PU].
the supremely important field of the interpre- The great work of Wittgenstein’s later period.
tation of human language. Sceptical argu-
ment uncouples language from its primitive Jim Hankinson, Austin, Texas (USA)
11.  The empiricist tradition in the philosophy of language 175

11. The empiricist tradition in the philosophy of language

1. The historiographic category ‘empiricism’ the closer one looks at history. Luigi Rosiello
2. Empiricism in semantic theory (1967, 132 ff) already stressed the inductivism
3. The development of classical empiricism of general grammar as practiced by César
4. Conclusions and prospects Chesneau du Marsais (1676—1756) and the
5. Selected references Encyclopedists. Sylvain Auroux (1984 a) ar-
gues that there is a substantial continuity in
method between the philosophical grammars
1. The historiographic category of the 17th century (s. art. 44) and the gram-
‘empiricism’ matical investigations of the first decades of
the 19th century. Auroux himself has re-
1.1.  It is a necessary precaution, before de- minded us of the declared empiricism of some
veloping our topic, to point out that the his- followers of Port Royal, and has observed,
toriographic category ‘empiricism’ cannot be with special reference to Nicolas Beauzée
employed as a principle of discrimination of (1717—1789), that even classical general
authors or schools which correlates mechan- grammar is not necessarily an a priori disci-
ically epistemological empiricism with lin- pline. Aarsleff (1982 a, 113; 169) points out
guistic empiricism. In fact, it would be hardly how du Marsais, the main representative of
possible today to subscribe to the rigid di- philosophical grammar in French Enlighten-
chotomy, consecrated by generations of his- ment, declared himself to be a Lockean. Dan-
torians of philosophy, between empiricism iel Droixhe (1978, 14—2 0) talks about a ›ge-
and rationalism. Thus, Anthony Kenny netic‹ perspective — and therefore of an ex-
(1986, 3), in his introduction to a volume perimental, empirical methodology — intro-
whose title evokes such a dichotomy, contests duced by sensationalism in the tradition of
its validity, and reduces it rather to a distinc- general grammar. Marc Dominicy (1984) has
tion (which can also be accepted as a guiding shown how certain theoretical devices devel-
criterion concerning theories of language) oped by Port Royal continued to function
“between thinkers who regard it as essential to satisfactorily well beyond the framework of
place scientific regularities within a general picture their original ›rationalism‹. The intricacy of
of the structure of the universe, and those who the inter-relations between these historio-
collect regularities without linking what is observed graphic categories in the French tradition is
to any general concept of reality”. documented in Ulrich Ricken’s studies (see
Hans Aarsleff (1982 a, 108), when discuss- especially 1984). Other investigations by Au-
ing Noam Chomsky (*192 8), highlighted a roux (1974 a; 1985 a) reveal further theoretical
›rationalistic‹ core even in the philosophies of intersections.
John Locke (1632 —1704) (s. art. 2 2 ) and A single example — Condillac’s description
Etienne Bonnot de Condillac (1714—1780), of the birth of the parts of speech in the
by pointing out that in fact none of these second book of his Essai sur l’origine des
philosophers had ever denied that reason and connoissances humaines — clearly shows how
its manifestations in reflection are innate to semantic arbitrarism does not in fact jeopard-
man. In fact, neither Locke nor any other ize the idea that grammatical structures are
author takes the ›tabula rasa‹ metaphor to innate to human mind (so much so that it is
imply the inexistence of the ›table‹ itself; or, possible to demonstrate the psychological-ge-
to use Leibniz’s phrase, of the ›intellectus netic ›necessity‹ of their formation). And I
ipse‹. In short, epistemological empiricism think one would in vain look for a refutation
does not exclude, neither in principle nor in of the natural character, i. e. ultimately of the
fact, a naturalistic foundation of cognitive universality, of the grammatical categories or
activity. Locke still calls such a foundation ›parts of speech‹ in classical empiricism. On
by its rationalistic name ‘lumen naturae’, and the other hand, Auroux (1981, iv-vii) has cor-
Condillac, David Hume (1711—1776), and rectly stressed the psychologism of the con-
the Idéologues view it as the simple regularity ception of logic in the Langue des calculs, i. e.
of the working mechanisms of the mind. precisely in that work by Condillac in which
Aarsleff’s considerations are an invitation tradition has seen the birth of a logicist pro-
to caution in using sharp historiographic di- gramme. He has also shown (Auroux 1982 )
chotomies, which become the less defensible the coherence between Condillac’s epistemo-
logical empiricism and his grammatical the-
176 I. Raum-zeitliche Übersichten

ories. To consider the undeniable coexistence called semantic empiricism. To render the
of semantic empiricism (to be soon defined) sense of this concept more precise means, I
with syntactic rationalism (the attribution of think, to establish a crucial reference point
universal validity to grammatical categories) regarding the relationship between episte-
as an indigestible residue in the philosophy mology and linguistics as conceived by clas-
of the Enlightenment would be anachronistic. sical empiricism, and this enables us to see its
The idea of the contingency of grammatical decisive contribution to a redefinition of the
categories could not be born otherwise than theory of meaning.
through a confrontation between heteroge- The term ‘phenomenalism’ sums up the
neous linguistic families; and even in the hey- theory of knowledge arising with Locke’s crit-
day of comparative linguistics, the hypostasis icism of the notion of substance. To say, with
of the grammatical categories of indo-euro- Locke, that only nominal essences, i. e. those
pean languages as universal forms of thought aspects of the thing that are represented and
is maintained for a long time. Besides, to collected in its name, are cognizable means,
defend the ›rationalistic‹ thesis of a ›natural‹ from an epistemological point of view, to
foundation of grammatical behavior does not claim that no representation exhausts the rep-
contradict in any way the ›empiricist‹ axiom resented being, and from a linguistic point of
of abstracting from particulars as the only view, that no discursive act exhausts its ref-
legitimate procedure for getting to know the erent. Such a claim means, therefore, that
universal laws of thought and language. Nor there is no other referent than that which is
is it opposed to the method — equally ›em- constructed by the speaker who organizes lin-
piricist‹ — of historical-genetic reconstruc- guistically the representations themselves.
tion, i. e. to the idea that the essence of cog- This is far from the position that might be
nizing processes manifests itself in their his- called ‘rationalistic’ (still held by Thomas
tory, in their forms of emergence: and this is Hobbes, 1588—1679, Gottfried Wilhelm
true also for grammatical categories, whose Leibniz, 1646—1716, s. art. 2 3, and the the-
gradual genesis through stages indicating an oreticians of universal languages), for which
ever growing linguistic control over reality, is the semantic act of referring is not the con-
described in 17th and 18th century philoso- struction of genera, but rather the acknow-
phy. These descriptions are ›empirical‹ in so ledgment of already formed general: an ack-
far as they purport to show the psychological nowledgment which can be hindered but not
development of universal features of human made impossible by the ambiguity and un-
behavior. certainty of the historical-natural languages.
This genetic-descriptive technique, of The doctrine I have called ‘semantic em-
which there are many other examples, is a piricism’, whose meaning will be clarified by
characteristic feature of empiricist method- reference to Locke’s texts, can be adopted not
ology. It certainly includes an anthropological only as a lead to historiographic reconstruc-
approach aiming at a historical — even tion, but also as a theoretical suggestion still
though hypothetical — reconstruction of the to be developed in a ›neo-empiricist‹ perspec-
birth of language (s. art. 65) and its forms in tive. That is to say, a perspective which pur-
the course of the process of humanization of ports to explain the creative potentiality of
the species, as opposed to theories that simply language without appealing to transcendental
identify the soul with language ability. In this arguments functioning as a device to ensure
sense, all of 17th century’s anthropological both the objectivity of experience and the
linguistics can be labelled ‘empiricist’. The intersubjectivity of meanings.
hypothetical character of many genetic recon- Such a reading and use of Locke’s theory
structions (e. g. Jean-Jacques Rousseau’s is incompatible with those interpretations of
(1712 —1778) Essai sur l’origine des langues) Locke’s semiotics which consider it to be an
contradicts only apparently the empiricist ap- eminent example of the ›representational fal-
proach: the philosophical fiction, in anthro- lacy‹, i. e. of the conception of language as
pology, becomes a sort of mental experiment; being primarily an aggregate of words whose
history — even the hypothetical story of the function (illustrated mainly by names) is to
origins — is the laboratory of human sciences designate mental images and, through them,
conceived as observational sciences. objects. This is for instance Roy Harris’
(1980, 63 ff) interpretation of Locke’s seman-
1.2.  But I wish to turn now to a specification tics. Before him, Ian Hacking (1975 a) had
of this category, restricting it to what I have described the linguistic theories of the 17th
11.  The empiricist tradition in the philosophy of language 177

century as belonging to the ›heyday of ideas‹. cism which might be called ‘intuitive materi-
According to him these theories were equally alism’, or ‘sense data mythology’, in Auroux’s
characterized by assuming ideas to be “the (1985 b, 42 5) phrase, this view corresponds to
interface between the knowing subject and a ›strong‹ sense of representative theory: dis-
what is known” (Hacking 1975 a, 187) or as course doesn’t have the active possibility of
“the link between the Cartesian ego and the articulating or moulding the cognitive behav-
world external to it” (Hacking 1975 a, 159). ior or the mental reality of the speaker. The
Of course, the sharing of the ›way of ideas‹ latter remains an ideal speaker because he is
and of the function of semiotic mediation of subtracted from every empirical determina-
ideas is beyond dispute, in so far as the lin- tion, from every interactive context, and from
guistic theories of classical empiricism are all conditioning factors inherent to a histori-
concerned. But the modes of such a mediation cal-natural language. Language, accordingly,
are to be carefully considered, since they are does not act in any form on mental life: it
certainly not the same in all the authors Hack- can at most express it outwards, represent it.
ing puts together. In particular, the preemi- Contrarywise, in the case of a ›Lockean‹
nence and autonomy of ›mental discourse‹, speaker, the empirical context, where an im-
which both Harris and Hacking see as a dom- portant role is assigned also to norms of usage
inant characteristic in empiricist philosophy and semantic configurations of the historical-
of language, is far from established for Locke. natural language he uses, is taken into ac-
For him, ›public discourse‹ — the one which count. The thesis of the conditioning char-
makes use of historical-natural languages — acter of language vis-a-vis reflection, devel-
determines to a large extent mental discourse. oped by 18th century philosophy on the basis
And this fact certainly modifies not only the of empiricist premises, is one of the logical
conception of the relations between the sub- and historical ancestors of the contemporary
ject and the world, but also the very concep- concept of articulation. Here too, to be sure,
tion of the subject, which distances itself from representation is at stake; but it is a represen-
the simplicity of the Cartesian thinking sub- tation articulated through an arbitrary syn-
stance, loading itself with those historical- tagmatic activity, and hence somehow ›con-
empirical dimensions of which — as the En- structed‹ by language.
lightenment philosophers will clearly state — Among the investigations on 17th century
language is at the same time the support, the theory of knowledge, John William Yolton
testimony, and the archive. (1975), who examines Locke’s theory of ideas
The criterion for assessing the novelty in- against the background of the Arnauld-Male-
troduced by Locke’s philosophy in semantic branche polemics, points out (without devel-
theory is not the option pro or con the rep- oping it further) the connexion between the
resentative power of language, as suggested ›deontologization‹ of the ideas and the theory
by the critics of representationalism. It is in- of language. To deontologize the ideas means
deed debatable whether there is at all a theory precisely to use them “as a way of talking
of language that denies its having any repre- about thinking and perceiving” (Yolton 1975,
sentative function (cf. Parret 1978, 74 f). But 161).
within a representative theory of linguistic
signs, the question is — as just said — to
examine the modes of such representation, i. e. 2. Empiricism in semantic theory
to examine whether the theory assigns to lan-
guage a simple reproductive power or else a 2.1.  It is perhaps worthwhile to take a closer
power of articulation vis-a-vis reality. In the look at the relationship between epistemolog-
former case, language is a universal system ical empiricism and theories of language, by
of representation where the only relevant re- means of Locke’s text. I have shown else-
lation is the one obtaining between linguistic where (Formigari 1988, 99—131) how the two
entities and pre-constituted mental entities, spheres intersect in the refutation of substan-
either because a one-to-one correspondence tial forms, achieved by the new metaphysics
between the ontological and linguistic levels within the framework of its critique of scho-
is presupposed, or because empirical linguistic lasticism. Such a refutation leads to empha-
acts express immediately the mental reality of sizing the power of language as a means to
an ideal speaker. Whether in the form of classify the cognizable world, the latter’s rel-
classical rationalism, or of Chomskyan neo- ative independence from the realia, and con-
rationalism, or of the rough form of empiri- sequently, the arbitrariness of the linguistic
sign.
178 I. Raum-zeitliche Übersichten

The scholastic idea of substantial form (s. diation, performed by the abstractive pattern,
art. 4) had its origin in the reference of every is minimal in the case of ideas which refer
natural phenomenon to an entity which was immediately to sensible experience (the so-
distinct from the modifications of matter. The called simple ideas: the sensation of heat, the
new physics, on the other hand, strived to impression of a color, etc.). It is larger in the
show that physical and chemical phenomena case of the ideas of substance (here Locke
(alteration, generation, and corruption) can gives many examples of the uncertainty of the
be explained in terms of corporeal agents, classification of animal and vegetal species,
without appealing to formal entities (or, as anticipating the debate that will take place
will be later said, transcendentals). We do not within biological sciences in the 18th century).
know, of bodies, anything other than their It is largest, finally, in the case of the ideas
sensible qualities; hence we cannot distinguish which have no existential referent (e. g. the
genera and species except on the basis of an moral and juridical terms). This is accompa-
empirical classification of things, i. e. on the nied by an increase in the degree of arbitrar-
basis of aggregations or collections of acci- iness, which is maximal where the mediation
dents held together by names. is performed by voluntary collections of ideas
Translated in linguistic terms, this episte- held together by name, without a natural
mological argument implied a deep revolution model to support it. For instance, there is in
in semiotic theory. For it called into question nature no more specific link between the idea
the idea that between the names (which are of killing and the idea of man than between
conventional signs of things) and the things the idea of killing and the idea of sheep;
themselves, there were concepts immediately however, only in the former case there is a
representative of genera and species existing specific name for the act (‘murder’). This
in nature, functioning as natural signs capable means that the classification of things and
of mediating the semantic relation. It called events, as well as their respective denomina-
into question the idea that between names tion, evolve under the influence of practice,
and things there were connections transcend- are determined by the needs of communica-
ing the various languages, the linguistic hab- tion and dictated by habit and tradition, in
its, the empirical circumstances in which lan- short, by cultural factors, broadly speaking.
guage itself exercizes its function of an instru- This is true not only for the moral terms, but
ment of classification. In short, it called into also for the designations of things: we have
question what Harris (1980, 36) calls the ‘pri- two distinct names to designate water in liq-
ority of the nominatum’, and in that way uid and solid states; but we don’t have distinct
prepared the ground for a critique of the names to designate solid and melted gold.
conception of language as nomenclature: it is The same name can designate for some a
no longer the essences, or substantial forms, bigger collection of simple ideas, for others a
that define the scope of meaning of names, smaller one: for the child a yellow brilliant
but, on the contrary, the linguistic habits are color is sufficient to constitute the idea of
what contribute, together with other prag- gold; others add to it malleability, fusibility,
matic factors, to the constitution of the ›re- specific weight; others still other qualities.
alia‹. In this description of the semiotic behavior
There is not doubt that the behavior of the of the human intellect, the arbitrariness of the
human mind in the cognizing process is, al- sign is, thus, not merely the indifference of
ready in Locke’s conception, largely deter- the sound with respect to the thing. It is rather
mined by language. This paves the way for a characteristic of the concept itself (or of the
the thesis, developed by the Enlightenment abstract idea or nominal essence). In short,
and later on by Wilhelm von Humboldt the name is not arbitrary only as a sound
(1767—1835) (s. art. 2 7), of the linguistic na- which has no necessary connection with its
ture of thought. meaning, but also in so far as the idea it
Locke’s problem was not only that of un- connotes is an arbitrary classification of re-
derstanding how general ideas and their re- ality.
spective names are formed. It was to under- Whereas the traditional notion of conven-
stand how general terms can signify things, tionality, still present in Hobbes (Formigari
which are always particular. This is possible 1988, 92 ff), as indifference of the sound with
because the nominal essences function as pat- respect to the meaning, did not challenge the
terns which are able to mediate the relation- isomorphism between language and reality,
ship between names and things. Such a me- ensured by that network of natural signs
11.  The empiricist tradition in the philosophy of language 179

which are the concepts, when we come to consequences also for the theory of commun-
arbitrariness, it is the very correspondence cation. One speaks ›as if‹ the nominal essences
between the ontological and linguistic spheres were stable, and identical in the minds of
which is no longer guaranteed. It is the me- speaker and addressee. This is the tacit pre-
diating signs of the semantic relationship supposition of the communicative use of lan-
which are, in the first place, arbitrary, i. e. the guage (Locke, Essay, III, ii, 2 ). But in fact
ideas, which — to be sure — represent the the referent is not stable, since it is by defi-
things, but according to links and aggrega- nition a dynamic entity. The implication for
tions which are largely (or even totally) in- the theory of communication is this:
dependent from natural models. “To require than men should use their words con-
stantly in the same sense, and for none but deter-
2.2.  Such a radicalization of the idea of ar- mined and uniform ideas, would be to think that
bitrariness of the linguistic sign has a number all men should have the same notions, and should
of implications which become fundamental talk of nothing but what they have clear and dis-
for the development of Enlightenment lin- tinct ideas of (Locke, Essay, III, xi, 2).
guistics and, through it, for the modern the- The critique of substantial forms — which
ories of language. is the very foundation of empiricist episte-
First, it leads to a new attention to the mology — makes the idea that in language
pragmatic elements of meaning. In other the order of things is given indefensible. On
words, the conceptual selection which consti- the contrary, it implies a process of continuing
tutes meanings is dynamic. The practical fac- construction of such an order. Names do not
tors that contribute to the selection made in find their referents ready-made in nature; they
the act of speaking are manifold: the current have so to speak to construe them again and
linguistic usage; the characteristics of the his- again in communication, pigeon-holing the
torical language employed; the needs of com- classes of objects in the fabric of experience.
munication, which require highlighting of Hence, not only words are institutional de-
some but not other aspects of that about vices, but their institution itself is not guided
which one speaks; the stylistic habits or con- by a classification given ›in rerum natura‹
ventions linked to various kinds of commu- (Locke, Essay, III, v, 3), but only by the
nication (e. g. rhetorical-literary, rhetorical- pragmatic demands of knowledge and com-
political, scientific, etc.); the linguistic habits munication. The idea of a nature which is
connected to the cultural or social level of the given, containing all the models of things with
interlocutors; etc. The selection which is op- names assigned to them, as a big Noah’s Ark,
erative in the constitution of names is no more is replaced by a dynamic conception both of
stable and exhaustive. It is not grounded on natural reality and of language: the one being
an intuition of the real essence of the thing; constantly modified by the transformations
on the contrary, the scope of the meaning of of matter, the other by the demands of praxis.
a name is often amplified or restricted, in The Lockean theme of the ›abuse of words‹
accordance with the functional needs of com- is ideally paired to the Baconian ›distrust of
munication. In short, meaning is an infor- language‹, which imposes to the scientist an
mation about the objects which is demarcated endless adjusting of the techniques of com-
by the sign, and is no longer homologous to munication, which however are unable to rep-
the objects themselves. resent faithfully and with full ostensive effi-
This grants language a power over cacy the experimental practices of science
thought, which it wouldn’t have if words were (Formigari 1988, 1—14).
simply the verbal translation of stable mean- In the light of what has been said, I believe
ings, warranted by a correspondence between that, instead of a “translation theory of un-
the linguistic and the ontological spheres, be- derstanding” (Harris 1981, 101), one should
tween names and things. Therefore, thought speak — in the case of Locke — of a sketch
is largely determined by language; the histor- of an hermeneutical theory of comprehension.
ical languages induce us to ›think‹ reality in The non-coincidence of form and meaning
certain ways and not in others. which constrains one to talk as if the referents
Such a dynamic conception of meaning, were identical to all interlocutors, constrains
with its implied possibility that the configu- also the interlocutors themselves to work out
rations of ideas collected in a nominal essence an adjustment, which puts in evidence, in the
(i. e. in a significant, in a name) change from very act of speaking, the elements which are
an interlocutor to another, has important pertinent at every step. To be sure, such a
180 I. Raum-zeitliche Übersichten

labor implies, as a kind of regulative ideal, a and to show how words themselves intervene
“search for invariants of meaning which are in the construction of data. In short, to realize
unaffected by differences between one com- the dependence of thought on language, not
munication situation and another” (Harris only for verbal ›translation‹, but also and
1981, 92 ). But this does not necessarily foremost for its determination and articula-
equate, as suggested by Harris, “the linguist tion.
who is working within the framework of a If there is a pervasive distinction in
Lockean model of communication” (ibid.) Hobbes’s writings, this is, according to Yves-
with the modern theoreticians of generative Charles Zarka (1985, 184), the distinction be-
grammar. If there is a subsequent model tween empirical and rational knowledge. But
which allows for the integration of Locke’s, this is a distinction present in all phases of
it is rather the Humboldtian model. The di- the development of the empiricist tradition,
alectics of energeia and ergon in Humboldt’s even in sensualism. The specificity of episte-
theory expresses quite adequately the rela- mological empiricism does not lie in the denial
tionship between the spontaneity of linguistic of the double source of knowledge. It lies
production and the stability of the code, as rather in the fact that, whereas epistemolog-
well as its ability to condition spontaneity, ical rationalism views the exercize of ration-
among other things in the direction of a (rel- ality as spontaneous, empiricism views it as
ative) invariance of meanings. To be sure, a mediated. And such a mediation is provided
neo-empiricist (or at least non-idealistic) read- precisely by language, in that it allows for the
ing of this aspect of Humboldt’s philosophy application of universals to particular empir-
should insist upon the plurality of the erga, ical data. Hence the importance acquired by
i. e. of the plurality of the codes even within language in 18th century epistemology: the
the same historic-natural formation. more the mediating role of language becomes
apparent, the more the conception — still
dominant in Hobbes — of the representativity
3. Developments of the idea, conceived as a mental image
of classical empiricism which pictures directly external objects and
indirectly — through the signs of affections
3.1.  In the various phases of development of (Zarka 1985, 191 f) — internal states, is re-
the empiricist tradition, the theory of general framed. Thus, Heinz Paetzold (1985, 153) cor-
terms remains the problematic core around rectly describes Locke’s semiotics and the
which the discussion about the relationship positive function ascribed to language in its
between language and thought evolves. epistemological perspective as a “Wandlung
Hobbes’s nominalism was a first characteri- im Paradigma des Empirismus”. What con-
zation of that core. By claiming that only the stitutes the object is the nominal essence;
use of words allows for transcending empiri- hence general terms do not so much represent
cal imagination and hence for producing sci- general ideas as they rather construct them.
ence, Hobbes represents an important turn, In short, the connotation of general terms is
relative to his contemporaries, such as Pierre given in linguistic praxis.
Gassendi (1592 —1655) and even Baruch Spi- In the third book of his Essay, Locke pres-
noza (1632 —1677), who saw in language ents a logic of invention, whose underpin-
rather an obstacle to thought (Zarka 1985, nings are to be found already in the critique
195). But Hobbes lacks any hypothesis about of epistemological innatism in the first book.
the autonomy of meanings and of their dis- This is supported by Aarsleff’s (1982 a, 37)
position in discourse, vis-a-vis ›conceptions‹, interpretation, according to which the inna-
which are, ultimately, the real tokens of the tists whom Locke has in mind were the sup-
linguistic computation in which thought con- porters of the Adamic language doctrine (s.
sists (Formigari 1988, 92 ff). Language there- art. 72 ). The critique of innatism is then al-
fore remains substantially a translation, a de- ready linguistic in nature, for denying the
vice for transforming mental into verbal dis- existence of innate ideas implies that the es-
course, the concatenations of thoughts into sences cannot any more be ›recognized‹ in
concatenations of words. In order to over- language, that meanings are no longer the
come such a narrowly instrumental concep- mere acknowledgment of pre-ordained classes
tion of language, it was necessary to call into in reality or in the mind.
question the very notion of words as marks, This pragmatic potential of Locke’s se-
as immediate signs of empirical intuitions, mantics is rendered explicit by Condillac.
11.  The empiricist tradition in the philosophy of language 181

What the arbitrary sign permits is not thought 3.2.  The liberation of language from its
in general; it is rather voluntary thought, ›translating‹ function was anticipated in the
which coincides with the ability to coin and thought of another great representative of
manipulate arbitrary signs. This principle, classical empiricism, namely George Berkeley
stated in the Essai sur l’origine des connoiss- (1685—1753). This was facilitated by his met-
ances humaines (1746), is confirmed by the aphysical immaterialism, which allowed him
›functionalism‹ (Auroux 1982 , 198) of the to attribute a large measure of autonomy to
grammatical theories put forth in Condillac’s language vis-a-vis its ontological referent. So
later works: morphology has the same instru- much so that Berkeley was led to stress the
mental function which is characteristic of multiplicity of non-referential and pragmatic
signs, the order of words does not translate uses of speech. A passage of the Alciphron,
the order of ideas (since the ideas have no which epitomizes his linguistic doctrine, illus-
order before the advent of language), but is trates this point:
itself determined by use, i. e. again by praxis. “[...] signs [...] do not always suggest ideas signified
Lacking any internal source of organization, to the mind; [...] when they suggest ideas, they are
the thinking subject must rely entirely upon not general abstract ideas; [...] they have other uses
language in order to structure the represen- besides barely standing for and exhibiting the ideas,
tations themselves. What is then lifted to the such as raising proper emotions, producing certain
forefront is the process of formation of ideas dispositions or habits of mind, and directing our
and the need to capture the constitutive role action [...]; signs may imply or suggest the relations
played by signs in this process. It is precisely of things; which relations, habitudes and propor-
arbitrary signs that, for Condillac, make re- tion, as they cannot be by us understood but by
flection possible, because they free the imag- the help of signs, so being thereby expressed and
ination and the memory from the subservi- confuted, they direct and enable us to act with
ence to objects. The memory is exactly the regard to things [...]; the true end of speech, reason,
ability to recall signs of our ideas even in the science, faith, assent, in all its different degrees, is
absence of the objects which generated them. not merely, or principally, or always, the imparting
Once acquired, with the use of words, the free or acquiring of ideas, but rather something of an
disponibility of memory, man begins to be active operative nature, tending to a conceived
also the free master of his imagination. The good; which may sometimes be obtained, not only
richer his repertoire of arbitrary signs, the although the ideas marked are not offered to the
broader and richer will be his memory and mind, but even although there should be no pos-
imagination, hence his thinking capacity. The sibility of offering or exhibiting any such idea to
higher and specifically human capacity called the mind [...]” (Berkeley, Alciphron, VII, 14).
reflection is in fact the capacity to apply our Behind these statements there is more than
attention to various objects or various parts the well-known criticism of Locke’s notion of
of the same object, to combine their ideas abstract general idea. They are backed by the
even in the absence of the sensory stimulus. complex linguistic doctrine of the Essay To-
And all this can be done only thanks to the wards a New Theory of Vision as well as by
semiotic faculties of imagination and mem- the apologetic strategy pervading all of Ber-
ory, i. e. thanks to the use of arbitrary signs. keley’s thought, whose importance for Ber-
As Condillac will stress in his later works, keley’s linguistics has been rightly stressed
language is a condition for the ›connoissance (Mugnai 1979; Brykman 1984). In the New
de theorie‹. Theory of Vision, Berkeley reduced the rela-
The necessity of language for the analysis tionship between linguistic signs to a partic-
of thought derives, besides, from a discrep- ular case of the relation of signification be-
ancy between them, pointed out by Condillac tween series of heterogeneous ideas (e. g. be-
in his Grammaire (I, 4—5), namely the fact longing to different senses), which, as such,
that in thought ideas are simultaneously are not connected by similarity or causality,
given, whereas in discourse they appear in but only by empirical concomitance, i. e.
succession. This difference between the holis- habit. Thanks to this purely empirical link,
tic and syncretic process of thought and its lacking any necessity, it is possible to con-
linear and successive linguistic counterpart, struct objects starting with perceptions be-
complements the semantic empiricism estab- longing to different senses (the chariot which
lished by Locke, and contributes to reframe I have heard, then seen arriving, then touched,
the theory of the representativity of the ideas is construed by the concomitance of these
and of the primacy of mental discourse. heterogeneous perceptions, which have no
necessary inherence to each other: New The-
182 I. Raum-zeitliche Übersichten

ory of Vision § 47). Not unlike this, words plicit in the semiotic revolution initiated by
suggest to the imagination, through the me- Locke. It adds to Locke’s description of the
diation of sounds, ›objects‹ which do not be- abstractive genesis of general names (classi-
long to audition (§ 9 f). The process of signi- fication disregards the degrees of quantity or
fication evolves entirely within a relationship quality of the individuals in question) the
between perceptions and imagination, which habitual behavior of imagination, in order to
is responsible for the construction of objects, explain the semantic power of names. The
independently of their material substratum. semantic device is considered, thus, no longer
But the ›language‹ of perceptions functions from the point of view of the speaker, but
in Berkeley also in the absence of any referent, from the point of view of the addressee (what
material or ideal, because it has at its disposal happens when we hear someone pronounce a
a higher representational device — a tran- name; how does this sound signify something
scendental device as one would say in post- for us). And here custom functions as a read-
Kantian terms — which guarantees also the iness to apply that name to any of the indi-
meaningfulness of discourse — namely divine viduals that linguistic usage has led to asso-
thought. That is to say, backing the language ciate to it: a disposition which is actualized
of perceptions and its arbitrary articulation, in one direction or another according to the
there is a Subject who, when he thinks (and motivations or praticai needs of the moment.
talks by means of the visible forms) creates Meaning is, in short, a potential of names,
the referents of a language which is not by whose actualization depends upon pragmatic
itself linked to a material world of represen- factors. This is the thesis which, stemming
tations. from Berkeley, Hume develops in the section
The pragmatic potential of the empiricist of the Treatise (I, i, 7) devoted to abstract
linguistic theory is, instead, fully explored by ideas.
Hume, with the introduction of the general
principle of association and of the device of
custom. The name, which obtains from cus- 4. Conclusions and prospects
tom its semantic power, functions in the act If the identity of the empiricist (or ›Lockean‹)
of linguistic reception not as presenting or speaker sketched in the preceding pages is
representing the individuals which belong to correct, then the interplay of genealogies be-
the designed class, or the idea which is in the comes rather complex. Locke becomes in fact
mind of the speaker, but as evoking in the the logico-historical ancestor of every con-
addressee a disposition (readiness) to refer to structivist conception of language (i. e. of any
any of the individuals themselves, according conception which attributes to language a
to the practical motivation or to the needs of power of interpretation, of ›construction‹ of
communication. experience, rather than being a mere ›channel‹
“When we have found a resemblance among
of transmission of representations). He be-
several objects, that often occur to us, we apply
comes then the ancestor — though a thou-
the same name to all of them, whatever differences
sand times renegated by the philosophical
we may observe in the degrees of their quantity
propaganda of the 19th century — of the
and quality, and whatever other differences may
idealistic concept of creativity.
appear among them. After we have acquired a
The creative power is bestowed upon lan-
custom of this kind, the hearing of that name
guage by its ability to articulate experience.
revives the idea of one of these objects, and makes
In this sense, Aarleff’s reconstruction of
the imagination conceive it with all its particular
Humboldt as a follower of Condillac and of
circumstances and proportions. But [...] the word
the Idéologues, i. e. of a ultimately ›Lockean‹
not being able to revive the idea of all these indi-
Humboldt, is doubtless correct. Even if in
viduals, only touches the soul, if I may be allowed
Humboldt’s — and in general in the idealistic
so to speak, and revives that custom, which we
— notion of creativity there is more than that
have acquired by surveying them. They are not
(and one should determine exactly what). Any
really and in fact present to the mind, but only in
non-idealistic reconstruction of the notion of
power; nor do we draw them all out distinctly in
linguistic creativity comprises, I believe,
the imagination, but keep ourselves in a readiness
among other things, a vindication of the em-
to survey any of them, as we may be prompted by
piricist roots of this notion.
a present design or necessity” (Hume, Treatise, I,
It is indeed classical empiricism, as I have
i, 7).
tried to show, that calls into question the idea
This passage of the Treatise of Human Na- of language as a simple, neutral ›channel‹ for
ture embodies many of the consequences im-
11.  The empiricist tradition in the philosophy of language 183

the communication of the mental represen- change occurs with the introduction in lin-
tations of the speaker. This is a persistent idea guistics of the notion of transcendental (For-
(Reddy 1979), which prevents realizing the migari 1988 a).
constitutive role of language in thought; Realizing this leads necessarily to a reap-
which thus views linguistic expression as praisal of another fundamental historical in-
something secondary, accidental, or, worse, a tersection, namely Humboldt’s philosophy of
mechanism that, as pointed out by Herman language (s. art. 2 7). It is a merit of recent
Parret (1978, 77), “affaiblit par des transfor- historiography to have begun to show the
mations déformantes les qualités logiques richness and multiplicity of points of view of
sous-jacentes de la pensée”. It is classical em- this personality, to whom one always ends up
piricism that proposed, before Ferdinand de by returning. Such a return raises however
Saussure (1857—1913) (s. art. 36), with Locke serious exegetical problems: the fact is that
and Condillac, the opposed theoretical model, the contribution of the empiricist tradition,
according to which discourse articulates the stressed by Aarsleff (1980, 335—355), is ab-
content of thought and every linguistic act is, sorbed by Humboldt within the framework
therefore, an interpretation of experience. of idealistic dialectics, translated into the lan-
Modern constructivism, in all its forms, has guage of classical German philosophy. The
its origins, consciously or not, in this para- ›empiricist‹ or neo-empiricist reader of Hum-
digmatic option performed by 18th century boldt faces the same task presumably already
thought. It is an origin which has been hidden faced by 19th century psychologism, namely
by traditional historiography, which has per- to distinguish in Humboldt speculation and
petuated, until a few decades ago, the ideal- empirical research, to look for a mediation
istic thesis that empiricism had asserted the between the two elements outside the ideal-
total receptivity of the intellect, forgetting its istic dialectics employed by Humboldt, to
active side or ›spontaneity‹. seek to free the notion of creativity from the
Such a presupposition has lead to a reduc- mortgage of a transcendental subjectivity.
tive reading of authors such as Johann Gott- Beyond this specific historiographic oper-
fried Herder (1744—1803) (s. art. 2 6), whom ation, the themes of linguistic empiricism
idealistic historiography — aiming at recon- reappear today, also in the light of the devel-
structing the theoretical ancestry of the opment of artificial intelligence research.
›deutsche Bewegung‹ — has always or mainly These, on the one hand, facilitate experimen-
represented as a precursor of classical Ger- tation, thanks to the simulation of mental
man philosophy, inserting him, accordingly, processes, and, on the other, impose the
in the tradition of linguistic transcendental- search for a human specificity which cannot
ism. One of the results of such a position is be taken to be simply indicated in the mind.
that even the most scrupulous historiography Hence, for instance, the need to re-examine,
tends to overlook a text like the Metakritik as was done by 19th century psychologism
zur Kritik der reinen Vernunft, which contains after the heyday of idealistic ›mentalism‹, the
the most beautiful refutations of idealism, and sphere of pre-verbal experience, and its rela-
can be read as an important moment in the tions with language; the need to have in mind
history of empiricism in linguistics. I have in corporeality as that which introduces in ex-
mind mainly the theory of the material, i. e. perience the historical-empirical dimension
corporeal, origin of linguistic categories, which does not belong to the mind (nor to
which is the foundation — against Kantian the machine) as such.
formalism — of a materialistic theory of In an article quoted many times above,
grammar (Formigari 1977, 43—53). Auroux (1985 a, 42 6) observes that “d’une
If it is true that, among the forms of con- certaine façon l’empirisme est toujours un
structivism in the theory of language, one retour à la philosophie des Lumières”. But —
finds also the idealistic conception of creativ- among the differences that a critical return
ity, one should ask by what radical change always comprises — Auroux not accidentally
the empiricist concept of articulation becomes points out the fact that for a contemporary
the idealistic concept of creation. In other empiricism it is not essential to refute every
words, when — to use again Parret’s (1978, nativist hypothesis. In fact, the problem of
81) felicitous wording — the idea of a subject structures, as raised in the sociobiological de-
who “manipule le langage comme une forme bate of the last few years, touches also lin-
autoproductive dans la vie solitaire de guistic behavior. What must be payed atten-
l’homme” was born? It is clear that such a tion to by anybody investigating language is
184 I. Raum-zeitliche Übersichten

the importance of corporeality as a determi- Droixhe 1978, La linguistique et l‛appel à l’ histoire


nant of specifically human behavior, as a (1600—1800). Rationalisme et révolutions positivi-
source not only of biological recursivity, but stes.
also of the differential historicity of the intel- Formigari 1970, Linguistica ed empirismo nel Sei-
ligence and of natural language. cento inglese.
Formigari 1977, La logica del pensiero vivente. Il
linguaggio nella filosofia della Romantik.
5. Selected references Formigari 1988a, Language and Experience in 17th-
On the historiographic category of ‘empiricism’ as Century Philosophy.
Formigari 1988b, De l’idéalisme dans les théories
applied to the philosophy of language of the 17th du langage. Histoire d’une transition, in Histoire
and 18th centuries: épistémologie langage 10.
Auroux 1984 a, Le rationalisme empiriste. Hacking 1975 a, Why does Language matter to Phi-
Auroux 1985 a, Pour un nouvel empirisme. losophy?
Kenny (ed.) 1986, Rationalism, Empiricism and Harris 1980, The Language Makers.
Idealism. Harris 1981, The Language Myth.
Further documentation has been mentioned in the Mugnai 1979, Segno e linguaggio in George Ber-
body of the article, and includes: keley.
Aarsleff 1982 a, From Locke to Saussure. Essays on Parret 1982 , Les positions paradigmatiques de la
the History of Linguistics and Intellectual History. linguistique et son idéologie essentielle, in Ideologia,
Auroux 1982 a, Empirisme et théorie linguistique filosofia e linguistica.
chez Condillac. Ricken 1978, Grammaire et philosophie au siècle des
Brykman 1984, Berkeley. Philosophie et apologéti- Lumières.
que. Rosiello 1967, Linguistica illuminista.
Dominicy 1984, La naissance de la grammaire mo-
derne. Langage, logique et philosophie à Port-Royal. Lia Formigari, Roma (Italia)(Translated from the
Italian by M. Dascal)

12. La tradition rationaliste dans la philosophie du langage

1. Introduction nalisme, Noam Chomsky (*192 8) a prétendu


2. La linguistique est-elle une science? avec éclat que: i) il y aurait une tradition
3. Y-a-t-il quelque chose de nécessaire dans le rationaliste ayant des idées précises sur le
langage humain? langage, liée aux thèses cartésiennes et à la
4. Y-a-t-il des universaux linguistiques? grammaire générale de Port-Royal; ii) la
5. L’analyse linguistique est-elle une discipline grammaire générative reprendrait cette tra-
formelle? dition et lui apporterait une confirmation dé-
6. Le langage humain peut-il s’expliquer en pos- finitive. De manière générale la validité his-
tulant la raison, comme faculté générale? torique des thèses de Chomsky a été contes-
7. Le rationalisme minimum tée, avec succès par les historiens: qu’il
8. Bibliographie sélective s’agisse de l’idée d’une linguistique carté-
sienne (Salmon 1969; Aarslef 1982 a), de la
prédominance du rationalisme aux 17° et 18°
1. Introduction siècles (Joly 1977, 1985), de l’identité de dé-
C’est avec la grammaire générative (cf. marche entre Port-Royal et la grammaire gé-
Chomsky 1966) que la discussion sur les rap- nérative (Pariente 1975, 1985), voire même de
ports entre les conceptions linguistiques et le la définition du rationalisme classique (Coo-
rationalisme est devenue particulièrement per 1972 et la réponse dans Chomsky/Katz
abondante, en même temps qu’elle devenait 1975). Le phénomène le plus frappant est sans
une affaire idéologique concernant un large doute l’extrème confusion de l’argumentation
public. En présentant sa Cartesian Linguistics et de ses références philosophiques. L’ouvrage
comme un chapitre dans l’histoire du ratio- organisé par Massimo Piatelli-Palmarini
12.  La tradition rationaliste dans la philosophie du langage 185

(1979), qui reprend un débat sur la question, précises. Si on cherche à définir le rationa-
réunissant autour de Jean Piaget (1896— lisme en matière de langage, par l’unité d’un
1980) et Chomsky, une pléiade de célébrités, programme de recherche ou un ensemble de
est un excellent témoin de cette confusion, qui thèses cohérentes et soutenues par un en-
aurait pu être évitée par la présence d’un semble défini d’auteurs ou d’écoles, on ne
historien des sciences et de la philosophie, parviendra pas à cerner le courant rationaliste
voire d’un partisan de la philosophie trans- ni dans la philosophie du langage, ni dans les
cendantale comme Karl-Otto Apel (*192 2 ). Il théories linguistiques. Le rationalisme doit
est probable, aussi, qu’un philosophe averti plutôt être conçu comme le choix de certaines
aurait fait remarquer que la thèse choms- réponses possibles, mais non nécessairement
kyenne d’une faculté spécifique destinée à ex- consistantes, à des grandes questions concer-
pliquer les phénomènes linguistiques, est pré- nant l’activité de recherche dans le domaine
cisément le contraire d’une conception ratio- du langage: La linguistique est-elle une
naliste du langage, telle qu’on peut l’inférer science? Y-a-t-il quelque chose de nécessaire
des passages de la cinquième partie du Dis- dans le langage humain? Y-a-t-il des univer-
cours de la Méthode que Chomsky a cités saux linguistiques? L’analyse linguistique est-
avec abondance. Pour le rationalisme carté- elle une discipline formelle (pour des raisons
sien, c’est évidemment la raison seule qui ex- qui apparaîtront plus loin, il vaut mieux au-
plique les phénomènes linguistiques. C’est un jourd’hui préférer cette formulation à la ques-
bien étrange rationalisme que celui dont la tion traditionnelle: le langage humain a-t-il
thèse principale commence par exclure la rai- un fondement logique)? Le langage humain
son, au profit d’une faculté ad hoc. De ce peut-il s’expliquer en postulant la raison,
point de vue la thèse de la modularité de comme faculté générale?
l’esprit (Fodor 1983) paraît un développe- En examinant les réponses à ces question on
ment cohérent des hypothèses chomskyennes, remarquera, d’abord, que dans des contextes
qui les éloigne toutefois du rationalisme pro- précis, et par opposition, on peut assigner le
clamé au départ. qualificatif de rationalistes à ceux qui sou-
L’idée d’une tradition rationaliste en ma- tiennent certaines d’entre elles; on remarquera
tière de langage a été parfaitement affirmée ensuite qu’il est très difficile de trouver un
au début de notre siècle, aussi bien par les philosophe ou un linguiste qui, par quelque
linguistes que par les philosophes. C’est ainsi point, n’est pas rationaliste, même dans le cas
que Guy Harnois oppose dans la pensée clas- extrème, où le linguiste soutient que sa dis-
sique française l’approche génétique de cipline n’est pas scientifique et où le philo-
Etienne Bonnot de Condillac (1714—1780) et sophe défend une conception empiriste de la
de ses successeurs aux conceptions linguis- connaissance (voir plus loin, par exemple, le
tiques des cartésiens, parmi lesquels il place cas Condillac). «Everybody’s Rationalist in
en premier lieu les grammairiens de Port- the long run» (Fodor 1981 a, 315).
Royal et l’encyclopédiste Nicolas Beauzée
(1717—1789) (Harnois 1919, 31). De son côté
Edmund Husserl (1859—1938), dans la qua- 2. La linguistique est-elle une science?
trième de ses Logische Untersuchungen en dé- L’idée que la grammaire puisse ou non être
terminant les éléments a priori qui définissent une science n’a guère préoccupé les anciens
toutes les langues, pense faire renaître l’idée philosophes: Aristote (384—32 2 av. J.-C.) (v.
traditionnelle de ›grammaire universelle‹, sans art. 15) l’affirme dans les Topiques (VI.5),
s’apercevoir que les grammairiens du 18° mais ne s’intéresse guère à la question qu’il
siècle étaient fort éloignés de toute philoso- ne troite jamais extensivement. Toutefois la
phie transcendantale (v. art. 44). L’appréhen- définition de Denys Le Thrace (Dionysios
sion confuse de ce que peut être le rationa- Thrax, ca. 170—90 av. J.-C.), qui dans le pre-
lisme linguistique n’est donc pas née avec mier paragraphe du texte que la tradition lui
Chomsky. L’idée même du rationalisme, telle attribue sous le nom de Tέχνη Γραμματική
que la définissent les meilleurs interprètes du fait de la grammaire la «connaissance empi-
cartésianisme s’intéressant à la question —
savoir la thèse assertant la prédominance rique (ἐμπειρία) de ce qu’on lit couramment
chez les poètes et les prosateurs» a été très
dans les activités humaines d’une faculté ra- tôt contestée (Denys Le Thrace 1985). Dès la
tionelle universelle (cf. Laporte 1950, p. XIX) génération suivante à l’expression ‘ἐμπειρία’,
— est trop indéterminée pour fournir une qui désigne une activité non théorisée, on a
base de discussion concernant des questions substitué le terme — devenu canonique — de
186 I. Raum-zeitliche Übersichten

‘τέχνη’ [art] qui désigne une connaissance rai- (connectés aux modes de l’être et à ceux de
sonnée, supposant, dans la conception aris- l’intellect); chez les modernes il s’agit de la
totélicienne, une subsomption sous l’univer- pensée. D’une certaine façon, dans les deux
sel. En fait, par la suite, on rencontre essen- cas on procure un fondement sémantique à
tiellement l’opposition science/art; les auteurs la grammaire, avec ceci de particulier chez les
qui nous intéressent sont ceux qui soutiennent modernes, que le développement cartésien de
que la grammaire est une science et non un la subjectivité et le dualisme ontologique
art. Les premiers d’entre eux sont les gram- qu’elle suppose, conduisent à la conception
mairiens médiévaux qui ont développé la représentationnaliste de la pensée (il n’y a
grammaire spéculative, et plus particulière- aucune communauté de nature entre l’idée et
ment la seconde génération d’entre eux, celle ce qu’elle représente). Dans ces conditions, la
des modistes (v. art. 41). Thomas d’Erfurt scientificité de la grammaire repose sur la
(première moitié du 14° siècle) commence son nature de cette pensée, dont la structure est
traité De modis significandi sive Grammatica indépendante de celle du monde: le rationa-
Speculativa (ca. 1300), en fixant sa méthode lisme linguistique se lie à la position d’une
sur celle de la science, qui est connaissance à faculté rationnelle et pourra être discuté en
partir de principes (›intelligere et scire contin- termes d’innéité, ou de philosophie transcen-
git in omnia scientia ex cognitione principio- dantale.
rum‹). On voit parfaitement l’enjeu de cette Une grande partie des attaques contre la
détermination, si on suit la discussion qui scientificité des conceptions linguistiques pro-
ouvre par exemple le traité des Quaestiones vient du refus de [1 i] et [1 ii], nous y revien-
Alberti de modis significandi, qui a été faus- drons dans les sections 2 —4. Autrement dit
sement attribué à Albert le Grand on perçoit le ›relativisme linguistique‹ (v. art.
(ca. 1193—12 80) (Kelly 1977). Selon ce texte, 73), comme mettant ce que la seconde phi-
que la grammaire soit une science, suppose: losophie de Ludwig Wittgenstein (1889—
[1] (i) qu’elle dérive de principes universels. 1951) (v. art. 39) nommera des ›formes de vie‹
(ii) qu’elle soit la même pour toutes les langues. à l’abri d’une représentation scientifique. Tou-
(iii) qu’elle soit théorique (c’est-à-dire qu’elle ne tefois on peut envisager un changement dans
soit pas définie par un but pratique). la conception de la scientificité. C’est ce qui
De [1 i] et [1 iii] découle: s’est produit avec le développement de la
[1 iv] La grammaire est une discipline démons- grammaire historique et comparative. Par
trative. “science”, il faut entendre, dans cette tradi-
C’est cette problématique que l’on retrou- tion, connaissance des faits, les contraintes de
vera avec la grammaire générale, ainsi que généralité portent sur la méthode non sur
l’explique clairement l’article ‘grammaire’ de l’objet, et on renonce seulement à l’axiome
l’Encyclopédie, dans un passage probable- aristotélicien selon lequel il n’y a de science
ment dû à Beauzée: «La Grammaire générale que du général. If faut remarquer cependant
est [...] la science raisonnée des principes im- que le comparatisme, dans la mesure où il
muables et généraux de la parole prononcée s’opposait à la grammaire générale, a toujours
ou écrite dans toutes les langues. Une Gram- été perçu comme refusant les théories ratio-
maire particulière est l’art d’appliquer aux nalistes en matière de langage, ce qui montre
principes immuables et généraux de la parole que la perception du rationalisme linguistique
prononcée ou écrite, les institutions arbi- est lié davantage aux thèses concernant l’uni-
traires et usuelles d’une langue particulière» versalité et la nécessité qu’à l’idée de science,
(Auroux 1973 b, 67). qui semble en être la matrice historique. Pour
De la grammaire modiste à la grammaire de nombreux commentateurs, son rapport
générale — plutôt que dans les textes propre- aux faits, donne au comparatisme la qualité
ment philosophiques — se constitue un corps d’une discipline ›empiriste‹, alors qu’il n’est
de doctrine fixant le noyau générateur des qu’une forme particulière de savoir ›empi-
conceptions rationalistes en matière de lan- rique‹.
gage. Ce noyau tient à l’assertion de la scien- C’est toutefois, toujours sur la question de
tificité de la discipline. Pour assurer la validité l’universalité, qu’on finira par argumenter.
des principes énoncés en [1], il a fallu trouver Ainsi Geoffrey Sampson, lorsqu’il dénie toute
un niveau d’analyse manifestant avec certi- possibilité de linguistique scientifique:
tude les propriétés concernées. Chez les mo- «The true general theory of language is that
distes, il s’agit des modes de signifier there is no general theory of language; the only
features common to all human languages are pre-
12.  La tradition rationaliste dans la philosophie du langage 187

dictable consequences of principles belonging to 3. Y-a-t-il quelque chose de nécessaire


other, established disciplines, so that there is no dans le langage humain?
room in the intellectual arena for an independent
theoretical subject called ‘general linguistics’» 3.1.  Le rationalisme théorique a ses fonde-
(1980, 241). ments dans la conception aristotélicienne de
Sampson emprunte son ›anti-épistémologie‹ la science; il les a plus encore dans le ratio-
au philosophe et économiste néo-libéral Frie- nalisme philosophique qui s’est développé de
drich August von Hayek (*1899). Cela le René Descartes (1596—1650) et Gottfried
conduit à refuser la ›fausse évidence du scien- Wilhelm Leibniz (1646—1716) (v. art. 2 3) à
tisme‹: Kant (172 4—1804). Il s’agit là fondamenta-
[2 ] tout objet qui peut être décrit peut l’être par lement d’une théorie de la connaissance et de
une méthode scientifique (Sampson 1980, 157) la science; on peut la ramener à un axiome
Les propriétés du langage analysables en épistémologique de base, un axiome incon-
termes scientifiques ne sont pas proprement tournable de la logique des modalités, et à
linguistiques, mais relèvent d’autres sciences. leurs diverses conséquences:
A l’inverse celles de ses propriétés qui sont [4] (i) La connaissance scientifique doit être né-
spécifiques ne peuvent appartenir à la science, cessaire.
parce qu’elles relèvent de la liberté et ne sont (ii) Une proposition nécessaire ne peut logique-
pas prédictibles (Sampson 1980, 2 36). Par là ment découler d’une proposition contingente (vé-
Sampson commet, à nos yeux, l’erreur d’ac- rité de fait vs. vérité de raison).
cepter ce qu’on pourrait appeler la ‘fausse Si l’on admet [4], à moins de reconnaître
évidence de l’humanisme irrationaliste’: qu’il n’y a pas de science, il faut trouver une
[3] un objet humain qui n’est pas le produit solution, ce qu’ont fait les théories innéistes
d’une activité rationnelle ne saurait être connu ra- et transcendantales. L’innéisme me paraît une
tionnellement c’est à dire par une méthode scien- réponse illusoire à ce problème, parce que
tifique. dans le fond la structure innée de l’esprit
Le côté positif de l’attitude de Sampson est humain pourrait être conçue comme le pro-
l’exigence d’un contact vécu avec les langues. duit contingent de l’évolution biologique. La
Ce contact produit un savoir du type de ce philosophie transcendantale et le platonisme
que les grecs nommaient φρόνησις, quelque ont tenté de trouver une réponse à la question
chose d’irrémédiablement lié à la particularité en respectant l’axiome [4 i]; une autre solution
de l’objet comme à celle du sujet connaissant. consiste évidemment à abandonner cet
Cette tradition poursuit la philologie tradi- axiome (cf. David Hume ou Rudolf Carnap),
tionnelle et ses méthodes herméneutiques; elle abandon qui peut servir à définir l’empirisme
préserve encore aujourd’hui, la connaissance philosophique, même si historiquement, il
des langues, conçues comme des totalités s’est d’abord défini (Thomas Hobbes, John
culturelles. Elle correspond à ce que l’on peut Locke, Condillac) par son refus de l’innéisme
nommer un ›empirisme pratique‹ (l’ἐμπειρία (sur ces points cf. Auroux 1985 a).
de Denys le Thrace), irrémédiablement op- Pour la philosophie transcendantale, il
posé à tout ›rationalisme théorique‹, ce qui s’agit, selon les mots de Husserl, de rechercher
ne l’empêche pas, évidemment, d’argumenter, «l’élément ›rationnel‹, au sens authentique,
c’est-à-dire d’adopter un ›rationalisme pra- du langage, et en particulier son élément ›lo-
tique‹. Une telle position n’est pas non plus gique‹, l’a priori de la forme de signification/
(contrairement à ce que semble croire Samp- das im echten Sinne ›Rationale‹ und insbe-
son) totalement incompatible avec une phi- sondere ›Logische‹ der Sprache, [...] das
losophie rationaliste du point de vue de la Apriori der Bedeutungsform» (Husserl 1972 ,
théorie de la connaissance: il suffit que celle- 134). Dans la mesure où il est purement gram-
ci considère le langage humain comme un matical, ce noyau rationnel concerne la forme
produit purement contingent et arbitraire de des significations en tant qu’elles peuvent être
l’activité empirique des hommes (position de réalisées comme unités de sens. La grammaire
Immanuel Kant dans le § 18 de la seconde pure logique étudie
rédaction de la déduction des concepts de «les structures de significations primitives, les types
l’entendement dans la Kritik der reinen Ver- primitifs d’articulation et de connexion, ainsi que
nunft). les lois opératoires, fondées sur eux, de la combi-
naison et de la modification des significations/die
primitiven Bedeutungsstrukturen, die primitiven
Verknüpfungstypen [...], sowie die in ihnen grün-
188 I. Raum-zeitliche Übersichten

denden Operationsgesetze der Bedeutungskom- (Laruelle 1979) propose de doubler le concept


plexion und -modifikation» (Husserl 1972, 132). linguistique de phonème, par celui de ›pho-
La discipline concerne donc essentiellement nèse‹, entité mystérieuse dont l’essence se ré-
ce qu’en termes traditionnels, on considérait duit à la fonction de ramener (quasiment par
comme la signification formelle ou mode de décret) le divers phénoménal à l’activité fon-
signifier associé aux parties du discours et aux datrice de la conscience. On gagne peut-être
fonctions syntaxiques. La transgression des ainsi l’unité, mais on n’ajoute rien à la
lois qui en résultent donne le non-sens (das connaissance des phénomènes.
Unsinnige) comme par exemple la suite ‘Plus Si pour un philosophe la nécessité scienti-
car agonisions de’. A dire vrai la conception fique se résout tout naturellement dans l’a
transcendantale du langage devrait dépendre priori transcendantal, le sens exact de l’asser-
également des lois a priori déterminant les tion de nécessité n’est pas toujours quelque
objets des représentations en tant qu’ils sont chose de très clair. Il n’est guère facile de
constitués par les formes pures de la concep- distinguer entre [5 i, ii] et [5 i’, ii’], la nécessité
tualisation, autrement dit en tant qu’ils se confond assez naturellement avec l’univer-
relèvent de ce que Husserl nomme une onto- salité (c’est pourquoi Carnap, au reste, pro-
logie formelle. Il y aurait ainsi une ›séman- posait de se passer de logique modale).
tique transcendantale‹ (quelque chose qui or- [5 i] Si x est un F, alors x est nécessairement
ganiserait les traits du lexique) dont toute un G
transgression produirait l’absurdité (das Wi- [5 ii] Dans toute langue, il y a nécessairement au
dersinnige). On rencontre rapidement une dif- moins un x qui est F
ficulté que Jean Cavaillès (1903—1944) avait [5 i’] Pour tout x, si x est un F alors x est un G
notée dès 1947 (1960, 71 sqq). Toute fonda- [5 ii’] Dans toute langue, il y a au moins un x
tion transcendantale suppose qu’il soit pos- qui est F
sible de donner a priori un système d’axiomes Dans une certaine mesure le langage modal
consistant et complet. Or, depuis les travaux est une façon de parler de l’universalité, et il
initiés par Kurt Gödel (1906—1978) nous sa- concerne davantage la théorie philosophique
vons au moins deux choses: d’abord que les de la connaissance, que le rapport aux phé-
systèmes répondant à ces caractéristiques sont nomènes sous forme de falsification ou de
très pauvres (ils ne peuvent contenir l’arith- confirmation, puisque dans les deux cas la
métique), ensuite qu’une propriété aussi falsification passe par le contre-exemple. De
simple que la non-contradiction d’une théo- ce point de vue on retrouve facilement une
rie, ne peut être démontrée au sein de cette opposition claire dans la conception du lan-
théorie. Cela sonne définitivement le glas de gage entre les partisans du rationalisme phi-
toute tentative logique d’une fondation for- losophique et ceux de l’empirisme. Beauzée et
melle de la ›linguistique transcendantale‹. Condillac défendent tous les deux le pro-
Reste évidemment l’élément de base du re- gramme de la grammaire générale, c’est-à-dire
cours à la conscience (cf. par ex. Descombes l’idée que toutes les langues ont quelque chose
1983). en commun. Mais le premier soutient qu’il y
Le problème essentiel posé par une ap- a des éléments nécessaires dans le langage, les
proche transcendantale du langage consiste à huit parties du discours. Ainsi peut-il écrire
résoudre la question de savoir ce qu’elle peut qu’il
bien apporter par rapport à une approche «n’est pas possible d’admettre des langues sans
basée sur la constatation des phénomènes et Verbes, à moins de dire que se sont des langues
des généralisations conduites à partir de là. avec lesquelles on ne saurait parler» (art. verbe,
On comprend facilement l’enjeu philoso- Encyclopédie Méthodique, t. 3: 623).
phique: passer de la question de fait à la A l’inverse, le sensualiste (cf. la Grammaire
question de droit. Le transcendantal (pour de 1775) ne reconnaît pas la nécessité des
autant qu’il puisse exister), c’est ce qui, par parties du discours, notamment parce qu’il
son existence a priori, nous assure qu’il existe admet qu’elles ont une genèse. Il y a pour lui
de la nécessité dans la région phénoménale seulement des classes de mots suffisantes à
concernée. Bien souvent toutefois, ce que le l’expression de toutes les pensées (le verbe
philosophe assigne comme transcendantal, substantif, le nom substantif, le nom adjectif
n’est que le mirage de la fondation absolue et les prépositions, cf. Auroux 1986 a). Ces
qu’exige pour toute science la tradition ratio- deux exemples montrent assez bien, d’une
naliste et son attachement à une philosophie part, que la question de la nécessité tient à la
du sujet. C’est ainsi que François Laruelle question philosophique de l’opposition du ra-
12.  La tradition rationaliste dans la philosophie du langage 189

tionalisme à l’empirisme, mais qu’elle est fausse’ est vraie; il suit alors de la première
aussi, d’autre part, une façon de traiter les implication que ‘il est contingent que S soit
universaux linguistiques, c’est-à-dire de dis- fausse’ est vraie, ce qui est contraire à l’hy-
cuter leur statut. pothèse de l’analycité de S. On peut sans
dommage se passer de l’argument, logique-
3.2.  Toutefois l’universalité ne prouve en rien ment totalement creux (il revient à dire que
la nécessité (on peut avoir une universalité ‘s’il est nécessaire que p alors il est contingent
accidentelle: tous les papiers qui sont sur ma que q’ n’est pas un théorème de la logique
table sont blancs), et l’assertion de nécessité modale). De fait, tout repose non seulement
a des conséquences sur le statut reconnu au sur l’existence de propositions analytiques,
langage, et à son étude. La nécessité est, en mais sur le statut de la nécessité qu’on leur
effet, aussi une façon de parler de la légalité: attribue. Tout français sait qu’un célibataire
en soutenant que certaines assertions sont n’est pas marié. Cela n’implique pas la pro-
nécessaires, on voulait dire autrefois, non seu- position suivante: ‘l’idée éternelle de céliba-
lement qu’elles étaient universelles, mais taire implique nécessairement le contenu pro-
qu’elles avaient force de loi, ce que nous tra- positionnel ’un célibataire n’est pas marié’,
duirions aujourd’hui en soutenant qu’elles mais plutôt la proposition logiquement
corroborent des assertions contraires aux contingente suivante ‘en français le mot ‘cé-
faits. Historiquement, l’un des recours les plus libataire’ ne s’applique pas à des personnes
célèbres à la notion de nécessité ne concernait mariées’. On pourra peut-être trouver un sens
pas les universaux, mais les lois phonétiques du mot ‘nécessité’ qui s’applique à ce cas,
(c’est dire des formules comme [7 iv], cf. 4.), mais il ne sera certainement pas de nature
valides seulement sur des langues et des logique. Ce qui nous gêne dans la discussion
époques précises. En affirmant qu’elles agis- de l’analycité, c’est que la notion philoso-
saient ›sans exception‹ et ›avec une nécessité phique classique (Kant) d’analycité — c’est-
aveugle‹, les néogrammairiens (cf. Auroux à-dire portant sur le rapport de deux contenus
1979 b) soutenaient non seulement qu’elles conceptuels — a sa source dans la conception
correspondaient à une assertion universelle de Port-Royal de deux types de relatives (res-
sur l’univers restreint des cas pertinents, mais trictives et non restrictives), qui peut elle-
qu’il était impossible que le contraire ad- même être dérivée de certaines analyses mé-
vienne. Il paraît difficile que la linguistique diévales (cf. Auroux 1985 b et Auroux/Rosier
générale puisse se passer des ›modalités‹, 1988). La logique traditionnelle considérait
puisque l’opposition entre universalité et par- sans doute que cette notion d’analycité était
ticularité est insuffisante et qu’il lui faut re- d’essence ›logique‹, ce n’est pas une raison
courir au ›possible‹ (cf. 4.). pour admettre que cette conception, qui est
La plupart du temps les auteurs qui se d’essence linguistique, puisse se confondre
réclament du rationalisme (quel que soit le avec une quelconque notion de la logique
sens qu’ils peuvent accorder à ce terme) uti- formelle moderne, où l’on ne peut accorder
lisent la notion de nécessité en fonction de le qualificatif d’›analytique‹ (= logiquement
l’axiome [4 ii], dans une stratégie complexe en nécessaire) qu’aux propositions logiquement
vue de démontrer qu’il est impossible de ré- vraies.
duire la conception du langage à des asser-
tions empiriques, c’est-à-dire non-nécessaires.
C’est le cas notamment de la dernière philo- 4. Y-a-t-il
sophie de Jerrold Jacob Katz, qui choisit de des universaux linguistiques?
défendre un réalisme des universaux, qualifié
de ›platonisme‹ (il évite ainsi la contingence 4.1.  La question des universaux ne se limite
intrinsèque à tout innéisme psychologique). ni au problème de la nécessité, ni à la question
Je ne pense pas que de cette façon on puisse du transcendantal. Comme le notait Husserl
obtenir un argument concluant qui échappe «on peut étendre l’idée de la grammaire universelle
à la pétition de principe et à la confusion. au-delà de la sphère de l’a priori, en recourant à la
C’est ce que montre bien un raisonnement sphère (vague à certains égards) de ce qui est uni-
très contourné de Katz (Katz 1981, 179), qui, versellement humain au sens empirique/Natürlich
si je le comprends bien, peut se résumer kann man den Gedanken der universellen Gram-
comme suit. Supposons qu’existe une pro- matik über die apriorische Sphäre hinaus erweitern,
position analytique S, et une proposition em- indem man die (in einiger Hinsicht vage) Sphäre
pirique E, telles que ‘S implique E’. Puisque des allgemein Menschlichen im empirischen Sinne
E est empirique, ‘il est contingent que E soit heranzieht» (Husserl 1972, 132 f).
190 I. Raum-zeitliche Übersichten

Dès lors un universel n’est jamais prouvé: il comme [7 ii].


peut au plus être corroboré ou falsifié. On La grammaire générale classique défendait
doit tenir pour acquis l’axiome [6], sans lequel implicitement une conception des universaux
aucune grammaire ne serait possible. La ques- définie par [8], notamment pour les princi-
tion de fond concerne le statut des généralités paux d’entre eux, les parties du discours. Il
dont parle [6]. en résulte immédiatement qu’un universel re-
[6] toute grammaire — qui a pour objet la çoit une définition en compréhension (qui as-
construction de la chaîne parlée — énonce des sure son caractère prédictif) et qu’il ne peut
généralités à valeur prédictive. être atteint par ostension. L’universel a une
A l’exception de [7 iii], qui est purement fonction explicative, avant même d’avoir une
empirique, au sens où elle asserte un fait, les fonction descriptive (voir, pour une formu-
propositions de [7], sont toutes des assertions lation contemporaine claire de cette thèse,
auxquelles on peut faire correspondre des Lieb 1978). A peu près tous les auteurs de
quantifications universelles, au besoin en res- grammaire générale s’efforcent de déduire les
treignant l’univers. Toutefois la plupart catégories grammaticales d’une théorie élé-
d’entre elles, à l’exception de [7 v’], formulée mentaire du jugement, réduite à la structure
en termes de possibilité, sont exposées à des prédicative ‘S est P’. Cette structure est évi-
contre-exemples: on opposera, par exemple à demment une limitation excessive des concep-
[7 iii] les vieux pluriels saxons par alternance tions classiques; son rôle épistémologique per-
vocalique (‘foot/feet’), et pour [7 iv] on fera met cependant de définir le rôle exact des
remarquer que si ‘filiam’ donne bien ‘hija’, universaux linguistiques, tels que les ratio-
‘focum’ donne ‘fuego’. nalistes théoriques les conçoivent. N’est uni-
[7] (i) en anglais pour obtenir un pluriel, il faut versel que ce qui relève de l’expression de la
mettre un -s à la fin des substantifs. pensée. C’est ainsi que Joachim Sever Vater
(ii) dans toute langue il y a des noms et des (1771—182 6) refuse, par définition, la possi-
verbes. bilité de fonder la grammaire générale sur une
(iii) le pluriel en -s de l’anglais vient du français, théorie des espèces de signes qui serait indé-
à la suite de l’invasion normande. pendante des contenus (1801, 142 ). C’est une
(iv) le /f/ du latin devient /h/ en espagnol mo- façon de dire que le type d’universalité dont
derne. il est question est intrinsèque à la langue na-
(v) les consonnes en position intervocaliques turelle, en ce qu’il dépend de son contenu
s’altèrent. expressif. Il y a là une conception profonde
(v’) les consonnes en position intervocaliques qui peut être généralisée en des termes
sont exposées à s’altérer. contemporains. Elle permet notamment de
Un universel linguistique est traditionnel- distinguer, chez les linguistes, les rationalistes
lement une propriété qu’on peut retrouver théoriques (entendons les générativistes de
dans toute langue. Ainsi conçus les univer- stricte obédience) et les fonctionalistes, qui se
saux linguistiques correspondent à ce qu’on réclament souvent de l’empirisme (cf. Garvin
a pris l’habitude de nommer des ‘universaux 1979), mais demeurent évidemment des ratio-
substantiels’. On peut les définir de la façon nalistes pratiques, et soutiennent l’existence
suivante: d’universaux au sens [9]. Pour un fonctiona-
[8] (i) Soient A1 ... An, les unités d’une langue liste l’explication dépend de ›functional pre-
que l’on obtient par une procédure quelconque requisites‹ qui appartiennent «to the extralin-
d’analyse. guistic requirements and constraints imposed
(ii) Admettons qu’existe un ensemble de pro- on natural languages» (Dik 1986, 2 1). L’uni-
priétés P1 ... Pn, telles que pour définir chacune versel que défend le rationalisme théorique
d’entre elles nous puissions nous passer de recourir doit être une propriété assertable des seuls
à aucune unité linguistique (en utilisant, par éléments des langues naturelles. Quand bien
exemple, l’acoustique, la phonétique articulatoire, même une formulation rigoureuse de ce prin-
la logique, la sémantique, etc.). cipe est pratiquement impossible (contraire-
(iii) Nous pouvons donc remplacer n’importe ment au cas de sa version classique), c’est
quel Ai par une description définie de la forme: [(le sans doute lui qui explique, que le théorème
x tel que) (Pi (x) ⋀ ... ⋀ Pk (x)]. de Löwenheim-Skolem, par exemple, n’a ja-
(iv) la thèse de l’existence d’universaux substan- mais été considéré comme un universel lin-
tiels, peut s’énoncer: guistique.
[quelle que soit la langue Li, il y a un x, tel que (Pi
(x) ⋀ ... ⋀ (Pk (x))] 4.2.  C’est probablement Beauzée qui a pro-
NB: tel est le schéma logique d’une assertion
posé la version la plus forte de la théorie
12.  La tradition rationaliste dans la philosophie du langage 191

classique des universaux, tout en la rendant La structure implicationnelle de [10] fait


compatible avec une certaine variabilité ca- que le français n’est pas un contre-exemple:
tégorielle. Les classes de mots correspondent puisque l’objet pronominal (‘Je l’ai vu’) y
chez lui à une classification, au sens logique précède le verbe, l’antécédente est fausse et
du terme. Les universaux sont dans cette clas- conséquemment la conditionnelle toujours
sification les nœuds de rang u, tels qu’il vraie (cf. Kefer 1986, 58). L’assertion resterait
n’existe dans aucune langue aucun élément également vraie si d’aventure il existait une
qui ne puisse être classé sous un et un seul de langue qui ne possède ni nom, ni pronom.
ces nœuds (cf. Auroux 1988). Pour les rangs Contrairement à ce que pense Sampson (voir
u + n, on peut avoir des éléments n’apparais- notre citation en 2 .), une science générale du
sant pas en toute langue (l’article par langage est possible, indépendamment du sort
exemple), l’essentiel est que les catégories op- réservé aux universaux substantiels. Il suffit
tionnelles soient branchées sous un nœud uni- pour cela que la linguistique ne se limite pas
versel. La meilleure façon d’argumenter à des assertions d’existence (connaissance des
contre les universaux consiste à ›croiser‹ les faits), mais qu’elle traite des modalités d’exis-
propriétés propres à certaines catégories: en tence, ce qu’elle ne peut pas ne pas faire sans
montrant par exemple qu’il existe dans telle perdre tout intérêt (cf. sur ce point la position
ou telle langue des éléments qui ont telle pro- d’un Hagège 1985, 54—88). Si tout est pos-
priété relevant de la catégorie ›nom‹ et telle sible, en effet, alors, nous ne savons, ni ce
propriété relevant de la catégorie ›verbe‹. La qu’est le langage, ni ce qu’est une langue
meilleure façon d’échapper à la discussion quelconque. Telle est la vérité incontournable
elle-même, tout en conservant un métalan- du rationalisme, dont doit hériter tout travail
gage scientifique général (dont aucun relati- théorique.
viste ne saurait se passer) consiste à aban-
donner l’axiome [8 iv]. Les propriétés de [8 ii]
sont conçues comme des ›dimensions‹ qui dé- 5. L’analyse linguistique
finissent l’espace des possibles, sans que l’on est-elle une discipline formelle?
ait à asserter qu’aucune de ces dimensions ou Il est évident que la question du rationalisme
aucune de leurs conjonctions se retrouve dans concerne la méthode de l’analyse linguistique.
toutes les langues possibles. C’est ainsi que Il est clair en effet que tout rationalisme sou-
les phonéticiens travaillent depuis le dernier tiendra que la discipline est démonstrative (cf.
tiers du 19° siècle, en utilisant un lot de pro- chap. 2 . [1 iv]). A cela s’oppose une concep-
priétés articulatoires. tion qui réduirait la linguistique à la recension
Il ne semble donc pas que l’analyse lin- des faits, même si en tout état de cause cette
guistique ait besoin de supposer l’existence recension est une activité constante de la dis-
d’universaux substantiels (je reviendrai en 6.1 cipline (cf. Robins 1975, Sharahdzenidze
sur le problème posé par la traduction, le 1976). Les discussions méthodologiques ne
principe d’effabilité ne me paraissant pas un sont pas toujours très claires. On a identifié
affaiblissement de [8], mais quelque chose de le rationalisme avec la tentative de déduire a
différent). Dans la discussion sur l’existence priori (c’est-à-dire sans les induire des faits)
des universaux, il est plus clair de remplacer les catégories linguistiques à partir des caté-
[8 iv] par une formulation plus abstraite et gories logiques. Cette accusation de ›logi-
plus générale: cisme‹ a été élevée contre les grammairiens de
[9] un universel linguistique est une proposition
Port-Royal, par les comparatismes du siècle
assertant une propriété linguistique qui demeure
suivant. En fait, il s’agissait de concepts
vraie lorsque tous les éléments, qui dans la pro-
comme ‘sujet’ ou ‘prédicat’, dont l’apparte-
position permettent d’identifier une langue, sont
nance à la logique au sens moderne du terme
remplacés par des variables quantifiées.
n’est plus très claire. Il me semble plus adé-
L’adoption d’une structure implication- quat aujourd’hui — compte tenu, en parti-
nelle, proposée par Joseph Harold Greenberg culier, de la multiplication des systèmes lo-
(*1915), permet alors de surmonter les varia- giques possibles — d’aborder la question à
tions catégorielles, et, surtout, de dégager des partir du rapport des langues naturelles aux
régularités moins immédiates que les univer- systèmes formels en général, comme nous le
saux substantiels traditionnels. Soit par ferons tout à l’heure.
exemple l’universel 25 de Greenberg 1966: De nombreux linguistes (cf. Ramat 1985,
[10] si dans une langue l’objet pronominal suit
13 sqq) soutiennent que leur discipline doit
le verbe, alors l’objet nominal le suit aussi.
192 I. Raum-zeitliche Übersichten

suivre une démarche ›empirique‹, ou encore de constitutions des expressions bien formées,
disent-ils ›inductive‹. Cela consiste à analyser et la position d’au moins un axiome. Dire
des faits et à proposer des généralisations, qu’il s’agit de formalisme revient à dire que
plutôt que de partir d’hypothèses et d’en dé- l’on s’interdira de considérer toute propriété
duire des conséquences. Il est clair que toute qui n’a pas été spécifiée au départ ou qui ne
généralisation suppose des hypothèses, et doit découle pas de ces propriétés spécifiées. L’élé-
elle-même être testée soit directement, soit à ment essentiel du formalisme est en fait le
partir de ses conséquences. Le choix de l’in- calcul. On peut construire différents forma-
duction est donc moins une question de mé- lismes, plus ou moins utiles. Certains forma-
thode logique que de stratégie: dans le fond lismes reprennent quelques propriétés que
ceux qui se réclament de l’inductivisme, signi- l’on rencontre sporadiquement dans les
fient par là avant tout, que la recherche lin- langues naturelles, c’est le cas notamment des
guistique ne leur paraît pas suffisamment calculs des propositions et des prédicats. La
avancée pour fournir des hypothèses globales. question est de savoir s’il peut exister un
Par opposition à l’inductivisme ainsi défini, formalisme qui admette pour modèles (pour
on réduit souvent le rationalisme à une mé- interprétation) les langues naturelles et elles
thode déductive a priori, sans préciser si cet seules, et la signification exact du rapport du
a priori est absolu (avant toute expérience), formalisme au langage naturel. Louis Hjelms-
ou relatif (précédé par une connaissance in- lev (1899—1965), l’un des premiers instiga-
ductive fournissant des hypothèses générales) teurs de cette démarche (probablement sous
et correspondant à une démarche hypothé- l’influence de Carnap) concluait qu’en l’adop-
tico-déductive, qui est celle par exemple d’une tant
science empirique comme la physique. Un « ‹ La linguistique › serait alors une algèbre du lan-
linguiste comme Antoine Meillet (1866— gage qui opérerait sur des grandeurs non dénom-
1936) — ›inductiviste‹ s’il en fut — n’hésitait mées — c’est-à-dire dénommées arbitrairement,
pas à écrire que «la linguistique générale est sans qu’il existe pour elles de désignations natu-
dans une large mesure une science a priori» relles — qui n’acquerraient de désignation motivée
(Meillet 192 6, 59). Il voulait simplement dire que par leur rattachement à la substance» (Hjelms-
qu’elle devait déterminer les ›possibles‹, en lev 1968, 109).
établissant des lois. Il y a là toutefois une ambiguïté. Si l’on dis-
A moins de réduire la connaissance du pose d’une théorie axiomatisée, il y a toujours
langage naturel au pur établissement des faits, — théoriquement — moyen de la formaliser.
il faut accorder que la déduction y trouve sa La question est de savoir ce que l’on calcule.
place. Une déduction étant une suite de pro- On pourrait calculer des énoncés assertant des
positions qui sont des conséquences logiques propriétés des langues naturelles, à la façon
les unes des autres, elle doit nécessairement dont une théorie physique formalisée calcule
partir d’axiomes. L’axiomatisation de la lin- certaines propriétés des entités spatio-tem-
guistique (pas plus que celle de la physique) porelles. De manière générale, les linguistes
ne suppose pas qu’on soutienne une forme de ›formalistes‹, prennent pour termes de leurs
rationalisme philosophique: on peut axio- calculs, les éléments de la langue naturelle eux-
matiser une discipline après-coup, notamment mêmes, qu’il s’agisse de les définir (Helmslev,
pour l’éclaircir à un moment donné. Au reste quoique son formalisme soit inconsistant, cf.
l’une des premières tentatives d’axiomatisa- Prebensen 1967) ou de les ›engendrer‹
tion est celle de Leonard Bloomfield (1887— (Chomsky, à la suite de Zelig Harris). Pour
1949), partisan du behaviourisme, c’est-à-dire le formalisme linguistique ce n’est pas seule-
d’une certaine forme d’empirisme philoso- ment la théorie du langage qui est formelle,
phique (cf. Lieb 1980). A l’époque moderne c’est le langage lui-même. C’est pourquoi Ri-
la forme la plus pure de rationalisme métho- chard Montague (1930—1971) peut écrire:
dologique est le formalisme, qui n’implique «I reject the contention that an important theore-
pas, lui non plus, qu’on soutienne le ratio- tical difference exists between formal and natural
nalisme philosophique. Bien au contraire les language» (1974, 188).
premiers partisans des formalismes ont refusé De ce point de vue toute comparaison avec
toute hypothèse sur la nature du sujet parlant la physique est exclue. Cela n’implique pas —
(cf. Hjelmslev 1968, 185 sq). pour formelle qu’elle soit — que la linguis-
Les formalismes sont des langages artifi- tique cesse d’être une discipline empirique et
ciels définis par quelques propriétés bien spé- construise ses objets comme les mathéma-
cifiées, concernant leurs éléments, les règles tiques ou la logique: en dernier recours, elle
12.  La tradition rationaliste dans la philosophie du langage 193

a toujours pour contrainte d’être valide pour le langage en tant qu’il en est l’expression
les activités linguistiques humaines données ›arbitraire‹. Jerry Fodor qui comprendra
dans l’expérience. Nous reviendrons en 6.3 pourtant que seul le contenu propositionnel
sur les problèmes posés par la notion de cal- est en question (Fodor 1983, 5), a donné un
cul, et la réduction des langues naturelles à mauvais argument en faveur de l’innéisme
une structure formelle. (Fodor 1981 a, 2 78), en rappelant, avec rai-
son, que tous les empiristes admettent un
point de départ inné. Mais on ne peut
6. Le langage humain peut-il confondre, chez Hume, les relations philoso-
s’expliquer en postulant la raison, phiques (qui sont des représentations) avec
comme faculté générale? les relations naturelles (qui sont les méca-
nismes producteurs des représentations). La
Il est évident qu’en dernier recours la question thèse du rationalisme philosophique, ce n’est
du rationalisme en matière de langage pas un nativisme quelconque, c’est que la
concerne le rationalisme philosophique, c’est- structure représentationnelle de la pensée est
à-dire une théorie de la connaissance. Pour le avant toute expérience, et surtout avant tout
rationaliste, les propriétés essentielles du lan- langage (c’est à ces deux thèses que se ramène
gage s’expliquent par une faculté individuelle, la spontanéité de l’entendement, cf. Formigari
que l’on retrouve à l’œuvre dans une activité 1988). Il est clair que les actes de langage sui-
comme le calcul et dans la recherche scienti- référentiels — tout le rituel social en quoi le
fique caractéristique des sciences modernes. langage est fondateur — posent un problème
On peut refuser cette thèse, en soutenant que incontournable au rationalisme, en ce qu’ils
le langage met en œuvre d’autres facultés, ne concernent en rien la fonction représen-
comme le sentiment et les passions, ainsi que tative du langage. Condillac semble avoir déjà
l’ont fait les romantiques (cf. Formigari tenté de dépasser le rationalisme par ce biais
1977). En tout état de cause le langage est (cf. Auroux 1986 b). La seule solution consiste
aussi un problème pour le rationaliste: comme à rabattre les actes de langage sur un calcul
le notait Johann Georg Hamann (1730— mental des intentions. On peut aussi détacher
1788) (v. art. 2 5) (1967, 89—94), il oblige à le mentalisme de la thèse représentationna-
mettre en rapport l’entendement et la sensi- liste. C’est ce qu’avait tenté Fodor en 1975:
bilité. Le rationalisme philosophique dans son il soutient l’existence d’un langage mental,
rapport à l’analyse linguistique concerne es- différent de tout langage naturel et dont au-
sentiellement le mentalisme, l’innéisme et la cun langage naturel n’est la représentation,
créativité. mais dont il est nécessaire de postuler l’exis-
tence, si on admet que les activités langagières
6.1. Mentalisme (notamment l’apprentissage) sont le résultat
La thèse essentielle des classiques fait du lan- d’un calcul.
gage la représentation de la pensée (hypothèse Le mentalisme peut simplifier la théorie de
du langage-traduction, cf. Auroux 1979 a, 70). la traduction: si le ›langage mental‹ est un
Le mentalisme est le pivot essentiel du ratio- universel, on passe facilement d’une langue
nalisme et il a des conséquences fondamen- naturelle à une autre. L’intraduisibilité n’est
tales pour la discussion de l’innéisme. Ce dont pas un argument contre le mentalisme
les empiristes refusent l’innéité, c’est seule- (puisque les entités mentales peuvent ne pas
ment des connaissances et pas des structures correspondre), la traduisibilité en est un pour
organiques que les pourraient conditionner. l’universalité des entités mentales. D’où la
C’est en ce sens que Condillac pouvait sou- défense par Katz du postulat d’effabilité (cf.
tenir qu’il «y a un langage inné quoiqu’il n’y Katz 1978; cf. Dominicy 1984, 100—105 pour
ait point d’idées qui le soient» (cf. Auroux une discussion de ce postulat à propos de la
1979 a, 31). Pour lui en effet le langage d’ac- grammaire générale), selon lequel toute
tion (le langage primitif constitué de gestes, langue peut exprimer n’importe quoi (pourvu
correspondant à un certain montage corporel) que certaines conditions qui ne concernent
est inné. Cela n’implique aucunement que pas le langage — comme le niveau culturel
notre langage possède rien d’inné, car il est le — soient remplies). Mais la traduisibilité uni-
produit d’une genèse historique. A l’inverse verselle n’est pas évidente: de langue à langue
un cartésien ne s’intéressera pas essentielle- on trouvera toujours des correspondances qui
ment à la question de savoir si aucun langage manquent. Ce qu’on peut soutenir c’est qu’à
est inné, ce qui l’intéresse ce sont les idées, et partir de toute langue naturelle on peut créer
194 I. Raum-zeitliche Übersichten

des procédés pour exprimer tout contenu ex- linguistiques qu’il n’a jamais entendues. L’ar-
primé ailleurs, mais c’est à condition, soit de gument est censé provenir de Descartes: la
changer la langue, soit d’utiliser le niveau conduite humaine suppose l’aptitude à ré-
métalinguistique, donc de ne pas traduire pondre correctement face à des situations
(dans le fameux ouvrage de Benjamin Lee nouvelles, la raison seule est un instrument
Whorf 1956, l’auteur utilise quantité de ces universel.
procédés pour nous faire comprendre le sens La défense de l’innéisme peut s’appuyer sur
d’expressions de langues amérindiennes qui l’échec de la réduction behaviouriste de la
sont — selon lui — littéralement intradui- signification à une réponse non linguistique à
sibles dans des langues européennes). On doit un stimulus externe (Fodor 1969, 52 sq). On
donc pouvoir formuler une version du pos- admet généralement que cette réduction est
tulat d’effabilité qui n’implique pas l’univer- impossible puisque la propriété essentielle du
salité sémantique et soit compatible avec le comportement verbal est l’indépendance sé-
relativisme (c’est pourquoi il ne nous semble mantique, c’est-à-dire la possibilité que l’on a
pas que ce postulat puisse être considéré d’utiliser les mots hors de la présence des
comme une version faible de [8] et venir au choses. Willard Van Orman Quine (*1908)
secours des universaux substantiels). avait dès 1960 (Quine 1960, 32 sq) proposé
une théorie qui rende compte de cette pro-
6.2. Innéisme priété, en comptant comme élément de la ›sti-
mulus-signification‹ à la fois les éléments qui
C’est sur le problème de l’innéisme (v. art. 72 ) présentés au locuteur entrainent son assenti-
que les théories chomskyennes ont sans doute ment et ceux qui entrainent son dissentiment.
le plus innové par rapport aux occurrences Jules Vuillemin (*192 0) a fourni une critique
antérieures de ce thème. Le phénomène de décisive de cette conception (1976). Son ar-
l’apprentissage est utilisé contre la thèse gé- gument consiste à insister sur la liaison entre
nétique. A l’âge classique, la philosophie de assentiment et dissentiment. Puisque les
Locke a été une source importante de renou- couples d’antonymes sont variables de langue
veau pédagogique et l’on opposait, au à langue, les stimuli naturels ne peuvent en
contraire, la nécessité d’un apprentissage à la rendre compte et il faut présupposer la struc-
grammaire générale. Au 19° siècle, l’hypo- ture conceptuelle de la langue pour
thèse d’une structure biologique innée, était comprendre dans chaque cas le fonctionne-
rattachée à la diversité des familles linguis- ment de la négation.
tiques, dont chacune était censée se rattacher Le plus souvent l’innéisme est défendu par
à une ›race‹. Les générativistes, au contraire, ce qu’on peut appeler l’argument de Goodman
rattachent la structure innée aux universaux ou par l’universalité. Nelson Goodman
et à une nature humaine indivise en tout (*1906) a montré comment on peut construire
homme. des prédicats incompatibles susceptibles de
L’empirisme tend naturellement à supposer recevoir une confirmation empirique (1954).
l’antériorité génétique des termes concrets par L’exemple des émeraudes auxquelles on peut
rapport aux termes abstraits. Leibniz dans ses attribuer également le prédicat ‘green’ et le
Nouveaux Essais opposait à Locke le fait prédicat ‘grue’ (lequel s’applique à toutes les
qu’étymologiquement les noms propres (par choses examinées jusqu’à maintenant, seule-
exemple, fr. AU-roux) dérivent souvent des ment si elles sont vertes, mais à toutes les
noms communs. L’encyclopédiste Beauzée a autres choses seulement si elles sont bleues,
repris l’argument, qui n’a jamais troublé au- cf. 1983, 74), a connu une fortune exception-
cun empiriste. Ce dernier soutient, en effet, nelle chez les générativistes (par exemple,
simplement l’antériorité génétique, dans la Katz 1966, 2 18). Ces derniers en concluent
connaissance, des termes singuliers (cf. Do- que pour choisir un prédicat, il faut une hy-
minicy 1985, pour une analyse formelle du pothèse qui n’est pas donnée dans l’expé-
problème). La stratégie des rationalistes mo- rience, argument qui n’ajoute rien à ce que
dernes consiste à montrer que le passage du Kant dans la Préface de la première Kritik
singulier perçu à la généralité linguistique est tirait des conditions mêmes de l’expérimen-
impossible ou au moins peu plausible. Dans tation scientifique. Mais s’il faut des condi-
une situation normale d’apprentissage l’en- tions non données dans l’expérience pour sé-
fant n’est pas soumis à suffisamment de sti- lectionner des hypothèses, d’une part nous
muli pour qu’on puisse expliquer par là l’ap- avons toujours un système de préjugés à dis-
parition de ses aptitudes à manier une langue. position que nous inculque notre histoire et
En particulier, l’enfant produit des séquences
12.  La tradition rationaliste dans la philosophie du langage 195

celle que nous transmet notre éducation, des règles morales, position qui suppose que
d’autre part, rien n’implique que les condi- l’activité linguistique repose sur la conscience
tions au départ de toute connaissance doivent qu’a le sujet parlant de la règle (thèse défen-
être de nature cognitive (nous avons des due aujourd’hui par des auteurs comme Gau-
conditions physiques concernant la percep- ger 1976 et Itkonen 1978). On peut expliquer
tion). ainsi certaines propriétés linguistiques; l’as-
L’universalité n’est pas une preuve pour sertion classique selon laquelle dans une
l’innéisme, il ne s’agit ni d’une condition né- langue deux mots ne peuvent être exactement
cessaire (l’innéité impliquerait l’universalité), synonymes (Gauger 1973, Auroux 1984 c)
ni d’une condition suffisante (l’universalité peut être conçue comme une règle du compor-
impliquerait l’innéité). Elle n’est pas néces- tement linguistique de sujets rationnels. On
saire, car il y a manifestement des traits innés aura également une conception claire de ce
non universaux. Elle n’est pas suffisante. Sup- qu’est une faute de grammaire. Mais à l’in-
posons qu’elle le soit. Ce qui est universel est verse des règles de Chomsky (ou de toute
inné, et par contraposition, ce qui n’est pas autre grammaire formelle) on n’explique pas
inné n’est pas universel. Mais, il pourrait très la construction effective des expressions lin-
bien se faire qu’il y ait de l’universel non inné guistiques.
qu’on expliquerait, par exemple, par l’identité D’une certaine façon la réduction des règles
des fonctions ou celle du monde. Les pro- grammaticales à des algorithmes confirme
priétés universelles, enfin, peuvent être des l’intuition des classiques concernant l’impor-
propriétés du système en lui-même, indépen- tance de l’arithmétique dans les activités ra-
dantes du fait que le système soit ou non tionnelles. Toutefois, c’est jouer sur les mots
utilisé par un esprit humain; il n’est pas illo- que de parler d’invention ou de création. A
gique de soutenir que la grammaire d’une coup sûr je puis engendrer tout nouvel entier
langue est une propriété de la langue et non à partir de zéro, un et la fonction successeur,
du cerveau qui l’utilise (cf. Putnam, dans Pia- mais l’invention, ce n’est pas de produire un
telli-Palmarini 1975, 418). L’innéisme n’est nouvel entier, c’est, par exemple, de produire
pas une hypothèse commune nécessaire au un irrationnel. Mettez un ordinateur dans une
linguiste, même s’il adopte les techniques des cave, programmez-le pour construire la suite
générativistes (cf. Milner 1982 , 302 —317), pas infinie des entiers, revenez dans mille milliards
plus qu’aucune hypothèse biologique ou psy- d’années, il n’aura toujours pas produit un
chologique. nombre irrationnel.
L’interprétation de la créativité par la ré-
6.3. Créativité cursivité fait, en outre, violence à des pro-
priétés élémentaires du langage naturel. On a
L’idée classique d’une créativité par des règles fait remarquer en effet qu’elle suppose: i) la
(un ›ars inveniendi‹) est fournie par le De Arte grammaticalité de phrases de longueur infinie;
Combinatoria de Leibniz. Il s’agit d’un mythe, ii) la fixité de la signification des mots, ou du
fondé sur l’image (qu’on trouve déjà dans moins son indépendance par rapport à l’ac-
l’idée cartésienne de langue universelle) de tivité du locuteur (Parkinson 1972 ). La ques-
l’engendrement de la suite des entiers naturels. tion — qui touche aussi bien l’acte de parole
L’apport incontournable de Chomsky est individuel que l’évolution historique des
d’avoir proposé un moyen simple pour rendre langues — est de savoir d’où vient la capacité
la grammaire des langues naturelles ›calcu- d’engendrer du ›nouveau‹. Si on opte pour la
lable‹, au sens moderne de la récursivité et récursivité, le calcul rend l’innovation prédic-
des machines de Turing. Ceci impose des tible, mais tombe sous le coup de l’argument
contraintes très fortes sur la notion même de sur l’émergence des irrationnels. Evidemment
›règle de grammaire‹: elles doivent (grossiè- on peut toujours recourir à une liberté inas-
rement) correspondre à des algorithmes de signable (Parkinson 1972 , 59; Sampson 1980),
réécriture (cf. Chomsky 1961). On pourrait à la sensibilité ou à une faculté esthétique de
concevoir, à l’inverse, qu’une règle de gram- l’homme, comme l’ont fait Wilhelm von
maire est une prescription qui asserte qu’un Humboldt (1767—1835) (v. art. 2 7) ou Be-
sujet doit effectuer un certain acte (cf. les nedetto Croce (1866—1952 ). Mais si on ne
règles de morale), ce qui n’implique pas qu’il veut pas sombrer dans l’irrationalisme pur et
suive nécessairement la règle (fautes). Il me simple, il faut proposer un autre modèle.
semble que les classiques — cela est pour une De manière générale toutes les réductions
grande part liée à leur attitude presciptiviste de l’activité linguistique à un calcul, qui ont
— envisagent plutôt les règles sur le modèle
196 I. Raum-zeitliche Übersichten

été proposées jusqu’ici, reposent sur ce qu’on 7. Le rationalisme minimum


pourrait appeler ‘l’axiome de la langue’: il y
a une langue homogène, intériorisée par tous Comme nous l’avons noté au départ, la dé-
les sujets parlants (cf. la compétence choms- finition de la tradition rationaliste en matière
kyenne). Cet axiome peut s’interpréter par les de philosophie du langage n’est pas quelque
conditions [11] et [12 ]. Si la thèse du calcul ne chose de simple. Il faut la chercher davantage
s’y réduit pas, elle est, du moins sous la forme chez les linguistes que chez les philosophes,
que nous lui connaissons, impossible sans lui. sans doute parce que si l’on excepte la pro-
L’axiome de la langue est une contrainte plus blématique transcendantale à la Husserl, les
forte que la conception structurale, qui pro- philosophes rationalistes n’ont pas de posi-
pose simplement une communauté de formes tion véritablement caractéristiques en matière
(par ex. le système phonologique au sens pra- de langage, si ce n’est peut-être d’accorder à
guois). Si on admet [12 i], alors d’une part la ce dernier une position subalterne, voire ac-
connaissance d’une représentation collective cessoire (cf. Kant) dans l’activité cognitive.
comme le langage peut s’effectuer sur la Le contenu philosophique de la conception
compétence d’un seul individu, et d’autre part rationaliste du langage est constituée par l’en-
la représentation collective peut être étroite- trecroisement de certains éléments du ratio-
ment dépendante d’une contrainte biologique nalisme philosophique (innéisme, spontanéité
de type hérédité. A l’inverse si on refuse [12 i], de l’entendement, etc.) et de préoccupations
on fait en quelque sorte la ›conjecture socio- méthodologiques essentielles à la représenta-
logique‹, selon laquelle le langage est ce qui tion du langage humain. On peut définir, au
se passe entre les individus parlants et pas plus proche du rationalisme philosophique,
seulement dans la tête de chacun d’entre eux. un rationalisme maximum. Il accorderait de
[11] L’ensemble des propriétés de toutes les
la plus forte à la plus faible, au moins l’une
phrases possibles d’une langue L (ou l’ensemble des
des thèses suivantes: i) l’innéisme, ii) le trans-
phrases possibles), peut être décrit (ou engendré)
cendantal, iii) le statut de nécessité logique
par un ensemble consistant d’axiomes.
des assertions définissant la nature des
[12 ] Soient un groupe de sujets S1 ... Sn et R(i,j) langues naturelles, iv) les universaux substan-
tiels, v) la créativité, vi) la réduction de l’ac-
la représentation j du sujet Si; soit A une fonction
tivité linguistique à un calcul homogène.
qui fait passer de l’ensemble des représentations
L’axiome de la langue, qui découle de ces
individuelles à une représentation collective R(col,
thèses, paraît moins un axiome du rationa-
k). On dira que la représentation collective est une
lisme que du positivisme (il est soutenu no-
représentation commune si et seulemement si:
tamment par les néogrammairiens). Il faut
(i) pour tout j, A[R(1, j), ..., R(n, j)] = R(col, j)
relier aux thèses i—ii, également, une thèse
on a R(col, j) = R(1, j) = ... = R(n, j).
au statut ambigu (il est difficile de dire si elle
La standardisation dans les grands Etats en découle ou en constitue le principe) et que
donne une certaine consistance empirique à nous n’avons pas discutée. Elle asserte que
l’axiome de la langue, mais cette rationalisa- seuls les animaux humains peuvent posséder
tion de la communication ne peut certaine- ce que nous considérons au sens propre
ment pas être conçue comme révélant l’es- comme un langage (mais en elle-même, cette
sence de l’activité linguistique. Il y a incon- thèse peut n’être qu’une constatation empi-
testablement une hétérogénéité de la gram- rique; cf. Premack 1986). La thèse, caracté-
maire. Le français populaire ‘L’homme que je ristique du rationalisme cartésien, selon la-
lui ai parlé’ et le français standard ‘L’homme quelle aucune machine ne saurait avoir un
à qui j’ai parlé’ ne peuvent probablement pas comportement linguistique, tient moins à l’es-
être décrits à partir des mêmes axiomes. Cela sence de la tradition rationaliste qu’à la
n’invalide probablement pas la tentative d’ex- conception étroite que le philosophe avait du
pliquer les activités linguistiques par le calcul. concept de machine (sa négation est impliquée
Mais au lieu d’envisager des règles homo- par la thèse vi). C’est pourquoi nous ne
gènes, présentes en tout sujet parlant, il fau- l’avons pas non plus discutée. Nous pensons
dra sans doute construire des modèles inter- avoir donné suffisamment d’arguments pour
actifs mettant en présence différents sujets aux soutenir que le rationalisme maximum ou ra-
compétences différentes, dont la confronta- tionalisme théorique n’est pas tenable. Dans
tion dans le temps, produit de nouvelles règles l’avenir, il pourrait ne subsister de la tradition
et de nouvelles structures linguistiques. rationaliste que deux thèses constituant, en
quelque sorte, un rationalisme minimum: i) les
13.  Sprachphilosophie in der Romantik 197

langues naturelles peuvent faire l’objet d’as- (cf. Gesammelte Werke, Band XVIII) [1901].
sertions générales spécifiques à valeur prédic- Exposition du point de vue de la philosophie trans-
tive; ii) le calcul a une place dans l’activité cendantale.
linguistique. Il s’agit là des requisits indispen- Katz 1981, Language and Other Abstract Objects.
sables à ce qu’on puisse considérer les langues Il s’agit sans doute de l’exposé des positions les
naturelles comme les objets possibles d’une plus extrêmes du rationalisme, puisqu’il aboutit au
approche scientifique au sens strict. platonisme et soutient ouvertement que la séman-
tique doit être une discipline a priori.
Piatelli-Palmarini (éd.) 1979, Théories du langage/
8. Bibliographie sélective Théories de l’apprentissage. Le débat entre Jean
Beauzée 1767, Grammaire Générale. Piaget et Noam Chomsky.
Il s’agit probablement de la grammaire générale au Il s’agit du débat le plus complet sur la question;
sens classique, la plus achevée jamais écrite. dans son équilibre, une certaine prépondérance des
Chomsky 1966, Cartesian Linguistics: A Chapter in arguments rationalistes.
the History of Rationalist Thought. Sampson 1980, Schools of Linguistics.
Il s’agit du point de départ des discussions contem- Critique maximaliste des conceptions rationalistes
poraines sur la question. des langues naturelles.
Husserl 1972 , trad. fr. de Logische Untersuchungen.
Sylvain Auroux, Paris (France)

13. Sprachphilosophie in der Romantik

1. Der Epochenbegriff ‘Romantik’ und die richtungen, die daraus entstanden sind, eigen-
Wortgeschichte tümliche Ausprägungen gefunden haben. So
2. Die Begründung der modernen Sprachphilo- gibt es für manche Entwicklungen bestimmte
sophie im Zeitalter der Romantik Ursprungsländer und daneben Randgebiete,
3. Sprachphilosophie und Sprachästhetik der die weniger stark erfaßt worden sind. Außer-
deutschen Romantik dem haben sich im Laufe der Zeit in den
4. Das Verhältnis der systematischen Philoso- einzelnen Ländern eigenständige Leitbegriffe
phie zur Sprachphilosophie für die verschiedenen Bereiche geistigen und
5. Gibt es einen romantischen Sprachbegriff? künstlerischen Schaffens herausgebildet, die
6. Die französischen Ideologen schlecht übertragbar sind und infolgedessen
7. Literatur in Auswahl eine allgemeine Übersicht und Verständigung
erschweren. Ferner ist zu beachten, daß man-
che Strömungen von einem Land auf andere
1. Der Epochenbegriff ‘Romantik’ Länder übergegriffen haben und daß auch
und die Wortgeschichte Rück- und Wechselwirkungen eingetreten
sind. Dadurch werden die zeitlichen Bestim-
1.1.  Jeder Versuch, die Geistesgeschichte Eu- mungen erschwert. Die Erscheinungen treten
ropas nachträglich mit Hilfe von Leitbegriffen häufig nicht zeitgleich auf, alte und neue Be-
zu erfassen und zu gliedern, bleibt anfechtbar, wegungen können sich überdies in ein und
weil die geistigen Strömungen, um die es dabei demselben Lande überschneiden. Dies alles
geht, immer vielschichtig sind und weil die bringt es mit sich, daß jede verkürzte und
Zuordnung der einzelnen Persönlichkeiten schematisierende Darstellung die Gefahr von
noch zusätzliche Schwierigkeiten bereitet. Fehldeutungen mit sich bringt. Das Gesagte
Denn diese haben häufig in ihrem Leben er- gilt nun in ganz besonderem Maße für die
hebliche Wandlungen durchgemacht, so daß große europäische Geistesbewegung, die
man sie nicht in bestimmte Kästchen einord- heute mit dem Stichwort ‘Romantik’ bezeich-
nen kann. Hinzu kommt, daß die großen net wird. Sie ist so vielschichtig, daß manche
Strömungen, die diesen Kontinent erfaßten, Beobachter auf diesen umstrittenen Epochen-
in den einzelnen Ländern ein unterschied- begriff ganz verzichten wollten. Das ist aber
liches Schicksal erfahren haben. Die kulturel- angesichts der Tatsache, daß zahlreiche Dar-
len, politischen und sozialen Voraussetzungen stellungen den Begriff schon im Titel tragen,
waren derart verschieden, daß auch die Denk- weder sinnvoll noch praktisch durchführbar.
Wir werden aber die Ausdrücke ‘romantisch’
198 I. Raum-zeitliche Übersichten

und ‘Romantik’ zu klären haben, bevor in 1863, 1786—1859) aus dem Jahre 1893, das
diesem Essay über die Sprachphilosophie in von Moriz Heyne (1837—1906) bearbeitet ist,
der Romantik berichtet werden kann. Die bereits die meisten Angaben, die auch in spä-
Wahl des Titels zeigt, daß absichtlich der Aus- teren Werken anzutreffen sind. ‘Romantisch’
druck ‘romantische Sprachphilosophie’ ver- wird hier als Entsprechung zu frz. ‘romanti-
mieden worden ist. Dies hat mehrere Gründe: que’, engl. ‘romantic’ vorgestellt, und zwar
In der Geschichte der Philosophie tauchen die als Ableitung zu frz. ‘romant’, einer Neben-
Begriffe ‘romantisch’ und ‘Romantik’ nur sel- form zu ‘roman’. Ein Roman ist „eine erdich-
ten auf. Hier sind andere Kennzeichnungen tete oder dichterisch ausgeschmückte er-
und Epochenbegriffe üblich. So gilt Frank- zählung gröszeren umfangs in prosa, deren
reich als Stammland des Rationalismus und kern gewöhnlich ein liebesvorgang ist“ (1152 ).
der Aufklärung, England als das des Sensua- Es handelt sich ursprünglich um eine Er-
lismus und des Empirismus und Deutschland zählung in der romanischen Volkssprache
als das der transzendentalen und idealisti- (richtiger: in einer romanischen Volksspra-
schen Philosophie. Dahingegen ist die roman- che), im Gegensatz zum Lateinischen. ‘Ro-
tische Bewegung primär im Bereich der Lite- man’ kennzeichnet später eine literarische
ratur und Poesie sowie in den bildenden Kün- Gattung, wobei das Merkmal des Erdichteten
sten und in der Musik beheimatet. Daß es in betont wird. Die Eigenschaften der Romane,
dieser Epoche, die zeitlich noch einzugrenzen das Abenteuerliche, Phantastische, auch das
ist, auch Philosophie gegeben hat, ist klar, ob Mittelalterliche, das Malerische der Natur-
und inwieweit diese aber von romantischem beschreibungen u. ä. haben dem Worte ‘ro-
Gedankengut berührt worden ist oder dieses mantisch’ dann ihre inhaltlichen Merkmale
sogar beeinflußt hat, bleibt zu prüfen. Noch vererbt. Für das Deutsche wird der Erstbeleg
schwieriger ist es, innerhalb der Philosophie auf das Jahr 1698 angesetzt. Der Gebrauch
speziell sprachphilosophische Überlegungen ist zunächst schwankend, allmählich erweitert
auszugrenzen, denn überraschenderweise hat sich die Bedeutung. So wird es von der Welt
die Sprache bei den meisten Philosophen der der Dichtung in Romanen im Sinne von ‘poe-
Zeit entweder gar keine oder doch nur eine tisch’, ‘die Phantasie anregend’, ‘phantastisch’
beiläufige Rolle gespielt, während den meisten gebraucht, so noch von Friedrich Schiller
Romantikern die Sprache so wichtig war, daß (1759—1805), Johann Wolfgang Goethe
sie eigene sprachphilosophische Gedanken (1749—1832 ) und Jean Paul (Johann Paul
entwickelt haben. Bevor dies aber gezeigt wer- Friedrich Richter, 1763—182 5). Im 18. Jahr-
den kann, ist ein Rückblick auf die Geschichte hundert wird es häufig auf Landschaften be-
des Begriffs ‘romantisch’ unerläßlich. Dazu zogen, so bei Johann Christoph Adelung
müssen historische und etymologische Wör- (1732 —1806) und Johann Gottfried Herder
terbücher herangezogen werden, wobei Vor- (1744—1803) (s. Art. 2 6). Später kennzeichnet
sicht am Platze ist. Das Wort ‘romantisch’ ‘romantisch’ die Poesie oder eine poetische
hat eine wechselvolle Geschichte und dabei Lebensauffassung, vor allem des katholischen
erhebliche semantische Wandlungen erfahren. Mittelalters im Gegensatz zum klassischen
Die Fachwörterbücher registrieren die Belege Altertum. Hier nähern wir uns bereits der
in historischer Reihenfolge und legen Wert Epoche der Romantik. Schiller nannte seine
auf Erstbelege. Diese Angaben geben den je- Jungfrau von Orleans z. B. ‘Eine romantische
weiligen Stand der Forschung wieder. Die Tragödie’. Sodann wird ‘romantisch’ für die
Erstbelege besagen aber oft wenig und werden dichterische Richtung gebraucht, die von den
leicht überbewertet. Verweise auf die etymo- beiden Schlegel eingeleitet und als ›romanti-
logische Herkunft nutzen meist wenig, weil sche Schule‹ bekannt wurde. Schließlich wird
diejenigen, die die Ausdrücke verwendet ‘romantisch’ auf andere Kunstgebiete über-
haben, von deren Herkunft gar nichts gewußt tragen, z. B. auf die Malerei und auf die
zu haben brauchen. Nur unter Berücksichti- Musik. Das Adjektiv geht dem Epochenbe-
gung aller Begleitumstände kann man aus der griff ‘Romantik’ weit voraus. Über das Stich-
Chronologie der Belege Rückschlüsse auf die wort ‘Romantik’ berichtet das Grimmsche
begriffsgeschichtliche Entwicklung ziehen. Wörterbuch nur kurz und unzureichend: Es
Beim Vergleich der Wörterbücher fällt auf, wird damit das Romantische an einer Land-
daß die späteren vieles von den Vorläufern schaft oder einem Dichtwerk ausgedrückt,
übernommen haben. So enthält z. B. der und als Allgemeinbegriff steht es für die ro-
8. Band des Deutschen Wörterbuches der Ge- mantische Richtung in der Lebensauffassung,
brüder Jacob und Wilhelm Grimm (1785— vor allem in der Kunst. Die Vertreter dieser
13.  Sprachphilosophie in der Romantik 199

Richtung werden dann ‘Romantiker’ ge- ders bei William Skakespeare (1564—1616),
nannt. Im Etymologischen Wörterbuch der aber diesem fehle letztlich doch die Schönheit.
deutschen Sprache von Kluge/Mitzka (1967) Schlegel glaubt hier ein ›charakteristisches‹
wird darüber hinaus angegeben, daß die eng- und ›philosophisches‹ Interesse feststellen zu
lischen Romane auf Europa gewirkt und dem können. Er sucht nach einem noch treffen-
Romantischen einen neuen Sinn gegeben deren Ausdruck zur Charakterisierung der
haben. Vorher sei ‘romantisch’ vorwiegend modernen Dichtung, die sie von (antiker)
abwertend gebraucht worden, später auch im Schönheit unterscheidet, und erwägt mehrere
positiveren Sinne. Es folgen Hinweise wie die, Möglichkeiten: Er versucht es mit ‘charakte-
daß Ludwig Tieck (1773—1853) seine Dra- ristisch’ als Gegenbegriff zu ‘schön’, dann mit
mensammlung 1799 Romantische Dichtungen ‘individuell’, ‘philosophisch’ und ‘subjektiv’
genannt hat, daß August Wilhelm Schlegel gegenüber ‘objektiv’ als Synonym zu ‘schön’.
(1767—1845) den Gegensatz ‘klassisch-ro- Kurz darauf schlägt er ‘interessant’ vor, viel-
mantisch’ herausgestellt und daß Novalis leicht angeregt durch Kants Auffassung der
(Friedrich von Hardenberg, 1772 —1801) den Kunst als interesselosem Wohlgefallen. Die
Begriff ‘Romantik’ in Analogie zu ‘Klassik’ neuere Dichtung will interessant sein. Obwohl
gebildet haben soll. Schlegel hier schon eine geheime Neigung für
das Interessante verrät, bleibt ihm die mo-
1.2.  Der bisherige Rückblick auf die Wort- derne Dichtung fragwürdig. Die nötige Re-
geschichte hat gezeigt, wie vieldeutig die Aus- aktion sieht er bereits in Goethes klassizisti-
drücke ‘romantisch’ und ‘Romantik’ sind. scher Entwicklung seit 1780 angebahnt. Die
Zahlreiche weitere Untersuchungen bestäti- geforderte ästhetische Revolution besteht für
gen dies (Mason 1970; Wellek 1963; 1965; Schlegel zu diesem Zeitpunkt in einer vorbe-
Prang 1968; Oppel 1968; Behler 1972 ). Über haltlosen Rückwendung zum Vorbild der
den wichtigen Sinngehalt, den sie in der Epo- Griechen, also zu strengem Klassizismus. Ge-
che der Romantik gewonnen haben, besagt nau in diese Richtung bewegte sich die gerade
dies aber noch nichts. Die entscheidende Aus- jetzt von Schiller und Goethe propagierte äs-
prägung des Begriffs ‘romantisch’ ist auf das thetische Kunstauffassung. Kurz vor der Ver-
Ende des 18. Jahrhunderts zu datieren, sie ist öffentlichung von Schlegels Buch erscheint
eng verbunden mit der zentralen Gestalt der Schillers Schrift Über naive und sentimentali-
deutschen Romantik, nämlich mit Friedrich sche Dichtung, die Schlegels Problem trifft.
Schlegel (1772 —182 9). Diese wichtige Ein- ‘Naiv’ entspricht ungefähr Schlegels ‘schön’,
sicht verdanken wir detaillierten Untersu- ‘sentimentalisch’ ungefähr ‘interessant’. Schil-
chungen des Engländers Eudo C. Mason ler aber hebt das Positive des Sentimentali-
(1901—1969) in seiner Studie Deutsche und schen hervor und stellt die Moderne gleich-
englische Romantik (1970). berechtigt neben die Antike. Schlegel erkennt
Friedrich Schlegel sah sich 1794/95 in sei- mit großer Betroffenheit, daß Schiller recht
nem Buch Über das Studium der griechischen hat und vollzieht eine radikale Kehrtwen-
Poesie aufgrund des Vergleichs der antiken dung, die allerdings im nachträglich noch ein-
Dichtung mit der Moderne zu der Annahme gefügten Vorwort zum eigenen Werk nur an-
gedrängt, der Augenblick für eine ästhetische gedeutet wird. So kann Mason mit Recht
Revolution sei reif. Modern ist für ihn alles sagen, daß Schlegel praktisch noch vor dem
vom Mittelalter an bis zur Neuzeit. Was Jo- Erscheinen seines ›klassischen‹ Manifests be-
hann Joachim Winckelmann (1717—1768) reits zum ›Romantiker‹ geworden ist, und dies
für die griechische bildende Kunst gezeigt hat, ausgerechnet durch den Einfluß des ›Klassi-
das will er für die griechische Dichtung lei- kers‹ Schiller (Mason 1970, 12 ). Schlegel aber
sten. Dieser Aufgabe ist er aber noch nicht sucht immer noch nach einem passenden, und
gewachsen. Das Kennzeichen wahrer Dich- zwar jetzt positiv gemeinten Begriff für die
tung ist Schönheit, die nur als Sieg über die ›interessante‹ Dichtung. Im Herbst 1797 muß
bloße Natur möglich und nur durch einen er dann auf ‘romantisch’ gekommen sein, und
radikalen Wandel des Geschmacks zu errei- jetzt gewinnt der Begriff seine für die deutsche
chen sei. Allen modernen Dichtern spricht er Romantik charakteristische Bedeutung, die
Schönheit in diesem Sinne ab. Sein Schön- dann auch auf die europäische Romantik ein-
heitsbegriff ist von Auffassungen Immanuel wirkt. Am 2 6. August 1797 nennt Friedrich
Kants (17 2 4—1804), Winckelmanns und Schlegel in einem Brief an seinen Bruder Au-
Schillers geprägt. Freilich erkennt Schlegel gust Wilhelm Goethes Hermann und Dorothea
auch in der Moderne Lobenswertes, beson- ein ‘romantisches Epos’. August Wilhelm ver-
200 I. Raum-zeitliche Übersichten

steht das nicht und bittet um Erläuterung. und das Alte ist nicht klassisch, weil es alt, sondern
Friedrich antwortet, er könne dies brieflich weil es stark, frisch, froh und gesund ist. Wenn wir
nicht mitteilen, habe aber das Wort bereits nach solchen Qualitäten Klassisches und Roman-
auf 12 5 Bogen erläutert (Mason 1970, 14). tisches unterscheiden, so werden wir bald im Rei-
Im November desselben Jahres werden die nen sein“ (Eckermann 1959, 253).
Fragmente für die geplante Zeitschrift Athe- Weiter ist zu beachten, was Goethe laut
näum angekündigt, und dort ist dann 1798 im Eckermann über die Entstehungsgeschichte
Fragment 116 die romantische Poesie als ‘pro- der Unterscheidung von Klassik und Roman-
gressive Universalpoesie’ gekennzeichnet. In tik sagt:
diesen neuen Begriff strömen nun alle die „Der Begriff von klassischer und romantischer
inhaltlichen Bestimmungen ein, die für die Poesie, der jetzt über die ganze Welt geht und so
romantische Bewegung in dieser Frühphase viel Streit und Spaltungen verursacht, fuhr Goethe
bestimmend geworden sind. Es geht um eine fort, ist ursprünglich von mir und Schiller ausge-
Wiedervereinigung aller Gattungen der Poe- gangen. Ich hatte in der Poesie die Maxime des
sie, ihre Anbindung an Philosophie und Rhe- objektiven Verfahrens, und wollte nur dieses gelten
torik. Poesie und Prosa, Genialität und Kri- lassen. Schiller aber, der ganz subjektiv wirkte, hielt
tik, Kunst- und Naturpoesie sollen sich mi- seine Art für die rechte, und, um sich gegen mich
schen und miteinander verschmelzen. Leben zu wehren, schrieb er den Aufsatz über naive und
und Gesellschaft, alles, auch der Witz, soll sentimentale Dichtung. Er bewies mir, daß ich sel-
poetisiert werden. Neue Synthesen werden ge- ber, wider Willen, romantisch sei, und meine Iphi-
sucht, Entgrenzung wird angestrebt, dazu be- genie, durch das Vorwalten der Empfindung, kei-
darf es einer spontanen Leistung der ›schöp- neswegs so klassisch und im antiken Sinne sei, als
ferischen Einbildungskraft‹. Ein höchstes Ma- man vielleicht glauben möchte. Die Schlegel ergrif-
ximum der Poesie soll erreicht werden. F. fen die Idee und trieben sie weiter, so daß sie sich
Schlegel erklärt dazu: „Nach meinem Sprach- denn jetzt über die ganze Welt ausgedehnt hat, und
gebrauch ist eben das romantisch, was uns nun jedermann von Klassizismus und Romantizis-
einen sentimentalen Stoff in einer fantasti- mus redet, woran vor fünfzig Jahren niemand
schen Form darstellt“ (Behler 1966, 73). Hier- dachte“ (1959, 308 f).
mit wird auch der Anschluß an das Roman- Schließlich ist bemerkenswert, daß Goethe
hafte hergestellt, das in seiner neuen Theorie in einem Gespräch mit seinem Sohn August
des Romans Eingang findet. Der neue ver- zugesteht, daß er selbst im Helenaakt des
tiefte Begriff des Romantischen verdankt Faust (2 . Teil) dem „antiken Teil“ eine „opern-
dann seine weitere Ausprägung der engen Zu- artig romantische Hälfte“ entgegengesetzt
sammenarbeit F. Schlegels mit seinen Freun- habe (Eckermann 1959, 470 f). Beide Auffas-
den. Besonderer Anteil kommt dabei dem sungen stehen hier also gleichberechtigt ne-
jung verstorbenen Novalis zu. Wichtig ist, beneinander. Bedenkt man ferner, daß Goe-
daß der neue Sinngehalt des Begriffs ‘roman- thes Werther, sein Götz von Berlichingen und
tisch’ mit ziemlicher Sicherheit zeitlich be- Wilhelm M eisters Lehrjahre voller romanti-
stimmbar ist, und zwar auf den Herbst 1797. scher Motive stecken und von einigen Ro-
Aus diesem Grunde ist es erforderlich, bei mantikern deshalb auch gepriesen worden
jedem Auftreten des Wortes Zeitpunkt und sind, dann wird deutlich, daß auch über die
Umstände zu beachten. So gebrauchte F. ›Klassizität‹ Goethes nicht pauschal geurteilt
Schlegel selbst das Wort vor 1797 gelegentlich werden darf. Aus den geschilderten Voraus-
noch als Synonym für ‘mittelalterlich’ oder setzungen heraus ist die deutsche romantische
‘gotisch’, zur Zeit seiner ›Gräkomanie‹ auch Bewegung entstanden.
im Sinne von ‘schwärmerisch’, ‘überspannt’,
also ausgesprochen abwertend. Wichtig ist 1.3.  In England und Frankreich sieht es ganz
auch, wie Goethe den Ausdruck verstanden anders aus. Wenn man daher von einer ge-
hat. Oft zitiert ist sein von Johann Peter Ek- samteuropäischen romantischen Bewegung
kermann (1792 —1854) 1959, 2 53 überlieferter spricht, so handelt es sich um eine aus großer
Ausspruch: „Das Klassische nenne ich das Distanz gewagte Zusammenschau disparater
Gesunde, und das Romantische das Kranke“. Erscheinungen. Generell kann gesagt werden,
Entscheidend aber ist Goethes folgende Er- daß sich am Anfang überall besonders in li-
läuterung: terarischen Kreisen eine Unzufriedenheit über
„Und da sind die Nibelungen klassisch wie der den Zustand von Literatur und Poesie be-
Homer, denn beide sind gesund und tüchtig. Das merkbar macht, die dann auch die übrigen
meiste Neuere ist nicht romantisch, weil es neu, Künste erfaßt. Das Unbehagen an den herr-
sondern weil es schwach, kränklich und krank ist,
13.  Sprachphilosophie in der Romantik 201

schenden Zuständen ist durch verschiedene (1769—182 1) die Länder Europas mit Krieg
Ursachen ausgelöst, die im 17. Jahrhundert und Schrecken überzog, setzte eine Reaktion
zu suchen sind und ins 18. Jahrhundert ein- ein, die anfangs berechtigte patriotische Ge-
wirken. Es handelt sich um bestimmte tra- fühle weckte, dann aber auch nationalistische
dierte Kunstauffassungen und Denkweisen, und chauvinistische Züge annahm. Die ro-
die mit Epochenbegriffen wie ‘Rationalis- mantische Bewegung schlug unter diesen Um-
mus’, ‘Aufklärung’ und ‘Klassik’ bzw. ‘Klas- ständen teilweise in das Gegenteil dessen um,
sizismus’ zu fassen sind. Diese Bewegungen was sie anfangs gewesen war: sie nahm kon-
hatten, von Land zu Land in verschiedener servative, restaurative, ja reaktionäre Züge
Ausprägung und Stärke, eine Vorherrschaft an. Demokratische Tendenzen wurden zu-
reinen Verstandes- und Fortschrittdenkens rückgedrängt, und die alten autoritären po-
begünstigt und eine einseitig an der Antike litischen Ordnungen gingen gestärkt aus den
orientierte regulative Kunstauffassung geför- Wirren der napoleonischen Kriege hervor. —
dert, so daß die für eine volle künstlerische Faßt man das Romantische als eine gefühls-
Entfaltung unentbehrlichen Kräfte des Ge- betonte, naturnahe, gegen Zwänge aller Art
fühls und der individuellen Schöpferkraft zu- gerichtete Geisteshaltung mit metaphysi-
rückgedrängt wurden. Rationalismus und schem, irrationalem Einschlag, so kann eine
Aufklärung hatten außerdem atheistische solche Einstellung zu allen Zeiten möglich
Tendenzen gefördert und die christliche Re- sein. Entsprechend ist auch ‘romantisch’ auf
ligion als kulturbestimmende Weltanschau- Kunstwerke verschiedener Epochen bezogen
ung in Frage gestellt. Bei aller berechtigten worden. So konnten z. B. die Odyssee Homers
Begeisterung für die antike Kunst setzte sich (8. Jh. v. Chr.), die Nibelungen, der Don Qui-
die Einsicht durch, daß diese viel zu einseitig jote des Miguel de Cervantes (1547—1616)
und daher unangemessen beurteilt worden (oder die Werke Shakespeares) als ‘roman-
war. Auch die Versuche einer Wiederbelebung tisch’ bezeichnet werden. Hier aber soll ‘Ro-
der Antike durch klassizistische Nachahmung mantik’ nur die europäische Bewegung kenn-
konnten nicht mehr befriedigen. So setzte eine zeichnen, die in der Mitte des 18. Jahrhun-
Rückbesinnung auf die eigene Geschichte und derts in England erste Ansätze zeigte, von da
deren künstlerische Leistungen ein und führte auf das kontinentale Europa übergriff, beson-
zu einer neuen Würdigung nationaler Kunst, ders stark Deutschland erfaßte und von dort
an die man anknüpfen konnte. Das Mittel- aus nach allen Seiten ausstrahlte und so auch
alter, von den Aufklärungsdenkern als Zeit- auf England wieder zurückwirkte. Romanti-
alter der Barbarei verfemt, und mit ihm das scher Einfluß reichte aber weit über Europa
(katholische) Christentum, erschienen jetzt in hinaus bis in die südamerikanischen Kolo-
einem neuen, allerdings sehr idealisierten nialstaaten, wo er die Ausbildung eigener na-
Licht. Außerdem machte sich, angeregt durch tionaler Literaturen förderte. Wenn man be-
die Lektüre Jean-Jacques Rousseaus (1712 — denkt, daß die geistesgeschichtlichen und po-
1778) u. a., eine neue Rückwendung zur Na- litischen Voraussetzungen für das romanti-
tur und zum Universum in seiner unendlichen sche Denken in den europäischen Nationen
Größe und Schönheit geltend, und ein damit sehr verschieden waren und sich zudem zahl-
eng verknüpfter Gottesbegriff lenkte den reiche Einflüsse und Wechselwirkungen von
Blick auf den transzendenten Urgrund allen Land zu Land ergaben, dann wird begreiflich,
Seins. Besonders Baruch Spinozas (1632 — daß die Romantik in den verfügbaren Dar-
1677) pantheistische Naturauffassung hat stellungen zeitlich verschieden beurteilt und
hier eingewirkt. Eine Befreiung aller geistigen terminiert wird.
und künstlerischen Kräfte von Regelzwängen
jeglicher Art wurde gefordert, und zwar um 1.4.  In England, wo bereits Dichter wie Ed-
so stärker dort, wo diese Bande als besonders ward Young (1683—1765), Thomas Gray
drückend empfunden wurden. Große politi- (1716—1771) und James Macpherson
sche Ereignisse, die Europa erschütterten, ka- (1736—1796), der Autor der angeblich von
men als auslösende Impulse hinzu. Hier ist einem schottischen Barden Ossian stammen-
vor allem die französische Revolution zu nen- den Gesänge, als wichtige Vorläufer gelten,
nen, die von allen freiheitsliebenden europä- ist die Abgrenzung einer eigentlichen ›Ro-
ischen Geistern zunächst mit großer Zustim- mantik‹ kaum möglich. Die englischen Dar-
mung aufgenommen wurde. Dann aber folgte stellungen bevorzugen eine Kennzeichnung
nach der Schreckensherrschaft eine große Er- ihrer geistesgeschichtlichen Epochen nach
nüchterung, und als Napoleon Bonaparte hervorragenden Gestalten, und so findet man
202 I. Raum-zeitliche Übersichten

Vertreter romantischer Anschauungen im aber spielt die Idee der Sprache in ihr eine
späten ›Age of Johnson‹ — gebildet nach Sa- entscheidende Rolle. Ihre Blütezeit liegt etwa
muel Johnson (1709—1784), vor allem aber zwischen 1790 und 1830. Nicht ganz zu Un-
im ›Age of Byron‹ — nach George Gordon recht hat man gesagt, die Sonderstellung der
Noel Lord Byron (1788—182 4), und noch im Romantik in Deutschland hänge damit zu-
›Age of Tennyson‹ — nach Alfred Lord Ten- sammen, daß die romantische Geisteshaltung
nyson (1809—1892 ). Zur Bildung einer aus- diesem Volke besonders gemäß sei, während
gesprochenen romantischen Schule kam es Frankreich im Grunde immer mehr klassizi-
schon deshalb nicht, weil die klassizistischen stischen Auffassungen zugeneigt habe. In
und aufklärerischen Strömungen im tradi- Deutschland dominiert der romantische Ein-
tionsbewußten England nachwirkten und schlag sogar derart, daß die gleichzeitige deut-
nicht zu so heftigen Reaktionen Anlaß gaben, sche Klassik, repräsentiert durch Goethe und
wie dies etwa in Frankreich der Fall war. Die Schiller, besonders im Blick ausländischer Be-
englische Bewegung hat ihren Schwerpunkt trachter dahinter zu verschwinden droht. In
in der Dichtung, die nie das Erbe des 18. Frankreich und England gelten z. B. Schiller
Jahrhunderts ganz verleugnet. Stellvertretend und Goethe als Romantiker, und wenn man
seien hier nur William Wordsworth (1770— sie etwa mit den französischen Klassikern des
1853) und sein Freund Samuel Taylor Cole- 17. Jahrhunderts, Pierre Corneille (1606—
ridge (1772 —1834) sowie der Romancier Wal- 1684) und Jean Racine (1639—1699), ver-
ter Scott (1771—1832 ) genannt. — In Frank- gleicht, wird dieses Urteil verständlich. — In
reich darf zwar schon Rousseau als Vorläufer den deutschen Darstellungen ist es nun üb-
romantischer Denkansätze gelten, aber die lich, eine frühe oder ältere Romantik, auch
eigentliche französische Romantik setzt erst Berliner oder Jenaer Romantik genannt (etwa
wesentlich später ein und steht überdies unter von 1796—1806), zu unterscheiden von der
dem Einfluß der deutschen Entwicklung. Ma- jüngeren Hochromantik, die auch als Heidel-
dame de Staëls (Anne Louise Germaine Ba- berger Romantik bezeichnet wird. Diese
ronne de St. Holstein, geb. Necker, 1766— reicht bis etwa 1815, und auf sie folgt noch
1817) berühmtem Werk De l’Allemagne, das die Spätromantik, der die sogenannte schwä-
1813 erschien, kommt hier eine vermittelnde bische Schule zugerechnet wird. Schlüsselfi-
Rolle zu. Insgesamt umspannt die französi- guren der frühen Romantik sind die Brüder
sche Romantik etwa den Zeitraum von Fran- Schlegel, August Wilhelm und Friedrich, und
çois René Vicomte de Chateaubriand (1768— der Dichter Novalis. Stellvertretend für die
1848) bis zu Victor Hugo (1802 —1885) und Hochromantik seien hier lediglich die für die
Alfred de Musset (1810—1857). Sie erstreckt Sprachwissenschaft bedeutsamen Brüder Ja-
sich also bis in die zweite Hälfte des 19. Jahr- cob und Wilhelm Grimm, und die durch ihre
hunderts hinein und führte auch zu aggressi- Volksliedsammlungen berühmten Dichter
ven Haltungen, weil es Anlaß genug gab, ge- Clemens von Brentano (1778—1842 ) und
gen die Regelstrenge klassischer und akade- Achim von Arnim (1781—1831), und als Ver-
mischer Doktrinen und gegen die Herrschaft treter der Spätromantik schließlich Joseph
des ›Ancien Régime‹ anzukämpfen. So zeigt von Eichendorff (1788—1857) genannt. —
die französische Romantik, mitbedingt durch Die romantische Bewegung blieb jedoch kei-
die Revolution, den Aufstieg und Sturz Napo- neswegs auf die bisher erwähnten Länder
leons, die anschließenden Auseinandersetzun- England, Frankreich und Deutschland be-
gen zwischen Restauration und revolutionä- schränkt. Zu nennen wären für Italien Ugo
ren Kräften, ebenfalls verschiedene Seiten: Foscolo (1778—182 7) und Alessandro Man-
auch sie hat christlich-restaurative Züge, je- zoni (1785—1873), für Spanien Ángel de Saa-
doch auch liberalisierende und soziale Ten- vedra Duque de Rivas (1791—1865), für Po-
denzen; allenthalben zeigt sich ihre Wirkung, len Adam Mickiewicz (1798—1855) und für
aber ihr Schwerpunkt liegt eindeutig im Li- Rußland Aleksandr Sergeevič Puškin (1799—
terarischen. — In keinem Lande gewann die 1837) und Michail Jur’evič Lermontov
Romantik jedoch eine so zentrale Bedeutung (1814—1841). Infolgedessen kann man von
wie in Deutschland. Hier erfaßte sie alle Be- einer gesamteuropäischen Bewegung spre-
reiche des Geisteslebens mit gleicher Intensi- chen, die allerdings — wie dieser kurze Über-
tät, die Philosophie ebenso wie die Literatur, blick deutlich machen sollte — ein äußerst
die Geschichtsschreibung, die Sprachwissen- vielschichtiges Phänomen ist. Aus diesem
schaft und die schönen Künste, hier beson- Grunde ist es auch unmöglich, allgemein ver-
ders die Malerei und die Musik. Vor allem bindliche zeitliche Grenzen für die Epoche der
13.  Sprachphilosophie in der Romantik 203

Romantik anzugeben. In dieser Lage scheint Urgrund aller Wortkunst gelenkt werden.
es vertretbar, auf einen Datierungsvorschlag Hinzu kommt noch ein zweites wichtiges Mo-
zurückzugreifen, den die weitverbreitete ame- ment: die Zeit der Romantik ist auch die
rikanische Colliers Encyclopedia anbietet. große Entdecker- und Pionierzeit der neu ent-
Dort heißt es kurz und bündig: stehenden Sprachwissenschaft, und zwar
“The three generations of men who dominated the gleich auf zwei großen Gebieten. Zum einen
intellectual scence in the Western World between entsteht, maßgeblich gefördert durch die Wie-
1770 und 1850 are known as Romanticists” derentdeckung der heiligen Sprache Indiens,
(1950—51, XX). des Sanskrit, die indogermanisch- bzw. in-
In bezug auf bedeutsame Männer wie doeuropäisch-vergleichende Sprachwissen-
Schiller und Goethe oder die französischen schaft. Ihre große Leistung ist der Nachweis
Ideologen enthält dieser Satz zweifellos ein einer genetischen Verwandtschaft der meisten
unhaltbares Pauschalurteil; ansonsten aber europäischen alten und neuen Sprachen mit
darf man diesem Vorschlag entsprechend die dem Altpersischen und dem Sanskrit. Es han-
letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts und delt sich um eine eminent historische Betrach-
die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, mit dem tungsweise, die in der Folge zur Entwicklung
Schwerpunkt auf den Jahren 1800—1830, als der großen Einzelphilologien des Germani-
den Zeitraum zu bezeichnen, der in diesem schen, Romanischen und Slavischen und zur
Beitrag zu berücksichtigen ist. Nun aber er- Entstehung der historischen Grammatiken
hebt sich die Frage, welche sprachphiloso- der zugehörigen Sprachen geführt hat. —
phischen Bemühungen und Leistungen in die- Zum anderen leitet eine neue vertiefte Be-
ser Zeit zu verzeichnen sind. Zunächst wäre trachtung der Sprachen in ihrer Bedeutung
zu klären, was als sprachphilosophisch aner- für die Gesamtkultur und für das Denken der
kannt werden kann und wie dies gegen Menschen zur Begründung der allgemeinen
sprachwissenschaftliche Ansätze abzugrenzen Sprachwissenschaft. Gerade dieser Zweig
ist. Auch die Frage nach dem Unterschied sprachwissenschaftlicher Forschung führt fast
zwischen Philosophie und Wissenschaft ist zu zwangsläufig zu sprachphilosophischen Über-
stellen. legungen. Die Verbindung zur Romantik ist
ebenso eng wie begreiflich. Dies gilt besonders
1.5.  Überblickt man die philosophischen Lei- für die Brüder Schlegel, die eigentlichen Be-
stungen in der uns interessierenden Zeit in gründer der ersten romantischen Schule. Sie
Bezug auf Sprachprobleme, so zeigt sich, daß haben sich als Sprachforscher einen Namen
keiner der führenden Philosophen in dieser gemacht und der neuen vergleichenden
Epoche eine Sprachphilosophie entwickelt Sprachwissenschaft wichtige Impulse verlie-
hat, ja daß bei ihnen die Sprache keine zen- hen. August Wilhelm trat darüber hinaus in
trale Rolle gespielt hat. Während im 17. und Zusammenarbeit mit Tieck als Übersetzer
18. Jahrhundert John Locke (1632 —1704) (s. Shakespeares und später Pedro Calderóns de
Art. 2 2 ) und Gottfried Wilhelm Leibniz la Barca (1600—1681) hervor und hat sich
(1646—1716) (s. Art. 2 3), Rousseau und mehrfach zum Übersetzungsproblem ge-
Etienne Bonnot de Condillac (1714—1780) äußert. Hier war also ein enger Umgang mit
die Sprache durchaus beachtet haben, kann Sprache gegeben, der auf sprachwissenschaft-
weder bei Voltaire noch bei David Hume liche und sprachphilosophische Probleme hin-
(1711—1776) noch bei den deutschen Philo- lenkte. Aber auch die Dichtergefährten No-
sophen, angefangen bei Kant über Johann valis und Tieck waren an Sprachfragen sehr
Gottlieb Fichte (1762 —1814) und Friedrich interessiert. Die Philosophen, mit denen sie
Wilhelm Schelling (1775—1854) bis zu Georg in enger Verbindung standen, Fichte und
Wilhelm Friedrich Hegel (1770—1831), von Schelling, lieferten zwar kaum direkte sprach-
Sprachphilosophie die Rede sein. Gerade philosophische Anstöße, aber manche ihrer
diese Tatsache hat den Protest von Männern erkenntnistheoretischen und ästhetischen
wie Johann Georg Hamann (1730—1788) (s. Vorstellungen ließen sich mit den Sprachpro-
Art. 2 5) und Herder hervorgerufen. In der blemen verbinden. Die schwierige Frage, was
Epoche der Romantik kommt das erneute Sprachphilosophie ist und wie sie sich von
starke Interesse an der Sprache von der Seite Sprachwissenschaft unterscheidet, kann hier
der romantischen Dichter und Denker, die nur verkürzt wie folgt beantwortet werden:
durch ihre Rückbesinnung auf die schöpferi- Sprachwissenschaft hat es mit der Erfor-
sche Leistung in Literatur und Poesie auch schung natürlicher Sprachen zu tun, Sprach-
auf die Sprache als Voraussetzung und den philosophie mit der Bedeutsamkeit der Spra-
204 I. Raum-zeitliche Übersichten

che für den Menschen, sein Denken, Erken- chen Sprache Ansichten über Sprache und
nen und Weltverhalten. Damit ist schon ge- Mensch ausgesprochen, die an die Funda-
sagt, daß die Grenzen zwischen Wissenschaft mente der menschlichen Existenz heranfüh-
und Philosophie fließend sind. Kein Philo- ren. Die Bedeutung von Hamann und Herder
soph kann ohne den Rückgriff auf sprach- für das Sprachdenken der Romantik und für
wissenschaftliche Fakten Sprachphilosophie die allgemeine Sprachwissenschaft ist in den
betreiben, und jeder allgemeine Sprachwissen- letzten Jahren in mehreren Untersuchungen
schaftler wird, sobald er die Implikationen erneut hervorgehoben und präzisiert worden.
des Sprachbesitzes für das menschliche Welt- Hamann ist eine höchst eigenartige Persön-
erkennen einbezieht, zu sprachphilosophi- lichkeit. Man darf ihn als einen ‘gläubigen
schen Überlegungen gedrängt. — Zu sprach- Weisen’ bezeichnen, der wortgewaltig und
philosophischen Überlegungen kann auch kompromißlos seine christliche Deutung des
jede vertiefte Literaturbetrachtung und -kritik Menschen aus dem Geist der Bibel vorträgt.
führen. Insofern kann es nicht überraschen, Die Sprache Hamanns ist sehr schwierig,
daß sich bei fast allen Dichtern und Denkern, überaus metaphernreich und oft rätselhaft.
die dem romantischen Umfeld zuzuordnen Ohne ausführliche Erklärungen bleiben ganze
sind, Äußerungen über die Sprache sowie ihre Passagen unverständlich. Daher ist auf die
Rolle im dichterischen Schöpfungsprozeß und ausgezeichnete Darstellung von Elfriede
ihre Bedeutsamkeit für den Menschen und Büchsel (*192 2 ) zu verweisen, in der auch die
sein geistiges Streben und Tun finden. Doch Wirkungsgeschichte der Herderschriften Ha-
handelt es sich selten um eine thematische manns und die wichtigste Sekundärliteratur
Behandlung der Sprachprobleme, sondern kritisch behandelt sind (Hamann 1956 ff;
um Gedanken, die zumeist in Werke mit an- Hauptschriften IV). Die Hamannschen Ori-
derer Problematik eingestreut sind. Man kann ginale sind hier abgedruckt und ausführlich
sie herausfiltern und analysieren und stößt erklärt. Aus dem Umstand, daß die Kom-
dabei auf manche bedeutsame sprachphilo- mentare den Urtext an Umfang oft weit über-
sophische Einsicht, es wäre aber übertrieben, treffen, geht hervor, wie zahlreich die Andeu-
den Autor deshalb als Sprachphilosophen zu tungen Hamanns sind, die ohne Kenntnis sei-
bezeichnen. Dies gilt z. B. für Novalis, Jean ner Denkweise und Quellen verschlossen blei-
Paul und Friedrich Hölderlin (1770—1843), ben.
auch wenn die beiden letztgenannten meist
nicht zu den eigentlichen Romantikern ge- 2.1.1.  Die wichtigste Überzeugung des ›Ma-
zählt werden. gus im Norden‹ ist die, daß der Mensch als
Geschöpf Gottes nach dessen Ebenbild ein
vernunft- und sprachbegabtes Wesen von An-
2. Die Begründung beginn an ist. Nicht der Mensch hat das Wort
der modernen Sprachphilosophie gemacht, sondern das Wort den Menschen.
im Zeitalter der Romantik Gott hat sich zum Menschen als seinem Ge-
schöpf ›herabgelassen‹, und dieser ›Herablas-
2.1. Die Vorläufer: Johann Georg Hamann sung‹ Gottes hat der Mensch alles zu verdan-
und Johann Gottfried Herder (s. Art. ken. Georg Baudler hat den existentialen
25, 26) Kern des Hamannschen Sprachdenkens, den
Glauben an die gottmenschliche Urkorre-
Wenn man die Entwicklung der Sprachphi- spondenz des Daseins, in einer Untersuchung
losophie im Zeitalter der Romantik in mit dem bezeichnenden Titel Im Worte sehen
Deutschland beurteilen will, muß man zwei (1970) herausgearbeitet. Diese Arbeit ist be-
Männer berücksichtigen, die Wegbereiter sonders für die Beurteilung des religiösen und
wichtiger neuer Ideen waren und einen großen theologischen Hintergrundes von Hamanns
Einfluß ausgeübt haben. Der bedeutendste Schaffen wichtig. — Vernunft und Sprache
war der aus Ostpreußen stammende evange- sind für Hamann eines, es gibt keine Sprache
lische Theologe und spätere Generalsuperin- ohne Vernunft und keine Vernunft ohne Spra-
tendent in Weimar, Johann Gottfried von che. Trotz dieser rückhaltlosen Bejahung des
Herder. Aber Herder ist kaum ausreichend zu göttlichen Ursprungs der Sprache zeigt Ha-
verstehen ohne den Einfluß seines älteren mann eine überraschend modern anmutende
Landsmannes und Freundes, des nebenberuf- sprachkritische Haltung. Sie entspringt seiner
lich philosophischen Schriftstellers Johann Skepsis gegenüber den leeren Abstraktionen
Georg Hamann. Dieser originelle protestan- der Allgemeinbegriffe, die den Sprachge-
tische Denker hat in einer dunklen, bilderrei-
13.  Sprachphilosophie in der Romantik 205

brauch der rationalistischen Philosophen be- Kommentatoren ist es entgangen, daß sich
herrschten. Hamann kämpft gegen den ab- verwandte Gedankengänge fast gleichzeitig
strakten Allgemeinbegriff, der den individu- auch in Frankreich finden, und zwar bei dem
ellen Gedanken zu ersticken droht. Deshalb ›Illuminaten‹ Claude de Saint-Martin (1743—
ringt er um eine unverwechselbare eigene Aus- 1803), der auch dem Kreis der französischen
drucksform seines Gedankens. Das aber geht Ideologen zuzurechnen ist (vgl. 6.3.). Der Ro-
nur auf Kosten der Allgemeinverständlich- manist Hugo Friedrich hat in einem Aufsatz
keit. Wir stehen hier vor dem gleichen Pro- Die Sprachtheorie der französischen Illumina-
blem, vor das sich auch manche Romantiker ten des 18. Jahrhunderts, insbesondere Saint-
und Dichter unserer Zeit wieder gestellt sahen M artins (1935) auf diesen esoterischen, aber
und das auch in der analytischen Sprachphi- philosophisch und theologisch hochgebilde-
losophie eine Rolle spielt (vgl. Gipper 1967). ten Theosophen hingewiesen und gezeigt, daß
— Hamann gelangt bei seinen eigenwilligen auch nach dessen Überzeugung, Sprachur-
Formulierungen zu großartigen Aussagen, de- sprung und Ursprung des Geistes, Mensch-
nen Bruno Liebrucks (1911—1986) im ersten werdung und Sprachentstehung zusammen-
Band seines großen Werkes Sprache und Be- fallen. Friedrich vermag jedoch keine direkte
wußtsein höchstes Lob gespendet hat. Lie- Verbindung zu Hamann und Herder nach-
brucks beurteilt die Gedanken Hamanns als zuweisen. Saint-Martins Auffassung war es,
einen Gipfel der Sprachbetrachtung und wür- daß die schöpferischen Kräfte als schaffendes
digt ihn als einen bedeutenden Sprachdenker Prinzip das Wesen der Welt ausmachen. Auf
(Liebrucks 1964, 286—340). diesen energetischen Grundgedanken gründet
Durch die hohe Einschätzung der Sprache er die erste Sprachtheorie in Frankreich mit
gerät Hamann in Gegensatz zu seinem Lehrer idealistischem Einschlag, die den Weg dort in
Kant, für den die Vernunft primär und ent- die Romantik freilegen hilft. Trotz der Ge-
scheidend war und der die fundamentale Be- meinsamkeiten der Auffassungen blieb das
deutung der Sprache im menschlichen Er- Verhältnis der Freunde Hamann und Herder
kenntnisprozeß nicht erkannt hat. Hier wird nicht ungetrübt. Anlaß zu einem schweren
nun auch Hamanns Einfluß auf Herder deut- Zerwürfnis war Herders berühmte Abhand-
lich, der ebenfalls Schüler Kants in Königs- lung über den Ursprung der Sprache, die er
berg gewesen war. Auch Herder sieht die zen- 1771 auf eine Preisfrage der Berliner Akade-
trale Bedeutung der Sprache, auch er wendet mie der Wissenschaften einreichte und für die
sich gegen Kant und greift dabei auf Gedan- er ausgezeichnet wurde. Das damalige große
ken Hamanns zurück. Wilhelm Streitberg Interesse am Sprachursprungsproblem, das
(1864—192 5) hat in seinem Aufsatz Kant und das 18. Jahrhundert beherrschte (s. Art. 65),
die Sprachwissenschaft (1909) darauf hinge- muß mit dem besonderen Anliegen der Auf-
wiesen, daß es vor allem Lockes drittes Buch klärer in Zusammenhang gebracht werden,
von der Sprache im Essay concerning human die Wurzeln der menschlichen Vernunft frei-
understanding (1690) war, das die beiden zulegen. Hier war die Auseinandersetzung mit
Freunde bei ihrer Auseinandersetzung mit dem biblischen Schöpfungsbericht nicht zu
Kant als hilfreich empfanden. Beide, Hamann umgehen. Da nach kirchlich-orthodoxer Auf-
und Herder, begreifen den Menschen als fassung die Erde kaum 6 000 Jahre alt war,
Sprachwesen, und diese Überzeugung geben bleibt für die Annahme einer Evolution von
sie weiter an Wilhelm von Humboldt (1767— niederen zu höheren Lebewesen ohnehin kein
1835) (s. Art. 2 7), der sie als zentrales Motiv Platz. Auch für eine entsprechende Sprach-
in seine Sprachphilosophie aufnimmt. Der entwicklung war wenig Spielraum. Vielen galt
Einfluß Herders auf Humboldt ist jedoch an- Hebräisch als die Ursprache, wenig später
gezweifelt worden. In Humboldts gesammel- machte das wiederentdeckte Sanskrit ihm den
ten Schriften ist Herder aber mehrfach er- Rang streitig (vgl. Gipper/Schmitter 1985,
wähnt, wenn auch nur in Briefen und Tage- 63 ff) (s. Art. 66). — Unter solchen Voraus-
buchnotizen. Humboldt hat Herder persön- setzungen muß man die Sprachursprungshy-
lich gekannt, ihn besucht und mit ihm kor- pothesen, die manche Denker des 17. und 18.
respondiert. In den Paralipomena (Humboldt Jahrhunderts aufstellten, als kühn bezeich-
1903—1936, Ges. Schriften VII, 2 , 372 ) ist in nen. Wenn sie, wie z. B. Condillac, annahmen,
den Notizen Aus Engels philosophischen Vor- daß sich die Sprache aus tierischen Lauten
trägen sogar Herders Preisschrift erwähnt. entwickelt haben könnte, wobei Affekt, In-
Daß Humboldt Herders Schriften gekannt stinkt, Imitation, Ausdrucks- und Mittei-
hat, steht also außer Frage. — Den meisten lungsabsicht eine Rolle gespielt haben moch-
206 I. Raum-zeitliche Übersichten

ten, dann verstießen sie nicht nur gegen den Gott, dessen primäre Schöpfungstat nicht in
Wortlaut der Bibel, über deren Geltung im- Frage gestellt war, erneut eingreifen und dem
mer noch die Zensur großer Universitäten Menschen noch nachträglich das Geschenk
wachte, sondern sie zogen auch bereits Ver- der Sprachen machen? Herders Antwort ist
gleiche, die heute wie Vorahnungen des Evo- klar: Der Mensch hat sich selbst Sprache ge-
lutionsgedankens wirken. Man muß sich diese schaffen, aber es handelt sich um keine Erfin-
Lage vor Augen halten, um Herders Abhand- dung, sondern um einen langen Prozeß, des-
lung über den Ursprung der Sprache gerecht sen Möglichkeit bereits vom Schöpfer in ihn
beurteilen zu können. hineingelegt war. Insofern ist es ungenau,
wenn behauptet wird, Herder habe den
2.1.2.  Anlaß zur Verfassung dieser Schrift bo- menschlichen Ursprung der Sprache beweisen
ten Ereignisse an der Berliner Akademie der wollen. Aus dem Munde eines Theologen
Wissenschaften. Deren Präsident Pierre-Louis wäre eine solche Behauptung auch befremd-
Moreau de Maupertuis (1697—1759) hatte lich. Vielmehr möchte Herder Gottes Schöp-
sich in zwei Abhandlungen für einen Sprach- fertat, von der auch er überzeugt ist, in einem
ursprung aus Gesten und Geschrei ausgespro- noch größeren Lichte zeigen, indem er die
chen (Maupertuis 1756) und damit den Wi- von Gotte geschenkte menschliche Seele als
derspruch eines anderen Akademiemitgliedes, die Kraft hinstellt, die den Menschen befä-
des Theologen und Begründers der Bevölke- higt, sich selbst die Sprache zu schaffen. Es
rungsstatistik Johann Peter Süßmilch (1707— ist daher zutreffender, vom ›menschlich-gött-
1767), hervorgerufen. Süßmilch antwortet mit lichen Ursprung der Sprache‹ bei Herder zu
einer Schrift Versuch eines Beweises, daß die sprechen, wie es Manfred Krüger (*1933) in
erste Sprache ihren Ursprung nicht von M en- seinen Bemerkungen zu Herders Sprachtheo-
schen, sondern allein vom Schöpfer erhalten rie getan hat (1967). — Für die heutige
habe. Sie war bereits 1756 in der Akademie Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie
vorgetragen worden, erschien aber erst 1766 ist der alte Streit um den göttlichen oder
im Druck. Um den Streit zu schlichten, stellte menschlichen Ursprung der Sprache nunmehr
die Berliner Akademie der Wissenschaften von rein historischer Bedeutung. Wir verste-
1769 die für den Zeitgeist typische Preisfrage: hen kaum mehr, wie sich die Gemüter an
‘En supposant les hommes abandonnés à dieser Frage derart erhitzen konnten. Herders
leurs facultés naturelles, sont-ils en état d’in- Auffassungen verdienen aber heute noch Be-
venter le langage? et par quels moyens par- achtung. Sie enthalten Einsichten, die manche
viendront-ils d’eux à cette invention?’ — Es aus reiner Unkenntnis gefällte Fehlurteile in
geht also um die Frage, ob die Sprache ›na- den Hintergrund treten lassen. Bereits der er-
türlichen‹, d. h. menschlichen Ursprungs, ste Satz der Abhandlung schockiert: „Schon
oder ›übernatürlichen‹, d. h. göttlichen Ur- als Tier hat der Mensch Sprache“. Herder
sprungs ist. Herder ergreift diesen Anlaß, ge- will sagen, daß der Mensch als Lebewesen
gen Süßmilch zu Felde zu ziehen und eigene bereits ein Sprachwesen ist. Mit dem Tier hat
Gedanken zu sprachlichen Problemen erneut der Mensch manches gemeinsam, so auch die
zusammenzufassen. Er verfaßt seine Schrift ›Sprache der Empfindungen‹, die affektiven
in Eile und reicht sie zum letztmöglichen Ter- Laute des Wohlbefindens und des Schmerzes.
min ein. Die Arbeit erhielt den Preis, sie Aber aus diesen Naturtönen, die beim heuti-
wurde 1772 auf Geheiß der Akademie veröf- gen Menschen nur noch schwach lebendig
fentlicht. Die Fragestellung der Akademie sind, hat sich nie menschliche Sprache ent-
zeigt bereits, daß man weit davon entfernt ist, wickeln können. Denn das ›Naturgesetz emp-
den biblischen Schöpfungsbericht noch für findsamer Maschinen‹, ihr ›Geschrei der
verbindlich zu halten. Es wird schlicht vor- Empfindungen‹, ist etwas ganz anderes als
ausgesetzt, daß es Menschen ohne Sprache Sprache. — Herder weist Spekulationen Süß-
gegeben hat. Der Spracherwerb wird mit einer milchs zurück, die jener zum Beweis des gött-
Erfindung verglichen, so wie Werkzeuge, Ge- lichen Ursprungs der Sprache geltend macht,
räte und Maschinen erfunden werden. Zu Er- z. B. den Hinweis darauf, daß alle Sprachen
findungen gehörten bestimmte Fähigkeiten mit einer ganz geringen Anzahl von ›Buchsta-
der Intelligenz. Damit spitzt sich die Frage so ben‹ — richtiger: von Lauten — auskommen.
zu: Reichten die natürlichen intellektuellen Herder lehnt auch Condillacs Annahme der
Fähigkeiten des noch sprachlosen Menschen Spracherfindung von einsam aufwachsenden
zur Erfindung eines so komplizierten Werk- Kindern und ähnliche Gedanken Maupertuis’
zeugs wie der Sprache aus — oder mußte und Rousseaus ab. Seine eigene Begründung
13.  Sprachphilosophie in der Romantik 207

stützt sich auf philosophische, anthropologi- Sprachverschiedenheit und die ›Nationalspra-


sche, biologische und psychologische Argu- chen‹. Trotz der Annahme eines monogene-
mente, die mehr eigenem Scharfsinn entstam- tischen Sprachursprungs hält Herder die Auf-
men als wissenschaftlich gesicherten Fakten. spaltung in viele Einzelsprachen für notwen-
Der Mensch ist im Gegensatz zum Tier arm dig und natürlich. Sein ›Drittes Naturgesetz‹
an Instinkten und schwach in Bezug auf die lautet:
Qualität seiner Sinne. Er ist körperlich be- „So wie das ganze menschliche Geschlecht unmög-
nachteiligt, ein Mängelwesen. Kompensiert lich eine Herde bleiben konnte, so konnte es auch
werden die Mängel durch die ›breitere nicht eine Sprache behalten. Es wird also eine Bil-
Sphäre‹, die die geschwächten Sinne dennoch dung verschiedner Nationalsprachen.“ (Herder
eröffnen, durch das breitere Spektrum mög- 1960, 74).
licher Interessenahme, durch das göttliche Hier ist ein für das romantische Sprach-
Geschenk der Freiheit, die den Menschen be- denken bedeutsamer Punkt erreicht: die Ent-
fähigt, der Welt ganz anders als das Tier zu deckung der Nationalsprachen, die an be-
begegnen. Der Mensch hat eine unteilbare stimmte Sprachgemeinschaften gebunden
Seele, geistige Kräfte, die ihn befähigen, sich sind. Die Sprachen werden als Spiegel des
Sprache zu schaffen. Besonders ist es die ›Be- ›Volksgeistes‹, als Ausdruck der Mentalität
sonnenheit‹, die Fähigkeit zur Reflexion, die ihrer Sprecher gesehen. Herder betont, daß
es ihm ermöglicht, Distanz zur Flut der Er- jeder Mensch ›im eigentlichen metaphysi-
scheinungen zu gewinnen, die Gegenstände schen Verstande‹ seine eigene Sprache spricht,
der Erfahrung nicht nur wahrzunehmen, son- ein Gedanke, der auch bei Humboldt wieder
dern sie auch zu erkennen und wiederzuer- auftaucht. Jedes Geschlecht wird eine ver-
kennen. Besonnenheit versetzt den Menschen schiedene Mundart sprechen, viele Gründe
in die Lage, den Strom der Empfindungen lassen sich für die Ausdifferenzierung der
anzuhalten, aus den komplexen Erfahrungs- Sprachen auf der Erde nennen, aber ein be-
gegenständen einzelne Merkmale herauszu- stimmter Grad der Gemeinsamkeit muß doch
greifen, sie mit lautlichen Merkzeichen fest- die Verständigung innerhalb einer Sprachge-
zuhalten und geistig verfügbar zu machen. meinschaft garantieren. Haß kann die
Das berühmte Beispiel des Schafes, dessen Sprachverschiedenheit zwischen benachbar-
Blök-Laut zum Merkmal, zur ›tönenden Be- ten Völkern verschärfen. Hier erwähnt Herder
zeichnung‹, wird, ist bekannt. Das erste er- auch den biblischen Bericht von der babylo-
kannte ›tönende Merkmal‹ wird zum ›Wort nischen Sprachverwirrung, aber nicht, um
der Seele‹. Damit ist die Sprache gegeben. Die diesem ›Poem‹ Wahrheitscharakter zuzuspre-
Annahme, Herder habe an einen Onomato- chen, sondern um zu unterstreichen, „daß die
poetischen Sprachursprung gedacht, ist trotz Vielheit der Sprachen keinen Einwand gegen
mancher in diese Richtung weisenden Äuße- das Natürliche und Menschliche der Fortbil-
rungen nicht zwingend. Entscheidend ist die dung einer Sprache abgeben könne“ (Herder
Merkmalheraushebung als solche, ganz 1960, 80). — Auf Herders Ausführungen über
gleich, über welchen Sinn sie gewonnen ist. die Sprachentwicklung einzugehen, lohnt sich
Das Bleibende ist die Einsicht, daß es sich bei nicht. Es fehlen ihm ausreichende Kenntnisse,
der Merkmalfindung, bei der abstraktiven um hier weiterführende Einsichten gewinnen
Hervorhebung von Kennzeichen um ein kon- zu können. Für die Sprachwissenschaft ist vor
stitutives Element sprachlicher Begriffsbil- allem Herders Hinwendung zu den Sprachen
dung handelt. Herder hat auch das soziale der Völker und zu ihrer Geschichte wegwei-
Element im Prozesse der Sprachentstehung send geworden. Hier finden Humboldt und
beachtet. Das ›zweite Naturgesetz‹, das Her- Grimm den Boden vorbereitet, auf dem sie
der im zweiten Teil seiner Abhandlung for- ihre eigenen Auffassungen entwickeln konn-
muliert, lautet: „Der Mensch ist in seiner Be- ten.
stimmung ein Geschöpf der Herde, der Ge-
sellschaft: die Fortbildung einer Sprache wird 2.1.3.  Die scharfe ablehnende Reaktion des
ihm also natürlich, wesentlich, notwendig“ Freundes Hamann auf die Abhandlung über
(Herder 1960, 67). Herder sieht also den so- den Ursprung der Sprache hat Herder schwer
zialen Charakter der Sprache. Diese Einsicht getroffen. Er bedauert seine zu eilig verfaßte
läßt sich aber auch aus seinen Äußerungen Schrift und distanziert sich von ihr. Er sucht
über die Vermittlungsfunktion des Gehörsin- Hamann zu besänftigen: „Daß Gott durch
nes herauslesen. — Wichtig für die Romantik Menschen die Sprache würke — wer zwei-
wurden Herders Äußerungen über die felt?“ schreibt er 1772 an seinen erzürnten
208 I. Raum-zeitliche Übersichten

Freund (Salmon 1968/69, 68). Trotzdem läßt Das bezeugen Sätze wie die folgenden:
er die zweite Auflage seiner Abhandlung 1782 „Ein Volk hat keine Ideen, zu der es kein Wort hat
fast unverändert. 1784 erkennt er jedoch in [...] eine reine Vernunft ohne Sprache ist auf Erden
einem Vorwort zu Lord Monboddos (James ein utopisches Land“ (Herder 1784/85, 173); „Alle
Burnett, 1714—1799) Werk Of the origin and kommen wir zur Vernunft nur durch Sprache und
progress of language (1773—1792 ), das ein zur Sprache durch Tradition, durch Glauben ans
Jahr nach der eigenen Arbeit zu erscheinen Wort der Väter“ (Herder 1784/85, 175).
begann, dem Engländer ›die Palme‹ zu. Mon- In Verstand und Erfahrung. Eine M etakritik
boddo geht zwar auch ausführlich auf die zur Kritik der reinen Vernunft (1799) faßt Her-
geistigen und körperlichen Voraussetzungen der schließlich zusammen, was er gegen Kants
der Sprache ein und hebt besonders das wach- Auffassungen vorzubringen hat. Ganz im
sende Vermögen zur Abstraktion als entwick- Sinne seines Freundes Hamann rügt er, daß
lungsförderndes Element hervor, weicht aber Kant die Sprache in seiner Voraussetzungs-
in entscheidenden Punkten erheblich von problematik nicht berücksichtigt hat. Man
Herder ab. In Herders Ursprungsschrift ist hat diese Metakritik vielfach getadelt und
seine Sprachauffassung am deutlichsten aus- Herder sowohl grobe Mißverständnisse Kants
geprägt (vgl. dazu Krüger 1967; Lauchert und eine polemische Argumentationsweise
1894). Große Bedeutung mißt ihr auch Lieb- vorgeworfen. Das mag in vielen Details zu-
rucks im ersten Band seines großen Werks treffen, aber sein Grundanliegen bleibt ge-
Sprache und Bewußtsein zu (1964). Aber Her- rechtfertigt. Für das romantische Denken ist
der hat den Sprachfragen auch in anderen Herder in vielfacher Hinsicht Vorläufer und
Werken Beachtung geschenkt und ist dabei Anreger gewesen. Wohl alle Zeitgenossen
zu sprachphilosophisch bedeutsamen Einsich- haben seine Schriften gekannt und aus ihnen
ten gelangt. Erich Heintel (*1911) hat die gelernt, auch wenn sie das nicht eigens be-
wichtigsten Stellen aus dem Gesamtwerk aus- kundet haben. Herder hat den Blick auf die
gewählt und kommentiert (1960). Hier kön- Literaturen der europäischen Völker ein-
nen nur einige besonders wichtige Gesichts- schließlich der slavischen gelenkt, aber dar-
punkte erwähnt werden. In den Fragmenten über hinaus auch auf die Völker des Orients,
wird mehrfach die Abhängigkeit des Denkens und er hat schon auf das ferne Indien und
von der Sprache betont, die „der ganzen die Bedeutung des wiederentdeckten Sanskrit
menschlichen Erkenntnis Schranken und Um- hingewiesen. Er hat Volkslieder und Balladen
riß gibt“ (Herder 1960, 99). Hier wird auch aus verschiedenen Ländern gesammelt, Os-
die Bedeutung der Nationalsprache hervor- sian und Shakespeare geschätzt und ist sogar
gehoben. „Jede Nation spricht also, nach dem als Übersetzer hervorgetreten. Der Organis-
sie denkt, und denkt, nach dem sie spricht“ musgedanke ist ihm wichtig, ebenso die ge-
(Herder 1960, 100). Wichtig ist Herders Ein- netische Methode, die das Entstehen und die
sicht, daß auch der Philosoph ohne die Vor- Entwicklung der historischen und kulturellen
aussetzungen seiner Muttersprache nicht zu Erscheinungen zu erfassen sucht. Auch die
seinen Spekulationen gelangen kann. Herder Hochschätzung Spinozas findet sich bereits
sagt mit Recht, daß wir, bevor wir ›Weltwei- bei ihm. So konnten die Romantiker fast alle
sen‹ werden, schon Denkart und Sprache Grundgedanken, die ihnen teuer waren, schon
haben und daß uns die Muttersprache eine bei Herder vorgebildet finden. Andererseits
ganze Welt von Kenntnissen vermittelt, bevor bleibt er auch der Aufklärung verbunden. In
philosophisches Denken überhaupt einsetzen Paris hat er u. a. 1769 Denis Diderot (1713—
kann. Die Menge der Ideen, die in der Spra- 1784) und Jean le Rond d’ Alembert (1717—
che bereits vorliegen, ist gleichsam „Ein Berg, 1783) kennengelernt und sich mit französi-
gegen welchen die kleine Anzahl philosophi- scher Philosophie und Literatur auseinander-
scher Abstraktionen ein künstlich aufgewor- gesetzt. So ist er ein Vermittler zwischen den
fener Maulwurfshügel — einige Tropfen ab- großen Epochen, ein Kind der Aufklärung
gezogenen Geistes gegen das Weltmeer!“ und ein Wegbereiter der Romantik (vgl. auch
(Herder 1960, 136). Auch in den Ideen zur Gaier 1988).
Philosophie der Geschichte der M enschheit
(1784/85), in denen Herder ein Panorama der 2.2. Die Brüder Schlegel
Völker und Kulturen unter Berücksichtigung
geographischer und klimatischer Bedingun- 2.2.1.  Friedrich Schlegel, der geniale Kopf der
gen entwirft, wird die Bedeutung der Sprache frühen Romantik, war wie viele seiner Zeit-
für die Bildung des Menschen hervorgehoben. genossen auf zahlreichen Gebieten tätig. Die
13.  Sprachphilosophie in der Romantik 209

wichtigsten Bereiche seines Schaffens waren als Kunst‹ gegenüber. Sprache, Denken und
die Philosophie, Sprachtheorie, allgemeine Bewußtsein gehören für ihn engstens zusam-
Ästhetik sowie die Universal- und Literatur- men; wie auch andere Denker betrachtet er
geschichte. Ein genaues Bild von seinem um- Reden als äußerliches Denken und Denken
fangreichen Werk bietet die Kritische Aus- als innerliches Reden, und zwar mit dialogi-
gabe seiner Werke, die Ernst Behler (*192 8) schem Charakter. Daß ohne Sprache ein vol-
mit großer Sorgfalt vorbereitet hat (vgl. Beh- lentwickeltes Geistesleben nicht möglich ist,
ler 1957; 1958) und die er seit 1958 unter sucht er durch den Hinweis auf die Taubstum-
Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und men zu belegen, die daher behinderter sind
Hans Eichner (*192 1) herausgibt. Desweite- als die Blinden. Kainz weist auch mit Recht
ren sei verwiesen auf die neueren Monogra- auf die sprachästhetischen und sprachsozio-
phien (Wirz 1939; Mettler 1955; Dempf 1958; logischen Einsichten F. Schlegels hin, die z.
Nüsse 1962 ; Klin 1964; 1971) sowie auf die T. neuere Auffassungen vorausnehmen. Auch
Darstellungen (Haym 1870; Enders 1913; bemüht sich F. Schlegel um die Charakteri-
Finke 1918; Kainz 1938), ferner auf Behlers sierung des ›Nationalstils‹ einzelner Sprachen
ausgezeichnete Biographie (1966). Friedrich und gelangt dabei zu einer Aufwertung des
Schlegel wird durch sein Literaturstudium auf Deutschen. Ein wesentlicher Einschnitt und
die Bedeutung der Sprache gelenkt und ge- Wandel in F. Schlegels Sprachauffassung er-
hört wie sein Bruder August Wilhelm zu jenen folgte in den Jahren 1802 —1808. 1802 war er
Denkern der Zeit, die sich, ohne von Hause mit seiner Lebensgefährtin Dorothea Veit
aus Sprachwissenschaftler zu sein, eingehend (1764—1839) auf der Suche nach neuen be-
mit dem Sprachstudium beschäftigt und sogar ruflichen Möglichkeiten nach Paris gekom-
wichtige Anstöße zu der Anfang des 19. Jahr- men und hatte dort neben privater Vorle-
hunderts entstehenden indoeuropäisch-ver- sungstätigkeit aus romantischem Interesse für
gleichenden Sprachwissenschaft geliefert ferne Völker und Kulturen das Studium des
haben. Sprachtheoretische und sprachphilo- Persischen und des wiederentdeckten Sanskrit
sophische Überlegungen durchziehen das Ge- begonnen. Als Frucht dieser Bemühungen
samtwerk F. Schlegels, sie müssen daher aus legt er dann 1808 in Köln seine berühmte
dem umfangreichen Opus herausgefiltert wer- Schrift Ueber die Sprache und Weisheit der
den. Dieser Aufgabe haben sich vor allem Eva Indier. Ein Beitrag zur Begründung der Alter-
Fiesel in ihrer Sprachphilosophie der deutschen tumskunde. Nebst metrischen Übersetzungen
Romantik (192 7) und nach ihr Friedrich vor, die zu einem Meilenstein für die neuent-
Kainz (1897—1977) in seinem Aufsatz Fried- stehende historisch-vergleichende Sprachwis-
rich Schlegels Sprachphilosophie (1939) unter- senschaft wurde. Mit dieser Hinwendung zum
zogen. Da Kainz über Fiesel hinausgeht und praktischen Sprachstudium tritt einer folgen-
deren Ansichten modifiziert, ergänzt und ver- schwerer Umbruch seiner Sprachideen ein.
tieft, ist sein Beitrag nach wie vor unentbehr- Die philosophisch-systematischen Auffassun-
lich. Hier seien nur einige Auffassungen F. gen treten in Widerstreit mit sprachhistori-
Schlegels erwähnt, die von sprachphilosophi- schen Einsichten und zwingen zum Umden-
schem Interesse sind: Für ihn ist der Mensch ken. Aus heutiger Sicht ist dazu anzumerken,
ein vollständig zur Sprache gelangtes Natur- daß F. Schlegel über Alter und Aufschluß-
wesen, Sprache ist ein lebendes Produkt des kraft des Sanskrit für die Fragen des Sprach-
ganzen inneren Menschen und an der Aus- ursprungs und der Sprachentwicklung nur
bildung von Vernunft und Phantasie maßgeb- sehr unzureichende, ja falsche Vorstellungen
lich beteiligt. Sprache ist Symbol und Abbild hatte. Kurz vor seinem Tode, im Dezember
der vernünftig-sinnlichen Natur des Men- 182 8 und Januar 182 9, hat F. Schlegel in
schen. Allerdings ist zu beachten, daß F. Dresden nochmals philosophische Vorlesun-
Schlegel den Begriff ‘Sprache’ oft metapho- gen, insbesondere über Die Philosophie der
risch auf andere menschliche Bereiche über- Sprache und des Wortes gehalten. In der Ein-
trägt. So begegnet bei ihm die Idee der ›zwei leitung hierzu im 10. Band der kritischen
Sprachen‹, wobei die erste, die tatsächliche Friedrich-Schlegel-Ausgabe weist aber der
Sprache zum äußeren gemeinsamen Ge- Herausgeber Behler darauf hin, daß dieser
brauch dient, während die zweite als ›innere Titel für das direkte Verständnis irreführend
Sprache des Herzens und des wahren Lebens‹ war. Dies mußte, wie Josef Körner
weit darüber hinausreicht. F. Schlegel spricht (1888—1950) bemerkte, „alle die sehr enttäu-
auch von der ›Sprache der Natur‹ und stellt schen, ja verärgern, die eine eigentliche
allgemein die ›Kunst als Sprache‹ der ›Sprache Sprachphilosophie darin suchten“ (F. Schle-
210 I. Raum-zeitliche Übersichten

gel 1958 ff, Krit. Ausgabe X, XLIX). Zwar haben müsse (F. Schlegel 1958 ff, Krit. Aus-
werden sprachphilosophische Themen aufge- gabe X, 368). Aufgrund der Verschiedenheit
griffen, so am Ende der 2 . und in der 3. der großen Sprachfamilien plädiert F. Schle-
Vorlesung das Problem des Ursprungs der gel für die Annahme mehrerer Ursprachen.
Sprache und in der 6. Vorlesung die Theorie Am besterforschten Beispiel der indischen
der Silben und der Buchstaben, aber der Sprachfamilie (der indogermanischen Spra-
eigentliche Gegenstand der Darlegungen ist chen) sucht er den möglichen Gang der Ent-
doch ›Philosophie des Lebens‹ im Sinne einer wicklung zu zeigen, wobei er dieser Sprach-
›Wiederherstellung des Bewußtseins und des familie den Vorrang vor den anderen zuer-
lebendigen Denkens‹. kennt. Selbst dem Ägyptischen weist er eine
niedere Entwicklungsstufe zu, dem Hebräi-
2.2.2.  Bei der Frage nach dem Ursprung der schen räumt er jedoch eine gewisse Sonder-
Sprache geht es um eine „richtige[n] Idee die- stellung ein. Er bezeichnet es aufgrund be-
ses allumfassenden und wunderbaren Sprach- stimmter Struktureigenheiten (z. B. der in den
vermögens, als der merkwürdigsten und Wurzeln angelegten ›mystischen‹ Beziehun-
höchsten Eigenthümlichkeit des Menschen“ gen) als eine prophetische Sprache. — Das
(F. Schlegel 1958 ff, Krit. Ausgabe X, 350). ganze System der Sprachen aber ist Abdruck
Der Zusammenhang von Sprache und Den- und treuer Spiegel des Bewußtseins und in-
ken ist, wie bereits erwähnt, so eng, daß er neren Denkvermögens des menschlichen Gei-
Reden als äußerlich gewordenes Denken und stes, und alle Sprachen zusammen stellen in
Denken als innerliches Reden und immer- ihrer geschichtlichen Entwicklung „gleichsam
währendes Selbstgespräch begreift (350). Jede das gemeinsame Gedächtnis und große Er-
sprachliche Äußerung gewinnt Dialog- und innerungsorgan des ganzen Menschenge-
Gesprächscharakter, und das Gebet erscheint schlechts“ dar (F. Schlegel 1958 ff, Krit. Aus-
ihm als ein Gespräch der Seele mit Gott. F. gabe X, 372 ). Das sind Sätze, die Verwandt-
Schlegel weist zunächst zwei verbreitete Auf- schaft zu Auffassungen Herders und Hum-
fassungen vom Ursprung der Sprache zurück: boldts zeigen. Schlegels Überlegungen führen
die einseitige Herleitung der Sprache aus tie- schließlich zur Frage nach der psychologi-
rischem Naturschrei und mechanischer schen Entwicklung des Systems der Grund-
Schallnachahmung und die unreflektierte kräfte des Bewußtseins. Die Erscheinung der
Hinnahme eines göttlichen Sprachursprungs, Sprache bleibt dabei als etwas Neues und von
wie ihn die Bibel berichtet, was zu dem miß- Anbeginn an Ganzes, auch als ›Sprachen-
glückten Versuch einer Rückführung aller Gabe‹ bezeichnet, ebenso wunderbar wie un-
Sprachen auf die Ursprache Hebräisch ge- bezweifelbar. Das menschliche Bewußtsein
führt hat. Zwar sei die Suche nach einer oder selbst sieht Schlegel von vier Grundkräften
mehreren Ursprachen nicht völlig grundlos, her bestimmt: Verstand, Willen, Vernunft und
aber dieser Begriff bleibe selbst höchst pro- Phantasie. Dazu setzt er als Nebenvermögen
blematisch. F. Schlegel gibt zu bedenken, daß das Gewissen (sittlicher Instinkt für Recht
alle überlieferten Sprachen bereits äußerst und Wahrheit) an und das Gedächtnis als
kunstreiche Formen zeigten, die nicht ur- mittleres Vermögen zwischen Verstand und
sprünglich sein können. So wie sich bei der Vernunft. Es ist eine Vorratskammer des Ver-
Erforschung der Erdkruste zahlreiche Schich- standes. Seinem Ursprung gelten F. Schlegels
ten und Mischungen, aber auch ältere Urge- letzte Überlegungen. Er zieht hierzu mehrere
birge zeigten, so finde man auch bei den Spra- Philosopheme heran, so Leibnizens angebo-
chen zahlreiche ›gemischte Aggregatsspra- rene Ideen, die Annahme vorgezeichneter
chen‹ wie z. B. Englisch und Persisch, die Denkformen (Kants Kategorien), Platons
dennoch höchst leistungsfähig seien, und (42 7—347 v. Chr.) (s. Art. 14) Erinnerung an
selbst ›Muttersprachen‹ wie das Römische eine frühere Existenz und die indische Seelen-
(Latein) und Indische (Sanskrit) enthielten wanderungslehre. Alle diese Hypothesen
fremde Elemente. Sprachursprung im Sinne scheinen ihm aber kaum annehmbar zu sein.
neuer Sprachentstehung gebe es ständig, zum Präexistenz oder Seelenwanderung verträgt
Verständnis der tatsächlichen Entstehung sich kaum mit der christlichen Gottesauffas-
wirklicher Ursprachen seien aber andere sung. Die eingeborenen Ideen sind schwer
Denkvorstellungen erforderlich. Hier sei an vorstellbar, und auch die ›vorgezeichneten
eine Hervorbringung im Ganzen zu denken, Denkformen‹ (apriori-Kategorien Kants) er-
wobei die ›produktive Einbildungskraft‹ noch scheinen ihm bedenklich, und so warnt er vor
in genialischer Weise schöpferisch gewirkt aller schematischen Vorstellung etwa der
13.  Sprachphilosophie in der Romantik 211

„Vernunft als einer allumfassenden Denk- A. W. Schlegel zum Übersetzungsproblem an-


schachtel mit sehr vielen kleinen und großen gestellt hat, verdienen noch heute Beachtung
Abtheilungen und Unterabtheilungen“ (F. (vgl. Gipper 1987). Eine Sprachphilosophie
Schlegel 1959 ff, Krit. Ausgabe X, 377). Von im eigentlichen Sinne aber hat auch er nicht
solchen umständlichen Prozeduren erhofft er entwickelt.
sich wenig. Statt dessen spricht er sich dafür
aus, „das lebendige Denken so viel als mög- 2.3. Wilhelm von Humboldt (s. Art. 27)
lich in seinem Leben aufzufassen oder wie
nach dem Leben zu schildern“ (377). Anson- 2.3.1.  Humboldt hat sich in der Geschichte
sten aber bleibt für F. Schlegel die Frage nach Preußens als Diplomat und Staatsmann, als
Herkunft der Seele und der damit verbunde- Chef des preußischen Unterrichtswesens und
nen Mitgabe an den Menschen durchaus sinn- Begründer der Berliner Universität einen Na-
voll, zumal die Seele als Schöpfung Gottes men gemacht. Neben seinen vielen Ämtern
auch einen Anteil des Geschöpfs an diesem hat er sich von Jugend an für das Sprachen-
Urquell einschließe. So wird er zum Schluß studium interessiert. Er hat zahlreiche Länder
auf die religiöse Frage nach Zeit und Ewigkeit Europas bereist, kannte viele tote und lebende
gelenkt, die er anschließend behandeln will. indoeuropäische und nichtindoeuropäische
— Diese kurze Zusammenfassung der letzten Sprachen, lernte noch im Alter Sanskrit und
Gedanken F. Schlegels zur philosophischen gehörte zu den besten Sprachenkennern seiner
Einschätzung der Sprache für den Menschen Zeit. Er hat sowohl spezielle, empirische
zeigen, daß er wichtige Fragestellungen deut- Sprachstudien vorgelegt, als auch wichtige
lich erkannt hat und zugleich die Schwierig- sprachphilosophische Schriften verfaßt. In
keit sieht, sprachwissenschaftliche Einsichten seinem Werk sind die Grenzen zwischen
mit bestimmten philosophischen Postulaten Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie
zu verbinden. Alte Überlegungen münden fließend. Die letzten Jahre seines Lebens
schließlich in einer religiösen Sicht, in der die waren ganz sprachwissenschaftlichen und
Gottähnlichkeit des Menschen durch die sprachphilosophischen Studien gewidmet.
Sprache erhöht wird. Die hervorragendste Arbeit ist die Einleitung
Demgegenüber ist die Leistung des älteren zum sogenannten Kawi-Werk, einer geplanten
Bruders August Wilhelm von den meisten Be- Darstellung der Sprache Javas, die als Mit-
obachtern geringer eingeschätzt worden. telglied zwischen den westlichen und östlichen
Seine große Bedeutung für die romantische Sprachtypen in Humboldts Sicht besondere
Bewegung ist aber gar nicht zu übersehen. Wichtigkeit erlangt hatte. Wenn man Hum-
Haym hat sie in seinem unentbehrlichen Werk boldt als Begründer der allgemeinen Sprach-
Die romantische Schule. Ein Beitrag zur Ge- wissenschaft bezeichnen kann, so ist das be-
schichte des deutschen Geistes (1870) ausführ- sonders dieser programmatischen Einleitung
lich geschildert. Sprachphilosophische Ge- zuzuschreiben, in der die verschiedensten Sei-
danken finden sich u. a. in seinen Berliner ten des Sprachproblems beleuchtet werden.
Vorlesungen zur Theorie und Geschichte des Schon der Titel ist kennzeichnend für die Ein-
europäischen Dramas von den Griechen bis stellung des Autors: Ueber die Verschieden-
zur Gegenwart und in seinen Briefe(n) über heiten des menschlichen Sprachbaues und ihren
die Poesie, Silbenmaß und Sprache (1795). Einfluß auf die geistige Entwicklung des M en-
Kurt Müller-Vollmer (*192 8) hat es unter- schengeschlechts (1830—1835). Das Werk
nommen, die sprachphilosophischen Einsich- wurde erst nach Humboldts Tode von seinem
ten A. W. Schlegels zu würdigen. Hier ist noch Bruder Alexander (1769—1859) veröffent-
seine herausragende Leistung als Übersetzer licht. — Die Wirkung von Humboldts Ideen
hervorzuheben. August Wilhelm ist nicht nur war zunächst nicht groß. Zu sehr zog in den
— mit Tieck und seiner Frau Karoline ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts die
(1763—1809) — als Übersetzer Shakespeares entstehende historisch-vergleichende Sprach-
hervorgetreten, sondern er hat auch griechi- wissenschaft die Aufmerksamkeit der Fach-
sche, italienische, spanische und portugiesi- welt auf sich. Diese u. a. von F. Schlegel
sche Autoren übersetzt (u. a. Dante, Petrarca, eingeleitete Entwicklung, die zur Ausbildung
Cervantes, Calderón, Camões). Als eine be- der Indogermanistik führte, ging zwar in eine
sondere Leistung muß die Übersetzung der andere Richtung, hat aber Humboldt viel zu
indischen Bhagavadgītā aus dem Sanskrit ins verdanken. Er nahm an ihr lebhaften Anteil
Lateinische genannt werden. Die sprachtheo- und seinem Einfluß ist die Berufung Franz
retischen und praktischen Überlegungen, die Bopps (1791—1867) als Professor für Orien-
talistik und allgemeine Sprachenkunde an die
212 I. Raum-zeitliche Übersichten

neugegründete Universität Berlin und die- sondern formendes Prinzip, man könnte auch
jenige A. W. Schlegels als erster Sanskritist sagen: forma formans, nicht forma formata.
an die Universität Bonn zu verdanken. — Die äußeren Formen der Sprache sind sehr
Humboldt war ein philosophisch und litera- verschieden. Aber es lassen sich Ähnlichkeiten
risch gebildeter Mann. Die intensive Beschäf- in den Bauprinzipien aufweisen. Eine Klassi-
tigung mit der idealistischen und kritischen fikation ist denkbar. Allerdings kann die gän-
Philosophie, vor allem mit Kant, sowie die gige Auffassung, wonach Humboldt als einer
persönliche Begegnung, ja Freundschaft, mit der Begründer der Sprachtypologie hingestellt
Schiller und Goethe haben zu einer Weite des wird, in dieser Form nicht aufrechterhalten
Blickes geführt, die einmalig ist. In seinen werden. Es darf aber gesagt werden, daß
sprachwissenschaftlichen und philosophi- Humboldt Anregungen gegeben hat, die für
schen Überlegungen geht es um grundlegende die folgende Sprachtypologie von großer Be-
Fragen der menschlichen Existenz und der deutung gewesen sind. Humboldt ist wie die
Bedeutsamkeit der Sprache für die Mensch- meisten seiner Zeitgenossen vom hohen Rang
heit und ihre geistige Entwicklung, um The- einer formenreichen Grammatik, wie sie das
men also, die ebenso schwierig wie vielschich- Altgriechische zeigt, überzeugt, aber er ver-
tig sind. Humboldts Interesse an den Spra- mag auch die Vorzüge des formenarmen, iso-
chen ist anthropologischer, philosophischer, lierenden Chinesisch zu sehen. Kennzeich-
aber auch literarischer und ästhetischer Art, nend für seinen Weitblick ist die Einsicht, daß
also humanistisch im weitesten Sinne. Es geht der unleugbare Formenschwund, der sich in
ihm um die geistige Entwicklung der Mensch- der Entwicklung der indogermanischen Spra-
heit, die sich unter entscheidender Mitwir- chen beobachten läßt, keinen Verfall bedeutet,
kung der Sprachen innerhalb der Völker und wie es aus der Sicht mancher Romantiker
Kulturen vollzieht. Die Gesamtentwicklung erscheinen mochte, sondern daß es sich um
zielt, so glaubt er, auf eine wachsende Voll- eine geistige Höherentwicklung handelt.
endung des Geistes und des Denkens hin. Die Denn was an Formenreichtum aufgegeben
Sprachen stehen mit dem Denken in enger wurde, bedeutet keinen Verlust, sondern öko-
Wechselwirkung. Das Denken vollzieht sich nomische Einsparung, die Platz schafft für
zwar nach allgemeinen Gesetzen, und hier ist höhere begriffliche Leistungen. Ähnlich po-
deutlich der Einfluß Kants spürbar, aber doch sitiv äußert sich übrigens später auch J.
in verschiedener, nämlich sprachbedingter Grimm, der trotz seiner Bewunderung für die
Weise. Humboldts Einsicht, daß sich das Den- frühere Formvollkommenheit und den alten
ken der Menschen praktisch in den Bahnen Wohllaut der Sprachen den ›Trieb zum Ge-
vorgegebener Sprachstrukturen bewegt, lie- danken‹ als leistungssteigernde Kraft wirksam
fert ihm den Schlüssel zu wegweisenden Er- sieht (Grimm 1958, 38 f). — Wichtiger aber
kenntnissen. Allerdings interessiert ihn die als die äußere lautliche Verschiedenheit der
Frage nach dem Sprachursprung weniger. Für Sprachen ist ihre innere, semantische Ver-
ihn ist die Sprache so eng mit der menschli- schiedenheit. Zwei zentrale Begriffe Hum-
chen Existenz verbunden, daß er sagen kann: boldts tragen dem Rechnung: der Begriff der
„Der Mensch ist nur Mensch durch Sprache; ›sprachlichen Weltansicht‹ und der Begriff der
um aber die Sprache zu erfinden, mußte er ›inneren Sprachform‹. Humboldt ist der
schon Mensch seyn“ (Humboldt 1903—36, Überzeugung, daß die Verschiedenheit der
Ges. Schriften IV, 15). Hier klingt Herder an, Sprachen nicht nur eine Verschiedenheit der
der wie Hamann den Menschen nicht ohne ›Schälle‹ ist, sondern eine Verschiedenheit der
Sprache denken kann. Die Sprache muß, so Weltansichten selbst. Dieser Begriff der
meint Humboldt, mit einem Male da sein, sprachlichen Weltansicht hat zahlreiche Miß-
keine Sprache ist je im ersten Werden ihrer verständnisse ausgelöst. Leo Weisgerber
Formen überrascht worden, wir finden sie alle (1899—1985), der konsequenteste Fortführer
bereits als fertige Organismen vor und in der Humboldts, hat hierfür den Begriff des
Vielfalt historisch gewachsener Erscheinun- ›sprachlichen Weltbildes‹ eingeführt, aber
gen. Die große Verschiedenheit der Formen auch dieser Begriff, der oft mit dem belasteten
und Strukturen muß die Aufmerksamkeit des Begriff der (ideologischen) Weltanschauung
Sprachforschers auf sich ziehen. verwechselt wurde, hat Angriffe und Fehldeu-
tungen nicht zu verhindern vermocht (s. Art.
2.3.2.  Humboldts Begriff der Form gewinnt 58). Will man den rationalen Kern dieses Ge-
dabei eine zentrale Bedeutung. Form ist bei dankens herausarbeiten, so muß man beto-
Humboldt nicht statisch gegebene Gestalt, nen, daß die sprachliche Weltansicht bzw. das
13.  Sprachphilosophie in der Romantik 213

sprachliche Weltbild sich auf die Art des Ge- lassen. Man hat in diesem Bereich oft sehr
gebenseins der Welt in den Kategorien einer vordergründig argumentiert: die Vielfalt kon-
Sprache, in ihrem grammatischen, d. h. mor- kreter Bezeichnungen für manche Gegen-
phologischen und syntaktischen, sowie in ih- standsbereiche in einzelnen Sprachen, das
rem semantischen Aufbau bezieht. Es geht Fehlen mancher Begriffe, die Aufspaltung
also darum, in welcher Weise in einer be- einzelner Begriffe in zwei oder drei Synonyme
stimmten Sprache die Welt in den Gedanken oder Antonyme usw. wurden immer wieder
überführt worden ist. Hier liegt keine Spe- als Beweise für die inhaltliche Verschiedenheit
kulation vor, sondern es werden Fakten und der Sprachen angeführt. Dabei handelt es sich
Tatsachen angesprochen. Ein Blick auf die hier um Randphänomene, die für die struk-
inhaltliche Gliederung und den Aufbau des turelle Beurteilung belanglos sind. — Es
Wortschatzes einer Sprache überzeugt davon, wurde schon erwähnt, welche Forscher auf
daß das erfahrbare und denkbare Seiende in Humboldt eingewirkt haben. Auf die schwie-
einer bestimmten Weise ›auf den Begriff‹ ge- rige Frage weiterer Einflüsse und deren Wir-
bracht worden ist. Dies ist in einem jahrhun- kungen auf Humboldts Sprachphilosophie
dertelangen wechselvollen Prozeß geschehen kann hier nicht eingegangen werden (vgl.
und setzt sich fort, solange eine Sprachge- dazu Gipper/Schmitter 1985, 97 ff). Da Hum-
meinschaft mit dieser Sprache lebt und han- boldt häufig seine Quellen selbst nicht mehr
delt. Jeder, der in die Gemeinschaft hinein- nennt, sind sie nur durch sorgfältige Recher-
wächst, übernimmt die sprachlichen Sehwei- chen nachzuweisen. Das ist bei seiner Ver-
sen, er beginnt die Welt, bildlich gesprochen, trautheit mit den Schriften von Leibniz,
durch die Brille seiner Muttersprache zu se- Fichte, Schelling, Goethe, Schiller usw. keine
hen. — Zweifellos wird auch sein Denken und leichte Aufgabe. Bei dem Aufweis von Vor-
Handeln durch die vorgegebenen semanti- bildern und Parallelen ist es aber entschei-
schen Strukturen und Aussagemöglichkeiten dend, was Humboldt aus ihnen gemacht hat.
gelenkt, aber er wird deshalb kein Sklave sei- Da nun zeigt sich seine unvergleichliche Be-
ner Sprache, sondern kann über sie hinaus- gabung, selbst alte Probleme neu zu sehen
denken und gegen sie andenken. Die sprach- und in seine eigene Sprachphilosophie einzu-
liche Weltansicht hat insofern apriorischen bauen.
Charakter, als sie dem individuellen Denken
und Erfahren notwendig vorausliegt. Alle 2.4. Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher
weiteren Weltentwürfe, wissenschaftliche
Weltbilder und ideologische (religiöse und po- 2.4.1.  Ähnliche Gedanken wie bei Humboldt
litische) Weltanschauungen werden erst später finden sich bei Schleiermacher (1768—1834),
sekundär erworben. Sie mögen auch unter der zu seiner Zeit nicht nur als einer der
sprachlicher Wirkung stehen, sind aber nicht bedeutendsten protestantischen Theologen
mit der vorgegebenen sprachlichen Weltan- galt, sondern auch als Philosoph und Philo-
sicht zu verwechseln. Daß der Mensch kein loge und Platon-Übersetzer hervorgetreten
Sklave seiner Sprache ist, geht schon aus der ist. Er war zugleich ein intimer Jugendfreund
Tatsache hervor, daß er die Eigenart der F. Schlegels. Wie ein Blick in die Gesamtdar-
sprachlichen Weltansicht im Vergleich mit der stellungen der Sprachphilosophie und der Ge-
erfahrbaren Welt und vor allem mit anderen schichte der Linguistik zeigt, ist Schleierma-
Sprachen zu erkennen vermag und daß er auf chers Beitrag zur sprachphilosophischen Dis-
sie einwirken, sie also verändern kann. Aller- kussion des 19. Jahrhunderts jedoch bis heute
dings ist vor einer folgenschweren Verwechs- kaum gewürdigt worden. Unvergessen ist
lung des wertneutralen Begriffs Humboldts Schleiermachers Wirken freilich innerhalb der
mit den konkurrierenden Ausdrücken ‘(wis- philosophischen Tradition, insbesondere in-
senschaftliches) Weltbild’ und ‘(ideologische) nerhalb der Hermeneutik, wie sie in Deutsch-
Weltanschauung’ zu warnen. Da diese Unter- land von Hans-Georg Gadamer (*1900) und
scheidungen bei den Übersetzungen aus dem Karl-Otto Apel (*192 2 ) oder in Frankreich
Deutschen meist verwischt werden, entsteht von Paul Ricœur (*1913) vertreten wird. Hier
hier eine ständige Quelle der Mißverständ- ist erkannt, daß Schleiermacher und Wilhelm
nisse. Darauf hat Helmut Gipper (*1919) in Dilthey (1833—1911) aus der philologischen
seinem Buch Gibt es ein sprachliches Relati- Exegese eine allgemeine Hermeneutik entwik-
vitätsprinzip? Untersuchungen zur Sapir- kelt und das hermeneutische Problem zu
Whorf-Hypothese (1972 ) mit Nachdruck hin- einem philosophischen gemacht haben: „C’est
gewiesen. — Die Weltverschiedenheit der avec Schleiermacher et Dilthey, que le pro-
Sprachen muß sich auch strukturell erfassen
214 I. Raum-zeitliche Übersichten

blème herméneutique devint problème philo- schiedenheit der Sprachen’, ‘sprachliche Welt-
sophique“ (Ricœur 1969, 6). Schleiermacher ansicht’, ‘das Verhältnis von Denken und
markiert, wie Apel (1973 a I, 281) sagt, einen Sprechen’ und die ‘Auffassung der Sprache
„Wendepunkt in der Geschichte der Hermeneutik“ als Ergon und Energeia’ verwiesen sei. So wie
und hat „mit seinem Grundsatz, daß, strenggenom- für Humboldt die Verschiedenheit der Spra-
men, nicht das Verstehen, sondern das Mißverste- chen nicht in erster Linie eine Verschiedenheit
hen das Selbstverständliche sei, [...] gewissermaßen der ›Schälle‹ ist, ist auch für Schleiermacher
den kartesischen Zweifel in die [...] Kunstlehre der die ›Differenz des Klanges‹ weniger bedeut-
Hermeneutik hineingetragen und das ›Verstehen‹, sam als ›die innere des Gehaltes‹ (Schleier-
unabhängig von allen dogmatischen und pragma- macher 1977, 461). Und wenn er sagt:
tischen Bindungen der Bibelinterpretation, zum „Es ließe sich denken, daß nur der Klang verschie-
Thema philosophischer Erkenntnistheorie erho- den sei, der Gehalt derselbe. Aber kein Wort, das
ben“. eine logische Einheit in sich trägt, korrespondiert
Daß seine Theorien nur in geringem Maße mit einem Wort in einer anderen Sprache“ (1977,
rezipiert wurden, mag einmal daran liegen, 461),
daß der sich in der Wissenschaft durchset- wird nicht nur die Dominanz der semanti-
zende Positivismus dem dialektischen Den- schen gegenüber der lautlichen Verschieden-
kens Schleiermachers — ebenso wie dem heit hervorgehoben, sondern zugleich auch
Humboldts — feindlich gegenüberstand und postuliert, daß es in verschiedenen Sprachen
seine Texte schwer zu verstehen waren. Zum keine inhaltlich völlig identischen Wörter ge-
anderen sind seine sprachphilosophischen ben kann. Dieser Gedanke findet sich bei
Äußerungen in seinem Opus weit verstreut, Humboldt (1903—36, Ges. Schriften III, 170)
und es kommt noch hinzu, daß es sich bei etwa in dem Hinweis, daß „die Wörter ver-
seinem sprachphilosophischen Hauptwerk schiedener Sprachen nicht vollkommene Syn-
Hermeneutik und Kritik um einen Text aus onyma sind, und dass wer ἵππος, equus und
nachgelassenen Notizen und Vorlesungsmit- Pferd ausspricht, nicht durchaus und voll-
schriften aus der Zeit von etwa 1805 bis 1833 kommen dasselbe sagt“, und gehört in der
handelt, der — wie Manfred Frank (*1945) Humboldtschen Sprachtheorie zu den Grund-
(Schleiermacher 1977, 57 ff) jetzt wieder auf- pfeilern der These von der ›Weltansicht‹ der
gezeigt hat — seine Gedankengänge nur recht Sprachen (vgl. Schmitter, 1977, 171 ff). Wie
unvollkommen wiedergibt. Wichtig ist hier nahe Schleiermachers Konzeption diesem
die von Heinz Kimmerle (*1930) nach den Theorem kommt, wird noch deutlicher in
Handschriften neu herausgegebene und ein- einer Passage, in der Schleiermacher von der
geleitete Hermeneutik (Kimmerle 1959). In Verschiedenheit der Sprachen auf eine Ver-
seiner neuen Edition von Hermeneutik und schiedenheit des Denkens schließt und dann
Kritik (1977) hat Frank jedoch auch die wich- fortfährt:
tigsten sonstigen sprachphilosophischen Texte „In der Sprache zeigt sich schon die Relativität des
Schleiermachers zusammengestellt, so daß Wissens; die Grenzen sind verschieden nach der
dessen Sprachtheorie jetzt leicht zugänglich Verschiedenheit oder Verwandtschaft der einzelnen
geworden ist. In einer ausführlichen Einlei- Sprachen. [...] Wird also die Sprache schon her-
tung gibt Frank außerdem eine zusammen- vorgelockt durch den Prozeß des Schematisierens,
fassende Darstellung dieser Theorie, wobei so muß in diesem selbst schon eine Differenz und
auch auf Zusammenhänge mit neueren lin- die Relativität des Wissens liegen, welche sich in
guistischen und literaturwissenschaftlichen der Differenz der Sprachen ausdrückt“ (1977, 461).
Ansätzen verwiesen wird (Schleiermacher
1977, 7—67). — Darüber hinaus finden sich 2.4.2.  Eng verknüpft mit dieser Problematik
weitere aufschlußreiche Darlegungen zur ist die Frage nach dem Verhältnis von Denken
Sprachtheorie in Schleiermachers Abhand- und Sprache (s. Art 71), auf die Schleierma-
lung Ueber die verschiedenen M ethoden des cher folgende Antwort gibt:
Uebersetzens, die im Jahre 1813 in der Berli- „Der Einzelne ist in seinem Denken durch die (ge-
ner Akademie der Wissenschaften verlesen meinsame) Sprache bedingt und kann nur die Ge-
wurde und in dem von Hans Joachim Störig danken denken, welche in seiner Sprache schon ihre
(*1915) herausgegebenen Sammelband Das Bezeichnung haben. Ein anderer neuer Gedanke
Problem des Übersetzens (1963) greifbar ist. könnte nicht mitgeteilt werden, wenn nicht auf
— Die Verwandtschaft mit Humboldtschen schon in der Sprache bestehende Beziehungen [Be-
Gedanken zeigt sich an vielen Stellen, von zeichnungen?] bezogen“ (1977, 78; vgl. 1963, 43).
denen hier nur auf die Themenkreise ‘Ver- Diese Bestimmung des Gedankens durch
die Sprache wird auch an einer anderen Stelle
13.  Sprachphilosophie in der Romantik 215

hervorgehoben, wo Schleiermacher davon lyse steht, gilt Schleiermachers Aufmerksam-


spricht, daß man die Sprache insofern be- keit vor allem dem (allerdings auch bei Hum-
trachten kann, boldt anklingenden) Verstehensproblem, wes-
„als sie das Denken aller Einzelnen bedingt, den halb er in seiner Sprachbetrachtung mehr
einzelnen Menschen aber nur als den Ort für die vom Rezipienten oder Hörer ausgeht. Auf die
Sprache und seine Rede nur als das, worin sich Frage, ob eine direkte Beziehung zwischen
diese offenbart“ (1977, 79). der Humboldtschen und der Schleiermacher-
Dieser Satz läßt zwar vermuten, Schleier- schen Sprachtheorie besteht, kann man auf-
macher sei der Ansicht, daß der Mensch in grund der vorliegenden Literatur noch keine
seinem Denken durch die vorgegebene Spra- endgültige Antwort geben. Es ist zwar be-
che determiniert ist, doch wie die zuvor zi- kannt (vgl. Mattson 1972 , 101 Anm. 2 ), daß
tierte Stelle zeigt, glaubt er, daß der Mensch Humboldt und Schleiermacher sich wahr-
— wenn auch basierend auf der vorgegebenen scheinlich schon 1801 kennengelernt haben,
Sprache — durchaus neue Gedanken denken daß Schleiermacher ab 1815 alle kirchlichen
kann, und nimmt man einen späteren Passus Funktionen in der Familie Humboldts über-
(Schleiermacher 1977, 460) noch hinzu, sogar nahm und von Humboldt an die im Jahre
dazu fähig ist, ›Irrtum und Wahrheit‹ in der 1809 gestiftete Universität Berlin auf den
Sprache zu erkennen. Demzufolge ist es für Lehrstuhl für evangelische Theologie berufen
ihn auch durchaus möglich, unangemessene wurde, doch scheint der Umgang zwischen
Termini zu durchschauen und ›falsche‹ den beiden Männern, wie Mattson (1972 , 101)
sprachlich verfestigte Begriffe zu revidieren. aufgrund der genannten Fakten und der er-
— Den Ergon- und Energeia-Aspekt der haltenen Humboldtbriefe schließt, „mehr
Sprache, auf den Humboldt hinweist, könnte menschlichen als philosophischen Gehalt ge-
man schließlich bei Schleiermacher darin fin- habt zu haben“. Zu einem ähnlichen Ergebnis
den, daß er einerseits die Sprache als vorge- kommt auch schon Haym (1856, 596). So ist
gebenes Objektivgebilde ansieht und ›alle also von einer langjährigen Bekanntschaft
Akte des Redens‹ als eine Art, zwischen Humboldt und Schleiermacher aus-
„wie die Sprache in ihrer eigentümlichen Natur zum zugehen, doch bedarf es noch genauerer Un-
Vorschein kommt“. In dieser Hinsicht ist der „Ein- tersuchungen, um zu klären, inwieweit diese
zelne nur ein Ort [...], in dem die Sprache er- Beziehung in dem philosophischen und
scheint“ (1977, 78). sprachtheoretischen Denken beider Männer
Andererseits betont Schleiermacher aber konkret nachzuweisen ist.
auch, daß die Sprache aus „den jedesmaligen
Akten des Sprechens“ entsteht (1977, 80) und 2.5. August Ferdinand Bernhardi
der Sprecher in einem ›schöpferischen Akt‹
auf die Sprache einwirkt (1977, 32 5 ff) und so In enger Verbindung mit den Frühromanti-
im Akt der Rede neuen Sinn erzeugt. In der kern stand der Sprachforscher Bernhardi
Abhandlung Ueber die verschiedenen M etho- (1769—182 0), ein Schwager Tiecks. Über
den des Uebersezens wird dieser Gedanke seine Lebensumstände und sein Werk berich-
noch weiter ausgeführt. Dort heißt es: tet Haym in seinem Standardwerk Die ro-
„In diesem Sinne also ist es die lebendige Kraft des mantische Schule. Ein Beitrag zur Geschichte
einzelnen, welche in dem bildsamen Stoff der Spra- des deutschen Geistes (Haym 1972 , 2 7 ff).
che neue Formen hervorbringt, ursprünglich nur Bernhardi war Schüler des bekannten Philo-
für den augenblikklichen Zwekk ein vorübergehen- logen Friedrich August Wolf (1759—182 4)
des Bewußtsein mitzutheilen, von denen aber bald und Fichtes. Er trat hervor mit seiner Sprach-
mehr bald minder in der Sprache zurükkbleibt und lehre (1801—03), die er Wolf widmete. Das
von ändern aufgenommen weiter bildend um sich Werk enthält zwei Teile, die Reine Sprachlehre
greift“ (Schleiermacher 1963, 43 f). und die Angewandte Sprachlehre. Es ist lang
Neben diesen und weiteren Parallelen — und schwer lesbar und wohl nicht zuletzt des-
wie etwa der Auffassung der Sprache als Sy- halb in der Sprachwissenschaft und Sprach-
stem und der Determination der einzelnen philosophie fast in Vergessenheit geraten. Bei
Sprachelemente durch das Ganze — darf frei- seinem Erscheinen aber hat es große Beach-
lich nicht übersehen werden, daß Humboldt tung gefunden. Von A. W. Schlegel wurde es
und Schleiermacher von unterschiedlichen In- gewürdigt, Sprachforscher wie Bopp und
teressenslagen aus an die Sprache herangehen. Humboldt sind von ihm beeinflußt, wie weit,
Während bei Humboldt die Spracherzeugung muß allerdings offen bleiben. Die Sprachlehre
durch den Sprecher im Vordergrund der Ana- steht unter dem Einfluß der Grammaire gé-
nérale, der Sprachtheorien der Aufklärung,
216 I. Raum-zeitliche Übersichten

der Philosophie Kants und besonders der anderen Worten: es fehlt jede Reflexion auf
Wissenschaftslehre Fichtes, so daß Haym sie die sprachliche Voraussetzungsproblematik
sogar als Seitenstück hierzu bezeichnen und damit jede kritische Stellungnahme zu
konnte. Bernhardi will zeigen, wie die Sprache Kant und auch zu Fichte. Daß Bernhardi
notwendig aus den Kräften des menschlichen diese Problematik überhaupt nicht gesehen
Geistes hervorgehen mußte, und er sucht dies hat, geht auch aus seiner vernichtenden Kritik
in einem streng deduktiven Verfahren am von Herders Metakritik im Schlegelschen
Leitseil logischer Gesetze und Kantischer Ka- Athenäum hervor, in dem er Herder eine völ-
tegorien in Fichtescher Manier zu deduzieren. lige Fehlinterpretation Kantischer Begriffsun-
Er geht vom Menschen als Sinneswesen aus terscheidungen vorwirft, ohne den eigentli-
und versucht zu zeigen, wie er von dieser Basis chen Kern der Herderschen Intention über-
aus seine Welt begreifen und organisieren haupt zu erwähnen (Bernhardi 1800, 2 68—
muß. Sicher hat er Locke und Herder studiert. 2 83). Im zweiten praktischen Teil der Sprach-
Radikal verkürzt ist sein Weg folgender: Aus lehre, in dem die Leistung der Sprache für
Sinnesempfindungen entstehen Anschauun- Poesie und Wissenschaft bzw. Philosophie er-
gen, diese werden zu Vorstellungen, die von örtert wird, ist der Bezug zu romantischen
der Einbildungskraft bearbeitet werden. Sie Auffassungen deutlicher spürbar. Hier kann
reproduziert die eingebildete Anschauung als auch eher Positives anerkannt werden. Dich-
Sache in uns und macht ideale Anschauungen terisches und philosophisches Verfahren die-
und Bilder produzierbar. Diese werden durch nen nach Bernhardi demselben Ziel, nämlich
das Vermögen des Verstandes in eine Regel der Darstellung der Formen der Natur. Dies
gebracht und eingeschränkt. Hinzu kommt kann natürlich nur dann gelten, wenn man
die Vernunft, die das Ganze der aufgenom- ›Natur‹ in einem Mensch und Welt umfassen-
menen Erfahrungsdaten organisiert und ord- den Sinne begreift. Das dichterische Verfah-
net und durch eigenständiges Wirken der ren faßt Bernhardi als im Grunde synthetisch,
Phantasie frei zu erweitern vermag. So werden das philosophische als analytisch auf. ›Bilder‹
später Kunst und Dichtung möglich. Doch bilden die Grundlage der Poesie, ›Begriffe‹ die
zunächst vollzieht sich das alles noch ohne der Wissenschaft und Philosophie. Im An-
Sprache. Diese wird erst notwendig, wenn die schluß daran nimmt er eine Klassifikation der
außersprachlichen Vorstellungen dargestellt Künste und literarischen Gattungen vor, die
und von einem (darstellenden) Subjekt einem mit den Auffassungen der Schlegels zu ver-
anderen (empfangenden) Subjekt mitgeteilt gleichen wäre, und bietet eine neue Interpre-
werden sollen. Jetzt muß nach einem geeig- tation der rhetorischen Ausdrucksformen
neten Mittel dafür gesucht werden. Die bzw. Tropen. In den letzten Kapiteln des
Stimme erweist sich dann als optimales Me- Werks werden der Begriff und der artikulierte
dium. Nun erst wird die Genese der Sprache Ton erörtert. — Um Stellung zu nehmen, ist
deduziert. Als integrales Element der Sprach- es geboten, nach weiteren kritischen Stimmen
entwicklung wird der Dialog herausgestellt. zum Werke Bernhardis Ausschau zu halten.
Dazu müssen sprachliche Zeichen entwickelt Fiesel, die Autorin der ersten Monographie
werden, deren Weg vom Natürlichen zum Ar- zur Sprachphilosophie der deutschen Roman-
biträren führt. Aus einfachen Elementen ent- tik, weist Bernhardi eine Schlüsselstellung für
stehen Redeteile, aus ihnen Sätze, und zwar das romantische Sprachdenken zu, spart aber
in notwendiger Folge. Dabei werden Prinzi- auch nicht mit kritischen Bemerkungen. Erst
pien der Logik und der allgemeinen Gram- in jüngster Zeit ist das Interesse an Bernhardi
matik sowie die Kantischen Kategorien (ohne wieder stark gewachsen. Auch in den neuen
Nennung Kants) als Richtmaße herangezo- Publikationen stehen sich ablehnende und zu-
gen. Hier kommt es zu gewagten und unhalt- stimmende Urteile schroff gegenüber. Bernd
baren Parallelisierungen von transzendenta- Naumann (*1938) hat in seinem Buch Gram-
len und sprachlichen Kategorien, so von matik der deutschen Sprache zwischen 1781
‘Quantität’ mit ‘Substantiv’, von ‘Qualität’ und 1865 (1986), also im Zeitraum der Ro-
mit ‘Adjektiv’, von ‘Modalität’ mit ‘Verbum’ mantik, auch Bernhardi behandelt und ge-
usw. Dies ist in höchstem Maße fragwürdig. langt zu einem ziemlich vernichtenden Urteil.
An keiner Stelle stellte Bernhardi sich die Nicht nur scheint ihm die Sprachlehre so gut
Frage, ob denn z. B. Vorstellungen (von etwas wie unbenutzbar — „mehr ein rationalisti-
als etwas), Verstand (als Vermögen von Be- scher Roman oder Feuilleton zur Sprache im
griffen), die Kategorien und Urteile Kants geistreichen Plauderton“ (1986, 69) —, son-
ohne Sprache überhaupt denkbar sind. Mit dern auch Verfahren, Gehalt und Schlußfol-
13.  Sprachphilosophie in der Romantik 217

gerungen sind für ihn unannehmbar. Auch er tik. Dies wäre aber zumindest an den bereits
bemängelt, daß Bernhardi sich bei seinen De- genannten Stellen vonnöten gewesen. — Wie
duktionen zwar auf die Kantische Katego- aber ist nun nach Abwägung des geschilderten
rienlehre beruft, aber in recht willkürlicher Für und Widers Bernhardis sprachwissen-
Weise mit ihr umgeht, Ontologie und Logik schaftliche und sprachphilosophische Lei-
mischt und eine Verbindung zu sprachlichen stung zu bewerten? Zuzugestehen ist, daß es
Kategorien darstellt, die inakzeptabel ist. sich um einen kenntnisreichen und zu syste-
Seine Definitionen passen ganz und gar nicht matischem Denken befähigten Gelehrten han-
zur Kategorientafel. Trotz dieser Ungereimt- delt, der die Fachliteratur, die zeitgenössische
heiten hat das Werk anregend auf die zeitge- Philosophie und das romantische Gedanken-
nössischen Grammatiker gewirkt. Kurz dar- gut gut kannte. Begrüßenswert ist auch, daß
auf ließ Bernhardi noch die Anfangsgründe er bei seinen Überlegungen vom Menschen
der Sprachwissenschaft (1805) folgen, ein klei- als Sinnenwesen ausgeht und von dort zu
neres Werk, das als Berichtigung und Ergän- seinen geistigen Leistungen vordringt. Er hat
zung der Sprachlehre gedacht war. Ganz an- offensichtlich Herders Ursprungsschrift und
ders sehen dies Brigitte Schlieben-Lange Locke gelesen. Wie er dann aber durch reine
(*1943) und Harald Weydt (*1938) in ihrem Begriffskonstruktionen die weitere Entwick-
Aufsatz August Ferdinand Bernhardi (1770— lung zu deduzieren sucht und dabei die Ka-
1820) aus dem Jahre 1988. Die Autoren wol- tegorien Kants und die logischen Prinzipien
len Bernhardis Sprachlehre und seine An- der allgemeinen Grammatik auf die Spra-
fangsgründe der Sprachwissenschaft erneut zu- chentstehung anzuwenden sucht, daß bleibt
gänglich machen. Bernhardi sei bis zum heu- höchst bedenklich. Daß in diesen Überlegun-
tigen Tage verkannt und unterschätzt worden. gen die Einbildungskraft des Menschen, also
Er wird als Erbe der Aufklärung und ihrer ein generatives Prinzip, eine führende Rolle
linguistischen Theorie, besonders der Gram- spielt, verbindet Bernhardi sicher mit den Ro-
maire générale, bezeichnet und als Schüler mantikern und auch mit Humboldt. Auch das
Wolfs in Halle herausgestellt (s. Art. 44). romantische Grundproblem der Beziehung
Bernhardi habe die schwierige Aufgabe über- von Freiheit und Notwendigkeit, von Allge-
nommen, die Allgemeine Grammatik und meinheit und Individualität spielt bei Bern-
Rhetorik in der Sehweise des deutschen Idea- hardi die ihm gebührende Rolle. Aber worin
lismus (Kant/Fichte) neu zu formulieren. Die diese Notwendigkeit besteht, welche Rolle da-
von ihm ausgearbeitete Sprachtheorie sei bei philosophische, logische und sprachliche
noch heute aufschlußreich. Auch sei er als Kategorien spielen, das bleibt unbefriedigend
Vorläufer Humboldts zu würdigen. Die Auto- und anfechtbar. Bernhardi hat, so könnte
ren halten die Sprachlehre für ein ausgezeich- man sagen, alle Elemente in der Hand, mit
netes, wohldurchdachtes und durchgeglieder- denen eine tragfähige Sprachphilosophie
tes Buch. Die allzu knappe Inhaltsangabe hätte entwickelt werden können, aber er er-
kann man aber nur ganz verstehen, wenn man kennt die tatsächliche Voraussetzungsproble-
sie ständig mit dem Original vergleicht. Es matik nicht, auf die Gipper jetzt in seinem
fehlt aber vor allem jeder kritische Kommen- Buch Das Sprachapriori. Sprache als Voraus-
tar zu den Deduktionen Bernhardis. Seine setzung menschlichen Denkens und Erkennens
eigentliche Leistung wird als Synthese von (1987) besonders in der Auseinandersetzung
Auffassungen des deutschen Idealismus und mit Kant hingewiesen hat. Vergleicht man
der sensualistischen Sprachtheorie des 18. aber Bernhardi mit Humboldt, so muß man
Jahrhunderts als Basis semiotischer Systeme sagen: Der Verfasser der Sprachlehre reicht
gekennzeichnet. Gemeint sind auf deutscher bei weitem nicht an Humboldt heran. Allein
Seite Kant und Fichte, auf der sensualisti- Humboldts Abhandlung Ueber das verglei-
schen Seite wären Locke und Condillac zu chende Sprachstudium in Beziehung auf die
nennen. Es fehlt jeder Hinweis auf die be- verschiedenen Epochen der Sprachentwicklung
deutsame Tatsache, daß in Kants Kritik der aus dem Jahre 182 0 bietet unvergleichlich
reinen Vernunft weder bei der für Bernhardi mehr sprachphilosophische Einsichten als
so wichtigen Kategorientafel noch beim ana- Bernhardis beide Hauptwerke zusammen.
lytischen und synthetischen Urteil (a priori) Schlieben-Lange und Weydt haben dies frei-
die Sprache als konstitutives Medium erkannt lich auch gesehen, und sie betonen mit Recht,
ist. Die Autoren versuchen, in der Gedanken- daß hierbei alle Fragen möglicher Einflüsse
führung Bernhardis Neues und Wegweisendes mit großer Vorsicht zu behandeln sind.
zu entdecken und enthalten sich jeglicher Kri-
218 I. Raum-zeitliche Übersichten

3. Sprachphilosophie ginn des 19. Jahrhunderts wieder mehr der


und Sprachästhetik geschichtlichen Wirklichkeit zu und wertet
der deutschen Romantik die Sprache im wachsenden Maße als histo-
rische Erscheinung. Jetzt wird die Sprache
Die erste umfassende Monographie über Die vor allem als Ausdruck des Volksgeistes be-
Sprachphilosophie der deutschen Romantik ist trachtet und das Augenmerk auf die Erfor-
die Arbeit von Eva Fiesel (1891—1937) aus schung der nationalen Vorzeit gelenkt. Da-
dem Jahre 192 7. Sie liefert einen Überblick bei gewinnt die Mythologie entscheidende
über die Gesamtentwicklung und charakte- Bedeutung und die Philosophie der Sprache
risiert die einzelnen Entwicklungsphasen wird zu einer Philosophie der Mythologie.
und die wichtigsten Persönlichkeiten der Schließlich weicht die romantische Mythen-
Zeit (umfassend dazu Gipper/Schmitter forschung auch rationaleren Deutungen und
1985). Die Verfasserin unterscheidet eine die Sprachbetrachtung entfernt sich allmäh-
frühe ›transzendentale‹ Romantik, die das lich ganz von der Philosophie und endet in
letzte Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts um- reiner Materialforschung. Die historisch-ver-
faßt und mit dem Tode des Novalis zum gleichende Sprachwissenschaft tritt ihren
Abschluß kommt, und eine jüngere ›diessei- Siegeszug an. In der Spätromantik erlischt,
tige‹ Romantik, für die der Dichter Eichen- so sagt Fiesel, der ›Sprachsinn‹ vollends, die
dorff als Repräsentant stehen kann. Davon Sprache hört auf, eine zentrale Rolle zu
abgehoben wird die Nachromantik und die spielen. Als für die romantische Sprachphi-
politisch engagierte Bewegung des jungen losophie besonders wichtig, stellt Fiesel F.
Deutschlands, der sich Heinrich Heine Schlegel, den Sprachforscher Bernhardi, vor
(1797—1856) verbunden fühlte. Die Sprach- allem aber Humboldt heraus. Als einen
philosophie der deutschen Romantik be- wichtigen Grund für den Wandel der Auf-
trachtet Fiesel als Ausdruck der romanti- fassung betrachtet sie den Umstand, daß die
schen Weltanschauung. Die zentrale Sprach- idealistische Philosophie Fichtes durch die
idee ist verankert in der Religion und damit Lehre des Naturphilosophen Schelling ab-
auf einen göttlichen Mittelpunkt bezogen. gelöst und dadurch ein neues Gefühl für das
Für die frühen Romantiker war die Sprache Leben und die Wirklichkeit geweckt wurde.
ein universelles Erlebnis. Sie ist Schöpfung Dies habe die frühen Romantiker wieder
und Spiegel des Geistes, der von Gott aus überzeitlichen Fernen an die histori-
stammt und zugleich das Sinnbild einer ver- schen Tatsachen herangeführt. — Wenn Fie-
lorenen Einheit von Sinnenwelt, Poesie, Phi- sel auch den komplexen Phänomenen durch
losophie und Religion. Dies entspricht zu- die Einpassung in oppositionelle Begriffs-
gleich einer poetischen Weltanschauung, für schemata, die sie der Methode von Fritz
die Sprache Poesie und diese letztlich Musik Strichs (1882 —1963) Deutsche Klassik und
ist. Damit verbunden ist die Idee einer ur- Romantik oder Vollendung und Unendlichkeit
sprünglichen Einheit aller Sprachen. Es han- (2192 4) verdankt, stellenweise Gewalt antut,
delt sich letztlich um eine metaphysische bleibt ihre Darstellung noch heute lesens-
Sprachidee, deren Form nur eine symboli- wert. Besonders wird deutlich, wie sich die
sche sein kann. Sie findet sich im Werk der Einstellung zu den Sprachproblemen im
frühen Romantiker an vielen Stellen ver- Laufe der Zeit gewandelt hat. An der Ein-
streut, ohne daß dies am Titel der Schriften stellung zur Frage des Sprachursprungs ist
erkennbar wäre. Fiesel weist auf Bezüge der das gut abzulesen: Die Denker des 17. und
frühromantischen Denker zu Platon, Rous- 18. Jahrhunderts hofften noch, sie mit den
seau, Louis de Bonald (1754—1840), Ha- Denkmitteln ihrer Zeit lösen zu können. Für
mann und Herder sowie zu dem deutschen die Frühromantiker entzieht sich das Ge-
Mystiker Jacob Böhme (1575—162 4) und heimnis der Entstehung der Sprache dem
dem niederländischen Philosophen Frans menschlichen Erkenntnisvermögen. Die
Hemsterhuis (172 1—1790) hin. Charakteri- späte Romantik hofft durch den Rückgriff
stisch für die romantischen Ideen ist, daß auf die Mythen und auf sprachhistorische
sie nicht von der Erfahrung ausgehen, son- Errungenschaften einer Lösung des Pro-
dern von Begriffen. Dies beweisen entspre- blems näherzukommen.
chende Äußerungen F. Schlegels, der zu- Der Arbeit von Fiesel folgte 1975 der Bei-
gleich eine entscheidende Wandlung und da- trag von Gipper und Peter Schmitter (*1943):
mit eine neue Epoche einleitet. Die jüngere Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie im
deutsche Romantik wendet sich seit dem Be-
13.  Sprachphilosophie in der Romantik 219

Zeitalter der Romantik als Beitrag zum 13. 4. Das Verhältnis der systematischen
Band der von Sebeok herausgegebenen Cur- Philosophie zur Sprachphilosophie
rent trends in linguistics unter dem Bandtitel
Historiography of linguistics. Dieser Beitrag 4.1.  Es ist eine überraschende Tatsache, daß
erschien dann 1979 in stark erweiterter und die Sprachphilosophen der romantischen
überarbeiteter Form als Monographie und Epoche keine Berufsphilosophen waren und
1985 in 2 . verbesserter Auflage. 1977 erschien daß die großen Philosophen der Zeit keine
die weitere Gesamtdarstellung von Lia For- Sprachphilosophie entwickelt haben. Heintel
migari (*1931) La logica del pensiero vivente, hat diesen Umstand bedauert. Er erblickt so-
die die vorangegangenen Untersuchungen in gar eine Tragik darin,
dankenswerter Weise ergänzt. „daß Hamann und Herder, die Romantik und
Eine weitere wichtige Ergänzung der Dar- selbst Humboldt bei allem Reichtum der Ideen und
stellung von Fiesel verdanken wir dem gründ- bei aller Tiefe der treibenden Motive, jenes philo-
lichen Kenner der romantischen Epoche sophische Rüstzeug vermissen lassen, das die syste-
Friedrich Kainz. In seinem Aufsatz Die matische Philosophie in mühsamer ›Anstrengung
Sprachästhetik der Jüngeren Romantik (1938) des Begriffes‹ in ihrer Entwicklung von Descartes
bemängelt er, daß Fiesel überscharfe Tren- und Leibniz zu Kant und Hegel geschaffen hat“
nungslinien zwischen Früh- und Spätroman- (Heintel 1957, 589).
tik gezogen hat und weist auf Gemeinsam- Diese Äußerung enthält zwar einen wahren
keiten hin, die sich besonders auf dem Gebiet Kern, bedarf aber eines Kommentars. Was
der Sprachästhetik zeigen. Kainz betont, daß Hamann, Herder und Humboldt anbelangt,
auch in der Spätromantik trotz der Wandlun- so waren sie nicht nur gründliche Kant-Ken-
gen frühromantische Auffassungen noch ner, sondern darüber hinaus mit der zeitge-
durchaus lebendig sind. Er zeigt auch, daß nössischen Philosophie vertraut. Es wurde be-
einzelne Sprachprobleme von den Zeitgenos- reits betont, daß Hamann und Herder sich
sen teilweise so verschieden beurteilt wurden, gerade durch Kants Vernachlässigung der
daß es gefährlich ist, von durchgängigen Auf- Sprache zu deren Verteidigung herausgefor-
fassungen zu sprechen. Da die Sprachästhetik dert fühlten (vgl. Streitberg 1909; Cassirer
als ein besonderer Zweig der Sprachphiloso- 192 3 a; Slagle 1974; Spranger 1908). Auf die
phie in den meisten Darstellungen zu kurz Tatsache, daß Humboldt in vieler Hinsicht
kommt, seien hier wenigstens die wichtigsten Kant verpflichtet ist, haben bereits die ersten
Probleme genannt, auf die Kainz eingeht. Biographen Humboldts, Gustav Schlesier
(1) Das Problem der ästhetischen Bedeut- und Rudolf Haym (182 1—1901), hingewie-
samkeit von Sprachfügungen, (2 ) Die Frage sen. Auch Heymann Steinthal (182 3—1899)
des Sprachursprungs unter ästhetischem war dieser Ansicht (vgl. dazu Gipper/Schmit-
Blickwinkel, (3) Die Lautästhetik, verbunden ter 1985, 138 ff). — Erstaunlich bleibt, daß
mit den Fragen der Lautsymbolik, der Bezie- für Kant selbst die Sprache nicht thematisch
hungen von Laut und Sinn (Onomatopoetik, geworden ist. In seiner Kritik der reinen Ver-
Lautmetaphorik und Synästhesie), (4) Das nunft knüpft er die Möglichkeit der Erkennt-
Verhältnis von Sprache und Musik und des- nis ganz an bestimmte im Menschen vorge-
sen Wandel von der Früh- zur Spätromantik, gebene Fähigkeiten, nämlich an die a priori,
(5) Das sprachästhetische Problem der dich- d. h. unabhängig von aller Erfahrung, gege-
terischen Bildlichkeit, (6) Das Problem des benen Anschauungen von Raum und Zeit,
Verhältnisses von Sprache und Anschauung, die Kategorien und Formen der analytischen
(7) Der Problemkreis von Witz, Ironie, Hu- und synthetischen Urteile a priori, sieht aber
mor und Wortspiel, (8) Das Problem der ›Na- nicht, daß die Sprache dabei als unentbehr-
tionalästhetik‹, (9) Der Archaismus als ein liche Voraussetzung einbezogen werden muß.
Zentralproblem der jüngeren Romantik, (10) Gipper hat in seinem Buch Das Sprachapriori.
Das Problem der ästhetischen Charakterisie- Sprache als Voraussetzung menschlichen Den-
rung einzelner Sprachen, (11) Das Überset- kens und Erkennens (1987) zu zeigen versucht,
zungsproblem in der Sicht der Romantiker. weshalb ein solcher Ansatz den tatsächlichen
— Kainz zeigt, wie diese Probleme behandelt Zusammenhängen nicht gerecht wird. Er be-
worden sind und welche Wandlungen sich tont, daß kein Mensch mit den ihm von Kant
dabei von der Früh- zur Spätromantik voll- zugesprochenen Fähigkeiten geboren wird,
zogen haben (vgl. dazu Gipper/Schmitter sondern diese sämtlich mit Hilfe der Sprache
1985, 134 ff). erlernen und erwerben muß. Spracherlernung
ist aber ohne Erfahrung nicht denkbar. Trotz-
220 I. Raum-zeitliche Übersichten

dem ist die Sprache eine echte Bedingung der gebenen Fähigkeiten zuerkannt hatte. Das er-
Möglichkeit menschlicher Erkenntnis, also in kennende Subjekt ist aber nicht völlig frei,
diesem eingeschränkten Sinne als ein Apriori sondern bedarf der Empfindungen, die von
anzuerkennen, nicht aber in der transzenden- der existierenden, aber nicht direkt zugängli-
talen Bedeutung völliger Erfahrungsunab- chen Welt, den ›Dingen an sich‹, kommen und
hängigkeit. Gipper zeigt, an welchen Stellen den Erkenntniskräften erst ihren Stoff zur
des Werkes Kant die Sprache berücksichtigt Verarbeitung übergeben. Fichte sieht dadurch
und wo sie übersehen ist. Im ganzen besteht die Freiheit des Ichs noch beschränkt. Er will
also der Vorwurf Hamanns und Herders zu diese Freiheit noch steigern und verabsolutie-
Recht, daß Kant in seinem System die Spra- ren und gelangt zu der tollkühnen Annahme,
che nicht als konstitutiven Faktor einbezogen das Ich schaffe erst mit seinen Vorstellungen
hat. Dessenungeachtet bleibt Kants Werk die Welt, dieser komme gar keine selbständige
wichtig für die Sprachphilosophie. An Ver- Wirklichkeit und Existenz zu. Dieser extreme
suchen, Kants Vernunftkritik durch eine Idealismus führt zu Widersprüchen und Apo-
Sprachkritik zu ergänzen, hat es nicht gefehlt. rien. Wenigstens die Freiheit anderer Ichs
Einen Vorstoß in dieser Richtung unternahm muß anerkannt werden, wenn das eigene Ich
Carl Leonhard Reinhold (1758—182 5) mit nicht ganz ins Nichts versinken soll. Fichte
seinen beiden Werken Grundlegung einer Syn- erkennt die Abgründe, in die sein Denkweg
onymik für den allgemeinen Sprachgebrauch zwangsläufig führt, und nach langem Ringen
(1812 ) und Das menschliche Erkenntnisver- gelangt er dazu, das unhaltbare absolute Ich
mögen aus dem Gesichtspunkte des durch die durch den absoluten Gott als Ursprung des
Wortsprache vermittelten Zusammenhangs Daseins abzulösen. Das könnte man in Ana-
zwischen der Sinnlichkeit und dem Denkver- logie zur berühmten Kehre in Heideggers
mögen (1816). Reinhold schlägt bestimmte Denken die Kehre im Denken Fichtes nennen.
Sprachregelungen vor, die die Philosophie zu ‘Leben in Gott und frei sein in ihm’ ist dann
einer Wissenschaft erheben könnten, aber sein der letzte Satz, in dem dieser radikale Denker
sprachkritischer Ansatz erweist sich doch als Ruhe findet. Das zentrale Werk, in dem
ungeeignet, auch wenn er berechtigten Ab- Fichte sein gewaltiges und gewaltsames Sy-
sichten entspringt. Weniger bedeutsam ist stem begründet, ist die Wissenschaftslehre
Siegmund Levys Dissertation Kants Kritik der (1794). Unbegreiflicherweise hat sich der red-
reinen Vernunft in ihrem Verhältnis zur Kritik liche Kant negativ über sie geäußert, obwohl
der Sprache (1868). Dagegen verdient mehr er sie nach der Überzeugung des Herausge-
Beachtung das Buch von Ludwig Noiré (1829— bers gar nicht gelesen hat (Jacobs 1984, 84).
1889) Die Lehre Kants und der Ur- Fichte will hier die Philosophie zu einer sy-
sprung der Vernunft (1882 ). Es handelt sich stematischen (Ur)wissenschaft machen, die al-
um einen konsequenten, wenn auch nicht voll lererst erklärt, was überhaupt Wissenschaft
gelungenen Versuch, Kants Kritik der reinen ist. Ähnlich wie René Descartes (1596—1650)
Vernunft für die Sprachwissenschaft fruchtbar sucht er nach einem begründenden ersten
zu machen. Positiv ist festzuhalten, daß Noiré Grundsatz, der aus und durch sich selbst ein-
Bedenkenswertes über den Unterschied des leuchten muß. Was sich nicht wegdenken läßt,
tierischen und menschlichen Zugangs zur ist für ihn das Wissen selbst, denn dessen
Welt und über die Rolle der begriffsspenden- Wegdenken wäre selbst schon ein Wissensakt.
den Sprache bei der menschlichen Erkenntnis In diesem Argumentationszusammenhang
gesagt hat. — Wie aber steht es mit den werden Ausdrücke wie ‘Wissen’, ‘Wollen’,
übrigen wichtigen Philosophen jener Zeit, mit ‘Tat’, ‘Handlung’ in einem neuen, eigenwilli-
Fichte und Schelling, mit Arthur Schopen- gen terminologischen Sinn eingesetzt, ohne
hauer (1788—1860), mit Friedrich Heinrich daß dieser durch entsprechende Präzisierun-
Jacobi (1743—1819) und vor allem mit Hegel? gen und Definitionen abgesichert würde. So
Auch von ihnen ist keiner Sprachphilosoph, ist Mißverständnissen Haus und Tür geöffnet.
aber sie haben sich alle zu Sprachfragen ge- Wie bei Kant aber fehlt auch hier ein Bezug
äußert und die meisten haben direkt oder auf die Sprache als Bedingung der Möglich-
indirekt auf die Sprachphilosophie der Zeit keit menschlichen Ich-Bewußtseins, mensch-
gewirkt. Fichte, der kämpferische Begründer lichen Erkennens und Handelns.
des deutschen Idealismus in seiner radikalen
Form, geht von Kant aus, der die entschei- 4.2.  Daß die Sprache in der Wissenschafts-
dende Rolle im Erkenntnisprozeß ganz dem lehre keine Rolle spielt, überrascht um so
erkennenden Subjekt und dessen a priori ge- mehr, als im gleichen Jahre 1795 seine Ab-
13.  Sprachphilosophie in der Romantik 221

handlung Von der Sprachfähigkeit und dem der nur Sinn ergibt, wenn man das Apriori
Ursprung der Sprache erschien. Er hatte sich als allgemeinen Hinweis auf notwendige Vor-
also doch mit der Sprache beschäftigt. Ver- aussetzungen gelten läßt, die aber für Ge-
gleicht man diese Schrift mit der Ursprungs- schichte nicht auffindbar sind. Daß seine De-
schrift Herders aus dem Jahre 1772 , die er duktionen der Entstehung der sprachlichen
nicht einmal erwähnt, so zeigt sich, daß er Kategorien und der Syntax aufgrund des Ge-
weit hinter dieser zurückbleibt. Ausgehend sagten völlig unhaltbar ausfallen, überrascht
von der Prämisse, daß Sprache Ausdruck nicht. Kurz darauf hat sich Fichte in seinen
unserer Gedanken durch willkürliche Zeichen sogenannten Platner-Vorlesungen nochmals
sei, sucht Fichte in abstrakten Spekulationen zum gleichen Thema unter dem Titel Ueber
zu deduzieren, wie der Mensch sich die Spra- den Ursprung der Sprache geäußert (1796/98).
che erfinden mußte, und nicht etwa nur, wie Hier ist seine Auffassung teilweise erweitert
er sie hätte erfinden können. Entscheidend und vertieft. Vom Sprachursprung kann nur
ist, daß Fichte Vernunft und Vernunftge- die Rede sein, wenn eine Zeit vorausgesetzt
brauch bereits vor der Sprache voraussetzt werden darf, wo es Menschen ohne Sprache
und damit Kants Postulaten der Kritik der gab. Wird dies verneint, muß gefolgert wer-
reinen Vernunft folgt. Die Gedanken sind be- den, ›daß der Mensch nur durch Sprache
reits da, es handelt sich bei der Spracherfin- Mensch‹ ist, was auch Humboldts Ansicht
dung nur noch um die Suche nach einem war. Fichte sieht den Kommunikationszwang
Mittel, diese auszudrücken. Bezeichnend für vernünftiger Wesen, die Notwendigkeit der
diese unhaltbare Annahme ist seine Anmer- gegenseitigen Mitteilung der Begriffe durch
kung zu der Behauptung, daß bei der Sprach- Zeichen, die Wechselwirkung durch Zeichen
erfindung keineswegs nur Zeichen fürs Gehör als Bedingung der Menschheit an. Trotzdem
in Betracht kamen, sondern alle möglichen bleibt er aber dabei, daß Begriffe auch ohne
Zeichen. Es heißt da: Zeichen denkbar sind und daß die Zeichen
„Ich beweise hier nicht, daß der Mensch ohne Spra- höchstens als Aufforderung zu denken sind,
che nicht denken kann, und ohne sie keine allge- den übersinnlichen Gehalt der Begriffe durch
meinen abstracten Begriffe haben könne. Das kann geistiges Handeln zu konstruieren. Fichtes
er allerdings vermittelst der Bilder, die er durch die Skepsis gegen die Leistungsfähigkeit der
Phantasie sich entwirft. Die Sprache ist meiner Sprache bleibt also bestehen, sie tritt noch
Überzeugung nach für viel zu wichtig gehalten wor- krasser hervor, als er 1797/98 den Versuch
den, wenn man geglaubt hat, daß ohne sie über- einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre
haupt kein Vernunftgebrauch statt gefunden haben unternimmt. Darüber berichtet Manfred
würde“ (Werke 8, 309). Zahn (*1930) in seinem aufschlußreichen
Hier wird die Kluft zu Hamann und Her- Aufsatz Fichtes Sprachproblem und die Dar-
der deutlich. Was den Gang der Sprachent- stellung der Wissenschaftslehre (1981). Hier
stehung anbetrifft, so bewegt sich Fichte ganz kritisiert Fichte die Sprachzeichen und damit
in den Bahnen der Sprachursprungsschriften die Sprache als ein schweres Hindernis für
der Aufklärer: Lautnachahmung und Gesten das, was er in der Wissenschaftslehre sagen
als Ausgangspunkt, allmählicher Übergang will, insonderheit für das eigentliche Denken
von der Bezeichnung konkreter Gegenstände des Ich. Die Sprache ist nicht in der Lage,
zu abstrakteren Begriffen. Was er aber über dies zu leisten, sie liefert nur unzureichende
die ›willkürlichen Sprachzeichen‹ und über de- Zeichen für etwas, was jenseits ihrer Aus-
ren Natur sagt, ist durchaus bedenkenswert drucksmöglichkeiten liegt, also unaussprech-
und berührt sich mit heutigen sprachwissen- lich ist. Dieser extrem sprachkritische Stand-
schaftlichen Auffassungen. Ansonsten aber punkt ist der Sprachphilosophie keineswegs
bleibt die Bedeutung der Sprache entschieden fremd. Er taucht auch in der Moderne wie-
unterbewertet. Trotzdem glaubt Fichte in der derholt bei Dichtern und Denkern auf und
Lage zu sein, den Gang der Sprachentwick- müßte ihre Vertreter zum Verstummen zwin-
lung als ein notwendiges Geschehen aus gen, gemäß dem Schlußsatz Ludwig Wittgen-
selbstgesetzten Prämissen ableiten zu können, steins (1889—1951) (s. Art. 39) in seinem
d. h. in der Natur des Menschen Mittel nach- Tractatus logico-philosophicus (192 2 , 7.) „Wo-
weisen zu können, die zu der von ihm ge- von man nicht sprechen kann, darüber muß
schilderten Realisierung der Sprache führen man schweigen“. Fichte hat diesen Schluß
mußten. Deshalb meint er auch, daß sich eine aber nicht gezogen. Zehn Jahre später hat er
„Geschichte der Sprache a priori“ entwerfen sich dann nochmals zur Bedeutung der Spra-
ließe (Werke 8, 304). Ein seltsamer Begriff, che geäußert, und zwar in der 4. Rede an die
222 I. Raum-zeitliche Übersichten

deutsche Nation aus dem Jahre 1808. Diese bendiger Organismus begriffen, der als höch-
zeigt ein wesentlich modifiziertes Urteil. Jetzt stes Produkt den menschlichen Geist hervor-
sieht Fichte die enge Verbindung von Sprache bringt, der sich wiederum in der Kunst zur
und Denken, erkennt die volksbildende Kraft höchsten Leistung steigert. So wird die Natur
der Sprache und ihre Herrschaft über den in pantheistischer Sicht zum ›verborgenen
Einzelmenschen. Hier ist sogar eine Nähe zu Gott‹. Von der Naturphilosophie zur Kunst-
Herder erkennbar und zu Humboldt, dessen philosophie bzw. zur philosophischen Ästhe-
frühe Schriften er seit seiner Berufung an die tik ist es dann nur ein kleiner Schritt. Im
Universität Berlin im Jahre 1800 kennenge- Kunstwerk wird das höchste erreicht, nämlich
lernt haben dürfte. Fichte nimmt jedenfalls die Vereinigung von Natur und Geist, von
jetzt seine frühere Geringschätzung der Spra- Notwendigkeit und Freiheit. Diese Gedanken
che zurück und sieht ein, daß die Sprache mußten den Romantikern höchst willkom-
›den Einzelnen bis in die geheimste Tiefe sei- men sein. Auf sie wirkt er vor allem durch
nes Gemüts und Wollens begleitet und be- seinen Begriff des Organischen, den er auch
schränkt und beflügelt‹ und ›die gesamte auf den Ursprung und das Wesen der Sprache
Menschenmenge, die dieselbe redet, auf ihrem bezieht. Nach seiner Überzeugung ist die
Gebiet zu einem einzigen gemeinsamen Ver- Sprache bereits als ein organisches Ganzes
stande verknüpft‹. So ist aus dem Saulus doch entstanden. Diesen Gedanken finden wir auch
noch ein Paulus geworden, aber da das eigent- bei Humboldt wieder. Übrigens war es auch
liche philosophische Werk Fichtes von diesen Schelling, der die Frage des Sprachursprungs
Einsichten nicht mehr eingeholt worden ist, nochmals in der Berliner Akademie zur Dis-
kann von einer eigenen Sprachphilosophie in kussion stellte. Allerdings begnügte er sich
einem positiven Sinne keine Rede sein. Dies selbst mit einigen Vorbemerkungen zu der
bestätigten im Grunde auch die vier diesbe- Frage über den Ursprung der Sprache (1850),
züglichen Aufsätze von Junker, Müller-Voll- in denen er kritisch zu Herder und Hamann
mer, Schrader und Zahn, die K. Hammacher Stellung nahm; dagegen übernahm es J.
als Leiter einer Fichte-Tagung im Jahre 1979 Grimm, im folgenden Jahre seine Abhandlung
im dem Sammelband Der transzendentale Ge- über den Ursprung der Sprache vorzutragen.
danke. Die gegenwärtige Darstellung der Phi- Doch mit seinem Weggang von Jena nach
losophie Fichtes 1981 herausgegeben hat. Würzburg (1803), dann nach Erlangen und
München (182 7) setzt ein folgenschwerer
4.3.  Schelling ist als der eigentliche Philosoph Wandel ein. Schelling gerät unter den Einfluß
der Romantik bezeichnet worden. In der Tat des katholischen Denkers Franz Xaver Baa-
zeigt sein Gedankengut die meisten Verbin- der (1765—1841) und findet neue Geistesver-
dungen mit dem seiner romantischen wandte in dem französischen Illuminaten
Freunde, den beiden Schlegels, Novalis und Saint-Martin und dem deutschen Mystiker
Tieck, in Dresden und Jena, wohin Goethe Böhme. Die Natur wird nun auch in ihren
den Dreiundzwanzigjährigen als Professor be- Schattenseiten erkannt und der Mensch in
rufen hatte. Ausgangspunkt seines Denkens seiner Gefährdung und Sündhaftigkeit gese-
ist das menschliche Ich wie bei Kant und hen. Das hat Rückwirkungen auf die Gottes-
Fichte, das Absolute ist sein Ziel. Dies sucht auffassung und führt dazu, daß die ›Gottheit‹
er auf einem eigenen Weg zu erreichen: Im selbst als im Grunde gespalten betrachtet wird
menschlichen Ich entdeckt er als das Absolute und zur Einheit zurückstreben muß. Auf die-
Gott bzw. das Göttliche oder ›die Gottheit‹, sem Wege, der auch als großer Bewußtseins-
wie er gern sagt. Gott, der Ursprung allen werdungsprozeß von der Natur über den
Seins, offenbart sich in der Natur und in Menschen und seine Kunst zu Gott selbst
deren höchstem Erzeugnis, dem Menschen. gedeutet wird, soll die ursprüngliche Einheit
Unter dem Eindruck der aufstrebenden Na- wiederhergestellt werden. Mystische Gedan-
turwissenschaft bezieht Schelling die Natur in ken vereinigen sich so beim späten Schelling
seine philosophischen Überlegungen ein und mit christlich-katholischer Glaubensüberzeu-
entfernt sich damit von Fichte. Er entwickelt gung. In der Altersphilosophie Schellings geht
eine eigene Naturphilosophie, in der schließ- es um religiöse, mythologische und mystische
lich Natur und Geist, Reales und Ideales als Probleme. Manchmal, so in der Einleitung zur
identisch gedacht werden, weshalb man auch Philosophie der M ythologie (posthum 1856 er-
von der ›Identitätsphilosophie‹ Schellings schienen), tauchen bemerkenswerte Äuße-
spricht. Hierbei ist der Einfluß Spinozas rich- rungen über die Sprache auf wie diese:
tungsweisend. Die Natur wird als großer le-
13.  Sprachphilosophie in der Romantik 223

„Da sich ohne Sprache nicht nur kein philosophi- Auch er hat die Sprache nicht thematisch
sches, sondern überhaupt kein menschliches Be- behandelt, wohl aber zahlreiche Äußerungen
wußtseyn denken läßt, so konnte der Grund der über sie gemacht, die freilich erst in jüngerer
Sprache nicht mit Bewußtseyn gelegt werden, und Zeit systematisch gesammelt und ausgewertet
demnach, je tiefer wir in sie eindringen, desto be- worden sind. Allerdings gibt es auch Stellen,
stimmter entdeckt sich, daß ihre Tiefe die des be- an denen er die Bedeutsamkeit der Sprache
wußtvollsten Erzeugnisses noch bei weitem über- unterschätzt. Die Sprache ist auch in den im-
trifft“ (Schelling 1856, 52). posanten Bau seines philosophischen Systems
In der Sprache liegen Schätze der Poesie einbezogen, aber sie erscheint dort im Grunde
und Mythologie verborgen, so daß man von viel zu spät, so daß sie nicht als die entschei-
einer ›verblichenen Mythologie‹ sprechen dende Bedingung der Möglichkeit des ›endli-
könnte. Aber diese Hochschätzung der Spra- chen Geistes‹ gelten kann, der mit dem Men-
che kommt in dieser Form zu spät und macht schen in Erscheinung tritt. Es geht bei Hegel
aus Schelling keinen Sprachphilosophen. um den Entwicklungsgang des Geistes im
Auch er hat die Sprache nicht als konstituti- Prozeß der Weltgeschichte — vom Geist ›an
ves und integrales Medium des menschlichen sich‹ zum ›absoluten‹ Geist. Dieser Geist ist
Denkens in Wissenschaft und Philosophie er- aber etwas anderes als Sprache, und vor allem
kannt. Auch er hat keine Sprachphilosophie mehr als sie. So ist es auch verständlich, daß
entwickelt. Hegel keine Sprachphilosophie entwickelt
Schopenhauer, der Autor des von pessi- hat. Dies kann zusätzlich damit begründet
mistischem Weltgefühl getragenen Werks Die werden, daß die Entstehung der Sprache der
Welt als Wille und Vorstellung (1818), ist nicht vorgeschichtlichen Epoche zuzuordnen ist,
mit sprachphilosophischen Untersuchungen die nach seiner Ansicht noch nicht Gegen-
hervorgetreten. Wohl enthalten seine Schrif- stand der Philosophie sein kann. Daß auch
ten verschiedene Äußerungen über die Spra- Humboldt mit Hegels Philosophie in Berüh-
che von recht unterschiedlicher Qualität. Wie rung kommen mußte, versteht sich von selbst.
bei einem ebenso eigenwilligen wie kompro- Aber die Geisteshaltung beider Männer war
mißlosen Denker nicht anders zu erwarten, derart verschieden, daß Humboldt sich von
urteilt er stets schroff und rückhaltlos. Dabei Hegel, der eine seiner indologischen Abhand-
gelingen ihm treffliche Formulierungen, aber lungen ohne ausreichende Sachkenntnis ziem-
diese stehen oft unvermittelt neben ganz un- lich grob kritisiert hatte, eher abgestoßen füh-
haltbaren Fehlurteilungen. Schopenhauer len mußte (vgl. auch Steinthal 1971 b; Gipper/
zieht gegen die ›Verhunzung‹ der deutschen Schmitter 1985, 141 f). — Hegels Äußerungen
Sprache zu Felde und gebärdet sich als zur Sprache sind in drei neueren Untersu-
Sprachpurist. Er urteilt in eigenwilliger Weise chungen ausführlich gewürdigt worden, auf
Ueber Sprache und Worte, nimmt einsichtig die hier nur verwiesen werden kann (Simon
zu Übersetzungsfragen Stellung, rühmt den 1966; Derbolav 1959; Coseriu 1977; vgl. dazu
Bildungswert der klassischen Sprachen und Gipper/Schmitter 1985, 142 f). Hegel hat zwar
fällt zugleich unglaublich abwertende Urteile Wichtiges über die Sprache gesagt, aber von
über neuere Sprachen — so etwa wenn er einer eigenen Sprachphilosophie und einer
vom Englischen Jargon spricht, „diesem aus nennenswerten Wirkung der verstreuten
Lappen heterogener Stoffe zusammengeflick- Äußerungen auf die Sprachphilosophie des
ten Gedankenkleid“ oder von einem so ekel- 19. Jahrhunderts kann nicht die Rede sein.
haften Jargon wie dem Französischen, „dieses Nun hat aber Liebrucks in seinem Werk Spra-
auf die widrigste Weise verdorbene Italiänisch che und Bewußtsein einen ganzen Band Kant
mit den langen, scheußlichen Endsilben und und vier weitere Bände Hegel gewidmet, so
dem Nasal“. Diese Bemerkungen finden sich daß der Eindruck entsteht, es handle sich um
im zweiten Band der Parerga und Paralipo- Sprachphilosophen allerersten Ranges. Wie
mena (Schopenhauer 1977, 614; 62 2 ). Für die paßt dies zu dem Gesagten? — Hier ist die
Sprachforschung ist nur weniges verwertbar, besondere Zielsetzung Liebrucks’ zu berück-
wie Eugenio Coseriu (*192 1) deutlich ge- sichtigen. Für ihn ist wie für Hamann, Herder
macht hat, der den Fall Schopenhauer als ein und Humboldt der Mensch in erster Linie
dunkles Kapitel in der deutschen Sprachphi- Sprachwesen. Sprache ist Ausgangspunkt und
losophie bezeichnet, dabei allerdings die po- Ziel alles menschlichen Verhaltens, sie steht
sitiven Seiten unberücksichtigt läßt (1979). nicht am Ende der Menschwerdung, sondern
ist deren Voraussetzung (Liebrucks 1964 I, 47
4.4.  Anders wiederum steht es mit Hegel. u. ö.). Eine Einsicht in die volle Tragweite
dieser neuen Sehweise erfordert ein radikales
224 I. Raum-zeitliche Übersichten

Umdenken, das nur die dialektische Denk- ihm das Etikett eines ‘Glaubensphilosophen’
form leisten kann. Somit gewinnt Hegels Dia- ein. Verbunden damit war die Betonung der
lektik eine Schlüsselstellung. Liebrucks will, Gefühlskräfte des Menschen. Die damit ver-
und dies ist entscheidend, keine Sprachphi- tiefte Kluft zwischen Glauben und Wissen
losophie im üblichen Sinne schreiben, sondern schien Jacobi nur durch einen ›salto mortale‹
eine ›Philosophie von der Sprache her‹. Zu überbrückbar, ein Ausdruck, der zu scharfen
diesem Zweck will er die Philosophien der Diskussionen Anlaß gab. Der junge F. Schle-
von ihm behandelten Autoren so ›umschrei- gel bezeichnete Jacobi als ‘subjektivistischen
ben‹, daß sichtbar wird, in welchem Maße sie Gefühlsmetaphysiker’ und sprach am Ende
bereits dialektisch, d. h. sprachlich und somit seiner Woldemarrezension von einem „salto
spezifisch menschlich gedacht haben. Unter mortale in den Abgrund der göttlichen Barm-
diesem Vorzeichen kann dann auch die Phi- herzigkeit“ (Haym 1972 , 331), ein Wort, das
losophie Kants und Hegels sprachphiloso- Kritiker später auf seine eigene Spätphiloso-
phisch gedeutet werden. Denn wenn man al- phie übertrugen. Die Bedeutung der Sprache
les, was Kant über die Kategorien und Urteile hat Jacobi an zahlreichen Stellen seines Wer-
und was Hegel über den Begriff und seine kes erkannt. Er vermißt u. a. in Kants Kritik
Dialektik gesagt hat, als Aussagen über Lei- der reinen Vernunft eine Kritik der Sprache,
stungen der Sprache ansieht, dann werden die eine Metakritik der Vernunft sein würde,
Kant und Hegel zu Sprachdenkern ›avant la aber die verstreuten sprachphilosophischen
lettre‹. Damit ist aber nicht die eigentliche Äußerungen sind nicht zu einer eigenen
Intention der Autoren getroffen. Für sie war Sprachphilosophie verdichtet worden. Die
die Sprache eben nicht die Bedingung der Zielsetzung Jacobis blieb im Grunde eine an-
Möglichkeit des menschlichen Denkens, son- dere. Marco Maria Olivetti hat in seiner Un-
dern dieses konnte auch ohne Sprache außer- tersuchung L’esito teologico della filosofia del
gewöhnliche Leistungen vollbringen. Zum ge- linguagio di Jacobi (1970) gezeigt, daß Jacobis
samten Fragenkomplex äußert sich Henri sprachphilosophische Ansichten zwar von sei-
Lauener (*1933) (1962). nem Freunde Hamann stark beeinflußt sind,
aber doch in eine andere Richtung führen.
4.5.  Wie steht es nun mit dem Schriftsteller Begründet wird dies durch fundamentale Un-
und Philosophen Jacobi, den Georgi Schisch- terschiede in den religionsphilosophischen
koff (1912 —1991) in dem von ihm bearbei- Auffassungen. Für Jacobi kann das ›Buch der
teten Philosophischen Wörterbuch (1982 , 32 8) Natur‹ nur mit Gottes Hilfe gelesen werden,
als den ‘Philosophielehrer der Romantiker’ die Sinnhaftigkeit des ganzen Universums, d.
und ‘Verkünder des modernen Individualis- h. der äußeren und inneren Wirklichkeit der
mus’ bezeichnet, während ihn Fiesel in ihrem Welt und des Menschen versinken ohne Gott
Buch Die Sprachphilosophie der deutschen Ro- ins Chaos und führen zum Nihilismus. Spra-
mantik nicht einmal erwähnt? Jacobi stand che ist in diesem Zusammenhang nicht als
mit zahlreichen wichtigen Zeitgenossen in z. menschliche Sprache sensu stricto zu verste-
T. engem Gedankenaustausch, so mit Lessing, hen, sondern in einem umfassenden metaphy-
Moses Mendelssohn (172 9—1786), Goethe sischen Sinne. Es geht um die Bedeutsamkeit
und Humboldt, vor allem aber mit Hamann. und um das Verstehen der Schöpfung, die nur
Jacobis Roman Woldemar hatte Aufsehen, durch Gott und den Glauben an ihn garan-
Zustimmung und Ablehnung erfahren. F. tiert werden können, weshalb sich auch der
Schlegel schrieb eine vernichtende, Humboldt erwähnte ›salto mortale‹ in den Glauben
aus persönlicher Rücksichtnahme eine ge- lohnt. Bei seinen Gesprächen und im Brief-
mäßigte Rezension. Jacobis Philosophie ent- wechsel mit Humboldt ging es im übrigen um
wickelte sich in der Auseinandersetzung mit verschiedene philosophische Probleme, aber
Spinoza, Hume, Kant und Schelling (vgl. Ja- nicht um Sprachphilosophie (vgl. Hamma-
cobi 1812 —2 5, Werke VI, VI—LIII; Ham- cher 1976). Manche Ideen Jacobis mochten
macher 1969). Er wandte sich gegen das ein- romantischen Auffassungen entgegenkom-
seitige Verstandesdenken der Aufklärung, ge- men, aber angesichts der heftigen Kritik, die
gen den spinozistischen Pantheismus und die er aus Romantikerkreisen erfuhr, kann nicht
Verherrlichung der Natur, die ihm gottlos er- davon die Rede sein, er sei ein philosophischer
schien, und stellte dieser Denkrichtung den Lehrer der Romantiker gewesen. — Es ist hier
Glauben an den christlichen Gott als Ur- nicht mehr möglich, auch auf die heute we-
sprung aller Wahrheit und Ausgangspunkt niger bekannten Philosophen der romanti-
menschlicher Erkenntnis entgegen. Das trug schen Epoche näher einzugehen. Erwähnt
13.  Sprachphilosophie in der Romantik 225

seien aber wenigstens der niederländische Phi- rer Denker, wobei Humboldt als der eigent-
losoph Hemsterhuis, der deutsch-norwegische liche Schöpfer der Synthese gilt. Diese Sicht
Naturphilosoph und Schüler Schellings Hen- setzt aber voraus, daß Humboldt als Roman-
rik Steffens (1773—1845), der Arzt, Maler tiker erwiesen wird. Und Müller-Vollmer be-
und Philosoph Carl Gustav Carus (1789— hauptet auch, Humboldt sei zu Unrecht der
1869) und der Naturforscher und Philosoph deutschen Klassik zugerechnet worden, er
Lorenz (eigentlich Ockenfuß) (1779—1851). habe vielmehr in engem Kontakt mit den
Diese vier Gelehrten haben mit ihren Ideen Hauptvertretern der Frühromantik gestanden
auf die romantische Bewegung eingewirkt und habe sogar aufgrund seiner Ästhetik und
und auch die Sprache gelegentlich mit in ihre Dichtungstheorie sowie der Betonung der
Überlegungen einbezogen, ohne sie ausführ- schöpferischen Einbildungskraft und anderer
lich zu thematisieren. Sprachphilosophen im idealistischer Auffassungen eine Schlüsselstel-
eigentlichen Sinne waren also auch sie nicht. lung innerhalb der romantischen Bewegung
Über den Gesamtzusammenhang haben wir eingenommen. Das dürfte übertrieben sein,
bereits an Hand von Fiesels Die Sprachphi- aber daß zwischen ihm und den Romantikern
losophie der deutschen Romantik (192 7) be- z. T. enge Beziehungen bestanden, steht außer
richtet. In der Sprachwissenschaft haben die Frage. Richtig ist, daß die Frühromantiker
Gedanken der Genannten jedoch kaum Spu- ebenfalls wesensmäßige Beziehungen zur
ren hinterlassen. — Leider kann im Rahmen Sprache und Dichtung entdeckten und wie
dieser begrenzten Darstellung nicht auf die z. Humboldt mit der transzendentalen und idea-
T. bedeutsamen Sprachauffassungen und listischen deutschen Philosophie wohlvertraut
Theorien einzelner Dichter und Schriftsteller waren. Diese bot aber, wie Müller-Vollmer
der romantischen Epoche eingegangen wer- zutreffend bemerkt, höchstens methodische
den. Es sei aber wenigstens auf die Sprach- Anregungen, aber keine Sprachphilosophie.
theorie von Novalis verwiesen, die Heinrich Eine solche mußten sich die Romantiker
Fauteck (1939) dargestellt hat, und auf Jean selbst schaffen. Müller-Vollmer unternimmt
Pauls Vorschule der Ästhetik aus dem Jahre es, Verbindungslinien zwischen den Auffas-
1804, die ebenfalls wichtige Gedanken über sungen von A. W. und F. Schlegel, Novalis
die Sprache enthält. und Madame de Staël zu ziehen, und er weist
auf spätere Parallelen zu Coleridge, Benjamin
Constant (1767—1830), Victor Hugo und
5. Gibt es einen romantischen Charles Baudelaire (182 1—1867) hin. Aus
Sprachbegriff? einem ganzen Geflecht von Ideen und Dok-
trinen arbeitet er dann die Sprachauffassung
5.1.  Für die Beurteilung der sprachphiloso- heraus, die er als ‘romantischen Sprachbe-
phischen Bemühungen im Zeitalter der Ro- griff bezeichnet. — Es würde zu weit führen,
mantik wäre es hilfreich, wenn diese Frage der Darstellung im einzelnen zu folgen. Wich-
positiv beantwortet werden könnte. Dazu tig sind die Eckdaten, die genannt werden. Es
wäre aber der Nachweis erforderlich, daß es sind die Jahre 1794/95 und 1812 /13, also die
eine Sprachauffassung gegeben hat, die sich Zeit des Erscheinens von Fichtes Wissen-
durch spezifisch romantische Vorstellungen schaftslehre, A. W. Schlegels Briefe(n) über
auszeichnet und sich dadurch von anderen die Poesie, Silbenmaß und Sprache sowie Ma-
Sprachauffassungen, z. B. jener der Aufklä- dame de Staëls De l’Allemagne und Hum-
rungsepoche, unterscheidet. Dabei wäre auch boldts Ankündigung einer Schrift über die Vas-
zu klären, ob sich diese Sprachauffassung nur kische [baskische] Sprache und Nation. Mül-
aus einer Zusammenschau verschiedener An- ler-Vollmer unterscheidet in seiner Darstel-
sichten ergibt oder ob ein Einzelner sie tat- lung fünf konstitutive Phasen. In der ersten
sächlich vertreten hat. Der Klärung dieser habe Humboldt Fichtes generatives Modell
schwierigen Frage hat sich Kurt Müller-Voll- der menschlichen Geistestätigkeit auf die
mer in seinem Aufsatz Von der Politik zur Dichtung übertragen, so in seinem Aufsatz
Linguistik. Wilhelm von Humboldt und der Über Göthes Hermann und Dorothea. Die
romantische Sprachbegriff (1976) angenom- zweite Phase sei gekennzeichnet durch A. W.
men. Er geht davon aus, daß Humboldt und Schlegels Briefe über die Poesie und seine
einige Zeitgenossen eine Sprachauffassung Berliner Vorlesungen aus den Jahren 1801—
entwickelt hätten, die auch philosophisch re- 1804. In der dritten Phase sei dann unter dem
levant sei. Der so entstandene ›romantische Einfluß von Schellings Naturphilosophie das
Sprachbegriff‹ ist demnach das Werk mehre- Fichtesche Modell nochmals transformiert
226 I. Raum-zeitliche Übersichten

und ein universalistischer Poesiebegriff ent- wirkt dieselbe schöpferische Kraft, in der Na-
wickelt worden, der in verschiedenen roman- tur noch als unbewußter Geist, der im Men-
tischen Schriften nachweisbar sei. Viertens sei schen zum Bewußtsein gelangt. Diese verbin-
dann im kritischen Werk von A. W. Schlegel dende Kraft macht das Wesen der Poesie aus.
und Madame de Staël eine Art Verschmelzung In der ausgebildeten romantischen Theorie
von sprachlichem und universalistischem Poe- durchdringen sich die Auffassungen A. W.
siebegriff feststellbar und schließlich fünftens Schlegels, Madame de Staëls und Constants.
eine neue Sprachauffassung, und zwar in Dabei spielt auch der Konflikt zwischen Frei-
mehreren Arbeiten Humboldts und in Ma- heit und Notwendigkeit wieder eine wichtige
dame de Staëls Auseinandersetzung mit sen- Rolle.
sualistischen Auffassungen Condillacs im
Werke des Ideologen Joseph-Marie de Gé- 5.2.  Den romantischen Sprachbegriff hat Ma-
rando (1772 —1842 ). Müller-Vollmer betont dame de Staël zwar nicht eigens entwickelt,
den Einfluß der Wissenschaftslehre Fichtes er ergibt sich aber aus zahlreichen Äuße-
auf Humboldt, obwohl diese aufgrund der rungen über die deutsche und französische
abstrakten Deduktionen kaum Humboldts Sprache und deren Verschiedenheit und Eig-
Geschmack entsprechen konnte. Mehr dürfte nung für bestimmte Gedankenformen, so in
er Kant zu verdanken haben. Das betrifft mehreren Kapiteln von De l’ Allemagne (vgl.
auch die von Müller-Vollmer hervorgehobene Bd. I, Chap. XII, Bd. II, Chap. IX—XII).
Oposition von Freiheit und Notwendigkeit in Ein Satz wie ‘apprendre une langue c’est ac-
allen Denkakten, weil der individuellen Frei- quérir un monde nouveau de sa pensée’ zeigt
heit durch die apriori gegebenen Vorausset- Geistesverwandtschaft mit Humboldt. Ähn-
zungen Grenzen gesetzt sind. Dies ist ebenso liche Gedanken finden sich bei A. W. Schlegel,
die Auffassung Fichtes wie Kants. Humboldt j a schon bei Rousseau. Spätere Äußerungen
überträgt dieses Modell auf die künstlerische Hugos in seiner Préface de Cromwell zeigen
Produktivität und dann auf die Sprache eine frappierende Ähnlichkeit. — Die letzte
selbst. Die Kunst des Dichters besteht dem- Phase der Entwicklung des romantischen
nach in der „Fertigkeit, die Einbildungskraft Sprachbegriffs belegt Müller-Vollmer an Tex-
nach Gesetzen produktiv zu machen“ (Hum- ten Madame de Staëls und Humboldts. Der
boldt 1903—36, Ges. Schriften II, 12 7). Das neue Sprachbegriff wird integraler Bestandteil
Kernproblem der romantischen Dichtungs- der romantischen Literaturtheorie Madame
theorie, das Verhältnis von (individueller) de Staëls. Aufschlußreich ist ihre Auseinan-
Poetizität und (allgemeiner) Sprachlichkeit, dersetzung mit de Gérando und dessen von
sucht Humboldt dadurch zu lösen, daß es Condillac übernommenen sensualistischen
dem Dichter durch eigene sprachliche Lei- Auffassungen. In ihrer Kritik zeigt sie Ver-
stungen gelingen muß, „daß aus beidem ein trautheit mit der deutschen idealistischen Phi-
Etwas werde, was mehr sey, als jedes einzeln losophie. Mit Humboldt teilt sie die Auffas-
für sich war“ (12 8). Müller-Vollmer zeigt sung, daß mit dem Auftreten der Sprache die
dann, wie auch A. W. Schlegel zu einer ganz sensualistische Gebundenheit des Geistes auf-
ähnlichen ›genetischen Sprachtheorie‹ gelangt gehoben wird und etwas gänzlich Neues ent-
ist. Auch für ihn beziehen sich die sprachli- steht: der Mensch wird zu einem eigenschöp-
chen Zeichen nicht auf die Gegenstände, son- ferischen Wesen. Der Ursprung der Kunst
dern auf die ihnen entsprechenden Vorstellun- liegt also letztlich in seiner Sprachfähigkeit.
gen und Ideen des Menschen. Auf diese Weise — Schließlich verfolgt Müller-Vollmer noch
kann dieser eine eigene Ansicht von der Wirk- Humboldts Weg zu den sprachphilosophi-
lichkeit gewinnen, d. h. sich von den jeweili- schen Problemen und zeigt zugleich, daß er
gen Sinnesreizen befreien und eine reflexive dabei erstmals wichtige Unterscheidungen
Haltung einnehmen (vgl. A. W. Schlegels Ber- vorgenommen hat, die für die moderne Lin-
liner und Wiener Vorlesungen). Für die Aus- guistik selbstverständlich geworden sind.
bildung des romantisch universalistischen Wichtig ist, daß für Humboldt das sprachli-
Poesiebegriffs hält Müller-Vollmer F. Schle- che Zeichen als Erzeugnis der menschlichen
gels Gespräch über die Poesie (1800) für maß- Geistestätigkeit eine bestimmte Struktur be-
gebend. Hier soll das ›generative Modell‹ sitzt. Diese Auffassung entspringt dem Denk-
durch Schellings Auffassung der Harmonie ansatz des transzendentalen Idealismus und
von Natur und Geist in seinem System des führt zu einer Veränderung des tradierten Zei-
transzendentalen Idealismus (1800) nochmals chenverständnisses. Wenn es nämlich eine re-
umgeformt worden sein. In beiden Bereichen gelgebende Tätigkeit des menschlichen Gei-
13.  Sprachphilosophie in der Romantik 227

stes (apriori) gibt, dann muß auch alle sinn- (6) Die Auffassung jeder Sprache als Trägerin
liche Erfahrung unter diese Gesetzmäßigkeit einer bestimmten Weltansicht und damit
fallen, d. h. den ›reinen‹ Formen der Anschau- die Anerkennung ihrer unentbehrlichen
ung und den Kategorien des Verstandes un- Rolle bei der Vermittlung zwischen
terworfen werden. Humboldt steht hier unter Mensch, sinnlicher Erfahrung und Welt.
dem Einfluß Kants, erkennt aber, daß die
Sprache in die Erkenntnisvoraussetzungen Unbedingt hinzuzufügen ist noch der Or-
einbezogen werden muß. Daraus ergibt sich ganismusgedanke, der romantisches Sprach-
dann auch die Strukturiertheit des sprachli- denken mitgeprägt hat. Dieser hat mehrfach
chen Zeichens, die sowohl die lautliche als die Wurzeln, er findet sich etwa in Kants Kritik
inhaltliche Seite erfaßt. Dies hat für Hum- der Urteilskraft (§ 65), in der Philosophie
boldts Sprachtheorie weitreichende Folgen. Schellings und im naturwissenschaftlichen
Er überträgt außerdem die in der Poetik ent- Werk Goethes. Dazu gehört auch die ›gene-
wickelten Prinzipien auf die Sprachwissen- tische Methode‹, die die Beachtung der Ent-
schaft und begreift auch die Aufgabe der all- wicklung von Sprache und Literatur fordert.
gemeinen Grammatik in neuer Weise. Ihre Hier ist wieder Herder als wichtiger Anreger
angeblichen Gesetze sind nicht als Abstrak- zu nennen.
tionen aus gegebenen Sprachen aufzufassen,
sondern als Regeln der wirkenden Sprachfä- 5.3.  Eine wichtige Ergänzung zur Darstellung
higkeit. Sein Entwurf zielt auf das Studium Müller-Vollmers bietet der Aufsatz von For-
aller existierenden und historischen Sprachen, migari De l’idéalisme dans les théories du lang-
um daran die Reichweite des menschlichen age. L’ histoire d’une transition (1988). Er be-
Sprachvermögens auszumessen. Jede Sprache handelt die gleiche Problematik und berührt
enthält in ihrem Wesen den ganzen Geist der sich an mehreren Stellen mit ihr. Formigari
Menschheit, jedoch in einer ganz bestimmten geht es darum, den Übergang der sprachphi-
Ausformung. Das zeigt Humboldt erstmals in losophischen Auffassung von der Aufklärung
seinem Essai sur les langues du nouveau con- zum deutschen Idealismus und zur Romantik
tinent (1812 ). So enthält Humboldts sprach- als ein Musterbeispiel eines Ideenwandels zu
philosophisches Werk alle Facetten des ro- schildern und dabei sowohl den Bruch als
mantischen Sprachbegriffs, an dessen Ausbil- auch die Kontinuität bestimmter Grundvor-
dung besonders Madame de Staël und A. W. stellungen aufzuzeigen. Der Hauptgedanken-
Schlegel beteiligt waren. Aus diesem Aufsatz gang ist folgender: Im Denken der Aufklärer
lassen sich folgende Momente als wichtig für spielte die Sprache stets eine wesentliche
den hier postulierten romantischen Sprach- Rolle, sie war als Vermittlerin zwischen sinn-
begriff herausfiltern: licher Erfahrung und geistiger Aktivität des
(1) Die Hervorhebung der schöpferischen Subjekts unentbehrlich. Ohne Sprache gibt es
Einbildungskraft in allen geistigen und keinen reflektierten Gedanken (Condillac). In
damit in allen sprachlichen Prozessen. der deutschen transzendentalen und idealisti-
(2) Die Verlagerung der Erkenntnisvoraus- schen Philosophie wurden die Erkenntnisvor-
setzungen in das Erkenntnissubjekt als aussetzungen ganz in den Geist bzw. die Ver-
Folgen der Postulate der transzendenta- nunft des Menschen verlegt, sie waren a
len und idealistischen Philosophie. priori, d. h. unabhängig von aller Erfahrung,
(3) Die Einbeziehung der Sprache in diese vorgegeben und bedurften auch der Sprache
Voraussetzungsproblematik, d. h. eine nicht. Diese wird also als Erkenntnismittel
entscheidende Korrektur dieser Philoso- überflüssig und höchstens zum sekundären
phie. Ausdruck und zur Mitteilung des Gedachten
(4) Die Thematisierung des Gegensatzes von erforderlich. Aus sprachphilosophischer Sicht
Freiheit und Notwendigkeit, der im Wi- ist also diese Philosophie negativ zu beurtei-
derstreit von sprachlicher Individualität len. Die Leistung der romantischen Denker
des Dichters und Allgemeinheit der vor- besteht nur darin, daß sie die Sprache wieder
gegebenen Sprache ein Analogon findet. in die Erkenntnisvoraussetzungen einbezie-
(5) Die Überwindung dieses Widerspruchs hen und mit dem Postulat der Apriori-Struk-
durch schöpferische Leistung des Dich- tur der Subjektivität zu verbinden suchen.
ters aufgrund der Möglichkeiten, die seine Besondere Aufmerksamkeit schenkt Formi-
Sprachfähigkeit ihm bietet. gari der Sprachphilosophie Humboldts. Er
distanziert sich von der idealistischen Philo-
sophie insofern, als er an der unentbehrlichen
Vermittlerfunktion der Sprache festhält. An-
dererseits macht er sich bestimmte Postulate
228 I. Raum-zeitliche Übersichten

der Philosophie Kants zu eigen, indem er die der deutschen ›klassischen‹ Philosophie, in der
Apriori-Problematik aufgreift, dabei aber die die Sprache keine entscheidende Rolle spielte,
Sprache als Bedingung der Möglichkeit jeder durch eine nachgeholte Korrektur in die
geistigen Tätigkeit einbezieht. An dieser Stelle Sprachphilosophie eingeholt worden ist. Ver-
fehlt allerdings der Hinweis, daß der Apriori- gleicht man die Darstellungen von Müller-
Begriff Kants nicht mehr in dem transzenden- Vollmer und Formigari und stellt erneut die
talen Sinne der Unabhängigkeit von jeglicher Frage nach einem romantischen Sprachbe-
Erfahrung verstanden werden darf, sondern griff, so läßt sich zusammenfassend etwa fol-
nur im Sinne einer ›Bedingung der Möglich- gendes sagen:
keit‹. Denn Sprache ist ohne Erfahrung nicht Die Epoche hat zweifellos wichtige neue
möglich, sie muß erlernt werden, und sie wird sprachphilosophische Einsichten erbracht.
im Prozeß der Erlernung zur Grundlage Wichtige Elemente des (sensualistischen) Auf-
menschlichen Denkvermögens (vgl. Gipper klärungsdenkens sind bewahrt worden. Wich-
1987). — Formigari weist dann auf einen tig ist die Auseinandersetzung mit den Postu-
angeblichen Zwiespalt in Humboldts Sprach- laten der transzendentalen und idealistischen
auffassung hin, der darin bestehen soll, daß Philosophie der Zeit. In ihr wird die Rolle des
er einerseits die positiv gegebenen histori- Subjekts im Erkenntnisprozeß extrem hervor-
schen Fakten der Sprache beachtet, anderer- gehoben und die Sprache bei dieser Voraus-
seits aber spekulative Gedanken über Lei- setzungsproblematik übersehen. Die Roman-
stung und Wirkung der Sprache für den Men- tiker und vor allem Humboldt haben diese
schen anstellt. Sie stellt die Begriffspaare ‘po- neue Grundeinstellung akzeptiert, erkannten
sitiv-spekulativ’, ‘historisch-philosophisch’ aber die Notwendigkeit, die Sprache in diese
für diese Doppelheit der Sehweise heraus. Voraussetzungen geistiger Tätigkeit einzube-
Man könnte die Opposition ‘praktisch-theo- ziehen. Nicht klar erkannt worden ist, daß
retisch’ hinzufügen. Für Humboldt ist in der sich der Begriff des transzendentalen Apriori
Tat kennzeichnend, daß er keine philosophi- im Sinne völliger Erfahrungsunabhängigkeit
sche Spekulation duldet, die nicht durch em- nicht auf die Sprache anwenden läßt, die nur
pirische Sprachuntersuchung gestützt werden mit Erfahrung erworben werden kann. Wenn
kann. Es geht ihm stets um die Rolle der aber das menschliche Denken engstens mit
Sprachen auf drei Ebenen: der des Individu- Sprachbesitz verbunden ist, dann müssen
ums, der der natürlichen Sprache bzw. auch die apriori angesetzten Kategorien und
Sprachgemeinschaft und der der Sprachfähig- Urteile als mit Erfahrung vermischt aner-
keit der Menschheit. Die vorgenannten Op- kannt werden. Das Apriori darf dann nur
positionen ergeben also keinen Konflikt, son- noch im Sinne einer ›Bedingung der Möglich-
dern sie ergänzen und bedingen einander. keit‹ aufrechterhalten werden. Die transzen-
Formigari widmet schließlich Humboldts Ge- dentale und idealistische Philosophie kann
danken des sprachlichen Weltbildes und der nicht als romantisch bezeichnet werden, wenn
sprachlichen Zwischenwelt große Aufmerk- auch z. B. bei Schelling romantische Elemente
samkeit (vgl. 2 .3.2 .). — Den eingangs ge- eingeflossen sind. Eine romantische Sprach-
nannten Wandel der Sprachauffassung vom auffassung als geschlossenes Gedankenge-
18. zum 19. Jahrhundert schildert Formigari bäude hat es nicht gegeben. Wohl ist die Spra-
noch an mehreren Beispielen. Kontinuität che in den Mittelpunkt romantischer Bemü-
stellt sie etwa in Fichtes Schrift Von der hungen gerückt. Humboldts sprachwissen-
Sprachfähigkeit und dem Ursprung der Spra- schaftliches Werk stellt zweifellos den Höhe-
che fest, die noch ganz im Sinne der Aufklä- punkt der Entwicklung dar. In ihm vollzieht
rung verfaßt ist und sich von ihr nur durch sich eine Synthese tradierter und neuer phi-
die deduktive philosophische Methode unter- losophischer Vorstellungen, wobei auch ro-
scheidet. Sie weist auch auf die Rolle Fichtes, mantische Elemente eindringen. Humboldts
A. W. Schlegels und Schellings für diesen Um- Werk ist jedoch mehr als eine Zusammen-
bruch der Ideen hin. Für die Frage nach der schau von Gegebenem, es bietet etwas unver-
Existenz eines romantischen Sprachbegriffs wechselbar Neues und stellt eine eigenstän-
ist dem Aufsatz besonders die Einbeziehung dige Leistung dar. Es ist nicht vertretbar, sie
der Apriori-Voraussetzungen der deutschen als ‘romantisch’ zu kennzeichnen. Die ‘klas-
transzendentalen und idealistischen Philoso- sischen’ Elemente sind darin unverkennbar.
phie in die neue Sprachauffassung zu entneh- Ein Besuch des Humboldtschlößchens in Te-
men, die sich im Werk Humboldts vollzieht. gel zeigt, in welcher geistigen Atmosphäre der
Man könnte sagen, daß damit die Ergebnisse Hausherr lebte und wirkte. Von Karl Fried-
13.  Sprachphilosophie in der Romantik 229

rich Schinkel (1781—1841) in einen klassizi- Pierre Roland François Butet (1769—
stischen Bau verwandelt, birgt das Haus in 18
2 5), Dominique-Joseph Garat (1749—
seinen Räumen griechische Skulpturen und 1833), Jean François de La Harpe (1739—
Reliefs, einen römischen Brunnen und helle- 1803), Pierre-François Lancelin (1769?—
nistische Plastiken. Ein Antikensaal bietet ein 1809), Pierre Laromiguière (1756—1837), Jo-
kleines Museum klassischer Kunst. Wenn seph de Malmieux (1753—182 0), Pierre-Louis
auch romantisches Gedankengut im Denken Comte de Rœderer (1754—1835), Roch Am-
Humboldts Eingang fand, als ein Repräsen- broise Cucurron Sicard (1742 —182 2 ), Dieu-
tant der romantischen Bewegung kann dieser donné Thiébault (1737—1803) und Jean-
Mann nicht gelten. François Thurot (1768—1832 ). Auf die Ideo-
logen und ihre sprachphilosophischen Auf-
fassungen hat 1959 Harry Burrows Acton
6. Die französischen Ideologen (*1908) mit seinem Aufsatz The philosophy of
language in revolutionary France wieder auf-
6.1.  In fast allen bisher vorliegenden Darstel- merksam gemacht, der Gipper/Schmitter in
lungen der Geschichte der Sprachwissenschaft ihrem Buch Sprachwissenschaft und Sprach-
und der Sprachphilosophie im Zeitraum der philosophie im Zeitalter der Romantik (1985)
Romantik ist eine Gruppe französischer Ge- als Ausgangspunkt ihrer Darstellung diente.
lehrter übersehen worden, die bereits wichtige Inzwischen ist das Interesse an den Ideologen
sprachphilosophische Probleme behandelt neu erwacht. 1983 fand in Berlin eine Tagung
haben, welche gelegentlich als Errungenschaf- über sie statt, deren Ertrag 1986 von Winfried
ten der neueren Sprachphilosophie betrachtet Busse und Jürgen Trabant in dem Sammel-
werden. Es handelt sich um die sogenannten band Les idéologues vorgestellt wurde. Ulrich
Ideologen, einen Kreis von Gelehrten, der Ricken (*192 6), der wohl beste Kenner der
sich aus Teilnehmern der seit 1771 im Salon Sprachauffassung der französischen Aufklä-
der Madame Helvétius tagenden ›Société d’ rung und der Folgezeit, hat 1984 in seinem
Anteuil‹ in Paris gebildet hatte und sich in wichtigen Buch Sprache, Anthropologie, Phi-
der Folgezeit noch vergrößerte. Mehrere von losophie in der französischen Aufklärung. Ein
ihnen wurden Mitglieder des Pariser ›Institut Beitrag zur Geschichte des Verhältnisses von
National des Sciences et Arts‹, das nach der Sprachtheorie und Weltanschauung auch den
französischen Revolution im Jahre 1795 neu Ideologen ein aufschlußreiches Kapitel gewid-
organisiert wurde und die Tradition der fran- met (2 50—2 68). Eine weitere Sammlung ein-
zösischen Akademie der Wissenschaften fort- schlägiger Aufsätze wurde 1989 und 1991 von
setzen sollte. Die uns besonders interessieren- Schlieben-Lange (et al.) unter dem Titel Euro-
den waren Constantin François Chassebœuf päische Sprachwissenschaft um 1800 vorge-
Comte de Volney (eigentlich Boisgirais; das legt. Da in diesen Beiträgen alle Aktivitäten
Pseudonym Volney ist aus Voltaire und Fer- der Ideologen auf politischem, pädagogi-
ney zusammengesetzt, 1757—182 0), Pierre schem, sprachtheoretischem und philosophi-
Jean Georges Cabanis (1757—1808), der schem Gebiet behandelt werden, bleibt eine
Freund und Arzt des Grafen Honoré Gabriel Auswertung aus sprachphilosophischer Sicht
Riqueti de Mirabeau (1749—1791), Pierre noch zu leisten. Dazu liefert besonders der
Prévost (1751—1839), der Condillac-Schüler Beitrag von Gerda Haßler: Sprachtheoretische
Antoine Louis Claude Destutt de Tracy und politische Gruppierungen innerhalb der
(1754—1836), Marie François Pierre Gon- französischen Ideologen gute Voraussetzungen
thier Maine de Biran (1766—182 4) und de (s. Art. 8). — Vor allem war es die 2 . Klasse
Gérando. Diese Männer waren der sogenann- des ›Institut National‹ für ›Sciences morales
ten englischen Schule, Locke, George Berke- et politiques‹, in der es eine ›Section pour
ley (1685—1753), Thomas Reid (1704— l’analyse des sensations et des idées‹ gab, wel-
1757), David Hartley (1710—1796) und che sprachphilosophisch wichtige Fragen be-
Hume verpflichtet, vor allem aber ihrem handelte. Die Zielsetzungen der neuen Insti-
Landsmann Condillac, der die Lockeschen tution wurden von dem Deisten Volney mit-
Ideen in sprachphilosophischer Sicht weiter- bestimmt, einem vielseitig begabten Gelehr-
entwickelt hatte. Hinzu kommen einige be- ten, der bemerkenswerte Arbeiten zur Verein-
sonders pädagogisch und bildungspolitisch fachung des Studiums der orientalischen
engagierte Gelehrte, die z. T. an den gegrün- Sprachen durch die Verwendung der europä-
deten neuen höheren Lehranstalten (›Ecoles ischen Buchstabenschrift vorgelegt hatte und
normales‹, ›centrales‹ und ›spéciales‹) tätig außerdem sprachphilosophisch interessiert
waren. Hier sind zu nennen:
230 I. Raum-zeitliche Übersichten

war. Er war überzeugt, daß die Menschen nur che, nicht möglich. Wie Condillac sich die
dann Übereinstimmung in der Beurteilung ih- Genese des menschlichen Zeichengebrauchs,
rer Probleme erreichen könnten, wenn sie die also den Ursprung der Sprache aus natürli-
Dinge so erfaßten, wie sie tatsächlich sind. chen Lauten und Gesten vorstellte, kann hier
Zwischen der Welt der Phantasie und derje- übergangen werden. Wichtig ist jedoch fest-
nigen der Realität müsse daher eine Demar- zuhalten, daß er die besondere Leistung der
kationslinie gezogen werden. Theologische sprachlichen Zeichen in ihrer Fähigkeit er-
und religiöse Meinungen seien aus der sozia- blickte, die sinnlichen Erfahrungen zu ord-
len Sphäre auszuschließen, nur dann würden nen. Sie erlauben vor allem Abstraktionen
alle irrigen Religionen durch die einzig halt- und somit Verallgemeinerungen, die wie-
bare Religion der Evidenz und der Wahrheit derum die Formulierung allgemeiner Aussa-
ersetzt. Volney weckte bei den Ideologen vor gen gestatten. Mehr noch: Condillac betont,
allem ein anthropologisches Interesse. — Ca- daß sich die durch die Zeichen erzielten Klas-
banis neigte materialistischen und atheisti- sifikationen jeweils nach den Bedürfnissen der
schen Auffassungen zu und soll sich sogar sie gebrauchenden Menschen richten, also
gegen die Erwähnung Gottes im Institut ver- auch von Sprache zu Sprache verschieden
wahrt haben. Die geistigen Fähigkeiten des sind. Damit ist zugleich eine bereits bei Locke
Menschen führte er auf hirnphysiologische nachweisbare Einsicht in das Wesen der
Voraussetzungen zurück und verglich sie mit Sprachverschiedenheit gewonnen, die später
natürlichen körperlichen Ausscheidungen der in der Sprachphilosophie Humboldts zentrale
Organe, was zu der zugespitzten Formulie- Bedeutung gewann. — Für die Wissenschaft
rung geführt hat: ‘Le cerveau secrète la pensée ergeben sich daraus wichtige Folgerungen:
comme le foie secrète la bile’. Acton hebt Die Kunst des Denkens wird zu einer Kunst
besonders Destutt de Tracy heraus, den Na- des sprachlichen Ausdrucks des Gedachten,
poleon als das eigentliche Haupt der Ideolo- und da die Sprachen selbst als analytische
gen betrachtete. In einer Untersuchung Mé- Methoden zur Erkenntnisgewinnung betrach-
moire sur la faculté de penser (1795) beruft tet wurden, erweisen sich die erfolgreichen
Destutt sich auf Condillac, der, Lockes Ge- Wissenschaften im Grunde als gut gemachte
danken weiterführend, die Sprache für das Sprachen. Condillac ist daher auch besonders
Denken selbst als ebenso notwendig erachtete von der Algebra als der Sprache der Mathe-
wir für den Ausdruck dieses Denkens. Destutt matik beeindruckt. Nach deren Vorbild hält
schlägt für diese Forschungsrichtung, die auf er alle philosophischen Probleme für lösbar.
der Analyse der Empfindungen (sensations) — Acton weist darauf hin, daß der Chemiker
und Vorstellungen (idées) gerichtet ist, den Antoine-Laurent de Lavoisier (1743—1794)
Ausdruck ‘idéologie’ vor, der der ganzen For- als begeisterter Anhänger Condillacs versucht
schergruppe die Bezeichnung ‘Ideologen’ ein- hat, die chemische Terminologie entsprechend
trug. Zu beachten ist dabei, daß der Ausdruck zu verbessern. Die Sektion der Analyse der
‘idée’ einer besonderen Klärung bedarf. Er ist Empfindungen und Ideen war gegründet auf
im Sinne Lockes als einfache Sinnesempfin- Lockes Empirismus, welcher durch Condillac
dung, zunächst als ›perception by means of zu einer Sprachphilosophie ausgearbeitet
sight‹, zu verstehen, wird dann aber auf alle worden war. — Die Forschung der Ideologen
Sinnesempfindungen und schließlich auf die auf diesem Gebiet sollte durch Preisaufgaben
Erfahrung und auf das Denken schlechthin gefördert werden. Diejenige aus dem Jahre V
erweitert. der Republik, d. h. im Jahre 1796, zeigt in
ihrer Fragestellung beispielhaft, um welche
6.2.  Zum besseren Verständnis der Zusam- sprachphilosophischen Probleme es ging und
menhänge ist auf die Anschauungen von Con- verdient daher hier Erwähnung.
dillac zu verweisen. Dieser bedeutende An- „1. Ist es wahr, daß die Sinneswahrnehmungen sich
reger der französischen Ideologen gilt als sen- nur mit Hilfe der Zeichen in Ideen umwandeln
sualistischer Philosoph, der Anschauungen können? Oder, was auf das gleiche hinausläuft,
Lockes verpflichtet war. Dieser hatte bereits setzen unsere Ideen ihrem Wesen nach die Hilfe der
betont, daß die Sprache nicht von der Er- Zeichen voraus?
kenntnis zu trennen sei. Condillac interpre- 2 . Wäre die Kunst des Denkens vollkommen, wenn
tiert diesen Zusammenhang so, daß Erkennt- die Kunst der Zeichen zur Vollkommenheit ge-
nis nur durch Analyse der Sinnesempfindun- bracht würde?
gen erreicht werden könne, diese aber sei ohne 3. Verdanken die Wissenschaften, in denen die
den Gebrauch von Zeichen, also ohne Spra- Wahrheit ohne Einschränkung akzeptiert wird,
13.  Sprachphilosophie in der Romantik 231

diese Übereinstimmung der Vollkommenheit ihrer schaften durch Verbesserung ihrer Sprachen
Zeichen? scheint ihm nur erreichbar, wenn Humes Un-
4. Ist in den Wissenschaften, die Anlaß zu ewigem terscheidung von ›truth of fact (relation of
Streit geben, der Gegensatz der Meinungen nicht ideas to things)‹ und ›abstract truth (relation
eine unabwendbare Auswirkung der Ungenauigkeit of ideas to one another)‹ berücksichtigt
ihrer Zeichen? werde. Insgesamt ist de Gérandos Stellung-
5. Gibt es ein Mittel, die unvollkommenen Zeichen nahme durch ein Bemühen um die Mäßigung
zu verbessern und alle Wissenschaften gleicher- extremer Standpunkte gekennzeichnet. Seine
maßen für überzeugende Beweisführung geeignet Kritik der Condillacschen Auffassung der
zu machen?“ (Ricken 1984, 262). ›sensation transformée‹ berührte einen zentra-
Der Ankündigungstext dieser für 1799 aus- len Punkt der sensualistischen Theorie, fand
geschriebenen Preisfrage ist also offenbar aber, da sie geeignet war, den gegen die Ideo-
ganz im Geiste der sensualistischen Zeichen- logen erhobenen Vorwurf des Materialismus
auffassung Condillacs formuliert. Den ersten zu entkräften, vielfache Zustimmung. Die da-
Preis erhielt de Gérando, ein überzeugter Ka- mit verbundene Aufwertung der freien geisti-
tholik, der zunächst gegen den Konvent ge- gen Aktivität des Menschen nähert ihn auch
kämpft hatte, zweimal geflohen war, einmal idealistischen und romantischen Auffassun-
in die Schweiz, dann nach Deutschland, wo gen. De Gérando hat sich übrigens immer
er mehrere deutsche Denker kennenlernte. In mehr als Außenseiter betrachtet. Er machte
Paris traf er 1798 auch mit Humboldt zusam- unter Napoleon eine politische Karriere und
men. Seine Antwort wurde in vier Bänden löste sich, ähnlich wie Maine de Biran, von
1799 unter dem Titel Des signes et de l’art de den Ideologen, was ihn allerdings nicht hin-
penser, considéres dans leurs rapports mutuels derte, nach dem Sturz Napoleons und nach
veröffentlicht. Er vertritt darin die Auffas- der Julirevolution Mitglied der philosophi-
sung, daß die geistige Aktivität als Voraus- schen Klasse der ›Académie des sciences mo-
setzung jeglichen Zeichengebrauchs zu gelten rales et politiques‹ zu werden, die eine Art
habe. In ähnlichem Sinne hatte Maine de Renaissance ideologisch liberaler Auffassun-
Biran von einer ›puissance motrice‹ gespro- gen einleitete, ohne die frühere sprachtheo-
chen, ohne die es keine Wörter gibt. De Gé- retische Diskussion wieder aufzunehmen. Mit
rando unterscheidet prälinguistische und lin- dem Gesagten ist die ideologische Sprachpro-
guistische Zeichen, erstere lösen Gedanken blematik keineswegs erschöpft. Haßler zeigt
und Erinnerungen aus, letztere lenken auf in ihrem bereits erwähnten jüngsten Beitrag
deren Bedeutung hin. Innerhalb der sprach- über die sprachtheoretischen und politischen
lichen Zeichen unterscheidet er solche für Gruppierungen innerhalb der Ideologen
konkrete Dinge und für Ideen. Er kritisiert (Haßler 1989), daß deren Auffassungen nicht
Condillacs Auffassung, wonach Denken nur nur von außen angegriffen wurden, sondern
eine symbolische oder logische Transforma- auch innerhalb der eigenen Reihen umstritten
tion von Sinnesempfindungen sei. Seine dies- waren. Besonders in den Jahren 1795—97
bezüglichen Einwände trägt er 1804 in dem kam es zu heftigen Diskussionen über die
weiteren Werk Histoire comparée des systèmes philosophischen Grundlagen der Ideologie.
de philosophie relativement aux principes des Haßler zeigt auch das wechselvolle Schicksal
connaissances humaines vor. Das Ziel einer der einzelnen Ideologen in den turbulenten
vollkommenen Wissenschaftssprache hält de Jahren der französischen Revolution, der na-
Gérando für unerreichbar. Wichtig ist, daß er poleonischen Ära und der nachfolgenden Re-
ähnlich wie Locke und Condillac auf die Kul- stauration auf. Wie immer in politisch beweg-
turbedingtheit der Sprachverschiedenheit hin- ten Zeiten haben sich auch hier manche Ge-
weist. Wie Locke spricht er von verschiedenen lehrte arrangiert, andere hingegen ihr Leben
Bündeln von Ideen, die je nach den kulturel- nur knapp retten können. So konnte sich z.
len Verhältnissen gebildet werden. Maine de B. Garat, der als Justizminister Maximilien
Biran hatte sich ähnlich geäußert. Die Frage, de Robespierres (1758—1794) das Todesurteil
ob wissenschaftliche Probleme nur ungenü- für Ludwig XVI. verlesen hatte, trotzdem als
gender Exaktheit der Sprachmittel zuzu- Ideologe an der ›Ecole Normale‹ Ansehen
schreiben seien, beantwortet er mit dem Hin- verschaffen, während der Abbé Sicard nur um
weis auf weitere zu berücksichtigende Fak- Haaresbreite dem Tode entkam.
toren wie die Verschiedenheit der Tempera-
mente und Interessen der Forscher. Sie kön- 6.3.  In knapper Zusammenfassung seien hier
nen jedem Begriff eine besondere Bedeutung wenigstens noch einige Hinweise auf die zen-
zuschreiben. Eine Verbesserung der Wissen-
232 I. Raum-zeitliche Übersichten

tralen Themen gegeben, die kontrovers be- schließen sind. — Auf der Gegenseite tritt
handelt wurden. Generell kann man eine besonders Saint-Martin für die Betonung der
mehr materialistisch-positivistische Tendenz, geistigen, aktiven Rolle der Sprache im Er-
eine mehr spiritualistisch-idealistische Ten- kenntnisprozeß ein und verwahrt sich gegen
denz und eine um Vermittlung zwischen den eine auf Konvention begründete Zeichenauf-
Extremen bemühte Richtung unterscheiden. fassung. Er hebt das Schöpferische in der
Auf der materialistisch-positivistischen Seite Sprache hervor und rückt damit in die Nähe
ist das Bestreben zu konstatieren, durch romantischer Auffassungen. La Harpe setzt
strenge Sprachanalyse und Verbesserung der der Sprachanalyse die Rhetorik entgegen und
Wissenschaftssprache einen Fortschritt so- bewegt sich mit seinen Gedankengängen in
wohl in der Erkenntnis als auch im öffentli- der spiritualistischen Richtung. Rœderer tritt
chen Erziehungswesen zu erreichen. Auf die- als um Vermittlung bemühter Denker für die
ser Seite wären zu nennen: Garat, sein Schüler Ergänzung der analytischen Methode durch
Thurot, Malmieux, Butet, Cabanis, Laromi- die notwendige Synthese ein und findet damit
guière, Népomucène Lemercier (1771—1840) die Zustimmung anderer Ideologen. Eine
und Lancelin. Auf der anderen Seite wären Aufwertung der freien geistigen Aktivität des
zu erwähnen Saint-Martin, La Harpe, Destutt Menschen unterstützen de Gérando und
de Tracy, Sicard und de Gérando. Garat ver- Maine de Biran, der die Originalität des in-
glich das Denken mit Rechnen und forderte dividuellen Geistes mit der treffenden Bemer-
eine analytische Sprachbetrachtung mit dem kung betont hat: Wenn die Sprache ein Kalkül
Ziel erkenntnistheoretischen Fortschritts. wäre, dann könnte man sie getrost den Ma-
Malmieux schlug die Schaffung einer künst- schinen überlassen. Wenn Denken Rechnen
lichen Sprache mit vollkommener Analogie, wäre, würde es im Grunde überflüssig, und
d. h. logisch eindeutiger Strukturierung, und man sollte den Menschen dann davon entbin-
eine entsprechende Universalschrift, ‘Pasigra- den. Mit dem Hinweis auf die freie Willens-
phie’ genannt, vor. Er stößt damit auf den kraft wendet sich de Gérando auch gegen die
Widerstand Destutts und Thurots. Cabanis materialistische Auffassung des Cabanis. Er-
tritt für eine mechanisch-materialistische Psy- wähnenswert ist, daß die Annahme sprachli-
chophysiologie ein, und Prévost hält bereits cher Universalien von nicht wenigen Ideolo-
die maschinelle Ausführung logischer Ope- gen bezweifelt wird. Annäherung an be-
rationen für möglich. Condillacs 1798 postum stimmte Auffassungen Humboldts zeigt Thié-
von Laromiguière herausgegebenes unvoll- bault, der zwischen ›caractère d’ une langue‹,
endetes Werk Langue des calculs, das eine d. h. der beobachtbaren grammatischen
Verbesserung der Wissenschaften durch An- Struktur, und ›génie d’ une langue‹, d. h. dem
wendung der Analogie (s. Art. 85) als Me- darin verborgenen geistigen Verfahren, unter-
thode des Schließens empfiehlt, leistet diesen scheidet, was an Humboldts ›innere Sprach-
Bestrebungen weiteren Vorschub. Lancelin form‹ erinnert. Humboldt kannte Thiébault
sieht den Fortschritt der Wissenschaft in voll- und war sogar bei der Sitzung anwesend, in
kommener Abhängigkeit von Zeichen und re- der dessen Aufnahme ins Institut — allerdings
duziert ihn ganz auf das terminologische Pro- aus anderen Gründen — abgelehnt wurde. Es
blem. Neubelebt wurde die Zeichendiskussion ist später versucht worden, Humboldt ganz
durch originelle Anregungen des Abbé Sicard, in die Nähe des Ideologen zu rücken und seine
der als Professor der Sektion des Instituts für Abhängigkeit von den französischen Denkern
allgemeine Grammatik angehörte und als zu betonen, die er in Paris kennenlernte (Aars-
Taubstummenpädagoge auf die Möglichkeit leff 1977). Diese Auffassung ist indessen nicht
pantomimischer Erzeugungen von Wortbe- haltbar und wurde von Gipper und Wulf Oe-
deutungen und Ideen durch Gebärden hin- sterreicher (*1942 ) widerlegt (vgl. Gipper/
wies. Er hielt Gebärden nicht nur für die Schmitter 1985, 99—113; Gipper 1981; Oe-
Muttersprache der Gehörlosen, sondern auch sterreicher 1981). Unbestritten bleibt, daß
zu einer Universalsprache geeignet (vgl. dazu Humboldt besonders dort, wo der Sprache
Schumann 1940, 113—144). Sprachphiloso- eine entscheidende Bedeutung für das Denken
phisch sind diese Bemühungen in den zei- eingeräumt und dem Eigencharakter jeder
chentheoretischen Bereich einzuordnen, der Sprache Bedeutsamkeit zuerkannt wurde, in
heute in der Semiotik weiterentwickelt wird der eigenen Sprachauffassung bestärkt wer-
und historisch an die durch Leibniz geförder- den konnte. Mit der gelegentlichen Betonung
ten Bemühungen um eine ›Mathesis univer- der aktiven Rolle der Sprache in den Denk-
salis‹ bzw. ›Characteristica universalis‹ anzu- prozessen und der in ihr steckenden schöp-
13.  Sprachphilosophie in der Romantik 233

ferischen Momente zeigen bestimmte ideolo- 7. Literatur in Auswahl


gische Auffassungen Berührungspunkte zu
Gipper/Schmitter 1985, Sprachwissenschaft und
idealistischen und romantischen Sehweisen.
Sprachphilosophie im Zeitalter der Romantik.
— Acton (1959, 2 16) hat folgende Probleme
herausgehoben, die von den Ideologen bereits Dieses Buch hat als Grundlage für das vorliegende
behandelt wurden, dann aber erst im 2 0. Jahr- Kapitel gedient. Die einschlägigen sprachphiloso-
hundert wieder thematisiert wurden: phischen Passagen sind meist stark gekürzt, über-
arbeitet und zum Teil auch ergänzt worden. Wie-
„(1) thinking is essentially talking;
derholt ist auf den ausführlichen Ausgangstext ver-
(2) language ist a calculus;
wiesen. Die wichtigsten Titel des Literaturverzeich-
(3) philosophical problems are pseudo-problems,
nisses sind in die Gesamtbibliographie des Hand-
they can be exposed and dispersed by means
buchs aufgenommen. Die Ergänzungen betreffen
of linguistic reform“.
neuere Arbeiten zum Thema und tragen dem heu-
Hinzuzufügen wäre die allgemeine Semio- tigen Forschungsstand Rechnung. So ist z. B. Bern-
tisierung der Wissenschaftstheorie und ihrer hardi stärker berücksichtigt und der Abschnitt über
Weiterentwicklung in Richtung auf semanti- das Verhältnis der systematischen Philosophie zur
sche Fragestellungen, also der Versuch einer Sprachphilosophie erweitert, insbesondere bei
Überführung der Philosophie in eine Zeichen- Fichte und Jacobi. Neu ist der Abschnitt über die
theorie, und zwar im Anschluß an Locke und wichtige Frage, ob es einen romantischen Sprach-
Condillac, aber unter veränderter Blickrich- begriff gibt. Ferner ist der Abschnitt über die fran-
tung und mit neuen Akzenten. Das Ende der zösischen Ideologen aufgrund zahlreicher neuer
Ideologen sieht Haßler weniger durch philo- Publikationen neu bearbeitet worden. Die neuen
sophische Fakten als durch politische Ereig- Literaturangaben sind ebenfalls in die Gesamtbi-
nisse bedingt. Die 2 . Klasse des Instituts bliographie aufgenommen. In Auswahl sei hier
wurde 1803 durch Napoleon geschlossen, noch auf folgende Werke verwiesen:
nachdem er sich vergebens bemüht hatte, die Fiesel 192 7, Die Sprachphilosophie der deutschen
verdächtigen Intellektuellen für sich zu gewin- Romantik.
nen. Verhängnisvoll für sie war, daß ihnen Formigari 1977, La logica del pensiero vivente. Il
republikanische, atheistische und materialisti- linguaggio nella filosofia della Romantik.
sche Tendenzen angelastet wurden, ja daß sie Busse/Trabant (Hg.) 1986, Les idéologues. Sémio-
in der Restaurationszeit mit der französischen tique, théories et politiques pendant la Révolution
Revolution identifiziert wurden. An diesen française.
Umständen konnte auch die 1832 neugegrün- Schlieben-Lange et al. (Hg.) 1989/91, Europäische
dete philosophische Klasse der ›Académie des Sprachwissenschaft um 1800. 2 Bde.
sciences morales et politiques‹ nichts ändern,
obwohl sich dort eine Reihe der ehemaligen Helmut Gipper, Münster (Deutschland)
Gesinnungsgenossen wieder zusammenfan-
den.
234

II. Personen
Persons
Personnes

14. Plato (427—347)

1. Introduction one must first understand the view of lan-


2. A brief look at some historical background: guage that led him to that choice. Accord-
relativism, the problem of false belief, and ingly, some interpreters, including some as-
definition sociated with ›hermeneutics‹ (e. g., Gadamer
3. The function of language: Plato’s Cratylus 1980), center the study of his work on the
4. The problem of false statement dialogue form and associated linguistic issues.
5. Problems about false belief This style of interpretation has frequently
6. Further problems about language and sought support from the fact that Plato both
thought expressed suspicion of written language (as in
7. Language, action and ethics Phaedrus 274—289), and can be interpreted
8. Plato and modern philosophy of language as having claimed that his own philosophical
9. Selected references views cannot or should not be expressed in
treatises (Epist. 7, 341—344 — though the
genuineness of this writing has been doubted).
1. Introduction
Plato gives us the first surviving extended 1.3.  Another line of interpretation that pic-
treatment in Western thought of problems in tures ideas about language as basic to Plato’s
the philosophy of language. Moreover, no philosophy is offered by commentators of
other philosopher gives more explicit atten- various ›analytic‹ or ›linguistic‹ types. Ac-
tion to problems about the relations between cording to such views, philosophical problems
language and thought, language and reality, are to be understood and resolved by the
and language and action. Through those who examination of language. If one wishes to
have accepted or rejected his views, they con- interpret Plato from this standpoint, one may
tinue to influence the development of the phi- try to see him as seek ing philosophical un-
losophy of language in a vital way (cf. 8.). derstanding by means of an understanding of
the work ings of language (e. g., Ryle 1939 and
1.1.  However, in one sense it is not at all Owen 1970). Such a perspective is often as-
plain that Plato has a ›philosophy of lan- sociated with an anti-metaphysical tendency,
guage‹. For despite certain tempting interpre- and an inclination to interpret Plato less as
tations, it is inaccurate to think of him as of a metaphysician than as a philosopher of
attempting to mak e the philosophy of lan- language. This approach has been particu-
guage into either a separate branch of phi- larly practiced on dialogues usually consid-
losophy or a basis of philosophical activity. ered to have been written after the middle of
Rather, his ideas about language are contin- Plato’s life, such as the Parmenides and the
uous with and inextricable from the rest of Sophist, and has sometimes involved the view
his philosophy. that after such work s as the Phaedo and the
Republic, in which he was concerned mainly
with metaphysics, he changed his whole ap-
1.2.  One source of the view that accords a proach.
special place in his philosophy to considera-
tions about language is the fact that he wrote
dialogues rather than philosophical treatises. 1.4.  The position to be adopted here is that
A desire to understand this fact has suggested although claims about the relations between
that to understand the rest of his philosophy language and reality, language and thought,
and language and action, as well as other
14.  Plato (427—347) 235

aspects of the work ings of language, are very strik ing feature of language was the fact that
important to Plato’s philosophical position, languages differ one from another in a way
these claims are thoroughly intertwined with that seemed inexplicable and ›arbitrary‹ (cf.,
other parts of his philosophy and cannot be e. g., Cratylus 385 d—e, and Rijlaarsdam
treated as either its foundation or a separate 1978, 5). That is, there seemed to be no jus-
discipline within it. It is therefore inappro- tification for using one expression rather than
priate to follow the line of thought suggested another to serve any linguistic purpose. Given
by some ›analytical‹ interpretations, which this premise, to some it seemed legitimate
would attribute to Plato the Twentieth-Cen- (though in fact it is fallacious) to infer that
tury view that the study of language is the there are therefore no objective facts about
k ey to solving philosophical problems. On the the world to be (truly or falsely) described
other hand it is equally mistak en to follow a (Crat. 385 e—386 a).
line of thought sometimes suggested by the
other interpretative tradition described above 2.3.  This is the back ground, very briefly de-
(1.2.), which would assign a central place in scribed, of Plato’s theorizing about language.
Plato’s think ing about language to his views But the issues just broached immediately give
on dialogue and dialectical philosophical dis- rise to further ones concerning false statement
cussion. For although he believed that the and false belief. They arose because some
dialogue is the right medium for philosophical Sophists, pick ing up an idea of the philoso-
expression, his own treatment of language pher Parmenides, attempted to oppose the
was not focused on the dialogue as the lin- idea of genuine disagreement about objective
guistic unit. Rather, when he attack ed prob- facts by denying that anyone can mak e a false
lems of how communication and discussion statement or hold a false belief, on the ground
are possible between two or more people, he that in so doing one would have to state or
focused on now-classical problems about the believe ›what is not‹ (τὸ μὴ ὄν), which they
meanings of words and sentences, much as alleged to be impossible (cf., e. g., Crat. 429 d,
Twentieth-Century philosophers of language, Theaet. 188—189, and the Sophist). Aside
starting from Frege, have done. from metaphysical issues this matter involves
questions in the philosophy of language,
about how one can mak e a statement that is
2. A brief look both false and meaningful, and it thus re-
at some historical background: quires treatment of the notion of meaning, as
relativism, the problem well as truth and falsity.
of false belief, and definition
2.4.  Even more central to Plato’s concern
2.1.  In order to focus on what is most im- with language is his interest in definitions cor-
portant in Plato’s philosophy of language, it responding to terms that figure in his discus-
will be useful to glance briefly at some his- sions. Aristotle (s. art. 15) says (Metaphysics
torical back ground. The impetus for his treat- I.6) that Plato derived his interest in defini-
ment of language was the same as that for tions from Socrates. However this may be,
the other central parts of his philosophy, certain aspects of Plato’s interest in defini-
namely, his desire to defend the notion of tions (which manifests itself very strongly in
›reality‹ or ›objective‹ facts and the possibility earlier work s such as the Laches and the
of k nowledge and intelligible discourse about Charmides), are closely related to his belief in
it. The chief obstacle to achieving this goal, the existence of objective facts not created by
he thought, was the relativistic attitude enun- human thought or convention. He never re-
ciated by Protagoras and also sympathetically garded definitions either as mere reports of
regarded by many other think ers of the pe- accepted linguistic usage or as arbitrary stip-
riod. Plato perhaps exaggerates the role of ulations. At the same time, however, he fairly
relativism in Protagoras’s own think ing (cf. early adopted the view that to explain how
Kerferd 1981, 83—110), but Plato plainly we understand the meaning or content of
took the relativist element of the Sophistic expressions, we must mak e reference to cer-
movement as his main intellectual adversary tain non-physical entities, which he some-
(cf. Shorey 1902, 28). This focus is crucial in times called ‘Forms’ (εἴδη). To these, he be-
much of what he said about language. lieved, we must have some k ind of cognitive
access if we are to understand the expressions
2.2.  From a relativist perspective, the most that we employ every day (Phaedo 74—75,
and also Parmenides 135 b—c); and defini-
236 II. Personen

tions elucidating our words must mak e ref- in a broad sense to cover all of the individual
erence to these things, and thus must not be words that he discusses (e. g., Crat. 422 a—
simply records of actual usage of words, but b), but at other times it is contrasted, in a
rather must be accounts of the real nature of somewhat unclear way, with a label for ex-
properties with objective, mind-independent pressions of another type, ῥήματα. (On this
features, and thus in that sense ›real defini- distinction, see below, 4.1.)
tions‹ (cf. 6.2.). Though characters in Plato’s
work s assess proposed definitions by mak ing 3.4.  The dispute between the ›naturalist‹ and
judgments about what is correct to say, Plato the ›conventionalist‹ theories of ›names‹ (s.
never suggests that that correctness consists art. 62) concerns the issue of what constitutes
in mere conformity to accepted usage. In- the ›correctness of a name‹ (the ὀνόματος
stead, he always represents such judgments as ὀρθότης, Crat. 383 a, 390 a, 393 a, 394 e),
based on, and deriving such credence as they which is tak en as equivalent to the question,
have from, the best effort of the person to what constitutes the relation of a name and
state what he think s is in fact true (cf. White a thing under which the name is a (›correct‹)
1976, 13—19). In Plato’s view, the correctness name of that thing. It is important to realize
of a definition is constituted by its fidelity to that this question ask s not for some logically
facts not created by the thoughts, practices, accidental feature of that relation, but rather
or verbal activity, of any individual or group for what it is for an expression to be a name
of human beings. of a given thing, and Plato tak es both theories
to attempt to give answers to this question.
Both theories tak e for granted that there are
3. The function of language: in fact such things as both names and objects
Plato’s Cratylus (without assuming a particular view about
what k inds of objects there are), and that it
3.1.  The only Platonic work devoted primar- is possible to specify a relation between them.
ily to an examination of questions about lan- (Thus, neither theory maintains that the ac-
guage is Plato’s Cratylus. But although it is count of how language work s will be, e. g., a
directly concerned with language, it shows the purely syntactic one mak ing no reference to
way in which Plato’s interest in language any entities outside of language.)
arises directly out of his other philosophical
concerns, and manifests Plato’s view that pre- 3.4.1.  The conventionalist theory holds that
vious theories about language failed precisely this relation is always constituted by some
because they paid insufficient attention to the k ind of agreement or convention, which
philosophical point that such theories ought brings it about that a particular expression is
to have. Since it is Plato’s only extended treat- a name of a particular thing, where there are
ment of the nature of language, its contents no constraints of any k ind on which expres-
should be summarized here. sion a convention may establish as a name of
which object (Crat. 384 c—d).
3.2.  The dialogue introduces its subject
through a dispute between what are tak en to 3.4.2.  The naturalist theory, on the other
be the two plausible extant accounts of lan- hand, holds that the relation between a name
guage, the ›naturalist‹ and ›conventionalist‹ and a thing is fixed by features of names and
accounts (s. art. 62). It is crucial to the un- things that are entirely independent of any
derstanding of the dialogue to recognize that human action, so that no matter what ex-
Plato himself clearly rejects both of these ac- pression people may use to ›call‹ something,
counts and offers a quite different one instead that expression is nevertheless not a name of
(White 1976, 131—140, and Williams 1982). the thing unless the appropriate ›natural‹ re-
lation obtains between the two (Crat. 383 b—
3.3.  It is important (for reasons that we shall 384 a).
see, 4.3.) that Plato mainly treats individual
words, especially nouns and adjectives, 3.4.3.  Several features of the conventionalist
though he also tak es up a longer sort of unit, theory require comment. (1) The theory is
which he rather vaguely calls λόγοι (e. g., neutral as to whether the ›conventions‹ that
Crat. 422 a, 425 a; cf. 4.3.). He adopts a spe- establish naming relations are set up by
cial terminology. One term that he uses is groups or by individuals. The theory would
‘name’ (ὄνομα). This term is sometimes used therefore allow something that many philos-
14.  Plato (427—347) 237

ophers regard as impossible, but that Plato artifact. Indeed, Plato says in the Cratylus
does not object to (Crat. 435 a), namely, a that a name is a ›tool‹ (388 a). In order to
convention set up by a single person with understand what a name is, therefore, one
himself alone. This may seem lik e a strange must k now what the function of a name is,
notion (and it may seem to run against the that is, what we are to do with names (Crat.
suggestion contained in the Greek s words ‘συ- 388 b). Plato’s answer is that we use names
νθήκη’ and ‘ὁμολογία’, for ‘convention’ and to ›teach each other‹ and ›discern how things
‘agreement’, Crat. 384 d), but Plato never rep- are‹ and “distinguish reality or being (οὐσία)
resents the conventionalist theory as main- as a shuttle distinguishes the threads of the
taining that only a group can establish a web [sc. in weaving]” (Crat. 388 b—c). This
naming relation, and the statement of the appears to mean that the purpose to which
view at 384 d (cf. also Crat. 385 a, d—e) is we put names is to tell each other facts about
that “whatever someone sets up as a name is things, with some k ind of special emphasis on
correct”. (2) The conventionalist theory does mak ing clear to each other distinctions be-
not distinguish between the initial establish- tween distinct things.
ment of a naming relation between an ex-
pression and a thing, and subsequent uses of 3.6.  Plato’s uses this idea against the conven-
the name in conformity with the initial con- tionalist theory in the following way. In the
vention. Accordingly, the theory fails to sep- first place, he assumes that Protagorean rel-
arate the question whether a particular con- ativism is false (Crat. 385 e—386 b). (This as-
vention initially establishing a name can be sumption is argued for in the Theaetetus, at
›correct‹ or incorrect, from the question 169—179.) On this basis he then argues that
whether a particular subsequent use of that both things and actions must have some ob-
name can be so. (3) It therefore appears that jective nature. He tak es this to imply that an
Plato’s conventionalist does not insist that action must be such that whether it is or is
language is essentially social. In fact, as we not performed is an objective matter of fact.
shall see (3.8.), Plato’s own view turns out to But since saying (λέγεσθαι) is an action,
do more justice to the social nature of lan- whether it is or is not performed must be an
guage than the conventionalist view does. objective matter of fact (Crat. 387 b—c); and
since naming (ὀνομάζειν) is a ›part‹ of saying,
3.4.4.  The naturalist theory also requires fur- it too must be an action, so that whether or
ther explanation. The core of this theory is not it is in fact performed must be an objective
that there are strict constraints, entirely in- matter of fact (Crat. 387 d). The function of
dependent of human thought and practices, names being what we have seen it to be (cf.
on what expressions can be the names of what 3.5.), anyone who in fact succeeds in naming
things. In addition to this core claim of nat- things must do so in a way that fulfills that
uralism, Cratylus, its exponent in the dia- function of teaching and distinguishing, and
logue, is also made to hold that a certain lik e any craftsman, must do it in a medium
particular relation determines namehood, (in this case consisting of letters and syllables,
namely, a sort of similarity of a name to that Crat. 390 e), that is best suited to his purpose.
of which it is a name (Crat. 430 a—b). Accordingly, Plato concludes (Crat. 390 d—
e), the establishing of a name is not entirely
3.5.  Although the details of Plato’s argument arbitrary and unconstrained, but must be
are too involved to be recounted here, the done within the constraints of the function of
basic idea behind his rejection of these two naming.
theories and his defense of a distinct theory
is that in order to say what constitutes a given 3.7.  But Plato also rejects the naturalist the-
expression’s being a name of a given thing, ory, on the basis of his thesis about the func-
we must be aware of what the function of a tion of naming. His main point is that even
name is (Crat. 388 a with Lorenz/Mittelstraß if there is a ›natural‹ relation of either simi-
1967, Kahn 1973, and White 1976, 137—149). larity or imitation (μίμησις) between a name
This idea is consistent with Plato’s frequent and the thing that it names, nevertheless there
claim that in order to k now what a certain is also another relation, which obtains by
sort of thing is — i. e., to get a definition of virtue of one person’s using a name to call a
it — one must k now the function or use of thing to someone’s mind. Cratylus is made to
that sort of thing (e. g., Rep. 601 b—d), at admit this distinction, when he says that even
least when the thing in question is a tool or if everyone calls a thing by a certain expres-
238 II. Personen

sion, that expression may not be a name of essarily involves the second person’s coming
that thing (Crat. 383 b), which is to admit to stand in the appropriate cognitive relation
that there is a relation of the thing’s being to certain obj ects and/or facts, which are cor-
›called‹ by the name, which is distinct from rectly describable from a standpoint inde-
the relation of ›natural naming‹. This ›calling‹ pendent of the subjective states of the speak er
relation is what involved in what Plato later and the hearer. The point can be roughly
identifies as the function of a name (cf. 3.5. made by saying that for Plato, the k nowledge
and Crat. 434 e). Plato then argues that con- conveyed by successful use of language must
vention, or ›habit‹, may play a role in deter- be de re rather than merely de dicto; cf. Quine
mining which expressions are used for that 1966 a, Kaplan 1969, Putnam 1975 b, and
function, of ›teaching‹ and ›distinguishing‹ Burge 1977 b. It also introduces difficult
(Crat. 434 e—435 c). He agrees with Cratylus problems, about what it is for a person to
that this task is made easier if there is some ›think about (or, of)‹ a particular thing, and
similarity between the name and the thing, what it is for a person to think about the
since such similarity will aid in causing a same object that another person ›intends‹ him
person to think of the intended thing when to. On these issues cf. 6. and 4.4.
he hears the name (Crat. 435 c). (He also
apparently think s that names ought to be 3.9.  It is possible that Plato tak es his notion
constructed in such a way that their parts call of the successful use of language to impose
to mind the parts of the things of which they restrictions on the k inds of things that fully
are names, and that atomic names ought thus successful communication can be about. For
to be names of atomic things; see Crat. commentators traditionally hold that at Cra-
433 a—b; 424 b—d, with 4.3., and cf. Theaet. tylus 438—440, he maintains that, strictly
200—202.) But he denies that an expression’s speak ing, sensible objects cannot be named,
being a name of a thing is constituted by its but that the only things that can be named
resembling that thing, since the correctness of in the strict sense are Forms (cf. 2.4. and
saying that an expression is a name of a thing White 1976, 145—148). If this is his conclu-
is not a function of the degree of similarity sion, the line of thought leading to it would
between them (Crat. 432 b—c, 434 c—d). seem to run as follows. The possibility of
naming a thing seems to depend on there
3.8.  The brief exposition of Plato’s own view being an expression suited for reliably mak ing
of the ›correctness of names‹ contains the someone think of that thing, by virtue of
following points. His main point is that an bringing to mind its characteristics and per-
expression’s being a name of a thing is a haps its essence. But to the extent that a thing
matter of its serving to cause another person is subject to change there will be a difficulty,
to think of that thing when the name is used because of variation of the characteristics of
(Crat. 434 e and White 1976, 137—140). Be- the thing that must be conveyed in order to
ing a name of a thing is therefore a matter of mak e a person bring it to mind. Accordingly,
the degree to which it serves that function since the Forms (according to Plato) are com-
(Crat. 435 c with 387 a—d and 390 a). Thus, pletely unchangeable whereas sensible objects
Plato’s account tak es into consideration, all change constantly, the only names that
more fully than his conventionalist and nat- will most strictly serve their function will be
uralist opponents (cf. 3.4.3. and 3.4.4.), the names of Forms. This argument would not
idea that language is involved in human in- imply that sensible objects cannot be named
teraction. But Plato’s notion of the k inds of or brought to mind by language at all. (Or at
communicative purposes served by language least this would be an implication only if one
directly opposes any form of relativism. On interpreted Plato, with some commentators,
his view, the purpose of language is to cause as holding that sensible objects are so com-
others to have thoughts about a certain fixed pletely unstable that determinate features
reality, whose existence and structure is not cannot be ascribed to them at all.) Rather,
determined by human thought or language. the implication would only be that sensibles
As Plato regards the matter, the purpose of cannot as reliably be brought to mind as
language is not served merely when one per- Forms can be, and therefore that the function
son succeeds in causing another person to be of a name cannot be as completely served
in a certain purely subjective psychological with reference to them as it can be with ref-
state. Rather, the serving of that purpose nec- erence to Forms.
14.  Plato (427—347) 239

4. The problem of false statement one contribution or the other, the crucial
point is to distinguish the two different func-
The problem of false statement in Plato is a tions themselves.
problem in the philosophy of language par
excellence, since it arises from, and can be
answered only by solving, a difficulty about 4.2.2.  Another issue has to be k ept separate
linguistic expressions. As Plato’s attack s on from this one. In the Sophist (255 e—256 a,
the problem show, he eventually recognized e. g.) it appears that at least sometimes Plato
that the problem can be solved only by dis- is worried, lik e many philosophers, that if an
tinguishing different functions that linguistic expression purporting to refer to something
expressions perform, thus complicating the fails in fact to do so, then the whole sentence
simpler view set forth in the Cratylus, accord- in which it figures might thereby be rendered
ing to which only a single function of expres- meaningless. (Note, however, that the inter-
sions is recognized (cf. 3.8.). pretation of the Sophist on this point is con-
troversial; cf. Owen 1970.) To avoid this re-
sult, one must mak e yet a further distinction
4.1.  Though a distinction between ὀνόματα between functions of expressions. For it is at
and ῥήματα — best translated in a neutral least conceivable that if a putatively referring
way as ‘names’ and ‘verbs’ — is drawn in the expression fails to refer to anything, then a
Cratylus (399 a—c, 421 d—e, 425 a, 431 b— sentence containing it may either (a) be false,
c), it is not brought to bear on the main issue or (b) lack truth-value, without being thereby
there, concerning the relation between ex- meaningless. Thus we must distinguish three
pressions and things. Plato there seems to functions that an expression may have: (i) to
hold (Crat. 431 b) that both names and verbs refer to a thing, (ii) to contribute to the truth-
are equally and in the same manner associated value of a containing sentence, and (iii) to
with things in the world. The philosophical contribute to the meaning(fulness) of the con-
need for a distinction among expressions is taining sentence.
made evident in the Sophist and also in the
Theaetetus (187—200).
4.3.  It would probably be too much to say
that Plato made all of these distinctions, but
4.2.  To address the problem of false statement in the Sophist, at 261—264, and especially at
one must show that a statement can be both 262 a—e, he goes a considerable way toward
false and meaningful. The obstacle in the recognizing the differences in function that
Sophist is that since a false statement is tak en expressions may perform, and using it to solve
to state ›what is not‹, and since stating ›what the problem of false statement. There he re-
is not‹ is held to amount to ›stating nothing‹, alizes that a λόγος, such as ‘A man learns’,
which is in turn held to amount to ›not stat- does something different from what a term
ing‹, a putative false statement therefore turns lik e ‘man’ or ‘learns’ does by itself (cf. 3.3.).
out to be a non-statement, so that there is no Here the term ‘λόγος’ almost certainly means
possibility of a false statement that has con- ‘sentence’ or something close to it. In the
tent or meaning. To surmount this obstacle, Cratylus and the Theaetetus he mak es a dis-
one must show that it is one thing for a tinction between simple and compound
statement to be false, and quite another thing ›names‹, and supposes that the parts of an
for it to be without meaning. expression ought to mak e a contribution to
the work ings of the whole, but he suggests no
4.2.1.  When we turn to expressions smaller important distinction between the respective
than whole sentences, there is an equal ne- functions of expressions and their compo-
cessity of distinguishing different functions nents (cf. 3.7.), and indeed in the Cratylus
that they may have. For if we tak e the com- seems to assume that expressions have only
ponents of a sentence to mak e contributions one function (cf. 3.5.). Accordingly, what is
to both its truth/falsity and its meaningful- notable in the Sophist is the crucial distinction
ness/meaninglessness, then we must distin- there, between a sentence and a component
guish the function of contributing to the truth thereof, drawn in terms of a difference in
of a sentence from the function of contribut- function. Plato also notices that in such a
ing to its meaningfulness, to see that an ex- λόγος there must be one expression of each
pression might perform the latter but not the of two types, a ›name‹ and a ›verb‹, each
former. Although syntactically different ex- mak ing a contribution to the special thing
pressions might characteristically mak e the that a λόγος does.
240 II. Personen

5. Problems about false belief be able to distinguish it from everything else,


or otherwise the belief would not be about
5.1.  One of Plato’s problems about false be- that particular thing (Theaet. 209 c—e). If so,
lief arises entirely from the foregoing problem then the proposed definition is equivalent to
about false statement, and is solved, as Plato saying that k nowledge about a thing is simply
saw, as soon as the problem of false statement true belief about it, which Plato has already
is solved. This is the problem that Plato ad- rejected earlier (Theaet. 200 e). The discussion
dresses in the Sophist, of mak ing sense of the raises important issues about what it is for
idea that in the statement that S believes that an ›intentional attitude‹, such as k nowledge
p, it may be that p, the sentence giving the or belief, to be ›about‹ or ›directed (intention-
content of the belief, is false. In effect, believ- ally) toward‹ a particular object. Plato’s idea,
ing falsely is felt to be problematic simply that adopting such an attitude may require a
because it is held to be believing ›what is not‹, person to ›have‹ (in some sense) a ›sign‹ by
in the sense of believing something repre- which the thing is distinguished from every-
sented by a sentence that states ›what is not‹, thing else, is reminiscent of Frege’s view that
which is in turn held to be problematic for if a sentence expresses a complete thought,
reasons explained above (4.2.). Accordingly, each singular term in it must express a sense
when Plato attack s this problem in the Sophist (Sinn) that uniquely specifies a thing (cf.
he proceeds by explaining how it is possible Frege 1892 a). It is also connected with prob-
to mak e a false statement, and once that has lems about the notion of belief (and other
been done, he can mak e short of work of intentional attitudes) de re (as opposed to de
explaining, on that basis, what it is to have a dicto; cf. 3.8.). Unfortunately, the delineation
false belief (263 d—264 b). of these connections would require far more
space than is available here.
5.2.  In addition to the problem of false belief
just discussed (5.1.), Plato is also worried 5.4.  Related issues also emerge in Theaetetus
about a distinct set of problems, concerning 187—188 and 189—200, where Plato raises
the possibility of a particular k ind of false the question whether a person can believe
belief involving the notion of identity. These falsely that a is identical with b. He reaches
problems must be dealt with separately from no satisfactory explanation of how it is pos-
the issue about false statement, because they sible, the upshot of the discussion is difficult
explicitly raise additional questions about the to be sure of. For in the Sophist, where he
relations among thought, language, and tries to explain how it is possible to have false
things in the world. The questions directly belief, construed as belief concerning ›what is
relevant to the philosophy of language are not‹ (cf. 4.2. and 4.2.2.), he neither explicitly
principally two: (1) What is involved in think - treats false identity-beliefs nor says anything
ing ›about‹ a particular object, in such a way that seems relevant to the problems about
that one can have belief or k nowledge ›about‹ them raised in the Theaetetus. Very briefly,
it? (2) Does all cognitive activity somehow the problem in the Theaetetus appears to be
involve language? Let us see briefly how these that, as Plato views the matter, if one is to
questions arise in Plato’s work , beginning have a false belief, then it must be a false
with the former, and then (in 6.) turning to belief about (in some sense) a particular thing,
the latter. and if it is about that thing, then the thing
must somehow enter into one’s think ing; but
5.3.  In the Theaetetus, Plato discusses the if it is true to say that that particular thing,
question, ‘What is k nowledge (ἐπισήμη)?’ as opposed to something else, has really en-
Although he reaches no satisfactory conclu- tered into one’s think ing, then it cannot be
sion, one of his suggestions is that k nowledge the case that it fails to be distinguished, in
is true belief with a λόγος (Theaet. 202—210). one’s think ing itself, from other objects. Ac-
Three possible notions of λόγος are exam- cordingly Plato cannot see any way in which
ined. The pertinent one for present purposes one could believe about a and b that they are
is that k nowledge about a thing is true belief identical if in fact they are not. In the present
about it along with having a ›sign‹ or ›mark ‹ passage, he does not lay down any such prin-
(σημεῖον) by which the thing differs from ciple as the one just now compared to Fregean
everything else (Theaet. 208 c). This account views (cf. 5.3.), but instead his ideas here seem
is rejected on the ground that if one has a more closely compartable to some that have
true belief about a thing, one must already been inspired by Russell (cf. McDowell 1969
14.  Plato (427—347) 241

and 1973, 196 f). That is, he could be inter- 1982)? These questions arise at various im-
preted as holding that if one believes that a portant points in Plato’s work s, partly be-
is thus-and-so, then there is a certain propo- cause of the connection between his philoso-
sition in which the thing, a, itself (rather than phy of language and his epistemology. A
some ›representation‹ of it) is a constituent, number of these points should be surveyed
so that if one believes that a is identical with briefly here.
b, then the things, a and b, are themselves
constituents of the proposition that one be- 6.1.  Plato is often interpreted as holding that
lieves. But if this be so, then it can seem the best k ind of k nowledge (ἐπιστήμη) is a
problematic how one could mistak enly iden- k ind of ›direct‹ and ›non-discursive‹ cognition
tify them. (It should be noted that this is not of Forms. (For example, this sort of interpre-
the account usually offered by Russell of be- tation has traditionally been offered of Sym-
liefs, e. g. in 1912, 125—130.) Regardless of posium 211—212, Republic 510—511, and
Plato’s exact view on these issues, his discus- other passages.) Although terms lik e ‘direct’
sion obviously treats questions of how we and ‘non-discursive’ are ambiguous, they
may describe the relation between intentional have been used to ascribe to Plato the view
attitudes and things that they are about. that there is a k ind of k nowledge concerning
Forms that in some sense does not involve
language. One version of this interpretation
6. Further problems would hold that ›direct‹ k nowledge is merely
about language and thought k nowledge not formulated in sentences of
These matters bring us close to question (2), some actual natural language present in the
above (cf. 5.2.). In fact, question (2) involves mind of the k nower. Another interpretation
a host of different issues which are frequently would hold that such k nowledge does not
confused with each other. For example, what involve any k ind of propositional content at
is the relation between a person’s believing all, but rather a k ind of k nowledge of less
that a is F, on the one hand, and the person’s than propositional complexity. Yet another
standing in some relation to some seemingly interpretation would hold that, even though
›linguistic‹ entity, such as the sentence ‘a is k nowledge of a Form always involves a prop-
F’, or the thought or proposition that a is F? ositional content in the mind of the k nower,
If a person believes that a is F, does that nevertheless the thing that the k nowledge is
entail that he stands in some particular rela- about, namely, the Form, is itself present to
tion to a sentence or a proposition? And if the k nower’s mind (as Russell, 1910 a and
believing that a is F does entail standing in 1912, maintained could be the case), without
some relation to such a ›linguistic‹ thing, is being given to the mind under some ›mode
that thing (whether it be a tok en of a sentence, of presentation‹ (as Frege 1892 a held). But
or some sort of representation of a proposi- these interpretations leave open a further
tion) somehow ›in one’s mind‹, whether question, whether a person can, merely by
›stored‹ or ›encoded‹ in one’s brain or nervous conscious introspection, identify the object of
system, or in some other way (cf. Putnam his cognition as being the particular thing that
1975 b, Field 1978, and Fodor 1975)? (These it is (cf. White 1976, 217—231, Fine 1979,
issues are closely connected with the question and Sorabji 1982, 299—301, for different per-
whether semantic notions are reducible to in- spectives on this interpretative problem).
tensional notions, or vice versa, or whether
neither sort of notion is reducible to the other; 6.2.  Similar questions arise in the interpre-
cf. 3.8. and 6.4. with Field 1978 and Stalnak er tation of the Cratylus. When Plato examines
1984, 1—25.) Next, if some such thing as a the ›naturalist‹ theory of naming (cf. 3.7.), he
sentence is thus ›in one’s mind‹, what impli- assumes that it mak es sense to suppose that
cations does that have, if any, for whether it there was an original name-giver who set
is available to conscious introspection? For down all of the names of things correctly, on
instance, if one believes that a is F, can one the basis of k nowledge about them (Crat.
always tell, simply by ›introspecting‹ one’s 438 a—e). (This ›correctness‹, he says, is not
consciousness, what the content of one’s be- constituted by mere consistency, because any
lief is, or is it possible to have beliefs whose number of assignments of names might be
content is not k nown to one merely on the consistent, even if only one can be ›correct‹
basis of introspection (cf. Burge 1979 b and (Crat. 436 b—e).) He insists on this because
he opposes the view that the only way in
242 II. Personen

which to discover the facts about things is to he mak es a different argument (summarized
examine their names (Crat. 435 d—436 a, above at 5.4.), which says that if one is to
438 a—b). Indeed, he wishes to deny that one have a belief about something, one must (in
can reliably gain k nowledge of a thing merely Plato’s phrase) ›grasp it with one’s soul‹
by examining its name, because one would (Theaet. 190 c—e), or, in the case in which
thereby be relying on the judgment — which one’s belief concerns numbers, ›in one’s
might well be false — of whoever established thought‹ (Theaet. 195 e). Although he here
the name. (His argument does not depend on draws a close connection between language
saying that there ever actually was a historical and think ing, or perhaps a certain k ind of
name-giver, but only on saying that the sup- think ing (cf. 6.4.), it is hard to be sure what
position mak es sense.) If the name-giver be- he means by this notion of ›grasping‹ a thing,
gan his work before there were any names, and whether or not it could simply amount
what is meant by saying that he had k nowl- to being able to use a linguistic expression
edge of the things that he was to name? Does referring to the thing.
it mean, for example, that some sort of lin-
guistic (and possibly propositional) content 6.4.  In spite of the foregoing passages, Plato
can be ascribed to him by us, even though he elsewhere arguably holds that all think ing
himself was not in any way using language? depends on language in some substantial way.
Or are we to suppose that even the attribution Theaet. 189 e—190 c (and perhaps 206 d),
to him by us of cognitive states with linguis- seems to say that think ing (διάνοια) is simply
tically expressible content would be mistak en? having one’s mind (or soul) ›go through‹ a
This question about the name-giver is closely λόγος, ask ing itself questions and giving an-
connected to questions that we may ask about swers, whereas to form a belief or to judge
our own k nowledge concerning Forms, or (δοξάζειν) simply is to ›assert (λέγειν) some-
any other objects. As has been mentioned, thing to oneself‹. Similar views are also ex-
Plato regarded definitions as definitions of pressed at Sophist 263 e—264 b and Philebus
things, or ›real definitions‹, whose correctness 38—39. The question arises whether he is
consists in standing in the correct relationship saying here that all types of cognitive state,
— whatever that may be — to things or facts and of think ing in the broadest sense, involve
external to language, not as definitions of language or linguistic activity, or merely that
expressions, or ›nominal definitions‹, whose some of those states do. Even in Theaet.
correctness would consist in accurately re- 189 e—190 c, his talk of ›grasping‹ a thing (cf.
flecting facts about the usage, or other fea- 6.3.) shows that, in his view, to think ›about‹
tures, of those expressions (cf. 2.4.). The ques- a particular thing is not simply to have a
tion then arises how a person can k now that word in mind that refers to it. That is, he
such a definition is correct. Does one k now seems not to be maintaining that the inten-
it, for instance, by having some k ind of tional relation is fully definable in terms of a
k nowledge of the thing that is in some sense semantic one (cf. 3.8. and 6.). Indeed, the
prior to or independent of the use of lan- same conclusion can probably be drawn from
guage, as is suggested by the interpretation the Cratylus, where he seems to suggest that
of Plato’s epistemology mentioned above (cf. which expression is a name of a thing de-
6.1.)? Certainly much of what Plato says sug- pends, at least in part, on which expression a
gests that he might well espouse an affirma- person uses to ›call‹ that thing (cf. 3.7. and
tive answer to this question, but the issue is 3.8.).
under debate (cf. 2.6. with Ebert 1974, 37—
54, White 1976, 217—231, Wieland 1982,
224—236, Fine 1979, and Sorabji 1982). 7. Language, action, and ethics
The relation between language, on the one
6.3.  A related question arises about what hand, and human action, emotion, and mo-
Plato says in the Theaetetus concerning false tivation, on the other, was always treated by
identity-beliefs (cf. 5.4.). At one point, he Plato as a matter of vital concern, and is from
seems to claim that if one is to have a belief some points of view the most important part
about something, it must be a thing that one of his philosophy of language, and shows
›k nows‹ (Theaet. 188), and he proceeds to once again the inseparability of his views of
argue that if one ›k nows‹ a thing one cannot language and his views on psychology in gen-
falsely believe that it is something else. Later, eral (cf. 1.4.).
14.  Plato (427—347) 243

7.1.  The activity and theory of rhetoric interfere). That is, it is supposed to be im-
formed a central part of Plato’s intellectual possible for the reason to apprehend that a
back ground, as we can see from such work s thing is good and nevertheless not desire that
as the Gorgias. The power of words to stir it be accomplished or exemplified (Rep.
people’s emotions and move them to action 505 d—506 a). Thus, in Plato’s view, it is quite
was extremely interesting to him, in large part impossible for reason itself, once it has judged
because it was a salient part of political life that something is good, even to raise the prac-
in Greece, especially in Athens, and so many tical question whether or not to pursue it.
Greek intellectuals believed that it could be Clearly he would not have accepted the dis-
made the subject-matter of a systematic dis- tinction, advocated by some, between the
cipline. Plato sometimes seems to doubt this ›cognitive‹ and the ›emotive‹ components of
possibility (notably throughout the Gorgias), the meaning of the word ‘good’ or any other
and at other times seems to give it some ›evaluative‹, or ›ethical‹, or for that matter
credence (as perhaps in the Phaedrus, at ›aesthetic‹ word. On his view, goodness (τὸ
273 d—e), but the issue itself plays a very large ἀγαθόν) is an entirely objective property (cf.
role in his thinking. 2.1.), while at the same time the judgment
that something has that property will always
7.2.  Early on Plato apparently accepted So- of itself move the person, to some extent, to
crates’ view that it is impossible to act against desire and pursue the thing, even if other parts
a fully held belief about what is the best of the soul work in the contrary direction.
course of action, at least in some sense of The meaning of a term lik e ‘good’ is accord-
›best‹ (cf. esp. Protagoras 348—362). It is ingly to be understood as combining inextri-
generally thought that later on, in the Phaedo cably the notions of objectivity and attrac-
and after, he admitted the existence of moti- tiveness.
vations within a person that sometimes deflect
him from acting as he think s is best. One
might suppose that in Plato’s view language 8. Plato
had only to do with the part of the person- and modern philosophy of language
ality, or soul, that he called the ›rational‹ or We may conclude with some remark s about
›reasoning‹ part (the λογιστικόν). However, how to locate Plato’s views within modern
he mak es clear that he think s that words can work in the philosophy of language. Such
affect other parts of the personality, notably descriptions of historical figures, while inevi-
by stirring the emotions, and also that reason tably somewhat anachronistic, are necessary
is capable of conveying ›beliefs‹ to other parts to the use of their work as food for our
of the personality (Rep. 442 c—d). philosophical thought. The modern figure
whose views on these matters most strongly
7.3.  Although Plato distinguishes the ›reason‹ resembles Plato’s is probably Gottlob Frege
or ›rational‹ part of the personality from other (s. art. 34) (though there are also strong sim-
parts of it, he does not mak e a distinction ilarities between Plato and Bertrand Russell,
between two functions of language, a ›fact- who in such work s as The Problems of Phi-
stating‹ or ›cognitive‹ function and an ›emo- losophy was consciously inspired by Plato; see
tive‹ function. It is frequently pointed out that Russell 1912, 91). The well-k nown fact that
when he think s of the ›rational‹ part of the both Plato and Frege believed in the existence
soul or personality, he does not uphold the of non-physical entities, particularly entities
k ind of view of reason that is usually attrib- involved in mathematics, is perhaps the most
uted to Hume, according to which reason superficial of the many similarities between
never ›moves‹ us but merely calculates means them. A deeper similarity lies in the fact that
to ends that are set by desires, which are both were strongly opposed to relativism con-
themselves regarded as external to reason. On cerning matters of scientific investigation (cf.
the contrary, reason in Plato’s view possesses 2.1.—2.4. and Frege 1918), and took this op-
its own desires (which he sometimes even calls position as their main reason for believing in
ἐπιθυμίαι, as in Rep. 580 c—581 e). Moreover both the existence of such entities and the
it is clear that for Plato there is in some sense mind’s ability to have access to them. Both
no separation between reason’s k nowledge of of them, moreover, appealed to such entities
what is good (ἀγαθόν) and its desire to do it in their explanations of the meaning or con-
(even if other parts of the personality can tent of linguistic expressions (or at least some-
thing resembling such a notion), Plato in his
244 II. Personen

theory of Forms (e. g., Phaedo 74—75), and sions, and substituted for it a more pragmatist
Frege in his theory of senses and thoughts outlook which, partly because of its relativ-
(›Sinne‹ and ›Gedank en‹, esp. in his 1918) (s. istic-seeming tendencies would have been
art. 81). Both also believed that actual lin- anathema to both Plato and Frege. It is no
guistic usage can be a misleading guide to the accident that in his Philosophical Investiga-
facts about reality outside of language (cf. tions Wittgenstein begins his discussion of
6.1.—6.2. and Frege 1918), and therefore language by attack ing these three targets:
both considered it essential for a philosopher Frege (PU § 22), a part of Augustine’s
to get behind the misleading appearances pre- thought which is clearly influenced by Pla-
sented by language, and to reform language, tonism (PU §§ 1—5), and a part of Wittgen-
so far as possible, to eliminate those mislead- stein’s Tractatus. We can see that Plato is still
ing appearances. In addition, both had to try a force in the philosophy of language in the
to say how the human mind could have cog- Twentieth Century, and that the understand-
nitive access of any k ind to entities not per- ing of both of Plato and of the problems that
ceptible by the senses. Frege responded by he revealed can fruitfully be pursued together.
involving the metaphor of ›grasping‹ (›Fas-
sen‹, in Frege 1918), while Plato used various,
often metaphorical expressions, including 9. Selected references
those related to vision (e. g., Rep. 518—519). Ebert 1974, Meinung und Wissen in der Philosophie
(The two disagreed, however, on the status of Platons.
evaluative judgments and expressions.) Fi-
nally, both believed that if genuine intersub- Fine 1979, Knowledge and logos in the Theaetetus.
jective communication was to be deemed pos- Kerfeld 1981, The Sophistic Movement.
sible, as the basis of a common enterprise of McDowell 1973, Plato, Theaetetus.
k nowledge, then it was absolutely necessary Owen 1970, Plato on not-being, in Plato I: Meta-
to accept the existence of these entities (Frege physics and Epistemology.
1918, and Parmenides 135 b—c and Timaeus Rijlaarsdam 1978, Platon über die Sprache: ein
51 d—52 a). It is equally illuminating to con- Kommentar zum Kratylos.
trast Plato and Frege together with the later White 1976, Plato on Language and Reality.
Wittgenstein, who rejected the idea of objec- Wieland 1982, Platon und die Formen des Wissens.
tive abstract platonic entities as the fixed and
determinate meanings of linguistic expres- Nicholas P. White, Ann Arbor, Mich. (USA)

15. Aristoteles (384—322)

1. Einleitung the Stoics, Aristotle did not mak e language a


2. Werkbezogener Teil topic of philosophical discourse“ (Graeser
3. Systematischer Teil 1977, 373) oder: „Es ging Aristoteles primär
4. Zur Forschungslage nicht um die Sprache, sondern um die Sache,
5. Literatur in Auswahl die in der Sprache zur Darstellung gelangt“
(Oehler 1984, 86). Dies ist sicher richtig, und
doch auch wieder nicht: Zweifellos ist erstens
1. Einleitung die aristotelische Sprachterminologie verwir-
Es ist schon fast ein einleitender Gemeinplatz rend vielfältig (ὀνόμτα, λόγος, ἑρμηνεία
in der Literatur zur Sprachphilosophie des διάλεκτος u. a. m.) und im einzelnen vieldeu-
Aristoteles, daß ihm weder ein einheitlicher tig (z. B. λόγος = Wortgruppe, Satz, Defi-
Begriff von Sprache zur Verfügung gestanden nition, Text, menschliche Sprache). Aber an-
(Graeser 1983, 199), noch daß er die Sprache dererseits gibt es auch ein k lar erk ennbares
zum eigenständigen Objek t seines philosophi- Streben nach terminologischer Fixierung des
schen Interesses erhoben hätte, z. B.: „Unlik e Begriffs ‘Sprache’ in bestimmten Kontexten,
z. B. in den biologischen Schriften auf διά-
15.  Aristoteles (384—322) 245

λεκτος und in der Poetik und der Rhetorik lautphysi


k alischen, bzw. -physiologischen
auf λέξις (Ax 1986, 127 ff; 133 ff). Sicher rich- Aspek t, die von den sprachlichen Lautzeichen
tet Aristoteles zweitens sein philosophisches symbolisierten Denk inhalte und -operatio-
Interesse primär auf Struk turen des einfachen nen, also den logisch-semantischen Aspek t,
und k omplexen begrifflichen Denk ens (wie und die situations- und gattungsgerechte
z. B. im Organon) oder auf Struk turen der Sprachverwendung in Dichtung und Rede,
außersprachlichen Realität (wie z. B. in den also den stilistischen, bzw. pragmatischen
biologischen Schriften). Er war bestimmt k ein Aspek t der Sprachbetrachtung. Der k omple-
Philosoph, der sprachphilosophische Mono- xen Vielfalt des Phänomens ›Sprachphiloso-
graphien verfassen wollte, oder etwa ein Lin- phie bei Aristoteles‹ wird dieser Artik el na-
guist mit der erk lärten Absicht, Struk turen türlich nicht gerecht. Es k ann nur auf dem
der griechischen Sprache zu beschreiben, wie Wege der repräsentativen Auswahl ein erster
später etwa der griechische Grammatik er Zugang vermittelt werden. Das Material wird
Apollonios Dysk olos (2. Jh. n. Chr.). Und am besten erfaßt in einem werk bezogenen
doch muß gerade unter dem Aspek t der Ob- Teil, der vor allem größere Passagen im Zu-
jek tbestimmung seiner Philosophie betont sammenhang bespricht, und einem nach sy-
werden, daß die sprachphilosophische Per- stematischen Aspek ten gegliederten Teil, der
spek tive, auch wenn sie nicht als eigenstän- die Fülle der über das Gesamtwerk verstreu-
diges Objek t einer Monographie erscheint, ten Einzelbeobachtungen zu ordnen versucht.
deshalb k eineswegs vernachlässigt wird. Im Zum Schluß werden einige Bemerk ungen zum
Gegenteil: Sie erhält im Gesamtwerk des Ari- derzeitigen Forschungsstand gemacht.
stoteles ein derart auch quantitativ erstaun-
liches Gewicht, daß man doch wieder ver-
sucht ist, von der Sprache als einem Objek t 2. Werkbezogener Teil
aristotelischer Philosophie zu reden. Dieses
intensive sprachphilosophische Interesse äu- 2.1. Organon
ßert sich auf zwei Weisen: Einerseits k ann es
sich zu einer größeren, k lar umreißbaren Sprachreflek tierende Passagen, deren Bespre-
sprachbeschreibenden Passage verdichten wie chung im Zusammenhang sich lohnt, finden
etwa in den Kapiteln 1—4 von De interpre- sich vor allem im Organon und in der Poetik
tatione oder den Kapiteln 19—22 von De poe- und Rhetorik . Aus dem Organon wähle ich
tica — zumindest abschnittsweise widmet sich die ersten vier Kapitel von Categoriae, die
Aristoteles also doch direk t der Sprache als Kapitel 1—4 von De interpretatione und
Beschreibungsobjek t. Andererseits findet sich große Teile der Schrift De sophisticis elenchis,
eine Unzahl über das gesamte Werk verstreu- aus De poetica die Kapitel 19—22 und aus
ter sprachphilosophischer Einzelbeobachtun- Rhetorica die Kapitel III 1—12.
gen, die die Beschreibung des jeweiligen Ob-
jek tbereichs stetig begleiten. Sie sind von dem 2.1.1. Categoriae 1—4
für die aristotelische Philosophie geradezu Die Kapitel 1—4 der Kategorienschrift (dazu
k onstitutiven Bemühen hervorgerufen, den jetzt grundlegend der Kommentar von Oehler
fraglichen Gegenstandsbereich entweder mit 1984 mit ausführlicher Bibliographie 120 ff;
Hilfe der Sprache, insofern sie nämlich die vgl. auch Graeser 1983, 202—207) bieten k ei-
Struk turen des begrifflichen oder sachlichen nen in sich geschlossenen, k ohärenten Sprach-
Objek tbereichs widerspiegelt, oder gegen die beschreibungsversuch wie etwa die ersten Ka-
Sprache, insofern sie solche Struk turen ver- pitel von De interpretatione, aber sie enthalten
deck t und ihrer Erk enntnis hinderlich im doch für Aristoteles’ Sprachphilosophie ins-
Wege steht, beschreibend zu erfassen. Neben gesamt so grundlegende Distink tionen, daß
dieser eher äußerlichen Differenzierung nach sie hier nicht übergangen werden dürfen. Der
zusammenhängenden Passagen und Einzel- Schnitt nach Kapitel 4 ist dabei willk ürlich,
beobachtungen lassen sich auch inhaltliche, denn eigentlich wäre die gesamte Schrift mit
vom Beschreibungsobjek t her bedingte Mo- ihrer Fülle von Sprachbeobachtungen her-
tive sprachphilosophischer Ansätze bei Ari- anzuziehen. Die Kapitel 1—3 geben Begriffs-
stoteles unterscheiden. Sie erwachsen haupt- erk lärungen, die die Behandlung der zehn Ka-
sächlich aus Beschreibungszusammenhängen tegorien (Kap. 4—9) vorbereiten sollen. Ka-
(1) der Biologie und Psychologie, (2) der Lo- pitel 4 enthält die berühmte Kategorientafel.
gik und (3) der Poetik und Rhetorik . Sie Im ersten Kapitel werden drei Beziehungen
betreffen genauer: die Sprache als Lauterzeu- zwischen den Dingen und ihrer Bezeichnung
gung, als ak ustisches Phänomen, also den
246 II. Personen

(ὄνομα) behandelt: die Homonymie, Synony- semantische Leistung isolierter Satzglieder


mie und Paronymie. Diese drei Beziehungen von der an ihre gegenseitige Verk nüpfung ge-
haben größte Bedeutung für den sprachphi- bundene Leistung des Zu- oder Absprechens
losophischen Ansatz im Gesamtwerk des Ari- von Wahrheit. Der Wahrheitswert ist nicht
stoteles, denn sie sind das wichtigste Hilfs- schon als semantisches Merk mal in unver-
mittel der Bedeutungsanalyse, die als Kon- bundenen Ausdrück en mitenthalten, sondern
trollinstrument der begrifflichen Erfassung resultiert erst aus der Verk nüpfung mit dem
eines Objek tbereichs eingesetzt wird. Ich Urteilspartner auf der nächsthöheren Ebene
werde im systematischen Teil unter 3.3.3. dar- des Satzes (vgl. Ax 1979, 271; 273 — anders
auf zurück k ommen. Im zweiten und dritten Oehler 1984, 178 f). Das Kriterium für die
Kapitel geht es (grob) um verbundene und Trennung verbundener und unverbundener
unverbundene sprachliche Ausdrück e, um die Ausdrück e ist also die satzsemantische Lei-
Aussage von Dingen als Prädik ate von Sub- stung des ἀληθές [Wahren] oder ψεῦδος [Un-
jek ten und um spezifische Differenzen von wahren], die von den Kategorien als isolierten
Gattungen. Wichtig ist hier der Anfang des Konstituenten des Aussagesatzes noch nicht
zweiten Kapitels (1 a 16—19), denn er bereitet erbracht werden kann.
die Liste der zehn Kategorien vor, die in Welche Rolle spielen nun also die Kate-
1 b 25 f sämtlich der Klasse ›Unverbundene gorien für den sprachphilosophischen Ansatz
Ausdrück e‹ zugewiesen werden. Dieses Ver- des Aristoteles? Nach unseren Vorüberlegun-
zeichnis der zehn Kategorien im vierten Ka- gen k ann es nicht verwundern, daß die Ka-
pitel (1 b 25—2 a 4) umfaßt bek anntlich Sub- tegorien neben logischen und ontologischen
stanz, Quantität, Qualität, Relation, Ort, Deutungen immer wieder auch als das Ergeb-
Zeit, Zustand, Haben, Tun und Leiden. Eine nis linguistischer Analysen verstanden wur-
Auswertung dieser und anderer Passagen für den, etwa als Wortartenk lassifizierung oder
die Sprachphilosophie des Aristoteles ist er- als ›analysis of the Greek sentence‹ (vgl. Oeh-
stens deshalb schwierig, weil er durchweg, sei- ler 1984, 52; 57; 72; 84). Solche Deutungen
ner primären Neigung zum Begrifflichen ent- sind natürlich, wenn sie ihren linguistischen
sprechend, überwiegend onomasiologisch Er
k lärungsansatz verabsolutieren, unange-
verfährt, d. h. nicht von sprachlichen, son- bracht. Schon Aristoteles hat unmißverständ-
dern von begrifflichen und sachlichen Gege- lich vor einer Verwechslung von linguistischen
benheiten ausgeht, und dann nach deren Klassifik ationen und seinen Kategorien ge-
sprachlicher Bezeichnung fragt (so besonders warnt, nämlich in De sophisticis elenchis I 4
deutlich im Kap. 1). Τὰ λεγόμενα [das Ge- (166 b 10—19): ὑγιαίνειν [gesund sein] hat
sprochene] (z. B. 1 a 16 und 1 b 25) k ann also dasselbe σχῆμα τῆς λέξεως [sprachliche
auch Sprachstruk turen, aber ebensogut, wenn Form] wie ‘schneiden’ oder ‘bauen’. Aber un-
nicht eher, die von ihnen bezeichneten Be- ter dem Aspek t der Kategorien bedeuten das
griffsstruk turen oder sogar die von diesen er- erste Verb eine Qualität und einen Zustand,
faßten Gegebenheiten der Realität meinen die beiden anderen eine Ak tivität. Dies emp-
(dazu Oehler 1984, 205). So ergibt sich aus fiehlt unbedingt eine nicht primär an den äu-
dem onomasiologischen Beschreibungsansatz ßeren Sprachstruk turen orientierte, sondern
des Aristoteles ein oft irritierendes, k aum eine von der äußeren Wortform unabhängige,
trennbares Ineinander einer linguistischen, semantische Auffassung der aristotelischen
begrifflichen und ontologischen Perspek tive, Kategorien. Gleichwohl ist es legitim, auch
was übrigens k eineswegs bedeutet, daß er sie die Sprachdimension wieder in die Deutung
nicht im Prinzip k lar geschieden hätte, wie der Kategorien einzubringen — insofern, als
noch unter 3.3.2. zu k lären sein wird. Aus sich die semantischen Einheiten nur durch die
dieser Irritation erk lären sich die k onk urrie- Analyse sprachlicher Einheiten, nämlich
renden Versuche, die Kategorientafel lingui- durch Abtrennung lexik alischer Einheiten aus
stisch, prädik atenlogisch oder ontologisch zu dem Satzzusammenhang, identifizieren las-
deuten. Das zweite Problem liegt darin, wel- sen. Unter sprachbeschreibendem Aspe k t
ches Kriterium der Unterscheidung ‘Verbun- k önnten also die Kategorien durchaus als ›Se-
dene vs. unverbundene Ausdrück e’ eigentlich mantik der Konstituenten des Aussagesatzes‹
zugrundeliegt. Aristoteles scheint mir hier verstanden werden, während sie unter logi-
selbst den richtigen Weg zu weisen, wenn er schem Aspek t ›Typen der Prädik ation‹ und
das Kriterium des Wahrheitswertes einführt unter ontologischem ›Gattungen des Seien-
(2 a 7 ff). Er trennt hier (wie später noch deut- den‹ repräsentieren mögen (vgl. Oehler 1984,
licher in De interpretatione Kap. 1) die bloß 68).
247

2.1.2. De interpretatione 1—4 isolierte Teile etwas bedeuten, z. B. die Satz-


glieder (16 b 26 ff), und ist das Nomen (bzw.
In den ersten vier Kapiteln von De interpre- Verb) ein ebenfalls bedeutsamer Laut, dessen
tatione geht es um die das Gesamtthema λό- isolierte Teile jedoch nichts bedeuten (16 a
γος ἀποϕαντικός [Aussage, Urteil] vorberei- 19 ff), z. B. μ/υς von μῦς [Maus] (16 b 31).
tenden Definitionen des λόγος und seiner Dazu treten weitere Differenzen, die den λό-
Teile. (Zur These einer nachträglichen Revi- γος generell — und damit auch seine Konsti-
sion des Kap. 4 durch die Kap. 1—3 vgl. Ax tuenten — und speziell den Unterschied zwi-
1979, 273, Anm. 13). Zu diesem Zweck wer- schen Nomen und Verb betreffen. Die erste
den nach allgemeinen sprachsemiotischen Differenz trennt die Spracheinheiten Nomen
Vorbemerk ungen im Kapitel 1, von denen (16 a 19) und Satz (17 a 1 f) als konventionelle,
später im Abschnitt 3.3. die Rede sein wird, aufgrund von Verabredung (κατὰ συνθήκην)
das ὄνομα [Nomen] im Kapitel 2, das ῥῆμα bedeutsame Stimmlaute von den ϕύσει, d. h.
[Verb/Prädik at] im Kapitel 3 und schließlich auf natürliche Weise semantischen Stimmlau-
der λόγος [hier: Satz] im Kapitel 4 bestimmt. ten von Tieren (16 a 26—29). Die nächste Dif-
Dieser Abschnitt ist neben De poetica 19—22 ferenz ist wiederum semantisch, denn sie
der einzige, in dem die Sprache unzweifelhaft trennt das Zeitwort (ῥῆμα) vom zeitlosen No-
thematisiert wird und der zu den beiden k o- men (16 b 6 ff). Der λόγος als teilbedeutsame
härenten Beschreibungsansätzen zählt, die die Lautäußerung läßt sich mit einer weiteren
Sprache als ein System hierarchisch geglie- Differenz untergliedern in Satzarten ohne
derter Struk turelemente vorstellt. Das im Ver- (z. B. die Bitte 17 a 4) und mit Wahrheitswert
gleich zur Poetik noch relativ einfache System (Aussage, Urteil). Schließlich zerfällt der Satz
von De interpretatione umfaßt nur drei Kon- mit Wahrheitswert noch in Affirmation und
stituenten (Nomen, Verb, Satz) und verbleibt Negation. In ein dihäretisches Schema über-
ausschließlich im Bereich sinnvoller Stimm- tragen ergibt sich also folgende Ausgliederung
laute. Es ist deshalb wohl auch das ältere des Urteilssatzes (s. Abb. 15.1; ∅ bedeutet
System (vgl. Ax 1986, 206). Das in den De- anonyme Position in der Gattungshierarchie).
finitionen von Nomen, Verb und Satz ver- Die vier Kapitel weisen eine Fülle von Ein-
wendete Genusmerk mal (vgl. zum folgenden zelproblemen auf, die eine umfangreiche Lite-
Ax 1986, 131 f) und die spezifischen Differen- ratur hervorgerufen haben. Darauf k ann hier
zen sind primär semantisch, denn alle Defi- mit Ausnahme der Semiotik von Kapitel 1
nienda gehören der Gattung ϕωνὴ σημαν- nicht eingegangen werden. Die Literatur ist
τική [semantische Verlautbarung] an, unter- bequem zugänglich bei Hellmut Flashar
scheiden sich aber durch ein zweites seman- (1983, 203 f; 295 f) und bei Hans Arens (1984),
tisches Merk mal, die Teilbedeutsamkeit. So ist der den ersten vier Kapiteln von De interpre-
λόγος eine bedeutsame Verlautbarung, deren tatione eine ganze Monographie (allerdings

Abb. 15.1: Schema der Ausgliederung des Urteilssatzes


248 II. Personen

zum großen Teil Übersetzungen) gewidmet [wo] (166 b 1 ff). Fehlschlüsse aus der sprach-
hat (vgl. 3.3.1.; jetzt auch Montanari I 1984; lichen Form beruhen z. B. auf der Ink on-
II 1988). gruenz zwischen grammatischem und natür-
lichem Geschlecht, zwischen sprachlicher und
2.1.3. De sophisticis elenchis semantischer Kategorie (166 b 10 ff). Kapitel
6 faßt diese sprachlichen Fehlschlüsse noch
Die Schrift De sophisticis elenchis handelt von einmal systematisierend zusammen (168 a
den Trug- oder Scheinschlüssen, so wie sie 23 ff). Kapitel 19—23 liefern die entsprechen-
nach Aristoteles’ Darstellung von den Schein- den Abwehrstrategien gegen die fallaciae dic-
weisen, den Sophisten, für die dialek tische tionis. Die Schrift enthält noch sehr viel mehr
Argumentation verwendet wurden (165 a an sprachbezogenen Reflexionen, die hier nur
19 ff). Hauptquelle zur Herstellung solcher stichwortartig erwähnt werden k önnen, z. B.
Scheinschlüsse ist das geschick te Ausnutzen wichtige Bemerk ungen zum Wert der Sprach-
vor allem von Gegebenheiten der Sprache analyse für die Erkenntnis:
(165 a 4—6). Daher gehören weite Teile der „Denn es ist schwer, auseinanderzuhalten, was in
Schrift in diesen Zusammenhang. Die Schein- gleichem und was in verschiedenem Sinn gesagt
schlüsse entstehen vor allem dadurch, daß wird — denn wer das leisten k ann, ist nahe daran,
man eine naive Gleichsetzung zwischen den die Wahrheit zu erk ennen — [...]; weil wir alles,
Dingen und ihren Bezeichnungen vornimmt, was von etwas ausgesagt wird, als ein bestimmtes
also Eigenarten des sprachlichen Zeichensy- Etwas und als eine Einheit auffassen“ (7,169 a 30—
stems verk ennt oder auf die bezeichnete Rea- 35, ähnliches findet sich auch 16, 175 a 5 ff und
lität überträgt. Es heißt: 33,182 b 22 ff).
„Denn da es nicht möglich ist, im Dialog die Dinge Daneben stehen eher äußerlich grammati-
selbst zu übermitteln, sondern wir statt der Dinge
sche Überlegungen zum Solözismus, zu
die Wörter als Symbole verwenden, glauben wir, Sprachfehlern also, etwa zu falschem Genus-
daß das, was auf die Wörter zutrifft, auch auf die und Kasusgebrauch in den Kapiteln 14 und
Dinge zutreffe [...]. Aber eben dies ist nicht das 32. Die Schrift ist bisher in der Forschung,
Gleiche. Denn Wörter und die Menge der Sätze soweit ich sehe, stark vernachlässigt worden
sind der Zahl nach begrenzt, die Dinge aber sind (Literatur bei Flashar 1983, 204; 296, Resü-
unbegrenzt. Notwendigerweise muß also ein- und mee 240).
derselbe Satz und ein einzelnes Wort Mehreres be-
zeichnen“ (165 a 6—13).
2.2. Poetik/Rhetorik
Die Vermeidung von Fehlschlüssen liegt
also gerade in der wachsamen Distanz zur
Sprache und ihren Fallstrick en. Unter diesem 2.2.1. De poetica 19—22
generellen Aspek t werden in den Kapiteln Die Kapitel 19—22 von De poetica dienen der
4—6 sechs sprachliche (Kap. 4) und sieben Beschreibung eines der sechs Tragödienele-
außersprachliche (Kap. 5) Möglichk eiten von mente, nämlich ihrer sprachlichen Formulie-
Scheinschlüssen vorgeführt. Die in der Spra- rung, der λέξις (vgl. dazu Ax 1986, 132 ff).
che liegenden sechs Modi sind die Homony- Nach der (hier zunächst uninteressanten) Vor-
mie (ὁμωνυμία), Amphibolie (ἀμϕιβολία), bemerk ung von Kapitel 19 gibt Aristoteles im
Verbindung (σύνθεσις), Trennung (διαίρε- Kapitel 20 ein Verzeichnis der μέρη τῆς λέ
σις), Aussprache (προσῳδία) und Sprach- ξεως [der Sprachsegmente] in Form einer
form (σχῆμα λέξεως). Die Homonymie ist die Sprachk onstituentenanalyse in aufsteigender
Namensgleichheit: Zwei Dinge teilen sich Linie vom k leinsten, dem Laut, Buchstaben
einen Namen, wie z. B. τὸ δέον das k ausal (στοιχεῖον) bis zum größten Segment, dem
und das moralisch Notwendige bedeutet λόγος [Satz, Text]. Ihm folgt mit Kapitel 21
(165 b 35 ff). Die Amphibolie ist die syntak ti- eine Gruppierung des Wortschatzes (εἴδη
sche Doppeldeutigk eit, z. B. „Laß’ mich die ὀνόματος) nach morphologischen (Kompo-
Feinde (bzw. die Feinde mich) ergreifen!“ sita, Erweiterungen etc.) und stilistischen Kri-
(166 a 6 f). Die Verbindung und Trennung ist terien (Normalwörter, Glossen, Metaphern
die fehlerhafte Interpretation von Satzk onsti- etc.). Der λέξις-Teil der Poetik endet mit Be-
tuenten, z. B. richtig: „Er k ann nicht schrei- merk ungen zur ἀρετὴ τῆς λέξεως [sprachliche
bend  schreiben“ und falsch: „Er k ann  nicht Vorzüge] im 22. Kapitel, d. h. vor allem zur
schreibend schreiben“ (166 a 23 ff; 33 ff). Klarheit (σαϕές) und Angemessenheit (πρέ-
Scheinschlüsse aus der Prosodie entstehen aus πον) der poetischen Dik tion. Damit deck t der
der Verwechslung der Aussprache gleichge- Lexis-Abschnitt der Poetik nach Inhalt und
schriebener Wörter, z. B. οὐ [nicht] und οὖ Disposition den späteren Aufbau der antik en
ars grammatica mit ihren Hauptteilen (1)
249

Sprachelemente (Kap. 20), (2) Wortarten Das im Vergleich zu De interpretatione (vgl.


(Kap. 20) und (3) Vorzüge und Fehler der 2.1.2.) wesentlich k omplexere System der λέ-
Sprache (Kap. 22) bereits ganz ab, so daß der ξις und ihrer Teile in De poetica zeigt, daß
Prototyp der ars nicht erst bei den Stoik ern, Sprache sich aus semantischen und aseman-
sondern schon vor der aristotelischen Poetik tischen Lautgebilden zusammensetzt. Damit
anzusiedeln ist (Ax 1986, 132, Anm. 53). Im wird Aristoteles zum Wegbereiter der stoi-
20. Kapitel werden die Sprachsegmente in schen Sprachdihärese (s. Art. 2). Denn, wenn
einer an De interpretatione 1—4 erinnernden, in De poetica der stets semantische Logos
aber doch erheblich differenzierteren Weise unter die umfassendere, weil semantisch neu-
gruppiert. Für alle Definienda gilt wiederum trale Lexis tritt, so ist damit die spätere stoi-
die Genuszuweisung ϕωνή [Stimme]. Sie ver- sche Differenzierung von Lexis (semantisch
zweigt sich in folgende Sprachk onstituenten- neutrale, artik ulierte Lautäußerung) und Lo-
gruppen: gos (stets semantische, artik ulierte Äußerung)
(1) nicht mehr segmentierbare Laute (στοι- bereits im Keim angelegt, mit deren Hilfe die
χεῖα [Laute/Buchstaben]) Sprache in der stoischen Theorie mit größerer
(2) segmentierbare und bedeutungslose Laute Konsequenz als bei Aristoteles als ein Dop-
(συλλαβή, σύνδεσμος [Silbe, Konjunk- pelsystem bedeutungsloser (Sprachlaute) und
tion]) bedeutsamer ›Atome‹ (Wortarten) beschrie-
(3) segmentierbare und bedeutsame Laute ben wird. Die Stoik er unterscheiden sich
(ὄνομα, ῥῆμα, λόγος [Nomen, Verb, Satz/ außerdem von Aristoteles durch den Einbe-
Text]) zug des von De poetica und De interpretatione
(4) bedeutsame, aber nicht teilbedeutsame noch getrennten physi
k alisch-biologischen
Laute (ὄνομα, ῥῆμα, [Nomen, Verb/Prä- Komplexes der Sprachbetrachtung in ihre
dikat]) Dialek tik , wahrscheinlich unter dem Einfluß
(4 a) zeitlose Wörter (ὄνόματα [Nomina]) der xenok ratischen Dialek tik (vgl. Ax 1986,
(4 a) Zeitwörter (ῥήματα [Verben/Prädi- 206 f — Resümee u. Literatur bei Flashar
ate]) 1983, 252; 305—308; 358—364).
(5) bedeutsamer und teilbedeutsamer Laut 2.2.2. Rhetorica III 1—12
(λόγος)
(5 a) isolierter Logos (λόγος1 [Satz]) Im dritten Buch von Rhetorica wird nach der
(5 a) verbundener Logos (λόγος2 [Text, Lehre von den Redegattungen und den Be-
weisen (Buch I, II) und vor der Lehre von
z. B. die Ilias]) der Disposition der Redeteile (τάξις, Buch III
13—19) an zweiter Stelle die Lehre von der
Unter Einbezug der Stelle 1456 b 22 ff (Tier- sprachlichen Formulierung der Rede gegeben
laute) ergibt sich daraus folgende Dihärese (s. (λέξις, Buch III 1—12). Der Abschnitt steht
Abb. 15.2).

Abb. 15.2: Teile der Lexis


250 II. Personen

in vielfältiger Beziehung — es gibt Querver- 3.1. Der biologisch-psychologische Aspekt


weise — zum Lexis-Abschnitt der Poetik , Ka-
pitel 19—22, enthält aber k eine Analyse der In einigen Partien seiner biologischen und
Sprachk onstituenten. Vielmehr liegt der psychologischen Schriften k ommt Aristoteles
Schwerpunk t der zahlreichen, im ganzen we- bei jeweils disparaten Beschreibungszielen zu
nig systematisch geordneten Detailbeobach- einem relativ geschlossenen sprachreflek tori-
tungen auf der ἀρετὴ τῆς λέξεως (virtus di- schen Ansatz, den ich hier in gebotener Kürze
cendi), d. h. auf dem richtigen, der jeweiligen sk izziere (vgl. dazu ausführlich Ax 1978; Zirin
Sprechsituation und Wirk ungsabsicht ange- 1980; Ax 1986, 121 ff und zuletzt Sinnott
messenen Einsatz sprachlicher Mittel, was na- 1989, 39 ff). Aristoteles versucht hauptsäch-
türlich umgek ehrt der Vermeidung situations- lich an zwei Stellen die ak ustischen Genera
und wir k ungsunangemessener Formulierun- Laut (ψόϕος), Stimme (ϕωνή) und Sprache
gen entspricht. Unter diesem Aspek t werden (διάλεκτος) durch Dihärese zu unterscheiden:
u. a. besonders die Stilnormen Klarheit (σα- De anima II 8 (419 b 4 ff) und Historia anima-
lium IV 9 (535 a 27 ff). In De anima II 8 geht
ϕές, Kap. 1), Sprachrichtigk eit (ἑλληνίζειν, es im Rahmen der Behandlung der fünf Sinne
Kap. 5) und Angemessenheit (πρέπον, Kap. (II 7—11) um das Gehör und dessen Objek te.
7) empfohlen. Dazu treten Empfehlungen zur
Rhythmisierung (Kap. 8) und zu periodischen Oberste Gattung in der Hierarchie der ak u-
Gestaltungen des Satzbaus (Kap. 9). Neben stischen Sinnesobjek te ist ψόϕος [Geräusch
den Kapiteln 21/22 von De poetica vermittelt jeder Art], der mit den Merk malen (1) ›Kol-
die Fülle der Hinweise zur angemessenen lision fester Körper‹ und (2) ›individuelles Ob-
sprachlichen Gestaltung der Rede in Rheto- jek t des ak ustischen Sinnes‹ bestimmt wird.
rica III 1—12 ein eindruck svolles Bild vom Eine seiner Spezies ist die ϕωνή [Stimme], die
Reichtum der Sprachbetrachtung aus prag- mit Hilfe der Differenzen (1) ›von Lebewesen‹,
matischer Perspek tive, der hier leider nur ge- (2) ›mit dem Atmungsapparat‹ und (3) ›mit
streift werden k ann. Das aus pragmatischen einer Ausdruck sabsicht‹ erzeugter Laut aus-
Erwägungen gewonnene Postulat der sprach- gegliedert wird. Die Lautspezies ‘Sprache’ er-
lichen Anpassung der Rede an die Eigenarten scheint in De anima II 8 noch nicht als Glied
der Redesituation (z. B. schriftlicher, münd- der ak ustischen Dihärese, aber es werden
licher Vortrag, Publik um etc.) wird übrigens doch bereits zwei wesentliche Eigenschaften
in Kapitel 12 explizit erhoben und für die miterfaßt: die Artik ulation (420 b 8) und die
einzelnen Redegenera erläutert. Weiterfüh- Semantizität (b 19 f). Allerdings wird das
rende Kurzdarstellung und Literatur findet letzte Merk mal bereits Lautäußerungen der
man bei Flashar (1983, 253—256; 308—310; Klasse ϕωνή [Stimme] zugeschrieben, die für
364—374; bes. 371 f). Aristoteles immer schon in σημαντικὸς ψό-
ϕος [bedeutsamer Laut] ist (420 b 32 f). Di-
häretisch gefaßt wird die Sprache erst in der
3. Systematischer Teil Historia animalium IV 9. Hier werden die
ak ustischen Genera Laut (ψόϕος), Stimme
Im folgenden werden ohne Anspruch auf (ϕωνή) und Sprache (διάλεκτος) zur zoolo-
Vollständigk eit die meines Erachtens wichtig- gischen Artenbildung verwendet (535 a 27 ff).
sten Ansätze der aristotelischen Sprachphi- Denn man k ann die Tiere einteilen in solche,
losophie systematisch geordnet in gebotener die bloße Geräusche (ψόϕοι) hervorbringen,
Kürze dargestellt, jetzt unter Berück sichti- weil sie nicht über den stimmbildenden At-
gung des Gesamtwerk s. Natürlich k önnen in mungsapparat verfügen (z. B. Insek ten), in
dem hier gegebenen Rahmen jeweils nur we- solche, die, entsprechend ausgestattet, Stimm-
nige Belege herangezogen werden, die ich für laute (ϕωναί) erzeugen (z. B. Säugetiere) und
repräsentativ halte. Für die meisten Detail- schließlich in solche, die die Stimme mit Hilfe
aspek te gibt es eine Fülle weiterer Belegstel- eines zusätzlichen physiologischen Apparates
len. Ich bespreche zunächst den biologisch- (Zunge, Lippen, Zähne) zur Sprache (διάλεκ-
psychologischen, dann den pragmatischen τος) artik ulieren k önnen (z. B. Vögel, Men-
und schließlich den semiotischen Ansatz, also schen). διάλεκτος [Sprache] wird also im bio-
von der weitesten in Richtung auf die jeweils logisch-psychologischen Kontext als die mit
engere Perspek tive (Sprache als Naturphä- bestimmten Organen erzielte Arti k ulation
nomen, Sprache als Kommuni k ationsvor- eines mit dem Atmungsapparat erzeugten be-
gang, Sprache als Zeichensystem). Zur Ge- deutsamen Lautes eines belebten schallpro-
fahr einer solchen systematisierenden Be- duzierenden Wesens bestimmt. Die genaue
trachtung vgl. Ax (1978, 266).
15.  Aristoteles (384—322) 251

Betrachtung dieser Sprachdihärese und einer anten dieses Modells hergeleitet werden.
Reihe von Stützstellen ergibt weitere Diffe- Grundsätzlich gilt für jede sprachliche Äuße-
renzierungen: Die mit semantischen (Laut/ rung (λόγος) das Kommunikationsdreieck:
Stimme) und physiologischen Mer k malen
(Laut/Stimme/Sprache) gezogenen Grenzen
im Bereich ak ustischer Sinnesobjek te fallen
nicht mit der Grenze Mensch/Tier zusammen,
denn auch Tiere k önnen mit der Stimme k om-
munizieren und auch artik ulieren (z. B. Vö- Abb. 15.3: Das Kommunikationsdreieck
gel). Trotzdem scheint Aristoteles Mensch-
und Tiersprache voneinander getrennt zu Die drei Redegattungen unterscheiden sich
haben, und zwar zunächst unter semantischem aufgrund bestimmter Eigenarten der drei
Aspek t: Der menschliche Logos hat ethische, Konstituenten dieser generellen Sprechsitua-
rationale Inhalte im Vergleich zu den bloß tion, nämlich in der Zeitposition des Ver-
affektiven des Tieres (Politica 1, 2, 1253 a 7 ff). handlungsgegenstandes (G) und in der Funk -
Tiere erreichen also ϕωνή und διάλεκτος, tion der Instanzen Sprecher (S) und Hörer
aber nicht λόγος. Aus semiotischer Sicht läßt (H). Unterschiedlich ist auch das Ziel des
sich der Definition des ὄνομα [Nomen] in De jeweiligen Kommunik ationsvorganges. In der
interpretatione (16 a 19, 27 ff) und des στοι- Beratungsrede liegt G in der Zuk unft, S rät
χεῖον [Sprachlaut, Buchstabe] in De poetica zu oder ab (προτροπή, ἀποτροπή), H soll zu
(1456 b 22 ff) entnehmen, daß Aristoteles die einer die Zuk unft betreffenden Entscheidung
menschliche Sprache weiter durch das Merk - ak tiviert werden (ὁ περὶ τῶν μελλόντων
mal der Konventionalität des bedeutsamen κρίνων). Ziel ist es, den Redegegenstand als
Lautzeichens und durch die Kombinationsfä- nützlich (συμϕέρον) oder als schädlich (βλα-
higkeit der Sprachlaute zu k omplexeren Ein- βερόν) erscheinen zu lassen. In der Gerichts-
heiten, also durch die phonematische Struk tur rede ist G vergangen, S k lagt an oder vertei-
des sprachlichen Zeichens von der Tierspra- digt (κατηγορία, ἀπολογία), H soll ebenfalls
che absetzt. Aufgrund wahrnehmungstheo- ak tiviert werden, aber jetzt über einen ver-
retischer und zoologischer Überlegungen be- gangenen Fall urteilen (ὁ περὶ τῶν γεγεν-
stimmt also Aristoteles mit einer zweistufigen ημένων κρίνων). Ziel ist es hier, den Rede-
physiologischen und einer semantischen Dif- gegenstand als gerecht (δίκαιον) oder als un-
ferenz den ψόϕος [Laut] als Kollision und gerecht (ἄδικον) erscheinen zu lassen. In der
individuelles Hörobjek t, die ϕωνή [Stimme] Festrede ist G zeitlich neutral, S lobt und
als k ommunik ativen, mit dem Atmungsap- tadelt (ἔπαινος, ψόγος), H bleibt passiver Re-
parat erzeugten Laut eines Lebewesens und zipient der Rede (θεωρός). Ziel ist es hier, den
διάλεκτος [Sprache] als artik ulierte Stimme. Redegegenstand als ehrenvoll (καλόν) oder
Außerhalb der Dihärese erscheint die artik u- als tadelnswert (αἰσχρόν) auszuweisen:
lierte Stimmspezies λόγος [menschliche Spra-
che], der semantisch besondere Inhalte aus-
drück t und semiotisch (1) k onventionell be-
deutsam und (2) phonematisch struk turiert
ist. Aristoteles gelangt also im naturwissen-
schaftlichen Kontext nicht physiologisch,
wohl aber semantisch und insbesondere se-
miotisch zu einer wenigstens in Grundzügen
erk ennbaren Abgrenzung der menschlichen
Sprache.

3.2. Der pragmatische Aspekt

3.2.1. Ein Kommunikationsmodell
(Rhetorica I 3)
In Rhetorica I 3 (1358 a 36 ff) wird ansatz-
weise ein sprachliches Kommunik ationsmo-
dell entwick elt, aus dem die drei Redegattun-
gen, die Beratungsrede (γένος συμβουλευτι-
κόν), die Gerichtsrede (γένος δικανικόν) und
die Festrede (γένος ἐπιδεικτικόν) als Vari- Abb. 15.4: Die Redegenera
252 II. Personen

3.2.2. ›Sprechakte‹ Eindrück e und das Geschriebene Zeichen des


Stimmlichen. Und wie nicht alle dieselben Schrift-
Im Kapitel 4 von De interpretatione (17 a zeichen haben, so sind auch die Stimmlaute nicht
1—7) wird, wie schon unter 2.1.2. beschrie- bei allen dieselben. Die psychischen Eindrück e
ben, das Urteil, der λόγος ἀποϕαντικός, ein- aber, für die Laut und Schrift primär Zeichen sind,
leitend von anderen λόγος-Arten abgesetzt. sind bei allen dieselben, und so auch die Dinge,
Nur das Urteil besitzt Wahrheitswert, andere deren Abbilder die psychischen Eindrück e sind“
λόγοι, wie etwa die Bitte (εὐχή), nicht. Sie (16 a 3—8).
sind weder wahr noch falsch, und für ihre Kaum eine Stelle aus dem Corpus Aristo-
Behandlung ist laut Aristoteles die Rhetorik telicum ist so oft zitiert und interpretiert wor-
und Poetik zuständig. Damit ist beispielhaft den wie diese Zeilen, jedoch scheint bis heute
angedeutet, daß Aristoteles über das Urteil nur ein Konsens darüber möglich, daß es sich
hinaus Kenntnis von sprachlichen Phänome- hier um den ›einflußreichsten Text in der Ge-
nen besaß, die wir — mit allen Gefahren schichte der Semantik ‹ handelt (vgl. Weide-
solcher Gleichsetzung — nach John R. Searle mann 1982, 241; Oehler 1982, 216; Arens
(* 1932) ‘speech acts’, ‘Sprechak te’, nennen. 1984, 1 und Weidemann 1991, 176). Dagegen
Noch deutlicher wird diese Kenntnis im Ka- ist man, was den wissenschaftsgeschichtlichen
pitel 19 von De poetica (1456 b 8—19). Dort Wert allgemein und viele Details angeht,
werden zu Beginn der Besprechung der λέξις durchaus verschiedener Meinung. So soll Ari-
(vgl. 2.2.1.) solche ›Sprechak te‹ wieder, aber stoteles z. B. einerseits das semiotische Drei-
jetzt beispielreicher, erwähnt: ἐντολή [Befehl], eck von Charles K. Ogden (1889—1957) und
εὐχή [Bitte], διήγησις [Bericht], ἀπειλή [Dro- Ivor A. Richards (1893—1979) vorwegge-
hung], ἐρώτησις [Frage] und ἀποκρισις [Ant- nommen (Lieb 1981, 155) und bereits seman-
wort]. Daß diese Beispielreihe unvollständig tische Funk tionen im Sinne von Gottlob Fre-
ist, zeigt das καὶ εἴ τι ἄλλο τοιοῦτον [und ges (1848—1925) (s. Art. 34) ›Sinn und Be-
was es sonst noch derartiges gibt] (b 12 f). deutung‹ oder Willard Van Orman Quines
Aristoteles nennt sie hier σχήματα τῆς λέξεως (*1908) ›meaning and reference‹ unterschie-
[Ausdruck sarten] und verweist sie — für uns den haben (Weidemann 1982 a, 242). Ande-
nicht eben deutlich — in die Vortragsk unst rerseits soll De interpretatione 1 laut Norman
(ὑποκριτική). Solches sei nicht Gegenstand Kretzmann „not even a sk etch of a general
der Poetik — ein merk würdiger Gegensatz theory of meaning“ darstellen (Kretzmann
zum Verweis in die Poetik in De int. 4. Wenig 1974, 5; dagegen Weidemann 1982 a, passim).
später im Kapitel 20 (1457 a 21—23) heißen Ursache für solche Unstimmigk eiten ist sicher
dann Frage und Befehl πτώσεις ῥήματος der sk izzenhafte, eher andeutende als ausfüh-
[Fälle des Verbs]. Unstimmigk eiten in der Ter- rende Stil der Passage, die sich zudem über
minologie der ›Sprechak te‹, ihre bloß beispiel- Parallelstellen nicht hinreichend absichern zu
hafte, unvollständige Auflistung und ihr Ver- lassen scheint. Es ist daher vielleicht von
weis in andere Disziplinen zeigen, daß Aristo- vornherein angebracht, mit Hermann Wei-
teles nicht an einer systematischen Erfassung demann (1982 a) nur von ›Ansätzen zu einer
dieses Bereichs interessiert war (vgl. aber die semantischen Theorie‹ zu sprechen und vor
Behandlung von Frage und Antwort im dia-
lek tischen Gespräch in Topica, Buch 8). Den- einer Überbewertung ex eventu zu warnen.
Aristoteles unterscheidet, vereinfacht formu-
noch ist sein Zeugnis wichtig für die Existenz liert, vier an der Konstitution des sprachli-
einer ›Sprechak tlehre‹ wahrscheinlich schon chen Zeichens beteiligte Instanzen: Schrift,
seit Protagoras (ca. 485—415 v. Chr.), die spä- Laut, Psyche und Dinge. Zugleich wird der
ter besonders von den Stoik ern rezipiert und Charak ter dreier Beziehungen zwischen die-
systematisiert wurde. (Grundlegend dazu jetzt sen Instanzen angedeutet:
Schenk eveld 1984; speziell zu Aristoteles:
292—294, und 328: Vergleich mit Searles
›speech acts‹.)

3.3. Der semiotische Aspekt


Abb. 15.5: Konstituenten des sprachlichen Zei-
3.3.1. Das sprachliche Zeichen chens
(De interpretatione 1)
„Es ist also das Stimmliche Zeichen psychischer a und b zu lesen als: Zeichen bzw. Symbol
von ... (σύμβολον); c zu lesen als: Bild
15.  Aristoteles (384—322) 253

(ὁμοίωμα) von ... Eugenio Coseriu (19752, System gebracht hätte. Es gibt z. B. Wörter,
73) rechnet als vierte Relation den erst syn- die etwas bedeuten, aber k eine Referenz
tak tisch zu gewinnenden Wahrheitswert dazu. haben, weil sie μὴ ὄντα [Nichtexistierendes]
Relativ unproblematisch sind die Instanzen bezeichnen wie τραγέλαϕος [Bock shirsch]
(1) und (2). Geschriebenes/Buchstaben (γρα- (vgl. 16 a 16 f in Verbindung mit 92 b 5—8 und
ϕόμενα/γράμματα) stehen für Laute/Lautäu- 208 a 30 f). Ebenso referenzfrei, aber sprach-
ßerungen (zum Doppelsinn vgl. Lieb 1981, funk tional sind die Kopula ‘ist’ und die Kon-
149). τά ἐν τῇ ϕωνῇ [das in der Stimme] — junktion ‘und’ (16 b 19 ff; 1456 b 38 ff und Ax
παθήματα zu ergänzen ist mit Rück sicht auf 1979, 277 f). Die πράγματα von 16 a 7 sind
23 a 32 f unnötig — umfaßt den stimmsprach- also aus semiotischer Sicht außerpsychische
lichen Bereich vom Phonem (16 a 5) bis zum Referenzobjek te, die auf die Psyche einwirk en
Satz (16 a 3 in Kombination mit 24 b 1 f; vgl. und dort abgebildet werden. Wie man gleich
Lieb 1981, 149—151). Erhebliche Schwierig- sehen wird, ist die hier angedeutete Konstel-
k eiten bereiten dagegen die Instanzen (3) Psy- lation von ›Psyche‹ und ›Dingen‹ vor allem in
che und (4) Dinge. Was (3) τὰ ἐν τῇ ψυχῇ der Wahrnehmungslehre entwick elt, die ein
παθήματα bezeichnen sollen, hat sich bisher Teilgebiet der Psychologie ist, daher der Ver-
nicht eindeutig aus der Schrift De anima, auf weis von 16 a 8 f. Nun zu den drei Relationen
die 16 a 8 f verwiesen wird, erschließen lassen zwischen den vier Instanzen, zunächst zweck -
(vgl. Lieb 151 f; Weidemann 1982 a, 246—249; mäßigerweise zur dritten Relation c, der Bild-
Oehler 1984, 207 f). Gesichert ist allerdings relation zwischen ›Dingen‹ und ›Psyche‹: Die
als Bezugstext zu 16 a 9 ff De anima 3,6 Wahrnehmung ist nach De anima 416 b 33,
(430 a 26 ff). Es ist Hans Heinrich Lieb (1981, 424 a 1 ein πάσχειν, ein passiver, rezeptiver
151) zuzugeben, daß πάθη, παθήματα in De Vorgang. Der Sinn ist dabei zunächst von
anima seelische Vorgänge allgemein von der seinem Objek t verschieden, er wird erst nach
Wahrnehmung über Affek te bis zu rationalen der Einwirk ung des Objek tes gleich (ὅμοιον
Operationen bezeichnen k ann, aber mir 418 a 5 f), wie z. B. am Geschmack ssinn er-
scheint, entgegen Weidemann (1982 a, 246 f), k ennbar (422 b 1 f). Der Sinn ist mit dem rea-
daß Aristoteles in 16 a 6—8 primär von der len Sinnesobjek t also nur potentiell identisch
Wahrnehmungslehre ausgeht, die παθήματα (δυνάμει 424 a 1 f). Er ist dasselbe (ταὐτόν)
hier also Wahrnehmungsinhalte meinen. Dar- wie das Objek t, aber sein Sein (εἶναι) ist ver-
auf deutet vor allem das ὁμοιώματα von schieden (424 a 25 f). Die Identität von Sin-
16 a 7, das als dritte Relation erst später be- neswahrnehmung und Objek t ist der des
sprochen wird. Die vierte Instanz, die πράγ- Ringabdruck s im Siegelwachs mit dem Ring
ματα von 16 a 7, sind laut Lieb (1981, 152 f) selbst vergleichbar, wobei der Abdruck als
„beliebige ontologische Identitäten“. Ähnlich Zeichen (σημεῖον) die Qualität des prägenden
weit legt Weidemann (1982 a, 249 ff) die Ex- Objek ts annimmt, ohne dessen Materie zu
tension des Begriffs auf den Bereich vom In- übernehmen (424 a 17 ff). Wahrnehmungs-
dividuum über den Gattungsbegriff bis zu den und Denk inhalte (τὸ αἰσθητικὸν καὶ τὸ
von Aussagesätzen formulierten Sachverhal- ἐπιστημονικόν) sind identisch mit ihren Ob-
ten fest (vgl. auch Oehler 1984, 210). Mir jek ten, aber sie sind nicht die Objek te selbst,
scheint, daß hier das Parallelmaterial noch sondern ihr εἶδος [Form, Bild]. „Nicht der
intensiver ausgewertet werden müßte. Der Stein ist in der Seele, sondern sein εἶδος“
Kontext von 16 a 7 selbst zeigt jedenfalls, daß (431 b 26—432 b 1). Das ὁμοιώματα von
Aristoteles hier mit πράγματα allein die au- 16 a 7 bezeichnet also nichts anderes als die
ßersprachliche Realität meint, denn die In- Identität psychischer Rezeptionsresultate
stanz ›Dinge‹ ist ja deutlich von der Instanz (παθήματα) mit den sie bewirk enden außer-
›Psyche‹ durch die Bildrelation getrennt. Es psychischen Gegenständen (πράγματα), und
sind also in 16 a 3—8 im Zuge einer grund- zwar im Sinne einer Abbildungs- und nicht
sätzlichen Erfassung der Sprachsemiotik nur einer Wesensidentität. Auf das Sprachzeichen-
solche Schrift-/Lautäußerungen gemeint, die modell von 16 a 3—8 übertragen gilt also z. B.
über die psychische Instanz hinaus auf Dinge für das Wort ‘Stein’, daß das außerpsychische
der außerpsychischen Realität verweisen k ön- Sinnesobjek t ›Stein‹ über den Wahrneh-
nen, also in heutiger Terminologie referen- mungsapparat ein mit ihm im Abbildungs-
tielle Bedeutung haben. Daß es daneben auch sinne identisches psychisches εἶδος [Bild] er-
referenzfreie, aber bedeutungshaltige Sprach- zeugt, das durch Laut-/Schriftzeichen sym-
elemente gibt, ist Aristoteles bek annt, ohne bolisiert werden kann:
daß er sie in ein geschlossenes semantisches
254 II. Personen

willk ürliche und damit per Konvention fest-


zulegende Beziehung zwischen Laut und Sinn
verstanden wird. Von hier aus werden 16 a 19
und 26—29 verständlicher, wo das ὄνομα mit
dem Begriff σύμβολον als nicht von Natur
aus (ϕύσει), sondern gemäß Verabredung,
Übereink unft (κατά συνθήκην) von natürlich
bedeutsamen Tierlauten abgesetzt wird. In
Richtung Konventionalität weist übrigens
Abb. 15.6: Konstituenten des sprachlichen Zei- auch schon 16 a 5 f: (k onventionelle) Laute
chens ‘Stein’ und Schriftzeichen k önnen variieren, während
der (natürliche) psychische Rezeptionsappa-
Daß im zweiten Teil des Kapitels 1 von De rat und die (natürliche) Außenwelt im Prinzip
interpretatione (16 a 9 ff) nur noch vom νόημα bei allen Menschen gleich sind. Damit ist na-
[Gedank e] die Rede ist, muß vielleicht nicht türlich auch der λόγος [Satz] k onventionell
die Sorgen verursachen, die sich Kretzmann bedeutsam (16 b 33—17 a 2). Das ὡς ὄργανον
und Weidemann darum gemacht haben (Wei- [Satz als Werk zeug, Instrument] von 17 a 1
demann 1982 a, 246 ff), weil sie sich bei dieser verweist zugleich auf die Lehre vom Wort-
Verbindung von Wahrnehmungsinhalten und werk zeug in Platons Cratylus 386 e ff (s. Art.
Gedank en zum Ansatz einer inadäquaten 14). Aristoteles ergreift also in De interpre-
Bildtheorie des Denk ens bei Aristoteles ge- tatione 1—4 — eher thesenhaft als begrün-
zwungen fühlten: Aristoteles läßt k einen dend — Partei im Streit um den Konventio-
Zweifel daran, daß er Wahrnehmen und Den- nalitätscharak ter der Sprachzeichen: Er ver-
k en für etwas Verschiedenes hält (427 b 6 ff; tritt die Konventionalitätsthese. Die Versu-
b 27). Aber andererseits gibt es für ihn k ein che, aus der veränderten Formulierung κατὰ
Denk en ohne Wahrnehmung, sind die Denk - συνθήκην (statt συνθήκῃ) einen Neuansatz
inhalte (νοητά) in den Wahrnehmungsobjek - gegenüber Platons Alternative herauszulesen,
ten (αἰσθητά) enthalten und ist k ein Lernen haben sich bisher nicht durchsetzen k önnen.
und Verstehen ohne Wahrnehmung möglich Ich meine vor allem Wolfgang Wielands Ver-
(432 a 3 ff). Auch für die Vorstellung (ϕαντα- such (19702, 161—173), die aristotelische
σία) gilt die grundsätzliche Abhängigk eit von Wendung als Hinweis auf ein ›Übereingek om-
der Wahrnehmung (427 b 15 f). Allein diese mensein‹ im Sinne einer intersubjek tiven Ver-
Auffassung von einer Dominanz der Sinnes- ständigung (vgl. dagegen Tugendhat 1963,
wahrnehmung über die übrigen psychischen 546) und Coserius finalistische Deutung des
Funk tionen und ihre generelle, für den psy- κατὰ συνθήκην als Hinweis auf ein von einer
chischen Apparat repräsentative Funk tion ist Ausdruck sabsicht motiviertes, also intentio-
meines Erachtens der Grund für die Vorschal- nales Zeichen (Coseriu 19752, 72 ff; 106 ff). In
tung der παθήματα für das νόημα von 16 a 10. letzter Zeit ist man im allgemeinen wieder zur
Damit sind Unterschiede zwischen Denk en einfachen Konventionalitätsthese im traditio-
und Wahrnehmen nicht ausgeschlossen. Es nellen Sinn zurück gek ehrt (Lieb 1981, 154 f;
bleibt trotzdem zu erwägen, ob solche Stellen Weidemann 1982 a, 244, vgl. aber Anm. 19;
wie 431 b26 ff nicht doch die Annahme einer Oehler 1984, 207; Arens 1984, 37—39). Es
Bildtheorie des Denk ens bei Aristoteles na- sind zum Schluß noch zwei Relationen zu
helegen. Die Relationen a und b k önnen zu- behandeln, die in 16 a 3—8 nur implizit ent-
sammengefaßt werden, weil sie beide mit dem halten sind: (1) Mit dem πρώτως von 16 a 6
Begriff σύμβολον mark iert werden, also of- wird eine direkte und eine indirekte semanti-
fenbar identisch sind. Auch hier wird das Ver- sche Relation unterschieden — insofern, als
ständnis durch den stichwortartigen, notizen- Laute/Schriftzeichen primär auf Psychisches
haften Stil der Ausführungen erschwert (vgl. und erst sek undär auf Außerpsychisches ver-
zum folgenden Ax 1978, 263—265). σύμβο- weisen. Man hat darin, wie gesagt, eine Vor-
λον hat zunächst nur die allgemeine Bedeu- wegnahme der modernen Unterscheidung
tung eines Zeichens: aliquid stat pro aliquo von Bedeutung und Referenz gesehen (Wei-
(vgl. 24 b 2; 165 a 6 ff). Es ist deshalb im Prin- demann 1982, 242). (2) 24 b 1 ff zeigt, daß der
zip mit σημεῖον (16 a 6) k ontextuell aus- Begriff σύμβολα von 16 a 4 ursprünglich zur
tauschbar. Aber eine andere Stelle (437 a 12 ff) Kennzeichnung der Parallelität von Sprechen
beweist, daß unter σύμβολον eine den und Denken und nicht der Konventionalität
Sprachlauten nicht wesensgemäße, vielmehr dienen sollte. Dies beweist auch der 16 a 3—
15.  Aristoteles (384—322) 255

8 direk t angeschlossene Gedank e der Paral- k einesfalls auch lautsprachlichen Einheiten.


lelität rein psychischer und lautlich geäußerter Ein Begriff (ὅρος) k ann z. B. durch ein Ein-
Verbindung und Trennung von 16 a 9 ff. Ari- zelwort (ὄνομα) oder eine Wortgruppe (λό-
stoteles steht in diesem Punk t übrigens bis in γος) repräsentiert werden (48 a 29 f; 49 b 3 ff),
die Formulierung hinein unter dem Einfluß allerdings haben Einzelwort und Wortgruppe
Platons (vgl. besonders Res publica 2,382 b 7— einen verschiedenen Bestimmtheitsgrad
11, weitere Stellen Ax 1986, 105; 146), wobei (184 b 10 f). Grundsätzlich aber gilt Äqui-
er k einen Versuch macht, die Parallelitäts- mit valenz und damit Austauschbar k eit von
der Konventionalitätsthese zu harmonisieren ὄνομα und λόγος (101 b 38 ff; 1012 a 23 f;
(s. Art. 14). 1407 b 26 ff), wobei unter λόγος meist die dem
ὄυοµα zugeordnete Definition (ὁρισμός) ver-
3.3.2. Sprechen, Denken, Realität standen wird (93 b 29 ff; 101 b 39). Das ist
Die in De interpretatione 1 festgehaltenen se- nicht selbstverständlich, denn eine Äquiva-
lenzbeziehung k ann auch zwischen Titel
miotischen Instanzen und Beziehungen blei-
ben Aristoteles in nahezu allen Schriften be- (ὄνομα) und Text (λόγος) bestehen. Die Ilias
ist aber k eine Definition (1030 a 7 ff). Die De-
wußt und werden immer wieder zur Klärung finition ist also eine Sonderform des Logos.
verschiedenster Probleme herangezogen. Es Für bestimmte Den k operationen ist es
gibt eine beträchtliche Zahl über das gesamte
Werk verstreuter Einzelstellen, die das Ver- übrigens besser, trotz Äquivalenz entweder
dem ὄνομα oder dem λόγος den Vorzug zu
hältnis zwischen lautsprachlichen Äußerungs- geben, ὄνομα im Syllogismus (49 b 3 ff) und
einheiten (Wort, Satz, Text), gedank lich-be-
grifflichen Einheiten (Sinn, Begriff, Meinung, λόγος in der Definition (149 a 1 ff). Wichtig
Definition etc.) und außerpsychischer Reali- ist für das Verhältnis von ὄνομα und λόγος,
tät (Sachen) wieder aufgreifen und so zur und damit für das σημαίνειν überhaupt
die schwierige Passage Metaphysica 4
weiteren Differenzierung der lautlich-menta-
len (meaning) und sprachlich-dinglichen Re- (1006 a 32 ff). Ein ὄνομα k ann zwar viele Be-
lation (reference) beitragen (vgl. dazu vor al- deutungen, Begriffe (λόγοι) haben, aber diese
müssen der Zahl nach begrenzt sein. Eine
lem Graeser 1977 und 1978 c). Aristoteles ver- unendliche Zahl von Bedeutungen würde die
sucht sogar, seine Beobachtungen zu einem Verständigungsfunk tion der Sprache aufhe-
relativ geschlossenen System semantischer Be- ben, denn Sprechen und Denk en (als Spre-
ziehungen auszubauen. Davon soll im näch- chen mit sich selbst) zielen immer auf ein
sten Abschnitt die Rede sein. Hier zunächst Bestimmtes.
einige allgemeine Vorbemerk ungen. Die drei
Instanzen ›Sprechen, Denk en, Realität‹ wer-
den deutlich voneinander geschieden und ihre 3.3.3. Semantische Relationen
wechselseitigen Beziehungen je nach den Er- Es folgt eine Sk izze des aristotelischen Sy-
fordernissen des Kontextes bestimmt. Zu- stems semantischer Relationen (s. Art. 84).
nächst zur Referenz: λόγος [geäußertes Urteil] Das Wort ‘semantisch’ verwende ich dabei als
und δόξα [bloß gedachtes Urteil] sind wahr- Oberbegriff für die Bedeutungs- und Refe-
heitswertneutral, ihr Wahrheitswert hängt renzbeziehung und erinnere noch einmal
von den Gegebenheiten der Realität ab, auf daran, daß Aristoteles vorwiegend onomasio-
die sie sich beziehen (‘Er sitzt’ ist je nach logisch verfährt, also meist von der Sache her
wirk licher Situation ›wahr‹ oder ›falsch‹). λό- über den Begriff zur Bezeichnung k ommt. Die
γος und δόξα unterscheiden sich also insofern aristotelische Semantik ist also eine Gruppie-
vom πρᾶγμα [Sache], als nur das πρᾶγμα Ver- rung des Seienden unter dem Aspek t seiner
änderungen erfahren k ann, von denen dann sprachlichen Erscheinungsform. Grundlegend
die Qualität der beiden übrigen Instanzen ab- für seine intensiven Bemühungen ist die Ein-
hängt (4 a 21— b 13). πρᾶγμα ist also die über- sicht, daß sich die Struk tur eines Sach-/Denk -
geordnete verursachende Instanz (αἴτιον bereichs nicht notwendigerweise mit der
14 b 9—23). Trotzdem besteht im Prinzip Pa- Sprachstruk tur deck t, sondern beide zum
rallelität zwischen λόγος und πρᾶγμα Vorteil besserer Erk enntnis stets gegeneinan-
(12 b 5 ff; 19 a 32 ff), wenngleich sich sprach- dergehalten werden müssen. Es ist ihm dabei
liche Verhältnisse nicht mit realen deck en be
k annt, daß der Differenzierungsgrad
müssen (63 b 23—28). Ebenso k lare, teilweise sprachlicher Bezeichnung von der Vertraut-
sehr subtile Distink tionen werden zu lautlich- heit mit dem jeweiligen Sachbereich abhängt
begrifflichen Bedeutungsbeziehungen vorge- (vgl. 494 b 19 ff zu den Körperteilbezeichnun-
nommen. Begriffliche Einheiten entsprechen gen). Für Einzelheiten muß auf die weitere
256 II. Personen

ausführliche Besprechung der folgenden Be- tionsfähige Auge im Gegensatz zum blinden
griffe durch Klaus Oehler (1984, 158 ff) ver- oder gemalten Auge (412 b 18 ff), ein schwer
wiesen werden. aufzudeck ender Sonderfall von Homonymie,
weil die beiden Bedeutungen aufgrund einer
3.3.3.1. Anonymie auf Ähnlichk eit beruhenden Identität (wirk -
liches/gemaltes Lebewesen/Auge) nahe bei-
Mit dem Begriff ‘Anonymie’ (vgl. Bonitz einanderliegen (Aristoteles berüc
k sichtigt
1870, Eintrag ἀνώνυμος) werden Bezeich- k eine etymologischen oder bedeutungsge-
nungslück en vermerk t, die sich aus dem Ver- schichtlichen Vorgänge). Dagegen gibt es
gleich eines Sachbereichs mit den dafür in der deutliche Fälle wie z. B. κλείς [Schlüssel], =
Sprache bereitstehenden Bezeichnungsmög- (1) ‘Schlüsselbein’ und (2) ‘Türschlüssel’
lichk eiten ergeben. Gedacht ist dabei fast aus- (1129 a 29 ff). Es gilt also für die Homonymie:
schließlich an fehlende Einzelwörter (ὀνό-
ματα) und hier insbesondere an fehlende Gat-
tungsnamen. Nicht zufällig wird daher die
Anonymie besonders häufig in den biologi-
schen Schriften vermerk t, so z. B. im Bereich
geflügelter Tiere (490 a 12 f) oder lebendge- Abb. 15.8: Schema der Homonymie
bärender Vierfüßler (490 b 31 ff). Aber auch
beliebige andere Komponenten eines Sach-
bereichs werden als anonym ausgewiesen, Der Homonymiebegriff ist von zentraler Be-
z. B. namenlose Abstrak ta wie bestimmte Be- deutung, denn an zahlreichen Stellen werden
wegungsarten (201 a 12 ff; 226 a 29 ff) oder ak- Homonymien aufgedeck t, um vor den von
tivierte Sinnesobjek te (426 a 12 ff). Auch im ihnen ausgehenden Gefahren unsauberen
Tugend-Lastersystem der Ethi k en werden Denk ens und Schließens zu warnen. Zusam-
Anonymien immer wieder notiert (z. B. menhängend disk utiert wird das Homony-
1221 a 3). Hilfsmittel zur Deck ung solcher Be- mieproblem in der Topik 1,15 (106 a 1 ff) und
zeichnungslück en sind die Wortneubildung in den Sophistischen Widerlegungen 165 b
(ὀνοματο-ποιεῖν 7 a 5), die Verwendung 30 ff; 175 a 36 ff; 177 a 9 ff) — s. auch 2.1.3.
einer definierenden Umschreibung (λόγος
418 a 27) oder von Metaphern (1405 a 35 f). 3.3.3.3. Synonymie
Von den drei Instanzen des Zeichenmodells, Synonym (vgl. Bonitz 1870, Einträge συν-
ὄνομα [Name], λόγος [Begriff, Definition] ωνυμία, σνώνυμος) sind mindestens zwei
und πρᾶγμα [Sache] her gesehen gilt für die Dinge, die mit einem gemeinsamen Namen
Anonymie: bezeichnet werden k önnen, aber im Gegen-
satz zu homonymen Dingen derselben Gat-
tung angehören, also auch nur einen, gemein-
samen Begriff haben (Cat. 1 a 6—12). Beispiel
Abb. 15.7: Schema der Anonymie
ist wieder ζῷον, um zu zeigen, daß man ein-
und dasselbe Wort homonym und synonym,
also auf gattungsverschiedene und gattungs-
3.3.3.2. Homonymie gleiche Dinge anwenden k ann. Das synonym
Homonymie (vgl. Bonitz 1870, Einträge ὁμω- verwendete ζῷον ist also gemeinsamer Name
νυμία, ὁμώνυμος) bezeichnet die Namens- für gattungsgleiche Dinge wie Mensch und
gleichheit, aber Gattungsverschiedenheit Rind. Beide k önnen mit ‘Lebewesen’ bezeich-
(mindestens) zweier Dinge. ›Lebewesen‹ und net werden, ohne daß die Definition geändert
›Bild‹ (= gemaltes Lebewesen) teilen sich im werden müßte. Es gilt also für die Synonymie:
Griechischen den Namen ζῷον, aber die da-
mit bezeichneten Dinge gehören verschiede-
nen Gattungen an, weshalb sie auch verschie-
den definiert werden (Cat. 1 a 1—6). Für das
homonym verwendete ζῷον gilt also: ein Abb. 15.9: Schema der Synonymie
Name (ὄνομα), zwei Begriffe/Definitionen
(λόγοι): (1) ‘Lebewesen’, (2) ‘Bild’, und zwei
Dinge (πράγματα): (1) Lebewesen und (2) Welche Gefahren und Chancen sich aus dieser
Bild (in der Realität). ζῷον ist bereits, wie Unterscheidung für den dialek tischen Disput
z. B. auch ὀϕθαλμός als das lebendige, funk - ergeben, zeigt besonders Topica 6,10 (148 a
23 ff). Neben diesem uns heute fremd gewor-
15.  Aristoteles (384—322) 257

denen Synonymiebegriff der Categoriae (be- der semantischen und damit auch ontologi-
stätigt durch 148 a 24 f und 162 b 37 f) k ennt schen Verhältnisse, z. B. im Bereich von Gat-
Aristoteles auch die uns geläufige Auffassung tung und Art (109 b 4 ff; 111 a 33 ff). Die drei
von Synonymie als der Beziehung zweier oder Hauptbegriffe der aristotelischen Semantik
mehrerer Wörter auf eine Sache (ohne Ter- bilden also zwei Gruppen: Homo- und Syn-
minus 103 a 9; 112 b 21 ff und mit Terminus onymie sind Fälle von Mehrdeutigk eit auf-
1404 b 39 f). grund sprachök onomischer Zwänge im Sinne
von 165 a 6 ff. Die Paronymie erfaßt Fälle se-
3.3.3.4. Paronymie k undärer Ableitung (anders Oehler 1984,
163 ff). Die ständige Beachtung aller drei Be-
Paronym (vgl. Bonitz 1870, Eintrag παρώ- nennungstypen garantiert die Korre k theit
νυμος) wird ein Ding (D2) genannt, das seinen und Überlegenheit im Denk en, Schließen und
Namen (N2) von einem anderen Ding (D1) Disputieren.
ableitet, das bereits einen eigenen Namen (N1)
besitzt, von dem (N1) sich der abgeleitete 3.3.3.5. Weitere semantische Relationen
Name (N2) dann nur durch eine andere (a) Vieldeutigkeit (πολλαχῶς, πλεοναχῶς λέ-
sprachliche Ableitungsform (πτῶσις) unter-
scheidet (Cat. 1 a 12—15). Z. B. hat der γεσθαι u. ä.). An zahlreichen Stellen wird die
vielfache Weise, in der man von einer Sache
Grammatik er (D2) seinen Namen (N2) von spricht, oder semasiologisch ausgedrück t, die
‘Grammatik ’ (N1 von D1) oder der Tapfere Vieldeutigk eit eines Wortes oder Begriffs
(D2) seinen Namen (N2) von ‘Tapferk eit’ (N1 (Wortgruppe) analysiert, oft durch Proben
von D1). Es gilt also für die Paronymie: von Verwendung des Wortes im Kontext
(Satzzusammenhang). Beispiele für solche
Mehrdeutigk eitsanalysen sind 15 b 17 ff
(ἔχειν), 185 a 20 ff (ὄν), 185 b 6 ff (ἔν),
210 a 14 ff (ἄλλο ἐν ἂλλῳ). Das Verfahren der
Abb. 15.10: Schema der Paronymie
Bedeutungsanalyse, d. h. der gliedernden
Gruppierung der Bedeutungen eines Wortes/
Begriffes, wird als unerläßliche Voraussetzung
Solchen Ableitungen liegen keine linguistisch- zur Klarheit des Denk ens und zur Erfassung
morphologischen, sondern rein onomasiolo- eines Sachbereichs gek ennzeichnet (280 b 1 ff;
gische, sachbezogene Überlegungen zu- 992 b 18 ff). Offensichtlich wird dabei die
grunde. Ausgegangen wird von Verhältnissen prinzipielle Übereinstimmung von Bedeu-
im Dingbereich, denen dann die Benennungs- tungs- und Sachstruk tur unterstellt. Die Ter-
verhältnisse parallel entsprechen. Im Ding- mini der Vieldeutigk eit k önnen gleichwertig
bereich besteht ein Abhängigk eitsverhältnis mit dem Terminus ‘homonym’ verwendet wer-
von D2 zu D1 insofern, als von D1, einer den (1129 a 26 ff), aber 110 b 16 ff zeigt, daß
Eigenschaft, D2, Eigenschaft + Subjek t, ab- es auch andere als die homonyme Vieldeutig-
geleitet ist. Dem entspricht auf der Sprach- keit geben kann, z. B. im Bereich der Relativa.
ebene die Ableitung von N2 aus N1. Auslöser (b) Die πρὸς-ἕν-Relation. Die homonyme
für den Ableitungsvorgang ist aber D1 (nicht Mehrdeutigk eit beruht auf Zufall, d. h. die
von einem Namen bezeichneten Bedeutun-
N1). Der Paronymievorgang wird noch deut- gen/Dinge sind gattungsverschieden, stehen
licher aus Cat. 10 a 27 ff, wo Fälle nicht also in k einer erk lärbaren Beziehung zuein-
durchführbarer Paronymien vorgeführt wer- ander. Dagegen gibt es Fälle von Mehrdeu-
den. Einerseits k ann D1 vorhanden sein, aber tigk eit, bei denen die bezeichneten Bedeutun-
N1 fehlen, wie bei δρομικός [der Lauffähige], gen/Dinge (wie schon bei der Synonymie) in
wo N1 für ‘Lauffähigk eit’ fehlt; andererseits einer sachlich begründeten Beziehung zuein-
k ann N1 vorhanden sein, aber nicht zur Ab- ander stehen, weil ihr gemeinsamer Name
leitung von N2 benutzt werden wie bei ἀρετή πρὸς ἕν [in bezug auf eines] oder ἀϕ’ ἑνός
[Tugend] und σπουδαῖος [der Tüchtige]. In [von einem her] verwendet wird. So teilt sich
beiden Fällen wird dann von einem Ersatz- die Vieldeutigk eit (πολλαχῶς λέγεσθαι) als
namen abgeleitet. Die Paronymie ist also Oberbegriff in (1) die Homonymie und (2) die
k eine Form von Mehrdeutigk eit eines Na- πρὸς ἕν-Vieldeutigk eit (1003 a 33 ff). Die Be-
mens, sondern bezeichnet nur dessen sek un- deutungen z. B. von ὑγιεινόν [das Gesunde]
dären Ableitungscharak ter. Ihre Kenntnis ist als (1) Gesundheitbewahrendes (Vorbeuge-
ebenfalls wichtig für die richtige Einschätzung maßnahme), (2) Gesundheitsbewir
k endes
258 II. Personen

(Medik ament), (3) Gesundheitszeichen (Sym- Begriffsverwandtschaft wie bei der Systoichie,
ptom), (4) Gesundheitsträger (Mensch) ste- sondern von der Genus-Spezies-Relation be-
hen in k einer Zufallsbeziehung zueinander, stimmt. Aristoteles steht hier wie auch sonst
sondern sind durch die Zuordnung zu einem oft dicht vor Methoden der Komponenten-
gemeinsamen Sachbereich (ὑγίεια [Gesund- analyse der neueren struk turellen Semantik
heit]) miteinander verbunden. Weitere Infor- (s. Art. 55). Ein besonders eindruck svolles
mationen bei Hermann Bonitz (1870, Eintrag Beispiel ist Topica 4,5 (127 a 4 ff) im Vergleich
ὁμώνυμος, 514,61 ff) und ausführlich bei Oeh- mit Ernst Leisi (1975, 22).
ler (1984, 165 ff).
(c) Begriffsreihe (συστοιχία). In Topica 2,9 3.3.4. Morphologische Relationen (πτῶσις)
(114 a 26 ff) werden verschiedene Wörter eines
gemeinsamen Sachbereichs unter dem Begriff Unter πτῶσις versteht Aristoteles sämtliche
συστοιχα, συστοιχία zu einer Begriffsreihe Flexionsformen, also etwa Kasus und Nu-
zusammengefaßt, z. B. das Gerechte, der Ge- merus bei Nomen oder Modi und Tempora
rechte, die Gerechtigk eit, gerecht. Das Prinzip beim Verb, ohne allerdings Termini für die
der Zusammenstellung ist ebenfalls wieder morphologischen Kategorien zu haben (De
primär sachbedingt, etymologische oder mor- int. 16 a 32 ff; 16 b 16 ff; 1457 a 18 ff). Aller-
phologische Kriterien spielen nur eine unter- dings zeigen Cat. 1 a 13 und andere Stellen
geordnete Rolle. So werden die Adverbien (vgl. Bonitz 1870, Eintrag πτῶσις), daß
‘gerecht’, ‘tapfer’ u. ä. als Derivationen πτῶσις auch eine weitere Bedeutung hat, d. h.
(πτώσεις) gesondert gek ennzeichnet (114 a jede Art von Ableitung eines Wortes von
32 ff), aber sie bilden nur eine Unterart zur einem anderen bezeichnen k ann, etwa das
Gattung der Begriffsreihe (συστοιχία), der sie Wort ‘Grammatik er’ von ‘Grammatik ’
untergeordnet werden. Die Systoichie geht (1 a 14). πτῶσις umfaßt also nicht nur die
nicht auf die Polysemie des Einzelwortes, son- Flexion, sondern auch die Derivation. Wie
dern ist ein Versuch zur Erfassung lexik ali- schon gesagt, ist πτῶσις außerdem eine Un-
scher Relationen auf semantischer, nicht mor- terart der Systoichie.
phologischer Basis. Die Systoichie dient eben-
falls der Argumentationstechnik (114 a 38 ff;
154 a 12 ff). Weitere Stellen bei Bonitz (1870, 4. Zur Forschungslage
Einträge συστοιχία, σύστοιχος). Reichtum und Qualität sprachtheoretischer
(d) Amphibolie (ἀμϕιβολία). Auf die syntak - Ansätze in der Philosophie des Aristoteles
tische Mehrdeutigk eit, d. h. die Möglichk eit stehen außer Frage. Unter sprachstrukturel-
fehlerhafter Interpretation von Satzk onsti- lem Aspek t gelingen ihm bedeutsame Aussa-
tuenten wurde schon im Zusammenhang mit gen zur Natur des sprachlichen Zeichens, er
De Sophisticis elenchis 4 (166 a 6 ff) hingewie- entwick elt ein differenziertes System seman-
sen (s. 2.1.3.). tischer Relationen (s. Art. 84) und gelangt im
(e) ›Wortfelder‹. Ohne einen Terminus und Bemühen um die dihäretische Ausgliederung
ohne theoretische Begleitnotizen ist bei Ari- des Urteils und der Lexis-Teile unter Verwen-
stoteles ein Streben nach der Erschließung dung hauptsächlich semantischer Kriterien
eines Sachbereichs mit Hilfe von ›Wortfel- zur Einsicht in die phonematische, morpho-
dern‹ erk ennbar, von struk tureller Aufglie- logische und synta k tische Konstituenten-
derung eines Sachbereichs durch lexik alische struk tur der Sprache. Zu den struk turellen
Zusammenstellungen, so z. B. das Feld der Ansätzen zählt auch die Kategorientafel,
Bewegungsarten (122 a 21 ff), der Gewässerar- wenn man sie von ihrer linguistischen Seite
ten (353 b 17 ff), der Geschmack s- und Farb- nimmt. Aus pragmatischer Sicht ist er auf dem
adjek tive (442 a 12 ff) oder der biologischen Weg zu einem Kommunik ationsmodell (s.
Bewegungsarten (639 b 2 ff). Art. 94), zeigt Kenntnis der wichtigsten
Sprechak te und verfügt vor allem über eine
relativ weit entwick elte Stilistik von Dichtung
und Rede (s. Art. 112). Mit der Verbindung
struk tureller und stilistischer Aspek te in der
Abb. 15.11: Schema des ›Wortfeldes‹ Bewegungs- Poetik wird er (für uns) zum Vorläufer der
arten späteren ars grammatica. Schließlich führt ihn
die biologisch-psychologische Perspek tive zu
bedeutsamen Chara
k terisierungen der
Solche lexik alischen Reihen sind nicht von menschlichen im Gegensatz zur Tiersprache.
15.  Aristoteles (384—322) 259

Dieses beeindruck ende Ergebnis sprachphi- ausspricht, „die Grundbegriffe der aristoteli-
losophischer Reflexion ist natürlich von der schen Philosophie nur noch als sprachliche
Aristotelesforschung bereits in zahlreichen Phänomene“ und „die aristotelische Philoso-
Beiträgen gewürdigt worden, die hier nur er- phie als ein antik es Double der Oxford Or-
wähnt, aber nicht disk utiert werden k önnen. dinary Language Philosophy“ zu werten. In
Den besten Zugang zur Literatur und For- der Tat ist sie, so glaube ich, primär eine
schungsproblematik bieten z. Zt. Flashar Philosophie des Begriffs und der Sache —
(1983, 184 f; 294 ff; 322 ff; 428 ff) und Oehler meist mit Hilfe, aber, wenn es sein muß, auch
(1984, passim und 120—151). Gesamtdarstel- gegen die Sprache, eine Philosophie jedenfalls
lungen liegen vor von Heymann Steinthal der wachen Distanz zu jenem System k ollek -
(1971 a), Pierre Aubenque (1967), Guido tiv und k onventionell vorgegebener, lautfi-
Morpurgo-Tagliabue (1967), Richard P. xierter Sinneinheiten, das wir ‘Sprache’ nen-
McKeon (1968), Miriam T. Lark in (1971), nen.
Walter Belardi (1975), Coseriu (19752) und
Sinnott 1989. Weniger gravierende For-
schungsprobleme sind etwa die Vorwegnahme 5. Literatur in Auswahl
von Methoden der struk turellen Linguistik Ax 1986, Laut, Stimme und Sprache.
(Tanner 1970; Ax 1978, 245 ff) oder Aristo- Darstellung der Geschichte der antik en Sprach-
teles’ Einstellung zur Konventionalitätsthese theorie am Beispiel des Einleitungsk apitels der ars
(s. 3.3.1.). Von sprachphilosophischer Rele- grammatica. Aristoteles: 119—138, dort weiterfüh-
vanz ist vor allem eine von Wieland (1962, rende Literaturhinweise.
141—230; 339 f und 19702 im Nachwort) ver- Flashar 1983, Aristoteles, in Grundriß 3.
tretene These zur Rolle der Sprache in der Sehr nützliche, umfassende Darstellung des Ge-
Philosophie des Aristoteles, die in Kernpro- samtwerk s mit ausführlichen Hinweisen zur Pri-
bleme seines Denk ens führt und daher bis mär- und Sek undärliteratur und zur Forschungs-
heute disk utiert wird. Nach Wieland gewinnt lage. Wichtig zur Sprachtheorie: 184 f; 294 ff; 322—
Aristoteles seine Prinzipien aus der Sprach- 335; 428 ff.
analyse und deck t damit lediglich die Weise
Graeser 1983, Aristoteles, in Philosophie der An-
auf, mit der wir unreflek tiert von den Dingen
tike 2.
sprechen. Die Sprachebene wird nicht verlas-
Übersichtliche Gesamtdarstellung mit vielen wei-
sen. Sprache und Dinge werden nicht ge-
terführenden Literaturhinweisen. Zur Sprachtheo-
trennt. Ermittelt werden also vornehmlich
rie wichtig: 199—215.
Sprach-, nicht Seinsstruk turen (1962, 339),
die zudem noch an die Voraussetzungen hi- Oehler 1984, Aristoteles, Kategorien.
storischer Sprachen (Indogermanisch, Grie- Übersetzung und Kommentar der Kategorien, in
chisch) gebunden sind (1962, 340). Man k ann der Einleitung 37—119 und in den Anmerk ungen
sagen, daß diese Auffassung Wielands heute 153 ff immer wieder grundlegend wichtige Ausfüh-
meist auf Ablehnung stößt, die hier mit Grae- rungen zur Sprachtheorie des Aristoteles. Ausführ-
sers Formulierung wiedergegeben werden liche Bibliographie: 120—151. In zweiter durchge-
soll: sehener Auflage 19862 erschienen mit z. T. erheblich
„Daß den in desk riptiven Sätzen behaupteten Sach- veränderter Paginierung, die in diesem Artik el nicht
verhalten für Aristoteles reale Struk turen zugrun- mehr berücksichtigt werden konnte.
deliegen, steht außer Zweifel. Ebenso außer Zweifel Sinott 1989, Kommunikation und Bedeutung bei Ari-
steht allerdings [...] auch, daß Aristoteles die Art stoteles. Ausführliche Darstellung des biologischen,
und Weise, wie wir von den Dingen sprechen, an logisch-semantischen und normativen Aspek ts der
der Art des Gegebenseins der Dinge bemißt, bzw. aristotelischen Sprachtheorie, nach Abfassung die-
bemessen wissen will und nicht etwa umgek ehrt“ ses Artikels erschienen.
(Graeser 1978 c, 451). Weidemann 1991, Grundzüge der aristotelischen
Gegen Wielands These (ohne direk ten Be- Sprachtheorie, in Sprachtheorien der abendländi-
zug) argumentiert sehr überzeugend schon schen Antike, Schmitter (Hg.).
Oehler (1963, 20 ff). Weitere Kritik bei Hans Knappe, aber sehr nützliche Darstellung sprach-
Wagner (19792, 337 ff), Heinz Happ (1971, theoretischer Grundzüge bei Aristoteles mit neue-
47—49; 62), Flashar (1983, 184 f; 424) und ster Literatur.
Oehler (1984), der sich auf S. 72 f dagegen
Wolfram Ax, Göttingen (Deutschland)
260 II. Personen

16. Aurelius Augustinus (354—430)

1. Einleitung werden. Allerdings läßt sich die Sprachphi-


2. Augustins Entwicklung losophie Augustins nur als Teil seiner Theo-
3. Sprache als ›signum desiderii‹ logie darstellen, die man als Denk en Gottes
4. Literatur in Auswahl jenseits der Vergänglichk eit des menschlichen
Sprechens charak terisieren k ann. Daher wer-
den hier auch Punk te erwähnt, die zunächst
1. Einleitung als digressio erscheinen mögen, aber dennoch
Aurelius Augustinus bündelt in seinen sprach- zur Sache gehören.
philosophisch relevanten Schriften einerseits In Thagaste in Numidien als Sohn des städ-
ein vielfältiges Erbe der Antik e (Marrou 1949; tischen Beamten Patricius (Taufe und Tod:
Straub 1954; Maier 1955; Holte 1962). Er ist 371) und der eifrigen Christin Monnik a ge-
aber auch andererseits zur ›Quelle des Mit- boren, sollte er nach dem Willen des Vaters
telalters‹ geworden (Troeltsch 1915), in dem Rhetor und damit ein „vir bonus dicendi pe-
dogmengeschichtlich vor allem der ›Augusti- ritus“ [Ehrenmann, der reden k ann] (Quint.
nismus‹ (Rottmanner 1892) eine zentrale XII, 1, 1) werden. Nach anfänglichen Studien
Rolle spielte. Dies gilt in besonderem Maße in Madaura siedelte Augustin 371 nach Kar-
für die Sprachphilosophie Augustins (Coseriu thago über (Conf. II,3).
1969), die man auch als ‘Semiotik ’ bezeichnen Das vor allem sexuell ausschweifende Stu-
kann (Holl 1963; Vance 1986). dentenleben führte zu einem Konk ubinat (bis
In das Erbe der Antik e gehen, durch Au- 384; Conf. VI,15), dem ein Sohn Adeodatus
gustins k omplexen Lebenslauf bedingt, eine (372—390) entsprang. Die Lek türe des nach
Reihe von an sich unverträglichen, minde- dem Studienplan für 373 angesetzten Buches
stens jedoch nicht ohne Spannungen mitein- Hortensius (verlorengegangen) von Marcus
ander zu verk nüpfenden ›Schulen‹ ein, aus Tullius Cicero (106—43 v. Chr.) (Ruch 1958;
denen Augustinus dann allerdings, auch Testard 1958) erweck te das „desiderium sa-
durch mehrere Umschichtungen seines Den- pientiae“, das Augustin seitdem nicht mehr
k ens, ein neues ›System‹ baut, das die Bewun- losließ (Conf. III, 4). Die durch Cicero ge-
derung der Nachwelt für diesen größten la- weck te Liebe zur Philosophie (De beata vita
teinischen Kirchenlehrer des Mittelalters bis I, 4), die Weisheit nach der stoischen Schul-
heute erregt hat. Der mehrfache Paradigmen- tradition (c. Acad. I, 9, 24) ließen ihn dieses
wechsel im Denk en Augustins bedingt, daß erste bestimmende Buch auch später als
seine Sprachphilosophie nur anhand ihrer ›schola nostra‹ bewerten (c. Acad. III, 4, 7),
Entwick lung (Holl 1928; Adam 1931; Loofs- das seinem desiderium das Begehrensziel vor-
Aland 1953, 275—334) darstellbar ist, aus der gab. Um dieses Ziel zu erreichen, durchlief
man den ›jungen Augustinus‹ (Haenchen Augustinus, von der Bibel enttäuscht (Conf.
1932; O’Meara 1954; König 1970) und den- III, 5), eine Reihe von Schulen, die dem Ziel
jenigen nach der ›Bek ehrung‹ (Thimme 1908) eher zu entsprechen schienen.
noch besonders herausheben kann. Zunächst wurde er (373—382/384) Auditor
des Manichäismus (Conf. III, 6), einer schroff
dualistischen, ask etischen Alternativreligion,
2. Augustins Entwicklung die von dem vornehmen Perser Mani (geb.
ca. 216 bei Ktesiphon; vermutlich 273 gek reu-
2.1. Augustinus als Auditor des zigt) (Widengren 1961; Klima 1962) als neue
Manichäismus Weltreligion gegründet worden war (Widen-
gren 1965, 299 ff; Widengren 1977) und sich,
Seine vita (Loewenich 1965; Brown 1967; vom Osten k ommend, als für das Christentum
Altaner-Stuiber 1966, 412—449) ist für das gefährliche Konk urrenz im 4. Jahrhundert
Verständnis seiner sprachphilosophischen Ge- auch im Westen voll ausgebreitet hatte (Adam
dank en grundlegend. Aus dem umfangreichen 1958). Da Mani sich in seinen Briefen ‘apo-
Werk (Altaner-Stuiber 1966, 420 ff) k önnen stolus Jesu Christi’ nannte (Epist. fundam.;
dabei nur einige der wichtigsten Stellen zitiert Adam 1954, 27; Aug., c. ep. fund.; Zycha 197)
und als solcher bis nach Indien und China
16.  Aurelius Augustinus (354—430) 261

›Mission‹ getrieben hatte, er außerdem eine dann über Diogenes von Seleuk ia zu Anti-
k osmoslogische Spek ulation über die Entste- patros von Tarsus, von diesem zu Panaitios
hung der Welt und des Bösen und über die von Rhodos (ca. 180—110) und Poseidonios
Erlösung als k osmologischen Prozeß vortrug, von Apameia (ca. 135—51), an den sich Athe-
die allerdings nur den electi voll bek annt nodoros von Tarsus (ca. 75 v. Chr.—14.
wurde — die Manichäer besaßen eine hier- n. Chr.), der Freund des Cicero und der Leh-
archische Organisation mit einem ausgebil- rer des C. Octavius ›Augustus‹ (63 v. Chr. —
deten Kult (Adam 1954, 39 ff) und feierten 14 n. Chr.), anschließt. Vermutlich auch über
als Hauptfest das βῆμα [Fest des Lehrstuhls] das frühe Interesse für Cicero wurde bei Au-
zur Erinnerung an Manis Kreuzigung —, gustinus das stoische Erbe und damit insbe-
k ann man schon verstehen, daß Augustinus sondere die Semiotik vermittelt (Flasch 1980,
diese überwältigende Strömung attrak tiver 23 ff).
fand als den verachteten ›Mutterglauben‹, zu- Von Zenons 18 Buchtiteln trägt einer den
mal die manichäische Kritik am Alten Testa- Titel De signis (SVF I, Nr. 41). Einer Defi-
ment (Conf. III, 7) seinem Enttäuschtsein von nition von ‘signum’ bei Chrysipp (SVF II, Nr.
der Bibel entsprach. Von der ask etischen 221) k önnen wir entnehmen, daß die Stoik er
Strenge merk te er als auditor k aum etwas, so das Zeichen im Anschluß an die aristotelische
daß die Opposition zu seiner sexuellen Liber- Syllogistik als ›Mittel der Inferenz‹ einsetzten
tinage nicht empfunden wurde. Der Dualis- (Oehler 1962; 1981; 1986) und somit der ›Ab-
mus Licht vs. Finsternis k onnte von Augu- duk tion‹ nach Charles Sanders Peirce (1839—
stinus in dieser Phase im Sinne seines Zieles 1914) (s. Art. 32) bereits vorgriffen.
umgemünzt werden, aus der Finsternis seiner Als Ausgestalter der durch Aristoteles (s.
Herk unft zum Licht der „sapientia et veritas“ Art. 15) begründeten Rhetorik als der ars
vorzudringen (Conf. III, 6). Es ist auf diesem inveniendi locos vel sedes argumentorum, qui
Hintergrund nicht mehr verwunderlich, daß fidem constituere possunt (meine eigene freie
die Mutter ihn nach dem Abschluß der Stu- Umschreibung!) (Mainberger 1987, 23—260)
dien und nach seiner Rück k ehr nach Thaga- waren die Stoik er auf das ›Enthymema‹ ver-
ste (374—375) als vom Glauben der Eltern wiesen, das in einer Benutzung von signa zum
Abgefallenen nicht mehr ins Haus aufnahm Zweck e der ›amplificatio fidei‹ besteht. Ara-
(Conf. III, 11), er sich als ›doctor artium li- tos von Soloi (ca. 310—245) führt daher in
beralium‹ wenig später in Carthago niederließ seinem ersten Lehrgedicht der Antik e Phai-
(375—383) (Conf. IV, 7). nomena den Kosmos als ›Gramma‹ vor, das
über eine bedachte ›Lek türe‹ zur Erk enntnis
2.2. Das Erbe der Stoa und zum Glauben an die Allgegenwart des
›Logos‹, der stoischen ›Weltvernunft‹ führt.
Durch die manichäische Phase wurde eine Die signa des Kosmos sind so innerhalb einer
ältere Grundströmung überdeck t, die als ›Lesbark eit der Welt‹ (Blumenberg 1981) ›Be-
‘Erbe der Stoa’ bezeichnet werden k ann (Ver- glaubigungsmittel‹ des Logos, die über eine
bek e 1958; Pinborg 1962; Baguette 1970; ›enthymematische Lek türe‹ und ihre Syllogis-
Flasch 1980, 17—35), in das auch die Lek türe men zum ›credibile‹ der stoischen Weltan-
von Aristoteles’ Kategorienschrift (Conf. IV, schauung anleiten. Deren Rhetorik k ann zwar
16) einging (374). Bereits in der überwältigen- nicht zur Anerk enntnis zwingen, wohl aber
den Rolle der Rhetorik (Lausberg 1960) ge- seelisch geneigt machen.
genwärtig, wurde es bei Augustinus auch spä- Für die Stoik er, die grundsätzlich vom
ter immer wieder wirk sam, so daß wir es als Körper ausgehen, ist das signum eine ternäre
‘stoische Grundschicht’ (s. Art. 2) bezeichnen Relation: Das σημαῖνον [Signifik ant] ist als
k önnen, mit der auch die Semiotik in das materieller Zeichen-Körper ein significans (1),
Denk en Augustins Einzug hielt (Güttge- allerdings nur dann, wenn ihm ein πρᾶγμα
manns 1983, 101—170; Savan 1986). Da de- [Sache] als σημαινόμενον, signatum, ent-
ren Vorgeschichte für das Verständnis seiner spricht (2). Diese zunächst binäre Relation
Sprachphilosophie wichtig ist, seien folgende wird jedoch zwingend vermittelt durch ein
Daten hervorgehoben. λεκτόν, dictum (3), dessen Sein nur im Au-
Die ältere Stoa wurde von Zenon aus Ki- genblick des ›Ausgesagt-Seins‹ als ideelle
tion (ca. 334—263) gegründet und von Klean- Größe besteht (significatum solum in dicto).
thes von Assos (ca. 331—232) und Chrysipp Die Stoik er sprechen also dem Signifik at nur
von Soloi (ca. 281—208) fortgeführt. Die ein aristotelisches ›esse in actu locutionis‹ zu,
mittlere Stoa k nüpft mit Zenon von Tarsus während die ›Sache‹ nur ›per accidentiam‹
(3./2. Jh. v. Chr.) bei Chrysipp an und läuft
262 II. Personen

und nur als τυγχάνον [Zufälliges] mit dem Mutter (Conf. VI, 1), die innere Unruhe, eine
Signifik anten verbunden ist. Chrysipp bestrei- k örperliche Krank heit (Conf. V, 9), die zwei-
tet ausdrück lich eine ›similitudo‹ zwischen felnde Sk epsis (Conf. V, 10) und die erneute
›verba‹ und ›res‹ (SVF II, Nr. 151) und Dio- Fesselung durch Liebesleidenschaft (Conf. VI,
k les Magnes bezeichnet das ›dictum‹ als das- 12 f). Die in Mailand 384 angenommene
jenige, was ›secundum logicam phantasiam‹ Stelle eines Lehrers der Rhetorik ließ auch
aufgestellt wird (SVF II, Nr. 181). Damit ist den Vergleich seiner bisherigen Praxis des
auf den ›imaginären Verweisungszusammen- Sprechens mit derjenigen des Bischofs Am-
hang‹ angespielt, der mit dem durch den Lo- brosius von Mailand (340—397) (Madec
gos nach seinem νόμος [Gesetz] gestalteten 1974) zu, der nach östlichem Vorbild den
Kosmos im λόγος σπερματικός [samenhaft hymnischen Kirchengesang eingeführt hatte,
ausgestreuter Logos] des menschlichen Spre- insbesondere das Te Deum (Conf. V, 13—14;
chens in Funk tion tritt. Der Ak t des Spre- IX, 12; X, 34).
chens ist ein Produk t des ›vorstellenden‹ Lo- Die von Ambrosius prak tizierte allegori-
gos und das Gesprochene (dictum) steht im sche Auslegung des Alten Testaments ließ Au-
μέσον [Mitte] zwischen νόημα [Gedank e] und gustinus die manichäische Kritik an diesem
πρᾶγμα [Sache] (Ammonius, SVF II, Nr. 168). Bibelteil überwinden (Conf. V, 14). Die An-
Für Augustinus, der diese Grundansichten erk ennung Gottes als des reinen Geistes, die
vermutlich nur durch die rhetorische Praxis Geistigk eit der Seele und die Willensfreiheit
des Sprechens vermittelt erhielt, sind damit (Jonas 1930; Benz 1932; Barth 1935) k onnten
Themen genannt, die sich in seinen sprach- eher mit der stoischen Grundschicht verbun-
philosophisch relevanten Werk en immer wie- den werden als die Spek ulationen Manis. Daß
der erk ennen lassen. Indem der dualistische dieser erste Eindruck von Ambrosius durch
Manichäismus das ältere stoische Erbe zu- die Mutter vermittelt wurde (Conf. VI, 2 f),
nächst überdeck te, mußte sich irgendwann die dann aber wieder einer Sk epsis wich (Conf.
Frage stellen, ob denn die ›Stimme‹ und das VI, 4), erlaubt eine Analyse Augustins mit
von ihr erzeugte ›Ausgesagte‹ wirk lich dem dem Ansatz einer psychoanalytischen Semio-
Sein oder nicht doch eher dem Schein näher tik , insbesondere durch Analyse der ›narratio
sind. Es ist diese Frage, der wir als einer der conversionis‹ (Conf. VI, 7—12) (Güttgemanns
Hauptfragen seiner Sprachphilosophie begeg- 1983, 117—148) und nicht mit den Mitteln
nen. Auch das Thema der rationes seminales gegenwärtig üblicher Psychoanalyse (Dodds
(McKeogh 1926) gehört dieser stoischen 1927/28; Kligerman 1957).
Grundschicht an. Möglicherweise durch Ambrosius, jeden-
falls aber durch den christlichen Neuplatoni-
2.3. Die Auseinandersetzung mit dem k er Manlius Theodorus wurde Augustinus
Neuplatonismus auf Abhandlungen Plotins (205—270) hinge-
wiesen (Conf. VII, 9). Damit wurde ein Rück -
2.3.1.  Der Abschied vom manichäischen Sy- griff hinter die Stoik er und Aristoteles auf
stem (Conf. V, 7) fiel ungefähr mit seiner Platon (427—347) möglich (Conf. VII, 2) (s.
gegen den Willen der Mutter vorgenommenen Art. 14), dessen ganz anders gearteter Dua-
Übersiedlung nach Rom zusammen (383; lismus einerseits eine Transformation des ma-
Conf. V, 8). Die manichäische Kosmologie, nichäischen gestattete und andererseits einen
ihr Dualismus und ihr Gottesbegriff k onnten weiteren Paradigmenwechsel im Denk en Au-
auf die Dauer nicht zum stoischen Erbe pas- gustins anbahnte, obwohl der Neuplatonis-
sen (Conf. III, 7, 10). Auch erk annte er den mus später von ihm als hochmütig empfunden
vielgerühmten Manichäerbischof Faustus von wurde (Conf. VII, 20) und erst die Heilige
Mileve (in Numidien) (gest. um 400) bei einer Schrift als ›Rettung‹ erschien (Conf. VII, 21).
Unterredung als einen gebildeten Schwätzer, Von Platons Werk en lernte Augustinus aller-
der auf seine Glaubensfragen k eine befriedi- dings nur Phaidon und Timaios k ennen, ver-
gende Antwort geben k onnte (Conf. V, 3, 6). mutlich aus Zitaten Ciceros (Marrou 1949,
Er erhielt daher später in 33 Büchern Contra 34).
Faustum (397/398) die ihm gebührende Plotins Lehre von Gott als rein geistiger
›christliche Antwort‹. Substanz und vom Bösen als ›Nichts‹ k onnten
In dieser Phase des Umbruchs weisen be- jedoch auch noch mit gewissen stoischen
stimmte Zeichen auf den sich anbahnenden Grundzügen verbunden werden, so daß die
Wandel des Denk systems hin. Zu diesen ge- Umschichtung seines Denk systems nur ›dia-
hören das erneute Zusammenwohnen mit der lek tisch‹ zustande k am. Auch die Vermittlung
Plotins durch Porphyrius (ca. 234—301/305)
16.  Aurelius Augustinus (354—430) 263

wirft die Frage auf, ob Augustins Philosophie Als Spiegelbild aus dem ›Einen‹ hervorgegan-
nicht eher ‘neuplatonisch’ als ‘christlich’ zu gen, umfaßt der νοῦς die Welt der Ideen als
nennen ist (Grandegeorge 1896; Alfaric 1918; κόσμος νοητός. Bei Augustinus ist dies der
Theiler 1933; Barion 1935; Ritter 1937; Gar- ›mundus intelligibilis‹ (Ritter 1937), d. h. die
vey 1953; Dörrie 1962; Parma 1971). ›semantische Welt‹ (c. Acad. III, 19, 42). Für
ihn existieren diese ›Ideen‹ zunächst nur im
2.3.2.  Platons Zweiteilung der Realität in Geist des Schöpfers selbst (quaestio 83, Nr.
›Sinnliches‹ und ›Noetisches‹ (sensibile vs. in- 46), obwohl in der ›trina quaedam unitas‹ der
telligibile) wird bei Plotin in den Enneaden Trinität (De moribus I, 14, 24) und der die
(Schmalzriedt 1974, 3122 a—3123 b) zu drei ›veritas‹ k onstituierenden ›prima essentia‹,
Bereichen des Ἕν [Einen] umgestaltet: d. i. Gott, (De immortalitate animae XII, 19)
(I) Das Ἕν [Eine] ist als Grund von allem der Sohn diese ›intelligible Welt‹ ist (Scheel
Seienden dasjenige, um dessentwillen alles ist; 1901, 36). Dieser bewirk t als ›ewiger Logos‹
es ist insofern das ›Gute‹ und ›überseiend‹, und ›magister‹ die ›interior lux veritatis‹ auch
d. h. qualitätslos, unaussprechlich, absolut im erk ennenden Menschen (De mag. XII, 40;
einfach und daher ohne Selbst- und Fremd- XI, 38).
erk enntnis. Es ist ein alle Vorstellungen über- (III) Unterhalb des ›Noetischen‹ liegt das
schreitendes, in sich ruhendes göttliches ›Psychische‹, die Welt der Einzelseelen, die in
Höchstes, das sich nur in Form negativer bestimmten Fällen einer Dis- und Reink ar-
Prädik ationen beschreiben läßt. Insofern ist nation unterliegen und insofern ein depoten-
Plotins System zwar ein Monismus, zugleich ziertes Sein realisieren. Teils sind sie unaffi-
jedoch eine Transformation der ἀόριστος zierbar, teils den Affek ten unterworfen, in-
δυάς [unbestimmte Zweiheit], die dann nach sofern sie im Somatischen wirk en. Sie enthal-
einer ›Bestimmung‹ auch wieder ›zerfallen‹ ten λόγοι [Begriffe], die Transformation der
k ann. Dem ›Einen‹ Plotins entspricht in der ›Ideen‹ in das Sprechbare. Diese Stufe ist das
mittleren Stoa (z. B. bei Poseidonios) das Ἕν vermittelnde Glied (III) zwischen dem wahren
καὶ πᾶν [Eine und Ganze], das als πνεῦμα Sein (II) und dem schlechthin Schlechten der
[Geist] bereits eine Synthese von Geist und nächsten Stufe (IV). Das ternäre Modell des
Stoff und das ›Göttliche‹ in der Welt ist. Es ›dictum‹ bei den Stoik ern wird durch diesen
ist an sich gestaltlos, wandelt sich aber in Ansatz deutlich transformiert. Für Augustins
alles, in das es will, indem es sich ihm an- manichäischen Hang in der Frühphase
gleicht. Auf dieser Ebene des platonischen k onnte Plotins Ontologie durchaus eine Va-
›Über das Sein hinaus‹ (Parm. 137 c 4— riation der Kosmologie Manis bilden, bei der
166 c 5) k onnte daher Augustinus Gott anset- das stoische Zeichenmodell zugleich ›aufge-
zen, bei dem er, in Konsequenz seiner Semio- hoben‹ ist.
tik (Güttgemanns 1983, 148 ff), in einer ›theo- (IV) Ganz unten befindet sich das ›Sinnliche‹,
logia negativa‹, sogar das Aussagen seiner d. h. der materielle Stoff, den das Psychische
›Unaussprechlich
k eit‹ unmöglich findet mittels der Begriffe ›formt‹. Es ist die unterste
(doctr. chr. I, 6), um in eben dieser Aporie die Stufe abnehmender Vollk ommenheit und zu-
stoische Auffassung des ›dictum‹ mit dem nehmender Vielheit und insofern in Opposi-
neuplatonischen ›Über-Sein‹ zu verbinden. tion zum reinen Sein (II), das dem ›Einen‹ (I)
Gott ist für ihn das höchste, absolut einfache näher ist. Der rein sinnliche Stoff ist in Op-
Sein (Civ. Dei XI, 10, 1; De trin. VI, 4, 6). position zum noetischen, urbildlichen Stoff
(II) Das ›Noetische‹ im engeren Sinne (νοῦς, das Prinzip des Bösen, indem er reine Priva-
intellectus, spiritus) entspricht dem ›wahrhaft tion und damit Unbestimmtheit ist. Im
Seienden‹ bei Platon (zu dessen Semiotik : De scheinbaren Monismus Plotins liegt ein Dua-
Lacy 1986), also den ›Ideen‹, aber auch dem lismus verborgen, der für Augustinus in Ge-
Demiurgen. Da nach Platon (Soph. 248 e 6) stalt einer Kombination von Platon und Mani
den Ideen Denk en und Leben zugesprochen die Abk ehr von der ›concupiscentia carnis‹
werden muß und da nach Aristoteles (Oehler der Jahre vor der ›Bek ehrung‹ und die Hin-
1981; Oehler 1982) die ›noetischen Gegen- wendung zur auch noch manichäisch mitbe-
stände‹ mit dem auf sie gerichteten Denk en dingten Askese anbahnte.
identisch sind, existieren nach Plotin die Ideen
nicht außerhalb des Intellek ts. Semiotisch ge- 2.3.3.  Diese Entfaltung von ›Stufen des Seins‹
sprochen, sind sie das rein intelligible Signi- nennt Plotin ‘Emanation’: Ein zeitloses Aus-
fik at, das im eigentlichen Sinne das ›Sein‹ ist. strahlen des Noetischen aus dem ›Einen‹, des
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Psychischen aus dem Noetischen und des Mund, die Nase, die Ohren und die Augen
Stoffes aus dem Psychischen. Obwohl dabei (Conf. X, 31—34), hinführt, für Augustinus
eine Depotenzierung des Seins stattfindet, zu einem Problem werden mußte, bei dem die
vermindert die Emanation das Emanierende ganze ›Gespaltenheit‹ des Menschen offen-
nicht, weil das ›Eine‹ dem ›Vielen‹ immanent k undig wird. Wohl nur noch bei Søren Kier-
bleibt und weil jede ›Hypostase‹, sich rück - k egaard (1813—1855) k ann eine ähnliche,
wendend, auf ihre Quelle schaut. Diese ›spe- psychosemiotisch bedingte, ›Gespaltenheit
culatio‹ ist zwar notwendig, aber weder ge- der Seele‹ festgestellt werden (Güttgemanns
plant noch gewollt. 1989).
Für Augustinus ergab sich auf dieser
Grundlage die auch der stoischen Grund- 2.4. Die ›Bekehrung‹
schicht entsprechende Kernfrage nach dem
Verhältnis zwischen Gott und Seele (De ordine 2.4.1.  Durch diese ›Stürme‹ auf einen gewis-
II, 18, 47): „Deum et animam scire cupio, sen Punk t vorbereitet, k am es allmählich zur
nihil plus [...] nihil omnino“ (Soliloqu. I, 2, ›Bek ehrung‹ (Herbst 386) (Flasch 1980, 41 ff),
7). Aus dieser Frage wurde eine neue Litera- die auf dem beschriebenen Hintergrund zu-
turgattung, die der Autobiographie geboren nächst k aum etwas anderes war als der Be-
(Misch 1950), in der die Analyse der eigenen schluß, jeden Coitus zu vermeiden (Soliloqu.
Seele als ›Innenschau‹ (Conf. X, 8) auch die I, 10, 17; De beata vita I, 4; De util. cred.
bedrängende Gottesfrage lösen hilft (Conf. X, VIII, 20; Flasch 1980, 49). Angeblich dem
17, 24, 26). Hatte Augustinus vorher unter Manichäismus hin zur Lek türe der Heiligen
der Qual gelitten, wie abhängig die Seele vom Schrift entflohen (Conf. VIII, 12; vgl. Röm
Körper sei (De quantitate animae XV, 26), so 13, 13 f; 14,1), bleibt dieser im Entschluß zum
setzt sich jetzt allmählich die Überzeugung Mönchtum immer noch sichtbar, obwohl da-
von der Selbständigk eit der Seele vom Leib bei zugleich auch von ask etischen Tendenzen
durch (Flasch 1980, 40 f), indem die ternäre des Paulus selbst gespeist (1. Kor 7,1).
Relation Wahrheit — Gott — Seele bestim- Allerdings ist diese Beschreibung im Sinne
mend wird (Flasch 1980, 55—86). So entsteht einer Psychosemiotik auf der einen Seite noch
die spezifisch augustinische Anthropologie zu oberflächlich, will Augustinus doch den
(Dink ler 1934), aber auch seine Ethik (Maus- Aufstieg zu Gott (Conf. X, 40) innerhalb der
bach 1929), als Praxis der Liebe (›amor Dei‹) ›loci memoriae‹ [Orte des Gedächtnisses] in
(Arendt 1929), um derentwillen auch die Con- Stufen suchen (Conf. X, 8), um Gott ›attin-
fessiones geschrieben sind (Conf. XI, 1). Sie gere‹ [berühren] zu k önnen (Conf. X, 17). So
bilden eine Neubestimmung des Verhältnisses scheint Gott zunächst in der ›memoria‹ zu
von Wissen und Glauben (Gangauf 1850/54; sein (Conf. X, 24), obwohl dort eher der ›locus
Cushman 1950; Löwith 1954) sowie eine Ge- animae‹ [Ort der Seele] gefunden wird (Conf.
schichtstheologie (Wachtel 1960) mit ihrem X, 25), so daß Gott nirgends und zugleich
eigenartigen Zeitverständnis (Marrou 1950; überall ist (Conf. X, 26). Erst in der Umk eh-
Guitton 1933; Janich 1972), das die ›peregri- rung der Suche findet die Seele endlich ihren
natio animae‹ (Knauer 1957) mit dem semio- ›locus‹ in Gott, „quo colligantur sparsa mea“
tischen Problem der Zeitlichk eit der Signifi- [wo alles in mir Verstreute versammelt wird]
k anten angesichts des vor der Weltschöpfung (Conf. X, 40).
noch nicht an das Silbengesetz gebundenen Auf der anderen Seite aber ist die Mutter
›Sprechens Gottes‹ verk nüpft (Conf. XI, 6 f) Monnik a auch hier wieder ›imaginäre Mitt-
(Güttgemanns 1983, 148 ff). Diesen durch lerin der Enthaltsamk eit‹. Ihr Bild in Augu-
sein ›verbum aeternum‹ die Welt schaffenden stins Seele ist das einer Dienerin Gottes, deren
Gott stellt sich Augustinus nach dem Muster Gaben sich der Zuchtrute der Erziehung
des ›überseienden Einen‹ vor, das der Zeit und durch die Befehlsgewalt des eingeborenen
damit der Vergänglichk eit noch nicht unter- Christus verdank en (Conf. IX, 8). Alles hatte
worfen ist. Beide stammen offenbar aus dem sie von Gott gelernt, „docente te magistro
neuplatonischen ›Stoff‹, der nur als Negation intimo in schola pectoris“ [dem inneren Leh-
des Lebens empfunden werden k ann. In of- rer in der Schule des Herzens] (Conf. IX, 9).
fenk undiger Spannung dazu steht der ›stoi- Sie wuchs „pudice ac sobrie“ [züchtig und
sche Materialismus‹, so daß die nicht zu un- nüchtern] heran und sprach zu ihrem Ehe-
terdrück ende ›Fleischeslust‹ der unk euschen mann durch ihre ›mores‹, „quia sentiebat
Gedank en (Conf. X, 30), die immer wieder praesentiam tuam in corde eius sanctae con-
auf die ›aditus corporis‹ [Löcher des Körpers] versationis fructibus testibus“ [weil er ange-
(Güttgemanns 1983, 151 ff), also auf den
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sichts der Früchte dieses heiligen Wandels neben erzählte ein anderer Freund, Ponticia-
deine Gegenwart in ihrem Herzen fühlte] nus, von seiner Lek türe der Vita S. Antonii
(Conf. IX, 9). Die ›cubilis iniurias‹ [Unrechts- des Athanasius (295—373), die ihn in ›Ge-
taten des Ehebetts] ertrug sie in der Hoffnung, burtswehen des neuen Lebens‹ zur Wahl des
„ut in te credens castificaretur“ [daß er, wenn ask etischen Lebens ›entflammt‹ hatte (Conf.
er an dich glaubte, k euscher würde] (Conf. VIII, 6). Ciceros Hortensius hatte zwar schon
IX, 9). Ursprünglich der ›Lust des Mundes‹, immer die Verschmähung von Erdenglück als
einfaches Tischwasser zu trink en, sogar bei Weg zur ›sapientia‹ empfohlen, aber dieser
größtem Durst abgeneigt, hatte sie sich all- Weg war von Augustinus immer wieder ›ver-
mählich „quibusdam superfluentibus aetatis schoben‹ worden. Jetzt, angesichts der ›nar-
excessibus“ [im Mutwillen ihres Alters] dazu ratio lectionis‹ seines Freundes, begegnete er
verleiten lassen, heimlich sogar volle Becher endlich seiner eigenen Imago. Gott rück te sie
Wein zu trink en und war dafür von einer ihm mit Gewalt vor Augen und erschütterte
Magd als ›meribibula‹ [Säuferin] gescholten ihn damit: er k onnte sich selbst im ›Herzens-
worden. So hatte Gott die Krank heit der spiegel‹ nur noch als häßlich, schmutzig und
einen Seele durch die einer anderen geheilt nack t sehen, was eine furchtbare Scham
(Conf. IX, 8) und damit Augustinus, dem weck te (Conf. VIII, 7). In diesem Ablauf sind
Sohn, eine Imago vorgegeben, wie der Weg Züge des Narzißmus (Kohut 1971) unver-
seiner eigenen ›Heilung‹ aussehen könnte. kennbar.
Diese ›imago matris‹ [Bild der Mutter] Durch dieses ständige Insistieren auf der
steigt in ihm angesichts des Themas ›Tod der Lek türe des ›Gramma‹ genügend vorbereitet,
Mutter‹ auf (Conf. IX, 8) und führt sofort brach endlich der ›Seelenk ampf‹ im Mailän-
zum ›mystischen Gespräch mit der Mutter‹ der Garten als Zwiespalt des Willens aus
(Conf. IX, 10). Aus der Körperwelt langsam (Conf. VIII, 8 f), der im ›Todesk ampf des al-
emporsteigend, die neuplatonische Emana- ten Menschen‹ die ›imago castitatis‹ [Bild der
tion quasi umk ehrend, gelangen beide zur Er- Keuschheit] vorstellte (Conf. VIII, 11). Das
k enntnis, daß die fleischliche Sinneslust im Seelenauge sah sie, brach in Tränen aus, nahm
Vergleich mit den Wonnen göttlichen Lebens die Heilige Schrift, und die ›intentio digiti‹
k einer Erwähnung wert ist. Das ›os cordis‹ [Intention des Fingers] fand den ›locus casti-
[Mund des Herzens] trank so aus den daher- tatis‹ bei Paulus. Der Entschluß stand fest
strömenden Wassern der Quelle Gottes (Conf. und mußte sofort der Mutter zu deren Freude
IX, 10). Die neuplatonisch gefärbte ›fruitio erzählt werden (Conf. VIII, 12). Das Lehramt
Dei‹ [Genuß Gottes] überwältigt die ›concu- des Rhetors wurde mit einem Rück zug auf
piscentia carnis‹ [Begierde des Fleisches], weil das Landgut Cassiciacum aufgegeben (Conf.
sie der bessere Genuß ist. Die sich anbah- IX, 2), die Taufe in der Osternacht 387 durch
nende Ask ese Augustins bedeutet k eineswegs Ambrosius empfangen (Conf. IX, 6), bevor
die radik ale Verleugnung des Lust-Zieles, son- der Tod Monnik as und die k lösterliche Ab-
dern seine höchste Bejahung. ›Mit der Mutter geschiedenheit in Thagaste (388—391) diese
in mystischer Vereinigung sprechen‹ läuft par- totale Loslösung der Seele vom Somatischen
allel zu dem Sprechen mit Gott im ›Innersten abschloß (Conf. IX, 4, 11). Klarer hat k ein
der Seele‹. Verräterischer k ann sich das Ego Schriftsteller ausgedrück t, wie allein das ›Ima-
Augustins gar nicht äußern, denn ‘Gott’, ginäre‹ dem Begehrensziel zum Durchbruch
‘Mutter’ und ‘Seele’ sind hier zu einem ge- verhilft, ›Grammatologie‹ (Derrida 1967 b;
meinsamen semantischen Feld vereinigt. Derrida 1967 a) und ›Psychagogik ‹ bringen
das Sprechen zum Verstummen und geben der
2.4.2.  Der neuplatonisch gefärbte Presbyter ›veritas vitae‹ [Wahrheit des Lebens] die Lek -
Simplicianus, später Bischof von Mailand türe des ›Gramma‹, durchaus noch im Kern
nach Ambrosius, wies Augustinus den ›Lo- stoisch, vor: Die stoisch-materielle ›vox‹ wird
gos‹ von Joh 1,1—14 als Zugang zum νοῦς, dort zum ›flatus vocis‹ [Hauch der Stimme]
dem ewigen Logos-Gott (Civ. Dei XIX, 29, und zum ›signum mortis‹ [Todeszeichen], wo
2), sowie die Wichtigk eit der Lek türe der Pau- sie vergessen hat, daß sie lediglich eine Ent-
lusbriefe auf (Conf. VII, 21, 27; c. Acad. II, zifferung der Welt ›eingeschriebener Signifi-
2), was ihm zugleich die ›Philosophie‹, das k anten‹ ist. Eine Theologie der ›viva vox‹ ist
ursprüngliche Begehrensziel, endlich er- danach jedenfalls unmöglich geworden, weil
schloß, insofern Paulus die Ehelosigk eit der sie dem Hauch der Stimme mehr ›Leben‹ ent-
von Augustinus immer noch bevorzugten Ehe nehmen will als dem ›höchsten Sein‹, dessen
den Vorrang einräumte (Conf. VIII, 1). Da- Ausgang und Ziel das ›Über-Sein‹ ist.
266 II. Personen

2.5. Die Spätphase: Theorie des Sakraments sak ramental einsetzt, dann geschieht ›rei ge-
und Gnadenlehre stae commemoratio‹ so, daß das ›Andere‹ des
Signifik anten in der Signifik ation als ›intelli-
2.5.1.  Durch Bischof Valerius von Hippo Re- gibile‹ in Heiligk eit zu verehren ist (ep. LV, 1,
gius (Numidien) 391 überraschend zum ›Pres- 2). Zu dem k örperlich-materiellen ›elemen-
byter‹ (Priester), 395 zum Mitbischof geweiht, tum‹, dem ›visibile verbum‹, tritt das ›verbum‹
trat Augustinus dessen Nachfolge an. Die ›et fit sacramentum‹ (in Joann. LXXX, 3).
letzte Periode seines Denkens begann. Allerdings gilt dies nur innerhalb der Kirche;
Die abschließende Auseinandersetzung mit gegen die Donatisten ist über die Sak ramente
dem Manichäismus (bis 400), der Versuch der zu behaupten: „extra ecclesiam non valent ad
Überwindung des donatistischen Schismas in salutem“ (De bapt. IV, 17, 24). Trotz aller
Nordafrik a, der Kampf gegen den Pelagianis- Paradigmenwechsel wird das stoische Grund-
mus (411—430) (Bonner 1972) sowie die mo- erbe auch bei so hochtheologischen Themen
nastische ›stabilitas loci‹ bestimmten fortan immer wieder sichtbar: Eine Semiotik der Sa-
das zur Ek k lesiologie (Hofmann 1933) ten- k ramente k ann wohl ohne es nicht gedacht
dierende und die Sünden- und Gnadenlehre werden.
voll entwick elnde Denk en Augustins. Wäh-
rend der Belagerung der Stadt Hippo Regius 2.5.2.  Pelagius (gest. nach 418), ein britischer
durch die Vandalen unter Geiserich, die als Ask et, äußerte sich ebenfalls zum Thema
›signum finis imperii Romani‹ empfunden ›Sünde‹ (Lorenz 1961). Obwohl mehrfach,
wurde (Fischer 1948), starb Augustinus, somit auch unter Mitwirk ung Augustins auf Syn-
selbst im Tode noch ein ›signum finis anti- oden verurteilt, stimmte er in vielen Punk ten
quitatis‹, das zugleich alle Keime einer neuen mit Augustinus überein. Sein Anti-Mani-
Epoche enthielt. chäismus, der Radik alismus der Bergpredigt
Donatus von Casae Nigrae, Bischof von mit ihrem ›Gesetz der Vollk ommenheit‹, die
Carthago (ab 316), hatte die in Todsünde Pflicht der Laien, sich gegenseitig ›Seelenfüh-
vollzogenen Sak ramente für unwirk sam er- rer‹ zu sein, das Vorgegebensein der Gnade,
k lärt und eine auf einen ohne Todsünde le- alles dies sind Punk te, in denen ein Konsens
benden Klerus aufbauende Kirche gegründet, möglich sein mußte. Nach Pelagius gibt der
der man aus der ›ecclesia catholica‹ nur durch gerechte Gott das Gesetz wegen der ›possi-
eine Wiedertaufe beitreten k onnte. Es ging bilitas boni‹ beim Menschen, dem eine ›na-
also um die Realisierung eines Heiligk eits- turalis quaedam sanctitas‹ möglich ist (ep.
ideals, bei dem auch das Martyrium als Merk - Demetr. 4). Sünde ist ›non naturae delictum,
mal der wahren Kirche propagiert wurde. Ob- sed voluntatis‹, also eine freie Tathandlung,
wohl an sich in bestimmten Punk ten Augu- so daß sündenlose Menschen möglich sind.
stinus geistig verwandt, trat dieser ab 399 Ihnen ist die Gnade ein Vorgegebenes, das in
offen für den Einsatz staatlicher Gewalt gegen der Willensentscheidung ak tualisiert oder ver-
diese Häresie ein. Aber theologisch k onnte fehlt wird. Die Gnade Gottes läßt Seinsge-
die Forderung persönlicher Heiligk eit von setzlichk eit und Sollensgesetzlichk eit zusam-
ihm gar nicht abgelehnt werden; er baute sie menfallen. Die ›Erbsünde‹ ist nur eine sündige
in eine Ek k lesiologie ein, in der die Kirche, Gewohnheit und eine Nachahmung Adams,
allerdings erst im Eschaton der ›Vollk ommen- womit zugleich die Notwendigk eit der Kin-
heit‹, ihre geschichtlich bedingten Mängel dertaufe geleugnet wird. Christi Heilsbedeu-
überwindet (Karpp 1958). Die Kirche ist zwar tung liegt allein in der Sündenvergebung.
einerseits ›Domini corpus verum‹, anderer- Da Augustinus seine Auffassung von
seits jedoch ›permixtum‹ (doct. christ. III, 32, Sünde und Glaube infolge seiner Erfahrungen
45); dazu gehört auch die ›Amtsheiligk eit‹ der geändert hatte, k onnten seine Gnadenlehre
Priester (c. litt. Petil. II, 48, 112). Die Sak ra- und seine Überzeugung von der Unfreiheit
mente sind für Augustins immer wieder se- des Willens nach dem Sündenfall diesen
miotisch orientiertes Denk en ›sacra signa‹ Punk ten nur widersprechen. Für den paradie-
(Civ. Dei X, 5). Sie bleiben im Kern stoisch sischen Zustand Adams vor dem Sündenfall
bestimmt: Die ›corporalia sacramenta‹ sind bestand dank der Hilfe der Gnade das ›posse
›quasi verba visibilia‹ (c. Faust. XIX, 16) oder non peccare‹ (De corrept. XII, 33). Der Sün-
›signacula quidem rerum divinarum visibilia‹, denfall war jedoch das Verlassen der Gnade,
in denen allerdings die ›res ipsae visibiles‹ so daß auch der Mensch verlassen wurde (De
verehrt werden (cat. rudibus XXVI, 50). Wenn corrept. XI, 31): Als ›mors animae‹ (Civ. Dei
man die k örperlich-sensiblen Signifik anten XIII, 2) trat die Selbstliebe an die Stelle der
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Gottesliebe (sermo 96,2). Die Sünde ist somit (386/387), De immortalitate animae (387), De
ein ›motus aversionis‹ und ein ›motus defec- quantitate animae (388), De musica (387/389),
tivus ex nihilo‹ (De lib. arb. II, 20, 54). Da in De libero arbitrio (388/395), De magistro
Adam gemäß Röm 5, 12 alle gesündigt haben (389); De mendacio (395); Confessiones (396/
(De pecc. mer. I, 23, 33), ist die ›Erbsünde‹ 398); De doctrina christiana (396/426); De Tri-
die gänzliche Unfähigk eit zum Guten (De div. nitate (399/419); De catechizandis rudibus
quaest. I, 2, 16). Alle Menschen werden ge- (400); De Genesi ad litteram (401/414); De
zeugt und geboren ›ex malo concupiscentiae‹ spiritu et littera (412); De Civitate Dei (413/
(De nupt. I, 24, 27) und befinden sich im 426); Contra mendacium (420) und Enchiri-
›status corruptionis‹: Sie sind getrieben von dion (423). Von der bisherigen, auf denselben
der ›consuetudo satiendae insatiabilis concu- Quellen beruhenden Darstellung vorbereitet,
piscentiae‹ (Conf. VI, 12, 22), d. h. von jener sollen jetzt wenigstens die Grundzüge der
›libido‹, „qua obscenae partes corporis exci- sprachphilosophischen Systematik dargestellt
tantur“ (Civ. Dei XIV, 16), die als Folge des werden.
Sündenfalls aufgetreten ist (De pecc. mer. II, Das Sprechen ist zunächst ein Instrument
22, 36). Dieser unübersehbare Zug des Anti- des begehrenden Willens und insofern ein ›sig-
sexuellen ist wohl doch ein Rest aus einem num desiderii‹.
unüberwundenen Manichäismus (Harnac
k Ähnlich wie später Sigmund Freud (1856—
1891, 191 Anm. 3; dagegen: Loofs-Aland 1939) (Güttgemanns 1983, 263—312) geht
1953, 307 Anm. 9); auch geht der Neuplato- Augustinus von der prägenden Ursituation
nismus in die Gnadenlehre ein (Loofs-Aland des ›in-fans‹ aus, das allmählich das Sprechen
1953, 314—330). Wurde der Glaube vorher lernt. Die ›Lust des Mundes‹, durch Speise
von Augustinus als ›a nobis in nobis‹ betrach- für ›oris aditus‹ gefüttert zu werden, nach
tet, so ist das ›posse credere‹ nunmehr bedingt Freud die älteste ›orale Triebregung‹ (Freud
durch das Zuvork ommen des ›praecomium XIV, 13), verlangt nach Muttermilch und gibt
veritatis‹ (De praed. III, 7). Da alles Gute von deshalb ›signa‹, die voluntates [Begehrungen]
Gott allein k ommt (De lib. arb. II, 19, 50), ist zum Ausdruck bringen sollen. Werden sie
die ›fides‹ als ›donum Dei‹ inspiriert (De div. nicht erfüllt, entsteht als ›motus‹ der Zorn.
quaest. I, 2, 9), so daß man Gott nur um den So lernt der Mensch die Zeichen, um sensa
Glauben bitten k ann (Soliloqu. — I, 1, 5). [Gefühle] anderen k undzutun (Conf. I, 6). Ob-
Die Gnade wird ›gratis‹ gegeben (enchir. 107) wohl das infans darin ›sündig‹ ist (Conf. I, 7),
und ist ›irresistibilis‹ (De corrept. XII, 38). lernt es das Sprechen zum Zweck e der
Auch das Durchhalten des Glaubens (perse- Wunscherfüllung (Conf. I, 8): Das Saugen-
verantia) ist ein Gnadengeschenk (De corrept. wollen wird zum Schrei, dann zum Lachen
XII, 33), das an die Stelle der bösen Begierde im Schlaf, zum Strampeln des Körpers als
eine ›concupiscentia bona‹ treten läßt, indem ›gestus‹, zum Weinen bei Verweigerung, und
der Heilige Geist die ›caritas‹ in die Herzen das Gebet zu Gott in der „commemoratio“
ausgießt (De spir. et litt. IV, 6). Die ›gratia von Gottes bisherigem Erbarmen k ann sich
remissionis liberans‹ und die höhere ›gratia anschließen (Conf. I, 6).
adiuvans‹ (expos. quarund. XIII, 44) bewirk en Die unbeständigen, sinnlichen und zeitli-
deren Wollen durch Gottes Berufung (quaest. chen ›res‹ entspringen den ›sempiternae ratio-
83, Nr. 68,5). nes‹ als den ›immutabiles origines‹. Gottes
Lachen über die k indische Frage nach dem
›Wo‹ Augustins vor der Schwangerschaft sei-
3. Sprache als ›signum desiderii‹ ner Mutter (Frage nach dem ›locus ultimus‹)
wird im Lobpreis beantwortet unter Verwen-
3.1.  In verschiedene Werk e verstreut, die zu- dung des ›syllogismus coniecturae‹ aus der
sammenhängend als Text interpretiert gehö- Beobachtung anderer und aus der Autorität
ren (Güttgemanns 1983, 101—170), gibt es unwissender Weiber. So macht Gott den
trotz ständig sich ändernder Denk figuren eine Mund der infantes gemäß Mt 21,16 und Ps
innere Systematik der sprachphilosophischen 8,3 ›disertus‹ [beredt] (vgl. Quintil. X, 7, 15),
Äußerungen Augustins. In dem überaus um- indem das menschliche Sprechen in der ›Rhe-
fangreichen Oeuvre (Loofs-Aland 1953, XI torica ad Deum‹ enden muß (Conf. VIII, 5).
bis XIII; Altaner-Stuiber 1966, 419 ff) finden Das noch zu stark ›somatisch‹ an endlichen
sich deren Quellen vor allem in folgenden, in Begehrenszielen orientierte menschliche
chronologischer Reihenfolge angeordneten Stammeln soll sich von diesen lösen und die
Werk en: Contra Academicos (386), Soliloquia ›concupiscentia bona‹ lernen, indem es an-
hand der Zeitlichk eit der Signifik anten und
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ihrer Ziele die ›Überzeitlichk eit des ewigen den ›signa‹ glauben; vielmehr verzweifelte er
göttlichen Signifik ats‹ lernt. In diesem Ge- an ihnen (De magistro; Güttgemanns 1983,
dank engang sind stoisches Erbe, manichäi- 162 ff). Die stets an ›Grammata‹ orientierte
scher Dualismus und neuplatonischer Monis- vita activa suchte die ›Lust am Text‹ (Barthes
mus in einem neuen Sprachmodell ›aufgeho- 1973). Zwischen dem Angebot der Texte hin-
ben‹, das als letztes Begehrensziel ein ›Spre- und hergerissen, blieb ihr schließlich nur das
chen‹ will, das irdisch niemals erreichbar, son- ›desiderium Dei‹ als ›letzte Lust‹, durch die
dern nur als ›göttliche Erfüllung‹ zu hoffen Mutter vermittelt und zusammen mit ihr ›ge-
ist. Erstrebt wird ein ›Jenseits irdischer Signi- nossen‹. ›Signa‹ sind ›res‹, die wie alle anderen
fik anten‹, das die creatio Dei hinter den ›Sün- ›res‹ nur ›benutzt‹ (uti) werden dürfen, um
denfall‹ zurück führt und letztlich nur in einem zum ›Genuß‹ (frui) zu gelangen. Von allen
Sprechen Gottes selber enden k ann, das vor Genüssen dieser Welt enttäuscht, bleibt A.
der Schöpfung der Zeitlichk eit und damit dem nur die imago der ›fruitio Dei‹, zu dem das
Tod noch nicht unterworfen war. höchste Sein auch die Menschen benutzt.

3.2.  Die Prinzipien der Sprachk onstitution


leiten auch die Subjek tk onstitution. Augusti- 4. Literatur in Auswahl
nus unterscheidet systematisch zwischen ›ob- Adam 1931, Die geistige Entwicklung des hl. Au-
jek tiver‹ und ›subjek tiver‹ Wahrheit. Der gustinus.
Sprechak t der Lüge ist nur dann gegeben, Alfaric 1918, L’évolution intellectuelle de Saint Au-
wenn er nicht nur ›signa‹ oder ›significationes‹ gustin.
produziert, die nicht der ›cogitatio cordis‹ ent-
sprechen; vielmehr muß die ›cupiditas fal- Andresen (Hg.) 1962, Zum Augustin-Gespräch der
lendi‹ als systematischer Täuschungswille hin- Gegenwart.
zutreten, der die Welt zerstört (De mend. 3; Flasch 1980, Augustin.
Güttgemanns 1991). Die systematische Lüge Gilson 1930, Introduction à l’étude de Saint Augu-
›zerspaltet‹ als ›insinceritas‹ [Unaufrichtigk eit] stin.
den Menschen in ›duplex cor‹ und ›duplex Güttgemanns 1983, fragmenta semiotico-hermeneu-
cogitatio‹. Sie mißbraucht die ontologische tica.
›Schwäche‹ der Signifik anten zur Schöpfung Güttgemanns (Hg.) 1991, Das Phänomen der ›Si-
einer antigöttlichen Gegen-Welt. Diese enge mulation‹.
Verk nüpfung zwischen der Konstitution der Simon 1954, Aurelius Augustinus. Sein geistiges
Signifik anten und der Konstitution des ›Ego‹ Profil.
bedingt einerseits die mit Augustinus begin- Thimme 1929, Augustins Selbstbildnis in den Kon-
nende Geschichte der abendländischen ›Sub- fessionen.
jek tivität‹, andererseits aber auch die ›k onfes-
Vance 1986, Augustine, in Encyclopedic Dictionary
sorische Autobiographie‹, die erst recht dazu
of Semiotics 1, Sebeok (Hg.).
verleiten k ann, nicht nur ›insincerus‹ gegen-
über den Lesern, sondern auch noch gegen- Quellen zitiert nach:
über sich selbst zu sein: Das ›Image‹, der Migne, Patrologiae cursus completus, series latina,
Schein des Sein-Wollens, bricht mit Augusti- vol. 32—47 (= Augustini opera omnia, 1861—
nus in die Literaturgeschichte ein, wobei er 1862).
die Probleme seiner eigenen Subjek tk onsti- Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum (Au-
tution nicht hat verbergen können. gustini opera, sect. 1—3, 5—8, 1887 ff).
›To be honest to oneself‹ im Angesicht des St. Augustine’s Confessions I—II (Hg. u. Übers.
Angebots der ›Schulen‹ leitete den Lebensweg Watts 1631, Loeb Classical Library).
Augustins auch in seinen literarischen ›Gram- Aurelius Augustinus, Der Lehrer — De magistro
mata‹. Gleichwohl mußte das Begehrensziel (Hg. u. Übers. Perl 31974).
der ›sinceritas‹ bei einem so ›zerspaltenen‹
Denk er letztlich scheitern, k onnte er am Ende Erhardt Güttgemanns, Bonn (Deutschland)
doch nicht mehr an die den Tod überwinden-
17.  Bhartṛhari (ca. 450—510) 269

17. Bhartṛhari (ca. 450—510)

1. Introduction name in the tradition of Sansk rit grammar.


2. Summary of the Vākyapadīya While there are still debates concerning his
3. Assessment of Bhartṛhari’s contribution to date, it now seems fairly certain that he must
philosophy of language be placed about 450—510 A. D. (Iyer 1969,
4. Selected references 2). He was k nown as a historical person of
great fame to the Chinese traveler I-ching,
and was apparently used as a source by the
1. Introduction Buddhist logician Dignāga (ca. 480—540).
Bhartṛhari’s teacher was Vasurāta (ca. 430—
1.1. Bhartṛhari’s predecessors 490) who was evidently a student of the well
k nown Buddhist grammarian and philoso-
The history of the famous Pāṇinian tradition pher Candragomin. We also k now of a poet
of Sansk rit grammar begins with three lumi-
naries, i. e. Pāṇini (ca. 400 B. C.), Kātyāyana Bhartṛhari who composed the famous Śa-
(ca. 250 B. C.) and Patañjali (ca. 150 B. C.). takas [one hundred verses] each on the topics
Pāṇini, the founder of the school, composed of nīti [worldly ways of behavior], śṛṅgāra
the well k nown Sansk rit grammar named Aṣ- [love] and vairāgya [renunciation]. It cannot
ṭādhyāyī. Kātyāyana wrote brief comments yet be conclusively decided whether the poet
on the Aṣṭādhyāyī called Vārttikas. Finally, Bhartṛhari was the same as the grammarian-
Patañjali composed a massive commentary on philosopher. While some scholars attribute
Pāṇini’s Aṣṭādhyāyī and on Kātyāyana’s the authorship of the poem Bhaṭṭikāvya to
Vārttikas. This commentary is k nown as the Bhartṛhari, this is not generally accepted.
Mahābhāṣya. Pāṇini’s work provides us rules Bhartṛhari’s extant work s on grammar are as
for the derivation of Sansk rit sentences and follows:
tak es care of the domains of syntax, mor- (1) Mahābhāṣyaṭīkā (-dīpikā?)
phology and phonology. It uses meanings as (2) Vākyapadīya (kārikā), Kāṇḍas I, II and
the starting point for derivation and as con- III. This work is also called Trikāṇḍī.
ditioning factors in many rules. However, this (3) Vṛtti on Vākyapadīya I and II
great grammar does not provide us any direct A fourth work , Śabdadhātusamīkṣā, is k nown
access to Pāṇini’s philosophy of language. from references in other work s, but is not
Generally, it can be said that Pāṇini was not available today. The first work is a commen-
interested in having philosophical issues be- tary on Patañjali’s Mahābhāṣya. In its origi-
come part of a grammatical work . However, nal form, it must have been a voluminous
Kātyāyana and Patañjali bring up significant work , but we now have only a fragment of
issues concerning the philosophy of language this commentary available in a single manu-
and discuss them alongside the issues of der- script. It covers only the first 53 rules of
ivational procedures. Essentially, in the work s Pāṇini’s Aṣṭādhyāyī. Kaiyaṭa (11th century)
of these two grammarians, we see the begin- relied upon this work of Bhartṛhari in writing
ning of two distinct but related analytical his own commentary on the Mahābhāṣya
traditions, namely the tradition of deriva- called the Pradīpa. The surviving fragment of
tional grammar (śabdaprak riyā) and the tra- Bhartṛhari’s commentary, now available in
dition of dealing with meaning (arthaprak - several editions, shows great erudition on the
riyā). There are philosophical issues which part of its author and helps us reconstruct
concern both of these traditions, but in these the state of grammatical exegesis about 500
early work s, philosophical issues are not A. D. Though philosophical issues are raised
clearly separated from other concerns (s. while discussing the text of the Mahābhāṣya,
art. 5). this commentary is not an exclusively philo-
sophical text. The main contribution to phi-
1.2. Bhartṛhari and his works losophy of grammar and philosophy of lan-
It is in the work of Bhartṛhari that we see a guage is found in the Vākyapadīya and its
full development of the philosophical issues commentary Vṛtti (found only on the first
within the tradition of grammar. After Patañ- two chapters). The first chapter or ›k āṇḍa‹ is
jali, Bhartṛhari is the next most prominent called ‘brahmak āṇḍa’ or ‘āgamak āṇḍa’. The
second ›k āṇḍa‹ is called ‘vāk yak āṇḍa’, and
270 II. Personen

the third is called ‘padak āṇḍa’, ‘prak īrṇa’ or Śarmā. It covers the entire Vākyapadīya
‘prak īrṇak a’. Often the first two chapters While the date of Puṇyarāja is uncertain, He-
were traditionally considered to constitute the lārāja belonged to the earlier part of the elev-
Vākyapadīya (= VP), and the third chapter enth century A. D. The date of the commen-
was considered to be a separate work . How- tator Vrsabhadeva is still not certain though
ever, there is some evidence (i. e. VP II, 488) he is most probably pre-Kumārila. Besides
to show that the third chapter is an integral these, there is a commentary called Vākya-
part of the Vākyapadīya. While the text differs padīyaprameyasaṅgraha by an unk nown au-
slightly according to different published edi- thor covering the second chapter of the Vāk-
tions, according to the critical edition of the yapadīya. This is really an abridgement of the
verse portion of the Vākyapadīya published commentary usually ascribed to Puṇyarāja.
by Wilhelm Rau in 1977, the first and the
second chapters have 183 and 490 verses, 1.4. The historical context
respectively. The third chapter, which is di-
vided into 14 sections, has 1325 verses. All In the history of Sansk rit grammar, the po-
references to the verses of the VP in this sition of Bhartṛhari is unique. There is a long
article refer to Rau’s critical edition. Among hiatus in our k nowledge about the history of
all the scholars who have work ed on the Vāk- the Sansk rit grammatical tradition between
yapadīya, K. A. Subramania Iyer made the Patañjali and Bhartṛhari which can be filled
most voluminous contributions by editing all only with bits and pieces of information. We
the different chapters with various commen- are informed by Bhartṛhari (VP II, 481—487,
taries and translating the whole text with or by his student to whom this portion is
notes. His book (Iyer 1969), though some- ascribed by some) that an earlier work on the
what dated, remains the single most compre- philosophy of grammar was Vyādi’s Saṅ-
hensive study of Bhartṛhari’s contribution to graha. After this massive work fell into disuse,
the philosophy of language. Madeleine Biar- Patañjali composed his Mahābhāṣya which to
deau (1964) and Gaurinath Sastri (1959) are some extent performed the same function as
also important general work s discussing the Saṅgraha did in explaining the theoretical
Bhartṛhari’s linguistic philosophy. stance of the grammarians. However, the Ma-
hābhāṣya turned out to be an unfathomable
1.3. Commentaries on Bhartṛhari’s text and only a few accomplished scholars
Vākyapadīya. were able to understand the depth behind its
apparent simplicity. Also there were other
There are several commentaries on the Vāk- philosophers, interested in just plain hairsplit-
yapadīya, the oldest of which is called Vṛtti, ting, such as Baiji, Saubhava and Haryak ṣa,
Vivaraṇa or Ṭīkā. This commentary, in its who vehemently attack ed the Mahābhāṣya.
available form, covers only the first two chap- As a result of this situation, Patañjali’s dis-
ters with some significant gaps. Although it ciples lost the tradition of the Mahābhāṣya
is traditionally ascribed to Bhartṛhari himself, and the k nowledge of the back ground of
some manuscripts give the name of the author grammar, which came to be preserved only
as Harivṛṣabha. There is a commentary called in written form in South India. The proper
Paddhati by Vṛṣabhadeva on the ›k ārik ās‹ appreciation of the Mahābhāṣya was recov-
and ›vṛtti‹ of the first chapter. Another com- ered from these southern sources by Bhar-
mentary on the second chapter is traditionally tṛhari’s grand-teacher Candrācārya (= Can-
ascribed to Puṇyarāja. Some scholars have dragomin) who made the ›āgama‹ or the the-
argued that this commentary is most proba- oretical back ground k nowledge of grammar
bly a shortened version of a commentary by a subject of intellectual activity. Many details
Helārāja, who also composed the commen- about how exactly the Mahābhāṣya was trans-
tary Prakāśa on the third chapter. Of these mitted and revived are hotly debated by schol-
commentaries, the Vṛtti is traditionally con- ars, but the general outline is quite clear.
sidered as being not a commentary on the Bhartṛhari therefore represents not a contin-
Vākyapadīya, but an integral part of the Vāk- uous tradition going back to Patañjali, but a
yapadīya. However, modern scholars have revival. Along with his teachers, Bhartṛhari
raised doubts concerning the authorship of attempted to mak e sense of the theories of
the Vṛtti (for discussion, see Iyer 1969, 16 ff). Patañjali. The contemporary philosophical
There are several modern Sansk rit commen- traditions were used to develop further in-
taries of which the most noteworthy is the sights into linguistic theories. While he defi-
commentary Ambākartrī by Raghunātha nitely represents the Brahmanical tradition,
17.  Bhartṛhari (ca. 450—510) 271

in all probability he was in close contact with guistic diversity. Language is the vehicle of
the Buddhist tradition. Bhartṛhari’s date all human activity and the k nowledge of lan-
comes very close to a time when the Buddhist guage cannot come about without grammar.
schools of the Vijñānavāda and Madhya- Thus grammar is a gateway to salvation, a
mak a were flourishing, and the Brahmanical treatment for the defilements of language,
think ers were involved in developing their and the leading branch of k nowledge.
theories by tak ing into account the arguments Through the science of grammar as some-
of their philosophical adversaries. The Gram- thing including among other things a lan-
marians also took into account the philo- guage-based spirituality, one can attain to the
sophical ideas concerning language developed state of the highest language-reality (VP I,
by other Brahmanical schools such as the 11—22).
Mīmāṃsā and the Vaiśeṣik a schools (s. art.
5). Bhartṛhari also seems to have been in close 2.1.2. Issues concerning language
contact with Brahmanical schools professing
monistic idealism of some k ind. Bhartṛhari’s Bhartṛhari (VP II, 24—26) enumerates eight
thought as expressed in the Vākyapadīya un- major topics discussed in his work : (1) Mean-
mistak ably represents a k ind of linguistic mo- ings which are isolated through analysis, (2)
nism, a philosophy in which a language-prin- meanings which are in their natural pre-anal-
ciple stands ultimately as the source of the ysis state, (3) expressions which need to be
entire material existence. In the process of explained, i. e. the data, the subject matter of
such intense interactions, new ideas were grammar, (4) expressions which are instru-
grafted on the old and speculation concerning mental in derivation, which help in gram-
the role of language in every aspect was de- matical process, (5) cause-effect relation be-
veloped with full vitality. While the scope of tween expressions and meanings, (6) their fit-
Bhartṛhari’s work is truly encyclopedic, we ness to express certain meanings, (7) their
shall briefly consider some of Bhartṛhari’s ability to produce merit, and (8) their ability
major contributions. to express meaning. Bhartṛhari discusses (VP
I, 27—43) the importance of the tradition and
the necessity of relying on the inherited
2. Summary of the Vākyapadīya k nowledge in deciding non-mundane matters
such as acquisition of spiritual merit. The
2.1. The Brahmakāṇḍa tradition of grammar is also part of this tra-
ditional wisdom and the issues of correctness
2.1.1. The doctrine of language-reality: (sādhutva) and incorrectness (asādhutva) are
decided by referring to this hoary tradition.
Śabdabrahman
The first ›k āṇḍa‹ begins with an assertion that 2.1.3. Sphoṭa [real word] versus dhvani
the ultimate reality, Brahman, is the imperish- [physical sound]
able principle of language, without beginning
and end, and the evolution of the entire world From VP I, 44 onwards, Bhartṛhari begins
occurs from this language-reality in the form the technical discussion on the nature of lan-
of its meaning (VP I, 1). Though this lan- guage. Here we have the discussion of the
guage-reality is ultimately only one and in- sphoṭa doctrine for which Bhartṛhari is par-
divisible, through its manifold powers it ticularly well k nown (s. art. 43). The real word
seems as if it is differentiated (VP I, 2). (sphota) is to be distinguished from ›nāda‹ or
Through these powers, this single language- ›dhvani‹ [physical sound]. We are told how
reality becomes the seed for all multiplicity the real word which has no parts and se-
and exists in the form of the experiencer, the quence is revealed by the physical sounds.
experienced and the experience (VP I, 4). The Properties such as duration, speed and se-
Veda is the means of attaining the true state quentiality apply only to the manifesting
of this language-reality, and while it is one, it physical sounds and not to the manifested
is handed down in many traditions (VP I, 5). real word, which is conceived by the speak er
In order to propagate the k nowledge of the and perceived by the listener as a single unit.
Veda, the learned sages created the traditions By evaluating the properties of dhvani and
of remembered lore (smṛti). Grammar is the sphota discussed by Bhartṛhari, one can con-
foremost of the ancillary sciences dealing with clude that, in modern terminology, ‘sphoṭa’
the Veda, closest to that language-reality. It amounts to something lik e ›schema‹ or ›type‹
is the direct path to the attainment of the instantiated by the dhvani tok ens. The tok ens
highest blissful essence of the manifested lin- are uttered in order to reveal sphoṭa or the
272 II. Personen

type. This tok en-type or dhvani-sphoṭa rela- navāda). These views may be briefly ex-
tionship may be considered at the level of plained as follows:
individual sounds, words and sentences. View 1: A sentence primarily consists of a
verbal form, which constitutes the nexus of
2.1.4. Grammar the sentence. A verb form conveys its mean-
as a spiritual path to salvation ing, i. e. an action, as related to other con-
stituents of the sentence expressing the par-
Ultimately, the language-principle is related ticipants in that action (k ārak as) etc. (see VP
to and identical with the ultimate reality, II, 327).
Brahman. The possession of this language- View 2: A sentence is a collection (saṅghāta)
principle distinguishes the animate from the of words. Words convey their individual
inanimate. There cannot be any cognition meanings which are then interrelated (abhi-
without being formulated in language. The hitānvayavāda). In this view, a sentence has
language-principle resides within us and is divisible constituents (padas) right from the
identical with Brahman, the ultimate reality. outset which convey the same meaning in
Bhartṛhari’s effort to elevate grammar to the isolation as in a sentence (see VP II, 41—46).
status of not only a philosophical system but View 3: A sentence is not merely a particular
a spiritual path toward salvation is an elab- collection of words, an individual instance of
oration of ideas scattered in Patañjali’s work . language, but a universal that characterizes
Thus the first chapter briefly describes the many identical speech-instances. While an in-
purposes of studying grammar as a philo- dividual speech-instance is a divisible collec-
sophical and a spiritual system, the nature of tion of words, the universal pertaining to such
language and grammar in general terms, the speech-instances is indivisible (see VP II, 7—
general issues of semantics, and the impor- 16 and VP II, 56).
tance of relying on the tradition for true View 4: This view is similar to View 3 in that
knowledge. it holds a sentence to be an indivisible entity.
However, in this view, a sentence is not a
2.2. The Vākyakāṇḍa universal shared by identical-sounding
speech-instances. A sentence is an indivisible
2.2.1. Different conceptions of sentence particular instance. It is a particular, which
(vākya) has no constituents at the level of communi-
These different views are as follows: A sen- cation. It is viewed as being divisible on the
tence is defined variously by philosophers as level of analysis (see VP II, 56).
(1) a verbal form (qualified by the meanings View 5: A sentence is not a mere collection
of other sentence constituents), (2) a (con- of words but a particular sequence of words
nected) collection of words, (3) the universal (k rama). This view gives particular consider-
property residing in a collection of words, (4) ation to the sequential production and per-
one undivided expression, (5) a sequence of ception of a sentence (see VP II, 49—53).
words, (6) a unification in mind, (7) the first View 6: A real sentence is not a collection of
word (in which the meanings of the following words or their sequence, or some universal.
words are anticipated), and (8) all words ex- A sentence consists in mentally gathering into
pectant of other words. Some of these views one group sequentially perceived or cognized
are based on a belief in the indivisibility (ak h- entities. It is a conceptual construction in
aṇḍapak ṣa) of a sentence, while others are which the listener pulls together everything
based on the notion of its divisibility (k han- he hears in sequence. The speak er also has a
ḍapak ṣa). Among those views which hold a similar conceptual unit which has no sequen-
sentence to be divisible, some are based on tiality of its own. The sequence comes in only
the notion that the constituents of a sentence during the transmission (see VP II, 30—33).
first express their individual meanings and View 7: The first word of a sentence is the
these individual meanings then get intercon- focal constituent (ādyaṃ padam). The focal
nected (abhihitānvayavāda). Other views are word is considered as conveying not only its
based on the notion that the constituents of own lexical meaning, but also its potential
a sentence express interrelated meanings relationships to other words in a generic way.
which are simply connected to each other to The actual words which may follow this initial
form the meaning of a sentence (anvitābhidhā word successively constrain the potentialities
expressed by the initial word. Thus the func-
17.  Bhartṛhari (ca. 450—510) 273

tion of the rest of the sentence is to restrict could be more than one finite verb in a single
the potentialities conveyed by the first word sentence (VP II, 6; II, 445).
to a particular situation. This view may be
considered to fall within the theory of ›anvi- 2.2.3. Indivisible sentence (sphoṭa)
tābhidhānavāda‹ mentioned above (see VP II, and its indivisible meaning
47 f).
View 8: A sentence is a collection of words In verses VP II, 7—16, Bhartṛhari elaborates
which have mutual expectancy. If these words his idea that as a linguistic reality, as distinct
are tak en separately, then their mutual expec- from an object of grammatical study, a sen-
tancy is not fulfilled and they would seem tence in fact is an indivisible unit and so is
incomplete utterances. However, in a sentence its meaning. He mak es a distinction between
the mutual expectancies of the constituent real undivided cognitions of sentences in ac-
words are properly fulfilled, and hence a co- tual communication and their deliberate sub-
herent sentence-meaning is produced. This sequent divisions by grammarians through
view generally represents the theory of ›abhi- theoretical analysis. He compares this with a
hitānvayavāda‹ referred to earlier (see VP II, cognition of a patch of variegated color. This
47 f). is an undivided partless cognition which can
be subsequently analysed into its seeming
2.2.2. Definition of sentence in Mīmāṃsā components in terms of cognitions of differ-
and grammar ent colors and shapes (VP II, 7 f). Similarly,
a sentence is in reality an undivided whole,
The verses VP II, 3—6 discuss the definition complete in itself. However, it can be subse-
of sentence offered by Mīmāṃsā in compar- quently interpreted in terms of seeming com-
ison with that offered by the grammarian ponents which are words with mutual expec-
Kātyāyana. The Mīmāṃsāsūtra (II, i, 41) de- tancy. These words are not the real compo-
fines a sentence as: “an utterance serving a nents of the original sentence, which has no
single purpose, such that its constituent parts. Just as words are subsequently analysed
words, if separated from the sentence, remain as having stems and affixes, so is a sentence
expectant of other words”. The Mīmāṃsā subsequently analysed as having component
definition thus relates to a sentence as an words. But these components are not real.
expression communicating a single purpose Just as the word ‘vṛṣabha’ is not made up by
or a single complete idea, and does not stip- combining ‘v’ with ‘ṛṣabha’, similarly a sen-
ulate whether it may contain one or more tence is not made up by combining words.
verbs etc.. Bhartṛhari points out that this Since there are no divisions in a sentence, the
notion of a sentence differs from the notion meaning conveyed by a sentence has no di-
developed by the grammarian Kātyāyana for visions either. A person who does not k now
the purpose of explaining sentential accents the true nature of language considers divi-
etc.. Kātyāyana defines a sentence as a group sions of a sentence into its components
of words centered around one and only one through subsequent theoretical analysis as be-
finite verb. He considers the finite verb as the ing real (VP II, 9—14) (s. art. 63). Bhartṛhari
nexus of a sentence with other words such as criticizes the opinion of the Mīmāṃsak as and
the related indeclinables and words expressing others that the components of a sentence first
participants in the action expressed by the convey their general lexical meanings which
verb. With such a restricted definition, Kā- are subsequently combined to form a partic-
tyāyana expects to be able to explain the ular sentence-meaning. If a word first conveys
sentential accents (prescribed by rules such as a generic lexical meaning, how could it then
Pāṇini 8, 1, 28). The Mīmāṃsā definition of be pinned down to a particular context? If
a sentence represents a discourse unit larger somehow it is pinned down to a particular
than that which a grammarian calls a sen- instance, then we have to abandon the earlier
tence. In order to enable the definition given generic meaning. How can something once
by Kātyāyana to cover a somewhat larger accepted be abandoned? Since the sentence-
corpus of sentences, Bhartṛhari says that a meaning does not directly stem from the
vocative word should be construed as being words, one could, to think in a reverse way,
a modifier of the verb and hence part of a possibly get a word-meaning without a word.
sentence (VP II, 5). However, in contrast to If such be the case, then the connection of a
Kātyāyana’s ideas about a sentence, Bhar- linguistic expression with its meaning is com-
tṛhari also enunciates Pānini’s view that there pletely lost (VP II, 15 f). Bhartṛhari himself
274 II. Personen

seems to clearly advocate the view of a sen- tain that Bhartṛhari believed in the sphoṭa, but that,
tence being indivisible. However, such an in- for him, it is not the meaning-bearing unit, because
ternal undivided unit cannot be transmitted the sphoṭa doctrine arose as a solution to the prob-
without physical sounds which are of neces- lem of the understanding of meaning. The problem
sity produced in sequence. Thus the sequence was how to explain the understanding of meaning
belongs to the transmitting sounds, and not from sounds which are uttered in a temporal se-
to the conceived sentence. In the same way, quence. As they are not simultaneous and cannot
the uttered sentence is received through a co-exist, they cannot co-operate in order to convey
sequence of sounds, and yet finally perceived the meaning. The doctrine of sphoṭa is the gram-
as a single sentence. The undivided sentence marian’s solution of the problem”.
is initially perceived indistinctly. As more and Following Joshi, we derive a sphoṭa theory
more sounds are perceived, the shape of the under another name; probably it should be
sentence becomes more and more distinct un- termed the śabda theory of Bhartṛhari. To
til at the end it is perceived distinctly (VP II, follow the tradition of the commentators and
19). A linguistic expression conceived as a most modern authors on the subject is to
single indivisible unit is referred to by the derive a similar theory through a wide as-
word ‘sphoṭa’ by the commentators on the sumption that ‘śabda’ and ‘sphoṭa’ are in
Vākyapadīya. However, Shivram Dattatray certain contexts synonymous — a theory
Joshi (1967, 35 ff) argues that Bhartṛhari uses more properly called the sphoṭa theory (s. art.
the terms ‘sphoṭa’ and ‘śabda’ in different 43). From a strictly historical point of view,
ways. According to Joshi, for Bhartṛhari Joshi’s arguments are valuable to decide what
›śabda‹ [word, linguistic expression] is a name we use for the so-called sphoṭa theory.
meaning bearing unit, such as a sentence. However, the theory remains the most valu-
However, he uses the word ‘sphoṭa’ in the able contribution made by Bhartṛhari. It may
context of manifestation of eternal or generic be observed that in Patañjali’s work the no-
sounds through the employment of transitory tion of a ›saṅghāta‹ [collection] as a meaning-
instances of physical sounds (dhvani). The bearing unit appears, and he considers that
term ‘sphoṭa’ is not used to refer to a neces- this ›collection‹ is manifested by the physical
sarily meaning-bearing unit. In terms of the sounds and discerned by one’s intellect. Bhar-
original statements of Bhartṛhari, the notion tṛhari saw the logical problems in such a
of indivisibility of a sentence refers to a sen- notion and advanced the notion of unity and
tence as a meaning-bearing unit being indi- partlessness of the revealed sentence. Thus,
visible, rather than a sentence as an uttered he most certainly advances the logic of the
expression being indivisible. The sphoṭa sphoṭa theory beyond Patañjali.
“stands for a single phoneme or sound-pat-
tern” manifested by physical sounds (dhvani), 2.2.4. Sentence: A conceptual entity
and it “may or may not be meaning-bearing”
(Joshi 1967, 51). The commentators on the While the conceived and the perceived sen-
Vākyapadīya, on the other hand, extend the tence has no sequence or parts in it as an
term ‘sphoṭa’ to the level of the meaning- experience of language in operation, the sen-
bearing units such as sentences and then es- tence is manifested and heard through the
sentially identify the notions of ‘śabda’ and medium of sequential physical sounds. This
‘sphoṭa’ as meaning a permanent mental-in- sequence leaves its imprint on the partless
tellectual expression. This view of Joshi is cognition of a sentence and its meaning, and
rejected by Iyer (1969, 158 ff) by showing hence the partless sentence and its meaning
passages from the Mahābhāṣyadīpikā and the appear as if they have parts (VP II, 22—27).
Vṛtti on the Vākyapadīya where Bhartṛhari If one believes that a sentence is divisible into
uses the word ‘sphoṭa’ to gloss ‘śabda’ refer- words and words are divisible into their con-
ring to a linguistic unit as a meaning-bearing stituents, then the sounds themselves would
entity. Iyer (1969, 160) concludes in the fol- have to be brok en down into their parts, lik e
lowing way: atoms. Since such parts (and their parts)
“The identification of Patañjali’s śabda with the would not form any cohesion, there could not
sphoṭa is an accomplished fact in Bhartṛhari. Ku- be any wholes such as sounds and words, and
mārila (ca. 620—680) k new it and rejected it and finally we would not be able to point to
Maṇḍana Miśra (ca. 660—720) k new it and ac- anything as being a meaning-bearing unit (VP
cepted it. There is no justification to look upon it II, 28 f). Thus it is advisable to accept a sen-
as a misinterpretation of Bhartṛhari by later gram- tence as representing a single linguistic unit
marians. [...] It does not mak e much sense to main- which is not an external physical entity, but
17.  Bhartṛhari (ca. 450—510) 275

an internal conceptual entity (antaḥ-śabda- argues that the sentence-meaning is under-


tattvam, VP II, 30). This indivisible internal stood only when all the words come together.
linguistic unit is manifested through physical Similarly, the meaning of a word is under-
sounds. Similarly, the meaning of this internal stood only when all the constituent sounds
linguistic unit is manifested through the di- come together (VP II, 60 f). If the sentence
visions of meanings. The linguistic unit as the as a whole is a single entity communicating a
manifester of meaning and the meaning as single meaning, then, argues the Padavādin,
the manifested notion are both internal and how shall we deal with sentences lik e ‘one
are in reality two aspects of the same internal should sacrifice with rice’? In case one cannot
entity (VP II, 31 f). obtain rice, one can normally use some other
substitute. However, if a sentence does not
2.2.5. Sentence-meaning is not divisible have any constituent words, then how would
it be possible to deal with such a substitute?
Bhartṛhari criticizes what we view as primar- (VP II, 64—71). When one hears a sentence
ily the Mīmāṃsā doctrine that even in com- and does not understand a particular word,
munication there are constituent words in a he ask s ‘what does this word mean?’ That
sentence and that they each have their indi- shows that there must be words in a sentence
vidual meanings. If, on the basis of common- (VP II, 72). The Padavādin argues that the
sense understanding, one were to claim that existence of words in a sentence must be ac-
there are such constituent words and their cepted, so that all the conflict-resolving pro-
individual meanings, then these individual cedures in Vedic interpretation may become
meanings would have to be abandoned after work able. If sentences are undivided whole
an integrated sentence-meaning is produced, entities, then most of these procedures will
and hence the individual words would become become meaningless, since one will not be
purposeless (VP II, 34). In the expression able to show conflicts between, say, the mean-
‘aśvak arṇa’ which refers to a k ind of tree, the ing of a particular sentence and the meaning
meaning is understood without first compre- of a particular word in that sentence (VP II,
hending the meaning of the components 73—83). Similarly, most exegetical techniques
‘aśva’ [horse] and ‘k arṇa’ [ear]. Thus, we do will be meaningless if words are meaningless
not need to think of this word as having parts. (VP II, 84—87). The Vāk yavādin replies that
Similarly, a sentence conveys its meaning as all these procedures will work , even if the
a single idea, and there is no need to imagine sentence-meaning is indivisible, because after
any constituent words (VP II, 36). When the the initial indivisible cognition, one can ana-
so-called constituents of an expression convey lytically isolate the constituent-meanings (VP
a meaning totally unrelated to the meaning II, 88 ff). Since the so-called constituent
of a whole compound, even the grammarians words of a sentence do undergo euphonic
consider these as indivisible conventional ex- changes in a sentence, their original shape is
pressions (VP II, 37). The division of a sen- destroyed and it is often impossible to point
tence into its constituent words and the di- exactly to the boundary between two words.
vision of a word into its constituent mor- If the words cannot even be separated from
phemes is only a useful fiction, and there is each other, how can their separate meaning
no invariant rule governing the nature of be established? (VP II, 95). Therefore, it is
these useful fictions (VP II, 38). prudent to accept a sentence as an indivisible
entity.
2.2.6. Padavāda versus Vākyavāda
Some philosophers, the Vāk yavādins, con- 2.2.7. A linguistic unit
sider a sentence to be a primary unit and and its relation to its meaning
believe that words are analytically derived Bhartṛhari argues that through repeated prac-
from sentences. Others, the Padavādins, argue tice a linguistic unit (śabda = word or sen-
that words are more primary and that sen- tence) leads to an instantaneous cognition
tences are built by combining these words (pratibhā) of its meaning, not only for formal
(VP II, 57). Bhartṛhari presents a detailed communicators, but for children and animals
controversy between these two views (s. art. as well (VP II, 117). This repeated usage of
63). The Vāk yavādin argues that just as language is the same as the convention which
sounds in a word are meaningless, so are has no beginning in time and is inherited from
words in a sentence. The sentence as a whole prior lives.
is the only meaningful unit. The Padavādin
276 II. Personen

2.2.8. Nature of word-meaning (śabdārtha) 2.3. The Padakāṇḍa


Bhartṛhari argues that the primary meaning The third chapter of the Vākyapadīya is the
of all words is of the form ‘x exists’. Such is most massive of the three, as it contains 1325
the case with words lik e ‘merit’, ‘divinity’ and verses divided into 14 sections. It deals with
‘heaven’, as well as with words lik e ‘cow’ (VP the meanings of individual words obtained
II, 119). In the actual usage of words, when through analysis. It discusses notions ex-
we comprehend the specific configuration pressed by verbs, nouns, particles and various
(āk āra) of such entities, that configuration is inflectional morphemes. Bhartṛhari himself
not conveyed by the words themselves, but is says (VP II, 488) that in the third chapter he
understood from a person’s repeated obser- will discuss in detail topics which have been
vation of the contextual usage of language only briefly mentioned in the earlier two
(VP II, 120). Some meanings, such as univer- chapters. The titles of the sections are suffi-
sals (jāti), are directly comprehended from cient to indicate the variety and the richness
specific words. In those cases, the particular of Bhartṛhari’s coverage of various topics:
objects (vyak ti) which share in that universal (1) Jātisamuddeśa [On the notion of univer-
are understood, not from the word itself, but sal]
through associative think ing (VP II, 122). (2) Dravyasamuddeśa [On the notion of sub-
Similarly, a word such as ‘pot’ does not con- stance]
vey the specific shape (āk āra) of the object. (3) Sambandhasamuddeśa [On the notion of
The specific features are understood through relation]
associative think ing. Lik e the Naiyāyik as, (4) Bhūyodravyasamuddeśa [Again on the
Bhartṛhari seems to have made a distinction notion of substance]
between shape or configuration (āk āra, āk ṛti) (5) Guṇasamuddeśa [On the notion of qual-
and a universal (jāti). The Mīmāṃsak as on ity]
the other hand use the terms ‘āk ṛti’ and ‘jāti’ (6) Diksamuddeśa [On the notion of direc-
to refer to a single notion of a universal. tion]
Bhartṛhari refers to various different views (7) Sādhanasamuddeśa [On the notion of a
on word-meaning (s. art. 5). These views dif- participant producing an action]
fer on the question of how much of the final (8) Kriyāsamuddeśa [On the notion of ac-
cognition came directly from the word and tion]
how much came from subsequent associative (9) Kālasamuddeśa [On the notion of time
cognitions (anuṣaṅga, nāntarīyak a) etc. The (and tense)]
argument tak es into account the fact that (10) Puruṣasamuddeśa [On the notion of
when we understand some meaning, other grammatical person]
factors which in our daily experience are in- (11) Sāṃkhyāsamuddeśa [On the notion of
variably associated with it are also under- number]
stood through subsequent think ing (VP II, (12) Upagrahasamuddeśa [On the distinction
121—126). Another factor which creates dif- between active and middle affixes]
ferences concerning the notion of meaning is (13) Liṅgasamuddeśa [On the notion of gen-
whether meaning refers to items of external der]
reality (bāhyavastu) or only to our concep- (14) Vṛttisamuddeśa [On the complex for-
tions (buddhiviṣaya) (VP II, 132 f). Bhar- mations (such as compounds, secondary
tṛhari also points out that the meaning is not nouns etc.)]
understood by different listeners in an iden-
tical shape. Each person understands the Of these fourteen sections, some are very
meaning in terms of the conceptions which small in size, but some lik e the section on
he has developed in his mind, and hence the complex formations and on participants pro-
comprehension of meaning differs from per- ducing an action etc. are very large. While
son to person (VP II, 134 f). Even the same most of these topics have been discussed by
person may interpret the same word differ- Patañjali in his Mahābhāṣya in one context
ently on different occasions, and in different or another, these discussions are scattered
contexts and conditions (VP II, 136 f). throughout his work . To Bhartṛhari goes the
These are some of the major topics dis- credit of organizing these discussions in a
cussed in the second chapter of the Vākya- systematic fashion and presenting them in the
padīya. form of a continuous discussion. Bhartṛhari
also brings in arguments from other systems
such as Mīmāṃsā to sharpen these concepts.
17.  Bhartṛhari (ca. 450—510) 277

3. Assessment the philosophy of language in India. While


of Bhartṛhari’s contribution the Pāṇinian tradition continued to uphold
to philosophy of language most of his theories, most of the other schools
rejected his ideas as being too radical. Thus
3.1.  We k now from the tradition that a work the idea of the ultimate reality (Brahman)
called Saṅgraha by Vyāḍi was the first k nown being a language-principle did not fit well
massive work devoted to general issues such with most of the later philosophical schools.
as the eternal or non-eternal nature of lan- Similarly, the doctrine of sphoṭa was upheld
guage, and whether a word denoted a uni- by the later grammarians, but was generally
versal or a particular. However, this work rejected by the Mīmāṃsak as, Vedāntins and
which existed before Patañjali’s time was soon the Nyāya-Vaiśeṣik as. The ideas that a sen-
lost. Among available texts, Bhartṛhari’s Vāk- tence is an indivisible entity and that the
yapadīya is the very first devoted to a system- sentence-meaning is also an indivisible entity
atic investigation of issues relating to lan- were generally rejected by most later schools,
guage. While many such discussions are scat- because these schools were not truly con-
tered in the work s of Kātyāyana, Patañjali, cerned with the notion of ›communication of
Jaimini etc., Bhartṛhari deals with them in a meaning‹. They were more concerned with
systematic fashion. While he explains hun- either the interpretation of Vedic texts for
dreds of different theories, there are some which no speak er or author was admitted, or
theories for which he is particularly well in relating the structure of a sentence to the
k nown. Among these, we must include his structure of the world in terms of a realist
notion of Brahman, the ultimate reality, as a ontology. The indivisibility of a sentence and
language-principle, the evolution of the ma- its meaning was counter-productive for such
terial world from the Brahman being lik ened purposes. Bhartṛhari’s notion that all cogni-
to the manifestation of meanings by words. tion is permeated with language and that
While this notion existed in a rudimentary there can be no cognition without the involve-
form before Bhartṛhari, he presents it in a ment of language is not accepted by most
decisive shape. The second significant contri- other schools. In an interesting way, Bhar-
bution of Bhartṛhari is the notion of sphoṭa, tṛhari’s theories show a greater understanding
›real word‹, being without parts and sequence, of the psychology of communication than the
and yet being manifested by sounds which theories of other schools such as Mīmāṃsā
appear in a particular sequence. A related which indicate a restricted approach to lan-
notion is that of a sentence being indivisible guage guided primarily by the necessity of
and its meaning also being indivisible. If the interpreting Vedic texts or by the perceived
sentence-meaning is indivisible, then it is cer- necessity of matching the structure of lan-
tainly not understood as a sequence of the guage and the structure of the world. Bhar-
constituent word-meanings. Bhartṛhari’s no- tṛhari’s position emphasizes the fact that lin-
tion is that the sentence-meaning is under- guistic communication relates more to the
stood in a flash of understanding (pratibhā). level of conceptual structures than to the
While granting this unitary character of a structure of the world out there. While he is
sentence, its meaning etc., Bhartṛhari also ad- not eager to question the very existence of
mits that subsequent analysis allows us to external reality, as were many schools of Bud-
isolate components of sentences and words, dhism, he was also not particularly eager to
as well as those of sentence-meanings and defend a certain brand of realist ontology. As
word-meanings. Such an analytical under- a true philosopher of language, he frees him-
standing is valued for theoretical purposes, self from this dilemma by arguing that lan-
but one is warned that in the actual linguistic guage deals only with a world of conceptual
communication in the real world, such ana- structures, quite irres-pective of whether or
lysed entities do not occur. not there is a world out there. A word can
lead to the cognition of meaning even if the
3.2.  Bhartṛhari’s doctrines earned him fame object referred to by the word may not exist
in a very short time, as his work is cited by in the world out there, and hence the meaning
his near-contemporary adversaries lik e the of a word is essentially a notional entity
Buddhist Dignāga and the Jaina Mallavādin (bauddhārtha), with no necessary connection
(around 500 A. D.). The impact of his doc- to any external reality (bāhyārtha). For a
trines is felt throughout the later history of grammarian-philosopher such as Bhartṛhari,
there is no ontological commitment.
278 II. Personen

4. Selected references in the Light of the Ancient Commentaries.


Joshi 1967, Sphoṭanirṇaya of Kauṇḍabhaṭṭa.
Bhartṛhari 1977, Vākyapadīya.
Rau 1977, Bhartṛhari’s Vākyapadīya.
Biardeau 1964, Théorie de la connaissance et phi-
losophie de la parole dans le brahmanisme classique. Shastri 1959, The Philosophy of Word and Meaning.
Coward 1980, The Sphoṭa Theory of Language: A Shastri 1980, A Study in the Dialectics of Sphoṭa.
Philosophical Analysis.
Madhav M. Deshpande, Ann Arbor,
Iyer 1969, Bhartṛhari, A Study of the Vākyapadīya Mich. (USA)

18. Jayanta (ca. 840—900)

1. Historical setting sides Nyāyamañj arī, he wrote another short


2. Main theses Nyāya treatise Nyāyakalikā. There has been
3. Selected references some controversy and confusion over the rel-
ative chronology of three Naiyāyik as, Bhās-
arvajña (ca. 860—920), Jayanta, and Vācas-
1. Historical setting pati Miśra (ca. 900—980). Elsewhere I have
About Jayanta Bhaṭṭa’s personal history we shown that this confusion can be cleared up
k now very little. His son, Abhinanda, wrote and that Jayanta was the oldest of these three
the Kādambarīkathāsāra, in which he men- philosophers, and hence he was rightly re-
tioned that his ancestors came from Gauḍa ferred to by Gaṅgeśa (flourished around
(Bengal) to Kaśmīr. They settled in a village 1300) as ‘jarannaiyāyik a’ (old Naiyāyik a)
which came to be k nown as Gauramūlak a. (Matilal 1977).
In Jayanta’s Nyāyamañj arī, a monumental
work on the Nyāya system of philosophy a 2. Main theses
large part of which was devoted to the dis-
cussion of philosophy of language, this village As far as philosophy of language is con-
was mentioned by name while Jayanta was cerned, Jayanta’s main contribution lies in
elaborating one example. Jayanta’s great- two areas. He provided a very systematic and
grandfather was a minister of King Lalitādi- elaborate critique of the sphoṭavāda (s.
tya (flourished around 750) of Kaśmīr. Jay- art. 43) of the Vaiyāk araṇas, i. e. the Gram-
anta himself work ed apparently under King marians. Besides, he discussed at length the
Śankaravarman (865—902). controversy between the sentence-holism on
It used to be believed that the great work the one hand and the Prābhāk ara theory of
Nyāyamañj arī (1934) was written by Jayanta ›related designation of words‹ (anvitābhid-
while he was, for some unexplained reason, hāna-vāda) versus the Bhāṭṭa theory of ›des-
imprisoned by the King. Such a speculation ignation before (syntactic) relation‹ (abhihi-
sprang from an oblique comment made by tānvaya-vāda) (s. art. 63).
Jayanta when he began writing the second Regarding the first, Jayanta ask s an inter-
part of his book . He said in the introductory esting question in the beginning: what harm
verse of this part that he had been writing does it do to the Nyāya system of philosophy,
this work in order to avoid the boredom of if ›language‹ is accepted as the eternal entity,
loneliness, for the k ing had forced him to live e. g. as sphoṭa? The reply is that it goes against
in what was called a ‘soundless den’ (gahvara). the Nyāya-sūtra idea of ›language‹ as the ut-
Cak radhara who wrote a short commentary terance (or the ›uttered instruction‹) of the
(perhaps the earliest one) on Nyāyamañjarī reliable speak er. Jayanta then establishes that
explained the verse, however, in a different our k nowledge or memory-impression of the
manner. He said that the King probably sent (uttered) last letter (or sound) along with the
him to an arid and largely uninhabited coun- memory-imprint of all the previous letters
try called ‘Khasa’ — it could have been an (uttered in sequence) beginning from the first
exile or he could have been sent there as the one will constitute a unity and give rise to a
king’s representative. unitary meaning either of a word or of a
Jayanta was both a poet and a philosopher. sentence. And hence an additional entity lik e
He wrote a play called Āgamaḍambara. Be- word-sphoṭa or sentence-sphoṭa would not be
19.  al-Fārābī (872—950) 279

necessary. The argument is based upon par- discussed very elaborately the views about the
simony. Jayanta has mainly followed the Mī- meaning of words. A very substantive ac-
māṃsak a Kumārila Bhaṭṭa (ca. 620—680) in count of the Buddhist theory of ›apoha‹is
his refutation of the sphoṭa (he quotes from given by him (s. art. 42). However, he then
Kumārila on several occasions), but he has refuted it to establish the Nyāya doctrine of
not accepted Kumārila’s view that the letters, obj ective universal which cannot be replaced
i. e. sounds (varṇa), which are the atomic con- simply by the ›exclusion of all the rival alter-
stituents of ›language‹, are also indestructible: natives‹ (anyāpoha), as the Buddhist wanted.
utterance only reveals them. For according to He supported the predominant Nyāya view
Nyāya, letters are sounds and as such they that the word designates the particular as
are destructible products being produced by distinguished by the properties, which may
our vocal organs, although each particular either be an objective universal (e. g. cowness)
letter, e. g. ‘k’ has a universal which is mani- or any imposed attribute (e. g. teacher-hood).
fested in it, i. e. k-tva. He also hinted that proper names directly
Regarding the second issue, Jayanta clari- designate an individual (e. g. Ḍittha), which is
fied and criticized both views of the Mīmāṃ- vaguely reminiscent of John Stuart Mill’s
sak as, but expounded his Nyāya view which (1806—1873) theory of non-connotative
accepts a modified version of word-atomism. proper names (s. art. 30).
But unlik e the Bhāṭṭas, on this view, the role
of ākāṃkṣā [syntactic expectancy], which is
explained as the presence of the syntactico- 3. Selected references
grammatical elements in the language, is Jayanta 1934, Nyāyamañjari.
made more important, for these elements are
what supply the connective cement between Jayanta Bhaṭṭa’s Nyāyamañj arī. The Compendium
the atomic and isolated meanings of individ- of Indian Speculative Logic. Transl. into English
ual words (cf. Matilal 1985, ch. 5). The proc- with an Introd. by J. V. Bhattacharyya, I ff, 1978 ff.
ess is called ‘appearance of elements by saṃ- Bijalwan 1977, Indian theory of knowledge based
sarga-maryādā’. Hence the Prābhāk ara view upon Jayanta’s Nyāyamañjarī.
which tak es word-meanings to be related en- Frauwallner 1936, Beiträge zur Geschichte des
tities — substance, quality or action — is also Nyāya. I. Jayanta und seine Quellen, in Wiener
refuted. This can be tak en also to be an al- Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 43.
ternative to the much discussed ›context prin- Gupta 1962, Die Wahrnehmungslehre in der Nyāya-
ciple‹ of today (cf. Matilal/Sen 1989). mañjarī.
Apart from the above, Jayanta devoted one Matilal 1985, Logic, Language and Reality.
chapter to discuss various views about sen- Matilal/Sen 1989, The Context Principle and Con-
tence-meaning, i. e., the structural description troversy about some Indian Theories of Meaning,
of the occurrent k nowledge from hearing the in Mind 98.
utterance of a sentence (for a brief review cf.
Matilal 1988). In a separate chapter, he also Bimal K. Matilal, Oxford (Great Britain)

19. al-Fārābī (872—950)

1. Le Philosophe sophes arabes, l’un de ceux qui ont le plus


2. Le contexte marqué la Falsafa, cette philosophie arabo-
3. Nature du langage. La dénomination musulmane apparue au 3°/9° siècle en instau-
4. Grammaire et Logique rant une réflexion originale à partir d’une
5. Le vocabulaire des sciences inspiration grecque et qui se développera en-
6. Le philosophe du langage suite durant plusieurs siècles et brillera en
7. Bibliographie sélective particulier avec des hommes comme Avicenne
et Averroès. La place d’al-Fārābī dans ce
courant de pensée est bien marquée par le
1. Le Philosophe titre que lui conférèrent les Arabes, celui de
›Second Maître‹, le Premier Maître étant Aris-
1.1.  al-Fārābī est l’un des plus grands philo- tote. Il y a là la reconnaissance du rôle fon-
280 II. Personen

damental tenu par al-Fārābī parmi les ›Fa- répondre avec certitude. Il est un autre point,
lāsifa‹ (pluriel de ‘Faylasūf’ qui désigne les celui de ses maîtres: il ne fait pas de doute
philosophes arabes du courant de la Falsafa). pour les biographes qu’il apprit la philosophie
Venant après al-Kindī (env. 800—870), le Phi- et particulièrement la logique, de Yuḥannā b.
losophe des Arabes (Faylasūf al-cArab), il est Ḥaylān, à Bagdad. Ce Yuhannā, selon les
en effet le premier à avoir élaboré une ré- indications d’Ibn Abi Uṣaybica, aurait été lui-
flexion et une œuvre systématiques et orga- même formé par un maître de Marw, en même
nisées, dont l’influence se sentira dans l’his- temps qu’un certain Ibrahīm al-Marwazī.
toire ultérieure de la Falsafa (v. art. 3). Mais, et c’est là la question, quelle fut la
nature exacte de ses relations avec Abū Bišr
1.2.  Abū Naṣr Muḥammad b. Muḥammad Matta, disciple d’Ibrahīm al-Marwazī dont il
b. Awzalaġ b. Tarẖān al-Fārābī est né, selon vient d’être question? Abū Bišr était plus âgé
le témoignage d’Ibn Ḥawqal, à Wasīǧ, dans qu’al-Fārābī, mais, comme l’ajoute aussitôt
le district de Fārāb, dans le Turk estan. Ibn Abī Uṣaybica, moins intelligent que lui.
Comme ses biographes musulmans le font Chrétien, comme Yuḥannā b. Ḥaylān, Abū
vivre quatre-vingts ans (selon le calendrier de Bišr fut un traducteur et un commentateur
l’Hégire, soit soixante dix-huit ans selon le important de cette époque et c’est sans doute
calendrier julien), et mourir en 339/950, on sur ce terrain de la recherche en Falsafa qu’il
peut considérer qu’il naquit vers l’an 259/872. faut circonscrire les rapports qu’il eut avec al-
Son père, selon les biobibliographes, aurait Fārābī. Enfin, il est un dernier point sur lequel
été officier dans l’armée et aurait été d’origine on peut se demander quelle est la valeur his-
persane. al-Fārābī est qualifié de philosophe torique des indications fournies par des bio-
achevé, d’homme vertueux, versé dans la sa- bibliographes comme Ibn Abī Uṣaybica: il
gesse et les sciences, détaché des biens de ce s’agit des rapports entre al-Fārābī et Abū
monde, se contentant du nécessaire et vivant Bakr b. al-Sarrāǧ:
comme le faisaient ses prédécesseurs philo- «Je tiens de la chronique qu’al-Fārābī rencontrait
sophes. Certains récits nous disent qu’il aurait Abū Bak r b. al-Sarrāǧ (le grammairien, J. L.) qui
exercé les fonctions de gardien dans un verger lui apprenait l’art de la grammaire tandis qu’ al-
de Damas et que cela lui permettait de se Fārābī lui enseignait l’art de la logique» (Ibn Abī
consacrer en permanence à la sagesse et à la Uṣaybica 1882, II, 136).
réflexion et de s’informer des opinions des Il est difficile, à partir de cette donnée, de se
anciens. Faible de constitution, il aurait passé faire une idée précise de la formation d’al-
ses nuits à lire et à composer, en s’éclairant Fārābī dans le domaine de la grammaire.
avec une lampe de gardien. Puis, sa renommée Peut-être faut-il y voir l’indication, qui se
s’étant répandue, les gens ayant reconnu son confirmera par la suite, du fait que, sans
excellence et ses œuvres étant devenues cé- ignorer les réalités grammaticales propres à
lèbres, il aurait eu de nombreux disciples et la langue arabe, al-Fārābī adoptera un point
devint le maître le plus érudit de son temps de vue différent, propre au philosophe logi-
(Ibn Abī Uṣaybica 1882, II, 134). Quoi qu’il cien qu’il était.
en soit de l’authenticité de ces précisions re-
latives à la personnalité d’al-Fārābī, toutes les 1.4.  Si al-Fārābī eut de nombreux disciples,
sources s’accordent pour dire qu’il se forma comme cela a été évoqué plus haut sous 1.2.,
à Bagdad et qu’il passa les dix dernières an- le plus important de ceux-ci fut Yaḥya b. cAdī
nées de sa vie en Syrie, en particulier à Damas qui occupe une place importante dans l’école
— il eut la protection de Sayf al-Dawla — et philosophique chrétienne de Bagdad. Yaḥyā,
qu’il fut en Egypte l’avant dernière année de mort en 972, fut également le disciple de
sa vie, avant de revenir mourir à Damas. Matta b. Yūnis dont il vient d’être question
en 1.3. Il poursuivit le grand mouvement de
1.3.  En ce qui concerne sa formation, un cer- traduction de l’héritage grec entrepris par les
tain nombre de questions restent sans ré- Arabes. Qu’il ait été le disciple d’al-Fārābī
ponse: il semble bien avoir connu un bon nous montre l’importance de notre philo-
nombre de langues, soixante selon certaines sophe dans l’histoire de la logique chez les
sources, mais connaissait-il le grec et le sy- Arabes et nous permettra de comprendre
riaque dont l’importance est considérable aussi l’importance de cette science dans son
pour la transmission de l’héritage philoso- œuvre. Mais le caractère le plus important de
phique aux Arabes? Rien, dans l’état actuel l’œuvre d’al-Fārābī reste quand même son
de nos connaissances, ne nous permet d’y ampleur et la diversité des domaines qu’elle a
19.  al-Fārābī (872—950) 281

embrassés. La liste de Nicholas Rescher dans culièrement des grammairiens et des logiciens,
sa bibliographie d’al-Fārābī donne quarante sur les questions de la langue, nous voudrions
et un titres (Rescher 1962, 42—47) qu’il classe citer ce que nous relate Ibn Abī Uṣaybica dans
sous les rubriques suivantes: logique, rhéto- sa notice sur al-Fārābī et qui peut être consi-
rique et poétique, théorie de la connaissance, déré comme un témoignage de l’intérêt porté
métaphysique et philosophie générale, phy- par al-Fārābī aux problèmes de langue. Il
sique et science de la nature, musique, éthique prend soin en effet d’expliquer l’étymologie
et philosophie politique. Il faudrait y ajouter du terme ‘philosophie’ pour en dégager la
ce qui concerne l’introduction à la philoso- signification, ainsi que celle du terme ‘philo-
phie, la réflexion sur la langue, les mathé- sophe’. Ibn Abī Uṣaybica a écrit:
matiques, la psychologie, etc. Un classement «j’ai transcrit ce que dit al-Fārābī sur la significa-
des œuvres a été établi en 1975, à l’occasion tion du nom de philosophie. Il a déclaré: le nom
du Congrès de Bagdad, par Ḥusayn cAlī Maḥ- de philosophie est un nom grec. C’est un terme qui
fūẓ et Ğacfar al-Yāsīn, selon l’ordre alpha- a été introduit dans la langue arabe. Celui (qui la
bétique. Il recense cent quinze titres qui pratique) est, selon la façon de faire propre à leur
couvrent tous les domaines déjà mentionnés langue, philosophe (faylasūf). La signification de
(Mahfūz Āl-Yāsīn 1975, 309—349 et 489— ce terme (de philosophie) est l’amour de prédilec-
496). Auparavant, en travaillant sur les listes tion (iṯar) porté à la sagesse. Ce nom, dans leur
des biobibliographes et sur les catalogues de langue, est composé de ‘fīlā’ et de ‘sufyā’: ‘fīlā’ c’est
manuscrits, Ateş avait proposé une liste de l’amour de prédilection et ‘sufyā’ c’est la sagesse.
160 titres, classés eux aussi selon l’ordre al- Le terme de philosophe, ‘faylasūf’, est dérivé de
phabétique (Ateş 1951, 175—182. Cf. mise à philosophie, falsafa, et c’est selon la façon de faire
jour par Cunbur 1973). de leur langue le faylasūfūs. Cette modification, en
effet, intervient fréquemment chez eux dans les
1.5.  Dans cette œuvre abondante les ques- dérivations. Sa signification est: celui qui est épris
tions touchant de près ou de loin au langage de la sagesse. Et celui qui est épris de la sagesse est
et à la logique tiennent une place importante. celui qui fait de la sagesse l’aspiration de sa vie et
On doit à al-Fārābī de nombreux et impor- le but de son existence» (Ibn Abī Uṣaybica 1882,
tants commentaires sur la logique d’Aristote II, 134).
ainsi que des œuvres de réflexion sur cette Ce souci d’explication par l’étymologie se re-
même logique. Mais on lui doit aussi des trouve ailleurs chez al-Fārābī, comme par
œuvres qui traitent plus directement, et sans exemple dans l’Iḫsā’, lorsqu’il explique les
se placer nécessairement dans une perspective termes de ‘qānūn’ [loi] (46,1 sq) ou de ‘mantiq’
logique, les problèmes relevant de la philo- [logique] (62,11 sq), ou dans l’Epitre d’Intro-
sophie du langage. C’est ainsi qu’on lui doit duction à la Logique, pour le même terme de
le Kitāb al-Ḥurūf, édité en 1969 par Muhsin ‘mantiq’ (Dunlop 1956 b, 227, 25). Si cette
Mahdi et dont la seconde partie contient une remarque d’Ibn Abī Uṣaybica nous intéresse
réflexion des plus intéressantes sur le langage c’est parce qu’elle permet de voir chez al-
à laquelle nous nous attacherons dans la suite Fārābī, et d’autres exemples le confirment,
de ce travail. Il faut y ajouter un Kitāb Ṣinācat l’attention portée aux phénomènes de langue
al-Kitāba mentionné dans la liste d’Ibn Abi et de signification: les termes ont une signifi-
Uṣaybica, ainsi, dans la même liste, qu’un cation qui n’est pas purement arbitraire,
Kitāb fī-l-luġāt. Il est par contre moins sûr comme nous le verrons plus loin.
qu’il faille lui attribuer, avec al-Qiftī un Kitāb
al-Kināya [Livre de la Métonymie] que ne
mentionne pas Ibn Abi Uṣaybica, et ceci du 2. Le contexte
fait de l’identité de graphie, points diacri-
tiques mis à part, entre ‘k itāba’ et ‘k ināya’. 2.1.  La réflexion d’al-Fārābī sur le langage
A côté de ces œuvres, nous trouvons des ré- s’est développée dans un contexte favorable
flexions sur le langage dans d’autres ouvrages à l’étude des questions de langue. C’est ce
comme le Kitāb al-Alfāẓ al-mustacmala fi-l- contexte que nous voudrions présenter briè-
Manṭiq ou l’Iḥṣā’ al-cUlūm. vement avant de développer certains aspects
de sa pensée. Et pour commencer, le contexte
1.6.  Avant d’étudier ce que pense al-Farabi propre à la langue arabe: la langue tient une
du langage, et avant de situer cette réflexion très grande importance chez les Arabes car ils
dans le contexte des études linguistiques chez considèrent leur langue, la langue arabe,
les Arabes et dans le cadre des réflexions des comme une langue à part, sacrée et divine,
savants arabes du 4°/10° siècle et plus parti- parfaite. L’on sait en effet que c’est la langue
282 II. Personen

du Coran et que des motivations d’ordre re- Et un peu plus loin:


ligieux ont dû favoriser l’intéret précoce porté «la logique est une recherche des fins intelligibles
par les Arabes à leur langue. Par ailleurs cette et des significations exactes, et l’investigation de
dimension religieuse est renforcée par le fait pensées fortuites. Les intelligibles sont les mêmes
que le Coran est le plus ancien texte de langue pour tous les hommes. Ne vois-tu pas que quatre
arabe que nous possédions et que c’est lui qui et quatre font huit pour toutes les nations et qu’il
fonde la littérature arabe proprement dite. en est ainsi pour tout ce qui est semblable» (al-
Une telle situation ne sera pas sans orienter Tawḥīdī s. d., 150 et 151).
les études linguistiques. De plus, si ces études Point de vue auquel s’opposera fermement al-
ont commencé très tôt, comme cela semble Sirāfī en réduisant la logique à une formali-
ressortir des récits en bonne partie légendaires sation limitée au champ de la langue grecque,
qui nous renvoient à Abū-l-Aswad al-Du’alī ce dont n’a en aucune façon besoin la langue
(mort 669) et par lui au calife cAlī, il faut arabe et la grammaire qui a été élaborée de-
ajouter qu’elles ont atteint le stade de la ma- puis Sībawayhī. Le caractère très polémique
turité avec une vitesse surprenante: lorsque de cette controverse qui tourne à l’avantage
Sībawayhī et al-alīl mourraient durant la de la grammaire ne doit pas nous masquer le
dernière décennie du huitième siècle, ils lais- fait que ces deux sciences ont entretenu au
saient, le premier une science grammaticale 4°/10° siècle des rapports plus constructifs,
arabe définitivement fondée grâce à son Ki- comme en témoigne la 22° Muqābasa de Taw-
tāb, et le second une lexicographie bien éla- ḥīdī consacrée à la parenté entre la grammaire
borée avec son Kitāb al-cAyn. Ces deux et la logique. Et il n’est pas sans intérêt de
œuvres restent toujours des références pour relever chez un grammairien comme al-Rum-
les études grammaticales et lexicographiques mānī, dans son Kitāb al-Ḥudūd [Livre des
et ont marqué d’une manière définitive le Définitions] une quinzaine des quatre vingt
développement de ces deux sciences. C’est par douze termes définis qui ont une définition
rapport à elles que toute la spéculation lin- qui «est plus proche de celle des logiciens que
guistique ultérieure se situera: elles seront de celle des grammairiens» (Troupeau 1985,
commentées ou reprises, modifiées ou amen- 148). Et parmi ces termes, la «définition de
dées, mais elles gardent ce caractère particu- la phrase (ǧumla) comme étant composée
lier qui fait qu’il est toujours possible, jusqu’à d’un sujet (mawḍūc) et d’un attribut (maḥ-
aujourd’hui, de s’y référer sans verser dans mūl) est totalement étrangère à la conception
l’archéologie. grammaticale arabe» (Troupeau 1985, 148).
Nous retrouverons chez al-Fārābī l’écho de
2.2.  Ce caractère très particulier de la langue ces divergences ou de ces échanges.
arabe qui se maintient ainsi jusqu’à nos jours,
existait au temps d’al-Fārābī et de nombreux 2.3.  Enfin, il est un élément important de la
linguistes de cette époque commenceront culture arabe de l’époque qui devait inciter
leurs œuvres par une célébration de l’excel- al-Fārābī à réfléchir sur les problèmes de la
lence de la langue arabe. Mais ce 4°/10° siècle langue, c’est le phénomène des traductions du
est aussi celui de la rencontre entre les gram- grec et du syriaque à l’arabe. La construction
mairiens et les logiciens. Nous y avons fait de la Bayt al-Ḥik ma en 832 à Bagdad consa-
référence en 1.3 lorsque nous avons évoqué crait officiellement un mouvement bien en-
la formation d’al-Fārābī. Nous voudrions tamé quelques décennies plus tôt et un siècle
simplement évoquer la discussion fameuse qui plus tard des contemporains d’al-Fārābī
eut lieu en 937 et que nous a rapportée al- comme Abū Bišr Matta continuaient avec
Tawḥīdī dans son Kitāb al-Imtāc wa-l-mu’ā- vigueur ce mouvement. Et de fait, nous le
nasa (al-Tawḥīdī s. d., 107—129): le vizir de- verrons dans la suite de notre exposé, al-
mande au grammairien al-Sirāfī (mort 979) Fārābī aura des analyses très intéressantes sur
de défendre la grammaire arabe contre le lo- ce problème de la traduction envisagé du
gicien chrétien Abū Bišr Mattā (mort 939) qui point de vue de la constitution du vocabu-
affirme que la logique laire.
«est un instrument, parmi les instruments, par le-
quel on reconnaît dans le discours ce qui est correct
de ce qui est incorrect, et dans la signification ce 3. Nature du langage.
qui est juste de ce qui est corrompu; comme la La dénomination
balance par laquelle je reconnais ce qui pèse plus Mais il nous faut auparavant préciser certains
de ce qui pèse moins, ce qui est plus léger et ce qui aspects de la pensée d’al-Fārābī sur la langue
est plus lourd». et le premier point qui nous arrêtera sera la
19.  al-Fārābī (872—950) 283

façon dont il s’est situé par rapport à un rait laisser croire, par la critique de la thèse
problème dont l’importance était grande chez des conventionalistes qu’il met dans la bouche
les Arabes, celui de l’origine de la langue. de Socrate, qu’il défend la rectitude originelle
C’est dans le que nous trou- de dénomination, mais en même temps les
verons les indications les plus intéressantes législateurs qui sont chargés de cette institu-
sur ce problème et sur la façon dont al-Fārābī tion originelle sont décrits comme étant sem-
a réussi à éviter les impasses auxquelles il blables à des législateurs ivres. Platon, ce fai-
conduisait. Ses contemporains linguistes sant, refuse de se laisser emprisonner dans
étaient en effet très préoccupés par la question l’antinomie. S’il peut s’en sortir ainsi, c’est
de l’origine du langage et beaucoup commen- que le problème d’origine s’est transformé
çaient à poser le problème sous la forme de pour lui en un problème de dénomination, en
l’opposition ‘institution—convention’, ‘φύ- une question sur la nature du langage.
σει—θέσει’ ou, selon la terminologie arabe,
‘tawqīf—iṣṭilāḥ’, qui retenait de plus en plus 3.3.  Chez al-Fārābī la réflexion suivra la
leur attention (v. art. 62). Et ce qui est le plus même voie que chez Platon en ce sens qu’il
remarquable c’est que tous les linguistes, évitera de se laisser enfermer, comme beau-
quelle que soit leur position sur cette question, coup de linguistes arabes, ses contemporains
seront très marqués, dans leur conception de — et aussi leurs successeurs — dans l’anti-
la langue et de son origine, par le fameux nomie qu’entraîne inévitablement la question
verset 31 de la seconde sourate la sur l’origine. La réflexion d’al-Fārābī se meut
Vache: ›Il (le Seigneur) apprit tous les noms sur le terrain de la connaissance et de la
à Adam‹. Ce verset confortait les partisans du communication. C’est en effet en termes de
tawqīf, de l’institution: Ibn Fāris est parti- connaissance qu’al-Fārābī aborde les ques-
culièrement clair sur ce point dans le premier tions du langage: connaissances sensibles et
chapitre de son Ṣāhibī. Mais même pour les communes qui sont les connaissances pre-
partisans de l’iṣṭilāḥ, de la convention ou de mières et précèdent celles des spécialistes (Ḥu-
l’instauration humaine du langage, comme rūf 134, § 114). Nous voyons poindre ici une
Ibn Ǧinnī, l’arabe reste une langue à part, caractéristique de la conception du langage
qui a un statut différent de celui des autres chez al-Fārābī, le fait qu’elle est marquée par
langues, dans la mesure où c’est la langue du un caractère de contingence et d’immanence:
Coran. Et par ce biais un élément de tawqīf alors qu’il est courant chez les Arabes de
[institution] reste toujours présent chez les considérer la langue quotidienne, les dialectes,
partisans de la convention. comme une dégénérescence d’une langue ori-
ginelle pure et parfaite, al-Fārābī nous pro-
3.2.  Cette problématique renvoie à la philo- pose une conception inversée dans laquelle
sophie grecque pour laquelle se posait déjà la finalement aucune langue n’est supérieure aux
question de l’opposition ‘φύσει—θέσει’. On autres et ne peut revendiquer un statut à part,
se souvient de la question posée par Platon comme c’est le cas dans la perspective de
dans le Cratyle (v. art. 14): y a-t-il une recti- transcendance où se placent beaucoup de lin-
tude originelle de dénomination comme le guistes arabes. Cet aspect d’immanence de la
prétend Cratyle ou bien la rectitude de la conception d’al-Fārābī est renforcé par le fait
dénomination résulte-t-elle d’une convention qu’il explique l’acquisition des connaissances
selon l’opinion d’Hermogène? Il y a là une par des prédispositions naturelles et des ca-
antinomie dangereuse car, d’une certaine ma- ractères innés qui font que les hommes sont
nière les deux thèses sont insoutenables si on orientés vers des connaissances et des repré-
les pousse à leurs ultimes conséquences: car sentations qui leurs sont plus faciles que les
comment rendre compte, pour les partisans autres (Ḥurūf 134 sq, § 114). Mais pour que
de l’institution, de l’existence d’autres sys- ces connaissances initiales débouchent sur le
tèmes de dénomination? Ceci est encore plus langage il faut en outre qu’il y ait en l’homme
difficile à expliquer si l’institution de la langue le besoin de communication:
est divine, comme le pensent beaucoup de «lorsque l’homme éprouve le besoin de faire
linguistes arabes. Mais par ailleurs, comment connaître aux autres ce qu’il a dans l’esprit ou ce
éviter, pour les partisans de la convention, la qu’il se propose avec son esprit, il a recours au
régression à l’infini dans la quête d’un fon- signe (išāra), [...] ensuite il utilise les sons vocaux
dement de la convention originelle? La ques- (taṣwīt)» (Ḥurūf 135, § 116).
tion de l’origine risque ainsi de ne pas pouvoir Ce besoin de communication, en arabe ‘car-
trouver de réponse. Et d’ailleurs Platon pour- rafa’ [faire savoir, faire connaître], situe la
284 II. Personen

naissance du langage en l’homme lui-même, 3.5.  La différence entre al-Fārābī et les lin-
sans recourir à une réalité extérieure ou su- guistes de son temps apparaît ainsi plus clai-
périeure, transcendante. Et de fait les sons rement. Chez les premiers nous avons une
nés, au départ, de dispositions physiologiques conception sacralisante de la langue arabe,
(Ḥurūf § 114) vont s’organiser progressive- langue du Coran, dont beaucoup diront, sans
ment, devenir plus complexes, dépasser le craindre le cercle, que c’est la meilleure des
simple stade de l’appel afin de pouvoir dé- langues parce que c’est celle du Coran et que
signer directement la chose: al-Fārābī utilisera Dieu l’a choisie pour la révélation coranique
alors pour le terme de signe l’arabe ‘calāma’, parce que c’est la meilleure des langues. Cette
construit sur la racine ‘c. L. M.’ [savoir], et non sacralisation ferait plutôt place, chez al-Fā-
‘išāra’ qui signifie la désignation (Ḥurūf 137, rābī, à une sorte de laïcisation de la langue
§ 119). Ce travail de formation des signes se arabe dans la mesure où elle n’a plus de statut
fera selon le principe de facilité déjà rencontré particulier mais doit être considérée comme
plus haut. Chaque groupe humain obéissant une langue parmi les autres. On pourrait voir
à ce principe, il y a là l’explication, la «cause un signe de ce refus du recours à une pers-
première de la diversité des langues des na- pective religieuse dans la façon dont la pos-
tions» (Ḥurūf 137, § 118). térité a utilisé un passage d’al-Fārābī sur l’his-
toire de la langue arabe. Le fameux poly-
3.4.  La langue est ainsi envisagée comme graphe Suyūṭī (mort 1505) fait une citation
langue naturelle et l’explication de la diversité du Kitāb al-Ḥurūf d’al-Fārābī:
des langues devient une explication par l’im- «la tribu de Qurayš était la meilleure parmi les
manence et non plus par la transcendance: tribus arabes dans l’usage critique des termes
mythe de Babel ou intervention divine dans arabes les plus purs, celle dont la langue avait le
le cas particulier de l’arabe. Ceci posé, al- plus de facilité à les prononcer, celle qui était la
Fārābī explique l’organisation initiale de la plus apte à les entendre, celle qui était la plus claire
langue par un double processus faisant inter- pour exposer ce qui était dans l’âme» (Suyūṭī s. d.
venir à la fois un consensus entre les hommes I, 211).
et un ›fondateur de la langue‹ (wāḍicu-l-lisān). Qurayš était la tribu de Muḥammad: non
Il propose l’explication suivante: un premier seulement sa langue s’en trouve valorisée,
locuteur utilise un son ou un terme indiquant mais encore elle devient le modèle de la langue
quelque chose; son auditeur à son tour l’uti- arabe. Mais dans l’état actuel du Kitāb al-
lisera avec lui, Ḥurūf tel qu’il a été édité par Muhsin Mahdi,
«tous deux se sont entendus et sont tombés d’ac- il n’est nulle part question de la tribu de
cord sur ce terme. Et ils parlent aux autres en Qurayš lorsqu’il cite les tribus d’Arabie qui
utilisant ce terme, en sorte qu’il se répand dans un pratiquaient l’arabe le plus pur, tribus qui se
groupe» (Ḥurūf 137 sq, § 120). trouvaient au centre de la région. Une telle
La production de sons et de termes se produit présentation n’a sans doute pas paru assez
sur ce mode jusqu’à ce qu’intervienne religieuse aux linguistes. Mais elle permettait
«celui qui organise leurs affaires et il établit, en les à al-Fārābī de poursuivre sa réflexion sur la
créant, les sons dont ils ont besoin pour les autres nature du langage en développant l’analyse
choses pour lesquelles on ne s’est pas mis d’accord du processus de la dénomination.
chez eux sur un son qui les indique. Il est le fon-
dateur de la langue de cette nation» (Ḥurūf 138, 3.6.  Ce processus consiste en la mise en rap-
§ 120). port d’un terme et d’une signification. Cela
Ce faisant, al-Fārābī a refusé de choisir l’un ne se fait pas d’une façon arbitraire mais si
des deux termes de l’alternative, et il a recours tout se passe selon un exercice harmonieux
à la fois à la convention (accord initial du des dispositions naturelles des membres de
locuteur et de l’auditeur) et à l’institution cette nation, l’ensemble des termes (alfāẓ)
(fondateur de la langue). Posant le problème s’organise en fonction de l’organisation qui
en termes de connaissance et de dénomina- régit les significations (intiẓām al-macānī)
tion, il échappait ainsi au dilemme des lin- (Ḥurūf 138 sq, § 122). Le système des signi-
guistes de son temps et pouvait, en consé- fiants et des signifiés n’est pas anarchique,
quence, ne plus avoir à se déterminer sur le fortuit ou arbitraire, le langage ne se réduit
statut particulier et privilégié de la langue pas à un ensemble de mots formant un sys-
arabe. tème clos et obéissant à une logique qui lui
serait propre. Le rapport du signifiant au
signifié n’étant pas arbitraire, il obéira à une
19.  al-Fārābī (872—950) 285

logique de la signification. Et progressivement tique et particulier, celui d’une langue donnée


le champ de la dénomination s’élargit et les avec ses phénomènes propres, toujours envi-
sciences ainsi que leurs vocabulaires tech- sagés du point de vue particulier de cette
niques se développent. langue, même s’il s’agit de phénomènes
communs à plusieurs langues, la logique, elle,
concerne le théorique et l’universel. Et de ce
4. Grammaire et Logique point de vue il ne saurait y avoir de privilège
propre à une langue qui ne nous fasse aussitôt
4.1.  Si al-Fārābī se distinguait ainsi de ses retourner dans le domaine du particulier. En
contemporains linguistes par sa façon de ré- privilégiant la perspective logique dans l’étude
fléchir sur la nature du langage et sa forma- des phénomènes de langue, plutôt que la pers-
tion, cela avait également des implications sur pective grammaticale, al-Fārābī prenait le
sa façon de traiter une question à laquelle contre-pied de l’attitude des linguistes et des
nous avons déjà fait allusion plus haut (cf. grammairiens, il était fidèle à l’attitude des
1.3. et 2.2.), celle des rapports de la grammaire ›falāsifa‹ dans leur façon d’envisager les rap-
et de la logique. Certes al-Fārābī était versé ports de la philosophie et de la religion, de la
dans la logique et n’était pas grammairien, raison et de la foi.
mais il n’a pas pour autant ignoré la question
des rapports de ces deux sciences. Nous ne 4.2.  Dans la pratique nous voyons al-Fārābī
parlerons pas de son œuvre logique, fort im- mettre en œuvre cette position théorique du
portante et nous contenterons simplement de problème des rapports de la grammaire et de
dire que le quart des titres, dans la liste de la logique, et ceci au début de son Kitāb al-
ses œuvres, se rapporte à des questions de Alfāẓ al-mustacmala fī-l-Manṭiq, le Livre des
logique. Ce qui nous retiendra ici c’est la termes utilisés en logique. Il éprouve le besoin
façon dont al-Fārābī, tant du point de vue de recourir aux différentes particules de la
théorique que du point de vue pratique a langue pour introduire les catégories comme
envisagé les rapports entre ces deux sciences. l’avait fait Aristote (v. art. 15). Mais la gram-
C’est dans sa Classification des Sciences, Iḥṣā’ maire arabe a un vocabulaire limité pour ce
al-cUlūm que nous trouvons des textes fort qui concerne ce chapitre des particules. Voici
explicites à la fois sur la grammaire et sur la ce que dit al-Fārābī:
logique d’une part, et sur leurs similitudes et «Parmi les termes signifiants (al-alfāẓ al-dālla) il y
leurs différences d’autre part. Après un pre- a les termes que les grammairiens nomment les
mier chapitre consacré aux sciences de la particules (ḥurūf) qui ont été institués pour signifier
langue et qui traite en particulier des ques- des sens (macānī). Il y a aussi de nombreuses espèces
tions relevant de la grammaire, il aborde dans de ces particules. Si ce n’est que les hommes de
le second chapitre la ›science de la logique‹ et science en grammaire arabe n’ont pas pris l’habi-
la définit ainsi: ›la logique donne les lois qui tude, jusqu’à nos jours, d’associer à chacune de ces
corrigent la raison et guident l’homme vers la espèces un nom qui lui soit propre. Il faut donc
voie de la rectitude et vers le vrai, partout où que nous utilisions pour le dénombrement de leurs
il peut se tromper dans le domaine des intel- espèces des noms qui nous ont été transmis pro-
ligibles, ainsi que les lois qui le gardent et le venant des savants versés dans la grammaire en
protègent de la faute, de la divagation et de langue grecque, car eux, en effet, ont spécialement
l’erreur en ce qui concerne les intelligibles‹. assigné à chacune de ces espèces un nom qui lui
La logique est ainsi définie comme science du est propre» (Alfāẓ 42, § 2).
vrai dans le domaine de la pensée et de l’exer-
cice de la raison. Et un peu plus loin al-Fārābī 4.3.  al-Fārābī ne refuse pas le recours au
précisera les rapports entre la logique et la vocabulaire de la grammaire arabe, mais il se
grammaire: place à un point de vue plus large que celui
«La logique a en commun avec la grammaire le de la grammaire arabe, ce qui lui permet,
fait de donner les lois des termes (alfāẓ) et elle s’en devant les carences de la conceptualisation et
distingue en ce que la grammaire donne des lois du vocabulaire grammatical arabe, d’avoir
propres à une nation alors que la logique donne recours au vocabulaire grammatical grec. Ce
des lois communes générales pour les termes de faisant, il ne refuse pas une particularité pour
toutes les nations, car dans les termes il y a des se soumettre à une autre. Il utilise, en se
modes auxquels participent toutes les nations» plaçant à un point de vue universel commun
(Iḥṣā’ 60, 1.14 sq). à toutes les langues, le vocabulaire d’une de
Si la grammaire concerne un domaine pra- ces langues.
286 II. Personen

4.4.  Nous voudrions nous arrêter ici sur cette commune utilisée par les grammairiens et les
différence entre grammairiens et logiciens et linguistes est celle que tous pratiquent orale-
montrer comment elle implique une différence ment alors que celle à laquelle ont recours les
dans le mode même de transmission du savoir. logiciens résulte d’une analyse du donné lin-
Une des caractéristiques de la transmission guistique et renvoie à une tradition écrite re-
du savoir chez les linguistes arabes est l’insis- montant jusqu’à Aristote et Platon. Alors que
tance sur l’oralité. L’on sait que l’enseigne- les linguistes avaient à protéger et organiser
ment se faisait sur le mode de la ›qirā’a‹, terme un donné transmis de transmetteur en trans-
que l’on peut traduire par lecture, récitation. metteur depuis l’époque du Prophète, les se-
Suivre les cours d’un maître consiste à lire conds avaient la tâche de créer et d’innover
sous sa direction ou à écouter cette lecture dans un domaine où l’autorité n’était plus
(qara’a calō). Nombreux sont les témoignages une mémoire collective ou individuelle mais
qui confirment cette prééminence de l’oral se trouvait dans des écrits qui avaient traversé
dans l’enseignement, à commencer par les cer- le temps et l’espace. Ceci donnait à al-Fārābī
tificats (iǧāza) autorisant un disciple à ensei- une très grande liberté, à la différence des
gner à son tour une œuvre. Ce certificat — linguistes, vis-à-vis de la langue arabe et des
on peut dire aussi licence — est accordé par différentes sciences linguistiques arabes. Nous
un maître à un disciple qu’il a eu dans son retrouvons ici la même marque que précédem-
cercle ou son auditoire pour l’étude d’une ment lorsque nous constations qu’al-Fārābī
œuvre, étude qui s’est faite par la lecture échappait à la perspective sacralisante de ses
réalisée par le maître ou un disciple sous le contemporains vis-à-vis de la langue arabe.
contrôle attentif du maître. Cette insistance
vaut en premier lieu pour la transmission du
Coran qui passe par l’oralité, comme l’a af- 5. Le vocabulaire des sciences
firmé Tirmiḏī (mort 899). Pour lui, la mé-
moire (ḥifẓ) est le signe d’une assistance spé- 5.1.  Il est un autre aspect des vues d’al-Fārābī
ciale de Dieu à l’égard des musulmans à qui sur le langage que nous voudrions aborder,
il donne de pouvoir retenir par cœur tout le celui de la formation de la langue des sciences,
Coran tandis que les adeptes des autres reli- des langages spécialisés. Le processus de la
gions ne peuvent réciter leurs livres saints dénomination dont il a été question précé-
qu’en recourant aux textes écrits (cf. Lan- demment va, avec le temps, provoquer un
ghade 1985, 109 sq). A la même époque Ibn développement de l’expression
Qutayba (mort 889) affirme explicitement que «par la multiplication des mots ou leur permuta-
toute science doit être transmise oralement tion ou leur mise en ordre ou leur amélioration.
(Ibn Qutayba 1947, 20) et dans son important C’est alors que commencent à apparaitre les œuvres
ouvrage composé à l’intention des secrétaires rhétoriques, tout d’abord, puis les œuvres poé-
il distingue soigneusement le style écrit du tiques, petit à petit» (Ḥurūf 141, § 127).
style oral (Ibn Qutayba 1982, 17, 6—12). C’est le début des sciences, dont va parler al-
Qu’il nous suffise enfin de rappeler l’impor- Fārābī en les regroupant sous cinq ensembles:
tance du ›samāc‹, de la transmission du savoir les sciences rhétoriques, les sciences poétiques,
par audition pour les linguistes, qu’ils soient les sciences historiques, la science de l’écriture
grammairiens comme Ibn Ǧinnī dans ses a- et les sciences du langage (Ḥurūf § 129 sq et
ṣā’iṣ, ou lexicographes comme al-Azharī qui § 138). Si le langage joue là un rôle fonda-
insiste fortement sur les limites de la trans- mental par le moyen du développement de la
mission écrite dans la très importante Préface dénomination, il faut mentionner également
de son Tahḏīb al-Luġa. un principe qu’explicite al-Fārābī et qui per-
met la naissance des sciences. Voici comment
4.5.  C’est dans ce contexte que l’on peut me- il l’énonce, à propos de la Poétique:
surer l’originalité des positions d’al-Fārābī «la science poétique naît de ce qui se trouve dans
sur ce problème des rapports de la grammaire l’esprit naturel (fiṭra) de l’homme, en fait de
et de la logique. Le langage des savants dans recherche de l’ordre (tartīb) et de l’organisation
les deux domaines n’est pas le même et al- (niẓām) en toute chose; et en effet, la mesure (wazn)
Fārābī souligne que si celui des grammairiens des termes a un ordre, un principe de bonne compo-
reste proche de celui du grand nombre et du sition, une organisation, sans parler du temps de
sens commun, celui des logiciens est particu- l’élocution» (Ḥurūf 142, § 129).
lier et renvoie à des acceptions particulières Il y a donc en l’homme une disposition na-
des termes (Kitāb al-Alfāẓ 43, § 3). La langue turelle à l’ordre et à l’organisation. Dans le
domaine du langage, appliquée aux termes,
19.  al-Fārābī (872—950) 287

cette disposition permet la constitution des pas de corresponcance entre les notions
sciences. communes des deux nations; il faut alors pro-
céder à un travail de création lexicographique
5.2.  Dans son besoin de communication, soit en inventant des termes, soit en recourant
l’homme, peu à peu, ne se satisfera plus de à d’autres notions communes, soit en em-
convaincre, par le moyen des argumentations pruntant les termes de la première nation
rhétoriques, il aura recours alors aux argu- après leur avoir fait subir la modification qui
mentations dialectiques; puis lorsque le vrais- permet de les prononcer.
semblable ne suffit plus à l’homme il a recours
aux démonstrations certaines. C’est avec la 5.4.  Tels sont les différents cas envisagés par
philosophie que la spéculation scientifique ar- al-Fārābī pour régler le problème de l’em-
rivera à son terme et à sa perfection, comme prunt de la philosophie d’une nation par une
ce fut le cas avec Aristote (Ḥurūf 151 sq, seconde nation qui ne dispose pas au point
§ 143). Et c’est ainsi que le développement et de départ du vocabulaire nécessaire à l’ex-
l’élargissement du langage, lié au besoin qu’a pression des concepts philosophiques. En dé-
l’homme d’être persuadé ou d’atteindre le crivant ce processus, al-Fārābī traite, au pas-
vraisemblable ou le certain, explique la nais- sage, de la façon dont s’est formée la langue
sance des sciences et de leurs langues. philosophique: par le recours aux notions
communes chaque fois que cela est possible,
5.3.  C’est ici qu’intervient un développement ou sinon en forgeant des termes. Cette pré-
fort intéressant et original d’al-Fārābī sur la sentation théorique d’al-Fārābī est confirmée
formation du vocabulaire philosophique et par sa pratique: chaque fois que l’occasion
son passage d’une langue à l’autre. C’est ce s’en présente, il faut recourir aux possibilités
cas du transfert de la philosophie de la langue offertes par la langue dans laquelle s’élabore
d’une nation à celle d’une autre nation qui le vocabulaire philosophique. C’est ce qui
donne l’occasion à al-Fārābī de préciser sa s’est effectivement passé dans le cas de l’arabe
conception de la naissance du vocabulaire et de la Falsafa: après plus d’un siècle de
philosophique. Il le fait dans le paragraphe traduction de l’héritage philosophique grec il
155 du Kitāb al-Ḥurūf où il distingue cinq ne subsiste plus que fort peu de termes ayant
possibilités, cinq cas. Le premier cas est le été ›naturalisés‹ et encore certains de ces
plus simple: dans la première nation les termes, comme ‘isṭaqis’ ou ‘hayūlā’ sont-ils
concepts philosophiques ont reçu leur déno- devenus moins courants que les termes pro-
mination à partir de notions communes: il prement arabes de ‘cunṣur’ ou ‘mādda’ (cf.
suffit alors, dans la seconde nation de se servir Ḥurūf § 156). Nous soulignerons ici une fois
de la même façon des notions communes cor- de plus la liberté dont semble jouir l’homme
respondantes. Le second cas est celui où cette de science ou le philosophe: ce sont certes des
correspondance entre les notions communes exigences linguistiques qui vont délimiter le
des deux nations n’existe pas: il faut alors se terrain sur lequel va s’exercer la création lexi-
servir des notions communes de la seconde cographique, mais le philosophe a le pouvoir
nation qui ressemblent le plus aux notions de créer des termes, d’innover en fonction
communes qui sont à la base de la dénomi- d’un impératif qui n’est plus simplement lin-
nation des concepts dans la première nation. guistique — la pureté d’une langue à sauve-
Dans le troisième cas il n’y a pas de corres- garder — mais qui est un impératif de fidélité
pondance entre le concept philosophique et à des exigences rationnelles et spéculatives: ce
la notion commune de la seconde nation qui qui est primordial c’est d’être fidèle à une
traduit la notion commune de la première pensée, aux exigences d’une systématisation
nation qui est à l’origine de la dénomination: philosophique. On voit là toute la différence
il ne reste plus alors qu’à créer des termes. Le qu’il peut y avoir avec la démarche des lin-
quatrième cas est celui où dans la première guistes qui devaient protéger et conserver un
nation il y a correspondance entre une notion donné alors que pour les philosophes il faut
philosophique et non plus une mais deux no- former et constituer un système. C’est ce que
tions communes; comme dans le troisième cas nous voudrions illustrer par un exemple.
il faut rechercher la possibilité d’une ressem-
blance avec celle des deux notions communes 5.5.  Il s’agit de la solution élaborée pour pou-
correspondantes de la seconde nation qui est voir rendre en arabe le jugement prédicatif et
la plus proche de la notion philosophique. Le traduire la copule. Comme le souligne al-
cinquième et dernier cas est celui où il n’y a Fārābī, il n’y a pas en arabe de terme corres-
288 II. Personen

pondant au ‘ἐστίν’ de la langue grecque dans 6. La philosophie du langage


la proposition du type ‘A est B’. Or une telle
proposition est nécessaire dans les sciences 6.1.  al-Fārābī traite la langue comme un phé-
théoriques et dans la logique. Lorsque les nomène naturel dans la vie de l’homme, il
traducteurs arabes ont traduit les œuvres de essaye d’en retracer une genèse théorique,
philosophie grecque ils ont dû trouver une c’est-à-dire qu’il entend moins répondre à une
façon de combler ce manque de la langue question sur l’origine que faire une réflexion
arabe. al-Fārābī consacre un long dévelop- sur la nature du langage.
pement du Kitāb al-Ḥurūf (§ 81 à 86, 110 à
115) à cette question: il y a deux façons de 6.2.  La langue s’explique, au point de départ,
rendre ‘ἐστίν’ en arabe, l’une qui consiste à par des phénomènes physiologiques et une
recourir au terme ‘huwa’ et l’autre au terme certaine disposition innée de l’homme qui per-
‘mawǧūd’; mais il faut aussitôt ajouter que mettent la formation des premiers sons or-
dans l’un et l’autre cas ces termes n’ont plus ganisés. Ceux-ci donneront naissance aux
leur signification habituelle en arabe, c’est-à- lettres de l’alphabet. Nul doute que le concept
dire que ‘huwa’ ne doit pas être compris de phonème aurait ici permis à al-Fārābī de
comme un pronom ni ‘mawǧūd’ comme un parfaire son analyse. Ces sons s’organisent en
terme dérivé renvoyant à la notion de ‘wu- un système — et l’on sait l’importance de la
ǧūd’. Ce qui ne va pas sans quelque difficulté. notion de système depuis Saussure (v. art. 36)
Ainsi, lorsque l’on recourt à ‘huwa’ dans — système qui va former la langue. Dans
l’énoncé ‘hāḏa huwa Zayd’, cet énoncé est cette langue les signifiants et les signifiés sont
parfaitement compréhensible en arabe, il est à leur tour organisés en réseaux qui se cor-
signifiant sans que l’on ait à faire intervenir respondent et ne relèvent pas de l’arbitraire.
‘huwa’ dans le rôle de copule, et tous l’inter- La théorie d’al-Fārābī, théorie de la déno-
prèteront comme signifiant ‘voici Zayd’ alors mination, se complète ainsi par une théorie
qu’il faudrait entendre ‘celui-ci est Zayd’. Et de la signification (v. art. 3).
du coup cette solution a l’inconvénient de
proposer un énoncé ambigu ou dont la portée 6.3.  Chez al-Fārābī ce processus se poursuit
risque de ne pas être perçue. Ce n’est par et la suite logique du développement de la
contre pas le cas de la solution qui recourt langue est la naissance des sciences: sciences
au terme ‘mawǧūd’ pour lequel l’inconvénient rhétoriques et poétiques, sciences historiques,
est diamétralement opposé puisque l’on abou- sciences de l’écriture et sciences linguistiques;
tit alors à un énoncé arabe qui n’est plus doté puis les sciences dialectiques et enfin les
de signification comme dans l’énoncé ‘al-in- sciences démonstratives. C’est dans le cadre
sān mawǧūd ḥayawān’ [l’homme est un ani- du développement des sciences et de leur en-
mal]. Un tel énoncé est impossible en arabe, seignement qu’al-Fārābī situera la religion
il ne peut être compris dans la langue cou- dont l’apparition est postérieure à celle de la
rante et ne court plus le risque de l’ambiguité philosophie et dont le rapport à la philosophie
ou de la mauvaise interprétation. revêt une grande importance car une saine
religion doit resposer sur une saine philoso-
5.6.  On voit bien avec ces deux solutions pro- phie (Ḥurūf §§ 147 à 153). Tout au long de ce
posées pour résoudre la difficulté de la tra- processus la réflexion d’al-Fārābī se situe
duction de la copule que le courant philoso- dans une perspective très différente de celle
phique arabe auquel se rattache al-Fārābī n’a des linguistes arabes qui favorisaient l’oral
pas hésité à innover, à inventer des solutions beaucoup plus que l’écrit.
linguistiques originales et à prendre, lorsque
cela s’avérait nécessaire, des libertés avec la 6.4.  Tout ceci ne pouvait concilier à Fārābī
langue arabe. Nous avions vu comment notre les faveurs des hommes de religion et des
philosophe n’avait pas hésité à recourir à une savants théologiens et autres juristes. Les rap-
formalisation grammaticale différente de la ports de la raison et de la foi, de la philosophie
formalisation arabe pour forger le vocabu- et de la religion, étaient envisagés en dehors
laire dont il avait besoin. Nous voyons là la de toute perspective sacralisante. Cette même
philosophie ne pas hésiter devant des énoncés attitude non asservie à une perspective reli-
qui débordaient le domaine de la langue gieuse se manifestait également dans sa
arabe. conception du langage: le centre n’était plus
la langue arabe vénérée et magnifiée comme
langue du Coran mais la langue, les langues,
19.  al-Fārābī (872—950) 289

considérées comme le lieu de la connaissance, mulaqqab bi Mabādi’ al-Mawǧūdāt (The Political


de la réflexion et du développement de l’esprit Regime ... also k nown as the Treatise on the Prin-
de l’homme. ciples of Beings).
al-Fārābī 1981 b, Kitāb Taḥṣīl al-Sacāda (The At-
tainment of Happiness).
7. Bibliographie selective
al-Fārābī 1985, Kitāb al-Tanbīh calā Sabīl al-Sacāda.
Voici une brève bibliographie sur le sujet qui nous al-Fārābī, Rasā’il al-Fārābī. Onze titres ont été ainsi
republiés, sans nom d’éditeur, à Haydarabad.
occupe. Nous y signalons essentiellement des al-Fārābī 1938, Alfārābī Risālat fi-l-cAql.
œuvres d’al-Fārābī accessibles en langue arabe ou
al-Fārābī 1960 a, Šarh al-Fārābī li-kitāb Arisṭūṭālīs
en langues européennes ainsi que quelques titres fi-l-cIbāra, (cf. l’autre édition: Al-Farabi’s Commen-
relatifs au sujet traité. tary and Short Treatise on Aristotle’s De Interpre-
Ateš 1951, Farabinin Eserlerinin bibliyografyasi, in tatione, 1981).
Belleten 15. Georr 1945, Bibliographie critique de Farabi.
al-Azharī 1964—1968, Tahḏīb al-Luġa. Préface, Grignaschi 1972, Les traductions latines des ou-
tome I. vrages de la Logique arabe et l’Abrégé d’Alfarabi,
Cunbur 1973, Farabi Bibliyografyasi. in Archives d’Histoire Doctrinale et Littéraire du
Moyen-Age 39.
Dunlop 1956 a, Al-Farabi’s eisagoge, in Islamic
Quarterly 3. Ibn Abi Uṣaybica 1882, Kitāb cUyūn al-’Anbā’, fī
Dunlop 1956 b, Al-Farabi’s introductory risalah on Ṭabaqāt al-’Aṭibba’.
logic, in Islamic Quarterly 3. Langhade 1985, Mentalité grammairienne et men-
Dunlop 1955, Al-Farabi’s introductory sections on talité logicienne au IV° siècle, in Journal de Lin-
logic, in Islamic Quarterly 2 (cf. autre édition in guistique Arabe 15.
Türker 1958). Maḥfūẓ/Āl-Yāsīn 1975, Mu’allafāt al-Fārābī.
Dunlop 1958/1959, Al-Farabi’s paraphrase of the Madk our 1935, La place d’al Farabi dans l’Ecole
Categories of Aristotle, in Islamic Quarterly 4/5. philosophique musulmane.
al-Fārābī 1890, Alfarabi’s Philosophische Abhand- Rescher 1962, Al-Farabi. An Annotated Bibliogra-
lungen, (trad. allemande 1892). phy.
al-Fārābī 1974, Deux ouvrages inédits sur la Rhé- al-Rummānī 1959, Kitāb al-Ḥudūd fi-l-Naḥw, in
torique. I. Kitāb al-aṭāba. II. Didascalia in Rhe- Rasā’il fi-l-Naḥw wa-l-Luġa.
toricam Aristotelis ex glosa Alpharabi. Steinschneider 1869, al-Farabi (Alpharabius). Des
al-Fārābī 1961 b, Falsafat Arisṭūṭālīs. Arabischen Philosophen Leben und Schriften.
al-Tawḥīdī s. d., Kitāb al Imtā’ wa-l-mu’ānasa, Aḥ-
al-Fārābī 1971, Fuṣūl Muntazaca.
mad Amīn/Aḥmad al-Zayn (eds.).
al-Fārābī 1948, Iḥṣā al-cUlūm, [= Iḥṣā’].
Troupeau 1985, Le livre des définitions grammati-
al-Fārābī 1968 a, Kitāb al-Alfāẓ al mustacmala fi-l- cales dans la lexicographie arabe, in Journal de
Mantiq, [= Alfāẓ]. Linguistique Arabe 15.
al-Fārābī 1973, Kitāb Arā’ Ahl al-Madīna al-Fāḍila, Türk er 1958, Farabi’nin bazi mantik eserleri, in:
trad. française par Karam, Chlala et Jaussen, in Dil ve Tarih-Coǧrafya Fakültesi Dergisi 16.
Idées des Habitants de la Cité vertueuse, 1980, bi- Türk er 1963, Farabi’nin Sera’it ul-Yak in’i, in Aras-
lingue; trad. anglaise: Al-Farabi on the Perfect State tirma I.
avec texte arabe, par Walzer, 1985.
al-Fārābī 1960 b, Kitāb al-Ǧamc bayn ra’yay al- Jacques Langhade, Bordeaux (France)
Ḥakīmayn, Aflāṭūn al-ilāhī wa-Arisṭūtālīs; trad. Note sur le système de translittération
française par Mallet (Paris III thèse), 1984. Nous suivons le système international tel qu’on le
al-Fārābī 1970, Kitāb al-Ḥurūf (Book of Letters),
trouve en particulier dans la revue Arabica
Consonnes.
Commentary on Aristotle’s Metaphysica [= Ḥu- ’, b, t, ṯ, ǧ, ḥ, ẖ, d, ḏ, r, z, s, š, ṣ, ḍ, ṭ, ẓ,
rūf]. , ġ, f, q,
al-Fārābī 1976, Kitāb fi-l-Manṭiq al-cIbāra. k, l, m, n, h, w, y.
tā’ marbūṭa: a ou, pour l’état construit, at.
al-Fārābī 1968 b, Kitāb al-Milla wa Nuṣūs uḫrā. Le hamza initial n’est pas indiqué.
(Alfarabi’s book of religion and related texts). Voyelles.
al-Fārābī 1958, Kitāb al-Qiyās al-Ṣaġīr, in Türk er brèves: a, i, u,
1958; trad. anglaise: Al-Farabi’s Short Commentary longues: ā, ī, ū
on Aristotle’s Prior Analytics, par Rescher. Diphtongues.
aw, ay
al-Fārābī 1964, Kitāb al-Siyāsa al-Madaniyya al-
290 II. Personen

20. Peter Abaelard (1079—1142)

1. Die Sprache als menschliche Ausdrucksweise (Dialectica 118, 14—25; Gl. Per. 336, 27 ff).
2. Nomen, Verbum, Oratio Jedoch sind für ihn (wie für andere mittelal-
3. Die prädikativ-kopulative Funktion des Ver- terliche Autoren) Nomen und Verbum die
bum Bedeutungsträger par excellence; sie sind auch
4. Sememverschmelzung als Schlüsselverfahren wie k eine anderen k ategorematischer Natur,
in Abaelards Semantik d. h. selbst in vollk ommener Isolation ver-
5. Die Einstellung Abaelards zur Sprache weisen sie auf eine Notion (idea, intellectus).
6. Literatur in Auswahl

2. Nomen, Verbum, Oratio


1. Die Sprache Die Gegenüberstellung von ‘nomen’ und ‘ver-
als menschliche Ausdrucksweise bum’ geschieht bei Abaelard vor dem Hinter-
Die mittelalterliche Auffassung der Sprache grund desjenigen, worin sie übereinstimmen:
(s. Art. 4) k ennzeichnet sich durch die An- ebenso wie gewisse Nomina Dinge in ihrer
sicht, daß ein jedes Sprachgebilde, sei es ein Substantialität, andere Nomina dieselben
einzelnes Wort oder ein Gefüge von Worten, Dinge nach einer attributiven Eigenschaft an-
etwas als dem Geiste des Hörers gegenwärtig deuten, genauso tun das auch Verba (Gl. Per.
darstellt, d. h. Zeichen von etwas ist oder sig- 346, 25—28; 357, 1—3; Dialectica 123, 15
nifikativ ist. ‘Significatio’ ist somit das Schlüs- —22; 131, 26 ff). Mit anderen Worten, sowohl
selwort jeder mittelalterlichen Sprachtheorie. Nomen als auch Verbum haben die doppelte
Abaelard geht von einer sehr breiten Bedeu- Funk tion, daß sie sowohl durch Benennung
tung von ‘significativus’ aus (Gl. Per. 335, zur Sprache bringen (›nominare‹ oder ›appel-
32 ff), indem er jedes Wort (‘vox’ = ‘artik u- lare‹) als auch durch Beschreibung näher be-
lierte Lauteinheit’) als eine Verweisung auf stimmen (determinare). Selbstverständlich
die Anwesenheit eines Sprechers (prolator) tritt die zweite Funk tion deutlicher auf bei
sieht. Selbstverständlich jedoch k onzentriert Adjek tiven, aber auch Termini wie ‘Löwe’,
sich seine Sprachbetrachtung auf dasjenige, ‘Baum’, ‘Stein’ usw. haben zugleich eine be-
was ein Sprecher zu erk ennen gibt: Worte schreibende Bedeutungsk omponente. Verben
verweisen in irgendeiner Weise auf das, was jedoch, so Abaelard, dienen vorwiegend zur
der Sprecher bezüglich des Bezirk s alles (in Beschreibung, d. h. der Prädizierung. — Was
welchem Maße auch immer) ›Seienden‹ mit- den Unterschied zwischen Nomen und Ver-
zuteilen im Sinn hat. Ebenso wie bei Aristo- bum betrifft, darf es nicht wundernehmen,
teles (De int. 3, 16 b 20) heißt es bei Abaelard, daß dieser ebenso wie bei Aristoteles (De int.
daß ein Wort die Aufgabe hat, im Geist des 16 a 19) in der temporalen Konnotation (con-
Zuhörers eine Notion (Begriffsinhalt; intellec- significatio temporis) vorgefunden wird: ein
tus) hervorzurufen, welche auf irgendein ›et- Verbum deutet an, daß sich ›etwas‹ an irgend-
was‹ verweist (Gl. Pred. 136, 29 ff; Gl. Per. einem Zeitpunk t ergibt (Gl. Per. 36, 25 ff; 346,
339, 20—340, 6; Dialectica 112, 30 ff). Ein 28 f). Um so bemerk enswerter ist es, daß
Wort wird als eine mit natürlichen Eigen- Abaelard in seiner Dialectica nachdrücklich
schaften ausgestattete Entität angesehen, die aussagt, daß nicht dieser Unterschied zwi-
dank eines Bedeutungsverleihers (impositor schen Nomen und Verbum das Wesen ihres
oder inventor nominum) ›significatio‹ (oder unterschiedlichen Fun
k tionierens trifft.
vielmehr ›Signifik ativität‹) bek ommen hat. Denn, so führt er aus (Dialectica 122, 22—
Diese ›significatio‹ hat zwei Aspek te: ein 123, 15), auch Nomina deuten Dinge in ihrer
sprachlicher Ausdruck k ann auf gegenwärtige (durch den Kontext näher bestimmten) ›Zeit-
Konk reta verweisen (›Bedeutung‹ im Sinne lichk eit‹ an. Um dem seines Erachtens we-
Freges) oder aber eine Idee (›Sinn‹ im Sinne sentlichen Unterschied zwischen Nomen und
Freges) (idea, intellectus) oder vielmehr Dinge Verbum auf die Spur zu k ommen, soll nach
qua ›gedacht‹ vergegenwärtigen (Gl. Pred. Abaelard ein anderes Element in Aristoteles’
112, 29—113, 3). — Abaelard ist sich ferner Definition von Verbum hervorgehoben wer-
der syn
k ategorematischen Fun
k tion von den (De int. 16 b 6—7): „[ein Zeitwort] ist ein
Konjunk tionen und Präpositionen (Dialectica Zeichen für Dinge, die von etwas anderem
119, 30—120, 20, siehe auch unter 4.) und ausgesagt werden“. In dieser Weise wird die
deren operationellen Charak ters bewußt prädik ativ-
k opulative Fun k tion des Zeit-
20.  Peter Abaelard (1079—1142) 291

worts zu einem der Schlüsselbegriffe der Se- tens verk nüpft es das Prädik atsnomen (P) mit
mantik Abaelards. — Bevor dies näher ver- dem Subjek tsnomen (S). Nun, diese Verk nüp-
deutlicht werden k ann, soll dem Terminus fung von S und P ist letztlich für Abaelard
‘oratio’ Aufmerk samk eit gewidmet werden. das wesentliche Merk mal eines Verbums (man
Dem Unterschied zwischen Nomen/Verbum beachte, daß es bei Abaelard immer um Worte
einerseits und ›oratio‹ andererseits sollte bei in einem Zusammenhang geht, nicht um Wör-
Abaelard mehr Bedeutung beigemessen wer- ter als ›lexical items‹, besteht doch nach Abae-
den als dem zwischen Nomen und Verbum, lard das eigentliche Wesen der Sprachzeichen
da ersterer die entscheidende Gegenüberstel- in der Fähigk eit, Denk inhalte des Benützers
lung von einfachem Terminus und ›speech act‹ zu überbringen; vgl. Dialectica 129, 25 f). Die
miteinbezieht (siehe auch 5.). Eine ›oratio‹ ist schon erwähnte temporale Konnotation, die
ein zusammengesetzter Ausdruck ; entweder jedem k onjugierten Verbum eigen ist, bleibt
ein unvollständiger Ausdruck (oratio imper- auch bei Abaelard ein wichtiger Fak tor, aber
fecta, z. B. ‘homo albus’ [weißer Mensch]) sie wird jetzt interpretiert im Lichte der durch
oder aber ein vollständiger Ausdruck oder die ›copulatio‹ angedeuteten Inhärenz der
Satz (oratio perfecta, z. B. ‘homo est albus’ vom Prädik atsterminus ausgesagten Form im
[der Mensch ist weiβ]). Die Schlüsselposition Subjek t (Dialectica 123, 15—25), und zwar in
der prädik ativ-k opulativen Funk tion k ommt der Gegenwart, Vergangenheit oder Zuk unft.
jetzt dadurch zum Ausdruck , daß das Verbum — Abaelards Beitrag zur Entwick lung der
im Gegensatz zum Nomen eine Sinnvollstän- Semantik des Aussagesatzes (und darin auch
digk eit (perfectio sensus) bewirk t und da- seine Termlogik , d. h. die Logik der in einem
durch ›statement-ma k ing‹ [aussagebildend] Satzgebilde angewandten Termini; siehe be-
ist. Abaelard behandelt die ›orationes perfec- sonders unter 3.2) k önnte man sich vielleicht
tae‹ und ›imperfectae‹ in Dialectica (148, am besten dadurch vor Augen führen, daß
19 ff); erstere sind das, was Priscian (Inst. man seinem Ringen mit dem Begriffspaar ‘co-
gramm. II 108, 16 ff) ‘constructiones’ nennt, pulatio-praedicatio’ Schritt um Schritt folgt.
nämlich sprachliche ›units‹ [Spracheinheiten], In das Spannungsverhältnis, das es zwischen
die geordnet zusammengesetzt sind und einen ›copulatio‹ und ›praedicatio‹ gibt, ordnet er
›sensus perfectus‹ beinhalten (z. B. ‘homo cur- die Konfrontation der logisch-grammatik ali-
rit’ [der Mensch läuft]), während die ›oratio schen Analyse des sprachlichen Ausdruck s
imperfecta‹ ‘homo currens’ [der laufende mit der vom Sprecher gemeinten ontologi-
Mensch] zwar eine ›competens dispositio‹ [an- schen Situation ein. Abaelard war sich voll
gemessene Ordnung] ihrer Bestandteile zeigt, bewußt, daß das logisch-grammatische
jedoch sozusagen k eine Behauptung vermit- Sprachgebilde eigene Charak terzüge aufzeigt,
telt. Wohlan, so Abaelard, es ist das Zeitwort, die sich nicht immer der Absicht des Sprechers
das durch seine k opulative Fähigk eit die ›ora- fügen (Dialectica 127, 20—128, 21; 136, 22—
tio perfecta‹ zustande bringt. Es ist ja das 36; 140, 23—29). Das logisch-grammatische
Zeitwort, das nicht nur ein Prädik at an ein Sprachgebilde der Prädik ation ist natürlich
Subjek t k oppelt, sondern auch behauptet (›as- stark auf das besondere k opulative Verbum
sertiert‹), daß die Kombination von Subjek t ‘esse’ bezogen, ob dieses nun rein k opulativ
und Prädik at tatsächlich der Fall ist (vgl. (wie es heißt als ›tertium adiacens‹, z. B. in
Dialectica 149, 2—27). Dementsprechend ‘Socrates est albus’ [Sok rates ist weiß]) oder
sieht Abaelard die Übereinstimmung zwi- aber als selbständiges Prädik at (als ›secundum
schen Nomen und Verbum im gemeinschaft- adiacens‹, z. B. in ‘Socrates est’ [Sok rates ist])
lichen signifik ativen Charak ter beider und de- verwendet wird. Alle ›verba personalia‹, so
ren entscheidenden Unterschied in der Tat- Abaelard (Gl. Per. 359, 23 ff), k önnen unge-
sache, daß das Verbum im Gegensatz zum achtet ihrer Bedeutung sich selbst mit einem
Nomen sowohl verknüpft als prädiziert. Subjek tterminus verk nüpfen, weil jedes Ver-
bum fähig ist, seine Bedeutung (seinen ›se-
mantischen Inhalt‹ oder die ›res verbi‹) vom
3. Die prädikativ-kopulative Funktion Subjek t zu prädizieren, und zwar dadurch,
des Verbums indem es sich selbst als Prädik atterminus mit
dem Subjek tterminus verk nüpft. Z. B. wenn
Wenn ein Verbum in einem Satz verwendet man sagt ‘Socrates est’ [Sok rates ist] oder
wird, hat es eine zweifache Funk tion: erstens ‘Socrates legit’ [Sok rates liest], dann haben
prädiziert es, d. h. es stattet das Subjek t mit ‘esse’ bzw. ‘legere’ eine Doppelfunk tion, die
seinem semantischen Merk mal aus, und zwei- sie ausüben k önnen, weil sie sowohl eine ›vis
292 II. Personen

praedicati‹ [prädik ative Fähigk eit] als auch strat der zu prädizierenden Eigenschaft (z. B.
eine ›vis copulantis‹ [k opulative Fähigk eit] be- das ‘album’ = ‘affectum albedine’) mitzu-
sitzen. Beachten wir hier, daß, wie so oft, k onjugieren (Gl. Per. 360, 23—361, 3). Man
‘copulare’ und ‘praedicare’ in einem Atemzug k önnte sogar sagen: die Lage ist äußerst pein-
genannt werden, und daß (und das ist viel lich. Die Weiße (albedo), die man ja nur als
wichtiger) deshalb Subjek t und Prädik at so- Prädik at im Auge hat, wird nur ›in adiacentia‹
wohl als Subjek tterminus bzw. Prädik atter- (d. h. ›als Beiliegendes‹) k onjugiert, während
minus als auch als deren semantische Inhalte dem untergeschobenen Kinde die Hauptrolle
zu verstehen sind. zufällt (coniungitur in essentia). — Es k ommt
nun darauf an, genauer zu bestimmen, was
3.1. Der Doppelcharakter Abaelard hier unter ‘essentia’ versteht. Wohl-
des Verbums ‘esse’ nach Abaelard an, ganz der Tradition des 12. Jahrhunderts
gemäß, bedeutet ‘essentia’ nicht ‘abstrak tes
Neben dem sogenannten ›verbum nuncupa- Wesen’, sondern dieser Terminus verweist auf
tivum‹ (‘nuncupari’, ‘appellari’, ‘nominari’, Subsistenz oder Substanzialität, d. h. auf den
‘vocari’ = ‘genannt werden’ oder ‘heißen’) ist eigentlichen ontologischen Kern, der in allem,
nur das ›verbum substantivum‹ ‘esse’ im- was ist, anwesend ist. Die Essenz von z. B.
stande, etwas anderes als sich selbst zu ver- ‘Peter’ ist das k onk rete Seinselement, das ihn
k nüpfen und zu prädizieren. Nach Abaelard sein läßt. So ist in jedem Prädik ationsverfah-
ist das Verbum ‘esse’ das semantisch wichti- ren eine Art Existenz- oder Subsistenzbe-
gere, k ann es doch nicht nur ›nomina‹, son- hauptung mit im Spiel. Aber ein solches Zu-
dern auch ›pronomina‹, ›participia‹ und ›ora- sammenspiel zwischen der beabsichtigten We-
tiones‹ mit einem beliebigen Subjek t verbin- sensprädizierung und der unbeabsichtigten
den. Es ist besonders dadurch gek ennzeich- Existenz- oder Subsistenzbehauptung, die
net, daß es, so Abaelard, ›essentia-behaup- sich beide gegenseitig im Verk nüpfen (copu-
tend‹ ist, indem es sich ›ex ipsa essentia rei‹ lare) (‘S ist P’) treffen, ist nur möglich, weil
mit Prädik aten verk nüpfen läßt (Gl. Per. 369, das in diesem Spiel überlegene Element (d. h.
9—15). Was damit und insbesondere mit dem ‘est’) die Behauptung einer k onk reten Exi-
Terminus ‘essentia’ gemeint ist, legt Abaelard stenz mittels des von der Prädik ation ins Auge
im folgenden dar: sagt einer z. B. ‘Socrates est gefaßten Wesens als eine Partizipation zum
albus’ [Sok rates ist weiß], so beabsichtigt der Ausdruck bringt: das k onk ret Existierende
Sprecher nur, ‘Weiße’ (albedo) mit dem Sub- heißt doch ‘album’ [das Weiße] im Sinne von
jek t zu verk nüpfen und von ihm zu prädizie- ›affectum albedine‹ [das durch Weiße Affi-
ren, unter dem Einfluß aber des Verbums ‘est’ zierte]. Das Problem, so Abaelard, besteht
wird ‘weißer’ oder ‘weißes’ ›essentialiter‹ (für gerade darin, daß die Zusammenarbeit nur in
die genaue Bedeutung dieses ›terminus tech- einer Mesalliance stattfinden k ann, während
nicus‹ siehe unten) mit Sok rates verbunden, richtiges Verk nüpfen hingegen Existenz- und
weil das Verb, ganz nach seiner Art, Sok rates Subsistenzbehauptung einschließen muß (Gl.
im Sein einordnet (Gl. Per. 360, 18—22). Per. 360, 23—34). Aber auch das Verbum ‘est’
Nach Abaelard hat also derjenige, der aussagt hat seinen Anteil an der Entartung: es hat,
‘Sok rates ist weiß’, nur die Absicht, Weiße wegen seines Monopols, wenn es auf das Ver-
(albedo) mit Sok rates zu verk nüpfen: das Bin- k nüpfen ank ommt, auch die seiner Natur wi-
deglied jedoch verdirbt ihm das Spiel, indem dersprechende Aufgabe, nicht-existierende,
es sich seiner ›essentia‹ behauptenden Natur nur gedachte Dinge miteinander zu verk nüp-
folgend (das heißt für die mittelalterlichen fen. Eine Lösung wird also auch die Funk tion
Denk er: seiner ›natürlichen‹ Anlage zufolge) des ‘est’ mitbetrachten müssen. Abaelards er-
geltend macht und also das k onk rete Fun- ster Versuch einer Lösung besteht nur darin,
dament der ›albedo qua‹ Seiendes (= ›essen- daß er sich bemüht, in seiner Semantik Sein
tialiter‹) miteinbezieht. Könnte man aber über und Wesen am stärk sten zu verk nüpfen und
ein anderes Bindemittel als das Verb ‘est’ ver- dem gegenseitigen Einfluß von ‘est’ und dem
fügen, dann würde man, so lehrt uns Abae- Prädikatsnomen auf die Spur zu kommen.
lard, dieses bestimmt anwenden, um so Sub-
jek t und Prädik at miteinander zu verk nüpfen, 3.2. Die Aufgliederung des Bedeutungsfeldes
ohne sich die Wesensprädizierung verderben des Prädikatsnomens
zu lassen. Leider aber gibt es ein solches Verb
nicht. So sieht sich derjenige, der eine Wesen- Bezüglich der ganzen Prozedur sollte man im
sprädizierung ‘S ist P’ beabsichtigt, seiner Ab- Auge behalten, daß die Disk ussion über das
sicht völlig zuwider dazu gezwungen, das Sub- ›verbum substantivum‹ ‘esse’ von Abaelard so
20.  Peter Abaelard (1079—1142) 293

geführt wird, daß er eingehend untersucht, lichen Aussageabsicht des Sprechers (eine In-
was im Rahmen des Prädik ationsverfahrens k ongruenz, welche besonders in dem Kontrast
mit dem betreffenden Prädik atsnomen ge- Kopulation-Prädi
k ation zum Ausdruc
k
schieht (z. B. mit ‘album’ in ‘Socrates est al- k ommt) zu überwinden. Tatsächlich war es
bus’). Speziell noch gilt es, in diesem Zusam- Abaelard in den früheren Versuchen lediglich
menhang zu ermitteln, welcher Einfluß — ein gelungen, zu einer durchaus verteidigbaren
vom Sprecher nicht gemeinter — es ist, den Auffassung gegenüber der Frage, wie das ›ver-
das Verbum ‘esse’, das mangels eines besseren bum copulativum‹ seine Doppelfunk tion prä-
als Kopulativum gebraucht wird, auf die Be- zise ausübt, zu gelangen. Offenbar jedoch hat
deutung des Prädik atsnomens ausübt. Um ihn selbst diese Erk lärung nicht ausreichend
diesen Einfluß zu erfassen, geht Abaelard befriedigt, weil sie eher die Umrisse des Kon-
dazu über, das semantische Feld des Terminus trastes verdeutlicht und das Problem damit
‘album’ in zwei unterschiedliche Schichten schärfer profiliert, als daß sie diesen Kontrast
aufzuteilen, nämlich die der durch den Ter- überwunden und damit das Problem gelöst
minus bezeichneten Form oder Eigenschaft hätte. — Wenn Abaelard die Disk ussion in
(›albedo‹ [Weiße]) und die des Substrats dieser der Dialectica (I, 129 ff) wieder aufnimmt,
Eigenschaft (das ›fundamentum albedinis‹). beginnt er mit einem Schritt, der, zumindest
Er sieht jetzt die Lage wie folgt: einerseits auf den ersten Blick , wohl Verwunderung er-
wird ‘weiß’ als Ak zidens mit dem Subjek t weck en dürfte. Um diesen Schritt einordnen
verk nüpft, andererseits wird die vom ‘est’ mit- zu k önnen, sollte man sich über die Problem-
bedeutete Substanzialität von dem durch den situation voll im Klaren sein. Eigentlich läuft
Subje
k tterminus angedeuteten Fundament das Kopulationsproblem darauf hinaus — so
dieser Eigenschaft ausgesagt (Gl. Per. 360, faßt es Abaelard noch einmal zusammen —,
34—361, 3). Daraufhin stellt er das, was mit daß das k opulative Verbum seine k opulative
‘album’ geschieht, wenn es als Prädik atsno- Aufgabe lediglich erfüllt (d. h. von seiner Na-
men gebraucht wird, dem gegenüber, was mit tur aus erfüllen k ann), indem es zugleich seine
‘album’ geschieht, wenn es in Subjek tposition ›natürliche‹ Bedeutung von Substanzialität
steht. Der Unterschied ist k lar und ak zentu- (Substanz), die es als ›verbum substantivum‹
iert die Widerwärtigk eiten, die ein Nomen in hat, miteinbringt; und es ist gerade diese Be-
Prädik atposition unter Einfluß des eigensin- deutung, die von dem Sprecher der Aussage
nigen Verbums ‘esse’ sich gefallenlassen muß; nicht gemeint ist, wünscht er doch bloß eine
wenn aber ‘album’ in Subjek tposition steht (dem Subjek t inhärente) ›forma‹ vom Subjek t
(z. B. in ‘album currit’ [das Weiße läuft]), hat zu prädizieren. Was Abaelard an der oben
die Anwendung des ›verbum substantivum‹ genannten Stelle unternimmt, ist — ganz un-
‘esse’ zur Folge, daß ‘album’ nur in seiner erwartet — eine schroffe Abweisung einer
Substanzialität verstanden wird (d. h. nicht in Prädik ationstheorie, die ihm eigentlich sehr
seiner Form-Bedeutung, also nicht als ‘al- gut gefallen sollte, da sie die Prädik ation zu
bedo’ [die Weiße], sondern als ein weißes einer bloßen Verk nüpfung einer ak zidentellen
Ding) (Gl. Per. 361, 3—11). — Eine ähnliche (Abaelard: adjazenten) Eigenschaft an ein
Annäherung an die Problematik hinsichtlich Subjek t reduzieren würde (Dialectica I, 1 ff).
des ›verbum copulativum‹ findet sich in Abae- Die Anhänger dieser Theorie behaupteten
lards Kommentar zu Boethius (ca. 480—524/ nämlich, daß z. B. in ‘Petrus est albus’ [Peter
26) De topicis differentiis (Gl. Top. 271, 12— ist weiß] lediglich Weiße dem Subjek t zuge-
275, 7; ad De top. diff. I, 1177; Dialectica 7 ff). sprochen werde, und zwar als eine adjazente
Hier k ommt Abaelard ebenfalls zu der Ent- (inhärente) Eigenschaft, eben weil nur eine
scheidung, das semantische Feld des Prädi- derartige Zusprechung beabsichtigt ist. Abae-
k atsnomens (auch hier wieder ‘album’) auf- lard erwidert jedoch, daß es sich gerade um-
zuteilen in die ›forma (albedinis)‹ und das gek ehrt verhält, und er wiederholt die von
›subiectum (albedinis)‹. ihm auch schon in den Gl. Per. und Gl. Top.
erörterte Ansicht, daß das Konjugieren der
3.3. Das Verbum ‘est’ Subsistenz weit über das Prädizieren einer
als bloßes Synkategorema hinzuk ommenden Eigenschaft hinausgeht,
was eine Dominanz der Notion der bloßen
Auch die Disk ussion über das Verbum ‘esse’ Subsistenz (das ›Etwas‹-sein eines Gegenstan-
in der Dialectica geschieht noch vor dem Hin- des) über das Aussagen einer Eigenschaft (des
tergrund des Bedürfnisses, die üblen Folgen ›Was‹-sein eines Gegenstandes, die ›Washeit‹
von der teilweisen Ink ongruenz des linguisti- oder Quiddität) herbeiführt. Nun k ommt es
schen Satzbildungsapparates mit der eigent-
294 II. Personen

aber darauf an, die üblen Folgen einer solchen am Ende der Prädik ationsdisk ussion in der
Vorherrschaft zu neutralisieren. Abaelard ist Dialectica (138, 5—17; vgl. Tweedale 1976,
daher bestrebt, gerade die dominante Notion 282—304 und Jacobi 1980, 167 ff). Ein zwei-
der Substanzialität (Subsistenz) jeder k ate- tes Beispiel bietet uns Abaelards Auffassung
gorematischen Bedeutung völlig zu entleeren. der zeitabhängigen Prädik ation (›logic of ten-
Einen Denk anstoß benutzend, den er früher ses‹). Bek anntlich betrachtet Aristoteles (De
schon gab (Gl. Per. 358, 1—19; vgl. 349, 16— int. 12, 21 a 9—10) eine Aussage wie ‘Socrates
350, 39), geht er jetzt dazu über, dem Verbum sedet’ [Sok rates sitzt] als völlig gleichbedeu-
‘est’ jeden dinglichen Inhalt abzusprechen. tend mit ‘Socrates est sedens’ [Sok rates ist
Tatsächlich wird das Verbum ‘est’ somit zu (ein) Sitzend(er)]. Wie die übrigen mittelalter-
einer leeren Stelle (›open spot‹), durch die nur lichen Logik er betrachtet auch Abaelard die
angedeutet wird, daß es etwas in irgendeinem beiden Konstruk tionsweisen als prinzipiell
Seinsbereich gibt. Wenn man, so führt er aus, austauschbar (Gl. Per. 359, 27—28). Aber er
z. B. sagt ‘Petrus est homo’ [Peter ist ein geht ausdrück lich einen eigenen Weg, wenn
Mensch], so k ann dem ‘est’ gar k ein ›Seins- er ungleich allen übrigen mittelalterlichen Lo-
gehalt‹ (i. e. ›Menschsein‹) beigemessen wer- gik ern die dreiteilige Form nicht ohne weite-
den, da sonst die Hinzufügung des Prädik ats- res als die normale logische Struk tur ansieht.
nomens (‘homo’) überflüssig ist (Dialectica Ganz im Gegenteil nämlich sieht er die Zwei-
134, 28—135, 1). (Nebenbei möchte ich dar- teilung jeder Aussage als die logisch richtigere
auf hinweisen, daß Abaelard, ohne den Ter- an. Jede Aussage besteht nach Abaelard aus
minus ‘syncategorema’ zu verwenden, hier ei- einem Subjek tausdruck und einem Prädik at-
gentlich die Auffassung des 13. Jahrhunderts ausdruck (‘est’ plus Prädik atsteil), wobei letz-
von ‘est’ als ›dictio syncategorematica‹ vor- terer als eine Ganzheit aufgefaßt werden soll.
wegnimmt.) Tatsächlich besteht Abaelards So ist die logisch k larere Form der Aussage
Lösung darin, daß er die Notion der Sub- zweiteilig, und das Prädik at, so Abaelard,
stanzialität zu einem ›Behälter‹ (›container‹) sollte immer als eine Ganzheit angesehen wer-
macht; sie selbst ist leer, bietet aber eine Sub- den (Dialectica 165, 3—8; 167, 7—8; 170,
sistenzstruk tur als Fundament für jegliche 21—30; vgl. Jacobi 1980, 171). — Die Mit-
(substantielle oder ak zidentelle) Seinsformen bedeutung der Zeit (consignificatio temporis),
an (Dialectica 135, 4—8; vgl. 362, 32—34). die dem Verbum ‘esse’ wie auch allen anderen
Wenn es jedoch um nicht-existierende Enti- Zeitwörtern eigen ist, wird von Abaelard auf
täten geht (wie z. B. in ‘chimera est opinabilis’ ähnliche Art und Weise betrachtet. Die Äqui-
[eine Chimäre ist vorstellbar]), dann fehlt der valenz von ‘sitzen’ und ‘sitzend-sein’ wird von
Kopula ‘est’ selbst jene fundamentale Subsi- Abaelard benutzt, die Idee nahe zu bringen,
stenzstruk tur, und ihr bleibt als einzige Auf- daß auch Umschreibungen wie ‘Mensch-
gabe, Subjek t und Prädik at zu verk nüpfen. (bzw.weiß-)sein’, ‘Mensch- (bzw. weiß-)ge-
Weil in dieser Auffassung die Existenzunter- wesen sein’, und ‘zuk ünftig Mensch- (bzw.
stellung (›existential import‹) in allen Prädi- weiß-)sein’ (esse hominem (album), fuisse,
zierungen nicht von der Kopula, sondern vom fore) als Verbalphrasen aufzufassen sind, wie
Prädik atsnomen herrührt, bilden Aussagen Jacobi (1980, 172) richtig bemerk t hat. Im
wie ‘chimera est opinabilis’ nicht länger ein Anschluß hieran zeigt Abaelard, daß solche
Problem. Bildungen, wenn sie im Präteritum oder im
Futur stehen, stets, wie er es ausdrück t, ›in vi
unius dictionis‹ [in Kraft eines einzigen Re-
4. Sememverschmelzung deteils] zu nehmen sind. Wenn z. B. von
als Schlüsselverfahren einem, der jetzt sitzt, gesagt wird ‘erit ambu-
in Abaelards Semantik lans’ [er wird spazieren], so sollte man darauf
Sememverschmelzung nimmt in Abaelards bedacht sein, daß nicht nur durch die Kopula
Semantik eine Schlüsselposition ein. Das tref- ‘erit’, sondern auch durch das Partizip die
fendste Beispiel findet sich zweifellos in seiner Zuk unft angedeutet wird, denn, sollte letzte-
Prädik ationstheorie (s. Art. 76). Die synk a- res seine Präsensbedeutung aufrechterhalten,
tegorematische Auffassung der Kopula ist ja so würde ein Widerspruch entstehen: würde
nur möglich, wenn man das synk ategorema- doch ‘sedens erit ambulans’ bedeuten: ‘der-
tische ‘est’ mit dem Prädik atsnomen zu einem jenige, der jetzt sitzt, wird einer sein, der j etzt
einzigen Semem verschmilzt. Dies wird von spaziert’. Vielmehr, so Abaelard, verliert das
Abaelard denn auch ausdrück lich behauptet Partizip seine Mitbedeutung der Gegenwart
und bek ommt durch seine semantische Ver-
20.  Peter Abaelard (1079—1142) 295

schmelzung mit dem Verbum ‘erit’ eine Mit- genüber ‘aliquid est utrumque eorum’ [etwas
bedeutung der Zuk unft (Gl. Per. 348, 37— ist beides von diesen zwei Dingen] (vgl. De
350, 3; Dialectica 138, 27—139, 3; vgl. Twee- Rijk 1980, 134 ff). Dieser Unterschied spielt
dale 1976, 285 ff). Auch in der Disk ussion in seiner Lösung des wohlbek annten Univer-
über die Konversion zeitlich bestimmter Aus- salienproblems (s. Art. 61) eine wichtige Rolle
sagen spielt diese Auffassung eine wichtige (vgl. De Rijk 1981, 1 ff). — Dank seiner lo-
Rolle (Dialectica 139, 2—140, 14; vgl. Twee- gisch-semantischen Untersuchungen war
dale 1976, 298 ff und 146; auch Jacobi 1986, Abaelard sich auch dessen bewußt, was wir
164). — Schließlich k ann noch Abaelards Er- heute mit dem Terminus ‘Tiefenstruk tur der
örterung in bezug auf Phrasen wie ‘de ho- sprachlichen Äußerung’ anzudeuten pflegen,
mine’ (Gl. Per. 337, 11 ff; Dialectica 118— z. B. in der Dialectica (135, 23 ff—136, 26;
120) erwähnt werden. An sich, so Abaelard, vgl. Kretzmann 1982, 507), wo er den eigent-
hat eine Präposition wie ‘de’ nur eine k onfuse lichen Sinn einer präsentischen Aussage wie
Bedeutung, indem sie nur zeigt, daß mit ›ir- ‘Homerus est poeta’ [Homer ist ein Dichter]
gend etwas‹ etwas los ist, während die Zufü- darzulegen versucht. Eine weitere Stelle in
gung von ‘homine’ ihr einen „determinierten derselben Schrift ist in dieser Hinsicht beson-
Sinn/certam significationem“ (Dialectica 118, ders wichtig. In der Dialectica (140, 23—29)
24) verleiht. sagt der Autor — am Ende seiner Auseinan-
dersetzungen über Aussagen über die Zuk unft
wie ‘Socrates erit legens’ [‘Sok rates wird le-
5. Die Einstellung Abaelards sen’; wörtlich: ‘Sok rates wird ein Lesender
zur Sprache sein’] — ganz explizit, daß die jungen uner-
Abaelard war sicherlich k ein Linguist oder fahrerenen Schüler, die sich nur an die erste
Grammatik er. Er betrachtete die Sprache und Stufe des wissenschaftlichen Betriebes her-
angemacht haben (illi qui primum discipline
die sprachlichen Äußerungen nur als Vehik el gradum tenent), es den weit Fortgeschrittenen
des Denk ens und der Kommunik ation. Dies
verlock te ihn aber nicht dazu, die Eigenheit (provectis) überlassen sollen, den richtigen
der Sprache und des Sprachlichen zu verk en- Sinn einer Aussage mit Hilfe dialek tischer
nen, so wie er auch immer den Unterschied Subtilitäten zu entdeck en und dabei Verstöße
zwischen Grammatik und Logik beachtet hat gegen die grammatischen Regeln nicht zu
(z. B. Dialectica 126, 1 ff). Der Logik er hat scheuen (vgl. Kretzmann 1982, 510). Gleich-
aber ihm zufolge doch wesentlich mit der falls soll hier das Verfahren der Sememver-
Sprache zu tun. Sie ist zwar das spezifische schmelzung noch einmal erwähnt werden
Objek t des ›Grammatik ers‹, aber aufgrund (siehe 4.). — So darf es nicht wundernehmen,
ihrer verweisenden Natur (d. h. also ihres sig- daß Abaelard auch in seinen philosophischen
nifik ativen Charak ters) ist sie auch Objek t des und theologischen Untersuchungen jeder Art
Logik ers. Abaelard spricht sogar von den eine Vorliebe für Sprachanalyse zeigt. In die-
„Grammatik ern, die der Logik dienen/gram- sem Zusammenhang ist ein Hinweis auf seine
matici qui logice deserviunt“ (Dialectica 120, Lösung des Universalienproblems aufschluß-
3—4). — Oftmals zeigt Abaelard Interesse für reich. Er löst dieses nämlich dadurch, daß er
das, was heutzutage Sprechakt genannt wird sich den formalen Unterschied zwischen ‘vox’
und für die Absicht desjenigen, der sich eines [Wort] und ‘sermo’ [Wort qua Bedeutungsträ-
sprachlichen Ausdruck s bedient (siehe 3.1. ger] zunutze macht: das Universale ist tat-
und Mews 1984, 82 f). Sprechak t und Absicht sächlich mehr als ein ›artik ulierter Atem-
werden besonders gegen den Terminus als le- hauch‹ (flatus vocis), wie es sein Lehrer Ros-
xi
k alische Einheit abgegrenzt (Dialectica celin von Compiègne (ca. 1050—1120/25)
114 ff; 166 ff; 224 ff; Mews 1984, 79 ff). In spöttisch genannt zu haben scheint. Was das
diesem Zusammenhang sollte man Abaelards Universale aber darüber hinaus noch aus-
Aufmerk samk eit für den eigenen Charak ter macht, nämlich ein gewisser Denkinhalt zu
der ›oratio‹ verstehen (siehe 2.). Auch er- sein, verdank t es ausschließlich der Ak tivität
k annte Abaelard als erster, daß die syntak ti- des menschlichen Geistes (vgl. Tweedale 1976,
sche Stellung, die ein Ausdruck im Satz ein- 89 ff; De Rijk 1981, 1 ff; Kretzmann 1982,
nimmt, über seine Bedeutung entscheiden 492 ff). In ähnlicher Weise wird von Abaelard
k ann. Eines seiner Beispiele in diesem Zusam- auch das Problem, den ontologischen Status
menhang lautet ‘utrumque eorum est aliquid’ des Bedeutungsinhalts eines Satzes zu bestim-
[beides von diesen zwei Dingen ist etwas] ge- men, gelöst (vgl. Tweedale 1976, 213 ff; Nu-
chelmans 1973, 150; 209). Es werden von ihm
296 II. Personen

auch metaphysische Probleme, z. B. die der 6.2. Sekundäre Literatur


transzendenten Naturen (vgl. Tweedale 1976,
Jacobi 1981 b, Die Semantik sprachlicher Ausdrück e,
184 ff) und die Seinsproblematik im allge-
Ausdruck sfolgen und Aussagen in Abaelards Kom-
meinen (vgl. De Rijk 1986 a passim; Jacobi
mentar zu Perihermeneias, in Medioevo 7.
1986, 145 ff) ebenso wie Probleme epistemo-
logischer Art (vgl. Jacobi 1986, 169 ff) im Jacobi 1983, Abelard and Frege: The Semantics of
Rahmen seiner Logik und Semantik erörtert. Word and Proposition, in Atti del Convegno inter-
— Auch in Abaelards Ethik (Ethica seu scito nazionale di storia della logica.
teipsum) spielt Sprachanalyse eine bedeu- Jacobi 1986, Peter Abelard’s Investigations into the
tende Rolle (De Rijk 1980, 136 f; 1986 a). Für Meaning and Functions of the Speech sign ‘Est’,
die Theologie schließlich sollen in diesem Zu- in The Logic of Being. Historical Studies.
sammenhang sprach
k ritische Erörterungen Jolivet 1969, Arts du langage et théologie chez
über die Trinitätsproblematik erwähnt wer- Abélard, in Etudes de Philosophie Médiévale 57.
den (vgl. Tweedale 1976, 188 f; Mews 1980, Kretzmann 1982, The Culmination of the Old Lo-
183—198 und 1984 und 1988 passim). gic in Peter Abelard, in Renaissance and Renewal
in the Twelfth Century.
de Rijk 1980, The Semantical Impact of Abaelard’s
6. Literatur in Auswahl Solution of the Problem of Universals, in Petrus
Abaelardus (1079—1142). Person, Werk und Wir-
6.1. Die Schriften Abaelards kung, Thomas et al. (Hg.).
Petrus Abelardus, Dialectica. First Complete Edi- de Rijk 1981, Abailard’s Semantic Views in the
tion of the Parisian Manuscript, with an Introduc- Light of Later Developments, in English Logic and
tion by L. M. de Rijk, 19702 (= Dialectica). Semantics, from the end of the twelfth century to
Peter Abaelards Philosophische Schriften, I. Die the time of Ockham and Burgleigh. Act of the 4th
Logica Ingredientibus, II. Die Glossen zu den Ka- European Symposium on Medieval Logic and Se-
tegorien, zum ersten Male herausgegeben von Dr. mantics.
Bernard Geyer, in Beiträge zur Geschichte des Mit- de Rijk 1986 a, Peter Abelard’s Semantics and his
telalters. Texte und Untersuchungen, Band XXI, Logic of Being, in VIVARIUM 24.
Heft 2, 1921 (= Gl. Pred.); III. Die Glossen zu de Rijk 1986 b, Abelard and Moral Philosophy, in
Perihermeneias, 1927 (= Gl. Per.). Medievo 12.
Pietro Abelardo, Scritti di logica, Super Topica Tweedale 1976, Abailard on Universals.
Glossae editi per la prima volta da Mario dal Pra,
Firenze 19692 (= Gl. Top.).
Lambertus M. de Rijk, Leiden (Niederlande)

21. William of Ockham (ca. 1285—1347)

1. Language and reality medieval think ers Ock ham severed the bonds
2. The levels of language between language and reality. He even might
3. Parts of speech be called a ‘linguistic philosopher’ insofar as
4. Signification he holds that philosophy including all of sci-
5. Supposition ence is expressed in true propositions. Ock -
6. Logical and real predication ham was a voluminous writer. His extant
7. Logic and grammar work s include the ones on theology (e. g.
8. Religious problems Quaestiones in libros Sententiarum [Commen-
9. Conclusion tary on the Sentences]; Quodlibeta), on logic
10. Selected references (e. g. his Summa logicae, his Commentary (ex-
positio) on the old logic, i. e. on Aristotle’s
Categories and On interpretation, including
1. Language and reality the Isagoge of Porphyrius), physics and
Though a philosophy of language as such church politics. — In his days, the study of
cannot explicitly be found in the Middle Ages language was approached at least by gram-
(s. art. 4), there was always a discussion of mar and logic. In medieval grammar one can
language as distinct from, but with reference distinguish between the empirical approach,
to reality (de Rijk 1987, 25). More than other namely along the lines set out by Donatus
21.  William of Ockham (ca. 1285—1347) 297

(4th century A. D.) and Priscian (ca. 500 A. D.); tellect does not mak e it a substance or not].
and the speculative approach of the modistic — Ock ham draws a sharp distinction between
grammarians (s. art. 41). Ock ham, however, the level of thought (ratio) and the level of
is a representative of the logical approach: his things (res), much sharper than others.
interest is in language as the bearer of truth Thomas Aquinas (1224—1274) and John
and falsity (Nuchelmans 1973, 195—202). Duns Scotus (ca. 1266—1308), for example,
For further explication it is useful to recall advocate the view that in individual things
that reality comprises, according to a com- there is a nature, which is neither single nor
mon medieval view, at least the following general: it is single in concrete reality, it is
specifically different beings: God, angels, men many in the intellect. Ock ham think s that
and irrational creatures, the latter group con- these philosophers advocate generality in
sisting of for example horses, plants and so things.
on down to stones. All these realities are Let us now investigate how, according to
individual: all medievals agree on this. For Ock ham, language is related to things, and,
extreme Platonism, according to which gen- more specifically, how the various levels of
eral natures exist (at least, so the medievals language, distinguished by Ock ham, viz. men-
interpreted Plato’s Ideas), is not accepted. tal, spok en and written, are related to each
Now Ock ham interprets the individuality of other and to things in the world outside the
things more radically than other medieval mind. The elementary things investigated by
philosophers. He repeatedly rejects the views a logician are terms (termini). Ock ham’s
of those, who, according to Ock ham, accept Summa logicae starts with a theory of terms.
generality in things — Ock ham has in mind ‘Terminus’ is used ambiguously by Ock ham:
think ers such as Thomas Aquinas and Duns it could be a thing in the outer world, it could
Scotus (1974, 50, line 1—51, line 46). Of these also mean a part of a proposition (Ock ham
individuals, God is the only one perfectly 1967, 16, lines 6—12). In his Summa logicae
simple, though this can not be k nown directly Ock ham (1974, 7, lines 4—5) defines ‘termi-
(evidenter) by man in his present imperfect nus’ as the pars propinqua propositionis
state (Leff 1975, 376); other individuals, such (nearby part of a proposition, nearby that is,
as men, possess properties, they are not their to the intellect). Any term, both that which
properties (Ock ham 1978, 52, lines 31—34). is traditionally called ‘categorematic’ (cate-
These properties are individual, too, says gorematicus), such as ‘horse’, ‘man’ which
Ock ham (Ock ham 1978, 52, lines 35—37). In signifies some thing(s) in its own, and that
his Commentary on Porphyry’s Book on Pred- which is traditionally called ‘syncategore-
icables we find a definition of ‘individual’ matic’ (syncategorematicus), such as ‘all’, ‘is’
(individuum) look ed at as a thing, not as a (that only signifies in conjunction with cate-
name (Ock ham 1978, 51, lines 5—7): “it is gorematic terms) can be a ‘terminus’. — Ock -
that which consists of various properties, or ham distinguishes between various levels of
that group of properties which, when tak en language: there is, first, the level of what he
as a group cannot occur in another individ- calls mental speech, the language produced
ual / nam individuum est illud quod consistit by the intellect: this language is the same for
ex diversis proprietatibus quae omnes simul all men and is produced naturally by the
sumptae non possunt in aliquo alio reperiri”. objects to which the human mind is directed.
Now, man is able to refer to those individual Next is the language whose terms are agreed
things by way of language. The terms used upon by convention, which is spok en or writ-
can be principally divided into general terms, ten and which varies among people. Thus
such as ‘man’, ‘horse’, which can stand for although the minds of a Greek and a Roman
individuals, and individual terms, such as ‘So- are directed towards the same individual
crates’, ‘this man’; in this way in the Middle horse, the first calls it ‘hippos’ and the second
Ages proper names and uniquely referring ‘equus’.
names are placed on the same level. Gener-
ality is in the intellect, they are mental fab-
rications, but the intellect does not create new 2. The levels of language
realities outside it (cf. Pinborg 1972, 127); in In his distinction of various levels of language
Ock ham’s words (1974, 52, lines 70—72): Ock ham follows a long tradition which begins
“consideratio intellectus non facit quod ali- with Aristotle (s. art. 15). Aristotle distin-
quid sit substantia vel non sit substantia” [the guishes how language signs, whether mental,
fact that something is considered by the in- spok en or written are related to reality. No-
298 II. Personen

tably in his De interpretatione Aristotle puts in this respect, however (cf. Kretzmann 1967,
forward a theory of signs. He says: 367). Nevertheless, Ock ham reflects Augus-
“Now, spok en sounds are symbols of the affections tine’s opinions in his theory, although gen-
in the soul, and written mark s are symbols of erally speak ing Augustine’s fine linguistic
spok en sounds. And just as written mark s are not views had little influence in the Middle Ages.
the same for all men, neither are spok en sounds. Boethius should be mentioned here because
But what these are in the first place signs of — the he elaborated the notion of the ›triplex oratio‹
affections of the soul — are the same for all; and [threefold speech], namely spok en, written
what these affections are lik enesses of — things — and mental. Boethius used ‘oratio’ for the
are also the same” (16a 4—9). Greek ‘λόγος’, but unlik e the Greek word
Now, Aristotle clearly wishes to distinguish with its wide range, ‘oratio’ was usually tak en
between various levels of language and estab- to mean written or spok en language. This
lish their relation to reality. Language — as distinction thus helps to interpret mental
spok en and written — varies among men; thought in terms of spok en language. Boe-
such k inds of language are symbols, or signs, thius also introduced the use of ‘oratio men-
of the ›affections‹ (παθήματα) of the soul talis’, which can be found in William of Moer-
which, in their turn, are ›lik enesses‹ (ὁμο- bek e’s translation, in the work s of Thomas
ιώματα) of ›things‹ (πράγματα). It is amazing Aquinas, and in Ock ham; by then it had
to see the ways in which these short remark s become the proper word to indicate what goes
by Aristotle were interpreted and elaborated on in the mind.
in the Middle Ages. The Latin translations, Ock ham distinguishes three senses of ‘or-
for example by William of Moerbek e (ca. atio’: viz. spok en, written and conceived or
1215—1286; cf. Aristoteles 1965), are inter- mental (prolata, scripta, mentalis) (Ock ham
pretative in some respects (cf. Bos 1987a, 135, 1974, 7, line 14). A written ›oratio‹ can be
note 30). Furthermore, Aristotle was not the visible or invisible, and can thus exist in a
only to develop a theory of signs. We find closed book , a topic which aroused some in-
other theories in Stoic philosophy (s. art. 2), terest among later writers (cf. Ashworth 1974,
Augustine (354—430) (s. art. 16), Boethius 40). — The mental ›oratio‹ is composed, ac-
(ca. 480—524), Ammonius (ca. 445—517/ cording to Ock ham, of mental terms which
526). In this respect, as in others, there is a are defined by him as ›passiones animae‹ [af-
difference between Aristotle and the tradition fections of the soul], where what is meant is
which came after him. Even professed follow- that the mind has been acted on (viz. by an
ers of Aristotle used elements drawn from the object), or an ›intentio‹, or concept. Every-
non-Aristotelian theories just mentioned. — thing that signifies (such as the mental term
It can be concluded that Aristotle assumes a ‘horse’ or ‘man’) or consignifies (such as ‘is’
strong dualism between the conventional and or ‘all’) in a natural way, can, Ock ham says
the natural level. He emphasizes the natural (1974, 7, lines 19—21) be part of a mental
level. However, Aristotle expresses, and in- ›oratio‹. Mental language is not link ed to a
deed had to express, the contents of the men- specific language, e. g. Greek or Latin, though
tal level using the terms drawn from the con- it has been observed, among others by Peter
ventional level. In this way mental language Geach (1957; cf. Trentmann 1970, Spade
becomes, despite its ontological primacy, lin- 1980), that Ock ham describes this mental lan-
gualized (cf. Nuchelmans 1976, 155). Augus- guage in terms of an analysis of spok en or
tine elaborates the theme of a ›verbum men- written Latin. Of course, in the Middle Ages,
tale‹ [mental word] in conformity with the Latin was the language which received most
emphasis he gives to the soul as the principle attention from scholars. The first k nown na-
for the attainment by human beings of eternal tive grammars of Italian and Spanish only
blessedness. He distinguishes between that appear in the 15th century, the first k nown
k ind of thought which is formed by the inner French grammar at the beginning of the 16th
affections of the mind and which cannot be century (Robins 1976, 99). — It should be
lingualized in any way, and the form of noted here that Ock ham is not so much in-
thought in which psychical representations of terested in the contents of the mind as such,
the spok en and written language are found. but in as far as these contents refer to extra-
So, one can distinguish between a mental mental things and in as far as spok en and
language which is speech-orientated and a written language is subordinated to mental
language which is directed towards reality. language. Consequently Ock ham’s semantics
Augustine does not seem to be unequivocal can be labelled as ‘extensionalist’: linguistic
21.  William of Ockham (ca. 1285—1347) 299

entities are directed towards individual things a thing in the outside world, and without a
in the outside world, without a separate realm change in the thing the signification can not
to which these signs correspond and which be changed. This is different with the conven-
could lead his semantics to be labelled ‘inten- tional level: because this signification arises
sionalist’ (see 4.). His theory of reference, that from an ›institutio voluntaria‹ [institution by
is, in technical terminology of the time, his the (human) will] it can change. The causality
suppositio-theory is, as Ock ham interprets it, of thing towards concept is efficient causality
well in line with this extensionalist semantics (Ock ham 1974, 9, lines 57—59). It is not
(see 5.). For Ock ham the mental level consti- formal (a k ind of causality which Ock ham
tutes a sort of ›deep-structure‹ behind spok en does not ack nowledge; cf. Mc Cord Adams
or written language, which forms the ›surface- 1982). So there is no formal correspondence
structure‹. As has been said, this mental level between the thing k nown and its mental sign.
consists of the acts of apprehension by the A sign brings about a certain cognition in the
mind and is the same for all men. That this mind, and it can stand for the thing in a
is not a common medieval one is exemplified proposition. The emphasis is all upon the
by the view of William of Crathorn (first half focussing of the mind upon the extramental
14th century), a ›reist‹ opponent of Ock ham thing.
who holds that the mental level is always of
a conventional nature (Nuchelmans 1973,
212). — There is a proportional relation be- 3. Parts of speech
tween the three levels: just as spok en language Traditionally, words which occur in speech
is prior to written language (because a human and which are combined with each other, are
being learns to speak before he learns to called ‘partes orationes’ [parts of speech]. Per-
write), so the mental level is prior to the haps this Latin phrase is better translated by
spok en level. A ›vox‹ [word], be it written or ‘k inds of words’, because the words are tak en
spok en, says Ock ham (1974, 7, lines 16—34), as independent units and not as syntactically
is a sign, subordinated to a concept. But not, dependent parts of a sentence. The division
he adds, because it signifies a concept pri- of words into parts of speech is an old one;
marily and properly. According to Ock ham a it occurs in an already advanced form in the
›vox‹ primarily signifies an extramental thing. work s of the grammarians Donatus and Pris-
Duns Scotus had already accepted this doc- cian. Priscian’s definition of ‘pars orationis’
trine, though he seems to have hesitated in runs (Priscian 1855—1859, XI, 7; Kneale
his earlier years (Bos 1987a), and held that a 1971, 143—144): “est vox significans mentis
›vox‹ first signifies its concept, just as many affectum vel conceptum, id est: quod mente
thirteenth-century philosophers had said. concipitur“ [it is a word that signifies an state
When the significate of a concept (i. e. the of the mind or a concept, i. e. that which is
thing signified) changes by it, there is, so perceived by the mind]. Donatus and Priscian
Ock ham says, a change in the signification of ack nowledge eight parts of speech. Priscian
a ›vox‹ without the establishment of a new said that the dialectician (or logician) ac-
convention concerning its use, a new ›insti- k nowledges only two, viz. those which are
tutio‹ (Ock ham 1974, 8, lines 30—34). For significative in the full sense, whereas the oth-
example, if there are no longer any tables, the ers were consignificative. —
word ‘table’ loses its signification, but by a There has been much discussion about the
new ›impositio‹ (or giving of names), it can number of parts of speech and about the
refer to, say, chairs. In his Quodlibeta (Ock- k inds to be recognized. This discussion has
ham 1980, 544, line 51) he discusses the way gone on since the time of Chrysippus (ca.
in which something signifies which is present 280—207 B. C.) and Diogenes of Babylon
before me. For instance, if Socrates is white (240—152 B. C.) onwards, who recognized
first and later black , then the mind no longer only five: ὄνομα (by which an individual qual-
holds a concept of the white Socrates, but ity is meant, e. g. ‘Socrates’), προσηγορία (a
rather of the black Socrates, and the word
‘white’ can only refer to the black Socrates if general quality, e. g. ‘man’), ῥῆμα (an incom-
plex predicate, e. g. ‘I speak ’), σύνδεσμος (a
‘white’ means ‘black’ by virtue of a new agree- connective or disjunctive particle, lik e ‘and’,
ment on its use. — To return to mental lan- ‘or’) and the ἄρθρον (the article, lik e ‘the’).
guage, Ock ham elaborates the concept of ›na- The famous grammarian Dionysius Thrax
turaliter significare‹ [natural signification]. (ca. 170—90 B. C.) who was influenced by the
This k ind of signification is brought about by Stoa, recognized eight: the noun, the verb,
300 II. Personen

the participle, the article, the pronoun, the case (Nuchelmans 1973, 200). To which gram-
preposition, the adverb and the conjunction. matical features does the latter restriction ap-
A distinction already mentioned by Pris- ply? Common accidents are, says Ock ham
cian was also advanced by Boethius who says (1974, 12, lines 32—33): case and number,
that grammarians distinguished eight parts of for, as he says (1974, 12, lines 34—39), ‘homo
speech, but philosophers only two, viz. the est animal’ [a man is an animal] and ‘homo
verb and the noun. These two possess full non est animalia’ [man is not animals] are
signification. ‘Noun’ includes here, by the differently qualified in order to be true. For
way, participle, adverb, pronoun, interjection in the first proposition, ‘animal’ is singular,
(cf. Nuchelmans 1973, 123—124). Boethius and the proposition is true, in the second
did not ack nowledge the conjunction and the proposition, ‘animalia’ is plural, and the
preposition. Ock ham distinguishes on the proposition is only true if ‘non’ is added. This
level of spok en and written language seven is an example of difference in number which
parts of speech (Ock ham 1974, 11, lines 5— difference is, in Ock ham’s view, relevant for
12): noun, verb, pronoun, participle, adverb, truth and falsity and should therefore be as-
conjunction, and preposition. On the mental signed to the mental level. The same applies
level there are only six, viz. all those just to case: there is a difference in truth-value
mentioned, except the participle (which by between ‘homo est homo’ [man is a man]
the way, is added in manuscript C of Ock - which is true, and ‘homo est animalis’ [man
ham’s text but not adopted by the modern is of an animal]; the latter is only true if ‘non’
editor). Apparently, in Ock ham’s view, the is added. Here, too, the difference in form is
participle is a k ind of word, which can prob- relevant. It should be noted here that Ock -
ably be subsumed under the species verb. ham’s view differs from, for instance, the
Anyway, there does not seem to be any nec- great twelfth century logician Abaelard
essary reason to include it on the mental level, (1079—1142) (s. Art. 20) who did not think
as Ock ham puts it in his characteristic way. case was relevant to understanding truth, and
This is in fact a version of his famous ›razor‹. who held that case should be tak en as an
Interjection is not included (cf. Nuchelmans accidental grammatical feature. Abailard ar-
1976, 163). gues as follows in this: the Greek s and the
About pronouns, there is a doubt, says Romans understand the same thing even
Ock ham (1974, 11, lines 25—26). I shall re- though the former language has five cases,
turn to the nature of pronouns below (see 8.). and the latter six (cf. Bos 1987 c, 84).
Participles are not necessarily adopted on the Accidental features, which are not common
mental level: they should be subsumed under are ›genus‹ [gender], e. g. the difference be-
verbs. tween ‘lapis’ (which is masculine) and ‘petra’
The logician distinguishes parts of speech (which is feminine). Both words refer to the
with a view to truth or falsity, the grammarian same entity, viz. a stone, but they differ in
with a view to ›decoration of speech‹ (ornatus gender. They are examples of a synonymy on
sermonis). Ock ham, it seems, applies more the level of convention. Nor is ›figura‹ to be
than in existing tradition, the grammatical assigned to the mental sphere, ›figura‹ being
categories to the mental level in his logical the difference between complex and non-com-
analysis. The conventional level is still some- plex words, e. g. ‘magnanimus’ as opposed to
what more abundant than the mental, be- ‘superbus’ (the latter example is mine). There
cause what is at issue is the ›ornatus sermonis‹ are some other doubts concerning this sub-
and other accidental causes, Ock ham says ject, says Ock ham (1974, 12, lines 52—54).
(Ock ham 1974, 11, line 28). A distinction on Should the comparative form be tak en on the
the level of speech and writing is only trans- mental level? In his Summa logicae Ockham
ferred to the mental level, if this is necessary; says that this requires no immediate discus-
otherwise, Ock ham’s razor is applied. Gram- sion, but it should be discussed later. In his
mar is a science of the accidental features of Quodlibeta (Ock ham 1980, 510, lines 49—54)
language, but logic is concerned with primary he think s comparatives should be tak en in.
matters (which, by the way, was a view also There is a difference in the manner of verifi-
held in earlier centuries, e. g. in the twelfth; cation between ‘homo est albus’ [a man is
cf. Bos 1987 c, 81). white] and ‘homo est albior’ [a man is more
All grammatical accidents that are present white]. A further problem, says Ock ham, sur-
on the mental level, are to be found on the rounds the ›qualitas nominum‹, the quality of
conventional level, but the converse is not the nouns. In his Summa logicae Ock ham refers
21.  William of Ockham (ca. 1285—1347) 301

to a discussion elsewhere (Ock ham 1974, 55, especially to supposition, that is, according
lines 55—56). Where this is, is not clear. How to Ock ham, reference to extramental things
does he see this as a problem? It is perhaps in the context of a proposition. I shall return
the difference between common and singular to this notion in 5. But ‘signification’ is more
nouns, e. g. ‘man’ and ‘Socrates’, but this in- than just a general term for medieval seman-
terpretation can not be definitive. — Ock ham tics. It is an old notion, occurring in medieval
also discusses whether the accidental features semantical theories from the twelfth century
of verbs are common to the conventional and onwards. In ancient and medieval philosophy
to the mental level, both in his Summa logicae there seems to be a persistent feeling that
(1974, 13, line 69—14, line 83), and in his there are essences which are identical with
Quodlibeta (Ock ham 1980, V (8)). Ock ham elements in the individuals which are in their
says that there are five accidents in common. turn manifestations, so to speak , of the es-
The first is mode (indicative, optative, imper- sences. There is an essence ›man‹ (be it in a
ative, etc.); the others are: gender (active, Platonic sense of transcendent form, or in an
passive), number (singular, plural, e. g. ‘lege’, Aristotelian sense of immanent form) and
‘legite’ [‘read’ spok en to one and more per- there are individuals, such as Socrates and
sons]), time (e. g. ‘legis’ [you read], ‘legisti’ Cicero, who belong to the species ›man‹. Now,
[you have read]) and person (e. g. ‘lego’, ‘legis’ in linguistic entities — so it was conceived in
[I read, you read]). In his Quodlibeta Ockham the Middle Ages — there is also a nucleus,
adds that conjugation (e. g. whether a verb is the essential meaning of a term. This semantic
conjugated with the latin ‘-emus’, or ‘-amus’) view had, of course, its counterpart, in the
only work s on the conventional level. Lik e- medieval’s view of reality: the nucleus, or
wise with ›figura‹ of verbs (complex/incom- essence, of a thing was often seen as that to
plex verbs); there, sometimes we find synon- which the nucleus, or essential meaning, of a
ymy in verbs of different conjugations. Un- term referred (cf. de Rijk 1982). — Roughly
fortunately, Ock ham does not add examples. speak ing, there were two conceptions of sig-
Ock ham does not reduce other modes to the nification of terms in the Middle Ages: one
indicative mode. There is a different mental can be called ‘intensionalist’, the other ‘exten-
›oratio‹ in the case of ‘Utinam Socrates leg- sionalist’. According to the first view, the
eret’ [O, that Socrates would read!] from the essential meaning or ›significatio‹ of a term
one in ‘Socrates legit’ [Socrates reads]. This referred to something in the thing itself, which
view differs from that, for example, of Abai- was a k ind of constant element of which a
lard (cf. Bos 1987 c, 78), who reduces all term was primarily a sign. So in referring to,
modes to the indicative. Some explanation is for instance, an individual horse, which is
needed for what is called the ‘genus’ of a running in the meadow, someone who utters
verb. The ›genus verbi‹ is the signification of the word ‘horse’ refers to the universal ‘horse-
a verb as such: there are three ›genera‹ on the ness’ in the animal. This primary signification
mental level, viz. active (e. g. ‘doceo’ [I teach]), was never lost when the speak er used the same
passive (e. g. ‘amor’ [I am loved]), and neutral word to speak about the horse running in the
(probably, Ock ham means intransitive verbs meadow, for example by saying ‘that horse
lik e ‘curro’, ‘sto’, ‘ferveo’ [I run, I stand, I runs in the meadow’. This is a persistent fea-
boil]). The deponentia, e. g. ‘loquor’ [I speak ], ture of medieval semantics, and certainly not
and communia, e. g. ‘osculor’ [I k iss/I am the most fruitful one, because in this way no
k issed] (cf. Kneepk ens 1982, 40, lines 10— speech or thought about individuals as such
11), are not accepted on the mental level. In was possible. One form of this intensionalist
the forms of the latter there is no new aspect position was held by Ock ham’s predecessor
of signification. John Duns Scot in his earlier teaching (Bos
1987 a, 127). The word primarily signifies the
›species‹ which is the means by which the
4. Signification essence of things in the outside world is sec-
As has been said above, to the medieval mind ondarily signified. This rough sk etch of inten-
language was a system of signs (signa): it sionalist semantics is intended to serve as a
therefore possesses ›significatio‹ [significa- back ground to Ock ham’s views on significa-
tion], and in Ock ham’s theory this means: tion. As will become clear, his position may
reference to individual things outside the hu- be labelled ‘extensionalist’. — To refer to in-
man mind. Signification is the aspect common dividual things, a term should be used in a
to all the properties a term can have, and ›propositio‹, that is, in a language utterance
302 II. Personen

consisting of a subject-term, copula and pred- meaning is attached to a word or proposition


icate-term. In the thirteenth century, it was at the time of its utterance. The same can be
not necessary for a term to be part of a found when he discusses true propositions:
proposition in order to refer to an individual they are true when they are formed. — In its
thing; there could be other contexts. This was, second sense, ‘to signify’ is used in a broader
for example, the case with Peter of Spain (ca. way, and this is the sense usually upheld by
1219—1277) (cf. de Rijk 1971, 76). I shall Ock ham. Reference occurs in propositions
discuss Ock ham’s notion of ‘suppositio’ in containing verbs of all tenses and modes. For
more detail in 5. Here, it suffices to say that example, in ‘album potest currere’ [the white
a term has ‘suppositio’ when it stands in a thing can be running], the term ‘album’ [the
proposition for something in such a way that white (thing)] need not signify a present white
the term we use, or the pronoun which refers thing, but signifies equally well a thing which
to the thing, is verified by the thing (Ock ham can be white. The aspect, therefore, under
1974, p. 193, lines 11—14). which a thing is referred to, is not important.
Let us now try to analyse Ock ham’s notion Signification is, on the other hand, not link ed
of ‘significatio’. This notion should be distin- to the present existence of a thing, and is not
guished from that of ‘suppositio’, but in Ock - influenced by changes or the destruction of a
ham’s theory it is more difficult to distinguish thing. This mode of signification shows a
between the two than in those of other logi- omnitemporal range: it is Ock ham’s usual
cians. Ock ham is on the verge of abandoning interpretation of signification, viz. as omni-
to notion of ‘significatio’ in favour of ‘sup- temporal denotation (cf. Ock ham 1974, 215,
positio’, but he does not do so completely. To lines 39—40). — In its third sense, ‘to signify’
elucidate the former notion he uses the latter. is used for what traditionally has been called
In the first part of his Summa logicae he gives the ‘denominatio’ of a term; for example,
in chapters 26—37 a k ind of philosophical something white (album) is called ‘white’, be-
dictionary which students should learn in the cause it is derived from ‘albedo’ (›the white
pursue of truth (Ock ham 1974, 84, lines 3— thing‹ gets its name from ‘whiteness’). Of
8). In chapter 33 Ock ham discusses the term course, ‘the white thing’ does not ›stand for‹
‘significare’ which, he says, is interpreted by (suppositio) whiteness, for there is no white-
logicians in many ways. — In its first sense, ness as such in reality. — In its fourth sense,
‘to signify’ is used of ‘the white thing’ when called by Ock ham the broadest one, ‘to sig-
the latter stands for, or can stand for, some nify’ can also cover the way, for instance,
thing, of which the term ‘the white thing’ is negative terms signify, of which Ock ham gives
truly said, or, to use Ock ham’s terms, is ver- several examples. These negative terms can
ified by way of the verb ‘is’ in the present. also stand for positive things in the outside
Note that Ock ham here has in mind a primary world though only indirectly. Traditionally, it
k ind of signification by a mental, written or is a secondary form of signification (cf.
spok en term, in virtue of which a thing present Thomas Aquinas 1954, ch. 1).
before the language-user is signified. This cor- Ock ham adds that all universal terms sig-
responds to his view that the primary k ind of nify more than one thing, yet that universal
cognition by which a k nowing subject k nows terms which are genus or species, e. g. ‘animal’
external things, is ›cognitio intuitiva‹ [intuitive or ‘man’, signify in the first and second sense,
cognition] of things present; intuitive cogni- while ›concrete‹ terms, such as ‘the white
tion of non-present things, e. g. of things past, thing’ signify in the other modes as well. We
is possible, but imperfect. Intuitive cognition can conclude that the first two modes of ‘to
of present things is connected with mutable signify’ should in this respect be distinguished
things such that, when a thing changes or is from the latter two. In all the modes of sig-
destroyed, that thing is no longer signified, nification distinguished above by Ock ham, he
and, hence, the term may possibly have no uses a connotative term, namely the word
referent at all (Boehner 1946, 170). Ock ham ‘album’ [the white (thing)]; ‘connotative term’
seems to be particularly interested in this as- (terminus connotativus) means that a term
pect of signification: in his Quodlibeta he dis- has double signification, viz. to a form —
cusses the problem in connection with ‘sig- ‘whiteness’ — and to a thing which is the
nificare’ (Ock ham 1980, 542). Thus, in the bearer of that form. In the final part of chap-
first sense a sign has signification at the same ter 33, Ock ham says that ›to signify‹ in any
time as the thing presently exists. This is also of the senses mentioned above is a property
one of Ock ham favorite tenets, namely that of every universal term, which stands for all
21.  William of Ockham (ca. 1285—1347) 303

individuals indicated by the term. He rejects supposits for the material spok en or written
the view of a certain doctor, not mentioned entity. It should be noted that supposition is
by name, who held that a universal term, e. g. not identical with verification.
‘man’, does not refer to all men, but only to There are several problems connected with
present men. this division. First one should note that, ac-
cording to Ock ham, personal supposition is
primary. It is on account of the ›virtue of
5. Supposition speech‹ (de virtute sermonis) that every term
The k eyword in Ock ham’s semantics is ‘sup- in a proposition should be tak en according
positio’. ›Suppositio‹ is a property of a term, to this k ind of supposition. When a term is
by virtue of which the term, be it a subject- tak en in personal supposition it refers to
or a predicate-term, ›stands for something‹ things which it signifies naturally, e. g. ‘man’
or, in technical language, ›supposits for some- signifies individual man, ‘noun’ signifies
thing‹. Ockham says: words etc. This is expressed as follows: ‘every
“dicitur autem suppositio quasi pro alio positio, ita
man is an animal, therefore: this man is an
quod quando terminus supponit in propositione
animal, and that man is an animal, etc.’ There
stat pro aliquo, ita quod utimur illo termino pro
is no reference to a distributive entity, which
aliquo de quo, sive de pronomine demonstrante
does not exist. The antecedent is extensionally
ipsum, ille terminus vel rectus illius termini si sit
equivalent with the consequent (Pinborg
obliquus verificatur, supponit pro illo” [supposition
1972, 130).
is said to be a sort of tak ing the place of another,
Ock ham (1974, 195, lines 22—25) explicitly
thus, when a term supposits for something in a
says that in personal supposition a term does
proposition in such a way, that we use the term for
not refer to a thing, but to its significate
the thing of which, or of the pronoun pointing to
(significatum). Here he criticizes William of
the thing, the term or its nominative case, if it is
Sherwood (1200/1210—1266/1271) (1937,
an oblique case, is verified, (the term) supposits for
75), it seems. According to Ock ham, Sher-
it] (1974, 193, lines 11—14).
wood did not allow, for instance, for personal
A propositional context is required for this supposition to, e. g., words, which are not
two-names theory of reference (subject- and things. The things for which terms in propo-
predicate-term). Ock ham distinguishes be- sitions supposit, are things as far as signified,
tween three k inds of supposition: personal, not just things. Moreover, not all significates
simple and material (personalis, simplex, ma- are things.
terialis). Personal supposition is the primary The supposition of ‘man’ in ‘every man is
k ind: here a term supposits for what is sig- an animal’ differs from the supposition of
nified by it: for example, in ‘omnis homo est ‘man’ in ‘man is a species’, where ‘man’ stands
animal’ [every man is an animal], ‘homo’ for the concept of man, and from the sup-
[man] supposits for things in the outside position of ‘man’ in ‘man is a noun’ where
world, of which it is true to say that they are ‘man’ stands for the word itself. In the latter
an animal. In ‘omne nomen vocale est pars two cases, ‘man’ does not supposit for what
orationis’ [every vocal noun is a part of it signifies, viz. individual men.
speech], ‘noun’ supposits for words; in ‘every Secondly, it is problematic that these three
species is a universal’, ‘species’ supposits for k inds of supposition are on the same level;
a particular species, e. g. ›horse‹; in ‘every writ- simple and material supposition seem to stand
ten word is a word’, ‘word’ (the subject-term) in opposition to personal supposition. In the
supposits for written words. Or a term may first two k inds of supposition a term stands
supposit for some other imaginable thing; for logical and grammatical entities respec-
Ock ham does not offer examples. Perhaps he tively; in personal supposition, it is things in
just means that the list is not complete (Ock - the outer world, studied by the natural sci-
ham 1974, 195, lines 9—21). Simple suppo- ences, which are referred to. Some later lo-
sition occurs when a term supposits for an gicians, e. g. John Buridan (ca. 1300—1358),
intention in the mind, e. g. in ‘man is a species’; do not mak e a distinction between simple and
here ‘man’ supposits for the intention of the material supposition. They are seen as one
mind or, with another term, for the logical kind of a non-referring use of terms.
construct ›man‹. Material supposition is said In simple supposition, a term does not sup-
to occur when a term supposits for a spok en posit for its significate, says Ock ham (1974,
or written word and is not tak en significa- 196, lines 33—37). He criticizes among others
tively, e. g. in ‘man is a noun’; here ‘man’ Peter of Spain (1972, 211). According to Ock -
304 II. Personen

ham, a term supposits in this k ind of suppo- cation of ‘white’, viz. whiteness, that is, in
sition for an act of the mind: a term refers to Ock ham’s view, the totality or whole of white
a term of a higher level. things in the past, present and future, is al-
Simple supposition seems to be connected ways present. Only if Socrates alone possessed
with material supposition rather than with whiteness, the predicate ‘white’ would sup-
personal supposition. This last form does not posit precisely (see Ock ham 1974, 194, line
seem to belong to the same genus as the 31) for Socrates. This, however, is not the
others. Nevertheless, an interesting sugges- case: Plato, for instance, is white as well.
tion, made by Niels Egmont Christensen Although in most of his work s Ock ham fa-
(1961, 61 ff) and quoted by Pinborg (1972, vours ›logical‹ predication, in his earliest pe-
63 f) is that in material supposition, too, a riod he seems to have defended a ›realist‹ or
term refers to something outside itself. In ›reist‹ theory of predication, or, at least, to
‘Boston is a word of two syllables’, ‘Boston’ have considered such a possibility. He men-
refers to the actual production of an object tions this k ind of predication in two contexts
(viz. the utterance ‘Boston’). Medieval think - which seem to be related:
ers do not seem to accept terms as names, (1) In his analysis of what can be predicated
but as variables, which are never empty. of God. This analysis can be found in Ock -
A last remark on Ock ham’s supposition ham’s Commentary on the Sentences.
theory is his interpretation of ‘homo est dig- (2) In his discussion of the so-called ‘sixth’
nissima creatura creaturarum’ [man is the predicable (praedicabile), viz. individual. This
most worthy among creatures] (Ock ham discussion is presented in his Commentary on
1974, 199, lines 1—9; 26—50). Some philos- Porphyry’s Isagoge, where Ock ham com-
ophers, for instance Walter Burley (1275— ments on the five traditional predicables: ge-
1337), thought that ‘man’ here has simple and nus, species, difference, property and accident
absolute supposition (1955, 13, line 36), for (e. g. ‘animal’, ‘man’, ‘rational’, ‘capable of
it is false that this man is the most worthy laughter’, ‘white’).
among creatures nor that man etc. Ock ham In the case where predication is of a thing
does not accept Burley’s solution, for a gen- concerning the divine, Ock ham maintains the
eral concept to which, according to Ock ham, thesis that the intellect, because it can appre-
a term in simple supposition refers, cannot be hend things in reality by a simple cognition,
more noble than an individual man. Never- can combine these things with themselves or
theless, the proposition is false when ‘man’ is with another thing. Here a proposition is a
tak en in personal supposition, for each sin- combination of things in the mind, and the
gular man is not the worthiest of all creatures, mental, spok en or written propositions, bring
not, for instance, in comparison to angels. the person who utters the proposition into
However, one should pay attention to the direct contact with the things k nown. In some
author’s intention who clearly wanted to dis- strange way thought and things are com-
tinguish man from other corporeal creatures. bined: our k nowledge holds a primary, una-
One should thus not tak e every proposition dulterated picture of reality. When speak ing
›de virtute sermonis‹: Ock ham is not a radical of predication of a thing, Ock ham can be
empiricist (see 7.). labelled a ‘reist’ or ‘realist’. — In the earlier
period of his writing (cf. Bos 1987b), Ock ham
seems to hold a theory of realist predication
6. Logical and real predication which is not compatible with the concept of
In most of his work s Ock ham uses what can logical predication which he uses in his later
be called ›logical‹ predication. In order to work s, e. g. in the Summa logicae and the
think , speak or write about individual things Quodlibeta. In one of the questions in his
the human intellect uses terms in a proposi- Quodlibeta, Ock ham (1980, 246, line 1—250,
tion. The bearer of truth and falsity is a line 98) raises the problem of whether a men-
mental fabrication, which refers to reality. tal proposition is composed of things or con-
Though in a proposition a term refers to an cepts. Without showing any hesitation, Ock -
individual, generality is always associated ham defends the view that a mental propo-
with the term; it never loses its signification sition is composed of concepts. I cannot dis-
which is an omnitemporal denotation as we cuss his arguments here especially the ones
saw in 4. Therefore, our human way of talk ing from article II of the Quodlibet I referred to;
about individuals always remains on the gen- moreover, Nuchelmans in his Theories of the
eral level. In ‘Socrates is white’, the signifi- Proposition (1973, 219—220; see as well: Bos
21.  William of Ockham (ca. 1285—1347) 305

1987 a) has examined the most important notably those handed down by the ›auctores‹
ones. A proposition is not, Ock ham says, the (authors to whose statements one should at-
man, for instance, to which it refers. Nor, tach full weight, especially the church-fathers,
Ock ham says, in ‘the dog eats bread’ (canis such as Augustine, and the words of the Bi-
comedit panem), does the subject-term eat the ble), that convey truths. They are false ›de
predicate-term. In his Commentary on the virtute sermonis‹, but true when tak en in a
Sentences, Ock ham uses the theory of realist non-literal sense, e. g. metaphorically. A very
predication when speak ing about God. In his simple example of what Ock ham understands
Commentary on the logica vetus, where he by such propositions is: ‘Apostolus dicit hoc’
explains Aristotle’s and Porphyry’s work s, [the apostle says this] where ‘apostle’ should
Ock ham merely mentions the ›praedicatio rei‹ not be tak en in a general sense, referring to
in the context of individuals in general terms. any apostle whatever, but should be tak en to
Yet, it should be mentioned that in his Com- refer to the apostle Paul only, which was
mentary on the Sentences Ock ham shows indeed the traditional interpretation. An in-
some hesitation: between section mark s he terpreter, says Ock ham (1967, 237, lines 16—
adds: ‘if a thing can be predicated’. To my 18), should try to find the author’s intention
mind these k inds of insertion point to a later and look for truth behind the at first sight
revision of the Commentary by Ock ham, not false statements. From their depth of wisdom
to a complete version as the modern editors and their eloquence the venerable authors
would have it (Ockham 1974, 47*—56*). expressed themselves in different, and some-
times ambiguous terms in order to beautify
their sayings. Grammar teaches the logician
7. Logic and grammar the different k inds of metaphorical expres-
Ock ham did not produce a separate treatise sion, e. g. synecdoche, metonymy, antonymy
on grammar, as far as we k now. However, he etc. — There is, says Ock ham, another way,
was apparently acquainted with the basic no- in which grammar could be subservient to
tions used in grammar, and, moreover, in other sciences, e. g. to logic (1974, 10, lines
comparison to other logicians of his time he 35—42), namely when one decides which
made unusual use of the analyses of grammar words can be combined with each other. For
(see 3.). Ock ham considers grammar to be a example, the proposition ‘hominis est asinus’
science which is subservient to all other sci- [to a man an ass belongs] is grammatically
ences (Ock ham 1967, 759, line 94). As we correct, but the proposition ‘hominis videt
have noted, logic investigates language with asinum’ [of a man sees an ass (accusative
regard to truth and falsity; logic is primarily noun)] is grammatically incorrect. Now gram-
concerned with mental entities, though also mar decides, say, which nouns (here: oblique
with written and spok en language. Grammar nouns, that is, nouns in another case than the
studies, Ock ham says (1978, 137, line 25), the nominative case and standing in the subject-
well-formedness and ill-formedness of sen- position of a proposition) can be the subject-
tences; it concentrates on the written and spo- term of a proposition. — Though Ock ham
k en level. Of course, logic and grammar are does nowhere explicitly say this in those
not distinguished, because the first is primar- work s which are accepted as genuinely his,
ily concerned with the mental level and the logic also decides in some cases the order in
second with the written and spok en words. which terms should be construed in a prop-
The reason for the distinction between these osition. Well k nown in medieval logic is the
sciences is that their formal objects (truth and difference between ‘ego promitto tibi equum’
congruity, respectively) are different; in fact, [I promise you a horse] and ‘equus tibi prom-
however, grammar primarily studies words, ittitur’ [there is something, called a horse,
spok en or written, and logic mental speech which is promised to you (by me)]. Ock ham,
(s. art. 71). too, discusses the problems involved with the
Now, logic analyses language primarily word-order in those propositions. In the first
with regard to the proper signification of proposition ‘equum’ stands after the verb and
terms, that is, in so far as they refer to reali- is not, Ock ham says (1974, 221, lines 188—
ties. This happens according to what Ock ham 194), the predicate, but part of the predicate,
calls ‘suppositio propria’ [proper supposition] viz. of ‘promittens tibi equum’ [promising you
or ‘de virtute sermonis’. However, if we look a horse]. In this case reference to a determi-
at terms and propositions in this way, prob- nate horse is impossible, only the general con-
lems arise. For there are many propositions, cept of horseness under which the promise is
306 II. Personen

made, is signified. In the second example, 8.1. The language of the eucharist


reference is made, by ‘equus’ standing in front
position, to a determinate horse: it is that I shall now elaborate this difference in more
thing, which happens to be called a horse, detail by investigating Ock ham’s theory
that is referred to. In these examples logic about the sentences spok en during the eu-
determines the order of the words, matching charist, viz. ‘hoc est corpus meum’ [this is my
the real situation in each case. In the Elemen- body] and ‘hic est sanguis meus’ [this is my
tarium logicae, which is not generally accepted blood]. Ock ham’s exposition of this religious
as authentically Ock ham’s (Ock ham 1965, 25, language is interesting for different reasons:
217; cf. Miethk e 1967, 233), it is said that (1) We learn here better than, for instance, in
every science has its own technical terminol- Ock ham’s Summa logicae his view on the
ogy which is formed specifically for that sci- demonstrative pronoun ‘this’; (2) We learn in
ence. In the case discussed here, logic has its what way the written and spok en word can
own rules for the construction of sentences. differ from mental speech, in other words,
how deep-structure (i. e. mental language) can
differ from surface-structure (i. e. conven-
8. Religious problems tional language). In the eucharist the bread
once brok en becomes the body of Christ, and
It is a characteristic of medieval philosophy the wine once drunk becomes His blood. In
that problems raised by Christian faith were this way, the faithful celebrate the passion of
used as an opportunity to test scientific the- Christ. In transsubstantiation the divine and
ories. Medieval think ers wanted to explain supernatural communicate with the perisha-
Christian truths in natural terms, or, at least, ble and with what is natural for man; the two
to show the extent to which mysteries were levels of reality, viz. the principal and the
intelligible. In the present section I shall dis- secondary, are mixed. In the early Middle
cuss one problem arising from Christian doc- Ages, Beringarius of Tours (a French theo-
trine. This problem concerns the words spo- logian, who lived ca. 1000—1088) taught that
k en by the priest at the eucharist: ‘hoc est in transsubstantiation Christ’s body and
corpus meum’ [this is my body]. These words blood was not really present, but that the
are link ed to the mystery of transsubstantia- bread and wine merely became their ›signa‹
tion. As a theologian Ock ham tries to explain [signs]. For Christ has gone to heaven, and
the reference of these words, especially of the so He cannot be present during the eucharist.
pronoun ‘hoc’ [this], because this pronoun This doctrine was rejected by the church,
refers to two different things, viz. to the bread however. Generally, the church taught the real
and to the body of Christ. The question arises: presence of Christ during the eucharist, that
what k ind of mental language lies behind this is, during the ceremony in which a priest
utterance? On occasion of this problem we speak s the words ‘this is my body’ and ‘this
can learn something about the relation be- is my blood’. So, during the eucharist, the
tween mental language and spok en language. bread actually becomes Christ’s body, and the
— Ock ham is quite unique among medieval wine His blood. A problem arose: how could
theologians in feeling unable to understand this miracle be explained in rational terms?
the mysteries of Christian faith in the same And even if this were not possible, how was
way as his predecessors. Not for instance the one to analyse the propositions used? What
mystery of predestination: Ock ham cannot was the nature of the sentences on the occasion
understand how determinate forek nowledge of whose utterance (though perhaps not: in
is compatible with contingency. Both Thomas virtue of which in the strict sense, because
Aquinas and Duns Scotus, each in their way, Christianity allows no magic, and man can
thought they could explain in natural terms not force God’s Son to be transsubstantiated)
how on the one hand, God has prior k nowl- this miracle took place. To what do the words
edge of all things, whereas the same things used refer, especially considering that on two
are not determined in their actions (cf. Mc occasions two substances are successively
Cord Adams and Kretzmann 1969, esp. 3— present, that is, the bread and Christ’s body,
16). Nevertheless Ock ham was able to explain and the wine and Christ’s blood? — There
some problems concerning propositions con- were many solutions in the Middle Ages on
nected with the mystery. these problems (cf. e. g. Mangenot 1939, cols.
1302—1326). To begin in the early thirteenth
century, some tok e the view (e. g. Petrus Pic-
21.  William of Ockham (ca. 1285—1347) 307

taviensis (died 1205), Innocentius III (Pope rematic term (e. g. ‘man’) signifies something
in 1198—1216), Praepositinus (died 1210)) determinate (but cf. below), nor does it con-
that the sentences were used in a ›material‹ signify, lik e ‘and’, ‘well’, etc. To each vocal
sense, by which is meant that these words proposition there corresponds a mental prop-
were a k ind of quotation and did not refer to osition, Ock ham adds (1980, 194, lines 23—
extramental things. Others, e. g. Alexander of 24). Now, in the present case, the priest
Hales (ca. 1185—1245), held that the pronoun should, if he follows the correct ceremonial
‘this’ referred merely to something under- procedure, intend to demonstrate the body of
stood, a k ind of sign, which provok ed the Christ by way of the pronoun. Ock ham em-
objection that, just as in the case of Berin- phasizes the intention of the speak er which is
garius, the body and blood of Christ were not determined in the mind. To the proposition
present in any real sense during eucharist. In uttered by the priest ‘this is my body’ there
his Summa theologiae Thomas Aquinas (1956, corresponds, says Ock ham, not one, but two
478) says that the proposition possesses fac- mental propositions: the first corresponds to
tive power, viz. the power to convert bread the beginning of the utterance of the propo-
into His body and the wine into His blood. sition. When ‘this’ is uttered, the priest k nows
So, the apparently descriptive sentence ‘this what it refers to, and at that moment he forms
is my body’ conceals, according to Aquinas, the mental proposition: ‘this body, that will
a sentence of the same type as ‘this table immediately come into being with the ap-
should be made’. The full power of the sen- pearances of the bread, will be, if this prop-
tence is realised when the last word is spok en. osition is duly uttered, my body’. So, Ock ham
Then, with the sentence as cooperative cause says, this mental proposition is a future con-
(God is the primary cause, of course) the tingent proposition, that is, a proposition
transsubstantiation tak es place. When at the about something that will happen in the fu-
beginning of the sentence, the word ‘this’ is ture though it is possible that it will not
uttered, the word does not refer to the body happen. It may be that transsubstantiation
of Christ (otherwise, as Thomas sees it, the will not tak e place, if the formula is not prop-
sentence would be a tautology) nor to the erly uttered. But at the end of the formula,
bread, for then the bread would already be a there is a second and different mental prop-
sign of the body of Christ, but the word refers osition, viz. namely ‘this body, existing with
to something intermediate, i. e. to a substance this appearance (viz. of bread), is my body’.
common to Christ’s body and the bread with- Now this is a true descriptive proposition
out determinate appearances. So, Thomas’ relative to the present. So, corresponding to
theory tells us that behind the surface of an one spok en proposition there are two mental
apparently descriptive sentence a ›practical‹ propositions, one in the future tense, and
sentence is concealed. Further, that the pro- another in the present. The propositions are
noun ‘this’ can point to something interme- not factive, as Thomas said, at least Ock ham
diate, a k ind of common substance, which is does not label them so. The spok en proposi-
a strange explanation, I feel, but in line, it tion tak es some time to be uttered. Just as
seems, with Thomas’ general theory, accord- Thomas and Duns Scotus had already appre-
ing to which the intellect is acquainted only ciated, a spok en or written proposition exists
with extramental individual things by way of in place and time; mental propositions are
a general intermediate species (be it sensible not link ed with time (Ock ham 1980, 197, lines
or intelligible). — I shall not discuss here the 104—110; 251, line 20—252, line 29). That
views held on the problem by John Duns Ock ham draws a sharp dividing line between,
Scotus, against whom Ock ham is in many on the one hand, mental language, and, on
respects directly reacting. Scotus’ view is too the other hand, spok en and written language,
complicated to be explained in a few words. is even clearer now, I think . — The distinction
What is Ock ham’s theory (cf. Imbach 1987)? between the two levels of language has been
In his Quodlibeta Ock ham (1980, 193—197) illuminated by the use of the pronoun ‘this’,
says that ‘this’ is significative on account of about which we also learn something here.
the intention of the priest who utters the word. Ock ham concludes that a pronoun is not a
Now, somebody intends in different ways to proper name, but anyone can use it to des-
indicate different things, and truth should be ignate anything. It is a categorematic word
judged accordingly. The pronoun does not without determinate referents (but cf. Pan-
signify something in its own right or primarily acchio 1980, who had to base himself on the
in any strict sense, in the way that a catego- incunabulum-version of Ockham’s text).
308 II. Personen

9. Conclusion 10. Selected references


To Ock ham, language is very important: Ashworth’s pioneering book (1974) discusses lan-
propositions are the bearers of truth and fal- guage and logic of the post-medieval period. Boeh-
sity, but not things in any sense. He distin- ner’s article (1946) is one of a number of studies
guishes between three levels of language: the of a great Ock ham-scholar. Boehner did much to
written, the spok en and the mental. There are free Ock ham of the label of ‘scepticism’ and ‘des-
singular and general terms: generality exists tructivism of the thirteenth century synthesis’.
only in language, not in reality. Ock ham’s Kneale (1971) is one of the classical handbook s
semantics is extensional: the subject- and the about the history of logic, including the Middle
predicate-term both can have suppositional Ages. Kretzmann (1967) is an important article on
reference to the world outside the k nowing the history of semantics. Miethk e (1967) is primar-
subject. Mental language is primary: it is the ily on Ock ham’s social philosophy but presents also
same for all man, and the contents of that aspects of Ock ham’s other theories. Pinborg’s book
language tells us unambiguously to what the on logic and semantics (1972) contains many new
k nowing-subject is directed. Mental language results: a brilliant book , though sometime some-
is a sort of deep-structure, whilst conventional what succinct. Nuchelmans’ book (1973) is the first
language is the surface-structure which is de- part of a stimulating monograph in three volumes
pendent on it. There is no one-to-one rela- on the proposition as bearer of truth and falsity.
tionship between the mental and the conven- Mc Cord Adams (1987) is a monumental work and
tional language. This is especially clear in a new basis for further research. Since 1967 the
Ock ham’s analysis of religious language. work s of Ock ham have been critically edited in an
Ock ham describes mental language in terms admirable way by the St. Bonaventure University
of the distinction between parts of speech, to (N. Y.): Ockham 1967, 1970, 1974, 1978, 1980.
be found in grammatical treatises. In this
respect he accords to grammar a greater role Egbert Bos, Leiden (Netherlands)
than do other medieval logicians, but its role
is still subservient.

22. John Locke (1632—1704)

1. Die Lehre von den Zeichen war nach Meinung der Aufk lärer die schola-
2. Wörter sind Zeichen für Ideen stische Verk nüpfung von Semantik mit Logik
3. Ideen sind Zeichen für Dinge und Grammatik gelöst (s. Art. 4), und die
4. Die Funktionen der Sprache Frage nach der Funk tion der Sprache im Pro-
5. Die Unvollkommenheit der Sprache zeß des Erk ennens gestellt worden. Lock es
6. Kritische Würdigung epistemologische Ausrichtung fand selbst
7. Literatur in Auswahl Eingang in die Logik bücher der Aufk lärung.
Als hervorragendes Beispiel sei Isaac Watts
Logic aus dem Jahre 1724 genannt.
1. Die Lehre von den Zeichen
John Lock e gilt als Ahnherr aller jüngeren 1.1. Physik, Praktik, Semiotik
Richtungen des Empirismus. Sein philoso- Lock e teilt alle Wissenschaften in drei Haupt-
phisches Hauptwerk , der Essay concerning k lassen: (a) In die Physik oder Naturwissen-
Human Understanding, wird in der modernen schaft. Es ist dies „die Kenntnis der Dinge,
Philosophie vor allem vor dem Hintergrund wie sie ihrem eigenen Wesen nach sind; ferner
der Frage nach dem empirischen Ausgangs- ihre Beschaffenheit, Eigenschaften und Wir-
material unserer Erk enntnis disk utiert. Die k ungsweisen“. Zur Naturwissenschaft zählt
sprachphilosophischen Erörterungen im Es- Lock e nicht nur die Erforschung k örperlicher,
say interessieren k aum. Zur Zeit der Aufk lä- sondern auch geistiger Dinge. Die Natur Got-
rung war dies anders (s. Art. 8). Lock e galt tes ist ebenso ihr Gegenstand wie „Engel,
damals nicht nur als einer der wichtigsten geistige Wesen, Körper oder ihre Eigenschaf-
Denk er des 17. Jahrhunderts, sondern auch ten wie Zahl, Gestalt usw.“. Theologie, Psy-
als deren bedeutendster Sprachphilosoph. Im chologie und Mathematik sind Lock es Ein-
dritten Buch des Essay, betitelt: Of Words,
22.  John Locke (1632—1704) 309

teilung zufolge Teilgebiete der Physik . Ihr Ziel verknüpft ist:


ist „reine spekulative Wahrheit“ (IV, 21.2). „Als ich [...] daran ging, den Umfang und die
(b) Die Praktik. Aufgabe der Prak tik ist es, Zuverlässigk eit unserer Erk enntnis (extent and cer-
Leitlinien für das menschliche Handeln bereit tainty of our k nowledge) zu untersuchen, mußte
zu stellen. Der wichtigste Zweig dieses Wis- ich feststellen, daß diese unsere Erk enntnis zu den
sensgebietes ist die Ethik. Sie ermittelt die- Wörtern in einer so engen Beziehung steht, daß nur
jenigen „Regeln und Maßstäbe (rules and wenige k lare und zutreffende Aussagen über die
measures) der menschlichen Handlungen, die Erk enntnis möglich sind, ohne vorher genau zu
zur Glück seligk eit (happiness) führen“, und erforschen, was die Wörter leisten und in welcher
erfindet Mittel, „um dementsprechend zu Art sie die Dinge bezeichnen (force and manner of
handeln“. Ziel der Prak tik ist nicht reine Spe- Signification). Denn die Erk enntnis, deren Gegen-
k ulation, sondern „das Rechte (right) und ein stand die Wahrheit ist, hat es stets mit Sätzen
Betragen (conduct), das dem angemessen ist“ (propositions) zu tun [...] Ich neige zu der An-
(IV, 21.3). (c) Die Semiotik oder Lehre von nahme, daß, wenn man die Unvollk ommenheiten
den Zeichen. Die Semiotik untersucht die Na- der Sprache als des Instruments der Erk enntnis
tur der Zeichen, deren sich der menschliche gründlicher erwägen wollte, ein großer Teil der
Geist bedient, um Dinge zu erk ennen und sein Streitigk eiten, die in der Welt so viel Lärm verur-
Wissen anderen mitzuteilen. Zum einen sind sachen, von selbst aufhören würde. Somit würde
dies Ideen (ideas), die „Zeichen (signs) oder dann der Weg zur Erk enntnis, wie vielleicht auch
Stellvertreter (representations)“ der Dinge, der Weg zum Frieden, viel offener vor uns liegen,
zum anderen sind es Wörter (words), die Zei- als es jetzt der Fall ist“ (III, 9.21).
chen der Ideen. Als Wissenschaft von den Ehe wir k lare Aussagen darüber machen,
beiden „hauptsächlichsten Hilfsmitteln der was Menschen erk ennen k önnen, müssen wir
Erk enntnis (instruments of k nowledge)“ (IV, uns nach Lock e fragen, was die Bedeutung
21.4) übernimmt die Semiotik gegenüber der von Sprachzeichen ist.
Physik und Prak tik eine übergreifende und
integrierende Funk tion (s. Art. 114). Lock es
Essay ist ihr zuzuordnen. 2. Wörter sind Zeichen für Ideen
1.2. Die Bedeutung der Semiotik 2.1. Funktionen der Zeichensysteme
Wie den wenigen autobiographischen Bemer- Lock es Hauptargument, mit dem die Bedeu-
k ungen des Essay zu entnehmen ist, hatte tung der Lehre von den Zeichen begründet
Lock e die Bedeutung der Semiotik erst im werden soll, lautet so: „Der menschliche Geist
Lauf seiner philosophischen Entwick lung er- (mind) bedient sich gewisser Zeichen, weil von
k annt. Einmal, so erinnert er sich in seinem den Dingen, die er betrachtet, [...] k eines dem
einleitenden Epistle to the Reader, war er mit Verstande (understanding) gegenwärtig“ ist.
Freunden in eine naturwissenschaftliche De- Denk e ich über die Geographie eines Landes
batte verwick elt, die in völliger Konfusion nach, so ist mir das Land als solches nicht
geendet hatte. Da k am ihm der Gedank e, daß gegenwärtig. Somit ist es notwendig, daß der
sie „einen falschen Weg eingeschlagen hätten“ menschliche Geist etwas
und daß „vor Beginn solcher Untersuchungen „als Zeichen oder Stellvertreter des Dinges, das er
notwendig unsere eigenen geistigen Anlagen“ betrachtet, zur Verfügung hat, und das sind die
geprüft werden müßten. Ehe wir Aussagen Ideen“. Nun ist aber „der Schauplatz der Ideen,
über die Dinge machen k önnen, müssen wir der die Gedank enwelt eines Menschen bedeutet,
uns fragen, was wir überhaupt erk ennen k ön- dem Blick eines anderen nicht unmittelbar zu ent-
nen. Fänden wir darauf eine Antwort, so wä- hüllen“ (IV, 21.4).
ren wir wie ein Matrose, der die „Länge seiner Menschen sind jedoch soziale Wesen, die
Lotleine“ k ennt, „auch wenn er damit nicht die Neigung haben und aufgrund ihrer Be-
alle Tiefen des Weltmeeres ergründen k ann. dürfnisse auch gezwungen sind, mit anderen
Es ist gut, wenn er weiß, daß sie lang genug zusammen zu leben. Gesellschaftliches Zu-
ist, um an solchen Stellen den Grund zu er- sammenleben erfordert Kommunik ation. We-
reichen, wo es notwendig ist, um seinen Kurs sentlich ist dabei der Austausch von Erfah-
zu bestimmen und ihn vor Untiefen zu be- rungen und Einsichten, also von Ideen im
wahren, die ihm verderblich werden k önnten“ Sinne Lock es. Da die Ideen des einen Men-
(Epistle to the Reader). Bald aber erk annte schen anderen nicht direk t zugänglich sind,
Lock e, daß die Frage, was wir erk ennen k ön- erfanden sie ein sinnlich wahrnehmbares Zei-
nen, eng mit der Frage nach der Sprache chensystem, um ihre für andere unsichtbaren
Ideen öffentlich zu machen. Am zweck dien-
310 II. Personen

lichsten erwiesen sich aufgrund ihrer Reich- meinen Bezeichnungen des Geistes für Bejahung
haltig
k eit und Schnellig
k eit arti
k ulierte und Verneinung“ (III, 7.1).
Laute. Der (b) Neben den Wörtern, die sich auf Ideen
„Zweck der Wörter besteht also darin, sinnlich beziehen, gibt es noch Ausdrück e, die ver-
wahrnehmbare Kennzeichen (sensible mark s) der wendet werden,
Ideen zu sein; die Ideen, für die sie stehen, machen „um das Fehlen oder die Abwesenheit bestimmter
ihre eigentliche und unmittelbare Bedeutung (prop- einfacher oder k omplexer Ideen (simple or complex
er and immediate signification) aus“ (III, 2.1.). ideas) oder aller Ideen überhaupt auszudrück en.
Neben dieser Mitteilungsfunk tion haben Dazu gehören zum Beispiel ‘nihil’ im Lateinischen,
Wörter noch eine weitere wichtige Funk tion: ‘Unwissenheit’ und ‘Geistesleere’ im Deutschen.
Mit ihrer Hilfe unterstützen wir unser Ge- Von all diesen negativen oder privativen Wörtern
dächtnis. Indem wir nämlich einer Idee oder (negative or privative words) k ann man eigentlich
einem Ideenk omplex einen Namen geben, er- nicht sagen, daß sie k einer Idee zugehörten oder
innern wir uns eher an ihn. Lock e faßt diese k eine Idee bezeichneten; denn sonst wären sie völlig
beiden Funk tionen der Sprache, ihre Mittei- bedeutungslose Laute. Sie beziehen sich jedoch auf
lungs- und ihre Merkfunktion, so zusammen: positive Ideen und bezeichnen deren Abwesenheit“
„Der Wert, den diese Kennzeichen für die Men- (III, 1.4).
schen besitzen, besteht entweder darin, daß sie sich Interessant sind schließlich Verben. Ob-
ihre eigenen Gedank en zur Unterstützung ihres Ge- wohl Lock e sie nirgendwo explizit von seiner
dächtnisses einprägen, oder daß sie ihre Ideen Zeichentheorie ausschließt, so schließt er sie
gleichsam zutage fördern und den Blick en anderer meines Wissens auch nur an einer einzigen
unterbreiten“ (III, 2.2). Stelle explizit ein:
„Wer zuerst die Wörter ‘sich schämen’, ‘schmei-
2.2. Hauptthese cheln’, ‘neck en’ in Umlauf setzte, fügte die Ideen,
für die er sie verwendete, so zusammen, wie er es
Im Anschluß an diese Ausführungen über die für geeignet hielt“ (III, 9.7).
Funk tionen der Sprachzeichen findet sich die Lock e scheint sich für Zeitwörter nicht
wohl präziseste These der Lock eschen Zei- sonderlich interessiert zu haben, einen Grund,
chentheorie, insoweit sie Wörter betrifft. Sie sie von der Hauptthese auszuschließen, sah er
sei im folgenden ‘Hauptthese’ genannt: jedoch nicht. Diese läßt sich nun in folgender
„Words in their primary and immediate Signification, Weise präzisieren:
stand for nothing, but the Ideas in the Mind of him Wörter, ausgenommen: synkategorematische und
that uses them“ (III, 2.2). privative, stehen in ihrer primären oder unmittelbaren
Es stellen sich zumindest vier Fragen: Bedeutung für nichts anderes als für die Ideen im
(1) Wörter sind artik ulierte Laute. Kommt Geiste desjenigen, der sie gebraucht.
allen artik ulierten Lauten die oben beschrie- (2) Was ist mit ‘primary or immediate sig-
bene Zeichenfunk tion zu? Lock e läßt zwei nification’ gemeint? Nachdem Lock e seine
Ausnahmen gelten: (a) Wörter, Hauptthese formuliert hatte, betont er noch-
„durch die man zeigen k ann, welche Verk nüpfung, mals, daß Wörter Zeichen für Ideen im Geiste
Einschrän
k ung, Unterscheidung, Gegenüberstel- desjenigen sind, der sie gebraucht, und daß
lung, Hervorhebung usw. man jedem einzelnen Teil sie unmittelbar sich auf nichts anderes als auf
seiner Rede geben will (part of his discourse)“ (III, die Ideen im Geiste desjenigen beziehen, der
7.2). sie gebraucht. Niemand k ann Wörter „un-
Beispiele wären hier ‘aber’ oder ‘vielleicht’. mittelbar für etwas anderes verwenden als für
Diese, heute zumeist ‘synk ategorematisch’ ge- seine eigenen Ideen“ (III, 2.2). Damit ist na-
nannten Ausdrück e, sind Lock e zufolge k eine türlich nicht ausgeschlossen, daß Wörter in
Namen von Ideen im Geiste desjenigen, der einer sek undären oder mittelbaren Bedeutung
sie gebraucht, sondern sie bezeichnen Verbin- auch für anderes als für die Ideen im Geiste
dungen, die der Verstand desjenigen, der sie gebraucht, stehen k önnten.
„zwischen den verschiedenen Ideen oder Sätzen Eben dies ist auch Lock es Meinung. So stehen
herstellt. Wenn der Geist nämlich seine Gedank en Substanznamen ›nicht ausschließlich‹ für
andern mitteilt (communicates), braucht er nicht Ideen, sondern ›eigentlich auch‹ für Dinge
nur Zeichen für die Ideen, die ihm gerade vorschwe- (III, 11.23). Die Hauptthese läßt sich nun
ben, sondern auch andere, um eine gleichzeitige, weiter präzisieren (und sprachlich etwas ver-
ihm eigene Tätigk eit (particular action of its own), einfachen):
die sich auf jene Ideen bezieht, zu zeigen und ver- Wörter, ausgenommen: synkategorematische und
ständlich zu machen. Das geschieht auf verschie- privative, stehen unmittelbar für nichts anderes als
dene Weise. So sind ‘ist’ und ‘ist nicht’ die allge-
22.  John Locke (1632—1704) 311

für Ideen im Geiste desj enigen, der sie gebraucht; scheiden, insofern sie Ideen oder Wahrnehmungen in
mittelbar stehen sie aber für Dinge. unserem Geist (ideas or perceptions in our minds)
(3) Was heißt ‘stand for’? Lock e präzisiert und insofern sie Modifikationen der Materie in den
meines Wissens diesen Ausdruck nirgendwo. Körpern sind (modifications of matter in the bod-
Er ist k ein terminus technicus, und Lock e, ies), die in uns derartige Wahrnehmungen verursa-
ohne auf Bedeutungsunterschiede einzuge- chen“ (II, 8.7).
hen, verwendet ‘mark ’, ‘are signs of’, ‘are Nun sind aber auch Urteile, Beweise, Ar-
mark s of’, ‘are names of’, ‘signify’, ‘corre- gumente und Wörter, und nicht bloß Vorstel-
spond to’ oder ‘are annexed to’ als Synonyma lungen und Begriffe, Gegenstände meines
für ‘stand for’. Zunächst will Lock e damit Denk ens. Sind sie ebenfalls ›Ideen‹ im Sinne
ausdrück en, daß der Zeichencharak ter der Lock es? Aus den Beispielen, die Lock e für
Wörter darin besteht, Ideen zu vertreten. Ein ›Ideen‹ gibt, läßt sich relativ eindeutig ablei-
bestimmter Laut wird mit einer bestimmten ten, daß er mit ‘idea’ Vorstellungen und Be-
Idee verk nüpft, der dann die Idee vertritt. Um griffe (und nur sie) meint. Diese Beobachtung
welchen Laut es sich dabei handelt, ist Lock e steht auch in Eink lang mit dem, was er unter
zufolge reine Konvention. Der Zeichencha- ‘denk en’ versteht. ›Denk en‹ ist für ihn primär
rak ter der Ideen ist jedoch ein anderer. Wäh- nicht ›urteilen‹, sondern eine gewisse Form
rend Wörter Ideen vertreten, bilden Ideen, des ›Anschauens‹: Wir ›schauen‹ unsere Ideen
zumindest eine Gruppe von ihnen, Dinge ab. an und stellen Übereinstimmungen oder
Das, wofür diese Ideen Zeichen sind, ist ge- Nicht-Übereinstimmungen zwischen ihnen
rade keine menschliche Konvention. Dieser fest. Vor dem Hintergrund eines so verstan-
Unterschied, den Lock e hervorhebt, für den denen Denk ens erscheint die These, wonach
er aber k eine Terminologie bereitstellt, sei in alles, was Gegenstand des Denk ens ist, ‘Idee’
folgender Präzisierung berücksichtigt: heißt, als einigermaßen plausibel. Die Haupt-
Wörter, ausgenommen: synkategorematische und these läßt sich nun so präzisieren:
privative, vertreten unmittelbar nur Ideen im Geistes Wörter, ausgenommen: synkategorematische und
desj enigen, der sie gebraucht; indirekt beziehen sie privative, vertreten unmittelbar nur Ideen, also Vor-
sich auf Dinge. stellungen und Begriffe, im Geiste desj enigen, der sie
(4) Was heißt ‘Idee’? gebraucht; indirekt beziehen sie sich auf Dinge.

3.2. Einteilung der Ideen


3. Ideen sind Zeichen für Dinge
Wörter vertreten Ideen. Was aber ist der Zei-
3.1. Definition von ‘idea’ chencharak ter der Ideen? Sie beziehen sich
auf Dinge. Auf Dinge außer uns? Auf raum-
Die Analyse der Lock eschen Bedeutung von zeitlich Existierendes? Auf platonische Wesen-
‘Idee’ ist zentral für ein Verständnis seiner heiten? Oder auf subjek tive Wahrnehmungen?
Sprachphilosophie, da ›Ideen‹ die Bedeutun- Zur Beantwortung dieser Fragen müssen
gen sprachlicher Ausdrück e sind. Leider ist Lock es Einteilungen der Ideen wenigstens
Lock e in diesem Punk t ziemlich unk lar. Am teilweise berücksichtigt werden.
präzisesten ist folgende Definition:
„Idea [...] It being that Term, which, I think , serves 3.2.1. Besondere (particular) und allgemeine
best to stand for whatever is the Object of the (general) Ideen. Lock e argumentiert so: Die
Understanding when a Man think s, [...] or what- Sinne lassen zunächst besondere Ideen ins
ever it is, which the Mind can be employ’d about Bewußtsein. Wenn aber der menschliche Geist
in thinking“ (I, 1.8). mit einigen von ihnen vertraut wird, werden
Alles das, was Gegenstand meines Denk ens sie im Gedächtnis gespeichert und mit Namen
ist (oder sein k önnte), sei es eine bestimmte verk nüpft. Später, wenn der Geist weiter fort-
Person, das Gefühl der Eifersucht, der Begriff geschritten ist, abstrahiert er sie und erlernt
der Menschheit oder das bildlich gewiß nicht den Gebrauch allgemeiner Namen. Dieser
vorstellbare Tausendec k , fällt unter den Abstrak tionsvorgang besteht genauer darin,
Lock eschen Begriff ‘Idee’. Da auch die Ma- daß der Verstand die besonderen Ideen
terie außerhalb des menschlichen Bewußtseins „von allen örtlichen und zeitlichen Umständen
möglicher Gegenstand des Denk ens ist, ist sie trennt und alle anderen Ideen von ihnen loslöst,
ebenfalls eine ›Idee‹. Lock e sagt dies aus- die sie möglicherweise auf diese oder jene Einzel-
drücklich: existenz beschrän
k en k önnten“ (III, 3.6).
„Um die Natur unserer Ideen noch besser zu er- Beobachtet der Geist etwa an der Kreide
k ennen und verständlich von ihnen zu reden, wird oder am Schnee dieselbe Farbe, die er gestern
es zweck dienlich sein, zwischen ihnen zu unter-
312 II. Personen

an der Milch bemerk te, so betrachtet er diese 7.1). Diese letzteren, so meint er, gelangen auf
allein und gibt ihr schließlich den Namen sämtlichen Wegen der sensorischen und refle-
‘weiß’. Bereits Kinder können dies: xiven Wahrnehmung in den Geist.
„Sie schalten aus der k omplexen Idee, die sie von Unter den k omplexen Ideen unterscheidet
Peter und Jak ob, von Marie und Johanna hatten, Lock e drei Arten: Modi, Substanzen und Re-
nur dasjenige aus, was einer jeden eigentümlich ist, lationen. Lock es Ausführungen zu den k om-
und behalten zurück , was ihnen allen gemeinsam plexen Ideen gehören zu den dunk elsten Pas-
ist“ (III, 3.7). sagen im Essay. Zunächst zu den Modi.
So gelangen sie zur Idee und damit zur Sie sind Ideen, die irgendwie „von Sub-
Bedeutung des Begriffes ‘Mensch’. Mit Hilfe stanzen abhängend“ (II, 12.4) gedacht wer-
eines Abstra k tionsvorganges k ommen wir den. Lock e unterscheidet einfache (simple)
also zu allgemeinen Ideen, den Bedeutungen und gemischte (mixed) Modi. Einfache Modi
von Begriffen wie ‘weiß’ oder ‘Mensch’. Diese sind „nur Variationen oder verschiedene
allgemeinen Ideen nennt Lock e zumeist ‘ab- Kombinationen einer und derselben einfachen
strak te Ideen’, um auf die Art ihres Entste- Idee ohne Beimischung irgendeiner anderen
hens hinzuweisen. Seiner Ansicht nach sind [...] zum Beispiel ein Dutzend“ (II, 12.5). Zu
die in der Scholastik so vieldisk utierten ›We- den einfachen Modi gehören die ›Ideen der
senheiten‹ nichts anderes als eben diese ab- Quantität‹, die den Gegenstandsbereich eines
strakten Ideen. wesentlichen Teils der Mathematik ausma-
chen und die der Geist „ohne die Hilfe eines
3.2.2. Einfache (simple) und komplexe (com- Objek ts der Umwelt (extrinsical object) oder
plex) Ideen. Lock e behauptet, daß alle k om- einer äußeren Anregung (foreign suggestion)
plexen Ideen letztlich auf einfache zurück zu in sich selbst zustande zu bringen vermag“
führen sind. Jede Erk lärung findet mit dem (II, 13.1). Gemischte Modi sind nicht bloß
Aufweis einfacher Ideen ihr Ende. Die Be- Modifik ationen einer einfachen Idee, sondern
hauptung, daß alle einfachen Ideen, also das „eine Zusammensetzung von einfachen Ideen
Material oder die Grundelemente unseres verschiedener Art“, beispielsweise Schönheit,
Denk ens, aus der Erfahrung stammen, ist we- die „eine bestimmte, den Beschauer ange-
sentlich für Lock es empiristischen Ansatz (s. nehm berührende Zusammensetzung von
Art. 11). Da seiner Ansicht nach alle einfa- Farbe und Gestalt“ ist (II, 12.5). Lock e un-
chen Ideen entweder durch äußere (sensation) terscheidet nun mehrere Wege, auf denen wir
oder innere (reflection) Wahrnehmungen ge- gemischte Modi erlangen. Zwei seien er-
wonnen sind, k ann er behaupten, daß letztlich wähnt: (a) Durch
nichts im Verstande ist, was nicht zuvor in „Erfahrung (experience) und Beobachtung (obser-
den Sinnen war. Die k lassische Belegstelle vation) der Dinge selbst. So erlangen wir die Idee
hierfür: des Ringens oder Fechtens, wenn wir zwei Men-
„Unsere Beobachtung, die entweder auf schen ringen oder fechten sehen. (b) Durch Erfin-
äußere sinnlich wahrnehmbare Objek te ge- dung (invention) oder indem wir willk ürlich ver-
richtet ist oder auf innere Operationen des schiedene einfache Ideen in unserm Geist zusam-
Geistes, die wir wahrnehmen und über die wir menfügen. Derjenige zum Beispiel, der das Druck en
nachdenk en, liefert unserem Verstand das ge- oder Radieren erfand, hatte eine Idee von diesen
samte Material des Denk ens. Dies sind die Künsten in seinem Geist, ehe sie je existierten“ (II,
beiden Quellen der Erk enntnis, aus denen alle 22.9).
Ideen entspringen, die wir haben oder natur- Zu den gemischten Modi zählt Lock e auch
gemäß haben k önnen/Our Observation em- ethische Begriffe wie ‘Dank bark eit’ oder
ploy’d either about external sensible Obj ects; ‘Lüge’.
or about the internal Operations of our Minds, Relationen sind Ideen, die „immer nur zwi-
perceived and reflected on by our selves, is that, schen zwei Dingen stattfinden“ (II, 25.6) k ön-
which supplies our Understanding with all the nen, insofern diese als zwei Dinge betrachtet
materials of thinking. These two are the Foun- und miteinander verglichen werden. Die Re-
tains of Knowledge, from whence all the Ideas lation ist so beschaffen, daß sie den Blick auf
we have, or can naturally have, do spring.“ eine andere Idee hinlenk t. Unter den ›relati-
(II, 1.2). ven Ausdrück en‹ der Sprache, durch die wir
Beispiele für einfache Ideen sind nach Relationsideen bezeichnen, führt Lock e ‘Va-
Lock e ‘weiß’, ‘rot’, ‘bitter’, aber auch „Freude ter’, ‘Sohn’, ‘Ehemann’ und ‘Konk ubine’ an.
oder Vergnügen und deren Gegenteil Schmerz Seltener nennt er Ideen, von denen wir eher
oder Unbehagen; Kraft, Dasein, Einheit“ (II, erwarten, daß sie ‘Relationsideen’ genannt zu
22.  John Locke (1632—1704) 313

werden verdienen, wie ‘Identität’ und ‘Ver- (II, 30.2) realer Dinge sind, zählt Lock e Far-
schiedenheit’. ben und Schmerzempfindungen. Lock e be-
Substanzen sind schließlich k omplexe hauptet also, daß Menschen in k einer priva-
Ideen, die für sich selbst existierend gedacht ten Bildergalerie eingeschlossen sind. Zwar
werden, etwa Bäume oder Menschen. Lock e k önnen wir seiner Ansicht nach nie beweisen,
glaubte, bezüglich Substanzen eine Theorie daß das Leben k ein Traum ist, aber es gibt
zu vertreten, die der scholastischen diametral ausgezeichnete Gründe für die Annahme, daß
entgegengesetzt war. Substanzen sind für ihn gewisse Ideen Abbilder außer uns existieren-
nämlich k eine substrata, den wirk lichen Din- der Dinge sind. Im wesentlichen sind es die
gen noch zugrundeliegende oder irgendwo als folgenden vier Argumente:
Wesenheiten subsistierende Etwasse, sondern (a) Der menschliche Geist k ann aus sich
vom Verstand gebündelte Eigenschaften, die heraus keine einfachen Ideen erzeugen.
benannt werden. Lock e verdeutlicht diesen „Es liegt auf der Hand, daß sie nicht von den
Unterschied, indem er zwischen nominalen Organen selbst erzeugt werden; denn sonst würden
und realen Wesenheiten unterscheidet. Die die Augen des Menschen im Dunk eln Farben er-
nominale Wesenheit eines Dinges ist die k om- zeugen und seine Nase im Winter Rosenduft rie-
plexe Idee (cf. III, 6.21). Die reale Wesenheit chen; dagegen stellen wir vielmehr fest, daß nie-
ist eine reale, aber unbek annte Beschaffenheit mand den Wohlgeschmack der Ananas k ennenler-
ihrer sinnlich nicht wahrnehmbaren Teile, die nen k ann, wenn er nicht nach Indien geht, wo sie
wir als Ursache oder Grundlage unserer k om- wächst, und sie kostet“ (IV, 11.4).
plexen Idee als vorhanden annehmen (cf. III, (b) Der Empfindungscharak ter einer tat-
3.17). Mit sächlichen Empfindung ist verschieden von
„dieser realen Wesenheit (real essence) meine ich dem einer erinnerten oder erträumten.
jene reale Beschaffenheit eines Dinges, die die „Zuweilen beobachte ich, daß ich ein Entstehen
Grundlage all jener Eigenschaften ist, die zu der dieser Ideen in meinem Geist nicht vermeiden k ann.
nominalen Wesenheit (nominal essence) zusam- Denn obgleich ich mit geschlossenen Augen oder
mengeschlossen sind“ (III, 6.6). bei verdunk eltem Fenster nach Belieben die Idee
des Lichtes oder die der Sonne, die frühere Sensa-
3.2.3. Reale (real) und phantastische (phan- tionen (sensations) in meinem Gedächtnis unter-
tastical) Ideen. ‘Real’ nennt Lock e jene Ideen, gebracht haben, in meiner Erinnerung wachrufen
„die in der Natur eine Grundlage (foundation k ann, so k ann ich doch j ene Idee auch nach Belie-
in nature) haben“, worunter er zweierlei ver- ben wieder ausschalten und mir diejenige des Dufts
steht: diejenigen, „die mit dem realen Sein der Rose oder des Geschmack s von Zuck er verge-
(real being) und Dasein der Dinge (existence genwärtigen. Wenn ich aber am Mittag meine
of things) oder mit ihren Urbildern (arche- Augen der Sonne zuwende, so k ann ich die Ideen,
types) eine Übereinstimmung (conformity) die das Licht oder die Sonne dann in mir erzeugt,
aufweisen“. ‘Phantastisch’ nennt Lock e jene nicht fernhalten“ (IV, 11.5).
Ideen, die mit dem realen Sein und Dasein Offensichtlich besteht also ein Unterschied
der Dinge nicht übereinstimmen und die zwischen den Ideen, die im Gedächtnis ge-
„auch k einerlei Übereinstimmung mit jener speichert sind und solchen, die sich uns auf-
Realität des Daseins aufweisen, worauf sie als drängen.
auf ihre Urbilder stillschweigend bezogen (c) Freude und Schmerz, die tatsächliche
werden“ (II, 30.1). Wie dies zu verstehen ist, Empfindungen begleiten, treten nicht wieder
erläutert Locke anhand dreier Thesen. auf, wenn dieselben Ideen ohne die äußeren
Objekte wiederkehren.
3.3. Der Realitätsbezug von Ideen „Dazu k ommt, daß viele jener Ideen in uns mit
Schmerz erzeugt werden, an den wir uns später
(1) Alle einfachen Ideen sind real. Locke meint, ohne das geringste Unbehagen erinnern. So stört
daß alle einfachen Ideen real sind, weil sie uns das Unbehagen von Hitze oder Kälte nicht,
entweder „Abbilder (images) oder Darstellun- wenn die betreffende Idee in unserem Geist wieder
gen (representations) dessen sind, was exi- erweck t wird, obgleich es in dem Augenblick , wo
stiert“ (II, 30.2), oder weil sie von Dingen wir es fühlten, äußerst lästig war; das aber wird es
außer uns verursacht werden. Einfache Ideen, wieder, wenn es sich tatsächlich wiederholt“ (IV,
die Abbilder dessen sind, was existiert, sind 11.6).
„Festigk eit, Ausdehnung, Gestalt oder Be- (d) Unsere Sinne bestätigen gegenseitig ihr
weglichk eit“ (II, 8.9). Zu den einfachen Ideen, Zeugnis von der Existenz äußerer Dinge und
die k eine realen Dinge abbilden, aber doch befähigen uns, vorherzusagen:
„beständige Wirk ungen (constant effects)“
314

„Wer ein Feuer sieht, k ann es, wenn er daran zwei- nach dem Zeichencharak ter der Ideen beant-
felt, ob es mehr als eine bloße Einbildung (fancy) wortet werden: Lock e unterscheidet verschie-
ist, auch fühlen und sich davon überzeugen, indem dene Arten von Ideen, und diese beziehen sich
er die Hand hineinsteck t. Eine bloße Idee oder eine auf verschiedene Dinge. Abstrak te Ideen, wie
reine Einbildung (phantom) würden der Hand si- ‘das Weiße’ oder ‘der Mensch’, beziehen sich
cherlich niemals einen heftigen Schmerz zufügen; auf das vom Verstand abstrahierte Gemein-
es sei denn, daß auch dieser Schmerz nur bloße same vieler besonderer Dinge. Da ›das All-
Einbildung ist. Wenn man sich tüchtig verbrannt gemeine und das Universale nicht zur realen
hat, k ann man sich jedoch diesen Schmerz nicht Existenz der Dinge‹ gehören, vielmehr ›nur
dadurch erneut zufügen, daß man die Idee wieder Erfindungen und Schöpfungen des Verstan-
von neuem erweckt“ (IV, 11.7). des‹ sind, die ›Dinge in ihrer Existenz sämtlich
Obwohl unser Wissen von der Außenwelt einzeln‹ sind, k ann nicht gesagt werden, daß
Lock e zufolge nicht demonstrierbar ist, sind sie direk t Zeichen für real Existierendes sind
seiner Ansicht nach diese vier Argumente so (cf. III, 3.11). Einfache Ideen, sofern sie durch
überzeugend, daß er sogar von ‘sensitivem äußere Wahrnehmung gewonnen sind, bezie-
Wissen’ spricht. hen sich auf Gegenstände außer uns; sofern
(2) Gemischte Modi, sofern sie mit dem Ur- sie durch innere Wahrnehmung gewonnen
bild übereinstimmen, sind real. Lock e argu- sind, sind sie k eine Abbilder der Gegenstände
mentiert so: außer uns, sie sind jedoch auch k eine Schöp-
„Würde wohl jemand, der erk ennen will, ob seine fungen der Einbildungs k raft. Gemischte
Idee von Ehebruch oder Blutschande zutreffend sei, Modi beziehen sich auf Urbilder, womit in
diese irgendwo unter den existierenden Dingen auf- sich widerspruchsfreie Definitionen und von
suchen? Oder ist seine Idee davon richtig, weil Menschen geschaffene Konstruk tionen ge-
jemand Zeuge einer solchen Handlung gewesen ist? meint sind. Substanzen schließlich k önnen
Nein; vielmehr genügt es hier, daß die Menschen sich auf Reales beziehen, insofern sie die ge-
eine solche Gruppe zu einer k omplexen Idee ver- gebene Ordnung in den einfachen Ideen ab-
einigt haben, die das Urbild und die spezifische bilden, sie k önnen sich jedoch auch auf Nicht-
Idee ausmacht, gleichviel, ob eine solche Handlung Reales beziehen, wenn die in der Substanz
in rerum natura je begangen worden ist oder nicht“ gebündelten Eigenschaften die in den einfa-
(III, 5.3). chen Ideen gegebene Ordnung nicht abbilden.
Lock e meint also, daß gemischte Modi Lock es Hauptthese wäre nun etwa so zu prä-
‘real’ und nicht ‘phantastisch’ genannt werden zisieren:
sollten, wenn sie mit dem Urbild, auf das sie Wörter, ausgenommen: synkategorematische und
sich beziehen, übereinstimmen. Das Urbild ist privative, vertreten unmittelbar nur Ideen, also Vor-
dabei von Menschen geschaffen. Bedingung stellungen und Begriffe, im Geiste desj enigen, der sie
für die Realität eines gemischten Modus ist gebraucht; aufgrund des Zeichencharakters der
allein, daß er k eine ink onsistenten Ideen ent- Ideen beziehen sich Wörter indirekt entweder auf
hält. besondere Gegenstände (‘Julius Caesar’), auf das
(3) Substanzen, sofern sie die tatsächliche aus besonderen Gegenständen abstrahierte Gemein-
Ordnung einfacher Ideen abbilden, sind real. same (‘rot’), auf Gegenstände außer uns (‘dehn-
Während im Falle des gemischten Modus das bar’), auf von uns selbst geschaffene Urbilder (‘Drei-
Muster die widerspruchsfreie Definition oder eck’), oder auf Eigenschaftsbündel, wie sie in der
Konstruk tion ist, auf die sich der Modus be- Erfahrung auftauchen (‘Baum’), oder auch nicht
zieht, ist im Falle der Substanzen das Muster (‘Pegasus’).
das vorhandene Eigenschaftsbündel, also die
in der Realität vorhandene Ideenk ollek tion.
Lockes klarste Ausführung zu diesem Punkt: 4. Die Funktionen der Sprache
„Unsere k omplexen Ideen von Substanzen sind
sämtlich in bezug auf die außer uns existierenden 4.1.  Merk- und Mitteilungsfunktion
Dinge gebildet und sollen Darstellungen der Sub- Wie bereits ausgeführt, übernimmt Locke zu-
stanzen sein, wie sie wirk lich sind; sie sind daher folge die Sprache zwei wichtige Funktionen:
nur insoweit real, als wir in ihnen solche Kombi- Zum einen erleichtert sie es, sich Ideen zu
nationen von einfachen Ideen haben, die in den merken, zum anderen ermöglicht sie es, Ideen
Dingen unserer Umwelt wirk lich vereinigt sind und mitzuteilen. Diese Mitteilungsfunktion prä-
zusammen bestehen. Im Gegensatz dazu sind die- zisiert Locke so:
jenigen phantastisch, die aus Zusammenstellungen
„Die Aufgaben der Sprache in unserm mündlichen
einfacher Ideen bestehen, die nie in irgendeiner
Verk ehr mit anderen sind vornehmlich drei: erstens
Substanz tatsächlich vereinigt waren oder sich
die Gedank en oder Ideen des einen dem andern
darin zusammen vorfanden“ (II, 30.5).
bek anntzugeben (mak e k nown), zweitens, dies so
Ein Beispiel für eine phantastische Sub-
leicht (ease) und so schnell (quick ness) wie möglich
stanz wäre ein Zentaur.
zu tun, drittens, dadurch die Erk enntnis der Dinge
zu vermitteln (convey the k nowledge of things)“
3.4. Präzisierung der Hauptthese (III, 10.23).
Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen Lock e illustriert diesen Gedank engang mit
k ann nun die oben (3.1. ff) gestellte Frage dem Bild, daß derjenige, der k omplexe Ideen,
22.  John Locke (1632—1704) 315

aber k eine besonderen Namen dafür besitzt, Menschen einander so rasch wie möglich zu be-
in der Situation eines Buchhändlers ist, in zeichnen (mark ) oder mitzuteilen (communicate),
dessen Läden Bücher ungebunden und ohne so pflegen sie solche Ideengruppen zu k omplexen
Titel umherliegen. Dieser Buchhändler k önn- Modi zu machen und mit Namen zu versehen, die
te seine Kunden nur mit seinen Schätzen ver- sie im prak tischen Leben und im mündlichen Aus-
traut machen (wenn überhaupt), indem er tausch häufig gebrauchen“ (II, 22.5).
ihnen die losen Druck bögen vorzeigt und Da Nützlich
k eitserwägungen den Ge-
stüc
k weise übergibt. An anderer Stelle brauch von Sprachzeichen beeinflussen, ist es
schreibt er: nach Lock e möglich, aus dem Gebrauch eines
„Nehmen wir an, ich wollte zu jemandem von einer Wortes auf die Bedeutung des durch es Be-
Vogelart sprechen, die ich k ürzlich im St. James- zeichneten, also die Idee, zu schließen. Ein
Park gesehen habe. Jener Vogel ist drei bis vier Fuß Beispiel wäre das lateinische ‘proscriptio’, ein
hoch, trägt am Körper ein Mittelding zwischen in andere Sprachen k aum übersetzbares Wort,
Feder- und Haark leid, ist von dunk elbrauner Farbe weil es aufgrund von Brauch, Gewohnheit,
und hat k eine Flügel; an deren Stelle befinden sich Sitte und Notwendigk eit für eine k omplexe
vielmehr zwei oder drei k leine Büschel, die wie Idee stand,
Zweige spanischen Ginsters herabhängen; er hat „die im Geist der Menschen anderer Völk er nicht
lange k räftige Beine, nur drei Fußzehen und k einen vorhanden war. Wo es k eine entsprechende Sitte
Schwanz. In der eben vorgeführten Weise müßte gab, da fehlte auch der Begriff von derartigen
ich den Vogel etwa beschreiben, um mich andern Handlungen; man brauchte k eine solche Ideenk om-
dadurch vielleicht verständlich zu machen. Wenn binationen und k eine Ausdrück e für ihre Verk nüp-
ich aber erfahre, daß dieser Vogel ‘Kasuar’ heißt, fung, und deshalb gab es auch in anderen Ländern
so k ann ich von nun an in der Unterhaltung dieses keine Namen dafür“ (II, 22.6).
Wort statt meiner ganzen, in jener Beschreibung Ändern sich Brauch, Gewohnheit und
dargelegten komplexen Idee verwenden“ (III, 6.34). Sitte, so ändert sich auch die Sprache:
Nun ist aber nicht immer, wie diese Bei- „Der Wechsel der Gewohnheiten und Meinungen
spiele nahelegen, zuerst eine Idee gegeben, die bringt neue Kombinationen von Ideen mit sich, an
dann benannt wird. Dies mag, wie Lock e die man oft denk en und über die man oft sprechen
schreibt, bei der ›Entstehung der Sprachen‹ muß; ihnen werden, um lange Beschreibungen zu
so gewesen sein. Bei „fertigen Sprachen“ ist vermeiden, neue Namen beigelegt; so werden sie zu
es „gewöhnlich (the ordinary method)“ so, neuen Arten komplexer Modi“ (II, 22.7).
daß Kinder zumal Der Wortschatz einer Sprache ist durch die
„die Namen der gemischten Modi erlernen, bevor Eigenschaften der Dinge bestimmt, die ver-
sie sich die entsprechenden Ideen angeeignet haben. schiedene Ideen in uns verursachen. Vor allem
Bildet wohl einer unter tausend je die abstrak ten handelt es sich dabei um einfachere Ideen.
Ideen Ruhm und Ehrgeiz, ehe er ihre Namen gehört Der menschliche Verstand k ann diese in freier
hat? Ich gebe zu, daß es sich bei einfachen Ideen Wahl k ombinieren, aus ihnen Gemeinsames
und Substanzen anders verhält. Dies sind nämlich abstrahieren. Welche dieser Ideenk ollek tio-
Ideen, die in der Natur eine reale Existenz und nen dann benannt werden, bestimmen die
Einheit (a real existence and unity in nature) auf- Notwendigkeiten des Lebens.
weisen; darum werden hier je nachdem bald die
Ideen vor den Namen, bald die Namen vor den 4.2. Gestaltfunktion
Ideen erlangt“ (III, 5.15).
Aber warum ist der Wortschatz einer be- Lock e hatte zunächst zwei Funk tionen der
stimmten Sprache so, wie er ist? Lock es Ant- Sprache unterschieden: die Merk - und die
wort darauf ist eindeutig: Menschen orientie- Mitteilungsfunk tion. Im Lauf der Analyse
ren sich an der Nützlichk eit. Das, was wichtig entdeck t er eine weitere: Die Gestaltung der
ist, wird benannt, anderes bleibt unbenannt. Ideen durch Sprache. Da komplexe Ideen
Der Grund ist im „aus mehreren einfachen Ideen bestehen, liegt es in
„Zweck der Sprache (the end of language) zu fin- den Kräften der Wörter, [...] dem Geist zusammen-
den. Da dieser darin besteht, die Gedank en der gesetzte Ideen einzuprägen, die vorher nie in ihm
vorhanden waren [...] Von den Arten der gemisch-
316 II. Personen

ten Modi werden in der Regel nur diejenigen be- 5. Die Unvollkommenheit der Sprache
achtet, die einen Namen besitzen [...] Vater und
Sohn, Ehemann und Ehefrau und ähnliche k orre- Die Sprache ist k ein unproblematisches
lative Ausdrück e (correlative terms) gehören offen- Werk zeug. Sie ist in vieler Hinsicht unvoll-
bar so eng zueinander und pflegen infolge von k ommen. Lock e sieht zwei Hauptgründe da-
Gewohnheit so rasch im Gedächtnis miteinander für: Zum einen sind es natürliche Ursachen,
anzuk lingen und sich zu entsprechen, daß, sobald zum anderen ist es der Mensch, der mit die-
der eine von beiden genannt wird, die Gedank en sem Werk zeug nicht zu Rande k ommt oder
sofort über das bezeichnete Ding hinausgehen und es für zerstörerische Zwecke mißbraucht.
niemand die Relation, auf die in dieser Weise so
deutlich hingewiesen wird, übersieht oder bezwei- 5.1. Natürliche Ursachen
felt. Wo es aber die Sprache versäumt hat, k orre- Unter den ›natürlichen Ursachen‹ für die Un-
lative Namen zu geben, wird die Relation nicht vollk ommenheit der Sprache versteht Lock e
immer so leicht bemerk t. Ohne Zweifel ist ‘Kon- folgendes: „Die Wörter haben von Natur
k ubine’ ebensogut ein relativer Name (relative k eine Bedeutung, so daß die Idee, die sie
name) wie ‘Ehefrau’; in einer Sprache jedoch, wo vertreten“, erlernt werden muß. Dies ist aber
diese und ähnliche Wörter k einen k orrelativen Aus- „am schwierigsten da, wo erstens die Ideen, für die
druck besitzen, hält man sie nicht so leicht für sie stehen, sehr k omplex und aus einer großen Zahl
bezüglich. Denn es fehlt ihnen das k ennzeichnende von Ideen gebildete sind, die man vereinigt hat;
Merk mal der Relation (evident mark of relation), zweitens die Ideen, für die sie stehen, in der Natur
das zwischen Ausdrück en, die sich offenbar gegen- k eine feste Verbindung (certain connection) haben
seitig erläutern und immer nur zusammen bestehen und damit auch k einen irgendwo in der Natur
k önnen, vorhanden ist“ (III, 4.12; III, 5.15; II, existierenden sicheren Maßstab (settled standard)
25.2). besitzen, an dem sie gemessen und nach dem sie
Nach Lock e vertreten Wörter nicht nur die ausgerichtet werden k önnten; sich drittens die Be-
Ideen, sie beeinflussen sie auch. Es liegt in deutung zwar auf einen Maßstab bezieht, dieser
ihren Kräften, dem Geist zusammengesetzte aber nicht leicht zu erk ennen ist; viertens die Be-
Ideen einzuprägen. Namen geben den k om- deutung des Wortes und die tatsächliche Wesenheit
plexen Ideen „bleibende Dauer (lasting du- (essence) des Dinges nicht genau übereinstimmen“
ration)“ (III, 5.10). Die Benennung der k om- (III, 9.5).
plexen Idee fixiert und stabilisiert sie. Erst Wenn also die Ideen sehr k omplex sind,
dadurch werden Ideenk ombinationen als Ein- k ein Maßstab in der Natur für sie vorhanden
heiten gedacht, die über ein bloß momentanes ist, dieser Maßstab schwer erk ennbar ist und
Zusammenfassen hinaus Bestand haben. In schließlich die Idee mit dem tatsächlichen We-
diesem Sinne ist „der Name gewissermaßen sen des Dinges nicht übereinstimmt, dann ist
der Knoten, durch den sie fest zusammenge- die Bedeutung der Wörter zweifelhaft. Die
halten werden“ (III, 5.10). Erst durch Sprache Namen der gemischten Modi sind zumeist aus
k onstituiert sich die Gegenständlichk eit unse- den beiden erstgenannten Gründen zweifel-
rer allgemeinen Erk enntnis. Wörter repräsen- haft, die Namen der Substanzen aus den bei-
tieren nicht nur Ideen, sie k onstituieren sie den letztgenannten.
auch. Namen k omplexer Ideen übernehmen Zunächst zu den Modi. Moralische Be-
damit in gewisser Hinsicht die üblicherweise griffe, die zu den gemischten Modi gehören,
den Substanzen zugesprochene Trägerfunk - sind oft sehr k omplex (erste ›natürliche‹
tion. Die Ideen haften am Laut wie in der Schwierigk eit); es gibt für sie in der Natur
traditionellen. Metaphysik die Eigenschaften k einen Maßstab (zweite ›natürliche‹ Schwie-
an der Substanz. Die Wörter sind Zeichen rigkeit):
und setzen Gegenständlichk eit. In diesem „Was die Wörter ‘Mord’ oder ‘Kirchenraub’ usw.
Sinn repräsentiert und schafft die Sprache die bedeuten, ist niemals aus den Dingen selbst zu
Wirk lichk eit. Lock es Hauptthese läßt sich nun erk ennen; treten doch viele von den Bestandteilen
durch folgenden Zusatz weiter präzisieren: jener k omplexen Ideen bei der Tat selbst gar nicht
[...] Im Falle einfacher Ideen werden diese durch in Erscheinung (not visible). Die Absicht (intention)
Wörter repräsentiert. Für einen Großteil komplexer des Geistes oder die Beziehung auf heilige Dinge,
Ideen gilt j edoch, daß sie durch die Benennung nicht die einen Teil des Mordes oder des Kirchenraubes
nur ›vertreten‹, sondern erst als Einheit gedacht und bilden, haben k einen notwendigen Zusammenhang
anderen mitgeteilt werden. Wörter übernehmen hin- (necessary connexion) mit der äußerlich sichtbaren
sichtlich unserer komplexen Ideen eine wichtige Ge- Tat (visible action) dessen, der eines der beiden
staltfunktion. Verbrechen begeht. In dem Handgriff des Auslö-
sens der Mordwaffe, mit der der Mord ausgeführt
wurde, besteht vielleicht die gesamte sichtbare Tä-
22.  John Locke (1632—1704) 317

tigk eit. Dieser Handgriff hat aber k einen natürli- tern


chen Zusammenhang (natural connexion) mit jenen „muß notwendigerweise schwank end und wech-
anderen Ideen, die die k omplexe Idee, die als Mord selnd sein, wenn sich die entsprechenden Ideen auf
bezeichnet wird, ausmachen“ (III, 9.7). Muster beziehen, die außer uns bestehen (standards
Schließlich trägt auch noch die Art, wie without us) und entweder überhaupt nicht oder nur
moralische Begriffe erlernt werden, zu ihrer unvollk ommen und unsicher zu erk ennen sind“
Zweifelhaftigk eit bei: Versucht man, Kindern (III, 9.11).
die Namen einfacher Ideen oder Substanzen Zumindest diese letztgenannte Schwierig-
begreiflich zu machen, so zeigt man ihnen k eit ist Lock e zufolge nicht zu beheben, da
gewöhnlich einen Gegenstand. Dann wird der die Natur der Dinge, gemeint: das den Er-
Name wiederholt, der das Ding bezeichnet, scheinungen Zugrundeliegende, uns nicht zu-
zum Beispiel ‘weiß’, ‘süß’, ‘Milch’, ‘Zuck er’, gänglich ist.
‘Katze’, ‘Hund’.
„Bei den gemischten Modi aber, vor allem bei den 5.2. Der absichtliche Mißbrauch
wichtigsten unter ihnen, bei den moralischen Be-
griffen (moral words), werden gewöhnlich zuerst Menschen machen sich verschiedener Miß-
die Laute erlernt; wenn die Kinder dann erfahren bräuche der Sprache schuldig. Lock e nennt
wollen, welche k omplexen Ideen damit bezeichnet sechs:
werden, so sind sie entweder auf die Erk lärungen (a) Wir verwenden Wörter oft ohne k lare
(explications) anderer angewiesen oder (was meist Ideen. Manche Wörter werden in Umlauf ge-
der Fall ist) ihrer eigenen Beobachtung (observa- setzt, ohne daß selbst bei ihrer Neubildung
tion) und Lernbegierde (industry) überlassen“ (III, k lare Ideen mit ihnen verbunden wären.
9.9). Lock e sieht dafür mehrere Motive: das Stre-
Diese letztgenannte Schwierigk eit ist zu be- ben nach Bewunderung, das man sich durch
heben, ebenso die erste, falls Lock e recht hat, den Gebrauch unverständlicher Ausdrück e
daß k omplexe Ideen in einfache zerlegt wer- erwerben k ann („Diese unverständlichen Aus-
den k önnen. Die Schwierigk eit, die sich dar- drück e eigneten sich um so eher dazu, Stau-
aus ergibt, daß es k einen ›natürlichen‹ Maß- nen zu erregen, als man sie eben nicht verste-
stab für Modi gibt, ist jedoch nicht zu behe- hen k onnte“ (III, 10.8)); die Stützung ›selt-
ben. samer Ansichten‹ oder der Wunsch, ›eine
Zu den Substanzen. Substanznamen bezie- schwache Stelle‹ in der ›Hypothese‹ zu ver-
hen sich im Gegensatz zu den frei geschaffe- deck en (Die „großen Prägemeister dieser Art
nen gemischten Modi auf Muster. Dieses von Ausdrück en“ sind „Schulgelehrte und
Muster ist die Ordnung, in der die einfachen Metaphysik er“ (III, 10.2)). Aber es gibt auch
Ideen auftreten. Nun ist die Weise, wie ein- noch einen gesellschaftlichen Druck , der den
fache Ideen auftreten, oft recht schwank end. Gebrauch „von leerem, unverständlichem
Im Gegensatz zu früheren Ausführungen, in Schall und Phrasen“ (III, 10.4) fördert:
denen Lock e gerade die Kontinuität der ein- „Die Menschen greifen die Wörter auf, die ihre
fachen Ideen betont hatte, um nämlich ihren Nachbarn verwenden; damit es nicht so scheint, als
Realitätsbezug zu begründen, fordert er nun wüßten sie nicht, was die Wörter bezeichnen, ver-
seine Leser auf, einmal zu beobachten, „wel- wenden sie sie zuversichtlich, ohne sich viel Kopf-
chen überaus mannigfaltigen Veränderungen zerbrechen zu bereiten, welcher festgesetzte, genaue
irgendeines der unedlen Metalle allein schon Sinn (meaning) ihnen zuk ommt. Daraus entspringt
unter der verschiedenen Anwendung des Feu- außer der Bequemlichk eit des Verfahrens noch der
ers unterworfen ist“. Es kann daher Vorteil, daß sie zwar einerseits bei solchen Ausein-
„gar nicht anders sein, als daß die verschiedenen andersetzungen selten im Recht sind, andererseits
Menschen unwillk ürlich verschiedene Ideen von aber ebenso selten davon überzeugt werden k ön-
derselben Substanz haben und die Bedeutung ihres nen, daß sie unrecht haben. Denn wenn man Men-
allgemein gebräuchlichen Namens aus diesem schen ohne feste Begriffe (settled notions) von ihren
Grunde sehr schwank end und unsicher wird“ (III, Irrtümern zu befreien versucht, so bedeutet es das-
9.13). selbe, als ob man einen Landstreicher ohne festen
Eine zweite ›natürliche‹ Schwierigk eit, Sub- Wohnsitz aus seiner Behausung ausweisen wollte“
stanznamen betreffend, sieht Lock e darin, (III, 10.4).
daß sie sich im Gegensatz zu den Namen für (b) Wir verwenden dasselbe Wort mit ver-
gemischte Modi auf Muster beziehen, die von schiedenen Bedeutungen. Lock e meint, daß
der Natur gemacht sind. Die Bedeutung der dies eine schlimmere Unehrlichk eit ist „als die
Wörter wird also letztlich durch die Dinge falsche Gruppierung von Zahlen beim Zu-
selbst reguliert. Aber die Bedeutung von Wör- sammenzählen einer Schuld“ (III, 10.5).
318 II. Personen

(c) Vor allem Philosophen halten Wörter reale Wesenheit der Dinge, wie häufig ange-
k ünstlich dunk el. „Ein weiterer Mißbrauch nommen wird (cf. III, 10.17).
der Sprache ist eine erk ünstelte Dunk elheit (f) Wir setzen voraus, daß die uns ge-
(affected obscurity), die dadurch hervorge- bräuchlichen Wörter eine feste und offenk un-
rufen wird, daß man entweder alte Wörter in dige Bedeutung besitzen, die andere unmög-
einer neuen, ungebräuchlichen Bedeutung lich mißverstehen können.
verwendet oder neue und mehrdeutige Aus- „Dieser Mißbrauch, die Wörter auf Treu und Glau-
drück e einführt, ohne sie in einem dieser Fälle ben hinzunehmen, ist nirgends so weit verbreitet
entsprechend zu definieren“ (III, 10.6). Die und hat nirgends so üble Folgen gehabt wie unter
Ursachen dafür sieht Lock e in dem „Miß- den Gelehrten“ (III, 10.22).
stand“, daß „Begabung und Gelehrsamk eit Wörter, so k önnte man die Ausführungen
eines Menschen nach seinem Geschick im Lock es bezüglich der Unvollk ommenheit der
Disputieren eingeschätzt werden“ (III, 10.7). Sprache zusammenfassen, sind nützliche Die-
Und das Ergebnis sieht dann so aus: Es gibt ner, aber schlechte Herren. Ideen ohne Na-
„k einen besseren Weg, seltsame und absurde Leh- men sind wie lose Bögen ohne Titel und Ein-
ren einzuführen und zu verteidigen als den, sie mit band; aber Namen ohne Ideen sind wie Buch-
einer Unzahl dunk ler, zweifelhafter und undefi- titel ohne Kenntnis des Inhalts.
nierter Wörter wie mit einem Schutzwall zu um-
geben. Freilich gleichen diese Rüc k zugsstätten 5.3. Mittel gegen
dann eher Räuberhöhlen oder Fuchsbauten als Fe- den Mißbrauch der Sprache
stungen ehrlicher Krieger; denn die Schwierigk eit,
die Insassen daraus hervorzulock en, ist nicht etwa Da die Sprache „das große Band“ ist, „das
in ihrer eigenen Festigk eit zu sehen, sondern viel- die Gesellschaft zusammenhält“, verdient
mehr durch das Gestrüpp der Dornen und die „die Frage, welche Mittel sich finden lassen,
Dunk elheit des Dick ichts bedingt, von dem sie um- um den oben erwähnten Übelständen abzu-
geben sind. Denn da die Unwahrheit für den helfen, unser ernstlichstes Nachdenk en“ (III,
menschlichen Geist nicht ak zeptabel ist, so bleibt 11.1). Da Lock e sich zwar eine Sprache ohne
für das Ungereimte k ein anderer Schutz als die Gesellschaft, aber k eine menschliche Gesell-
Dunkelheit“ (III, 10.9). schaft ohne Sprache vorstellen k ann, emp-
(d) Wir verwechseln Wörter mit den Din- fiehlt er die Befolgung folgender fünf Regeln:
gen. Dieser (a′) „Man achte darauf, daß man k ein
„arge Mißbrauch der Wörter besteht darin, daß Wort ohne Bedeutung (no word without sig-
man sie für die Dinge ansieht. Dies trifft bis zu nification), k einen Namen ohne eine Idee ge-
einem gewissen Grade für alle Namen überhaupt braucht, für die der Name steht“ (III, 11.8).
zu; ganz besonders aber gilt es für die Substanz- (b′) Man verk nüpfe deutliche, bestimmte
namen. Diesem Mißbrauch verfallen am leichtesten Ideen mit den Wörtern, besonders bei den
solche Personen, die ihre Gedank en am entschie- gemischten Modi. Denn „diese erscheinen
densten auf ein bestimmtes System einschränk en leicht unk lar, weil ihnen in der Natur k ein
[...] Dadurch gelangen sie zu der Überzeugung, die Objek t entspricht (having no settled objects
Terminologie (terms) der betreffenden Schule ent- in nature), das als Ursprung ihrer Ideen gelten
spräche so genau der Natur der Dinge, daß sie mit kann“ (III, 11.9). Bei
deren realer Existenz vollk ommen übereinstimme“ „Namen von Substanzen ist für ihren richtigen
(III, 10.14). Gebrauch noch etwas mehr erforderlich als nur
Aber Wörter bezeichnen „eigentlich und bestimmte (determined) Ideen. Bei ihnen müssen
unmittelbar nur die im Geist des Sprechenden die Namen auch den Dingen, wie sie existieren,
vorhandenen Ideen“ (III, 2.4). entsprechen (conformable to things)“.
(e) Wir nehmen an, daß Wörter Dinge be- Dies ist zumindest für philosophische Er-
zeichnen, die sie nicht bezeichnen k önnen. örterungen wichtig.
Lock e meint hier, daß wir ›häufig stillschwei- „Für gewöhnliche Unterhaltungen passen gewöhn-
gend‹ voraussetzen, daß Substanznamen sich liche Begriffe. Mögen beide auch noch so verwor-
auf die reale Wesenheit der Dinge beziehen. ren sein, so reichen sie doch immerhin für Mark t
In Wirk lichk eit aber bezieht sich ein Satz wie und Kirchweih aus“ (III, 11.10).
‘Gold ist dehnbar’ nur auf meine abstrak te (c′) Man wende die Wörter auf jene Ideen
Idee von Gold, die mit den abstrak ten Ideen an, mit denen sie der herrschende Sprachge-
von Gold anderer Menschen übereinstimmen, brauch verk nüpft hat. Denn Wörter sollen der
und die auch in der Wirk lichk eit verank ert Kommunikation dienen und sind
sein mag. Aber der Satz bezieht sich auf k eine „namentlich in den voll ausgebildeten Sprachen
nicht Privatbesitz (private possession) eines einzel-
22.  John Locke (1632—1704) 319

nen, sondern das gemeinsame Maß (common meas- ing findet zumal im englischen Sprachraum
ure) für den gegenseitigen Verk ehr (commerce) und gebührende Beachtung. Obwohl die verschie-
Austausch (communication); daher steht es durch- denen Interpreten Lock escher Ideen in De-
aus nicht jedem frei, die Prägung (stamp), mit der tailanalysen oft zu unterschiedlichen Ergeb-
sie von Hand zu Hand gehen, abzuändern; auch nissen k ommen, besteht in einem Punk t Ein-
k ann nicht jeder die Ideen, mit denen sie verbunden mütigk eit: Die Erk enntnistheorie des engli-
sind, wechseln“ (III, 11.11). schen Empiristen ist eine bemerk enswerte Mi-
Allerdings reicht der Sprachgebrauch oder schung aus Tiefsinn und Leichtsinn. Dies gilt
die ›Sprachrichtigk eit‹ nicht aus, die Bedeu- auch für seine Sprachphilosophie. Inmitten
tung eines Wortes k lar festzulegen. Sich an von recht viel taubem Gestein findet sich eine
ihm zu orientieren, genügt zwar für das täg- höchst interessante, subtile Theorie der
liche Leben, nicht aber für die Philosophie: menschlichen Sprache, für die nicht zuletzt
„Gibt es doch k aum einen Namen für eine sehr spricht, daß sie zu einer Reihe von Disk us-
k omplexe Idee (von den anderen gar nicht zu re- sionspunk ten Anlaß gab (und gibt). Ich er-
den), der nicht im geltenden Sprachgebrauch (com- wähne drei:
mon use) ein weites Gebiet umfaßte und innerhalb (a) Lock es Ausführungen über den Reali-
der Grenzen des Sprachrichtigen (propriety) zum tätsbezug der Ideen legen manchmal die In-
Zeichen (sign) sehr verschiedener Ideen gemacht terpretation nahe, daß die These von der Prio-
werden k onnte [...] Obwohl die Namen ‘Ruhm’ rität einfacher Sinneseindrück e nicht nur als
und ‘Dank bark eit’ innerhalb eines Landes in aller logische, sondern auch als psychologische
Munde die gleichen sind, so ist dennoch die k om- Theorie zu verstehen ist, k onk ret: daß nach
plexe Sammelidee (collective idea), die jeder ein- Lock e Kinder zunächst einmal einfache Ideen
zelne bei diesen Namen im Sinn hat oder ausdrük - erfahren und dann lernen, sie zu k omplexeren
k en will, selbst bei Leuten, die die gleiche Sprache zusammenzufassen. Diese psychologische
sprechen, offenbar sehr verschieden“ (III, 9.8). Theorie ist k aum haltbar, aber Lock e hat sie
(d′) Man erk läre die Bedeutung, in der man auch gar nicht eindeutig vertreten. So schreibt
die Wörter gebraucht. Bei einfachen Ideen er etwa, daß wir k omplexe Ideen auch durch
entweder durch synonyme Ausdrück e oder die Beobachtung k omplexer Ak tivitäten ler-
durch Aufweis entsprechender Wahrneh- nen: Wir erlangen „die Idee des Ringens oder
mungssituationen, indem man also „auf seine Fechtens, wenn wir zwei Menschen ringen
Sinne den Gegenstand einwirk en läßt (present oder fechten sehen“ (II, 22.9).
to his senses that subject), der in seinem Geist (b) Lock es Abstrak tionstheorie wirft fol-
die Idee erzeugen k ann“ (III, 11.14). Bei ge- gende Frage auf: Das Weiß der Milch ist nicht
mischten Modi durch Definitionen. Da es sich gleich dem Weiß des Schnees oder dem Weiß
bei ihnen um menschliche Schöpfungen han- der Kreide, die Farben sind zueinander ähn-
delt, lich. Was aber bedeutet: ‘a ist ähnlich b’? Das
„k ann die Bedeutung ihrer Namen, wie das bei k ann doch nur bedeuten: ‘a ist ähnlich b in
einfachen Ideen geschieht, nicht durch Anschauung bezug auf das Weiße’. Bedeutet dies aber
(by shewing) vermittelt werden. Dafür lassen sie nicht, daß der Betrachter, wenn er im Ähnli-
sich jedoch erschöpfend und genau definieren [...] chen das Gleiche erk ennt, bereits einen Begriff
Aus diesem Grunde bin auch ich k ühn genug zu von dem Gleichen haben muß? Wenn er also
glauben, daß sich die Moral ebenso beweisen lasse die verschiedenen Schattierungen von Weiß
(capable of demonstration) wie die Mathematik “ als ›weiß‹ erk ennt, bereits eine Idee von dem
(III, 11.15 f). ›Weißen‹ haben muß? Ist nun ›Weiß‹ eine all-
Bei Substanznamen schließlich sowohl gemeine Idee, so ist sie nicht, wie Lock e an-
durch Demonstrieren als auch Definieren (cf. genommen hatte, durch einen Abstrak tions-
III, 11.19). Lock e plädiert hier für die Schaf- prozeß gewonnen, sondern eher Vorausset-
fung eines Wörterbuches mit Bildern. zung, damit das Gemeinsame der verschie-
(e′) Man verwende dieselben Wörter immer denen Weißschattierungen als solches erk annt
in demselben Sinn. werden k ann. Lock e würde auf diesen Ein-
Befolgte man diese fünf Regeln, so k önnten wand wahrscheinlich antworten, daß unser
„viele Werk e der Philosophen (von anderen Wahrnehmungsapparat eben so beschaffen
gar nicht zu reden) und Dichter in einer Nuß- ist, daß er fak tisch bloß Ähnliches, sofern es
schale untergebracht werden“ (III, 11.26). sehr ähnlich ist, als gleich erlebt. Dieses als
gleich Erlebte wird als Gemeinsames verschie-
dener Dinge zusammengefaßt und benannt.
6. Kritische Würdigung (c) Interessanterweise bezieht Lock e seine
Lock es Essay concerning Human Understand- Ausführungen über die Realität einfacher
Ideen nur auf die Existenz einer materiellen
320 II. Personen

Außenwelt, nicht aber auf die Existenz an- war, nicht aber, als er behauptete, daß Wörter
derer Menschen. Seine Analysen sind aber sich unmittelbar nur auf Ideen beziehen.
wohl so zu interpretieren, daß die Annahme Diese These findet sich bereits bei einem an-
der Existenz anderer Menschen ebenfalls ge- deren großen Philosophen: bei Aristoteles in
wußt wird, da die einfachen Ideen davon be- dessen De interpretatione (16 a 3) (s. Art. 15).
richten, daß es Menschen gibt. In diese hin-
einschauen k önnen wir allerdings nicht, da
einfache Ideen dies nicht zu leisten imstande 7. Literatur in Auswahl
sind. Sie verbleiben an der ›Oberfläche‹. Die
Ideen anderer bleiben den Blick en entzogen. 7.1. Zitatausgaben
Damit taucht aber folgendes Verstehenspro-
blem auf: Da die Wörter sich nur auf Ideen John Lock e 51985, Essay concernung Human Un-
im Geiste des Sprechenden beziehen, somit derstanding, Nidditch (Hg.).
an jedem Wort ein möglicherweise sehr großes Die deutsche Übersetzung von Carl Winck ler
Stück rein subjek tiver Bedeutung k lebt, und (1911, 1913) ist immer noch brauchbar. Sie liegt in
Menschen die Ideen anderer nicht zugänglich einer neueren Ausgabe (1962) vor.
sind, bleibt die Frage stets offen, ob wir ein-
ander überhaupt verstehen. Auf diese Schwie- 7.2. Sekundärliteratur
rigk eit würde Lock e wahrscheinlich antwor- Aaron, John Locke, 31965.
ten, daß alle k omplexen Ideen in einfache Arndt 1979, John Lock e: Die Funk tion der Spra-
zerlegt werden k önnen und auf der Ebene che, in Grundprobleme der großen Philosophen.
einfacher Ideen eine Verständigung mit Ge-
wißheit möglich ist. Ist aber dafür nicht wie- Ashworth 1981, Do words signify ideas or things?
derum ein Vorverständnis nötig, das aus der The scholastic sources of Lock e’s theory of lan-
Welt der einfachen Ideen gerade nicht abstra- guage, in Journal of the History of Philosophy 19.
hierbar ist? Etwa das Wissen, daß das Nick en Kretzmann 1968, The main thesis of Lock e’s se-
mit dem Kopf ‘ja’ und das Hinweisen auf mantic theory, in Philosophical Review 77.
einen Gegenstand das Hinweisen auf einen Landesmann 1976, Lock e’s theory of meaning, in
Gegenstand und nicht bloß das Ausstreck en Journal of the History of Philosophy 14.
des Fingers bedeutet? Mack ie 1974, Lock e’s anticipation of Kripk e, in
Das entscheidende Argument gegen Lock es Analysis 34.
Sprachphilosophie lautete jedoch, daß Wörter Odegard 1970, Lock e and the signification of
sich unmittelbar auf Dinge bezögen. Ob diese words, in Locke Newsletter 1.
Kritik zutreffend ist, k ann an dieser Stelle
nicht disk utiert werden. Es sei jedoch darauf Gerhard Streminger, Graz (Österreich)
verwiesen, daß Lock e in vielem sehr originell

23. Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716)

1. Aspekte der Leibnizschen Beschäftigung mit eine wichtige Stelle ein. Denn ein großer Teil
der Sprache seiner Schriften und seiner Briefe ist Sprach-
2. Sprache und Wirklichkeit (Semantik) problemen gewidmet, und er war sich des
3. Sprache und Denken (Pragmatik) engen Zusammenhangs zwischen der Sprach-
4. Sprache und Logik fähigk eit und der intellek tuellen Entwick lung
5. Literatur in Auswahl des Menschen deutlicher bewußt als die mei-
sten seiner Zeitgenossen. Es waren sowohl
historische als auch philosophische Gesichts-
1. Aspekte der Leibnizschen punk te, die sein Interesse für Sprache erweck -
Beschäftigung mit der Sprache ten. Er beschäftigte sich ausführlich mit der
Leibniz hat k ein umfassendes sprachphiloso- Erforschung der natürlichen Sprachen und
phisches Werk geschrieben. Dennoch nimmt entwick elte neue Sprachen und Zeichensy-
er in der Geschichte der Sprachphilosophie steme.
23.  Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716) 321

1.1. Die Sprache als Geschichtsquelle in Sk andinavien sei die Urheimat der Ger-
manen zu suchen, vertrat er mit Entschieden-
In historischer Hinsicht erwartete er vom Stu- heit die Auffassung, daß die Germanen aus
dium der Sprachen Ausk unft über die Her- Asien (Sk ythien) nach Europa eingewandert
k unft, Wanderungen und Verwandtschafts- seien. Sk ythien ist für ihn die „vagina gen-
beziehungen zwischen den Völk ern (vgl. dazu tium“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u.
Neff 1870—1871, T. 2, 21—38 und Waterman Briefe R 1 VIII, 262 [= Brief an H. Ludolf,
1963). „Et les langues en général estant les 18. (28.) April 1692]). Zusammenfassende
plus anciens monumens des peuples, avant Darstellungen über die Einteilung und Ver-
l’écriture et les arts, en marquent le mieux wandtschaftsbeziehungen der Sprachen fin-
l’origine, cognations et migrations“ (Leibniz den sich in der Brevis designatio meditationum
1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 VI, 285 de originibus gentium, ductis potissimum ex
[= NE III, 2, § 1]; vgl. ferner Leibniz 1923 ff, indicio linguarum (in: Leibniz 1768, Op. Omn.
Sämtl. Schriften u. Briefe R 1 X, 244 [= Brief IV.2, 186—198) sowie in einer Denk schrift
an Bignon 26. Jan. (5. Febr.) 1694]). Die Spra- für den Zaren vom 23. Nov. 1712 (Richter
chen sind Ersatz für historische Dok umente 1946, 80 f). — Leibniz’ Beobachtungen zur
(Leibniz 1768, Op. Omn. IV. 2, 186). Was ihm Entwick lung der Sprachen entsprechen nicht
als allerdings unerreichbares Ideal vor Augen völlig den Ansprüchen der heutigen Sprach-
schwebte, war eine lück enlose Übersicht über wissenschaft. Sie sind mehr das Ergebnis di-
die Sprachen der Welt, und zwar sowohl in vinatorischer Kraft als methodischer wissen-
synchroner als auch in diachroner Hinsicht, schaftlicher Forschung. Vor allem fehlten ihm
welche er ‘harmonia linguarum’ nannte (vgl. k onsequent angewandte Kriterien für Sprach-
Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 1 verwandtschaft (vgl. Waterman 1963, 29). Es
XII, 636 [= Brief an H. v. d. Hardt, Mitte muß jedoch als große Leistung angesehen
Juni 1696]). Deshalb bat er Reisende, Kauf- werden, daß „sein ordnender Geist sich der
leute, Diplomaten und Missionare, Sprach- verwirrenden Vielfalt bemächtigte und zu
proben von den Völk ern, denen sie begegne- einer Zusammenfassung gelangte“ (Conze
ten, zu sammeln, und die Gelehrten forderte 1951, 68). Von großer Bedeutung für die Me-
er auf, die in der Literatur erwähnten Worte thodologie der k omperativen Linguistik war
wenig bezeugter Sprachen zusammenzustel- Leibniz’ Anwendung des Kontinuitätsprin-
len. Der zweite Teil seiner Welfengeschichte zips und des Prinzips vom zureichenden
(migrationes gentium) sollte sich vor allem Grund, nach denen bei der Frage nach den
auf Ergebnisse des Sprachenvergleichs stüt- Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Spra-
zen. Dementsprechend standen die Sprachen
und Völk er Europas und Asiens im Mittel- chen die Übergänge fließend sein müssen
(Aarsleff 1982 a, 92 f). In philosophischer
punk t seines Interesses. Er war der Überzeu- Hinsicht interessierte Leibniz die Sprache un-
gung, daß „tout le genre humain est d’une ter zwei Gesichtspunk ten: zum einen als ein
même race“ (Leibniz 1885, 29) und daß die vielschichtiges und leistungsfähiges Zeichen-
Wiege der Menschheit im Zweistromland zu system, und zum anderen als Spiegel des
suchen sei (Leibniz 1768, Op. Omn. V, 510). menschlichen Geistes.
Von dort sind die Menschen nach seiner Mei-
nung in die verschiedenen Gegenden der Welt 1.2. Die Sprache als Werkzeug des
ausgeströmt. Ein Teil, der sich auf Noahs menschlichen Geistes
Sohn Japhet zurück führen läßt, bildete einst
auf dem europäischen-asiatischen Kontinent Als System von Zeichen bildet die Sprache
ein großes Reich mit einer gemeinsamen Spra- einen Teilbereich der Zeichentheorie, der ›cha-
che, wie aus den Völk ern dieser Gebiete ge- racteristica‹. Zeichen definiert Leibniz als
meinsamen Wörtern wie Mähre (= Pferd) „notam visibilem cogitationes repraesentan-
erschlossen werden k ann (vgl. Leibniz 1768, tem“ (Leibniz 1982 ff, Vorausedition VII,
Op. Omn. IV.2, 187). Die japhetische Sprache 1482). Die Bedeutung der Zeichen für das
spaltete sich auf in zwei große Stämme: den menschliche Denk en und Erk ennen ist wohl
sk ythischen mit dem Türk ischen, Slavischen, von wenigen so nachdrück lich betont worden
Finnischen und Griechischen und den k elti- wie von Leibniz. Wie Thomas Hobbes
schen mit dem Germanischen und dem Kel- (1588—1679) war er der Überzeugung, daß
tischen (vgl. die schematische Übersicht bei die Worte nicht nur Zeichen (signa) sind, an-
Richter 1946, Anhang). Gegen die vom deren unsere Gedank en mitzuteilen, sondern
schwedischen Gelehrten vorgetragene These, auch Merk zeichen (notae), mit deren Hilfe
wir uns frühere Gedank en in Erinnerung ru-
322 II. Personen

fen (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe k en wird zum Operieren mit Zeichen: „Omnis
R 6 I, 278 [= Nova methodus I, § 23]). Die Raciocinatio nostra nihil aliud est quam cha-
Sprache erfüllt demnach sowohl eine k om- racterum connexio et substitutio“ (GP VII,
munik ative als auch eine mnemonische Auf- 31). Ein gut gewähltes Zeichensystem wie
gabe (vgl. Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Leibniz’ Zeichen der Infinitesimalrechnung
Briefe R 6 VI, 335 [= NE III, 9, § 1]); k enn- bewirk t, daß „multa primo obtutu appareant,
zeichnend für Leibniz ist, daß er die mne- et ipso calculi lusu nascantur, quae alias vi
monische für die primäre hält (vgl. a. a. O., ingenii aut labore imaginationis assequi ne-
500). Ähnlich wie Bacon unterscheidet Leib- cesse est“ (für Huygens, 1691, in: GM II, 117).
niz drei den Menschen k ennzeichnende Ha- Hier werden die Zeichen zu einem Instrument
bitus: ›memoria‹, ›inventio‹, ›judicium‹ und der ›ars inveniendi‹ und der ›ars judicandi‹.
gliedert dementsprechend die Lerntheorie in Genauer gesagt haben die Zeichen vier Auf-
Mmemonica, Topica und Analytica. Die gaben: ›pingi‹, ›figi‹, ›contrahi‹, ›ordinari‹ (vgl.
Mnemonik ist die Voraussetzung der beiden Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe
anderen. Denk en ist nach Leibniz in einem R 2 I, 412 f [= Brief an Tschirnhaus, Ende
gewissen Umfang auch ohne Zeichen und Mai 1678]). Leibniz’ Zeichentheorie ist in sei-
ohne Sprache möglich (in der intuitiven Er- ner Metaphysik begründet, nach welcher auch
k enntnis); doch macht die Begrenztheit des die abstrak testen Gedank en eine Entspre-
menschlichen Geistes den Gebrauch von Zei- chung im Sinnlichen haben müssen.
chen zumindest bei längeren Gedank engän- „Il n’y a jamais pensée abstraite, qui ne soit accom-
gen notwendig: pagnée de quelques images ou traces materielles, et
„Itaque nemo ratiocinationes longe productas per- j’ay etabli un parallelisme parfait entre ce qui passe
sequi animo posset, nisi reperta essent signa quae- dans l’ame et entre ce qui arrive dans la matiere“
dam, id est nomina, quibus magna rerum vis ita (GP VI, 533 [= Considerations sur la doctrine d’un
compendiose comprehenderetur, ut plurima celeri- Esprit Universel unique, 1702]).
ter percurrere liceret“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Die sinnlichen Entsprechungen sind die
Schriften u. Briefe R 6 II, 481 [= Demonstrationes Zeichen. — Allerdings ist die Sprache nach
propositionum primarum, 1671—1672?]; vgl. Hei- Leibniz nicht nur eine Vermittlerin von Ge-
nekamp 1976, 525). dank en und damit ein ›organon mentis‹, son-
Leibniz verdeutlicht diesen Sachverhalt dern sie gibt auch die Möglichk eit, „andere
gern mit dem Bild der Rechenpfennige: [zu] bewegen“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schrif-
Wir haben „Zeichen nöthig [...] nicht nur unsere ten u. Briefe R 4 III, 812 [= Ermahnung]);
Meynung andern anzudeuten, sondern unsern Ge- d. h. sie ist Mittel der Interak tion. Diese Auf-
danck en selbst zu helfen. Denn gleichwie man in gabe ist nach Leibniz die ursprüngliche, denn
großen Handels Städten [...] nicht allezeit Geld er war wohl der Überzeugung, daß in Inter-
zahlet, sondern sich an dessen statt der Zeddel oder jek tionen und Ausrufen der Ausgangspunk t
Marck en biss zur letzten Abrechnung oder Zahlung der Sprache zu suchen sei. Es ist Aufgabe der
bedienet; also thut auch der Verstand mit den Bild- Rhetorik , diesen Aspek t der Sprache zu un-
nissen der Dinge, zumal wenn er viel zu denck en tersuchen (vgl. Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schrif-
hat, dass er nehmlich Zeichen dafür brauchet, da- ten u. Briefe R 6 II, 420 [= Nizolius-Vor-
mit er nicht nöthig habe, die Sache iedesmahl so rede]).
offt sie vork ommt, von neuem zu bedenck en. Da-
her [...] begnügt er sich hernach offt, nicht nur im 1.3. Die Sprache als Spiegel des Geistes
äusserlichen Reden, sondern auch in den Ge-
danc
k en und innerlichem Selbst-Gespräch das Da die Sprache Erzeugnis und Werk zeug des
Wort an die Stelle der Sache zu setzen“ (Leibniz Geistes ist, offenbart sich in ihr der Charak ter
1916, § 5). des Geistes und seiner Tätigk eiten. Dement-
Demnach ist die Sprache nach Leibniz ein sprechend war Leibniz der Überzeugung,
Repräsentant der Wirk lichk eit oder der Ge- „que les langues sont le meilleur miroir de l’esprit
dank en. Wir brauchen die Worte „als Zifern humain, et qu’une analyse exacte de la signification
oder als Rechen-Pfennige an statt der Bild- des mots feroit mieux connoitre que toute autre
nisse und Sachen“ (Leibniz 1916, § 7). Die chose, les operations de l’etendement“ (Leibniz
Sprache und die Zeichen sind nach Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 VI, 333 [=
nicht nur Stützen des Denk ens, sondern k on- NE III, 7, § 6]).
stitutive Momente des Denk ens (vgl. Dascal Er sprach die Hoffnung aus, man werde
1987). Sie sind „proximum cogitandi instru- mit der Zeit alle Sprachen der Welt in Lexik a
mentum“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. und Grammatik en erfassen und dann mitein-
Briefe R 6 II, 420 [= Nizolius-Vorrede]). Den- ander vergleichen. Das ist nach seiner Mei-
23.  Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716) 323

nung von großem Nutzen sowohl für die Er- „essentias rerum intueri posse“ (Leibniz
k enntnis der Dinge, weil die Worte oft Eigen- 1982 ff, Vorausedition VI, 1204 [= Funda-
schaften der Dinge angeben, als auch für „la menta calculi ratiocinatoris]; vgl. Courtine
connoissance de notre esprit, et de la mer- 1980, 376 ff). Die Wörter der adamitischen
veilleuse variété de ses opérations“ [die Er- Sprache sind „véritablement porteurs d’intel-
k enntnis unseres Geistes und der wunderba- ligibilité et ouvrent à l’esprit l’intelligence des
ren Vielfalt seiner Tätigk eiten] (Leibniz choses“, sie ist „produit de la raison et source
1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 VI, 337 de rationalité“ (Courtine 1980, 378). Und des-
[= NE III, 9, § 5]). — Leider hat Leibniz halb bemühten sich viele darum, diese Spra-
k eine systematische Ausarbeitung zu diesem che wiederherzustellen. Für Leibniz ist die
Thema hinterlassen. Seine Äußerungen zur Sprache weder ein Geschenk Gottes noch das
Bedeutungsentwick lung einzelner Wörter zeu- Produk t menschlicher Überlegung, sondern
gen jedoch von einem tiefen Verständnis des die Sprachen sind entstanden „naturali quo-
sprachlichen Geschehens. Die enge Verfloch- dam impetu [...] hominum, sonos ad affectus
tenheit zwischen Sprache und Geist sowie motusque animi attemperantium“ (Leibniz
Sprache und Kultur ist wohl k aum jemandem 1768, Op. Omn, IV.2, 187). Eine ähnliche Auf-
im 17. Jahrhundert so deutlich bewußt ge- fassung findet sich bei Aristoteles (vgl. De
wesen wie Leibniz. Ihm ist die Sprache „eine interpretatione, 16 a 3—8). Leibniz betrach-
Dolmetscherin des gemüths und eine behal- tete die Versuche, die Ursprache durch einen
terin der wißenschafft“ (Leibniz 1923 ff, Vergleich der überlieferten Sprachen oder
Sämtl. Schriften u. Briefe R 4 III, 819 [= durch Einsicht (wie bei Johann Baptist van
Ermahnung an die Teutsche, 1679 (?)]). Durch Helmont, 1579—1644) wiederherzustellen, als
die „Erk lärung der Kunst-Worte“ werden undurchführbar. Nach seiner Meinung ist die
„die Wissenschafften selbst erläutert und be- adamitische Sprache „nobis certe ignota“
fördert“ (Leibniz 1916, § 36; vgl. auch § 39). (Leibniz 1982 ff, Vorausedition VI, 1204). Des-
Eine „wohlausgeübte Muttersprach [beför- halb k ann man nicht zu einer vollk ommenen
dert] wie ein rein polirtes glas gleichsam die Übersicht über die Sprachen gelangen (vgl.
scharffsichtigk eit des gemüths [...], und [giebt] Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 1
dem verstand eine durchleuchtende clarheit“ XII, 636 [= Brief an H. von der Hardt, Mitte
(Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 4 Juni 1696]). Denn Veränderung und Entwick -
III, 809); daher läuft eine Blüte der Sprache lung sind natürliche Eigenschaften der Spra-
mit einer Blüte der Kultur parallel, und chen, es gibt eine „naturalis mutabilitas lin-
Sprachverfall bedeutet Kulturverfall (vgl. guarum“ (Epistolaris, § 21). Der Wandel der
S. 812 u. 815). Die Verbesserung einer Spra- Sprache k ann zwar als Abfall von einer ur-
che hat einen k ulturellen und geistigen Auf- sprünglichen Voll
k ommenheit verstanden
stieg der Sprachgemeinschaft zur Folge. Da- werden („linguae naturaliter corrumpuntur“,
her ist es verständlich, daß Leibniz mehrere Leibniz 1768, Op. Omn. IV.2, 232 [= Brief
Denk schriften über die Verbesserung der an Tentzel, Juli 1697]), er ist aber unvermeid-
deutschen Sprache hinterlassen hat. lich; denn es ist denk bar, daß die „[...] pri-
mitiva lingua esse simplicior, quam ut posteris
1.4. Die Frage sufficeret“ [Ursprache zu einfach war, als daß
nach dem Ursprung der Sprache sie den späteren Generationen genügt hätte“]
(Epistolaris, § 22). Es ist anzunehmen, daß
Über die Frage nach dem Ursprung der Spra- bereits die ersten Menschen von der ursprüng-
che wurde zur Zeit Leibnizens und auch spä- lichen Sprache (lingua protoplastis) abgewi-
ter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts heftig chen sind und sich eigene Wörter gebildet
disk utiert (s. Art. 65). In der Regel wurde der haben (Epistolaris, § 15). Daher muß man an-
biblische Schöpfungsbericht als Geschichts- nehmen, daß die heutigen Sprachen „partim
werk verstanden. Dementsprechend war man ex primogenia, partim ex novo hominum per
überzeugt, daß das gesamte Menschenge- orbem dispersorum usu“ (Leibniz 1982 ff,
schlecht von den beiden Ureltern abstamme Vorausedition III, 497; vgl. C 151) entstanden
und sämtliche Sprachen sich aus nur einer sind. — Deshalb ist es verständlich, daß Leib-
Ursprache, der Adams, entwick elt hätten. Die niz der Frage nach der Ursprache wenig Auf-
adamitische Sprache, welche nach der Mei- merk samk eit geschenk t hat. Was ihn in der
nung einiger Sprachforscher von Gott offen- Disk ussion um die Ursprache interessierte,
bart, nach anderen von Adam erfunden war weniger die Frage nach dem zeitlichen
wurde, betrachtete man als vollk ommenen Anfang der Sprache als vielmehr die Frage
Ausdruck der Wirk lichk eit; in ihren Worten
324 II. Personen

nach den Grundlagen und den letzten Ele- § 20). Die Interjek tionen sind ein „residuum
menten der Sprache. Die Grundlage der Spra- illius loquendi rationis quam solam habent
che muß nach seiner Meinung etwas Natür- bestiae“ (Leibniz 1982 ff, Vorausedition II, 360
liches sein, und das gilt „non tantum in lingua [= De lingua philosophica]). Denn er hält es
primogenia [...], sed et in linguis posterius für wahrscheinlich, daß die ungebildeten
partim ex primogenia, partim ex novo ho- Menschen „initio in voces inarticulatas pro-
minum per orbem dispersorum usu enatis“ rumperent, quibus demum natas interjectio-
(Leibniz 1982 ff, Vorausedition III, 497; vgl. nes articulatas apparet, et ex his voces“ (Epi-
C. 151). Insofern gibt es k einen wesentlichen stolaris, § 20). Äußerungen wie diese lassen
Unterschied zwischen der adamitischen Spra- vermuten, daß Leibniz der Überzeugung war,
che und den überlieferten natürlichen Spra- die Sprache habe zunächst als Mittel der zwi-
chen. Bis zu einem gewissen Grade finden sich schenmenschlichen Interak tion gedient, und
die Besonderheiten der Ursprache in jeder die k ommunik ative und die mnemonische
Sprache. Insofern ist der Gedank e einer Funk tion der Sprache seien erst später hin-
„langue radicale et primitive“ (Leibniz zugek ommen. Dementsprechend dürfte Leib-
1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 VI [= niz den Menschen primär als prak tisch han-
NE III, ii, § 1]; Courtine 1980, 383) regulatives delndes Wesen gesehen haben und erst in
Prinzip jeder Sprachforschung. Er ist eine zweiter Hinsicht als Wesen, das über sich und
suggestive Metapher für die natürlichen Vor- die Welt nachdenk t. Hiermit stimmt überein,
gänge bei der Entstehung und Entwick lung daß Leibniz im Imperativ die Urform des
der Sprache (Rutherford, im Druck , 20). — Verbs glaubte finden zu können:
Gelegentlich betont Leibniz, alle Sprachen „Radices verborum in Imperativo magna ratione
schienen ihm Weiterentwick lungen aus einer quaeruntur. Hinc Germanis verbum in Imperativo
Ursprache zu sein. Das würde bedeuten, daß monosyllabum, in aliis modis dilativum. Nempe
allen Sprachen dieselben ursprünglichen Wör- primus et maxime naturalis verbi usus imperare,
ter zugrunde liegen. An anderen Stellen be- seu dicere, quid velimus agi. Quin et apud latinos
zieht er die ursprüngliche Schicht in die et graecos imperativum esse radicalem invenio [...]
Sprachentwick lungen ein. Jede Epoche hat Germanis merito monosyllabus est imperativus“
die Kraft, neue ursprüngliche Wörter zu bil- (Leibniz 1718, 427).
den. Ursprünglich sind die Wörter, aus denen Die Interjek tionen bringen nach Leibniz
andere abgeleitet sind, die aber selbst nicht „animi motus“ (Epistolaris, § 20) zum Aus-
auf andere zurück geführt werden k önnen. druck . Diese Kraft hat sich auch in den ge-
Ihre Bedeutung ist nicht aus anderen zu er- genwärtigen natürlichen Sprachen erhalten.
k lären, sondern an ihnen selbst erk ennbar. Daher haben die natürlichen Sprachen eine
Denn in „omni [...] primitivo ordo et causae unglaubliche Kraft, die Gemüter zu bewegen:
apparere debent“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. „Unde verba in carmina, in cantiones redacta,
Schriften u. Briefe R 1 XII, 582 [= Brief an quia et picturas excitant et sonos exhibent,
H. von der Hardt, 12. Mai 1696]). Maßgeb- incredibilem habent vim movendi“ (Leibniz
lich für die Frage nach der Ursprünglichk eit 1718, 170). Gemeinsam ist den onomatopöe-
von Wörtern ist ihr semantischer Bezug zur tischen Sprachgebilden, daß sie sich auf den
Wirk lichk eit. Daß seine Bedeutung an ihm Bereich des sinnlich Wahrnehmbaren bezie-
selbst ablesbar ist, ist Zeichen eines ursprüng- hen. Dementsprechend vertritt Leibniz die
lichen Wortes. Das ist der Fall bei onomato- Auffassung, die Sprachen seien entstanden
pöetischen Wörtern. Leibniz hat k eine voll- „ex sonorum consensu cum affectibus, quos
ständige Theorie der Onomatapöesie entwik - rerum spectacula in mente excitabant“ (Leib-
k elt, er spricht drei sprachlichen Gebilden niz 1982 ff, Vorausedition III, 497; vgl. C 151).
onomatopöetische Kraft zu: Buchstaben, In der Epistolaris [...] dissertatio schreibt er:
Wörtern und Interjek tionen (vgl. dazu Hei- „Rerum autem naturalium, sensibilium, cre-
nekamp 1976, 537—546). brius occurrentium appellationes priores
Leibniz hat k eine einheitliche Theorie über fuere quam rariorum, artificialium, moralium
den Ursprung der Sprache und die Wurzel- et metaphysicarum“ (§ 23; vgl. Leibniz
wörter ausgearbeitet. Einige Äußerungen las- 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 VI, 104
sen vermuten, daß er ähnlich wie andere [= NE I, 3, § 8]). Das hat Leibniz in aller
Sprachforscher seiner Zeit (Cassirer 1964, Deutlichk eit im Hinblick auf die Präpositio-
90 ff) in Interjek tionen die ursprünglichste nen nachgewiesen (vgl. Leibniz 1982 ff, Vor-
Schicht der Sprache gesehen hat, „linguas ex ausedition II, 361; C 290; 287; Leibniz 1923 ff,
interjectionibus natas videri“ (Epistolaris,
23.  Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716) 325

Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 VI, 277 [= NE legentlich den Ausdruck ‘conceptus’ (Dis-
III, 1, § 5]; vgl. auch Leibniz 1982 ff, Voraus- cours, § 27) oder ‘notion’ verwendet, sondern
edition III, 514 ff [= Analysis particularum]). der Gegenstand, das Objek t des Denk ens
(Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R
6 VI, 109 [= NE II, 1, § 1]; vgl. S. 119 [=
2. Sprache und Wirklichkeit NE II, 1, § 23]).
(Semantik)
Leibniz übernimmt das auf Aristoteles (384— 2.2. Wahrheit
322 v. Chr. (s. Art. 15) zurück gehende Drei- Der Wirk lichk eitsbezug ist den Ideen oder
stufenschema der semantischen Beziehung: Begriffen nach Leibniz nicht zufällig und
Sprache — Ideen — Dinge: äußerlich beigegeben wie bei René Descartes
„Les Substances et les Modes sont egalement re- (1596—1650) und den Ok k asionalisten. Leib-
presentés par les idées; et les choses, aussi bien que niz lehnt die Auffassung, die Ideen hätten
les idées, dans l’un et l’autre cas sont marquées par ebensowenig Beziehung zu den Dingen wie
les mots“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe die Worte oder Schriftzeichen zu den Ideen,
R 6 VI, 287 [= III, 2, § 4]). ab (vgl. GP VI, 403 f). Dieser Wirk lichk eits-
Für ihn sind „die Worte nicht nur der Ge- bezug ist durch die ›Repräsentation‹ gegeben
danck en, sondern auch der Dinge Zeichen“ (GM III, 577); denn die „representation a un
(Leibniz 1916 § 5; vgl. § 40). Die Beziehung rapport naturel à ce qui doit être representé“
zwischen den drei Bereichen ist nach Leibniz [das Repräsentierende hat einen natürlichen
nicht leicht zu bestimmen (vgl. Poser 1979; Bezug zu dem, was repräsentiert werden soll]
Jolley 1990). (Théodicée, § 356). Der Zusammenhang zwi-
schen der Darstellung und dem Dargestellten
2.1. Idee beruht also nicht auf einer willk ürlichen Ver-
Die Ideen stehen im Mittelpunk t der Leibniz- einbarung. Daher brauchte Leibniz nicht wie
schen Erk enntnislehre. Leibniz geht aus vom Descartes auf die Wahrhaftigk eit Gottes als
Cartesischen Sprachgebrauch, nach welchem Garanten der objek tiven Gültigk eit der Er-
jeder Inhalt des Bewußtseins als Idee bezeich- k enntnis zurück zugreifen; denn die Ideen
net werden k ann. Allerdings erweitert er den haben den Wirklichkeitsbezug aus sich selbst.
„Ideam itaque rerum in nobis esse, nihil aliud est,
Umfang dieses Wortes insofern, als er nicht
quam Deum autorem pariter et rerum et mentis
nur die Inhalte unter ihm zusammenfaßt, de-
eam menti facultatem cogitandi impressisse, ut ex
ren sich der Denk ende bewußt ist, sondern
suis operationibus ea ducere possit quae perfecte
auch die, deren er sich noch nicht oder nicht
respondeant his quae sequuntur ex rebus“ (Leibniz
mehr bewußt ist, deren er sich aber bewußt
1982 ff, Vorausedition III, 454 [= Quid sit idea]).
werden k önnte; sie sind Möglichk eiten des
Denk ens und Dispositionen (vgl. NE II, 1, § 1 Der Grund dafür, daß der Mensch die
u. II, 10, § 2). Dementsprechend gibt Leibniz Wirk lichk eit erk ennen k ann, ist also darin zu
die Cartesische Unterscheidung zwischen an- suchen, daß „l’essence de nostre ame est une
geborenen, von außen empfangenen und certaine expression ou imitation ou image de
selbstgemachten Ideen auf. Sämtliche Ideen l’essence, pensée ou volonté divine“ [die We-
sind angeboren; denn die Monade schöpft senheit unserer Seele ein bestimmter Aus-
alles aus dem eigenen Grund. Die Gegen- druck , eine Nachahmung oder ein Bild der
stände der äußeren Wahrnehmung sind nur göttlichen Wesenheit, des göttlichen Denk ens
die Gelegenheiten zum Erweck en der Ideen. oder Willens ist] (Discours, § 28). — Er-
Allerdings steht diese ›erk enntnispsychologi- k enntnis zielt damit für Leibniz auf eine An-
sche‹ Bedeutung des Wortes ‘Idee’ in Span- gleichung (adaequatio) des Denk ens an die
nung zu einer anderen, nach welcher die Ideen Wirk lichk eit ab. Dabei ist die Wirk lichk eit
(oder Essenzen) die Möglichk eiten sind, „qui dem Menschen vorgegeben. Insofern vertritt
sont independantes de nostre pensée“ (Leib- Leibniz die Position des erk enntnistheoreti-
niz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 VI, schen Realismus. Von der intuitiven Erk ennt-
293 [= NE III, 3, § 13]). Sie sind als ›regio nis abgesehen ist jedes Erk ennen durch Be-
idearum‹ die Gedank en, nach denen Gott die griffe vermittelt. Daher gibt es k eine von den
Welt geschaffen hat, und als solche ein ge- Begriffen unabhängige Möglichk eit, das Den-
treues Abbild der Wirk lichk eit. Aber sie sind k en auf seine Übereinstimmung mit dem Sein
nicht identisch mit den Denk inhalten des hin zu überprüfen. Das Kriterium der Wahr-
menschlichen Geistes, für welche Leibniz ge- heit k ann nur in der Erk enntnis selbst gesucht
werden. Allerdings weist Leibniz das Carte-
326 II. Personen

sische Wahrheitsk riterium der Klarheit und merk samk eit und an Erinnerung zu suchen
Deutlichk eit als unzureichend ab, weil es sub- (GP IV, 356). In diesen Fällen verwechselt
jek tiv sei. Aus der repräsentativen Kraft der man Schein und Sein. Man k ann den Wörtern
Ideen gewinnt er seine Wahrheitsk riterien. oft nicht ansehen, ob ihnen eine Idee ent-
Nun unterscheidet Leibniz zwischen notwen- spricht, und man k ann in den meisten Fällen
digen und k ontingenten Wahrheiten, zwi- nicht an ihnen selbst erk ennen, welche Ideen
schen Vernunft- und Tatsachenwahrheiten. sie bezeichnen. Die Zuordnung zwischen
Für beide Arten gelten unterschiedliche Lautform und Idee ist zwar nach Gründen
Wahrheitsk riterien. Ein notwendiger Satz ist erfolgt (vgl. Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften
wahr, wenn er mit Hilfe der Begriffsanalyse u. Briefe R 6 II, 500), aber diese Gründe sind
in endlich vielen Schritten auf einen identi- in den meisten Fällen nicht an der Wortform
schen Satz zurück geführt werden k ann. Kon- zu erk ennen. Deshalb müssen die Zuordnun-
tingente Sätze bedürfen einer unendlichen gen fast bei jedem Wort gelernt werden. Es
Analyse, welche der Mensch in der Regel gibt k einen ›Schlüssel‹ zum Verständnis der
nicht durchführen k ann. In der k leinen Ab- natürlichen Sprache, wie z. B. Andreas Müller
handlung De modo distinguendi phaenomena (1630—1694) ihn für die chinesische Schrift
realia ab imaginariis (GP VII, 319—322) führt in Aussicht gestellt hatte. Das ist deshalb so,
Leibniz die Plastizität und Gesetzmäßigk eit weil die Sprache zwar Ausdruck und Reprä-
der Erscheinungen als Kriterium ihrer Wirk - sentant der Ideen bzw. der Wirk lichk eit ist,
lichk eit und damit auch als Kriterium für die aber zwischen Ausdruck und Ausgedrück tem
Wahrheit der betreffenden Sätze an. An Bar- k eine Ähnlichk eitsbeziehung bestehen muß.
tholomäus des Bosses (1668—1738) schreibt Es reicht nach Leibniz, wenn eine gewisse
er am 16. Juni 1712: Analogie zwischen den Beziehungen (habitu-
„Verum est, consentire debere, quae fiunt in anima, dinum quaedum analogia) gewahrt bleibt
cum iis quae extra animam geruntur; sed ad hoc (Leibniz 1982 ff, Vorausedition III, 454 [=
sufficit, ut quae gerantur in una anima respondeant Quid sit idea]). In einem Brief an Simon
tum inter se, tum iis quae geruntur in quavis alia Foucher (1644—1696) aus dem Jahre 1686
anima; nec opus est poni aliquid extra omnes An- verdeutlicht Leibniz diesen Sachverhalt an-
imas vel Monades“ (GP II, 451). hand der Beziehung zwischen der Ellipse und
Daher k ann Leibniz auch als Wegbereiter dem Kreis. Die Analogie besteht in diesem
der Kohärenztheorie der Wahrheit betrachtet Fall darin, daß jedem Punk t auf der Ellipse
werden (vgl. Rescher 1974, 130—134). ein Punk t auf dem Kreis entspricht und um-
gek ehrt (GP I, 383; vgl. C 15). Da diese Be-
2.3. Irrtum ziehung nicht immer leicht zu durchschauen
ist, ist der Mensch der Möglichk eit des Irr-
Zwar zielen das Denk en und die Sprache auf tums ausgesetzt.
eine möglichst genaue Erfassung der Ideen
ab, aber sie erreichen dieses Ziel nicht immer.
Ja, es gibt Fälle, in denen einem sprachlichen 3. Sprache und Denken (Pragmatik)
Gebilde überhaupt k eine Idee entspricht, weil
der Ausdruck widerspruchsvoll ist. Denk en vollzieht sich nach Leibniz im Me-
„Nam saepe fit ut combinemus incompatibilia, ve- dium der Sprache. Die natürlichen Sprachen
lut cum de Motu celerrimo cogitamus quem im- bilden die Dinge nicht unvermittelt ab, son-
possibilem esse constat, adeoque idea carere, et dern nur insofern, als sich die Wirk lichk eit
tamen concessum nobis est de eo cum intellectu im Bewußtsein des Menschen spiegelt. Die
loqui. Scilicet alibi a me explicatum est, saepe nos Beziehung zwischen den Gedank en und den
confuse tantum cogitare id de quo loquimur neque Zeichen ist nach Leibniz weder notwendig
ideae in mente nostra existentis conscios esse, nisi noch zufällig (s. Art. 71),
rem intelligamus et quantum satis est resolvamus“ „die Wort [k ommen] nicht eben so willk ührlich
(GP IV, 360 [= Animadversiones in partem gene- oder von ohngefehr herfür [...], als einige vermey-
ralem principiorum Cartesianorum, ad. art. 18]; nen; wie dann nichts ohngefehr in der Welt als nach
vgl. GP IV, 424 [= Meditationes de cognitione, unserer Unwissenheit, wenn uns die Ursachen ver-
veritate et ideis]). borgen“ (Leibniz 1916, § 50).
Daher irrt der Mensch häufig, weil er Denn die
glaubt, den Wörtern entsprächen Ideen, die „Gedank en und Zeichen bedingen sich wechselsei-
ihnen nicht entsprechen. Die Möglichk eit des tig, weil zwischen ihnen die gleiche prästabilierte
Irrtums ist daher in einem Mangel an Auf- Harmonie besteht wie zwischen Seele und Körper“
(Ricken 1989, 157).
23.  Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716) 327

Nun unterscheiden sich nach Leibniz die denck en k ein Wort sprechen wolte, ohne sich ein
Monaden dadurch voneinander, daß sie das- eigentliches Bildniss von dessen Bedeutung zu ma-
selbe Universum auf je verschiedene Weise chen, würde man überaus langsam sprechen oder
spiegeln. Durch die Vielheit der Monaden vielmehr verstummen müssen“ (Leibniz 1916, § 6).
wird das Universum infolge der unterschied- Niemand stellt sich z. B. die einzelnen Ein-
lichen Spiegelungen gewissermaßen verviel- heiten vor, wenn er das Wort ‘einhunderttau-
fältigt (GP VI, 616 [= Monadologie, § 57]). send’ gebraucht; denn aufgrund der Zeichen
Dieser Vielheit der Spiegelungen entspricht k ann man darauf verzichten (vgl. Leibniz
die Vielheit der Sprachen. Zwischen den ver- 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 2 I, 228
schiedenen Sprachen bestehen tiefgreifende [= Accessio ad arithmeticam infinitorum]).
Unterschiede, denn k eine gibt „ander Spra- So wird das Denk en für Leibniz zu einem
chen Worte jedesmahl mit gleichem Nach- Spielen mit Zeichen:
druck und auch mit einem Worte“ wieder „La plus part de nos raisonnemens, sur tout ceux
(Leibniz 1916, § 61). Daher ist es verständlich, qui s’entremelent dans les principales veues, se font
daß Leibniz der Erforschung der natürlichen par un jeu de caracteres, comme on joue du cla-
Sprachen so große Aufmerk samk eit ge- vessin par costume en partie, sans que l’ame en
schenk t hat. Denn die Sprachen sind ein Spie- cela s’en apperçoive assez, et forge les raisons avec
gel des menschlichen Geistes und eine wich- reflexion autrement on parleroit trop lentement“
tige Quelle für die Erk enntnis des menschli- (zitiert nach Heinekamp 1976, 565).
chen Geistes. Die Sprache ist jedoch nicht nur Hierin ist die Leistung der Sprache, aber
ein Spiegel des Denk ens, sondern auch eine auch die Irrtumsfähigkeit begründet.
Hilfe. Wo die Sprache „rechtschaffen blühet,
da thun sich auch zugleich treffliche geister
in allen wißenschafften herfür“ (Leibniz 4. Sprache und Logik
1864—1884, Werke VI, 217). Die Sprache Die natürlichen Sprachen sind Gegenstand
k ann die k ulturelle Blüte eines Volk es fördern. einer umfassenderen Wissenschaft, die Leib-
So hat die deutsche Sprache nach Leibniz vor niz Theorie der Zeichen nennt (vgl. C 98 f [=
der englischen, französischen und italieni- Méthode de la certitude]). Zu dieser gehören
schen den Vorzug, „daß die gedanck en, die außer der Mathematik auch Leibniz’ Bemü-
man in guthem reinen Teutsch geben k an, hungen um die Entwick lung k ünstlicher Spra-
auch gründlich seyn, was aber sich nicht guth chen der Logik . Dabei k ann man drei Berei-
Teutsch geben läßt, bestehet gemeiniglich in che unterscheiden: die ›characteristica univer-
leeren worthen und gehöhret in die Schola- salis‹, die rationale Grammatik (s. Art. 44)
stik “ (Leibniz 1864—1884, Werke VI, 218). und die Kalküle der formalen Logik.
So ist die deutsche Sprache nach Leibniz ein
„sonderbahrer Probierstein der Gedanck en“
(Leibniz 1916, § 11). — Erscheint die Sprache 4.1. Die ›characteristica universalis‹
an diesen Stellen als Stütze und Führerin des Leibniz’ Pläne k nüpfen an Entwürfe von Uni-
Denk ens, so k ann sie auf der anderen Seite versalsprachen, wie sie im 17. und 18. Jahr-
den Menschen in die Irre führen. Ein Beispiel hundert von verschiedenen Autoren ausge-
dafür sind nach Leibniz‘ Meinung die Spitz- arbeitet wurden, an (vgl. Pombo 1987) (s.
findigk eiten und Trugschlüsse der Scholastik Art. 64). Im Gegensatz zu diesen Entwürfen
(vgl. Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe sollte Leibniz’ ›characteristica‹ nicht nur
R 6 I, 538 [= Von der Allmacht]). Zum Miß- Menschen aus unterschiedlichen Sprachge-
brauch der Sprache und zum Irrtum k ann es meinschaften als Verständigungsmittel die-
k ommen, weil die Wörter oft gebraucht wer- nen, sondern sie sollte als philosophische
den, ohne daß man sich ihrer Bedeutung ver- Sprache auch ›ars inveniendi‹ und ›ars judi-
gewissert hätte. „On raisonne souvent en pa- candi‹ sein (vgl. GP VII, 7). Er schreibt:
roles sans avoir presque l’objet même dans „Ars characteristica est ars ita formandi atque or-
l’esprit“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. dinandi characteres, ut referant cogitationes, seu ut
Briefe R 6 VI, 186 [= NE II, 21, § 31]). Diese eam inter se habeant relationem, quam cogitationes
Art des Denk ens nennt Leibniz taubes oder inter se habent. Expressio est aggregatum charac-
blindes Denk en (pensée sourde, cogitatio terum rem quae exprimitur repraesentantium. Lex
caeca). Sie ist allerdings auf der anderen Seite expressionum haec est: ut ex quarum rerum ideis
die Voraussetzung der Leistungsfähigk eit des componitur rei exprimendae idea, ex illarum rerum
menschlichen Denkens, denn characteribus componatur rei expressio“ (Leibniz
„wenn man im Reden und auch selbst im Ge- 1982 ff, Vorausedition VII, 1482).
328 II. Personen

Die Zeichen sollen demnach die Struk tur der ›characteristica universalis‹ Leibniz faszi-
der Begriffe oder Ideen genau abbilden. Da niert hat. Denn in diesem Zeichensystem wäre
nach Leibniz die meisten Begriffe k omplex an den Zeichen selbst zu erk ennen, welche
und aus einfachen zusammengesetzt sind, be- Verbindungen wahr und welche falsch sind,
steht die erste Aufgabe darin, die Begriffe in und das Denk en ließe sich auf ein Operieren
ihre Bestandteile aufzulösen. Das geschieht mit Zeichen reduzieren (vgl. C 155), und alle
mit Hilfe der Definition der Begriffe. Die Fehler wären Rechenfehler (vgl. GP VII, 200).
Analyse ist so lange fortzusetzen, bis man zu
den Grundbegriffen, den „prima possibilia ac 4.2. Die Kalküle der formalen Logik
notiones irresolubiles“ (GP IV, 425 [= Me-
ditationes de cognitione veritate et ideis]) ge- Leibniz hat eine große Zahl von Schriften zur
langt. Sind die Grundbegriffe (das „Alpha- formalen Logik hinterlassen, so daß er mit
betum cogitationum humanarum“, C 435) ge- Recht als Ahnherr dieser Disziplin betrachtet
geben, so k önnen aus ihnen sämtliche Begriffe werden k ann (vgl. Burck hardt 1980). Von den
durch Synthese gewonnen werden (GP VII, Entwürfen zur ›characteristica universalis‹
185). Den analysierten Begriffen werden Zei- unterscheiden sich diese Schriften durch die
chen zugeordnet, und zwar so, daß eine ein- Verwendung von Variablen.
eindeutige Zuordnung zwischen einem Zei-
chen und einem Begriff besteht. Mehrdeutige 4.3. Die grammatica rationis
und synonyme Zeichen sind auszuschließen. Die Schriften zu diesem Themenbereich
Die Zeichen sind demnach ›Etik etten‹ von haben durch Noam Chomsk ys (*1928) trans-
Begriffen und in dieser Hinsicht Eigennamen formationelle generative Grammatik eine be-
vergleichbar. Zwischen den Dingen, den Be- sondere A k tualität erhalten (vgl. hierzu
griffen und den Zeichen besteht in der ›cha- Burck hardt 1980, Teil 2). Leibniz sucht in
racteristica universalis‹ ein Isomorphismus. ihnen den Formenreichtum der Grammatik en
Ist die Analyse der Begriffe durchgeführt und natürlicher Sprachen auf die zugrunde liegen-
die Zuordnung der Zeichen erfolgt, k ann den Grundformen zurück zuführen (vgl. Leib-
ohne Mühe an den Zeichen erk annt werden, niz 1982 ff, Vorausedition V, 921 [= De lingua
ob eine vorgegebene Verbindung der Leibniz- rationali, April 1678]); d. h. k omplexe Sätze
schen Definition des wahren Satzes ent- sollen auf Verbindungen einfacher Sätze re-
spricht, d. h. ob der Prädik atbegriff im Sub- duziert werden, und dadurch sollen die Wahr-
jek tbegriff enthalten ist (ars judicandi); es heitsbedingungen explizit gemacht werden.
k ann ferner gesehen werden, welche neuen Entsprechend der Tradition teilt Leibniz die
Verbindungen gebildet werden k önnen (ars Wörter ein in k ategorematische (d. h. sach-
inveniendi); denn haltige Wörter: Substantive, Adjek tive usw.)
„quoniam resolutio conceptus resolutioni Charac- und syn
k ategorematische (Konjun
k tionen,
teris ad amussim respondet, Characteres tantum Partik el usw.) (vgl. Leibniz 1982 ff, Voraus-
aspecti nobis, adaequatas notitias, sponte et sine edition II, 353 [= De lingua philosophica]).
labore ingerent in mentem“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Leibniz verwandte besondere Mühe darauf,
Schriften u. Briefe R 2 I, 413 [= Brief an Tschirn- die synk ategorematischen Wörter auf Grund-
haus, Ende Mai 1678]). formen zurück zuführen. Ein Beispiel dafür ist
Leibniz hat k eine ›characteristica‹, die die- die ›Analysis particularum‹ (Leibniz 1982 ff,
sen Ansprüchen genügte, ausgearbeitet. Was Vorausedition III, N. 134; vgl. dazu Dascal
er hinterlassen hat, sind programmatische 1989).
Schriften und Definitionstafeln als Vorarbei-
ten für die Analyse der Begriffe. Daß er beim 4.4. Komplementarität zwischen der
Aufbau der characteristica nicht weiterge- natürlichen Sprache und den
k ommen ist, überrascht nicht, wenn man sich künstlichen Sprachen
vergegenwärtigt, daß sämtliche Begriffe in
ihre letzten Elemente zerlegt werden müßten, Ernst Cassirer (1874—1945) (s. Art. 37) und
wobei Leibniz allerdings selbst daran gezwei- einige andere Autoren vertreten die Auffas-
felt hat, daß der Mensch zu den Grundbe- sung, Leibniz habe sich vornehmlich für die
griffen gelangen k önnte (vgl. GP, 425 [= Sprache als ›Erk enntnismittel‹ und als „In-
Meditationes de cognitione veritate et ideis]). strument der logischen Analyse“ interessiert
Davon abgesehen entspricht die statische (Cassirer 1964, 71) und „die spezifische Ei-
Auffassung des Begriffssystems nicht der dy- gentümlichk eit der Sprache als Laut- und
namischen Entwick lung der Wissenschaften. Wortsprache [...] letzten Endes ausgeschaltet“
Trotzdem ist es verständlich, daß das Projek t (73). Diese Interpretation wird seit Hans
23.  Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716) 329

Aarsleffs (* 1925) Veröffentlichungen unter Formen der Sprachen und den unterschied-
dem Titel ‘Cassirer-These’ erörtert. Gegen sie lichen Tätigk eiten der Monade. Die unter-
spricht zunächst der Umfang und die Inten- schiedlichen Sprachschichten entsprechen un-
sität der Leibnizschen Beschäftigung mit der terschiedlichen Graden der Deutlichk eit der
Erforschung natürlicher Sprachen. Es liegt Perzeptionen. Die Vielfalt der Sprachen ist
auf der Hand, daß die Ersetzbark eit sich nur Ausdruck der sinnlich-geistigen Doppelnatur
auf eine Funk tion der Sprache beziehen k ann, des Menschen, seiner ›Allwissenheit‹ und sei-
nämlich auf die Sprache als Erk enntnismittel. ner ›Beschränk theit‹. Insofern besteht zwi-
Mir ist k eine Stelle bek annt, an der Leibniz schen den Sprachen in bezug auf ihre Lei-
den k ünstlichen Sprachen dieselbe Kraft, die stungsfähigk eit „k ein wesentlicher, sondern
Gemüter zu bewegen, zugesprochen hätte wie nur ein gradueller Unterschied“ (Heinek amp
den natürlichen. Aber auch in bezug auf die 1972, 469). Jede ist nach Leibniz prinzipiell
Sprache als Erk enntnismittel hat Leibniz we- in der Lage, alles auszudrück en (vgl. Leibniz
sentliche Unterschiede zwischen der Struk tur 1982 ff, Vorausedition IV, 812 [= Analysis
der ›characteristica universalis‹ und den na- linguarum, 11. (21.) Sept. 1678]).
türlichen Sprachen gesehen. Die ›characteri-
stica universalis‹ (vgl. dazu Burck hardt 1987)
ist das Ergebnis einer logischen Analyse der 5. Literatur in Auswahl
Ideen oder Begriffe. Die Ideen oder Begriffe
sind zu zerlegen in die letzten einfachen Ele- 5.1. Primärliteratur
mente. Die Bedeutung zusammengesetzter
Zeichen und Begriffe ist eine Funk tion der Die folgenden Leibniz-Ausgaben und -Texte wer-
Bedeutung der einfachen Zeichen und Be- den zitiert und die verwendeten Abkürzungen auf-
griffe. Nun hat Leibniz zwar angenommen,
daß in einigen Wortbildungen natürlicher geschlüsselt:
Leibniz 1923 ff ... = Sämtliche Schriften u. Briefe,
Sprachen die abgeleiteten Wörter eine Funk -
Preuß. (später: Dt.) Ak ad. d. Wiss. (Hg.), Darm-
tion der Wurzeln sind, nämlich in den ono-
stadt (später: Leipzig, zuletzt: Berlin).
matopöetischen Wörtern, aber dies ist längst
nicht bei allen der Fall. Neue Wörter mit C = Opuscules et fragments inédits, Couturat (Hg.),
neuer Bedeutung entstehen in der Regel durch Paris 1903.
Übertragungen. Das ist besonders deutlich Leibniz 1768 ... = Opera omnia, Dutens (Hg.), t.
erk ennbar bei sprichwörtlichen Redewendun- 1—6, Genevae.
gen wie ‘multa cadunt inter calicem supre- Epistolaris = Epistolaris de historia etymologica
maque labra’. Eine Formulierung wie diese dissertatio, Hannover, Nieders. Landesbibliothe k ,
„empfängt ihren Sinn nicht völlig durch die Ms. IV, 469. — Diese wohl 1712 entstandene bisher
Wörter, aus denen sie gebildet ist/sensum om- nicht veröffentlichte Schrift ist hervorgegangen aus
nino a vocibus capit ex quibus constat“ (vgl. Bemerk ungen zu J. G. Eck hart, Historia studii ety-
Leibniz 1982 ff, Vorausedition IV, 812 [= mologici linguae Germanicae, Hanoverae 1711. [Die
Analysis linguarum, 11. Sept. 1678]). Davon Abhandlung ist in zwei Fassungen erhalten, einem
abgesehen war Leibniz der Überzeugung, daß Konzept und einer Reinschrift. Die Zitate sind der
die Worte der natürlichen Sprachen sich nicht Reinschrift entnommen.]
unmittelbar auf die Ideen beziehen, sondern Leibniz 1718 ... = Otium Hannoveranum, Feller
auf Sinneseindrück e. So betont er, daß die (Hg.), Lipsiae.
Präpositionen zunächst räumliche Beziehun- GM = Mathematische Schriften, Gerhardt (Hg.),
gen bezeichnet hätten und von da auf Un- Bd. 1—7. Berlin 1849—1863.
räumliches und Abstrak tes per analogiam GP = Die philosophischen Schriften, Gerhardt
übertragen worden seien (vgl. Leibniz 1982 ff, (Hg.), Bd. 1—7. Berlin 1875—1890.
Vorausedition II, 361; [= De lingua philoso- Leibniz 1864—1884 ... = Die Werke, Klopp (Hg.),
phia]). Trotz dieser Unterschiede sind sowohl R. 1, Bd. 1—11, Hannover.
die natürlichen als auch die k ünstlichen Spra-
Leibniz 1916 ... = Unvorgreiffliche Gedanck en,
chen geeignete Instrumente des Denk ens.
betreffend die Ausübung und Verbesserung der
Deshalb darf man im Nebeneinander von
Teutschen Sprache, Pietsch (Hg.), in Wiss. Beihefte
Leibniz’ Erforschung der natürlichen Spra-
zur Zeitschr. des Allgemeinen Dt. Sprachvereins, R.
chen und dem Entwerfen k ünstlicher Spra-
4, H. 30, 327—356.
chen nicht so sehr einen Gegensatz als viel-
mehr eine gegenseitige Ergänzung sehen (vgl. Leibniz 1982 ff ... = Vorausedition zur Reihe VI —
Mugnai 1976, 102). Wie Stefano Gensini Philosophische Schriften — in der Ausgabe der Aka-
(1988, 298) vorgeschlagen hat, besteht eine demie der DDR. Bearb. v. d. Leibniz-Forschungs-
Entsprechung zwischen den unterschiedlichen stelle der Univ. Münster.
330 II. Personen

Leibniz 1885 ... = Entwurf der Welfengeschichte Dascal 1987 a, Leibniz Language, Signs and
vom 1. Juli 1692, in Zeitschr. des Hist. Vereins 1885, Thoughts. A Collection of Essays.
18—58. Sammlung von 7 Aufsätzen über Leibniz’ Zeichen-
NE = Nouveaux Essais sur l’entendement humain, theorie, Sprachphilosophie und Diskurstheorie.
1704. Dutz 1983, Zeichentheorie und Sprachwissenschaft
Discours = Discours de Métaphysique, 1686, in GP bei Leibniz. Eine kritisch annotierte Bibliographie
IV, 427—463. der Sekundärliteratur.
Théodicée = Essais de Théodicée sur la Bonté de Verzeichnet 1243 Titel.
Dieu, la Liberté de l’Homme et l’Origine du Mal, Heinek amp 1976, Sprache und Wirk lichk eit nach
1710, in GP VI. Leibniz, in History of Linguistic Thought and Con-
Monadologie = Les Principes de la Philosophie ou temporary Linguistics. Parret (Hg.).
la Monadologie, 1714, in GP VI, 607—623. Mugnai 1976, Astazione e realità. Saggio su Leibniz.
Handelt vornehmlich über die Frage nach der
5.2. Sekundärliteratur Rolle, die die Theorie des Ausdruck s in Leibniz’
Erk enntnis- und Zeichentheorie spielt. Kap. 3 und
Die Literatur über Leibniz ist verzeichnet in der 4 sind den k ünstlichen Sprachen gewidmet, Kap. 5
Leibniz-Bibliographie. Die Literatur über Leibniz dem Verhältnis zwischen natürlichen und k ünstli-
chen Sprachen.
bis 1980, begr. v. Kurt Müller, hg. v. Albert Hei- Neff 1870—1871, Gottfried Wilhelm Leibniz als
nekamp, Frankfurt 1984. Die Literatur der folgen- Sprachforscher und Etymologe.
Erste umfassende Darstellung über Leibniz als
den Zeit ist nachgewiesen in der laufenden Biblio- Sprachforscher.
Pombo 1987, Leibniz and the Problem of a Universal
graphie jeweils am Schluß des Jahrgangs der Zeit- Language.
Zusammenfassende Darstellung der Leibnizschen
schrift Studia Leibnitiana. Vgl. auch Dutz 1983. Entwürfe zur characteristica universalis.
Aarsleff 1982 a, From Locke to Saussure. Essays on
Rutherford im Erscheinen, Language and philo-
the Study of Language and Intellectual History.
sophy in Leibniz, in The Cambridge Companion to
Sammlung von 14 Aufsätzen aus der Zeit von
Leibniz, Jolley (Hg.).
1964—1982, von denen die ersten beiden Leibniz
Handbuchmäßige Zusammenfassung des gegen-
gewidmet sind.
wärtigen Forschungsstandes. Kap. 1: Characteri-
Burck hardt 1980, Logik und Semiotik in der Phi- stica, 2. natürliche Sprachen, 3. die Einheit der
losophie von Leibniz. Leibnizschen Sprachphilosophie.
Conze 1951, Leibniz als Historiker. Mates 1986, The Philosophy of Leibniz. Meta-
Courtine 1980, Leibniz et la langue adamique, in physics and Language.
Revue des Sciences Philosophiques et Theologiques
64. Albert Heinekamp, Hannover (Deutschland)
Dascal 1978, La sémasiologie de Leibniz.

24. Giambattista Vico (1668—1744)

1. Introduction. Vico in his context an account of Vico’s entire investigative pro-


2. Vico’s investigative program gram, which had its last expression in the
3. Language in history 1744 edition of the Scienza nuova. His new
4. Linguistic formal analysis science, however, represents not so much the
5. Language and providence continuation of a classical tradition or the
6. Vico in the history of language theory anticipation of modernity as the convergence
7. Conclusion. The New Science and the ›New of several radically different investigative
Science‹ modes of the 17th century. Vico appropriated,
8. Selected references first, the Renaissance recovery of classical
texts and disciplines, and the Renaissance
reorganisation of the trivium which privileged
1. Introduction. Vico in his context rhetorical and grammatical sk ills over logical
An account of the philosophy of language of ones, (Grassi 1980, 35 f); second, he adopted
Giambattista Vico must be at the same time the holistic paradigm of rational philosophy
and natural science, the goal of a unified
24.  Giambattista Vico (1668—1744) 331

science with values of clarity and distinctness con’s, and applied it to civil institutions,
(N.S., 502; 706 f); third, he respected recent rather than nature (N.S., 163). — From these
historical-philological and historical-legal er- early work s through the last revisions of the
udition, much of it formed by service to New Science, he develops a chain of link ed
church-state apologetics, and thus much of it postulates which adumbrate not only a novel
heavily committed to the definition of civil social science, but a theory of language. First,
propriety. Vico was not an ›isolate‹, but ex- his definition of mak er’s k nowledge is both
traordinarily sensitive to Renaissance and particularising and inclusive at once. Vico’s
early modern currents (Garin 1970; 115). But, ›mak ing‹ is in effect specified as ›poiesis‹, lin-
Vico appropriated only basic theoretical mo- guistic mak ing, poetry. But the specificity of
tives, rather than the ideologies and achieve- ›poiesis‹ enables a holistic inquiry; linguistic
ments. His use is not so much the articulation mak ing is comprehensive. A natural language
of the hidden agendas of each, as mak ing contains the traces of each and every instance
each mode responsive to the other’s agenda. of human productivity. Vico’s theory entails
Consider his invocation of the ›Four Au- not so much the invention of a linguistic
thors‹, Plato (427—347 B.C.) (s. art. 14), Tac- science as the constitution of language as
itus (ca. 55—120), Francis Bacon (1561— archive for the science. Indeed, Vico may be
1626), Hugo Grotius (1583—1655), (Vita, said to develop two k inds of holism at once.
25 f; 38 f); Plato’s metaphysical depth and First, the language archive, where each least
Tacitean detailed realism are mutually sub- trace of linguistic maneuver instantiates each
versive as well as interdependent, and both least sign-mak ing tactic, exhausts the concept
classical modes are embedded in, responsive of evidence; the source of his science is only
to the functional inclusiveness of Bacon’s em- linguistic. Second, the k nowledge derived
piricism; but Bacon’s paradigm is in turn em- from the language archive is holistic; the ar-
bedded in and responsive to Grotius’ stipu- chive illumines social wholes — civilisations,
lation of the over-arching importance of the peoples, societies, ages —, rather than ›indi-
public and historical, the civil and institu- viduals‹ (N.S., 5). Vico offers different char-
tional as topic. And, in turn, the legal defi- acterisations of his program: a “rational civil
nition of civility is responsive to the ›trivial‹ theology of providence / una teologia civile
disciplines, especially to the rhetorical canons ragionata della provvedenza divina”, a “his-
which control and analyse all discourse. tory of human ideas / una storia dell’umane
idee”, an “ideal eternal history / una storia
ideal eterna”, a “philosophy of authority /
2. Vico’s investigative program una filosofia dell’autorità” (N.S., 342 f). Yet,
his stated aim of constructing a ›universal
2.1.  Vico’s identification with the erudite his- dictionary‹ or ›vocabulary‹ points to the pe-
torical modes dominates his early jurispru- culiarly pure nature of his archival interest
dential work ; here, when he asserts the found- (N.S., 35; 145—162; 527). The compilation of
ing thesis of the New Science, the absolute mythologies, phrases, metaphors accrues in-
value of ›mak er’s k nowledge‹, expressed in stances of “modifications of the mind / le
the postulate “verum et factum convertuntur” modificazioni della nostra medesima mente
(De ant. sap., 136), he justifies his focus on umana”, factitious events in the development
the civil and historical. Thus Jaak k o Hintik k a of social structure and process (N.S., 331).
(* 1929), who defines the central construct of The connection of the ›true‹ and the ›made‹
the tradition of maker’s knowledge as the idea is reproposed as the fruitful relation between
“that we can obtain and possess certain especially the ›true‹ and the ›certain‹, an equation which
valuable k inds of theoretical k nowledge only out authenticates the archive, for certainty lies in
of what we ourselves have brought about, are particularity (N.S., 321; 219), that is to say,
bringing about or can bring about” in collection, compilation, accrual. — Next,
goes on to point out that Vico concluded from in the archive, poetry has both logical and
this principle that chronological priority; that the “first gentile
“since the world of history and society, ›il mondo peoples, by a demonstrated necessity of na-
delle nazioni‹, is manmade, our k nowledge of it is ture, were poets / [...] i primi populi della
superior to our k nowledge of ›il mondo della na- gentilità, per una dimostrata necessità di na-
tura‹” (Hintikka 1974 a, 80; 82 f). tura, furon poeti [...]”, was the “master k ey
Indeed Vico claimed that he has simply of this Science / la chiave maestra di questa
tak en the best mode of philosophising, Ba- Scienza” (N.S., 34; cf. Pagliaro 1961, 309).
332 II. Personen

The valuation of ›mak ing‹ is a valuation of penchant for physical science (N.S., 331). He
archaic innovation; and again, the poetic mock s the traditional Aristotelian claims that
k nowledge, in its particularity as a collection an abstract, rational system founds all his-
of specific maneuvers, delivers certain predi- torical speech, a claim that seems to insist
cations about aboriginal feelings as source of that primitive people went to Aristotle to
tactics (N.S., 219). But importantly, here the school (N.S. 455); school does not precede
emphasis is not simply on the primacy of exercise, theory does not anticipate practice.
poetry, but on the vital connection between Most un-Aristotelian is his reading of legal
poetry and poverty, between ignorance and fictions as poetic facts, his characterisation of
metaphor, as well. When Vico changes the early Roman law as a “serious poem / un
maxim “homo intelligendo fit omnia” to serioso poema” (N.S., 1036 f). To claim nom-
“homo non intelligendo fit omnia”, he em- ological activity as basically poetic reverses
phasises an important dimension of factum as the theoretical moment which would claim all
verum: man “in his ignorance mak es himself language as the product of conventional
the rule of the universe / [...] col non intendere agreements, arbitrary, yet functional, there-
egli di sé fa esse cose [...]” (N.S., 405; cf. 310). fore explicable. But if Aristotle’s νόμος is too
The language archive reveals a tissue of met- intellectual, so is Plato’s ϕύσις. Vico argues
aphor in the roots of words; but these meta- that Plato’s account of language as ›natural‹,
phoric strategies, which create names, reveal, his etymological initiative in the Cratylus
in their attribution of human characteristics which documents the motivated ›naturalness‹
to external things, the self-enclosure of prim- of words, fails precisely because of this intel-
itive consciousness; the material for ›mak ing‹ lectualist proclivity, precisely where it di-
is the self. verges from the Vichian thesis of poverty and
difficulty as source (N.S., 227; 401; 431; cf.
2.2.  Where language in the classical model S.N.P., 304). In his archive, there is no extra-
furnishes the bridge between mind and an historical order of abstract rational coher-
external reality, Vico’s model places an en- ence; rather, language, as both historical ev-
tirely different construction on language as idence and mode of historical transmission
bridge (N.S. 410). In Vico’s theory discloses an originary and compelling matrix
“man is properly only mind, body, and speech, and of vivid affects, ignorance, bad faith, false
speech stands as it were midway between mind and starts, ironies, and unwitting dependencies.
body / [...] non essendo altro l’uomo, propria- This archival generosity has its programmatic
mente, che mente, corpo e favella, e la favella effects Vico asserts that the tropes,
essendo come posta in mezzo alla mente ed al corpo “hitherto considered ingenious inventions of the
[...]” (N.S. 1045; cf. Cantelli 1986, 179 f). writers, were necessary modes of expression / [...]
For Vico, language is the product of the finora creduti ingegnosi ritruovati degli scrittori,
whole being (Pagliaro 1961, 441). Here Vico sono stati necessari modi di spiegarsi [...]” (N.S.,
announces that he is not interested in the most 409).
optimistic accounts of human mentation; he Hintik k a claims that Vico liberates us from
does not intend a simplistic history of the rise intentionality:
and progress of a pure rational capacity, ab- ”for Vico, the scope of epistemologically relevant
stracted from corporeal vicissitude. Vico’s mak er’s k nowledge is not restricted to human
language is ›incarnate‹, encapsulated in mor- thoughts, plans, decisions, intentions, hopes and
tal situations. But this in turn entails revision wishes, but comprises also their concrete manifes-
of both classical alternative theories of the tations and results in the realm of culture and
origin of language (s. art. 1, 65): language is society” (Hintikka 1974 a, 84).
natural vs. language is conventional, the ϕύ- The focus is on the thick ly textured web of
σις-νόμος antinomy attributed to Platonic institutions, processes, co-occurrences, rather
and Aristotelian positions (s. art. 62). Vico than on a grid of rational cause or moral
rejects the intellectualist assumptions of both motive behind it.
points of view (N.S. 401; 429; 444). He points
to the failure of imagination in abstract
minds; detached from the senses, the philos- 3. Language in history
ophers are block ed from the appreciation of, Vico’s basic strategy is to conceive of lan-
as well as practice of poetic invention (N.S., guage historically; it is a genetic approach.
378). At the same time, the persistence of The explanation of ›nature‹ is the disciplinary
corporeality is the source of our misguided
24.  Giambattista Vico (1668—1744) 333

mark of science, and ›nature‹ is ›origin‹ (N.S., development is his most fertile field of spec-
147; 338; 346). The ›nature of institutions‹, ulation, most obviously in Book 5, The Re-
for example, “is nothing but their coming into course of Human Institutions.
being at certain times and certain guises / Thus the originary is also durable; lan-
Natura di cose altro non è che nascimento di guage is an archive we inhabit, the natural
esse in certi tempi e con certe guise [...]” (N.S., languages reveal national life-cycles which en-
147). The ›conceit‹ (la boria) of the scholars capsulate rather than cancel the past. The
and philosophers (N.S., 127; 330), who ›corsi‹ and ›ricorsi‹ which nations run are
anachronistically attribute their own late ca- present to us in an inescapable web of dis-
pacities and achievements to early times, have cursive constraints. Each of the three ages, of
obscured these definitive beginnings. To gods and mute signs, of heroes and heroic
counteract this scholarly orthodoxy, to dis- poetry, of men and vulgar prose, is a holistic
cover the way in which the first human think - unit of actual signs and possibilities of mod-
ing arose took the labor of twenty years: ifications of signs (N.S., 31 f). But each unit
“we had to descend from these human and refined subsists in the original holism-human nature;
natures of ours to those quite wild and savage as competences they originate and endure in
natures / [...]e [dovemmo] discendere da queste synchrony (N.S., 446). The three ages are
nostre umane ingentilite nature a quelle affatto fiere three interlock ing, only seemingly autono-
ed immani [...]” mous complexes of sign, value and act; the
comprehensible only with great effort (N.S., ›ricorsi‹ set in motion these units and predi-
338). cate the recurring nature of possibilities of
In his account, Vico stipulates the analogy civility, of social process. We live in language;
of onto- and phylogenesis; he asserts that the it lives in us. Section 446 must confuse and
linguistic development from child to adult exasperate even the sympathetic reader. Up
diagnoses the linguistic development of a na- to this point in Vico’s chapter on ‘Poetic
tion (N.S., 186 f; 206 f). And, just as in human Logic’, and, indeed, throughout much of Vi-
life, it is the integrity and entireness of the co’s text, the investigation seems to define
trajectory of the historical language which distinctive ages, even distinct ›Zeitgeiste‹. But
illumines. In a natural language, continuity is Vico does not wish to deny the possibility of
strength; a language which has maintained a common mentalistic or psychologistic ac-
itself, dominating foreign imports, is a great count of language. The developmental sce-
witness (N.S., 22, 151). He claims that lan- nario and the description of intrinsic capacity
guages are more beautiful as they are richer must be combined in a single account (N.S.,
in poetic residue, metaphor; and that 454). The two sections together, then, 445 and
“they are more beautiful because more expressive; 446 indicate the complexity of his entire pro-
and that because they are more expressive they are gram; here the connections between aesthetics
truer and more faithful / [...] che quanto le lingua and history, philology and jurisprudence are
sono più ricche di tali parlari eroici accorciati tanto clear; and here his focus on permanence in
sono più belle, e per ciò più belle perché son piu change, his stipulation of a “common sense”
evidenti, e perché più evidenti sono più veraci e più invested in national developments (N.S., 142;
fide [...]” (N.S., 445). 145) is link ed with his taste for language
The competence of the aesthethic canons which is intense, rich, and variable in nature
of beauty and expressivity is of course rooted (Fubini, 1965, 88 f). — Thus Vico’s is a truly
in the original imaginative capacity. But the radical historicisation of the issues treated in
aesthetic produces the ›true‹, and the ›true‹ the three major philosophical disciplines: met-
funds perspicacious inquiry; it also funds civil aphysics, morals, logic. The New Science fo-
strength. Some of the most intriguing pas- cuses not simply on structures but on struc-
sages in the New Science are those which tures in motion; the archive reveals a contin-
authenticate what he calls ‘ricorsi’, recapitu- uous lamination of successive matrices, of
lations of originary developments from the acts of vital modifications of the mind (N.S.,
barbaric. Here Vico proposes connections be- 161; 374). The k nowledge is both completely
tween archaic Latin and archaic Italian us- factitious, specific, and intrinsic: the princi-
ages. Vico can not only point to the civil ples are to be found within us, within these
strength of Romanitas, but he can suggest the modifications of our own mind (N.S., 331),
creative reshaping of Roman institutions in modifications, of course, accessible only
feudal Italian usages. The dual Latin/Italian through the language archive.
334 II. Personen

4. Linguistic formal analysis Then, etymons are relics, fossil predications


of functional ›mistak es‹, which point to our
4.1.  When Vico serially describes his method sense of reference as ask ew, and undermine
as a philosophy in its study of human ideas the circularities, tautologies of classical logic
and a philology in its study of human words, and ontology. — The postulate that language
he wishes to assert the systemic, principled is the bridge between mind and body qualifies
nature of his historical, archival research his notion of legal language; and Vico’s insis-
(N.S., 390; 429). The temporal layering of the tence on historical continuity and recapitu-
archive requires an archeology, a linguistic lation insures the durability of his primitive
formalism to disclose the hidden matrices. connections of body and mind, matter and
The section on ‘Poetic Logic’ summarises his spirit. Indeed, etymology reveals language as
research program; here it is obvious that Vi- a tissue of begged questions; each use of a
chian formalism entails the radical transfor- term to connect and equate must use the term
mation of the ancient and Renaissance ana- as itself the site of a previous equation and
lytic lexicon and syntax. His account of connection. Vico addresses not simply the
poiesis requires ›fantastic universals‹ instead weight of the signifier on the signified, but
of categories, allegories in place of proposi- the fact that the signifier/signified unit still
tions. Civil discourse is mapped by a taxon- weighs, still molds behavior. On the one hand,
omy of tropes-metaphor, metonymy, synec- language is a domain of constraints as well
doche, irony; basic modes of deliberation are as choice; on the other hand, the durability
regulated by a ›sensory topics‹ which owes of the constraints traced in the etymons
only its list-lik e, incomplete nature to Aris- within the active national language is a source
totle (N.S., 209; 378; 410; 495 f). In other of civil strength (N.S., 1003). Vichian ety-
words, Vico’s poetic logic entails nothing less mology completely resituates the issues of ref-
than the substitution of rhetorical terms and erence; important references are not to a ›true‹
arguments for logical terms and issues physical world, but to an ignorant social one.
(Mooney 1985, 206 f). These new terms and As a mode of inquiry it focusses on the lin-
taxonomies are needed, of course, to accom- guistic grid, on the spontaneous, fluent, lay-
modate the shift in object of investigation, to ered way language work s, refers, rather than
describe the corporeal, fantastic naming and on a stable rational order as referent behind
tactics of connection of the primitive, origi- the linguistic grid. When Gérard Genette de-
nary, and therefore important civil productiv- scribes Vico’s etymology as a ‘Cratylisme Ba-
ity. Then, the primary analytic tool for ex- beliene’ he points to his interest in variable
ploring the archive is etymology (N.S., 22; performance (Genette 1976, 145). Thus in et-
403). While it has been a ›topos‹ in the recep- ymology a universal mental dictionary of sub-
tion of Vico to dismiss his etymologies as tle civil strategems, an adequate inventory of
eccentric, even hilarious, recent scholarship the cunning of ignorance, becomes the sci-
has focussed on the intricate, nervous frame- entific goal (N.S., 161 f).
work of his etymology, on the intriguing
premises, procedures, and goals of his 4.2.  To place this method in its contempora-
method. Andrea Battistini observed the neous context, Ian Hack ing’s thesis is useful.
strong contrast of Vichian strategies with Hack ing has described in his Emergence of
those of a principal Vichian source, Gerardus Probability (1975 b) the gradual rejection of
Joannes Vossius’ (1577—1649) Etymologicon Renaissance ›interpretive‹ modes which sim-
linguae latinae (1695). Vossius’ work is more ply read the ›book ‹ of nature, searching for
rational, more circumspect, more grammati- authority. Just so, Vico’s treatment of lan-
cally acceptable. Vossius has the motives of a guage as evidence, is not a hermeneutic, an
›pure lexicologist‹ where Vico has those of a interpretive effort, a matter of reading texts
›philosophical anthropologist‹ (Battistini as testimony dispensing authority to received
1975, 124 f). Battistini argues that Vico’s cen- truths (s. art. 45). Rather, what is intriguing
tral preoccupation in his ›mythopoetic ety- is the absence of ›texts‹ as such in Vico. He
mology‹ is with the corporeal, sensous fantasy respecifies the unit-objects of formal analysis
of originary strategies of connection as well as the analytic method. He work s
(Battistini 1975, 101 f). The basic premise is either on the level of sub-text — the motivated
that “words are carried over from bodies and etymons — or on a supratextual plane —
the properties of bodies to signify the insti- describing Homer as archaic communal pro-
tutions of the mind and spirit” (N.S., 237). ject, for example, in Book III, The Discovery
24.  Giambattista Vico (1668—1744) 335

of the True Homer. He deals either with the Aristotelian rational cosmological order.
body of elementary individual linguistic arti- Rather, Vico’s description of metaphysical
facts, or with the social and institutional pres- force is as a linguistic mode; providence func-
sures which surround and invest the texts tions tropologically, ironically. It is the irony
which contain the artifacts. This tactic points of history that public virtues can arise from
to a sharp difference between Vichian social private vices, that out of human deficiencies
science and classical historiography (given an can develop civil capacity (N.S., 38 f; 133 f;
important revival in the Renaissance). Where 341). Irony describes the historical activity of
classical historiography pursued an identity the flawed human mechanism. Indeed, with-
of ›philosophy teaching by example‹, it relied out providence there would be no human
heavily on exemplary narratives, and on their nature, only bestiality (S.N.P., 266; cf. Garin
necessary formal textual elements of character 1970, 116). Providence founds scientific ho-
and plot. It privileged heroic character and lism. The corpus of evidence must be unin-
its interventions, and look ed for strong de- tentional as well as intentional dispositions,
nouements in plots. But Vico’s method es- events, institutions (Hintik k a 1974, 84): what
chews these narrative forms and devalues we ›make‹ is often ›made‹ despite us.
their eventful referents; this refusal of classical The program is thus most perspicaciously
formal textual strategies avoids certain clas- described as a ›civil history of providence‹.
sical ideologies of heroism. Thus the absence Providence work s not lik e a tyrant but “lik e
of interest in textual units as interesting ob- the queen it is of human affairs work ing
jects to read bespeak s the absence of heroic through customs / [...]non da tiranna con
literary-political choice. His revision of the leggi, ma da regina, qual e, delle cose umane
›Heroic‹ as dour, sour, punctilious verbal con costumanze pose allo stato delle famiglie”
scrupulosity, radically alters our notion of the (N.S., 525). Here what is of central impor-
reach of heroic will (N.S., 38; 950). — Hack - tance is the emphasis on ‘civil’. When Vico
ing, after documenting the rejection of merely defines providence’s civil effects he subverts
hermeneutic strategies, goes on to describe the philosophical speculation which centers
the new 17th century appropriation of signs on private phenomena. His preface explains
as ›internal evidence‹ of intrinsic structures. the symbolism of his frontispiece as illustrat-
Just so, Vico’s definition of evidence restricts ing that metaphysics should k now God’s
his definition of scientific result; the new sci- providence in public moral institutions and
entist attempts to deduce ›modifications of civil customs, rather than seek private illu-
the mind‹ from the data of elementary lan- mination (N.S., 5). He questions the work of
guage strategies (N.S., 331; 349; 374). Vico’s ›monastic, solitary‹ philosophers such as the
etymons are evidence for an internal devel- Stoics and Epicureans (N.S., 130). The error
opment of human civil competence. Thus it of Thomas Hobbes (1588—1679) is that while
can be argued that Vico’s new science is not he properly focussed on ›the study of man in
›Humanistic‹, caught up in a web of interpre- the whole society of the human race‹, his
tation, authority, and textuality — but a ›sci- initial definitions of man were solipsist, Epi-
entific‹ project in Hack ing’s sense. He pro- curean. But it is only by providence that man
duces an anthropology which complements can be held within the insititutions of justice
the new science of nature without reducing (N.S., 341); those who deny providence —
human nature to physics (Garin 1970, 115). Epicurus (341—270 B.C.), Hobbes, Niccolo
Machiavelli (1469—1527), Zeno (ca. 495—
430 B.C.), Baruch Spinoza (1632—1677) —
5. Language and providence are incapable of explaining civility (N.S.,
The etymologies reveal, above all, providence. 1109). Then, against Grotius, John Selden
And for Vico, to speak of providence and (1584—1654), Samuel Pufendorf (1632—
that which is providential is, very simply, to 1694), Vico asserts that his linguistic evidence
speak of that which is hidden, and which must justifies privation, not negation. The meta-
be uncovered, be ›divined‹ (divinari) in lin- phoric strategies do not adumbrate funda-
guistic analysis (N.S., 342). Thus, poetic pov- mental evil, but basic poverty. Etymons dis-
erty and providential force are coordinate close not malice, but self-limitation, and thus
postulates. The archive affirms the first civil- accommodate a Christian sense of grace
ity as unwitting product of ignorance; the (N.S., 310; 493). Vico’s providence is not sim-
account cannot affirm a providence which is ply a religious remnant, a cynical exploitation
merely the manifestation of a Christian- of Christian themes in order to contravene
336 II. Personen

Inquisitorial repression, but a difficult as well totelian and Platonic poetics as well; he cri-
as basic premise. His linguistic archive, which ticises Julius Caesar Scaliger (1484—1558),
is both the mode of transmission of civility Francesco Patrizzi (1529—1597), and Ludov-
and the objectification of providence, does ico Castelvetro (1505—1571) as epigoni, ob-
not display providence as salvation; the tem- sessed with retroactive attribution of ›philo-
poral moment is not overridden by a trans- sophic‹ custom to poetic events (N.S., 384;
lucent, a-historical being, but, in every event, 812; S.N.P., 253). His anti-classicism is par-
points back to itself. Language and provi- ticularly obvious in his use of the trivial dis-
dence, then, are reciprocally defined; the con- ciplines, grammar, rhetoric, and logic. For
struct of providence asserts language as pub- instance, of the two aspects of ›ratio‹ as gram-
lic communication, rather than as the revealer matical canon which Marcus Fabius Quinti-
of private states of mind. Linguistic irony lianus (ca. 35—100) stipulated (Institutio or-
affirms historical movement as flawed, hesi- atoria I,6,4), Vico selects only ›etymologia‹;
tant, intermittent. Providence work s against he has little interest in ›analogia‹, case struc-
the grain; Vico’s account of providence sub- tural order. He draws very little on classical
verts celebratory scenarios of human pro- grammatical scholarship. There have been at-
gress. tempts to characterise Vico’s program as ›rhe-
torical‹, and his career as that of a continuator
of a classical rhetorical program, intended as
6. Vico in the history a strong replacement for a classical (and
of language theory Scholastic) logical one (Grassi 1982; Mooney
1985). Drawing heavily on his autobiograph-
6.1.  In the study of Vico, there is a peculiar ical fragments and his pedagogical treatises,
fascination with the issue of Vico’s isolation his rhetorical sympathies can be documented.
from or connections with intellectual One of the inaugural orations, the De nostri
traditions. The thesis of his isolation has be- temporis studiorum ratione, offers a highly
come increasingly problematic; scholarship rhetorical defense of rhetoric: first, arguing
has demonstrated his use of various 17th cen- the necessary chronological priority of rhet-
tury investigational initiatives. Thus, while he oric in the education of youth, and next,
criticises Hobbes, Selden, Grotius and Pufen- claiming the enduring usefulness of the de-
dorf, he self-consciously continues their pro- veloped imagination which results.
ject (S.N.P., 15 f; N.S., 493). Yet, Vico resists Still, there are sharp divergences between
attempts either to define him as a receptor of Vico’s career as rhetorical pedagogue, and his
a classical tradition, or as a ›forerunner‹ of role as New Scientific investigator; (it should
modernity. And, the more detailed the ac- be noted that while Vico served as Professor
counts of his Neapolitan intellectual context of Rhetoric at the University of Naples, his
become, the more they contribute to an consuming ambition was to become Professor
awareness of a possible link age between Vi- of Law). The Ciceronian program of creating
co’s quite specific anti-Aristotelian position the role of the eloquent orator, of training
in his language theory (s. art. 15) and the the ideal political-literary competence, in-
more generalised, more diffuse attempts at forms his teaching (Mooney 1985, 126 f). But
disinvestment of Aristotelianism in the school in the New Science Marcus Tullius Cicero
and university institutions; or, to possible (106—43 B.C.) appears only as an authority
connections between Vico’s ›corporeal‹ lin- on legal semantics. Classical sensibility is the
guistic revisionism and the anti-Aristotelian rind of historical sensibility in Renaissance
speculation about the body in the Neapolitan historiography, but not in Vico’s science. Vico
medical treatises, such as Lionardo di Ca- retains the classical focus on the public, the
poa’s (1617—1695) Il Parere (Fisch 1968; historical, the moral-political. He retains the
Garin 1970; Rak 1969). — Further, it is in connected Aristotelian or Ciceronian postu-
the linguistic and literary domain that Vico’s lates: man is the political animal, man is the
anti-classicism becomes most pronounced. language possessing animal. But his pessi-
Bernard Weinberg called the revival of Aris- mism relocates, internalises barbarism within
totle’s Poetica the ‘signal event’ of 16th cen- the very structure of our language; it teaches
tury poetic theory (1968, I, 349); but Aristo- the unavoidability of poverty, ignorance as
tle’s Poetica is the great non-event of the New well as the pervasive ironies of action and
Science. And Vico eschews not only Aristotle event. — It is the case that Vico’s archive is
and Plato, but Renaissance revivals of Aris- to a great extent classical Latin language; to
24.  Giambattista Vico (1668—1744) 337

a lesser extent, Greek and archaic Italian. But evidence to deny the possibility of drawing
Antonio Pagliaro has claimed that Vico’s in- metaphysical or even psychologistic conclu-
terests ›brack et‹ the classical; his is a ›novel‹ sions from their investigation. The Vichian
inquiry into the ›archaic‹ (Pagliaro 1961, 401). intrusion of providential structures as the re-
But his ›novelty‹ is not easily classifiable as dress of the success of the wick ed and the
the source of a specific ›modern‹ program. oppression of the just (N.S., 27; 964), would
Attempts to place Vico in the mainstream of be pure contamination to the modernist
18th century Enlightenment speculation on (Pagliaro 1961, 389 f). Vichian inquiry is non-
language (s. art. 8) seem unconvincing (Ro- exclusionist. There is one new science: capa-
siello 1967, 60 f). Vico is not even included in cious, requiring stratified, interlock ing tech-
an anthology of 18th century Italian treatises niques. But the science is also reflexively com-
on language (Puppo 1968). Vico as ›source‹ prehensive; the use of the discipline depends
for modern historical programs is equally on the user’s appreciation of the discipline as
problematic. While Jules Michelet’s (1798— itself in motion, as radically historical in na-
1874) admiration for Vico is well-docu- ture. The two dicta:
mented, attempts to draw parallels between “history cannot be more certain than when he who
Vico and German PreRomantic and Roman- creates the things also narrates them / [...] ove
tic historians produce simply that: analogies avvenga che chi fa le cose esso stesso le narri, ivi
(Berlin 1976). non può essere più certa l’istoria” (N.S., 349),
and the source of metaphysic is
6.2.  The list of efforts to appropriate Vico as “within the modifications of the mind of him who
forerunner of some particular modern disci- meditates it / [...] da dentro le modificazioni della
pline or investigative fashion would constitute propia mente di chi la medita [...]” (N.S., 374)
an anthology of 20th century modes of in- together fix the student as the object of his
quiry. Indeed, modern collections of essays own study. And thus Pagliaro describes a
on Vico are anthologies of appropriation tac- major shift in Vichian inquiry as the change
tics (Tagliacozzo et al. 1969; 1976; 1979; from ›chronological‹ to ›phenomenological‹
1981). Yet, Vico has two major anti-modern- accounts (Pagliaro 1961, 421). Descriptive
ist characteristics. First, Vichian science is acts are, in short, reflexive acts, perceptive
mark ed by what Benedetto Croce (1866— accounts of perceptual capacity. Further, the
1952) referred to as ›contamination‹ of inter- mind that is modified is primitive; the inquirer
ests and procedures (Pagliaro 1961, 389 f). producing the phenomenological description
Where a prominent motive of modern disci- researches his own barbarism. The implica-
pline is progressive exclusivism, the rigid de- tion for the definition of point of view is strict:
marcation of a special corpus of evidence, the investigator does not start from a plateau
special procedures, and reductively defined of rational modifications, where the primitive
issues, in the New Science moral, metaphysi- is effaced, erased. Indeed, Vico’s description
cal, and linguistic issues are addressed simul- of genetic inquiry suggests that investigator’s
taneously. It is not simply that developmental academic ›ricorsi‹, in discovering the hidden
scenarios and descriptions of persistent ca- segments of historical ›corsi‹ in the language
pacities must be combined in a single account. archive, recapitulate their own ontogenetic
The final section of the New Science, The phases in the phylogenetic. It is an inquiry
Course the Nations Run, presents webs of which doubles that which is inquired into;
intricately entangled structures and processes. science is both a clarifying repetition and a
Here Vico presents the ›Three Ages‹ as tissues reflective intervention. In describing the
of interdependent behavior and action; ac- changes, modifications in a basic competence
counts of language, of society, of intrusions he shares, the new scientist, who hypothesizes
of providential significance must proceed in- permanence in change, accepts the pressures
terdependently; gains in k nowledge come ›all of the past in his own career. And, archetyp-
at once‹, are coordinate gains in parallel in- ically Vichian is his attribution of a ›divine
quiries. — Thus it is difficult to find a close pleasure‹ to the investigator mak ing his dis-
fit between Vico’s science and modern disci- covery (N.S., 345). The New Scientist pursues
plines which are products of exclusionist mo- neither the moralistic edification of a classical
tives. It is true that modern anthropology will inquiry which presumes an easy transition
use linguistic evidence to project social struc- from rational theory to moral practice, nor
tures; but anthropologists will use the same the ›value-free‹ abstemiousness of modernism.
Investigational motives sponsor reflexive acts;
338 II. Personen

the practice of Vichian science constrains in as a hypothetical project, and, at the same
some fundamental way. — Thus while the time, it does science, functions within its pro-
New Science gives an account of the irony of gram. But the form does justice to the func-
history, the new scientist must oppose irony tion: the fate of the ‘verum-factum’ equation
as intellectual choice, as product of elitist epitomises this functionalism. The radical his-
motive (N.S., 409). Vico juxtaposes the move- toricity of the archival practice conditions the
ment of history and historical inquiry to the definition of ‘factum’ as specific event. The
stasis, the sardonic interventions of a cold thematic of providence alters, enriches the
intellectualism. The New Science diagnoses definition of ‘mak ing’ as cause. The reflexiv-
and disowns the barbarism of reflection (N.S., ity, the assumption academic ›ricorsi‹ must
159; 1106), worse than the first, naive bar- and will recapitulate historical discovery viv-
barism. Vico’s theory of language modifies ifies the argument in refocusing discovery it-
the practice of investigating in some funda- self as ›making‹.
mental way. ›Poiesis‹ is the central concern,
but the major perversion of human poetic
competence is the false and frigid poetry of a 8. Selected references
decadent intellectualism (N.S., 704). Out of
the internalised confrontation with barbarism 8.1. Sources
comes a critique of refinement. What is of
Vico, Opere, 1911—1941;
particular interest, of course, is that the tactics
of naming, of connection and disjunction of vol I: Le orazioni inaugurali: De antiquissima Ita-
the language archive we all share is the single lorum sapientia [= De ant. sap.],
source for the formulations of ›primitive‹ and vol III: Scienza nuova prima [= S.N.P.],
›refined‹. vol IV: Scienza nuova seconda,
vol V, 2—54; 89—91: Vita di Giambattista Vico
scritto da se medesimo [= Vita].
7. Conclusion. The New Science English translation, New Science, 1968 [1744]
and the ›New Science‹ Vico 1989, Institutiones oratoriae, Critò (ed.)
While it is the case that Vico’s oeuvre includes Quintilian 1958—61, Institutio oratoria, Butler
some interesting ancillary material — the (ed.).
early jurisprudential work , the pedagogical
treatises, the autobiography —, yet it is only 8.2. Secondary literature
the last version of the New Science in its
peculiar fragmentary yet compendious, ar- Battistini 1975, La Degnità della retorica; Studi su
gumentative yet archival textuality, which G. B. Vico.
purveys the ›New Science‹. Pagliaro com- Cantelli 1986, Mente, corpo, linguaggio.
ments on the archaic rough poetry of its dis- Garin 1970, Da Campanella a Vico, in Dal Rinas-
course (1961, 310). It is rough, of course, in cimento all’Illuminismo.
two senses: it is unpolished and it is incom- Grassi 1980, Rhetoric as Philosophy.
plete. A text of over eleven hundred frag- Hacking 1975 b, The Emergence of Probability.
ments, ranging in length from mere phrases Hintik k a 1974 a, Practical Reason vs. Theoretical
to intensely compressed but wide-ranging et- Reason, in Knowledge and the Known.
ymological essays, the New Science success- Mooney 1985, Vico in the Tradition of Rhetoric.
fully conveys the essential open-endedness of
Pagliaro 1961, Lingua e poesia secondo G. B. Vico,
Vico’s program. It functions both as a pro-
in Altri saggi de Critica Semantica.
legomena and a practice. It is a sk etch of a
mode of inquiry which describes the science Nancy Struever, Baltimore, Md. (USA)
25.  Johann Georg Hamann (1730—1788) 339

25. Johann Georg Hamann (1730—1788)

1. Hamann und die Aufklärung k lärung. Da die Aufk lärung selber das Zeit-
2. Vernunft und Offenbarung alter der Kritik ist, versteht Hamann sich als
3. Ursprung der Sprache ›Metak ritik er‹ der herrschenden geistigen Ori-
4. Sprache und Vernunft entierungen. Er wendet sich gegen die ratio-
5. Literatur in Auswahl nalistische Religionsk ritik , die Verabsolutie-
rung der Vernunft, den Fortschrittsoptimis-
mus und gegen die politische Realität des
1. Hamann und die Aufklärung aufgek lärten Absolutismus. In der Selbstbe-
Johann Georg Hamann wurde am 27. 8. 1730 hauptung der Vernunft gegenüber allen tra-
in Königsberg (Ostpreußen) geboren. Nach dierten Geltungen bemerk t er früh auch schon
Studien in den verschiedensten Fächern (dar- die ›Dialek tik der Aufk lärung‹: An die Stelle
unter Jurisprudenz, Theologie, Volk swirt- des alten Glaubens tritt eine nicht minder
schaft, alte und neue Sprachen) verließ er die rigorose Vernunftgläubigk eit, die den Men-
Königsberger Universität ohne Abschluß, schen unter neue Abhängigk eitsverhältnisse
wurde Publizist, Hauslehrer und schließlich zwingt. Am Beispiel der veränderten Herr-
Mitarbeiter eines Rigaer Handelshauses, das schaftsformen im friderizianischen Preußen
ihn nach London entsandte. Dort erfuhr er weist Hamann in oftmals gewagter Polemik
1758 eine religiöse Bek ehrung, die ihn von auf, inwiefern Metaphysikkritik in Ideologie-
allen ak ademischen oder k aufmännischen Be- kritik und Regimekritik übergehen muß. Das
rufswegen abhielt. Trotz persönlicher Be- wissenschaftliche und gesellschaftspolitische
k anntschaft mit Immanuel Kant (1724— Leitbild autonomer Vernunft läßt in seiner
1804), Johann Gottfried Herder (1744—1803) Durchsetzung den autoritären Chara k ter
(s. Art. 26), Theodor Gottlieb von Hippel einer einseitig verabsolutierten Ratio bald er-
(1741—1796), Johann Caspar Lavater k ennen. Hamann warnt vor einer Selbstent-
(1741—1801), Moses Mendelssohn (1729— fremdung des Menschen in der Unterwerfung
1786), Friedrich Heinrich Jacobi (1743— unter die Vernunftideologie und ihr illusio-
1819) und anderen prominenten Köpfen blieb näres Menschenbild; demgegenüber betont er
er ein Sonderling, der zeitlebens nur einen die Kreatürlichk eit des Menschen, seine Leib-
untergeordneten Beamtenposten beim Kö- lichk eit, Sinnlichk eit und Leidenschaftlich-
nigsberger Hafenzollamt innehatte. Gleich- k eit. Nicht ein fik tives Vernunft-Ich ist Sub-
wohl verfolgte er die geistigen Bewegungen jek t des Erk ennens und Handelns, sondern
seiner Epoche mit schärfster Aufmerk sam- der ganze Mensch unter den Bedingungen sei-
k eit; in ganz Deutschland bek annt wurde er ner k onk reten Existenz. Ihn will Hamann
durch zahlreiche k leine Schriften, mit denen zum Hauptgegenstand philosophischer Er-
er sich immer wieder in den ak tuellen Kon- k enntnis machen, und nicht die Dingwelt her-
troversen Gehör zu verschaffen wußte. Texte gebrachter Ontologie. Doch Einsicht in das
wie die Sokratischen Denkwürdigkeiten (1759) menschliche Leben läßt sich k aum über po-
oder die Aesthetica in nuce (1762) hatten deut- sitive Wesensaussagen zur Natur des Men-
liche Wirk ung auf Philosophie und Literatur schen gewinnen, wie noch Herder sie aufstellt,
vom ›Sturm und Drang‹ bis in die Romantik . vielmehr bedarf es dazu einer Art von nega-
Johann Wolfgang Goethe (1749—1832) und tiver Anthropologie, die das Verbot, sich vom
Jean Paul (Johann Paul Friedrich Richter, Schöpfer ein Bild zu machen, auch auf dessen
1763—1825) bek ennen sich zu Hamanns Ein- Geschöpf überträgt. Ein endliches Lebewesen
fluß auf ihr Werk , Georg Wilhelm Friedrich wie der Mensch verfügt über k ein endgültiges
Hegel (1770—1831), Friedrich Wilhelm Jo- Wissen, nicht einmal über sich selber. Aus
seph Schelling (1775—1854) und Wilhelm einem eher sk eptischen Blick wink el k lärt Ha-
Dilthey (1833—1911) erweisen ihm rück blik - mann die Aufk lärung über ihre eigenen Vor-
k end ihre Reverenz, Søren Kier k egaard urteile, auch das der Vorurteilslosigk eit, auf.
(1813—1855) schließlich gibt sich als Nach- Seine Sk epsis jedoch ist weder Pessimismus
folger Hamanns zu erk ennen. Am 21. 6. 1788 noch Agnostizismus, sondern Ausdruck sei-
starb Hamann als Gast der Fürstin Gallitzin nes Glaubens. Erst das Wort Gottes befreit
zu Münster in Westfalen. den Menschen zu seiner wahren Natur und
Hamann gilt als besonders radik aler Kri- zu einem angemessenen Wissen über sich und
tik er seiner eigenen Zeit, der Epoche der Auf- die Welt. Die Rück besinnung auf die christ-
340 II. Personen

liche Verk ündigung durchk reuzt das Selbst- mann in diesem weiteren Sinn zu verstehen,
verständnis des Aufk lärungszeitalters; Ha- entsprechend dem ›Logos‹ des Johannes-
mann hingegen führt sie zum Thema Sprache Evangeliums. Hamann bezeichnet sich selber
und damit über seine Zeit hinaus. gern als ›Philologen‹ und meint damit jeman-
den, der sich dem Wort Gottes verschreibt;
seinen Ehrentitel ›Magus in Norden‹ verdank t
2. Vernunft und Offenbarung er dem Darmstädter Gelehrten und Minister
Hamanns zentrales Problem ist die Verein- Friedrich Karl von Moser (1723—1798), wel-
bark eit von Vernunft und Offenbarung. Die cher damit auf die drei ›Magi‹ aus dem Mor-
Vernunft als autonome Größe gibt es für ihn genlande anspielt, die sich am Stern von Beth-
nicht; alle Vernünftigk eit entspringt dem k on- lehem orientieren.
k reten Dasein des Menschen und bleibt des- Hamanns ›Sprachdenk en‹, wie es heute all-
sen Bedingungen verhaftet. Hamann negiert gemein bezeichnet wird, ist von seinen reli-
die Vernunft nicht, er ist k ein Irrationalist giösen Überzeugungen ebensowenig zu tren-
oder Obsk urantist; aber er reduziert ihre Gel- nen wie von seinem — gleichfalls religiös ge-
tungs- und Machtansprüche auf ein mensch- prägten — ›Geschichtsdenk en‹, denn Sprache
liches Maß. Dem einzelnen Menschen in sei- und Geschichte k onstituieren die Welt der
ner besonderen Umwelt k ann nicht eine über- Offenbarung. Durch Gottes Einrichtung ist
individuelle und ahistorische Vernunft inne- der menschliche Weltvollzug wesentlich
wohnen, die ihn nach Maßgabe seiner Folg- sprachlich und wesentlich geschichtlich. In
samk eit zur Erk enntnis des Wahren, Guten der Geschichte der Menschheit, deren Mitte
und Schönen führt. Vielmehr reicht eine in Jesus Christus einnimmt, verwirk licht sich das
der Kommunik ativität menschlicher Gemein- Heilsgeschehen. Hamann interpretiert Ge-
schaft nach und nach ausgebildete Vernünf- schichte in der Form typologischer Exegese.
Von daher ist alles Geschichtliche relevant
tigk eit meistenteils nur zur Überwindung des
Unwahren, epistemisch oder ethisch Unhalt- und Überlieferung stets auch Vermittlung von
baren. Disk ursive Vernunft ist für Hamann Sinn. Geformt durch die Geschichte ist in der
vor allem ein Medium der begründeten k ri- Sprache einer Gemeinschaft ihre Welt prä-
tischen Negation, nicht aber der Einsicht in sent. Der aufk lärerische Eifer für eine Ver-
positive Wahrheit. Bei allem Interesse für ein- abschiedung von Tradition und die ›Reini-
zelwissenschaftliche Forschung, denn seine gung‹ der Sprache ist für Hamann deshalb
Erk enntnissk epsis ist k eine Wissenschafts- ein Stück Atheismus. Ihm liegt jedoch nicht
feindlichk eit, hält Hamann fest an der docta allein am Gottesglauben, sondern gleicher-
ignorantia, die bei ihm vorzugsweise im dia- maßen am Menschenbild. Nur der Mensch,
lek tischen Gewand des sok ratischen Nicht- der sich selbst angemessen erk ennt, erk ennt
wissens auftritt. Damit destruiert er in erster auch Gott, und umgek ehrt. Der erste Schritt
Linie die ausgreifenden Wissensprätentionen der Selbsterk enntnis ist die Beschränk ung der
eines rationalistischen Systemdenk ens. Exi- Ansprüche an die eigene Natur und die Er-
stenztragende, letzte Wahrheit nämlich bleibt k enntnisk raft der Ratio. Der Mensch muß
aller eigenmächtigen Vernunft entzogen: ihr sich nicht nur zur Geschichtlichk eit und
k ann der Mensch allein durch Offenbarung Sprachlichk eit seiner Vernunft bek ennen, son-
teilhaftig werden. Sich der Verk ündigung zu dern auch zu ihrer Sinnlichk eit. Alle Erk ennt-
öffnen bedeutet für Hamann die Umk ehr zur nis ist unhintergehbar auf sinnliche Wahrneh-
Demut ›vernehmender Vernunft‹. — Hamann mung angewiesen, auch da, wo es gar nicht
k ennt eine dreifache Offenbarung Gottes, die um Materielles geht: Selbst die abstrak testen
eine dreifache ›Herunterlassung‹ der göttli- Gegenstände der Metaphysik gelangen nicht
chen Allmacht zur beschränk ten Natur und anders zur Kenntnis als durch das Hören von
Auffassungsgabe des Menschen ist: Erstens Lauten oder das Sehen von Zeichen. In der
die Selbstentäußerung Gottes in der Schöp- Erfahrung ist der Mensch an die Endlichk eit
fung, zweitens die Anrede des Menschen in der Empirie verwiesen und hat k eine Wahl,
dessen eigener Sprechweise und drittens die als seinen Sinnen zu trauen. Hamanns Sk ep-
›Knechtsgestalt‹ und Opferung seines Sohnes sis, von David Hume (1711—1776) inspiriert,
auf Erden. Das Buch der Natur, das Buch der propagiert einen sensualistischen Realismus.
Bücher und das Buch der Geschichte offen- Alles über die unmittelbare Erfahrbark eit hin-
baren dem Menschen seine Stellung im gött- ausgehende ›sichere‹ Wissen, wie es die Er-
lichen Heilsplan. Alle drei Bücher sind ›Wort k enntnistheorie seit je zu legitimieren trachtet,
Gottes‹; ‘Wort’ und ‘Sprache’ sind bei Ha- ist in Hamanns Augen spek ulative Metaphy-
25.  Johann Georg Hamann (1730—1788) 341

sik , die er den ›Verführungen der Sprache‹ de Condillac, 1714—1780), und eine konven-
anlastet. In ihrer historischen Entwick lung tionalistische Hypothese, nach der die Sprache
hat die Sprache nicht nur an Welterschlie- als verständigungsnotwendige Zuordnung
ßungspotenz dazugewonnen, sondern auch an von Wörtern und Gegenständen auf mensch-
Ambiguität: darin liegt ihre splendida miseria. licher Erfindung und Übereink unft beruht
Sprache ist das Element aller Vernunft, doch (Pierre Louis Moreau de Maupertuis, 1698—
in den Hypostasierungen der Sprache gibt es 1759). Nachdem der Sprachursprungsstreit
vermehrt Anlaß zu Mißverständnissen der besonders in den 1760er Jahren immer neue
Vernunft mit sich selber. Metaphysikkritik ist Abhandlungen hervorgetrieben hatte, schien
daher als Sprachkritik zu betreiben; am Bei- schließlich Herders Beantwortung der Preis-
spiel ‘sein’ erläutert Hamann, wie der Schein frage von 1769 als allgemein k onsensfähig die
von Substanzialität aus der bloßen Substan- Debatte beenden zu k önnen. Hamann aller-
tivierung eines Relationsworts hervorgehen dings warf seinem Mitstreiter Herder vor, sich
k ann, an der ›Vernunft‹ k ritisiert er deren mit seiner Abhandlung über den Ursprung der
Personifizierung im philosophischen Sprach- Sprache dem Ungeist der Berliner Aufk lärung
gebrauch. Wo die neologische Theologie und angepaßt zu haben. Da Sprache für die ver-
das deistische Spek ulieren über eine ›natürli- nunftgeleitete Erk enntnis unableitbares ›Ur-
che Religion‹ vorgeben, rationale Sicherheit fak tum‹ ist, weist Hamann schon die Frage-
des Erk ennens an die Stelle der einfachen stellung des Sprachursprungsstreits als ebenso
Gewißheit des Glaubens setzen zu k önnen, unsinnig zurück wie sämtliche Lösungsver-
macht Hamann auch nicht vor diesen Rück - suche, auch Herders. Dem fatalen Konflik t
zugspositionen des Religiösen halt. von ›Platonismus‹ und ›Naturalismus‹ in Her-
Der Menschen ist Kreatur, leiblich, sinn- ders These von der ›Besonnenheit‹ des Men-
lich, endlich. Denk endes Wesen ist er nur in schen stellt Hamann seine Ansicht vom ›Sa-
den Grenzen seiner k onk reten Existenz. Des- k rament der Sprache‹ gegenüber: Gott schuf
wegen mahnt Hamann seinen zum Idealismus den Menschen als sprechfähiges Wesen und
neigenden Briefpartner Jacobi: „Nur nicht gab ihm, im Paradies, den ersten Sprachun-
über das Cogito das edle Sum vergeßen“ (B terricht. Lernen beinhaltet sowohl Rezeptivi-
VI, 230). Hamann drängt darauf, jenseits des tät als auch Spontaneität. Die in dieser Weise
Streits um Erk enntnismethoden und -prinzi- erworbene menschliche Sprache gehört als
pien zuerst einmal die Fundierung aller Er- Widerschein des göttlichen Logos mit zur
fahrung in der menschlichen Grundsituation herrscherlichen Würde, welche Gott dem
zu begreifen. Die Offenbarung richtet sich an Menschen auf Erden verliehen hat. Mit der
den ›ganzen‹ Menschen, auch an seine Sinn- Sprache eröffnet sich der Mensch seine Welt
lichk eit, nicht nur an das vernünftige Denk en. und verfügt über das in ihr begegnende Sei-
Für Hamann, in einer eigenwilligen Auswei- ende. Ebenso aber ist die Sprache Medium
tung Humescher Lehren, beruht alle wirk liche der Begegnung mit Gott, der sich in der Bibel
Gewißheit des Wissens auf der Realitätsga- selbst zur gemeinen Volk ssprache ›herabge-
rantie des Glaubens. lassen‹ und damit gezeigt hat, daß nicht allein
der Intellek t angesprochen werden soll. Die
zunehmende Intelle k tualisierung und Ab-
3. Ursprung der Sprache strak theit der Sprache, bis hin zu den meta-
Zur Autonomie der Vernunft, wie sie die Auf- physischen Selbstmißverständnissen seiner
k lärungsphilosophie behauptete, gehört auch, Zeit, begreift Hamann als Konsequenz der
daß der Mensch als vernünftiges Lebewesen menschlichen Freiheit im Umgang mit seiner
von allein zur Sprache k ommen k ann, ohne Sprache. Zwischen der babylonischen Sprach-
göttliche Hilfestellung. Der insbesondere von verwirrung und der pfingstlichen Totalität der
der Berliner Ak ademie angefachte Sprachur- Kommunik ation am Ende der Geschichte ist
sprungsstreit (s. Art. 65) wurde zwischen drei die Entwick lung der Sprache(n) allein Sache
Standpunk ten ausgetragen; das Interesse der des Menschen. Hamann bedauert den Verlust
der ›poetischen Ursprache‹ am Anfang der
Ak ademie lag in der Überwindung der supra-
naturalistischen Hypothese, nach der Gott Welt und vertritt als Ästhetik er eine Repoe-
dem Menschen die Sprache gab (Johann Peter tisierung zumindest der Literatursprache,
Süßmilch, 1707—1767). Dagegen traten eine d. h. einen erneuerten Mut zu unmittelbarem,
naturalistische Hypothese an, der zufolge auch leidenschaftlichem Ausdruck , besonders
menschliche Sprache eine instink tive Fortent- aber zu Bildern, Gleichnissen, Analogien und
wick lung tierischer Laute ist (Etienne Bonnot Metaphern, in deren ‘Verk leidung’ am ehesten
342 II. Personen

Wahrheit sich zeigt (s. Art. 24). Hamanns Auch die Sprache ist k ein ›Ding an sich‹,
eigener Stil war bek anntermaßen schon für sondern nur in den Erscheinungen k onk reten
seine Zeitgenossen einigermaßen ›dunk el‹. Sprachhandelns gegeben. Es gibt k eine feste
Mit seinen Postulaten und dem stilistischen eindeutige Bedeutung von Wörtern, sondern
Beispiel seiner Texte wirk te Hamann stark auf nur deren jeweiligen Gebrauch in einem be-
die Bewegung des ›Sturm und Drang‹ und stimmten Zusammenhang; Kontextualität
noch auf die romantische Programmatik. und Traditionalität sind Konstituentien der
Wortbedeutung, die dabei stets mehrdeutig
bleibt und offen für abweichende Verwendun-
4. Sprache und Vernunft gen. Ebenso wie von der Rezeptivität der
Kants Vernunftk ritik , deren Verlegung bei Sprache und der Spontaneität der Begriffe
Hartk noch in Riga Hamann vermittelte, mar- läßt sich von der Rezeptivität der Begriffe und
k iert das Ende jenes dogmatischen Rationa- der Spontaneität der Sprache reden: Auch
lismus, dem Hamanns Metak ritik gegolten Kant operiert mit Unterscheidungen nicht aus
hat. Doch diese ›Metak ritik ‹ strebt auch noch reiner Vernunft, sondern aus dem Begriffsre-
über Kants transzendentalen Kritizismus hin- pertoire der Philosophiegeschichte. Jede Ter-
aus; Hamanns Metakritik über den Purismum minologie, bis hinauf in die höchsten Stufen
der Vernunft (1784) bleibt, mit Rück sicht auf der Abstrak tion, bleibt dem geschichtlich ge-
Kant, unveröffentlichtes Manus k ript. Die wordenen Bedeutungspotential ihrer Wort-
Hauptgedank en dieser Schrift jedoch werden zeichen ebenso verpflichtet wie der Sinnlich-
Herder und Jacobi im Briefverk ehr mitgeteilt, k eit ihrer phonetischen oder optischen Er-
so daß sie bereits eine beschränk te Verbrei- scheinung. Jede Terminologie bedarf zu ihrer
tung erfahren, bevor der unvollendet geblie- Einführung und Erläuterung der Umgangs-
bene Text 1804 posthum publiziert wird. sprache als letzter Metasprache, und beide
Noch immer geht es Hamann darum, daß Sprachebenen sind Reflexe einer bestimmten
Vernunft nicht als untangiert von den fak ti- historischen Situation. Damit ist für Hamann
schen Gegebenheiten der menschlichen Exi- das Reinheitsideal der Vernunft eine Fik tion.
stenz vorgestellt, ja ›vergöttert‹ werden darf Mit verantwortlich für diese Selbsttäuschung
— sie ist nicht absolut und nicht ›rein‹. Im der Vernunftk ritik ist in den Augen ihres Me-
Prozeß ihrer Emanzipation gegenüber den tak ritik ers die von Anfang an verfehlte Tren-
Autoritäten von Glauben und Gewohnheit nung von Sinnlichk eit und Verstand. In der
hat sie ihren Bezug zur wirk lichen Welt des Praxis der Erfahrung sind beide immer schon
Menschen in dem gleichen Maß verloren, in vermittelt durch die Sprache, welche die Sinn-
dem sie an Autonomie zu gewinnen meinte. lichk eit ›verständig‹ und den Verstand ›sinn-
In einer ersten Stufe der Selbstreinigung von lich‹ macht, da sie ästhetisches und logisches
allen ungeprüften Setzungen wie auch von Vermögen in sich vereint. Verzichtet man von
ihren eigenen Voraussetzungen hat sie die Ge- vornherein auf die k ategorische Entzweiung
schichtlichk eit des Wissens abzustreifen ge- beider ›Erk enntnisstämme‹, so ist ihre Ver-
sucht, in einem zweiten Schritt der Reinigung mittlung weniger k omplex: Hamann setzt im
ist sie dabei, die Ungewißheiten des sinnlichen Grunde die Sprache an die Stelle von Kants
Erfahrens hinter sich zu lassen, und das letzte ›Schematismus der Einbildungs k raft‹. Da
Ziel müßte k onsequenterweise noch die Be- Sprache ihrerseits bei Hamann k ein abstrak -
freiung von der Sprache sein, denn in der tes Vermögen ist, sondern k onk ret gespro-
Sprache sind Geschichtlichk eit und Sinnlich- chene Sprache, hätte sich alle Erk enntnisk ri-
k eit unhintergehbar präsent. Vor diesem letz- tik zunächst mit diesem ›empirischen Apriori‹
ten Schritt sieht Hamann den Kantschen Kri- aller Erfahrung und Vernunft zu befassen.
tizismus stehen und legt dar, weshalb dieser Entsprechend will Hamann alle Philosophie
Schritt menschenunmöglich ist: Die Transzen- in eine ›Grammatik der Vernunft‹ transfor-
dentalphilosophie bedarf der Sprache nicht mieren (vgl. B V, 272 und B VII, 169). Daß
nur zur späteren Mitteilung ihrer Ergebnisse, darunter k eine moderne sprachphilosophi-
sondern von vornherein zu ihrem intellek tu- sche Theorie zu verstehen sein k ann, erhellt
ellen Handwerk szeug und zu ihrem Gegen- allein schon daraus, daß jeglicher Versuch,
stand. Für Hamann ist jenes absolut vorge- das ›Sak rament der Sprache‹ in einem System
gebene Etwas, auf das sich Kants Erk ennt- des Wissens zu objek tivieren, für Hamann ein
nis(theorie) richtet, eigentlich die Sprache. Sak rileg bedeuten würde. Scheinbare ›We-
Material der Vernunftk ritik sind sprachliche sensaussagen‹ Hamanns über die Sprache
Unterscheidungen, die Kant schon vorfindet. dürfen nicht als Axiome für derartige Unter-
26.  Johann Gottfried Herder (1744—1803) 343

nehmen mißdeutet werden, ihr propositiona- Hamann, der zuerst den Übergang von der
ler Gehalt ist zudem uneinheitlich. Die Spra- Vernunftkritik zur Sprachkritik propagierte:
che ist „Bey mir ist nicht so wol die Frage: was ist
„das einzige erste und letzte Organon und Kriterion Vernunft? sondern vielmehr: was ist Spra-
der Vernunft, ohne ein ander Creditiv als Überlie- che?“ (B V, 264).
ferung und Usum“ (B V, 212), sie ist „die Mutter
der Vernunft und Offenbarung, ihr A und Ω“ (B
VI, 108), „Gebärmutter“ (W III, 239) unserer Ver- 5. Literatur in Auswahl
nunft, unserer Begriffe (vgl. B V, 328). „Ohne Spra-
Alexander 1966 a, Johann Georg Hamann: Philo-
che hätten wir k eine Vernunft“ (W III, 231), denn
sophy and Faith.
das „ganze Vermögen zu denk en beruht auf Spra-
che“ (W III, 286). „Ohne Wort, k eine Vernunft — Bayer 1988, Zeitgenosse im Widerspruch. Johann
k eine Welt“ (B V, 95). „Vernunft ist Sprache, Λό- Georg Hamann als radikaler Aufklärer.
γος“ (B V, 177). In der Sprache „liegt reine Vernunft Gajek 1967, Sprache beim jungen Hamann.
und zugleich ihre Kritik“ (B V, 360). Hamann 1949—1957, Sämtliche Werke, I—VI
Ist die Sprache ›Organ‹ der Vernunft, ist [= W].
sie genetische oder gleichfalls logische Vor- Hamann 1955—1979, Briefwechsel, I—VII [= B].
aussetzung der Vernunft, Bedingung der Henk el 1988, Einleitung zu: Johann Georg Hamann,
Möglichk eit von Vernunft oder gar die Ver- Briefe.
nunft selber? Auf jeden Fall behauptet Ha- Herde 1971, Johann Georg Hamann zur Theologie
mann nicht in bloß umgek ehrter Einseitigk eit der Sprache.
einen Primat der Sprache gegenüber dem auf- Jørgensen 1976, Johann Georg Hamann.
k lärerischen Primat der Vernunft, sondern er
stellt fest, daß man von dem einen nicht ohne Metzk e 1934, J. G. Hamanns Stellung in der Phi-
das andere reden k ann. Daher fordert er dazu losophie des 18. Jahrhunderts.
auf, die real existierende Vernünftigk eit „im O’Flaherty 1979, Johann Georg Hamann.
sensu communi des Sprachgebrauchs“ (B V, Pisk e 1989, Offenbarung—Sprache—Vernunft. Zur
95) zu erk ennen. Hamanns Verbalismus, wie Auseinandersetzung Hamanns mit Kant.
er sein eigenes Sprachdenk en nennt, darf Simon 1967, Einleitung, in Schriften zur Sprache.
nicht vorschnell als eine Vorform phänome- Unger 1905, Hamanns Sprachtheorie im Zusam-
nologischer Sprachanalyse verbucht werden, menhange seines Denkens. Grundlegung zu einer
trotz einiger Berührungspunk te; es handelt Würdigung der geistesgeschichtlichen Stellung des
sich um eine Sprachtheologie oder eben ›Phi- Magus in Norden.
lologie‹ im religiösen Sinn, eine Hermeneutik Weiss 1990, Johann Georg Hamanns Ansichten zur
des göttlichen Logos. „Vernunft und Schrift Sprache. Versuch einer Rekonstruktion aus dem
sind im Grunde Einerley = Sprache Gottes“ Frühwerk.
(B VI, 296). Doch auf der Grundlage seines
paulinisch-lutherischen Christentums war es Rüdiger Welter, Tübingen (Deutschland)

26. Johann Gottfried Herder (1744—1803)

1. Herders Stellung in der Geschichte der 8. Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft
Sprachphilosophie (1799)
2. Hauptrichtungen von Herders Sprachtheorie 9. Literatur in Auswahl
3. Arbeiten bis zu den Fragmenten
4. Fragmente (1766/67) und weitere Arbeiten bis
zur Ursprungsschrift 1. Herders Stellung in der Geschichte
5. Über den Ursprung der Sprache (1770, ersch. der Sprachphilosophie
1772)
6. Sprachtheoretische Äußerungen bis zu den 1.1.  In der Neuzeit gehörte bis zum 18. Jahr-
Ideen hundert das Nachdenk en über Sprache weit-
7. Ideen zur Philosophie der Geschichte der hin zur Grammatik , Rhetorik oder Poetik ; sie
Menschheit (1784/85) wachten über die Sprache als Instrument der
Mitteilung, sorgten für seine Vollständigk eit,
344 II. Personen

Reinheit und Zweck dienlichk eit. In der Tra- des göttlichen Logos voll; die Geschichte ist
dition des johanneischen Logos bedachten ein Prozeß der Entfernung von diesem Ideal-
Mystik und Hermetik die Sprache magisch zustand. „Tout est bien sortant des mains de
als Träger göttlicher und k osmischer Ener- l’Auteur des choses, tout dégénère entre les
gien. Logik und Erk enntnistheorie wiesen auf mains de l’homme/alles ist gut, wie es aus der
die Funk tion von Sprache als Merk zeichen Hand des Schöpfers k ommt; alles degeneriert
und Mitteilungszeichen hin und leiteten dar- in den Händen der Menschen“, formulierte
aus Forderungen an semantische Eindeutig- Jean-Jacques Rousseau (1712—1778) (1762,
k eit und logische Syntax her. In all diesen 5); auch er neigte zur Annahme göttlicher
Hinsichten (vgl. Apel 1963, 19 f) hatte Spra- Instruk tion, obwohl ihm das Problem des
che eine mehr oder weniger abhängige Funk - Sprachursprungs unentscheidbar erschien
tion in übergreifendem Zusammenhang. Als (1754, 51—56) (s. Art. 65). Eine stark rezi-
jedoch die Aufk lärung im 18. Jahrhundert die pierte Sprach-Dek adenz-Theorie hatte Wil-
Frage nach dem Menschen, nach seiner Stel- liam Warburton (1698—1779) aus der Ent-
lung in der Natur und nach dem Sinn seiner wick lung der Schrift von ik onischen über
Geschichte aufnahm, rück te das Nachdenk en symbolisch-allegorische Hieroglyphen bis hin
über Sprache schlagartig in zentrale Position. zur alphabetischen Schrift entnommen; die
Denn Sprache, dessen war man sich gewiß, erste Schrift und Sprache erschien ihm als
definierte den Menschen gegenüber dem Tier ›eigentlich‹ (k yriologisch). Johann Georg Ha-
als Vehik el und Entwick lungsbedingung sei- mann (1730—1788) (s. Art. 25) setzte ‘k yrio-
ner Rationalität. Gelang es, Sprache in auf- logisch’ gleich ‘poetisch’ (1762, 87 f). Für ihn
steigender Linie aus dem Tierlaut zu entwik - gilt deshalb: „Poesie ist die Muttersprache des
k eln, dann war die große teleologische Ge- menschlichen Geschlechts“ (1762, 81). Die
schichtsk onzeption der Aufk lärung durch die Abstrak tionen der philosophischen Aufk lä-
›Naturgeschichte‹ glänzend bestätigt — wenn rungssprache schinden ihm die Natur (1762,
die Menschengeschichte ein Prozeß der Auf- 113).
k lärung mit dem Ziel unbedingter und unein- Durch seine Lehrer Immanuel Kant
geschränk ter Rationalität ist, dann ist eine (1724—1804) und Hamann mit beiden Denk -
Naturgeschichte, die ohne Sprung vom Stein modellen k onfrontiert, steuert Herder von sei-
bis zu der in freier Rationalität eingesetzten nen ersten überlieferten Schriften (1764/65)
Sprache führt, nichts anderes als ein ›Aufk lä- ab ein synthetisches Modell an. Er fragt nicht
rungsprozeß‹ der Materie und des tierischen mehr nur nach dem Menschen, sondern nach
Lebens. Etienne Bonnot de Condillac (1714— der Möglichk eit seines Fragens nach sich
1780) (1746, 66), einer der bedeutenden Ver- selbst. Mit Herder tritt die Anthropologie
treter dieser Richtung, stieß bei seinen Über- durch eine ›k opernik anische‹ Wendung (Her-
legungen jedoch auf den Selbstbegründungs- der 1985, Werke I, 134) in die Phase der
zirk el der Vernunft: freie Einsetzung von Zei- Selbstreflexion. Selbstreflexion ist zugleich er-
chen für die Ideen der Vernunft bedarf der innernd und progressiv und ergreift sich in
entwick elten Vernunftreflexion; Entwick lung einem Moment der Gegenwart, die einerseits
der Vernunft ist nur durch den Gebrauch frei das Vergangene an die Zuk unft vermittelt,
eingesetzter Zeichen möglich. Sein histori- andererseits, dem Vergangenen verpflichtet,
scher Lösungsversuch für diesen Zirk el es- das Zuk ünftige zu bilden und zu erziehen
k amotiert die systematische Bewältigung des sucht. Orientierungszeiten der Geschichte
Problems. Der Zirk el war es, der Johann Peter sind weder Goldene Zeit der Zuk unft noch
Süßmilch (1707—1767) „zu Gott, als dem der Vergangenheit, weder die Poesie des An-
Schöpfer, seine Zuflucht nehmen“ ließ (1766, fangs noch die vollk ommen rationale Prosa
IV). Damit war das Kontinuitätsprinzip der des Ziels, sondern die ›schöne Prose‹ (Herder
Aufk lärung unterbrochen; die Rationalität 1985, Werke I, 184, 29) als ›humane‹ Form
des Menschen, getragen und entwick elt durch der Gegenwart, die sie durch gezielte Erwei-
seine Sprache, forderte ein eigenes Eingreifen terung in und gegen die Richtung des Ge-
Gottes, wie es schon die Genesis mit dem schichtsverlaufs annehmen soll. Herders Kon-
Einblasen der Seele verbildlicht hatte. Damit zept der Humanität betrifft die jeweilige Lei-
war zugleich ein entgegengesetztes Ge- stung, eine Gegenwart mit ihren historischen
schichtsmodell angesprochen, obwohl Süß- Mängeln durch zielbewußte Ergänzung zum
milch darauf einzugehen vermied: Der jeweils möglichen Ebenbild vollk ommener
Mensch, mit ihm Vernunft und Sprache, sind Menschheit bzw. Gottheit zu erheben. — Die-
in ihrer ursprünglichen Verfassung gut und ses Konzept ist wesentlich sprachlich. Der
26.  Johann Gottfried Herder (1744—1803) 345

Gegenwartsmoment ist Zeichen der Vergan- ihrer wirk ungsmächtigsten Vertreter: seine
genheit und der Zuk unft sowie der Verwirk li- Sprach- und Geschichtsphilosophie, Anthro-
chungsleistung im Hinblick auf die Idee der pologie, Pädagogik und Theologie sind Aus-
integralen Menschheit. Im synthetischen Aus- druck sformen dieser Alternative; sie hebt
gleich der Verweisungsrichtungen bedeutet Aufk lärung und Gegenaufk lärung, in tran-
dieses Zeichen nicht etwas außerhalb seiner, szendentaler Reflexion auf das reflek tierende
sondern nur sich selbst: es ist Sinn, der in Selbst in seiner Gegenwart, auf und ist we-
seinen Teilrichtungen der Interpretation be- sentlich zeichenhaft-sprachlich. Denn das je-
darf, als synthetisches Integral jedoch nur weilige Denk en ist, wie die Ursprungsschrift
noch der ästhetischen Kontemplation zugäng- nachweist, selbst Sprache und Zeichen, die
lich ist. Wahrheit ist wie das Gute und das Schöne
Wie Johann Wolfgang Goethe (1749— eine jeweilige historische Größe (Herder 1985,
1832) (vgl. Gaier 1984, 114—123) nach ihm, Werke I, 149, 15—19; 160, 1—19). Herders
findet Herder die gesuchte Synthese in der Texte argumentieren angesichts dieser Er-
Philosophie der ›Herrlichk eit‹, der sichtbaren k enntnis von den Fragmenten (1767) an nach
Erscheinung des Göttlichen in dem, was da dreifacher ›Logik ‹: Der jeweilige Gegenstand
ist, dem offenbaren Geheimnis, das sich dem wird einerseits nach sinnlich-empiristischer
staunenden und freudigen Anschauen zeigt, Logik dargestellt, andererseits rationalistisch
aber jeder Erk lärung und moralischen Beur- oder idealistisch, drittens und verbindend mit
teilung verschließt. Denis Diderots (1713— Bildern und Analogien nach der Logik der
1784) Interprétation de la Nature (1753, 240 f), Einbildungsk raft (Gaier 1987). Aus dieser z.
eine der großen methodischen Grundschriften B. in der Ursprungsschrift durchgängig be-
der modernen Naturwissenschaft, führt an- folgten Methode resultieren die ›Unk larhei-
gesichts der prinzipiellen Beschränk ung unse- ten‹, die man dem ›verworrenen Denk er‹ Her-
rer erk lärenden Erk enntnisfähigk eit zur De- der immer nachsagte. Hinzu k ommt die
sk ription der ›Herrlichk eit‹ oder der ›Ehre Struk turierung vieler Texte nach dem gedan-
Gottes‹, die die Himmel erzählen; es ist der- k enentwick elnden Verfahren der Schöpfungs-
selbe Psalm 19, den Herder in der Ursprungs- hieroglyphe. Daraus erk lärt sich ein Satz wie
schrift an entscheidender Stelle zitiert (Herder „Schon als Tier, hat der Mensch Sprache“
1985, Werke I, 773, 7—9). Für Hamann ist (Herder, 1985, Werke I, 697, 9), der mit dem
die Schöpfung Rede Gottes, Friedrich Chri- späteren Satz „Aber der sinnlichste Zustand
stoph Oetingers (1702—1782) Zentralbegriff des Menschen war noch menschlich“ (721,
‘Leben’ hat ›Herrlichk eit‹ als sichtbares Zei- 22 f) k ollidiert und nachträglich zur reflexiven
chen, Friedrich Hölderlins (1770—1843) Wiederaufnahme des ersten Satzes führt, etwa
‘Diotima’ heißt ‘Ehre Gottes’. Das ehrwür- in dem Sinne: Der Mensch, hypothetisch nur
digste, von Gott eingesetzte progressive als Tier genommen, hat Sprache (der Tiere).
Sprachzeichen zur Erk enntnis der Herrlich- Das entwick elnde Verfahren bringt es auch
k eit ist die von Herder in der Ältesten Urkunde mit sich, daß nicht ein Ursprung der Sprache,
(1774) beschriebene ›Schöpfungshieroglyphe‹, sondern sechs im Sinne der oben sk izzierten
die im Siebentagewerk mythisch aufgezeich- Dialek tik aufeinander bezogene Ursprungs-
net ist: die materiebezogen progredierende begriffe eingeführt werden. In der Tat löst
Dialek tik der drei ersten Tage wird abgelöst Herder die oben beschriebenen Probleme
von der reflexiven rück bezüglichen Dialek tik ›Tiersprache oder göttlicher Unterricht‹ sowie
(Sonne bezieht sich z. B. auf das Licht des ›Selbstbegründungszirk el‹ dadurch, daß er der
ersten Tags zurück ) der drei folgenden Tage; wesentlich menschlichen, durch die ›Beson-
der 7. Tag ist die Synthese des Materialen und nenheit‹ ermöglichten Sprache (›Wort der
des Reflexiven in der Kontemplation des Ge- Seele‹) drei natursprachliche, ›tierische‹
schaffenen. Dieses hieroglyphische Sprachzei- Sprachursprünge voraussetzt, derer sich in
chen Gottes ist, wie Kant feststellte, eine Me- suk zessiver Vereinnahmung das Wort der
thode zur Entwick lung des Denk ens und des Seele bedienen muß, um überhaupt äußere
einzelnen gedanklichen Problems. Sprache zu werden. Wie diese aus wesentlich
menschlicher und weniger oder mehr angeeig-
1.2.  Mit der hier umrissenen Philosophie der neter Natursprache gemischt ist, so ist auch
›Herrlichk eit‹ ist eine die progressive Aufk lä- ›Vernunft‹ oder ›Freiheit‹ das, was sich (als
rungsphilosophie und die Dek adenzphiloso- unerk lärliches Transzendentale) im Denk zei-
phie der Gegenaufk lärung zur Synthese brin- chen und Sprachzeichen setzt und anerk ennt
gende Alternative gefunden. Herder ist einer und sich insofern in seinem semiotischen An-
346 II. Personen

derssein selbst begreift. Sprache verbindet das Zusammenwirk en verschiedenster Fak -


also den Menschen mit dem Tier und trennt toren ermöglichtes historisches ›Maximum‹,
ihn von ihm. Wenn auf der andern Seite Be- das mit einer verhältnismäßig schwach ent-
sonnenheit das dem Menschen gattungsbe- wick elten Stufe der prosaischen Rationalität
stimmend und unhinterfragbar von der Gott- eine schon domestizierte Sinnlichk eit und blü-
Natur verliehene Wesensmerk mal ist und hende Einbildungsk raft verband; für die weit
wenn dieses sich in Sprache (Wort der Seele, höher entwick elte Rationalität des modernen
dann äußere Sprache und Kultur) bezeichnet, Bürgertums sind sie deshalb nicht nachzuah-
dann ist Sprachlichk eit wesentlich menschli- men, wohl aber ist ihr Maximum als solches
che Daseinsform — gottebenbildlich der stru
k turell ›nachzubilden‹ (Herder 1985,
ebenfalls den Logos bezeichnenden Herrlich- Werke I, 311, 16—19), d. h. durch Weiterent-
k eit entsprechend. Für Herders sprachliche wick lung der Rationalität und durch Wieder-
Er
k enntnisk riti
k ausschlaggebend ist, daß einholung der verlorenen sinnlichen und
vom Wort der Seele an jede Sprache jeweilig phantasiemäßigen Anteile der Denk art und
und historisch eingeschränk t ist; wenn also Sprache zur integralen Menschheit zu ergän-
Erk enntnis als gefaßter Gedank e Wort der zen (daher Herders Verfahren der Argumen-
Seele ist, ist sie bereits historisch einge- tation nach drei Logiken).
schränk t, noch mehr aber, soweit sie sich an
Begriffe der äußeren Sprache bindet. Er-
k enntnis ist dann jeweilige anthropologische 2. Hauptrichtungen
Kulturleistung, die durch den historischen von Herders Sprachtheorie
Sprachhorizont mitbedingt ist.
Sprache hat als Nationalsprache Ge- 2.1.  Sprachphilosophie, als Disziplin damals
schichte, und zwar eine äußere durch Über- noch nicht etabliert, enthält für Herder also
fremdungen (das Deutsche wurde z. B. durch neben den eigentlich philosophischen Fragen
Latein und Französisch ›überschwemmt‹), eine Reihe von Aufgaben der Praxis, oder
und eine naturgesetzlich innere durch die umgek ehrt: getreu seinem Prinzip der „Ein-
›Metempsychosis‹ (Seelenwanderung) der ziehung der Philosophie auf Anthropolo-
Sprache von einer Phase dominanter Affek t- gie“(Herder 1985, Werke I, 132, 14) stellt er
bestimmtheit über eine Phase dominanter Be- das Philosophieren über Sprache in den
stimmtheit durch die Einbildungsk raft zu Dienst der Bildung seiner Zeit zur Humanität.
einer Phase dominanter Bestimmtheit durch Die Hauptrichtungen seines sprachtheoreti-
den Verstand. Diese ›Lebensalter der Sprache‹ schen Nachdenk ens sind folgende: Eigentlich
legen nicht nur den Anteil an Poetischem oder philosophisch zu nennen sind die Überlegun-
Prosaischem der Ausdruck sweise von All- gen zum Ursprung der Sprache (wichtigster
tagssprache und Dichtung fest, sondern auch Text: Abhandlung Über den Ursprung der
die Denk art der Nation, denn Sprache und Sprache), wo Sprache auf die dialek tische Be-
Denk en bestimmen einander wechselseitig. ziehung zwischen natursprachlichen und dem
Herder ist der erste, der seiner Gegenwart wesentlich menschlichen Sprachursprung zu-
eindeutig die Prosa, das verstandesmäßige rück geführt wird. — Seit frühester Zeit waren
Nützlichk eitsden k en des Bürgers zumißt Johann David Michaelis’ (1717—1791) (1760)
(Herder 1985, Werke I, 187, 1—5), und der Argumente für die Wechselwirk ung und
diese Gegenwart weder wie Hamann verteu- Wechselabhängigk eit zwischen Sprache und
felt noch wie die Aufk lärer als Vorstufe eines Denk en ungemein anregend für Herder; er
erst noch zu erreichenden Ziels funk tionali- geht immer wieder darauf ein. Die Ursprungs-
siert. Jede Sprach-, Denk - und Kultur-Gegen- schrift begründet das Wechselverhältnis theo-
wart ist für Herder, diesen ersten Modernen, retisch, indem sie das Denk en als essentiell
mit Mängeln behaftet, und jede k ann durch sprachliche energeia mit der Sprache als er-
gezielte Ergänzung um das jeweils Mangelnde gon, als Magazin von bereitliegendem Ge-
zu der zeitspezifisch möglichen Verwirk li- dachten k onfrontiert. — Mit diesem Wech-
chung integralen Menschseins (Humanität) selverhältnis ist der Ansatz für die sprachlich
und integraler Sprache gebracht werden. Die- begründete Erk enntnisk ritik gegeben (Haupt-
sem Ziel dient seine Sprach- und Literatur- texte: Fragmente2I, Metakritik). Die zweite
verbesserungsarbeit in den Fragmenten, seine Ausgabe der Fragmente hebt darauf ab, daß
unablässige Bemühung als Historik er der Hu- die Welt für jeden Menschen immer schon
manität. Damit löst Herder sich auch von der muttersprachlich erschlossen, mit bestimmten
Last der Antik e: die Griechen waren ein durch Vorurteilen und Perspek tiven, semantischen
26.  Johann Gottfried Herder (1744—1803) 347

Zusammengriffen und syntak tischen Struk - die Deutschen zum ›Urbilde ihrer selbst‹ zu-
turen geformt ist; die Bedeutung der Begriffe rück zuführen und zu dessen höchstmöglicher
sei nur durch den Gebrauch bestimmt; die ›Herrlichk eit‹ zu steigern. Sprachk ritik und
vorhandene Sprache gibt dem Erk ennen Literaturk ritik in den Fragmenten, Sammlung
„Schran
k en und Umriß“ (Herder 1985, von Volk sliedern, Geschichtsschreibung die-
Werke I, 557, 15). Die Metakritik weist die nen diesem Ziel.
Sprachbedingtheit des Verstandes, die
Sprachlichk eit der Vernunft und die Sprache 2.4.  Endlich geht es, nach der Erk enntnis und
als erfahrungsabhängig, interessebezogen, ge- Rechtfertigung des prosaischen Charak ters
schichtlich bedingt und veränderlich nach. — der Gegenwart, um eine Ästhetik , Poetik und
Ein vierter Bereich sprachphilosophischer Stilistik der Prosa — immer als Sprachtyp
Überlegungen im engeren Sinne ist die Zuord- und Den k art verstanden. Denn Herders
nung bestimmter semiotischer, insbesondere Überlegungen gelten für „Prose des guten ge-
semantischer und syntak tischer Qualitäten zu sunden Verstandes, und philosophische Poe-
den ›Logik en‹ der Sinnlichk eit, der Einbil- sie“ (Herder 1985, Werke I, 240, 4 f). Diese
dungsk raft und des Verstandes und die Zu- Überlegungen dienen dazu, durch gezielte Er-
sammenfassung dieses Komplexes von Logi- gänzung des Prosaischen um die ihm man-
k en, Denk arten und Spracheigenschaften in gelnden Elemente der Sinnlichk eit und Ein-
einem naturgesetzartigen Geschichtsverlauf bildungsk raft integrales Sprechen, Denk en
von dominanter Sinnlichk eit über dominante und damit durch die in Gang gesetzte Wei-
Einbildungsk raft zu dominantem Verstand terung in die Praxis auch integrales Mensch-
(Haupttext: Fragmente). sein zu ermöglichen. Getreu der Überzeu-
gung, daß das Wahre sich nicht rund aus-
2.2.  Dies leitet über zum zweiten Bereich sprechen, daß ausgesprochene immer zugleich
sprachlicher Überlegungen Herders, der Hi- historisch relative Wahrheit ist, orientiert
storik . Sie muß von Nation zu Nation fest- Herder sein Verfahren an der antik en Lehre
stellen, ob der ›philosophische Roman‹ von vom ›periodus‹, dem seinen Gegenstand
den ›Lebensaltern einer Sprache‹ zutrifft und k unstvoll umwandelnden Satz (Herder 1985,
an welchem Punk t sich die Nation befindet. Werke I, 219). Er k ompliziert das System des
Sie muß diagnostizieren, ob, wie z. B. beim Periodus, indem er dem Verstand drei ›Logi-
Deutschen, äußere Spracheinwirk ungen den k en‹ mit ihren Argumentationen, der Einbil-
gesetzmäßigen Gang beeinflußt oder modu- dungsk raft meist gleichzeitig mehrere Bildrei-
liert haben; sie muß zuallererst den modifizie- hen, dem ›Ohr‹ ständig wechselnde k ommu-
renden Einfluß der Nationaldenk art auf die nik ative Töne (Ausruf, lebendige Darstellung,
Ausprägung der einzelnen Stufen des Ge- ruhige Argumentation etc.) anbietet. Auch die
schichtsgangs erfassen. Die Nüchternheit der Schöpfungshieroglyphe, die Herders Texte
nordwesteuropäischen Nationen und insbe- häufig struk turiert, ist ein gedank licher ›pe-
sondere der ›gesunde Verstand‹ als National- riodus‹. Als progressives operationales Zei-
eigenschaft der Deutschen lassen offensicht- chen ist sie eine Methode, um die verloren-
lich nur eine wenig spek tak uläre Ausprägung gegangene Totalität der k yriologischen Zei-
der sinnlichen und imaginativen Sprachent- chen des Anfangs der Menschheitsgeschichte
wick lungsstufe zu, vor allem gemessen an den in einer systematischen Suk zession, nun aber
Orientalen (Herder 1985, Werke I, 186 f). Der nicht mehr in verworrener Dichte sondern in
Historik er bestimmt die Situation der Gegen- entfalteter Deutlichk eit ›nachzubilden‹, d. h.
wart als prosaisch, d. h. in die dritte Phase mir den Mitteln und Möglichk eiten der Ge-
der Sprach-Den
k -Entwick lung eingerüc
k t. genwart herzustellen.
Ein dominant verstandesmäßiger National-
charak ter muß also in dieser Gegenwart ge- 2.5.  Obwohl vielleicht nur der erste der auf-
wissermaßen in sein Wesen k ommen und die gezählten Bereiche sprachbezogener Überle-
Möglichk eit k lassischer Vollendung vor sich gungen Herders in diesem Handbuch erwartet
haben. wird, schien es mir wichtig, die funk tionale
Einbindung sprachphilosophischer Überle-
2.3.  Dem dient die an die historische Diagnose gung in ein Gesamtsystem auf k onk rete Ver-
anschließende k ritische Reinigungs- und Ver- änderung der Zeitgenossen gerichteter
besserungsarbeit, vor allem das unablässige sprachbezogener Gedank engänge und Ak ti-
Bemühen, durch Bewußtmachen dessen, was vitäten sichtbar werden zu lassen. Sprachphi-
ihr Nationalcharak ter ist und werden k ann, losophie hatte zu Herders Zeit noch nicht
348 II. Personen

ihren Zweck in sich selbst; für ihn war sie sichtspunk ten des Nachdenk ens über Sprache
Begründung eingreifender Praxis. Herders hat k ein Späterer mehr erreicht, noch weniger
Verfahren ist deshalb auch nicht auf ein Sy- den Übergang von der Theorie in die Praxis
stem gerichtet. Vielmehr läßt er sich vom je- der Veränderung seiner Zeitgenossen zur Mo-
weiligen Anlaß bestimmen, den einen oder dernität und, soweit möglich, Humanität. —
anderen Aspek t genauer auszuarbeiten. Bei In dem nun folgenden chronologischen Über-
genauerem Überblick über seine vielen zer- blick (ausführlicher: Gaier 1988) über die
streuten Äußerungen zu sprachphilosophi- sprachtheoretisch relevanten Texte Herders
schen Fragen zeigt sich aber weitgehende bleibt die Gesamtheit der ihn interessierenden
Konsistenz in Herders sprachphilosophischen Probleme im Blick ; die eigentlich sprachphi-
Grundpositionen, so daß eigentlich mit jeder losophischen Fragen erhalten in der Darstel-
neuen Äußerung nur eine Region eines ge- lung jedoch größeres Gewicht.
dachten systematischen Netzes beleuchtet
wird. Temporäre Gewichtsverschiebungen,
wie z. B. nach Hamanns Invek tive die stärk ere 3. Arbeiten bis zu den Fragmenten
Betonung der Auffassung, Gott wirk e durch Nach dem Versuch über das Sein (1764), in
den Menschen die Sprache, sind zu beobach- dem er sich in der Nachfolge Kants über die
ten, bedeuten aber k eine grundlegende Än- ›Unzergliederlich
k eit‹ von Grundbegriffen
derung. wie Sein, Raum, Zeit, Kraft Gedank en macht
und über Kant hinaus das ›Mehr oder We-
2.6.  Bei diesem ersten Überblick mag deutlich niger‹ der Unzergliederlichk eit der Perspek -
geworden sein: Herder hat prak tisch alle tivität der Einzelsubjek te zuschreibt (Herder
sprachphilosophischen Traditionen seit der 1985, Werke I, 20), schneidet die Schulrede
Antik e rezipiert und im Sinne seiner sprach- Über den Fleiß in mehreren gelehrten Sprachen
lich zentrierten reflexiven Anthropologie ver- (1764) schon eine Reihe der sprachtheoreti-
arbeitet. Zugleich hat seine in nahezu 40 Jah- schen Themen Herders an: die enge Bezie-
ren in k aum überschaubar vielen verschiede- hung zwischen ›Sprache und Denk ungsart‹,
nen und verschiedene Publik a erreichenden die muttersprachliche Welterschließung durch
Texten verstreute sprachphilosophische Über- die ›Wärterinnen‹ als ›erste Lehrer der Logik ‹
legung eine große Zahl von Zeitgenossen er- (27), die Muttersprache auch als transzenden-
reicht; seine Wirk ungsgeschichte ist unschein- tale Bedingung der Möglichk eit, ohne Verlust
bar, aber k aum zu überschätzen. Unscheinbar der Einheit der eigenen Denk ungsart fremde
deshalb, weil er trotz gelegentlicher Polemik Sprachen und Denk ungsarten zu erlernen und
vermied, sich durch Einseitigk eit Blößen für so „meinem Geist die Ausdehnung jedes Kli-
die Polemik anderer zu geben. Vielmehr ten- ma’s“ zu geben (Herder 1985, Werke I, 26f).
dierte er dazu, den überlieferten, disk utierten Die Dithyrambische Rhapsodie (1765) ist Aus-
oder möglichen Ansichten zu einem Problem einandersetzung mit Hamanns Aesthetica in
im ›periodus‹ seiner Texte einen Stellenwert nuce und dessen Aufstellung der ursprüngli-
zu geben, an dem sie in eingeschränk ter Po- chen Poesie als Kriterium für die Abwertung
sition aufgehoben waren. Herder k ann des- von Abstrak tion, Philosophie, Nützlichk eits-
halb vermeintlich von jedermann zitiert wer- denk en der Zeitgenossen. Demgegenüber ist
den, da man diese sorgfältige Positionierung Bürgerlichk eit nach Herders Argumentation
meist nicht beachtet; und da man sich, wie- die Signatur der Zeit; Prosa und Verstandes-
derum vermeintlich, auf ihn als einen Ge- mäßigk eit, Entfernung von der integralen
währsmann für eine ganz bestimmte Meinung Menschheit sind die Folgen. Dichterei des
nicht berufen k ann, behandelt man ihn als Anfangs muß Dichtk unst werden, Gegen-
Fundgrube und ›großen Anreger‹ und läßt — stand ist nicht mehr Gott in der Schöpfung,
fatal für den Wirk ungsforscher — seinen Na- sondern der Mensch in seinen verschiedenen
men beiseite. So erscheinen viele seiner Ge- Weisen des Weltzugangs. Die Griechen hatten
dank en bei Wilhelm von Humboldt (1767— „eine totale andere Ausmessung der Denk art“
1835) (s. Art. 27), bei Jacob Grimm (1785— und sind „unnachahmbar“ (Herder 1985,
1863) und Wilhelm Grimm (1786—1859) und Werke I, 37), der moderne Mensch soll „sich
in der Sprachphilosophie des 20. Jahrhun- an sich selbst zum Gotte schaffen“ (34). Da-
derts bis zur Schule Leo Weisgerbers (1899— mit ist das Programm einer dezidierten Mo-
1985), bei Benjamin Lee Whorf (1897—1941) dernität auch für theoretisch angeleitete
und Ludwig Wittgenstein (1889—1951) (s. Spracharbeit zur Veränderung der Denk art
Art. 39). Den unglaublichen Reichtum an Ge- entworfen. Entsprechend stellt die Abhand-
26.  Johann Gottfried Herder (1744—1803) 349

lung Haben wir noch j etzt das Publikum und steigerung befähigt. Die Sprache muß ent-
Vaterland der Alten (1765) den Verlust der sprechend analytisch ›zergliedern‹, in histori-
sprachpragmatischen und k ommuni k ativen schen Bildern eine ›Geschichte‹ entwick eln
Rede und Adressatengemeinschaft im Sinne und appellativ den Menschen zu sich selbst
der Antik e fest, k ommt aber noch nicht zu ›aufweck en‹. Die menschliche Seele soll sich
Folgerungen, wie der moderne Bürger mit selbst als „Ursprung aller Wahrheit und Wis-
seiner ›gemäßigten Freiheit‹ in neuer Weise senschaft“ erfahrbar werden — Ursprung als
Publik um der Literatur sein k ann (s. dagegen Ursache, Anfang und ständig weiterwirk en-
gleichnamige Abhandlung 1795!). — In den der Entstehungsgrund gesehen (Herder 1985,
Entwürfen und Fragmenten einer Abhandlung Werke I, 111 f). Hat die Philosophie dies ge-
über die Ode erarbeitet Herder das geschichts- leistet, soll sie ›verschwinden‹ (425, 10—15).
philosophische Modell der ›Lebensalter‹ als
Zunahme der ›menschlichen Geistesk räfte‹
und Absterben der ›Fähigk eiten der sinnli- 4. Fragmente (1766/67) und weitere
chen Tierseele‹ (Herder 1985, Werke I, 85); Arbeiten bis zur Ursprungsschrift
seine weitreichende Leistung ist, hier einset-
zend, die Formulierung dieses Modells als 4.1.  Die erste Sammlung der Fragmente Über
Folge von ›Logik en‹ des Affek ts oder der die neuere deutsche Literatur (1766) ist ein
Sinnlichk eit, der Einbildungsk raft und des groß angelegtes, sprach- und geschichtsphi-
Verstandes sowie die Untersuchung des Ver- losophisch begründetes Unternehmen der
hältnisses dieser Logik en zur Sprache: domi- Sprachk ritik des zeitgenössischen Deutsch
nant parasprachliche und mehrk analige Se- mit dem Ziel, Kriterien und Richtungen der
miose für die Logik des Affek ts; bildhaft und Verbesserung für die deutsche Literaturspra-
dramatisierend vorstellende Sprache für die che zu bestimmen. Das bek annte Fragment 2
Logik der Einbildungsk raft; aufzählende, be- Von den Lebensaltern einer Sprache beschreibt
gründende, relationale Sprache für die Logik die ›Seelenwanderung‹ der Sprache durch die
des Verstandes. Entsprechend Zunahme der naturgesetzlich sich verändernde Denk art der
syntak tischen Regulation und Komplexität, Nationen von dominanter Sinnlichk eit über
sowie Zunahme der linearen Auflösung und dominante Einbildungsk raft zu dominantem
Verdeutlichung der allbedeutenden Totalzei- Verstand, mit jeweils wichtigen Überlap-
chen des Anfangs (vgl. Gaier 1987). Die pungsphasen, in denen von Natur aus zwei
Dichtk unst der Moderne, „k ünstlicher Aus- der ›Logik en‹ wirk sam sind und dadurch, wie
druck einer k ünstlichen Empfindung durch bei den Griechen, natürliche Blütezeiten be-
die Sprache“ (Herder 1985, Werke I, 69), muß wirk en. Der Stand der deutschen Nation und
versuchen, durch Aufnahme bildlicher und Sprache wird (entgegen dem schon eher ver-
parasprachlich-mehr
k analiger Elemente die greisten Französischen) gerade noch in der
sinnliche Fülle und affek tive Wirk samk eit an- Überlappungsphase zwischen Einbildungs-
fänglicher Sprachen synthetisch hinzuzufü- k raft und Verstandesdominanz festgelegt, so
gen, um den Adressaten als integralen Men- daß eine Wiederbelebung verlorener bildli-
schen anzusprechen. — Das Aufsatzfragment cher und affek tiver Elemente bei gleichzeitiger
Wie die Philosophie zum Besten des Volks all- Förderung der dominanten verstandesmäßi-
gemeiner und nützlicher werden kann (1766) gen Prosa möglich und sinnvoll ist. Neben
verbindet mit scharfer Kritik am ›Wörter- der Weiterentwick lung der Sprache durch die
k ram‹ der Philosophie die Aufforderung zur begriffsbestimmende Arbeit der Philosophen
›Kopernik anischen‹ Wendung (Herder 1985, wird gezielte Übersetzungsarbeit und Be-
Werke I, 134) des Philosophen zum Volk und wußtmachung nationalspezifischer Sprachei-
zur „Einziehung der Philosophie auf Anthro- gentümlichkeiten (Idiotismen) empfohlen.
pologie“ (Herder 1985, Werke I, 132). Die
Philosophie, die dem Volk nützt, muß eine 4.2.  Hinsichtlich des Sprachursprungs wehrt
Art Methode der Entwick lung des ›gesunden er Süßmilchs These von der göttlichen In-
Verstandes‹ finden, die die bloße Gefühlsge- struk tion ab und stellt dagegen die nicht mehr
wißheit der Empfindung, das Analogiedenk en zugänglichen ›unförmlichen‹ Anfänge und
der Einbildungsk raft und das systematisch- das Luk rezische Prinzip der ›Zusammenhäu-
deduk tive Denk en des Verstandes als Einzel- fung ungefährer Würfe‹ (Herder 1985, Werke
methoden verwirft, aber zugleich synthetisch I, 218). Zur ursprunghaften Motivation der
zusammengreift und so den Menschen zum Sprachentwick lung gibt er den Logik en ent-
Totalbezug seiner Logik en und zur Selbst- sprechend drei Theorien an: Die Lebensalter-
350 II. Personen

theorie betont die Affek tgetriebenheit der er- das auf Wittgenstein vorausweisende Argu-
sten Menschen; ihre ›Sprache der Empfindun- ment, daß die Bedeutung eines Wortes durch
gen‹ besteht aus Tönen, Gebärden, bevorzugt den Gebrauch bestimmt wird (Herder 1985,
lautimitierende Namen für Gegenstände der Werke I, 423). Eine wichtige Überlegung zum
Sinne (Herder 1985, Werke I, 181 f). Während unterschiedlichen ›Kleben‹ des Gedank ens am
hier das Gehör dominiert, ist es bei der Ein- Ausdruck bringt das 1. Kapitel der 3. Frag-
bildungsk raft das Auge, das ins Zentrum — mentsammlung (1767). Beim Erlernen einer
und syntak tisch in Kopfstellung — setzt, wor- fertigen Muttersprache werden Gedank e und
auf das ›Hauptaugenmerk ‹ fällt. Diese ma- Ausdruck zusammen erlernt, Gedan
k en
lende, aufmerk samk eitsbetonte Sprache ist durch neue Ausdrück e überhaupt erst er-
für die ›Inversionen‹ der Satzfunk tionen ge- weck t. Bei diesen ›Grundsteinen aller unsrer
genüber der logischen Syntax verantwortlich Erk änntnis‹ sind für die meisten Gedank e und
(Herder 1985, Werke I, 217 f). Die dritte Ausdruck ›unzertrennlich verk nüpft‹ (Herder
sprachentwick elnde Motivation ist zweck haf- 1985, Werke I, 395). Die Arbeit des Philoso-
tes Denk en, das in Situationen des Bedürf- phen lock ert das Band zwischen Begriff und
nisses durch eingegangene Konvention eine Wort und hebt die Passivität gegenüber der
›Sprache der Notwendigk eit‹ zur Verständi- Muttersprache teilweise auf. Der Dichter da-
gung einsetzt (251). Synthese dieser drei ur- gegen hat umgek ehrt die Aufgabe, schöpfe-
sprunghaften Motivationen ist die Sprach- risch eine einmalige unverwechselbare Verbin-
schöpfung des Genies (193; 256—58). — Ent- dung von Gedank e und Ausdruck herzustel-
sprechend den Logik en gibt es auch drei len (404).
Theorien über die Sprachentwick lung — die
biologische des Lebensalter-Fragments; die 4.4.  Die zweite, unveröffentlichte Ausgabe der
imaginative der Ideenfolge und -anordnung 1. Fragmentsammlung (1768) ordnet die
vom Ungefähr über faßliche zur logischen sprachtheoretischen Gesichtspun k te augen-
Ordnung (Herder 1985, Werke I, 218 f); die fälliger; präzisiert ist die sprachliche Erk ennt-
zweck hafte von reiner Mündlichk eit, Situa- nisk ritik und die Lehre von der an Rousseaus
tionsbeziehung, Armut und Stärk e über Lie- negativer Erziehung orientierten ›negativen
dersprache, politische Sprache, Bücherspra- Philosophie‹: Die muttersprachliche Erschlie-
che zur philosophischen Sprache in reiner ßung der Welt bedingt durch ihre jeweilige
Schriftlichk eit und Bildarmut (251). Wesent- nationalsprachliche und historische Regio-
lich ist an diesen Theorien, daß k eine Zeit nalität die Relativität der Wahrheit, des Gu-
und Nation andere k opieren k ann und soll, ten und des Schönen (Herder 1985, Werke I,
Vorzüge der anderen sollen jedoch erk annt 558 f; vgl. 149—160). Die umgangssprachliche
und unter eigenen Voraussetzungen nachge- Begrenzung der philosophischen Begrifflich-
bildet werden. Jede Zeit hat ihr Ziel in sich, k eit und die historische Jeweiligk eit der Um-
jede k ann und soll integrale Menschheit auf gangssprache bedingen die historische Jewei-
ihre Weise zu erreichen suchen. ligk eit des Erk ennbaren (557). Eine syntheti-
sche Erk enntnis a priori ist dabei nicht denk -
4.3.  Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen bar und würde auch wegen der prinzipiellen
Sprache und Denk en nimmt Herder die Über- Konk urrenz der drei Logik en zu nichts füh-
legungen der Schulrede Über den Fleiß [...] ren. Diese sprachliche Erk enntnisk ritik , hier
auf. Das Denk en ist durch die nationale und noch ohne Bezug auf Kant formuliert, wird
k ulturspezifische Regionalität der Mutter- später ausgebaut. — Auch die Ursprungspro-
sprache und ihrer Geschichte begrenzt. Diese blematik wird hier angegangen, und zwar zu-
historisch begrenzte und individuelle Sprache gunsten des Zufallsmodells, bei dem sich nach
und Denk art ist die Bedingung der Möglich- unzähligen ›schlechten Losen‹ ein besseres
k eit eines reflexiven Zuerwerbs und Erlernens einstellt, das sich festsetzt und z. B. als
des menschheitlich Allgemeinen und Unbe- Sprach-Erfindung dienlich ist. Hier ist dann
grenzten (Herder 1985, Werke I, 386 f; 408 f). jeder hypothetische Erk lärungsversuch illu-
Der Philosoph ist nicht in der Lage, die ›Spra- sorisch, das Pathos des Fak tums, der ›festen
che des Umgangs‹ terminologisch durchzu- Data‹ und ihrer Desk ription setzt sich durch
systematisieren (198), seine Grundbegriffe (Herder 1985, Werke I, 605). Den Zirk el der
sind ihm durch diese Sprache gegeben (424 f). Reflexivität im Sprachursprung k ann Herder
Neben diesen Argumenten der ›ordinary lang- hier deshalb noch nicht lösen; erst das ›innere
uage philosophy‹ (s. Art. 60) findet sich auch Wort‹ der Logosmystik wird ihm dazu ver-
helfen, das in der Ursprungsschrift bei der
26.  Johann Gottfried Herder (1744—1803) 351

Bildung der äußeren Sprache mit dem Zu- maligen Verarbeitung des in den anderen
fallsmodell in Wechselbeziehung tritt. Künsten schon Verarbeiteten (163). Freie Re-
flexion des (veranlaßt) Reflek tierten ist die
4.5.  Hatte Herder in den Fragmenten die Spra- ›Erfindung‹ der Sprache, wie die Ursprungs-
che schwerpunk tmäßig philologisch betrach- schrift sie bestimmt. Diese in die Transzen-
tet und als Gegebenheit, Schatzhaus, Sprach- dentalphilosophie führende Struk tur hat Her-
umfang, Sprachmaterie, Werk zeug, Form und der wohl erstmals in ästhetischem Zusam-
Grenze des Denk ens, k urz als ›ergon‹ gesehen, menhang erprobt.
so wird im 1. Kritischen Wäldchen (1769) in
der Auseinandersetzung mit Gotthold Eph-
raim Lessing (1729—1781) der ›energeia‹- 5. Über den Ursprung der Sprache
Aspek t, Sprache als Hervorbringung aus und (1770, ersch. 1772)
Wirk ung durch Kraft, der bisherigen Auffas-
sung k omplementär hinzugefügt. In Laokoon 5.1.  Die 1770 geschriebene, preisgek rönte und
hatte Lessing noch Jean-Baptiste du Bos 1772 von der Berliner Ak ademie der Wissen-
(1670—1742) die Zeichen der Malerei als schaften veröffentlichte Abhandlung ist Her-
simultan, die der Poesie als suk zessiv bezeich- ders bedeutendste sprachphilosophische
net und daraus Folgerungen für die bevor- Schrift, die auch sogleich Aufsehen erregte
zugten Gegenstände von Malerei und Poesie und als der Beginn der Sprachphilosophie als
abgeleitet. Herder argumentiert dagegen Disziplin betrachtet werden k ann. Herder
(§ 16 ff), die Suk zession gelte für Zeichen der antwortete auf folgende Frage der Ak ademie
Musik und sei der Sprache nur sekundär: [meine Übers.]:
„die Künste, die Werke liefern, wirk en im Raume; „Angenommen, die Menschen seien ihren natürli-
die Künste, die durch Energie wirk en, in der Zeit- chen Fähigk eiten überlassen: sind sie imstande,
folge; die schönen Wissenschaften, oder vielmehr Sprache zu erfinden? Und mit welchen Mitteln
die einzige schöne Wissenschaft, die Poesie, wirk t werden sie von selbst zu dieser Erfindung gelangen?
durch die Kraft“ (Herder 1877—1913, Sämmtl. Eine Hypothese ist verlangt, die die Sache k lar
Werke III, 137). entwick elt und die allen Schwierigk eiten Genüge
Dabei ist Kraft als Synthese des Werk - tut“.
Bildenden und des Energetisch-Musi k ali- In zwei Punk ten wich er von der Tendenz
schen zu denk en, denn Poesie wirk t auf die der Frage ab: Erstens lieferte er k eine ›Hypo-
bildliche Phantasie wie „eine Art von Male- these‹ — etwa einen ›philosophischen Roman‹
rei“, eine „Musik der Seele“ (138). Handlung wie das Lebensalter-Fragment —, sondern
endlich (Lessings bevorzugter Gegenstand) ist stützte jeden seiner argumentativen Haupt-
nicht bloß Suk zession, sondern ›Successives schritte auf „feste Data aus der menschlichen
durch Kraft‹, die das Aufeinanderfolgende für Seele“ (Herder 1985, Werke I, 810, 22 f). Es
den Verstand in ursächliche und sinnstiftende ist die empirische Logik der sinnlichen (hier
Zusammenhänge bringt. — Das 4. Kritische psychischen) Erfahrung, die neben der oft mit
Wäldchen (1769, unveröffentlicht) bringt eine leibnizischen Argumenten operierenden Lo-
erste große Erforschung des Gehörs und des gik des Verstandes und der bildhaft analo-
Tones der Sprache als unmittelbarste Wir- gisch argumentierenden Logik der Einbil-
k ung auf die Seele (Herder 1877—1913, dungs k raft in zunächst k on k urrierenden,
Sämmtl. Werke IV, 122; 160 f). Die Unter- dann k omplementären Argumenten die ge-
scheidung des Menschen vom Tier wird zwar dank liche Struk tur der Abhandlung aus-
besprochen, Sprache als Vehik el der Tradie- macht. Zweitens folgte er mit seiner Frage
rung menschlicher Errungenschaften betont; nach dem ›Ursprung‹ der Sprache nicht der
für das eigentliche Problem des Zirk els der Frage der Ak ademie nach der ›Erfindung‹
Reflexion auf als solche anerk annte Zeichen, und Entstehung der Sprache aufgrund der (als
des Übergangs vom Symptom des Tierlauts bek annt angenommenen) natürlichen Fähig-
zu dem als solches gemeinten Symbol hat k eiten des Menschen: die Ursprungsk ategorie
Herder hier nur eine instink t-artige Lösung, spielt nicht nur direk t auf die in der Ak ade-
das „Bedürfniß zu bezeichnen“ (115 f). Der miefrage zur Disk ussion stehenden Arbeiten
Lösung der Ursprungsschrift näher brachte Condillacs und Süßmilchs an, in deren Titel
ihn sein schon seit der Kritik der Aesthetica sie jeweils erscheint (s. Art. 65), sondern sie
Alexander Gottlieb Baumgartens (1714— erhebt den eigentlich philosophischen An-
1762) (Herder 1985, Werke I, 669, 23—33) spruch, mit der Lösung des Condillac-Süß-
erwogenes Modell der Poesie als einer noch- milchschen Zirk els die Selbstbegründungs-
352 II. Personen

problematik der Vernunft zu beheben und natürlicher wechselwirk end gemischter Spra-
implizit auf die Frage nach dem Wesen des che trennen läßt.
Menschen eine Antwort zu geben. Mit der
Rek onstruk tion des Menschen als Sprach- 5.3.  Der erste Teil der Abhandlung stellt, der
wesen überhaupt, ›durch das Gott Sprache von Herder seit 1770 auch k ulturhistorisch
wirk t‹ und damit zugleich Kultur, Tradition, abgesicherten Schöpfungshieroglyphe gemäß,
Geschichte, geht diese Abhandlung in ge- sechs Ursprünge der Sprache in dialek tischer
nauer Einschätzung der Dignität der Sprach- und reflexiv dialek tischer Stufung auf — drei
problematik weit über die Fachfrage hinaus Ursprünge für den Menschen als Naturwesen,
zum Entwurf der anfangs besprochenen Phi- drei Ursprünge, in denen der wesentliche
losophie der Herrlichk eit, die Sprache, Kultur Mensch sich dieser natursprachlichen Ele-
und Geschichte der Menschheit als reflek - mente bemächtigt und so seiner real gemisch-
tierte Form der sich in die Zeit entfaltenden ten Natur eine real gemischte äußere Sprache
göttlichen Schöpfung versteht und ihr damit gibt. Der zweite Teil der Abhandlung bringt
auf der Schwelle zur Moderne noch einmal k einen Ursprung, sondern betrifft die Aus-
einen Sinn gibt. breitung und Festigung der Sprache(n) nach
vier ›Naturgesetzen‹, deren letzteres drei ›Di-
5.2.  Von verschiedenen Forschern ist k ritisch mensionen‹ aufweist und bis zur Ausbreitung
vermerk t worden, daß der Begriff des ›Ur- sprachgetragener Kultur über die gesamte
sprungs‹ weder immer dasselbe bedeutet noch Erde und Geschichte führt. Im zweiten Teil
bezeichnet. Schon früher hatte Herder den ›ruht‹ Gott vom Ursprungswerk des ersten,
Ursprungsbegriff den drei ›Logik en‹ gemäß während sich das in Gang gesetzte Sprach-
historisch, philosophisch und dichterisch ge- wesen wiederum in ›siebentägiger‹ Selbst-
faßt (Herder 1985, Werke I, 601 f) und sprach schöpfung ausbreitet und ausbildet. Ich fasse
in der Ursprungsschrift unterscheidend z. B. die Sprachursprünge des 1. Teils k urz zusam-
von ›diesem Ursprunge‹ im Unterschied zu men, muß jedoch vom IV. Ursprung an mehr
einem andern (737, vgl. 725). Analog wendet ins Detail gehen, weil hier einige Mißver-
er den Sprachbegriff auf eine Vielzahl unter- ständnisse der bisherigen Forschung auszu-
schiedlicher Phänomene an und ist auch be- räumen sind:
reit, für einige von ihnen den Begriff zurück - (I) Natürlicher Ursprung: Sprache der Emp-
zunehmen (708, 7—19). Herder muß also mit findungen (Herder 1985, Werke I, 697—
vollem Bewußtsein seinen Begriff polysem 698, 31)
aufgebaut haben. Eine unabsichtliche „Ver-
mischung der Problemebenen“, die zu einer Naturgesetzlich bestimmte Lautäußerung tie-
„uneinheitlichen und schwank enden Lehr- rischer und menschlicher Organismen; me-
meinung Herders gerade im Grundsätzlichen“ chanisches ›Mitschwingen‹ anderer beim Er-
geführt hätte, eine mangelnde „Trennung von tönen solcher Naturschreie.
wissenschaftlicher Gegenstands- und philo- (II) Genetischer Ursprung: Völkersprache für
sophischer Sinnproblemati k “ darf Herder jede Gattung (Herder 1985, Werke I, 698,
deshalb nicht nachgesagt werden (Heintel 32—702, 2)
1964, XVIII f), ehe seine Methode (a) der Gattungsspezifische ›Natursprachen‹ (auch
dreifachen Logik und (b) des dialek tisch ge- des Menschen als ›Tiergattung‹) aufgrund un-
stuften Aufbaus nach der Schöpfungshiero- terschiedlichen ›Nervenbaus‹ zur Bewältigung
glyphe nicht erk annt ist, die ihrer Struk tur gattungsspezifischer Lebenssituationen. Reste
nach, mit einfachen, widersprechenden, syn- als Ak zent, Tonart, Schwung, Interjek tion in
thetisch verbundenen, dann reflexiv aufge- ursprungsnahen Sprachen. Der Totalität von
stuften Begriffen arbeitet und deshalb poly- (I) als Unterschiedenheit entgegengesetzt.
seme Begriffe schaffen muß. Neben den Be-
griffen ‘Ursprung’ und ‘Sprache’ ist es ins- (III) Lebendiger Ursprung: rührende Spra-
besondere der Begriff ‘Mensch’, der polysem che (Herder 1985, Werke I, 702, 3—708,
gebraucht wird und bei dem die bisher nicht 3)
beachtete Unterscheidung zwischen real exi- Der Ursprungsbegriff ist hier charak terisiert
stierendem und wesentlichem Menschen einen als lebendiger ›Othem‹ Gottes, der aus dem
Schlüssel für das Verständnis der Abhandlung ›stöhnenden Vieh‹ wie aus den Hauchlauten
bietet, weil sich damit auch wesentlich ursprungsnaher Sprachen tönt. Diese Ach-
menschliche von realer, aus wesentlicher und Laute etc. sollen rühren, sind jedoch nur ver-
bindend, nicht nötigend wie die erzwungenen
26.  Johann Gottfried Herder (1744—1803) 353

Laute in (I). Das ›Band‹ des lebendigen Gei- stink tfestlegung und natürlicher Tiersprache
stes verbindet intentional (III) das Unter- auf: je geringer die Triebfestlegung, desto dif-
schiedene (II) zur (empfindsamen) Einheit (I), ferenzierter die Sprache. Empiristisch-biolo-
von der der Verhärtete und der Barbar wie gisch gesehen, läßt sich ein Wesen denk en,
das Tote ausgeschlossen bleiben. — Wo sie dessen Triebfestlegung Null, dessen Sphäre
überhaupt beachtet werden, gibt es zu diesen Unendlich und dessen Sprache der Propor-
drei ersten Ursprüngen zwei Ansichten: Ru- tion entsprechend unendlich differenziert,
dolf Haym (1880, II, 404) vernachlässigt sie, reichhaltig und deshalb ohne jegliche Festle-
da diese Tierlaute „noch gar nicht menschli- gung durch die ›Natur‹ sein muß: „Wie spricht
che Sprache“ sind; Hans Dietrich Irmscher der Mensch von Natur? Gar nicht!“ (Herder
(1966, 141 f) macht darauf aufmerk sam, „daß 1985, Werke I, 714, 37). — Es ist notwendig,
mit diesem Begriff einer Natursprache [...] hier die vorgeschlagene Unterscheidung zwi-
eine wesentliche Seite der menschlichen Spra- schen dem wesentlichen und dem realen Men-
che getroffen ist“, die in Interjek tionen und schen zu machen. So wie in den realen Spra-
rührender Kraft der Poesie wirk sam bleibe. chen natursprachliche Elemente erhalten blei-
Haym hat Recht: Herder sieht die natur- ben, ist der reale Mensch aus ›empfindsamer
sprachlichen Elemente nicht als Teil der Maschine‹ und wesentlichem Menschen zu-
„menschlichen Sprache“ (Herder 1985, Werke sammengesetzt. Die folgenden Abschnitte zei-
I, 708, 7—19). Irmscher hat Recht: Herder gen, wie der wesentliche Mensch die Instink t-
betont, daß diese Elemente Teil der Sprache leistungen der empfindsamen Maschine und
der Menschen bleiben. Der scheinbare Wi- Sprache sich zueignet; geschähe dies nicht,
derspruch löst sich, wenn man erk ennt: Die gäbe es k eine hörbare menschliche Sprache,
reale Sprache der Menschen ist neben k eine Tradition, k eine Geschichte. Sie sind
›menschlicher Sprache‹ aus ›Natursprache‹ Funk tionen der Ausbreitung des ›Ich‹ ins
k onstituiert. Schon das Erheben der Stimme ›Nicht-Ich‹, wie Johann Gottlieb Fichte
überhaupt und das Aufmerk en des andern (1762—1814) es formulieren wird, Funk tio-
beim Ertönen der Stimme (I), die gattungs- nen der ›Verherrlichung‹, der Sichtbarma-
spezifischen Lautäußerungen, die beim Men- chung und Offenbarung des Göttlichen. Kon-
schen als Interjek tionen, als danach ›gemo- tinuität und Differenz zwischen Mensch und
delte‹ Wortwurzeln, als Ton und Ak zent der Tier sind also denkbar.
Rede erscheinen (II), dann die unartik ulierten (IV) Wesentlicher geistiger Ursprung: Wort
Elemente der Aussprache (Vok alismus, bes. der Seele (Herder 1985, Werke I, 715,
Hauchlaute), die nur halbwegs domestizierten 19—733, 27).
„wilden Töne freier Organe“ (Herder 1985,
Werke I, 705, 9 f) und die durch Assoziation Idealistisch betrachtet erscheint der zuneh-
als Nebenbegriffe an Wörter, Wendungen, mende Mangel an Triebbestimmung in der
Sprechtöne und -situationen gek nüpften Ge- Sphäre als Zunahme an Freiheit. Der Mensch
fühlswerte (III): das sind die realen Anteile (als wesentlicher Mensch) ist dadurch defi-
und Konstituenten aus der Natursprache in niert, daß er nirgends instink tgeleitet ist, „auf
den Sprachen der Menschen, die je nach ›Ur- k einen Punk t blind fällt und blind liegen
sprünglichk eit‹ mehr oder weniger solcher bleibt“ (Herder 1985, Werke I, 717, 4). Herder
Anteile enthalten. tut also „k einen Sprung“ (715, 9), auch als
wesentlicher ist der Mensch Teil der Natur,
5.4.  Bevor nun der wesentlich menschliche braucht k eine durch einen speziellen Schöp-
Ursprung eingeführt wird, ist das Verhältnis fungsak t verliehenen Fähigk eiten (716, 1—3).
zwischen Tier und Mensch so zu k lären, daß Die ›wunderbare‹, beobachtbare, aber nicht
sowohl Kontinuität gewahrt wie Differenz ge- erk lärbare Proportion (712, 15 f) in jeder
setzt ist. Den Hinweis auf dieses Problem Sphäre, also auch in der des Menschen, ist
leistet die Auseinandersetzung mit Condillac durch die „Haushaltung der Natur“ geordnet,
(Herder 1985, Werke I, 708, 5—711, 28), in die „gegen jedes Insek t die liebreichste Mutter
der Herder dessen Philosophie mit einigen war“ (Herder 1985, Werke I, 715, 15 f; 25 f).
polemischen Verzerrungen wiedergibt, den Diese imaginative Argumentation ruft bibli-
nicht aufgelösten Zirk el jedoch richtig be- sche Vorstellungen von Haus und Haushal-
nennt. Mittels des Sphärenbegriffs, der impli- tung Gottes auf; schon das Naturgesetz in der
zit schon die gattungsspezifische Lebenssitua- „Mechanik fühlender Körper“ ist segensreich
tion des Ursprungs (II) bestimmt, stellt Her- (Herder 1985, Werke I, 697, 25 f; 698, 10—14).
der eine umgek ehrte Proportion zwischen In- Die Natur ordnet auch das Vernunftlose ver-
354 II. Personen

nünftig, und zwar proportional durch Bestim- wußtseinstatsachen, die die Bedingungen ih-
mung und Festlegung. Wird nun in dieser rer Möglichk eit angeben. ›Besonnenheit‹ ist
Haushaltung ein absolut unbestimmtes Wesen nicht, wie Erich Heintel (1964, XLVI) meint,
gedacht, so bestimmt die Natur diese Unbe- eine ›Unbek annte‹, aus der dann eine andere
stimmtheit. Der Mensch (als wesentlicher) ist Unbek annte (Sprache) erk lärt wird, sondern
geradezu durch diesen fundamentalen Wider- ein Begriff für die Bedingung der Möglichk eit
spruch definiert: als Freier ist er bestimmt des Erk ennens, der aus der radik alen Bestim-
(zur Freiheit), als Bestimmter (der sein Wesen mung zur Freiheit abgeleitet wird — daher
nicht wählen k ann) ist er frei. Während bei neben der erk enntnistheoretischen die ethi-
den Tieren das Verhältnis zwischen Bestimmt- sche Komponente in dem Begriff (Herder
heit und Unbestimmtheit nur proportional 1985, Werke I, 720, 14 f). In der ›Disposition‹
verschieden ist, schlägt beim (wesentlichen) oder ›Richtung‹ seiner Kräfte reflek tiert sich
Menschen die quantitative Zunahme der Un- die disponierende Haushaltung der Natur im
bestimmtheit in die Qualität der Freiheit um. Menschen. Der Begriff der Besonnenheit hat
also als transzendentale Ermöglichung der
5.5.  Mit jeder Äußerung und Anwendung sei- Reflexion der Sinnlichk eit eine empirische, als
ner Freiheit bestimmt sich der Mensch selbst, durch Mäßigung anleitende Freiheit eine
legt sich selbst fest, k ommt sich also in seinen idealistische, als haushaltende Geschöpflich-
Festlegungen und Selbstbestimmungen ent- k eit in der Haushaltung der Natur eine ima-
gegen: er ›bespiegelt‹ sich (Herder 1985, ginative Perspek tivierung. Hier k ommt das
Werke I, 717, 3—8). Dies ist die reflexive Problem der dreifachen Argumentation in
Grundstruk tur der wesentlich menschlichen den Blick , das Kant in der Nebeneinander-
Tätigk eit, die sich selbst zum „Zweck und Ziel stellung seiner drei Kritik en dok umentierte:
der Bearbeitung“ nimmt (717, 3—8). Auch Im dreifach gewendeten Begriff der Beson-
die Sinneseindrück e und Vorstellungen (der nenheit denk t Herder die transzendentale
empfindenden Maschine) werden nicht nur Synthesis des ganzen wesentlichen Menschen,
erk annt, sondern zugleich an-erk annt; d. h. nicht nur die seines Erk ennens oder prak ti-
mit der Bestimmung des Objek ts reflek tiert schen Handelns oder zweck mäßigen Daseins.
sich zugleich das Bestimmende als bestim- Sich ›bespiegelnd‹ k ann jedoch der Mensch
mend (716, 34—36). Die Sinnes- und Vor- nur dreifach perspek tivisch von sich reden, z.
stellungstätigk eit der „Organisation des Kör- B. über die Struk tur der Besonnenheit als eine
pers“ (717, 17) wird durch die Wirk ung der Kraft, eine Mannigfaltigk eit von Kräften und
Freiheit zur Be-sinnung (717, 10), die auf eine eine Disposition/Richtung dieser Kräfte (vgl.
mit sich selbst k onsistente Synthesis und Be- Herder 1985, Werke I, 717, 15—22). Die ver-
dingung der Möglichk eit aller jeweiligen Be- schiedenen Richtungen der Philosophie, die
sinnungen, die ›Besonnenheit‹ (719, 10 f) be- sich einer dieser Interpretationen verschrei-
zogen sein muß, wenn der Mensch sich als ben, erscheinen als perspek tivisch einge-
„Zweck und Ziel der Bearbeitung“ nicht ver- schränkte Diskursformen (717, 22—27).
lieren will. Herder hat hier nach meiner Über-
zeugung unter dem Namen ‘Besonnenheit’ die 5.6.  Sprache aus diesem wesentlich mensch-
transzendentale Synthesis der Apperzeption lichen Ursprung hat nichts mit äußerer hör-
k onstruiert, die in der Kantschen Erk enntnis- barer Sprache zu tun, ist aber deren wesent-
theorie von 1781 die zentrale Rolle spielt, wie liche Voraussetzung. Herder nennt sie in An-
er mit der ›Freiheit‹ die Idee der prak tischen k nüpfung an die Tradition des ›inneren Wor-
Vernunft k onstruiert hat. Die „festen Data tes‹ (bei Platon, s. Art. 14, Aurelius Augusti-
aus der menschlichen Seele, der menschlichen nus, s. Art. 16, Meister Eck hart, ca. 1260—
Organisation“ (Herder 1985, Werke I, 810, 1327, Martin Luther, 1483—1546, Shaftes-
22 f), auf die Herder sich zum Beweis seines bury) ‘Wort der Seele’. In Ferdinand de Saus-
Konstruk ts beruft, sind, was beim Menschen sures (1857—1913) (s. Art. 36) Terminologie
›Vernunft‹ heißt und was bei ihm ›Freiheit‹ ließe sich von einem ›signifié‹ reden, der noch
heißt (Herder 1985, Werke I, 717, 18 f) — mit k einen ›signifiant‹ besitzt und in seiner we-
dem ‘heißen’ wird auf die subjek tiv erfahre- sentlichen Form auch nicht darauf angewie-
nen Tatsachen des ›cogito‹ und der Nicht- sen ist. Der wesentliche Mensch als solcher
Determiniertheit des Handelns hingewiesen, k ommuniziert nicht — er hat k eine ›andern‹
also die Realgründe für die Annahme von — und geht k eine Konvention ein, außer mit
Vernunft und Freiheit. Herders Konstruk te sich selbst. Die Theorie der Sprachentstehung
sind aus dieser Sicht Erk lärungen von Be- aus der wesentlichen Besonnenheit (Herder
26.  Johann Gottfried Herder (1744—1803) 355

1985, Werke I, 722, 7—723, 5) wird erst ver- ist zugleich nichts anderes als Gedank e, ›Wort
ständlich, wenn man beachtet, daß die Beson- der Seele‹, ›Name‹ ohne Wortlaut — diese
nenheit im realen Menschen nicht etwa von Sprache ist Vernunft; Vernunft hat Sprach-
Anfang an und ihn vollständig beherrschend charak ter. Zugleich muß k lar sein: der we-
wirk t, sondern gradmäßig gestuft erscheint sentliche Mensch ohne die Dialek tik mit dem
(721, 22—25). Aus dieser Dialek tik des be- sinnlichen, ohne den Zustand des Gesetzt-
sonnen-wesentlichen mit dem sinnlichen seins, hätte weder Sprache noch Vernunft (in
Menschen erst läßt sich der Satz „Der Mensch dieser Definition), noch k önnte er sie entwik -
in den Zustand von Besonnenheit gesetzt keln.
[...]“ (722, 7—9) nicht als Tautologie verste- Als ›Wort der Seele‹ bilden sich die drei
hen, wie Wolfgang Proß (1978, 177) ihn deu- Logik en. Eine Welle im ›Ozean der Empfin-
tet. Der Satz bedeutet, daß der wesentliche in dungen‹ wird angehalten, die Seele merk t auf
den sinnlichen Menschen, wenn auch nur in und hat zugleich das Bewußtsein, „daß sie
geringem Grad, eingelassen wird und nun ein aufmerk e“ (Herder 1985, Werke I, 722, 22).
›Zustand‹ des realen Menschen in der ihn Sinnenbezogene Besonnenheit k onstituiert
bestimmenden Dialek tik beginnt — als Set- sich als reflek tierende, d. h. zugleich auf sich
zender k ann nur Gott oder die Natur ange- aufmerk ende Aufmerk samk eit. — Analog
nommen werden, eine Erk lärung k ann es da- tritt der Mensch erst in sein Wesen, wenn
für nicht geben. Besonnenheit als Freiheit und seine Besonnenheit als ›Moment des Wachens‹
Form gerät mit Zustand und Gesetztsein in aus dem schwebenden Traum der Bilder sei-
Widerspruch (Krüger 1967, 4 f): das veranlaßt ner Einbildungsk raft eine sinnlich k lare Ge-
die Ak tivierung der Besonnenheit zur ›Refle- samtvorstellung herausgreift, die den Gegen-
xion‹. Wo dann diese Reflexion nicht nur stand repräsentiert und als solche ak zeptiert
durch den Widerstand des Zustands veran- wird, verbunden mit der Selbst-Vorstellung
laßt, sondern ›zum ersten Mal frei würk end‹ des Wachens und Gesammeltseins (722,
sich erfährt, verbindet sich (veranlaßte) Re- 22—27). — Die Logik des Verstandes bildet
flexion auf den Widerstand mit (freier) Refle- sich da, wo die Besonnenheit auf die schon
xion auf sich selbst. Der Reflek tierende re- von ihr anerk annten Produk te der Sinnlich-
flek tiert sein Reflek tieren auf die Sache; dies k eit und der Einbildungsk raft noch einmal
ist die Struk tur der An-erk ennung, die über wirk t: dann werden Merk empfindungen oder
die Apperzeption der Sache hinaus zugleich Merk male zu ›Eigenschaften‹ erk lärt, d. h. zu
die Apperzeption des Erk ennenden, das Be- solchen, die den Gegenstand als unterschei-
stimmen des Gegenstandes und das Bestim- dende im System der angrenzenden Gegen-
men seiner selbst in Relation zum Gegenstand stände verorten sollen; der Mensch anerk ennt
impliziert. Es ist die Struk tur des Zeichens, sie ›bei sich‹, ist sich also dieses Konstitutions-
dreistellig in der Beziehung zwischen k onsti- ak tes bewußt. Damit ist der sie als solche
tuierender Reflexion, anerk anntem Zeichen anerk ennende, erk ennend als eigene erk en-
und dem durch es Repräsentierten. Man k ann nende Mensch hinsichtlich ihrer auch ›bei
also nicht behaupten, „daß Herders Versuch, sich‹, d. h. bei sich als der Identität des An-
die Sprache aus dem allgemeinen, als Fähig- erk ennenden in den Ak ten des Anerk ennens.
k eit zu begrifflicher Erfahrung bestimmten, Hier zeigt sich wieder der Charak ter der Be-
Wesen des Menschen abzuleiten, gescheitert sonnenheit als transzendentale Synthesis, nun
ist“ (Seebaß 1981, 41). Herders Punk t ist ge- der Sinnlichk eit, der Einbildungsk raft und der
rade, daß Sprache nicht mit dem Wesen des Apperzeption. Es zeigt sich auch deutlich, daß
Menschen gegeben ist (das wäre tautologisch), eine ›bemerk te‹ Empfindung, eine wachbe-
daß Sprache nicht durch Nachahmung gefun- wußte Gesamtvorstellung, eine unterschei-
den, sondern erfunden wird — wer erfindet, dende Eigenschaft mit Sprache als wörtlich
anerk ennt seinen Fund und verleiht ihm da- verfaßten Zeichen nichts zu tun hat. Herder
mit wieder Zeichenstruk tur. Damit ist auch nennt diese Denk -Elemente wegen ihres rich-
der Condillac-Süßmilchsche Zirk el behoben: tig analysierten Zeichencharak ters gleichwohl
in der Dialek tik zwischen wesentlichem und ‘Sprache’ (was ihm viele Mißverständnisse
sinnlichem Menschen k onstituieren (veran- eingetragen hat). — Nur hinweisen k ann ich
laßte) Reflexion, (frei wirk ende) Reflexion auf hier auf das k omplexe Wechselspiel zwischen
die Reflexion, und Besonnenheit als transzen- der ak tiven Konstitution von Merk malen und
dentale Synthesis beider ein Zeichen, das mit der passiven Veranlassung dazu (vgl. Herder
allen andern ebenso erfundenen Zeichen k on- 1985, Werke I, 723, 1—3). Herders Begriffs-
sistent ist und damit Sprachcharak ter hat. Es zeichen ist in der Dialek tik von Freiheit und
356 II. Personen

Bestimmung, Ak tivität und Passivität erfun- zeugen, ein spezifisch menschliches Zeichen,
den. Gerade daran zeigt sich wieder, daß nicht „vom Verstande in Laute gedichtet“ (Herder
einmal der Begriff, das ›Wort der Seele‹ dem 1985, Werke I, 740, 17—19). — Diese Lall-
Menschen gegeben, sondern immer erst im und Interjek tionssprache des Kleink indes —
Wechselspiel zwischen wesentlichem und sinn- darum handelt es sich! — ist also schon ein
lichem Menschen, zwischen Freiheit und Be- wesentliches Instrument in der Besitzergrei-
stimmtheit erfunden ist. Daraus folgt auch, fung der Besonnenheit über die Sinnlichk eit.
daß diese Sprache ein „Einverständnis seiner Da die tönende Natur umgek ehrt als anre-
Seele mit sich“ ist (Herder 1985, Werke I, 725, dend gedeutet wird, entsteht mit der ersten
15). Herder hat die Konventionalität und hörbaren Sprache die Mythologie (Herder
Kommunik ativität bereits des begrifflichen 1985, Werke I, 738, 10—35). Die stark vari-
Denk ens erk annt (733, 21—25). Wie die Be- ierte Intonation und Ak zentuierung läßt diese
sonnenheit als Punk t in einem sinnenhaft or- älteste Sprache wie Gesang erscheinen; sie
ganisierten Körper und Ozean von Empfin- bleibt als Ak zent und Intonation in jüngeren
dungen beginnt, so fängt Sprache in (jedem) Sprachen erhalten (741 f), geht aber bei deren
Individuum an, ist aber tendenziell auf Mit- Formung insgesamt verloren (739, 34—36);
teilung an die Menschheit gerichtet. sie ist k onstitutiv nur für die angenommene
poetische Muttersprache des Menschen.
5.7.  Nun k ommt Herder zur äußeren Sprache: (VI) Gesamtmenschlicher Ursprung: Sprache
(V) Sinnlicher, hörender Ursprung: lallendes und Sprachschaffung (Herder 1985,
Wörterbuch, Sprachgesang (Herder Werke I, 742, 33—767, 28)
1985, Werke I, 733, 29—742, 31) Im Sprachursprung (IV) geht es um Merk -
Die erste hörbare Sprache, die der Mensch zeichen des Denk ens, die die Besinnung mit
als wesentlicher gestaltet, unterscheidet sich Hilfe der Sinnlichk eit bei sich erfindet, in (V)
vom Wort der Seele erstens durch sinnliche um Laute, die die sinnliche Organisation, an-
Wahrnehmbark eit, zweitens durch (sek un- geleitet von der Besonnenheit, als Zeichen für
däre) Abbildfunk tion zum Wort der Seele die Merk zeichen erfindet. Jetzt werden diese
(736, 9—11). Wenn, wie Herder gezeigt hat, gegenläufigen Ursprünge synthetisch so ver-
die Merk -Eigenschaft des Objek ts bereits Zei- bunden, daß im Medium der vom Menschen
chen ist (für das Objek t, für den bezeichnen- als ›ergon‹ geschaffenen Sprache und als
den Verstand), so ist das Laut-Zeichen, das ›energeia‹ stets wirk enden Sprachschöpfung
hier Naturlaute und -geräusche nachahmt, die Vernunft sinnlich und die Sinnlichk eit ver-
Zeichen des Zeichens (so auch Schmidt 1968, nünftig werden, daß sich also der Mensch
47; Krüger 1967, 5; dagegen Weber 1939, 16; durch die Sprache geschichtlich zu sich selbst
39; Proß 1978, 157; Seebaß 1981, 30). Daß bringt, zu seiner Menschheit k ommt. Beson-
das Zeichen des Zeichens ein ak ustisches Vor- nene Sinnlichk eit macht aus dem Menschen
bild in der Natur hat (während das ›Wort der ein „denk endes sensorium commune“ (Her-
Seele‹ nicht ak ustisch, sondern eine inwendige der 1985, Werke I, 743, 35—744, 1). In sin-
Vorstellung z. B. des ›Blök ens‹ ist; Herder nenhaft sich bezeichnender Besonnenheit er-
1985, Werke I, 724, 9—15), erleichtert die scheint der Mensch als
Konstitution ka ustischer, selbst hervorge- „Einheit und Zusammenhang! Proportion und
brachter Zeichen. Es handelt sich jedoch bei Ordnung! Ein Ganzes! Ein System! ein Geschöpf
diesen Lauten k eineswegs um platte Nach- von Besonnenheit und Sprache, von Besinnung und
ahmung, sondern um Nachbildung „inner- Sprachschaffung!“ (Herder 1985, Werke I, 750,
halb der natürlichen Tonleiter der menschli- 20—24).
chen Stimme“ (Herder 1985, Werke I, 742, Küntzel (1936, 55) sieht in dieser Formel
1—5) so, daß die hervorgebrachten Laute den die Zusammenfassung des philosophischen
gattungsspezifisch menschlichen „Naturtrie- Teils der Sprachschrift und ihren Höhepunk t.
ben [...] angemessen“ sind (741, 21—23); sie In der Tat treten hier Besonnenheit als Zu-
dienen dem Zweck , wie der ursprüngliche stand und als Handlung, ihr sprachliches Zei-
Laut „tief in die Seele hinein“ zu wirk en und chen als Zustand (›Sprache‹, ›ergon‹) und als
zu rühren (734, 29—31) — die drei ersten Handlung (›Sprachschaffung‹, ›energeia‹) her-
Sprachursprünge wirk en hier mit dem vierten, vor. Die Besonnenheit wirk t als Disposition,
für den eine angemessene Laut-Repräsenta- die Besinnung als Richtung der Kräfte über
tion k onstituiert werden soll, zusammen, um einem von der Natur vordisponierten Sinnen-
eine k omplexe Interpretationsleistung zu er- organismus, der die Besonnenheit wenn nicht
26.  Johann Gottfried Herder (1744—1803) 357

enthält, so doch herbeiruft und ermöglicht. Indem die transzendentale Synthesis der Be-
Hier zeigt sich noch einmal ganz deutlich, daß sonnenheit die Seele zur „Kraft unverruck t
Herder die sinnliche Natur des Menschen von zu sammlen“ macht (Herder 1985, Werke I,
vornherein als äußeres Zeichen, als ›Herrlich- 773, 14 f), wird die Geschichte des individu-
k eit‹ einer in ihr sich entwick elnden Vernunft ellen Bewußtseins, Gedächtnisses und seiner
sah, daß dies die Humanität war, die er z. B. Sprache, mit dem Zitat aus Ps. 19,2, zur Ent-
gegen Kants Ansicht von der radik alen Bos- faltung der Herrlichk eit Gottes in die Zeit:
heit des Menschen zu verteidigen suchte. — „ein Tag nicht bloß lehrt den andern: sondern
Nun ist aber die zur ›Vernünftigk eit des Sinn- jede Minute des Tages die andre: jeder Ge-
lichen‹ führende Differenzierung der anfäng- dank e den andern“ (773, 7—9). — Das 2.
lichen gefühlsmäßigen Sinnes-Einheit in Ein- Naturgesetz zeigt, daß die monadische Be-
zelsinne und deren vereintes Wirk en im sen- trachtungsart des ersten durch den Gegensatz
sorium commune dem Menschen weder phy- zu ergänzen ist: „Kein einzelner Mensch ist
logenetisch noch ontogenetisch von Anfang für sich da; er ist in das Ganze des Geschlechts
an gegeben (Herder 1985, Werke I, 745), um- eingeschoben“ (Herder 1985, Werke I, 785,
gek ehrt ist das Lernen, Ausbreiten und Syste- 36—786, 2). Aufgrund der „Haushaltung der
matisieren der Vernunft mittels der differen- Natur zur Gesellung der Menschheit“ (784,
zierten Sinnlichk eit ein langsamer Prozeß: in 4) durch seine ›imbecillitas‹ in die Familie
den k omplementären Bereichen ist geschicht- einbezogen, lernbegierig, Lehrbegierigen zu-
liche Entwick lung nötig, die in fünf Gesetz- gesellt, nimmt er Familiendenk art, -sprache
mäßigk eiten der Sprachentwick lung imagi- und -tradition auf. Dies ersetzt jede Konven-
nativ differenzierend und vergleichend dar- tionalitätsthese (786, 33—787, 2), garantiert
gestellt wird (751—67). Weitergabe und Fortbildung des Tradierten
ohne Arbitrarität und deren Zwang auf an-
5.8. (VII) Realisierung in der Geschichte dere. — Das 3. Naturgesetz, das zur Natio-
(2. Teil). nalsprache führt, verbindet die Singular-
tendenz des 1. mit der Pluralitätstendenz des
Der zweite Teil stellt k einen weiteren Ur- 2. Naturgesetzes. — Das 4. Naturgesetz ist
sprung heraus, sondern macht die Entwick - synthetisch, sofern es projek tiv die zum Ein-
lung der Sprache aus dem Zusammenwirk en zelnen, zur Familie, zur Nation gemachten
der sechs analysierten Sprachursprünge unter Aussagen auf das Menschengeschlecht aus-
verschiedenartigen Bedingungen zum Gegen- weitet, den ersten mit dem letzten Menschen-
stand. Wenn bisher an einen Sprachursprung, gedank en verbindet (Herder 1985, Werke I,
der k ausal von der realen Gesellschaft der 800, 30—32), den „sonderbaren, charak teri-
Menschen abhinge, nicht gedacht war, ob- stischen Plan“ für den Menschen (799 f) zur
wohl jeder der Sprachursprünge auf Bezie- Fortbildung von Sprache, Kultur, Erziehung,
hung zu anderen angelegt ist, so muß jetzt Gattung sichtbar macht und auf dem synthe-
überlegt werden, wie Individuen einander ge- tischen Prinzip der Einheit im Einzelnen,
genseitig verstehen und eine gemeinsame Mannigfaltigen und Vereinigten beruht. Auf-
Sprache haben k önnen. Herder hat einen grund von (empirischen) Beobachtungen
Ausgleich zwischen Sprachtradition und „nach aller Wahrscheinlich k eit“ (Herder
Sprachschöpfung, Vorverständnis und Inno- 1985, Werke I, 799, 30) idealisch erschließbar,
vation gesucht, der die Dialek tik zwischen k ann er nur mit der religiös-poetischen Vor-
Besonnenheit und Besinnung, Sprache (er- stellung von der ›Haushaltung der Natur‹ er-
gon) und Sprachschaffung (energeia) in die k lärt werden. — Diese ›Haushaltung‹ eröffnet
reale Geschichte expliziert. drei weitere Dimensionen (und vervollstän-
Das 1. Naturgesetz betrifft die Denk - und digt damit wieder die Schöpfungshierogly-
Sprachentwick lung beim Individuum, abge- phe): Während der alleingelassene Einzelne
sehen von seinem Leben in der Gesellschaft. verwildert (Herder lehnt ausschließlich mo-
Auf der Stufe (VII) rek onstruieren die ver- nadische Sprachentwick lung ab!), wird der
schiedenen Kräfte sich nicht nur, sondern sind Fortschritt sprachlicher und k ultureller Fort-
im Medium der Sprache miteinander ver- bildung in „vielfach- und innigvermehrten
tauscht: „der Mensch empfindet mit dem Ver- Verhältnissen“ beschleunigt (Herder 1985,
stande und spricht, indem er denk et“ (Herder Werke I, 805, 6 f). — Äußere Bedrängnis einer
1985, Werke I, 775, 1—3), ebenso Denk en Sprachgruppe intensiviert umgek ehrt Sprach-
und Handeln (769, 22; 770, 16), natürliche k onservatismus und -patriotismus. — Die
und wesentliche Menschheit (770, 10 f, 27 f). eingeschränk t chara
k teristischen Nationen
358 II. Personen

lernen voneinander. Von Asien nach Westen 29 f) gerecht, dem sich die Geschöpfe unter-
wandernd, wird die Fortbildung der Kulturen werfen. Mit dieser Formulierung zitiert Her-
„vielleicht einmal über die Erde reichen“ (806, der eine Stelle aus Hamanns Aesthetica in
29—807, 1) und damit der charak teristische nuce (1762, 83), wonach der in der Sichtbar-
Plan für die Menschheit durch die Geschichte k eit des Leibes verborgene Gott-Mensch k ab-
eingelöst. Die Ursprungsschrift endet mit balistisch der Adam Kadmon, der von Gott
einer großen Prophetie von Sinn und Ziel der zum Ebenbild geschaffene Urmensch ist, den
durch Sprache ermöglichten Geschichte der Herders Schöpfungshieroglyphe schematisch
Humanität. darstellt: die sechs Sprachursprünge sind k ab-
balistisch die Rek onstruk tion der Menschen-
5.9.  Die philosophische und die historische schöpfung; die ›Naturgesetze‹ und ›Dimensio-
Dimension der Herderschen Argumentation nen‹ des zweiten Teils die Auslegungen der-
sind damit im Zusammenhang sk izziert. Ein selben Hieroglyphe in die Geschichte. — Ins-
Blick ist noch auf die religiöse Dimension zu gesamt ist die religiöse Dimension sicher deut-
werfen, die als dritte Disk urslogik ebenfalls lich. Hamann trat sie nicht ausschließlich und
die ganze Abhandlung durchzieht (wenn der stark genug zum Vorschein, weshalb er sich
Text auch für eine der Hochburgen der Auf- in einigen scharfen Schriftchen gegen Herders
k lärung geschrieben war). Der wesentliche Abhandlung wandte (s. Art. 25). Erst nach
Mensch ist „in den Zustand von Besonnenheit dessen Erk lärung, ›daß Gott durch Menschen
gesetzt“ (Herder 1985, Werke I, 722, 7) — die Sprache würk e‹, nimmt er ihn wieder in
wer der Setzende ist, wird später gesagt: Gnade auf. Die zentrale Differenz zwischen
„Über die ersten Momente der Sammlung, muß Hamanns und Herders Sprachauffassung,
freilich die schaffende Vorsicht, gewaltet haben — nämlich die k onstitutive Funk tion der freien
doch das ist nicht Werk der Philosophie das Wun- reflexiven Subjek tivität bei Herder, bleibt in
derbare in diesen Momenten zu erk lären; so wenig dieser Versöhnung unberührt.
sie seine [des Menschen] Schöpfung erk lären k ann.
Sie [...] erk lärt also diese Momente nur mensch-
lich“ (771, 15—22). 6. Sprachtheoretische Äußerungen
Herder wehrt sich nicht einmal gegen bis zu den Ideen
›übernatürliche Erleichterung‹ beim Erfinden
der Sprache, wohl aber gegen Gott als Lehr- 6.1.  In den vollendeten Büchern der Ältesten
meister von Lexik on und Grammatik (Herder Urkunde des Menschengeschlechts (1774)
1985, Werke I, 727, 23—728, 12). Den Text greift Herder nochmals die als III., IV. und
bestimmt durchgängig das Bild von der Haus- V. Sprachursprung disk utierten Probleme auf,
haltung der Natur, das in den naturwissen- läßt ihre damalige ›Leibniz-ästhetische Hülle‹
schaftlichen k Ö onomievorstellungen, den weg, die die Differenz mit Hamann erzeugt
moralischen Argumentationen der Hausvä- hatte, und k ehrt ihre wesentliche Unerk lär-
terliteratur eine wichtige Rolle spielt und von bark eit durch die Dominanz mythisch-reli-
Herder deshalb als überbrück ender Mythos giöser Vorstellungen stärk er als dort heraus.
für den Gegensatz seiner empiristischen und Die ›Besonnenheit‹ spielt hier terminologisch
rationalistisch-idealistischen Argumentation keine Rolle; sie wird in der Sache ersetzt durch
verwendet wird. Das Bild hat eindeutig reli- die ›Älteste Urk unde‹ selbst, jenes Denk bild
giösen Charak ter: in der Haushaltung der Na- der Schöpfungshieroglyphe, mit dem Gott
tur ist der Mensch „zum Sprachgeschöpfe nach k abbalistischer Vorstellung seine Kräfte
gebildet“ (Herder 1985, Werke I, 748, 27 f), (Sephiroth) disponiert und ›gemäßigt‹ hat,
wie überhaupt die Geschöpflichk eit häufig be- das der Schöpfung als Plan und Maßstab
tont wird. Die Haushaltung Gottes durch die zugrunde liegt, im menschlichen Leib und in
Natur, die dem Menschen „göttliche Sprach- der Geschichte der Menschheit schematisiert
natur“ (783, 1 f) verleiht, „zeigt Gott im grö- ist und im Bewußtsein als sprachliche ›ener-
ßesten Lichte“ (809, 28—30). Wenn die Ge- geia‹ und sprachliches ›ergon› sich reflek tiert.
schichte der Menschheit von der Individual- „Das Denk bild ist gleichsam die ganze Cha-
bis zur Gattungsgeschichte Erzählung der k
ra teristische, Historische, Philosophische
Ehre und Herrlichk eit Gottes ist (Zitat aus und Poetische Sprache der Schöpfung“ (Her-
Ps. 19; Herder 1985. Werke I, 773, 7—9), der 1877—1913, Sämmtl. Werke VI, 302) und
dann wird der Mensch gegenüber den ge- stiftet damit wie bei Hamanns Sprachauffas-
schichtslosen Tieren (772, 29—31) erst seiner sung der Schöpfung durchgängige Zeichen-
Würde als „verhüllter sichtbarer Gott“ (735, repräsentation. Der Mensch hat Sprachfähig-
26.  Johann Gottfried Herder (1744—1803) 359

k eit — jetzt wird der in der Ursprungsschrift 7. Ideen zur Philosophie der Geschichte
bek ämpfte (Herder 1985, Werke I, 720 f) Ter- der Menschheit (1784/85)
minus ak zeptiert —, sie bleibt aber tot, wenn
sie nicht ›erweck t‹ wird. Was den Menschen 7.1.  In seinem zentralen geschichtsphiloso-
hier mythisch in den unerk lärlichen „Zustand phischen Werk geht Herder ausführlicher im
von Besonnenheit gesetzt“ hat, ist die wek - 4. und im 9. Buch auf Sprache ein, also vor
k ende Stimme Gottes (Herder 1877—1913, und nach der Besprechung des 1. Teils durch
Sämmtl. Werke VII, 30 f). Indem Gott nicht, Kant in der Jenaischen allgemeinen Littera-
wie in Swedenborgscher Geistersprache, Ge- turzeitung 1785, vor und nach dem Erscheinen
dank en in Adam entstehen läßt, sondern von Kants Ideen zu einer allgemeinen Ge-
Stimme zum Aussprechen von Geboten und schichte in weltbürgerlicher Absicht (1784),
Verboten benutzt (1. Mose 1, 28—30; 2, 16 f), nach dem Erscheinen der Kritik der reinen
wird der Mensch als antwortender und in Vernunft in 1. Auflage 1781. Während das 4.
Reflexion auf seine Freiheit Ver-antwortlicher Buch die Linie einer Weiterentwick lung der
geweck t. Der gebietende Vater weck t nicht seit der Ursprungsschrift gefaßten Gedank en
nur den Gebrauch der Sprachfähigk eit und zur Sprache verfolgt, bringt das 9. Buch deut-
der Sprechwerk zeuge, sondern auch den Ant- lich eine erste Metakritik.
wortenden als Persönlichk eit, indem er seine
Besonnenheit in den Zustand von Selbst-Be- 7.2.  Mit Kants Besprechung und Geschichts-
sinnung setzt. Die dann gebildete Sprache philosophie wurde der zentrale Dissenspunk t
bleibt, nach dem Anstoß durch das Vater- deutlich, der nicht so sehr in der von Kant
prinzip, Leistung des Kindes: die Grundge- einseitig auf Analogiedenk en hin stilisierten
dank en der Ursprungsschrift bleiben also er- und k ritisierten Methodik Herders lag, son-
halten. dern in Kants Funk tionalisierung des indivi-
duellen Lebens für die Vernunft der Gattung,
6.2.  In der Abhandlung Vom Erkennen und während Herder umgek ehrt die Vernunft als
Empfinden der menschlichen Seele (1778) wen- Funk tion der Vollk ommenheit des individu-
det Herder die organhafte Zuordnung von ellen Lebens sah. Gegen die Autonomie der
Außenwelt, Organismus und Innenwelt auch Vernunft und die absolute Geltung ihrer syn-
auf Sprache an (Herder 1877—1913, Sämmtl. thetischen Urteile stellt Herder den semioti-
Werke VIII, 197). Wenn die Seele demnach schen und historischen Charak ter der Er-
Sprache nicht „aus sich selbst“ schöpft, son- k enntnis, die wesentliche Sprachlichk eit des
dern „in einer Schule der Gottheit“ ist (194), Denk ens im doppelten Sinn der Zeichennatur
so wird dennoch nicht bloße Rezeptivität be- des Begriffs und der Angewiesenheit des Den-
hauptet (195): Besonnenheit und Besinnung k ens auf sek undäre Bezeichnung durch Wör-
sind weiterhin k onstitutiv für das Wesen des ter. Damit wird das inzwischen in den Hin-
Menschen. Herder bezeichnet nur hier nicht tergrund getretene Argument von der Zei-
das Produk t dieser Spontaneität (das Merk - chennatur schon des Gedank ens wieder auf-
zeichen) schon als ›Sprache‹. Sprache heißt genommen: „Sprache ist der Charak ter unsrer
hier, dem Obje
k t-Medium-Organ-Zusam- Vernunft“ (Herder 1877—1913, Sämmtl.
menhang dieser Schrift gemäß, erst das dia- Werke XIII, 358), d. h. die formale Vernunft-
lek tische Verhältnis zwischen ›Vernunft‹ und fähigk eit gewinnt je historische Gestalt durch
›Wort‹, zwischen Sprache als ›Bezeichnungs- die Sprache, die sie vernimmt und bildet. —
gabe‹ und äußerer Sprache als ›Wort, Spra- Einen zweiten wichtigen Gesichtspunk t fügt
che‹, also die Beziehung zwischen ›energeia‹ Herder jetzt hinzu: die historisch-situative In-
und ›ergon‹ (Herder 1877—1913, Sämmtl. teressegebundenheit jedes Gedank ens (367 f).
Werke VIII, 197). Im Grunde werden also Der Begriff von der Sache einerseits und das
hier nur Sprache als „Entwick lung der Ver- Selbstverständnis des Menschen andererseits
nunft“ und als „Produk tion menschlicher sind mit- und aneinander durch die Interes-
Seelenk räfte“ (Herder 1985, Werke I, 608, 3 f) senlagen in der historisch wandelbaren Le-
oder die Sprachursprünge des 1. Teils und die benssituation definiert. Damit ist eine situa-
Sprachentwick lung des 2. Teils der Ur- tionsunabhängige Wahrheit, z. B. ein synthe-
sprungsschrift in einer dialek tischen Engfüh- tisches Urteil a priori, schlechthin nicht for-
rung aufeinander bezogen und erst zusammen mulierbar. Die Behauptung einer ›reinen‹ Ver-
als ‘Sprache’ bezeichnet. nunft, wie eingeschränk t auch immer ihr Gel-
tungsbereich sei, erschien Herder als Form
einer modernen ›Magie‹, die die Setzung als
360 II. Personen

notwendig zu denk ender Begriffe schon als 8.1.  Während man gemeinhin nur Herder ge-
Bedingung ihrer Realität ansah und die No- netisches Denk en zuschreibt, das Kants trans-
valis (Friedrich von Hardenberg, 1772— zendentalphilosophische Argumentation gar
1801) mit dem ›magischen Idealismus‹ zum nicht treffen, geschweige denn k ritisieren
System erhob. — Herders drittes Argument k önne, weist Herder mit der von ihm bek lag-
gegen die von Kant über die empirischen Syn- ten „Spaltung der menschlichen Erk enntniß-
thesen der Apprehension, der Reproduk tion k räfte“ bei Kant (Herder 1877—1913,
und der Rek ognition (KrV, A97) — sie ent- Sämmtl. Werke XXI, 314 f) auf die genetische
sprechen übrigens den Anerk ennungsak ten Grundannahme hin,
der Merk male der Sinnlichk eit, der Einbil- „daß es zwei Stämme der menschlichen Erk enntnis
dungsk raft und des Verstandes in der Ur- gebe, die vielleicht aus einer gemeinschaftlichen,
sprungsschrift (Herder 1985, Werke I, 722, aber uns unbek annten Wurzel entspringen, nämlich
17—32) — hinaus als Bedingungen von deren Sinnlichkeit und Verstand“ (KrV, B29).
Möglichk eit angenommenen reinen Synthesen Diesem dualistischen Genese-Modell
ist, daß sie durch die Sprache geleistet werden Kants stellt Herder, sicherlich gleichberech-
(Herder 1877—1913, Sämmtl. Werke XIII, tigt, ein organisches Genese-Modell aus einer
368). Die sprachliche Aussage als geordnete einzigen, reflexiv sich aufstufenden ›Natur-
Suk zession anerk annter, für Wahrnehmun- k raft‹ entgegen, deren Funk tion auf jeder
gen, Vorstellungen, Begriffe stehender Zeichen Stufe das Innewerden/Anerk ennen des Eins
leistet die empirischen Aneignungen, stellt also im Vielen ist. Kants ›rezeptive‹ Sinnlichk eit
die Bedingung ihrer Möglichk eit dar und wird dadurch schon in ihrer Ak tstruk tur re-
macht die Annahme reiner Synthesen (die k onstruiert, umgek ehrt erscheint die ›spon-
doch nur wieder sprachlich-zeichenhaft ge- tane‹ Denk tätigk eit nie ohne Veranlassung
dacht und ausgedrück t werden k önnten) über- aus der Sinnlichk eit. So müssen nach Herder
flüssig. Die Ideen stellen also eine wichtige weder vorgegebene und ›bereitliegende‹ For-
erste Auseinandersetzung mit Kant dar. men der Anschauung vorausgesetzt werden
— Raum- und Zeitvorstellungen werden exi-
stenziell (im Vorgriff auf Martin Heidegger,
8. Metakritik 1889—1976) und bildtheoretisch rek onstru-
zur Kritik der reinen Vernunft iert —, noch k önnen transzendentallogische
(1799) Kategorien und damit die Bedingung für syn-
Dieses in zwei Teilen, Verstand und Erfahrung thetische Urteile a priori erschlossen werden.
und Vernunft und Sprache, vorgelegte Werk Die genetische Setzung der zwei getrennten
setzt sich zwar im einzelnen mit der Kant- ›Stämme‹ der Erk enntnis bedingt nach Herder
schen Erk enntnisk ritik auseinander, antwor- die Notwendigk eit bei Kant, den transzen-
tet aber in seinen polemischen Aspek ten eher dentalen Apparat von Anschauungs- und
auf die magisch idealistischen Lesungen der Denk formen überhaupt anzunehmen. Die
subjek tiv idealistischen, besonders der Fich- Aufdeck ung dieser Setzung und die Angabe
teschen Philosophie, die sich in den neunziger einer Alternative, aus der sich die Erk ennt-
Jahren vor allem in der jungen Generation nisleistungen ebenfalls rek onstruieren lassen,
ausbreiteten. Dem Verständnis und dem An- ist meines Erachtens ein echtes metak ritisches
sehen des Werk es hat diese Divergenz zwi- Argument.
schen dem Objek t der Kritik und der Stoß-
richtung der Polemik zweifellos geschadet; 8.2.  Wenn Kant z. B. die Anschauungsformen
vor allem bleibt aus diesen Gründen die selb- als ›bereitliegend‹ annimmt (KrV, B34), so ist
ständige erk enntnistheoretische und sprach- das für Herder die Hypostase eines reinen
philosophische Alternative verdeck t, die Her- Begriffs, der positive Gebrauch als quasi psy-
der seinem früheren Lehrer entgegensetzt. Es chische Disposition für etwas, das ansonsten
reine Form sein soll. Umgek ehrt ist für Her-
k ann nicht Aufgabe dieser Übersicht sein, den der die Annahme des Dings an sich als Nou-
Gedank engängen Herders zu folgen, Polemik ,
Metak ritik und eigene Philosophie zu tren- menon die Folge einer für ihn unzulässigen
nen. Ich beschränk e mich im wesentlichen auf und bek lagenswerten Trennung der Erk ennt-
die Frage, ob und in welcher Hinsicht es sich nis von der Praxis, die Kant um der Möglich-
hier um eine Metak ritik zu Kants Kritik der k eit reiner Erk enntnis willen zwar machen
reinen Vernunft handelt. muß, die er aber z. B. in der Anerk ennung
der Differenz von 100 gedachten und 100
wirklichen Talern wieder durchstößt
26.  Johann Gottfried Herder (1744—1803) 361

(KrV, B627). Der positive Gebrauch transzen- in der Vergangenheit vollzogenen erfahrungs-,
dentallogischer Begriffe entweder durch Un- interesse- und geschichtsspezifischen Aner-
terlegung einer Existenzerfahrung wie bei 100 k ennungsak te mitgelernt — Sprache ist das
wirk lichen Talern oder im Sinne einer „tran- ›Lagerbuch‹ des Verstandes (Herder 1877—
szendentalen Affe
k tionsursache“ (Heintel 1913, Sämmtl. Werke XXI, 103) — anderer-
1964, XXXVIII f) wird von Herder als ›ma- seits regeneriert der Verstand „Begriffe bil-
gisches‹ Verfahren k ritisiert, mit dem zunächst dend [...] sich selbst unaufhörlich“ (293).
rein gedachten Begriffen unversehens Wirk - Sprache in der Spannung von ›ergon‹ und
lichk eit erteilt wird. Schon im Versuch über ›energeia‹ (ohne daß Herder die Humboldt-
das Sein hatte Herder Kant dieses Verfahren schen Begriffe schon benützt) ist das Leben
vorgeworfen und dort schon seine Alternative des Verstandes wie auch der Vernunft, die die
der Annahme einer subjek tiven und objek ti- vom Verstand je frisch generierte Sprache/
ven, je durch Kraft sich manifestierenden Exi- Erk enntnis auf dem Hintergrund der gesam-
stenz formuliert. Erk enntnis, wie gesagt, ist ten ihr bewußten Sprach- und Zeichensphäre
in diesem Sinne Äußerung einer innewerden- im Hinblick auf die jeweils gegebene Anwen-
den/aner k ennenden Natur k raft und damit dungssituation beurteilt: „sie selbst ist und
eine Form von Praxis. Sie orientiert sich des- heißt Sprache“ (293). Mit der Sprachbedingt-
halb nie an dem Problem der ›objek tiven‹ heit des Verstandes, der Sprachlichk eit der
Erk enntnis eines Dings an sich (um diese Vernunft und der Bestimmung der Sprache
dann k ritisch auszuschließen), sondern von als erfahrungsabhängig, interessebezogen, ge-
vornherein nur an der Frage, „was es ihm sei? schichtlich bedingt und veränderlich ist er-
was für Eigenschaft es für ihn habe?“ (Herder stens wieder ein metak ritisches Argument ge-
1877—1913, Sämmtl. Werke XXI, 101). Da funden, denn unter dieser Voraussetzung läßt
die Aneignung des Dings ›für mich‹ eine sich eine Erk enntnis a priori nicht denk en
durchaus historische, auf die jeweilige Be- (was dafür ausgegeben wird, ist historisch be-
darfs- und Interessensituation des Individu- dingt und interessegeleitet), geschweige denn
ums/einer Sprachgemeinschaft bezogene An- formulieren. Zweitens hat Herder mit der
erk ennung ist, „ohne daß der Anerk ennende Sprachlichk eit der ›höheren‹ Erk enntnisver-
des Anerk annten innere Natur k annte oder mögen wieder einen bedeutenden Systement-
k ennen wollte“ (102), ist für Herder einerseits wurf neben Kants Erk enntnistheorie gestellt,
das Ding an sich nur ein selbstgemachtes Pro- der bis zu den sprachphilosophischen und
blem Kants, andererseits ist die Erk enntnis sprachhermeneutischen Entwic k lungen des
stets interessegeleitet, historisch relativ, pra- 20. Jahrhunderts (s. Art. 45) ak tuell und wirk -
xisbezogen. Das zweite metak ritische Argu- sam bleibt. — Herders Sprachphilosophie,
ment liegt weniger in dem Aufweis eines viel- mit geringfügigen Betonungsunterschieden
leicht nicht ganz k onsistenten Begriffsge- seit 1764 k ontinuierlich entwick elt und aus-
brauchs bei Kant als vielmehr in der Kritik gearbeitet, findet ihren sicherlich formal pro-
an der nicht vollständig durchzuhaltenden blematischen, gedank lich jedoch differenzier-
Setzung, mit der Kant Erk enntnis und Praxis testen und am weitesten vorausweisenden
trennt. Dagegen setzt Herder eine alternative Ausdruck in seiner Metakritik. Kants ideali-
Rek onstruk tion praxisbezogener Er k enntnis stischer Sonderung von Erk enntnis und Pra-
mit allen von Kant disk utierten Leistungen, xis, die für die Entwick lung der wissenschaft-
jedoch ohne den transzendentalen und ›rei- lich-technischen Welt des 19. Jahrhunderts so
nen‹ Überbau. vorausweisend und grundlegend war, stellt
Herder ein Modell ihres organischen Zusam-
8.3.  Ein drittes metak ritisches Argument ist menwirk ens entgegen, für das erst im 20.
die prinzipielle Sprachlichk eit und damit Er- Jahrhundert wieder Bedürfnis und Sinn er-
fahrungs-, Interesse- und Geschichtsgebun- wächst.
denheit der Vernunft, die eine ›reine Vernunft‹
von vornherein ausschließt. Dem geht voraus
die schon in der Ursprungsschrift dargelegte 9. Literatur in Auswahl
Zeichenartig
k eit aller Sinnesempfindungen,
Bilder der Einbildungsk raft und Begriffe des 9.1. Zitierte Texte
Verstandes, die durch die reflexive Tätigk eit Condillac 1746, Essai sur l’origine des connoissances
der Aneignung, des Innewerdens, des Aner- humaines, in: Condillac 1827.
k ennens bedingt ist. Einerseits werden in dem Diderot 1753, De l’interprétation de la nature, in:
mit der jeweiligen Sprache gelernten Sinn die Diderot 1964.
362 II. Personen

Hamann 1762, Aesthetica in nuce, in: Hamann 1968. Gaier 1988, Herders Sprachphilosophie und Er-
Herder 1985, Werke. kenntniskritik.
Herder 1877—1913, Sämmtliche Werke. Haym 1880, Herder, Bd. I.
Michaelis 1760, De l’influence des opinions [...], in: Heintel 1964, Einleitung, in J. G. Herder. Sprach-
Michaelis 1974. philosophische Schriften, Heintel (Hg.).
Rousseau 1754, Discours sur l’origine et les fonde- Irmscher 1966, Nachwort, in J. G. Herder. Ab-
ments de l’inégalité parmi les hommes, in: Rousseau handlung über den Ursprung der Sprache, Irmscher
1954. (Hg.).
Rousseau 1762, Émile, in: Rousseau 1957. Krüger 1967, Der menschlich-göttliche Ursprung der
Süßmilch 1764, Versuch eines Beweises [...], in: Süß- Sprache.
milch 1964. Küntzel 1936, Herder zwischen Riga und Bückeburg.
Proß 1978, Herder ‘Über den Ursprung der Sprache’.
9.2. Zitierte Kommentare und Schmidt 1968, Sprache und Denken.
Forschungsliteratur Seebaß 1981, Das Problem von Sprache und Denken.
Apel 1963, Die Idee der Sprache in der Tradition Weber 1939, Herders Sprachphilosophie.
des Humanismus von Dante bis Vico.
Ulrich Gaier, Konstanz (Deutschland)
Gaier 1987, Poesie als Metatheorie.

27. Wilhelm von Humboldt (1767—1835)

1. Einleitende Bemerkungen: ›Das Studium der sucht wie Humboldt. Im Laufe des
Sprache‹ 19. Jahrhunderts geriet sie weitgehend in Ver-
2. Humboldts Schriften zur Sprache gessenheit und wurde erst zu Beginn des
3. Grundlagen der humboldtschen Sprachphi- 20. Jahrhunderts wiederentdeck t oder erneut
losophie erhoben, wenn auch mit anderen Zielsetzun-
4. Grundzüge der Sprachphilosophie Wilhelm gen, als Humboldt sie verfolgte. — Die Ver-
von Humboldts k nüpfung der (synchronischen) Untersu-
5. Literatur in Auswahl chung lebender und toter, nur noch mittels
schriftlicher Zeugnisse überlieferter Sprachen
einerseits und der Erforschung von Sprache
1. Einleitende Bemerkungen: und Sprechen als das Wesen des Menschen
›Das Studium der Sprache‹ bestimmendes und prägendes Phänomen an-
dererseits, die auch ein eigenes methodisches
1.1. Ziel und Methode des Sprachstudiums Vorgehen verlangt, ist eine Konsequenz aus
der im Mittelpunk t des humboldtschen Inter-
Wilhelm von Humboldts Sprachstudien sind esses stehenden, in theoretischer wie in prak -
gek ennzeichnet durch die enge Verk nüpfung tischer Absicht gestellten Frage nach dem
von empirischer Sprachforschung und philo- Menschen. Für Humboldt k ann aufgrund der
sophischer Reflexion. Das macht zum einen leitenden Fun k tion der anthropologischen
ihren besonderen Charak ter und Rang im Frage das Ziel des (vergleichenden) Sprach-
Rahmen der Sprachwissenschaft wie der studiums weder — wie etwa bei Jacob Grimm
Sprachphilosophie des 19. Jahrhunderts aus; (1785—1863) oder Franz Bopp (1791—1867)
zum anderen ist dies nach wie vor eine der — nur in der Gewinnung sprachwissenschaft-
Schwierigk eiten, die sich einer problemlosen licher Erk enntnisse liegen, noch — wie etwa
Rezeption und Interpretation seines sprach- bei Johann Gottfried Herder (1744—1803) (s.
philosophisch-sprachwissenschaftlichen Wer- Art. 26) (trotz der Gemeinsamk eiten z. B. hin-
k es entgegenstellen. Kein anderer Sprachfor- sichtlich des anthropologischen Rahmens, in-
scher des 19. Jahrhunderts hat die von ver- nerhalb dessen das Problem Sprache erörtert
schiedener Seite, darunter z. B. von Friedrich wird) — in der allein durch philosophische
Schlegel (1772—1829), erhobene Forderung Reflexion zu leistenden systematischen Be-
nach Verk nüpfung dieser beiden Teile der schreibung und Einordnung des Phänomens
Sprachforschung so ernst genommen und mit Sprache. Humboldts Zielsetzung ist weiter ge-
der gleichen Konsequenz umzusetzen ver- faßt: Es geht ihm darum, „zu sichren und
27.  Wilhelm von Humboldt (1767—1835) 363

bedeutenden Aufschlüssen über Sprache, Völ- allerdings Gefahr, vielleicht gerade weil sie
k erentwic
k lung und Menschenbildung“ Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts
(Humboldt 1960 ff, Werke III, 1) zu gelangen. einen ungeheuren Aufschwung erlebte, ihren
Will man Erk enntnisse über den Menschen Untersuchungsgegenstand nur unzureichend
und seine (geistige) Entwick lung gewinnen, so zu erfassen und ihre Zielsetzungen unbegrün-
muß man sich vor allem mit seinen schöpfe- det einzuschränk en. Bei aller Hochschätzung
rischen Leistungen befassen, die ihn als Na- der sprachwissenschaftlichen Leistungen sei-
tur- und Kulturwesen, als Individuum wie als ner Zeitgenossen, insbesondere Fr. Schlegels,
Gemeinschaftswesen auszeichnen, also ins- Bopps und J. Grimms, k ritisiert er an diesen,
besondere mit der wohl wichtigsten und für daß sie den philosophischen Teil des Sprach-
vieles andere grundlegenden schöpferischen studiums vernachlässigen, d. h. zum einen die
Leistung des Menschen: der Sprache. Denn, Reflexion auf Methoden und Zielsetzungen
so einer der Kernsätze der humboldtschen der Sprachwissenschaft zu sehr ausk lammern,
Anthropologie: „Der Mensch ist nur Mensch zum anderen die Sprachen etwa in ihrer „in-
durch Sprache“ (Humboldt 1960 ff, Werke tellectuell-teleologischen Erscheinung“ (Hum-
III, 11). Sie gilt es daher in all ihren Aspek ten boldt 1960 ff, Werke III, 6) unbeachtet las-
zu studieren, wobei Empirie und Philosophie sen, so daß wichtige Fragen wie die nach
einander ergänzen und stützen müssen. der Natur der Sprache oder dem Sinn der
Sprachstudium in dieser zweifachen Ausrich- Verschiedenheit der Sprachen k aum noch in
tung k ann deshalb nur vergleichende Sprach- den Blick k ommen. Die Forderung, Sprachen
forschung sein, vergleichend in einem dop- unter philosophischem Aspek t zu vergleichen,
pelten Sinne: Zum einen gilt es, in die Man- hatte Herder in seinen Ideen zu einer Philo-
nigfaltigk eit der vorgefundenen Sprachen, die sophie der Geschichte der Menschheit erhoben.
Humboldt als eine Folge der (individuellen) Humboldt übernimmt diese Forderung, ver-
Ausschöpfung der Möglichk eiten des Spre- k nüpft sie aber auf engste mit der nach de-
chens ansieht, Ordnung zu bringen, durch taillierter Untersuchung von Grammatik und
Vergleich Charak teristik a und Eigenheiten zu Wortschatz, womit er sich ebenso entschieden
k
er ennen, Zusammengehörig k eit, Standort wie gegen eine ausschließlich empirische auch
und Individualität zu bestimmen — eine zum gegen eine rein spek ulative, ›bloß aus Ideen‹
Teil empirisch zu lösende Aufgabe. Zum an- und damit einen Teil ihres Fundaments ent-
deren geht es Humboldt darum, dem Phä- behrende Sprachbetrachtung wendet. Das
nomen Sprache auf die Spur zu k ommen, d. h. Sprachstudium erfordert, so Humboldt
die Einheit in der Mannigfaltigk eit der Spra- (1960 ff, Werke III, 114), „die durch richtige
chen herauszuarbeiten, sie (die Sprachen) als Methodik geleitete, vereinte Anwendung des
zwar nicht gleichrangige, anthropologisch je- reinen Denk ens und der streng geschichtli-
doch gleichwertige Konk retisierungen der chen Untersuchung“. ‘Geschichtliche Unter-
Sprache auszuweisen, die Vielzahl der Spra- suchung’ heißt bei Humboldt die vor allem
chen also in ihren Bezügen zur ›Idee‹ der synchronische Betrachtung des vorliegenden
Sprache zu erhellen, die vorgefundene Vielfalt Sprachmaterials. Humboldts Ziel ist es dabei
mit Sprache in ihrer ›Totalität‹ und ›Vollen- u. a. auch, der Sprachwissenschaft eine der
dung‹ zu vergleichen — eine überwiegend phi- Bedeutung ihres Gegenstandes angemessene
losophische Aufgabe. Gestalt zu geben, die wesentlich durch For-
schungsmethode und Forschungsziel be-
1.2. Humboldt stimmt wird. Jede Vernachlässigung eines der
und die Sprachforschung seiner Zeit beiden Teile des Sprachstudiums führt zu
einem verk ürzten Begriff von Sprache mit
In einem Brief vom 20. Dez. 1799 aus Madrid entsprechend negativen Folgen für das Ver-
an Friedrich August Wolf (1759—1824), in ständnis vom Menschen, insbesondere seines
dem Humboldt von seiner Absicht spricht, sprachlichen und damit welterschließenden
sich „k ünftig noch ausschließender dem Handelns. Zum Sprachstudium gehört für
Sprachstudium [zu] widmen“, gibt er einen Humboldt — im Unterschied zu seinen Zeit-
der ersten Hinweise auf die beiden Kompo- genossen — daher auch, die Methoden der
nenten eines solchen Unterfangens, das er als empirischen Sprachforschung mitzubeden-
„eine gründlich und philosophisch angestellte k en, sprachwissenschaftliche und philosophi-
Vergleichung mehrerer Sprachen“ (Freese sche (anthropologische) Fragestellungen k lar
1986, 308) bezeichnet. Nach seiner Auffas- zu trennen sowie das Verhältnis beider zuein-
sung läuft die vergleichende Sprachforschung ander methodisch zu k lären. In seinen Unter-
364 II. Personen

suchungen zur Sprache finden sich deshalb des Fak tischen begriffen“ war, vermied er
vielfach auch methodologische und grundla- ›Urteile‹ zu einzelnen Problemen (wie Sprach-
gentheoretische Überlegungen. bau oder Sprachentstehung), da diese Urteile
bei der weiteren Erforschung des Gegenstan-
des und den aufgrund vertiefter Kenntnis des
2. Humboldts Schriften zur Sprache empirischen Materials notwendig vorzuneh-
Im Jahre 1799 reist Humboldt zum ersten Mal menden Änderungen „immer im Wege“ seien
nach Spanien, zu Beginn des Jahres 1801 ein (Freese 1986, 705). Zum anderen war er be-
zweites Mal, um insbesondere seine Kennt- strebt, den größeren thematischen Zusam-
nisse des Bask ischen zu vertiefen und mög- menhang, in dem für ihn alle Untersuchun-
lichst viel Material über diese Sprache zu sam- gen, etwa auch grammatische Detailfragen,
meln. Eine geplante Monographie über die standen, deutlich zu machen. Er war aber der
Basken, in der Sprache und Bevölk erung be- Auffassung, daß dies nur selten gelingen
schrieben, charak terisiert und in ihrer Eigen- k önne (vgl. Freese 1986, 704). Seine Zuge-
art dargestellt werden sollten, ist ebenso Frag- hörigk eit zur Preußischen Ak ademie der Wis-
ment geblieben wie später der Großteil seiner senschaften, der er seit 1810 angehörte, ver-
Schriften zur Sprache. Humboldt hat zu sei- pflichtete ihn allerdings, jedes Jahr einen Vor-
nen Lebzeiten nur wenige Abhandlungen — trag zu halten und zu publizieren. Diese Vor-
gemessen am Gesamtumfang seiner Schriften träge spiegeln die ganze Breite seiner wissen-
— für eine Veröffentlichung vorbereitet und schaftlichen Tätigk eit, insbesondere jedoch
druck fertig gemacht. Chara k teristisch für die Komplexität seiner Untersuchungen zur
einen Teil seiner Schriften zur Sprache ist Sprache. Charak teristisch für diese Texte ist,
deren vorläufiger Charak ter: nicht die Ver- daß Humboldt häufig die Beschreibung eines
öffentlichung von Forschungsergebnissen war sprachlichen Phänomens, einer Eigenheit
Humboldt vorrangig, sondern ihre versuchs- einer oder mehrerer Sprachen im Vergleich zu
weise Darstellung unter steter Berück sichti- anderen als Ausgangspunk t und Materialba-
gung der übergeordneten Fragestellungen. sis nimmt für systematische Unterscheidun-
gen und zum Teil weitreichende sprachphilo-
Denn erst die Darstellung erlaubte eine Über- sophische Reflexionen. Die Palette der The-
prüfung der Ergebnisse sowie ihre Disk us- men umfaßt grammatische Probleme wie das
sion, die — in eher vertrautem Kreis — zu verschiedenartige Vork ommen und die Funk -
Anregungen, Erweiterungen und Korrek turen tion der Pronomina oder den Gebrauch des
führen sollte. An Karl Theodor Welck er Verbs, die Darstellung von Besonderheiten
(1790—1869) schreibt Humboldt am 6. Nov. einzelner Sprachen, etwa des Chinesischen,
1821, daß er nach umfangreichen Vorarbeiten des Sansk rit oder der malaiischen Sprachen,
nun eine Abhandlung über die amerik ani- sowie grundsätzliche Fragen, z. B. die nach
schen Sprachen schreiben wolle, „welche das dem Begriff der grammatischen Form, dem
Charak teristische des grammatischen Baues Verhältnis von Denk en und Sprechen (s.
dieser Sprachen darstellend prüfen soll“ Art. 71) oder den Zielsetzungen und Metho-
(Freese 1986, 701; Hervorh. von Vf.). Seine den des vergleichenden Sprachstudiums. Aus-
umfangreiche, erst teilweise ausgewertete
Korrespondenz, in der sich aufschlußreiche drück lich genannt seien hier der Vortrag Über
Hinweise auch zur Sprache finden, belegt die Buchstabenschrift und ihren Zusammen-
ebenfalls dieses Verfahren der tentativ-prüfen- hang mit dem Sprachbau von 1824, in dem
den Darstellung: Sie erlaubte es ihm, wie er Humboldt das Verhältnis von gesprochener
im Brief an August Wilhelm Schlegel (1767— Sprache und den verschiedenen Schriftarten
1845) vom 18. Ok t. 1822 bemerk te, versuchs- wie Bilder- oder Buchstabenschrift untersucht
weise „entschiedene Behauptungen, scharf und u. a. das sprachliche Verfahren der Arti-
hingestellte Sätze“ (Freese 1986, 705) zu for- k ulation, d. h. der Bildung distink ter Laut-
mulieren und dann im Dialog Methode und und Sinneinheiten als Teile eines Ganzen, er-
Behauptungen auf Stimmigk eit und Stichhal- örtert, sowie der wohl bek annteste dieser Vor-
tigk eit zu überprüfen. Für die Zurück haltung träge Über den Dualis von 1827, in dem er,
Humboldts gegenüber der Veröffentlichung ausgehend von einer Beschreibung und Ana-
von Forschungsergebnissen lassen sich noch lyse dieser Pluralform, wie sie in verschiede-
zwei weitere Gründe angeben. Zum einen nen Sprachen zu finden ist, das zu seiner Zeit
scheute er die Publik ation von — in seinem viel und k ontrovers disk utierte Problem des
Verständnis — vorläufigen Ergebnissen: So- Sprachursprungs (s. Art. 65) aufgreift und die
lange er nämlich „noch zu sehr im Studium Frage nach der Entstehung der Sprache im
27.  Wilhelm von Humboldt (1767—1835) 365

Sinne einer logischen Genese zu beantworten 3. Grundlagen der Humboldtschen


versucht. Sprachphilosophie
Von den erst aus dem Nachlaß veröffent-
lichten Schriften zur Sprache sollen hier nur 3.1. Sprachkenntnisse
folgende erwähnt werden: Der zwischen 1795
und 1798 entstandene, Fragment gebliebene Humboldt hat sich ca. 40 Jahre lang mit
Text Über Denken und Sprechen, der, ganz Sprachforschung befaßt. Seine Sprachk ennt-
unter dem Eindruck der Philosophie Johann nisse k ann man ohne Übertreibung als enzy-
Gottlieb Fichtes (1762—1814) geschrieben, k lopädisch bezeichnen. Griechisch, Latein
bereits zentrale sprachphilosophische Frage- und Französisch lernte er als Jugendlicher;
stellungen ank lingen läßt; der als Beitrag zu später k amen Englisch, Italienisch und Spa-
Alexander von Humboldts Voyage aux ré- nisch dazu. Nicht nur auf Reisen nutzte er
gions équinoxales du nouveau continent ge- jede Gelegenheit, sich auch mit weniger ge-
plante und von der Forschung bisher zu Un- läufigen europäischen Sprachen vertraut zu
recht etwas vernachlässigte Essai sur les lan- machen, so u. a. mit dem Tschechischen, Un-
gues du nouveau continent (1811—1812), in garischen, Litauischen, Provenzalischen und
dem Humboldt den Themenk omplex Sprache Bask ischen. Der Sprachforschungs- und -ent-
erstmals systematisch umfassend darzustel- deck ungseifer seiner Zeit half Humboldt auch
len versucht. Besonders hervorzuheben ist die beim Erwerb fundierter Kenntnisse außer-
in den Jahren 1824—1826 geschriebene, als europäischer Sprachen: So beschäftigte er sich
Einleitung zu ausführlichen Untersuchungen u. a. mit dem Koptischen und Ägyptischen,
über die Amerikanischen Sprachen (so der dem Japanischen und Chinesischen, dem
Untertitel der Schrift) geplante, aber nicht Sansk rit sowie amerik anischen und malaii-
abgeschlossene Abhandlung Grundzüge des schen Sprachen, insbesondere mit der Dich-
allgemeinen Sprachtypus, weil diese als ter- und Gelehrtensprache Javas, dem Kawi.
die systematischste Darstellung der zentra-
len sprachphilosophisch-sprachwissenschaft- 3.2. Sprachwissenschaft und Methodologie
lichen Überlegungen Humboldts Zur Natur Die Kenntnis möglichst vieler und möglichst
der Sprache überhaupt und zum Verfahren der verschiedenartiger Sprachen, d. h. ihres Wort-
Sprache bei Bildung der Rede (dies die Kapi- schatzes und ihrer Grammatik , um sie verste-
telüberschriften) gelten darf. Auch der 1827— hen und — wenigstens einige von ihnen —
1829 entstandene Text Über die Verschieden- sprechen zu k önnen, ist nur ein Teil der Ma-
heiten des menschlichen Sprachbaus ist hier terialbasis, die Humboldt für notwendig hält,
noch zu nennen: zum einen läßt er die — die um das Phänomen Sprache mit philosophi-
humboldtschen Sprachforschungen entschei- schen Mitteln zu erforschen und Einblick in
dend mitbestimmende — anthropologische die geistige Entwick lung der Menschheit zu
Fragestellung besonders deutlich erk ennen; gewinnen. Der zweite Schritt, die sprachwis-
zum anderen befaßt sich Humboldt in diesem senschaftliche Bearbeitung des Materials,
Text neben den aus der zuvor genannten macht natürlich von den Sprachk enntnissen
Schrift wieder aufgegriffenen Themen einge- Gebrauch. Das sprachwissenschaftliche Ziel,
hend mit der Rolle der Pronomina. In den den grammatischen (morphologischen und
Jahren 1830—1835 schließlich entstand die syntak tischen) und semantischen Aufbau
sogenannte Einleitung zum Kawi-Werk, in der einer Sprache zu erk ennen, ihre Entwick lung
sich wichtige Passagen aus früheren Abhand- (Einflüsse durch andere Sprachen, Ausdiffe-
lungen, so z. B. aus den Grundzügen, wieder- renzierung oder Verschwinden grammatischer
finden. Diese Schrift, deren vollständiger Titel Formen usw.) so weit wie möglich aufzudek -
Über die Verschiedenheit des menschlichen k en, ist eingebettet in die philosophische Ziel-
Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige setzung, Erk enntnisse über die ›wahre Natur
Entwicklung des Menschengeschlechts lautet, der Sprache‹ und den Menschen als Sprach-
wurde erst 1836—1839, also nach Humboldts wesen zu gewinnen. Diese Zielsetzung be-
Tod, in drei Bänden veröffentlicht. Sie k ann stimmt das humboldtsche Vorgehen, das
als der Versuch Humboldts angesehen wer- durch mehrere, auch von ihm selbst immer
den, die Ergebnisse seiner Forschungen zum wieder explizit genannte Aufgaben gek enn-
vielschichtigen Problem der Sprache in den zeichnet ist:
ihm wichtigsten Aspek ten im Zusammenhang (a) Das Sammeln von Sprachmaterial
darzustellen. (Wörterbücher, Grammatik en, Aufzeichnun-
gen, die z. B. sein Bruder Alexander, Missio-
366 II. Personen

nare u. a. mitbrachten), seine gründliche aus, in welchem Umfang (sprach)philoso-


Kenntnis und gegebenenfalls seine Bearbei- phische Überlegungen den sprachwissen-
tung, z. B. das Anlegen von Wörterbüchern schaftlichen Untersuchungen vorgeordnet, in
und Grammatiken. welchem Umfang sie für diese sogar leitend
(b) Eine solche Bearbeitung des vorliegen- sind. Humboldt weist wiederholt darauf hin,
den Sprachmaterials muß jedoch bereits als daß ›Studium‹ und ›Darstellung‹ auseinan-
Teil der zweiten Aufgabe angesehen werden, derzuhalten sind, denn das „Studium verlangt
nämlich der Beschreibung der einzelnen Spra- einen anderen Weg, als die Darstellung des
chen sowie ihres Vergleichs mit anderen. Mit durch Studium k
Er annten“ (Humboldt
eingeschlossen ist dabei für Humboldt immer 1903 ff, Ges. Schriften V, 371). — Die hum-
auch die k ritische Reflexion auf die Beschrei- boldtsche Konzeption des ›Sprachstudiums‹,
bungsmittel. So zeigt z. B. die Auseinander- charak terisiert u. a. durch die gegenseitige Er-
setzung mit Jean Pierre Abel-Rémusat gänzungsbedürftigk eit der verschiedenen
(1788—1832) die von Humboldt befolgte me- Aufgabenfelder, hat weder im 19. noch im
thodische Maxime, daß man den Besonder- 20. Jahrhundert Schule gemacht, auch wenn
heiten einer Sprache schon in der Beschrei- die sprachwissenschaftliche wie die sprach-
bung ihrer Grammatik gerecht werden müsse. philosophische Bedeutung seines Werk es im-
In einem Brief an Christian Karl Josias Bun- mer wieder hervorgehoben wurde. Unzwei-
sen (1791—1860) vom 8. Juni 1827 fordert felhaft ist jedoch, daß Humboldt eine andere
Humboldt, daß man „die Grammatik , die in als die zu seiner Zeit übliche Sprachwissen-
einer Sprache liegt, von der unterscheiden schaft im Blick hatte. Seine sprachwissen-
muß, welche beliebig hineingetragen wird“ schaftlichen Untersuchungen lassen sich am
(Freese 1986, 721; vgl. auch: Essai sur les ehesten als synchronisch-stru k tural k enn-
langues du nouveau continent, in: Humboldt zeichnen und k önnen in einem gewissen Sinne
1903 ff, Ges. Schriften III, 303 f). Das bedeutet als der Beginn einer Tradition angesehen wer-
aber, daß die vorhandenen (grammatischen) den, die in Ferdinand de Saussure (1857—
Beschreibungsmittel jeweils überprüft und 1913) (s. Art. 36) einen ihrer wichtigsten Ver-
von Fall zu Fall ergänzt und erweitert, daß treter fand.
in bestimmten Fällen sogar neue bereitgestellt
werden müssen. So finden sich in Humboldts 3.3. Philosophie als ›Studium des Menschen‹
Nachlaß u. a. 30 Grammatik en und Wörter-
bücher, die er im Rahmen seiner Untersu- Ernst Cassirer (1874—1945) (s. Art. 37) sieht
chungen der amerik anischen Sprachen an- in Humboldt den Begründer einer neuen Epo-
hand des ihm verfügbaren Materials selbst che der Sprachphilosophie. Das Neue, das
verfaßt hat. Die eigene empirische Arbeit ist dieses Urteil rechtfertigt, bestand weniger
auch Teil seiner k ritischen Auseinanderset- darin, Sprache zum Gegenstand des Philo-
zung mit der sich etablierenden historischen sophierens zu machen — hierin hatte Hum-
Sprachwissenschaft seiner Zeit, wobei er de- boldt durchaus bedeutende Vorläufer. Das
ren Fortschritte nicht nur zur Kenntnis nahm, Neue bestand vielmehr darin, (a) die philo-
sondern, wie im Falle seiner Arbeiten zur sophische Reflexion auf die Sprache ins Zen-
chinesischen Sprache und zum Sansk rit, zur trum der Anthropologie zu rück en — An-
Revision seiner eigenen Untersuchungsergeb- thropologie ist für Humboldt nicht ein Be-
nisse nutzte. reich unter anderen; sie macht vielmehr den
(c) Als dritte Aufgabe ist schließlich die Teil der Philosophie aus, in den letztlich alle
(sprach-)philosophische Reflexion zu nennen, philosophischen Disziplinen münden, so daß
die auch auf die sprachwissenschaftlichen Er- sie z. B. auch ästhetische und erk enntnistheo-
k enntnisse zurück greift, zumal die Berück - retische Fragestellungen einschließt; (b) die
sichtigung des empirischen Materials in Hum- gesamte Sprachforschung als eine Einheit mit
boldts Augen ein notwendiges Korrek tiv der einem empirischen und einem philosophi-
philosophischen Reflexion darstellt. Ein Mu- schen Anteil, wissenschaftstheoretische Fra-
sterbeispiel seines diese drei Aufgaben syste- gen eingeschlossen, zu verstehen; und schließ-
matisch verbindenden Vorgehens gibt Hum- lich (c) in dem Versuch, Sprache k onsequent
boldt in seinem Vortrag Über den Dualis, in vom Sprechen her zu erfassen, den Tätigk eits-
dessen Einleitung er zudem Zielsetzung und charak ter des Sprechens in seinen k reativen
Methode der Untersuchung k urz umreißt. — Aspek ten sowie die Entwick lung der Spra-
Die bloße Unterscheidung der genannten drei che(n) als die herausragende geistige Leistung
Aufgaben sagt jedoch noch nichts darüber des Menschen zu begreifen und darzustellen.
— In der k leinen Schrift von 1797 Über den
27.  Wilhelm von Humboldt (1767—1835) 367

Geist der Menschheit nennt Humboldt den den. Denn er war nicht nur außergewöhnlich
allen Menschen gemeinsamen „Mittelpunk t, belesen, sondern stand auch mit vielen seiner
aus welchem die ganze Menschheit zugleich das geistige Leben im damaligen Europa ent-
er
k annt, beurtheilt und gebildet werden scheidend mitbestimmenden Zeitgenossen in
k ann“ (1960 ff, Werke I d, 514) ‘den Geist der persönlichem Kontak t, so u. a. mit Friedrich
Menschheit’. Seine Untersuchung muß die Schiller (1759—1805) und Johann Wolfgang
Fragen beantworten, „worin dieser Geist be- Goethe (1749—1832). Sein allen Anregungen
steht? wie er erk annt? und wie er gebildet gegenüber aufgeschlossenes Denk en war je-
wird?“ (Humboldt 1960 ff, Werke I d, 515). doch weniger etwa durch die englische oder
Von hier aus ist es nur noch ein k leiner — französische (zur Disk ussion um den Einfluß
und einleuchtender — Schritt, die Antworten der französischen ›Ideologen‹ vgl. u. a. Tra-
in der Sprache und im Sprechen zu suchen bant 1990, 226 ff), eher noch durch die antik e
und diese zum zentralen Gegenstand des Phi- Philosophie beeinflußt, in ausgezeichneter
losophierens zu machen. Dabei ist sich Hum- Weise jedoch geprägt durch Immanuel Kant
boldt bereits zu diesem Zeitpunk t k lar über (1724—1804). Nicht unerwähnt bleiben dür-
den „doppelten Weg“, den es dabei einzu- fen allerdings Namen wie Gottfried Wilhelm
schlagen gilt: „einen Erfahrungs- und einen Leibniz (1646—1716) (s. Art. 23), Herder und
Vernunftweg“ (Humboldt 1960 ff, Werke I d, Fichte, wenn es um die philosophischen
509), da es sich bei der Erforschung des Gei- Grundlagen der humboldtschen Sprachphi-
stes — wie der Sprache — um einen Gegen- losophie geht. — Sieht man von der sicher
stand handelt, der in seinen Manifestationen nicht in jedem Fall entscheidbaren und wohl
in der Sinnenwelt empirischen Verfahren zu- auch nicht immer relevanten Frage nach der
gänglich ist, dessen begriffliche Bestimmung Originalität bei der Lösung von Detailproble-
und Beurteilung jedoch eine philosophische men ab, so k ommt man einer angemessenen
Aufgabe darstellt. Beurteilung der humboldtschen Leistung am
ehesten näher, wenn man u. a. das Problem
3.4. Zur Diskussion um die Originalität des in den Mittelpunk t rück t, wie er auf der
humboldtschen Denkens Grundlage der für sein Denk en maßgebenden
k antischen Transzendentalphilosophie die
Die Beurteilung der sprachphilosophischen Frage nach dem Menschen als sprechendes
Leistung Humboldts ist nicht einheitlich. Die Wesen und damit nach der Sprache neu zu
einen heben die Bedeutung und Originalität stellen und zu beantworten sucht.
seines Denk ens hervor, indem sie Unter-
schiede zu den Werk en seiner Zeitgenossen 3.5. Philosophische Grundprobleme und das
herausarbeiten oder Fragestellungen hervor- experimentell-transponierende
heben, die, von Humboldt bereits disk utiert, Verfahren
bei anderen später — mit oder ohne Kenntnis
der humboldtschen Schriften — eine wichtige In Humboldts sprachphilosophischen Unter-
Rolle spielen (Beispiel: die Frage nach der suchungen finden sich eine Reihe systemati-
jeder Sprache innewohnende Weltansicht). scher Fragen, die traditionell insbesondere in
Andere dagegen verweisen darauf, daß viele Logik und Erk enntnistheorie erörtert werden,
seiner Überlegungen schon bei anderen Den- die er jedoch nur in der Anwendung auf die
k ern vorgeprägt, manche sogar Allgemeingut Sprachproblematik behandelt. Sie bilden eine
seiner Zeit gewesen seien. — Korrespondenz Art philosophisches Grundgerüst. In dieses
und Tagebücher sowie die Anmerk ungen Gerüst gehören so grundlegende Fragen wie
Humboldts in seinen Schriften (insbesondere die nach dem Verhältnis von Einzelnem, Be-
in den nach 1820) geben Aufschluß über seine sonderem und Allgemeinem, Teil und Gan-
k ritische Auseinandersetzung mit Positionen zem, Individualität und Universalität, Subjek t
und Argumenten nicht nur seiner Zeitgenos- und Objek t, Stoff und Form, Sinnlichk eit und
sen. Es k ann k aum verwundern, bei Hum- Verstand. Ergänzt wird dieses Problemgerüst,
boldt für seine Thematik wichtige, zu seiner das zugleich ein Begriffsgerüst darstellt, durch
Zeit disk utierte oder bereits früher aufgewor- eine Anzahl weiterer zentraler Begriffe wie
fene Fragestellungen, z. B. die nach dem Ur- ‘Synthesis’, ‘Organismus’, ‘Einbildungsk raft’,
sprung der Sprache (s. Art. 65), der Möglich- u. a. Systematischer Ausgangspunk t des hum-
k eit einer Universalsprache (s. Art. 64), der boldtschen Denk ens sind jedoch insbesondere
Konventionalität sprachlicher Zeichen (s. transzendentalphilosophische Problemstel-
Art. 62), der Rolle des Lautes bei der Ver- lungen und Frageweisen wie die nach dem
sinnlichung des Gedank ens u. a., wiederzufin- Verhältnis von Mensch und Welt (Subjek t und
368 II. Personen

Objek t) oder die nach der Leistung der ver- bereichs ›Modellk onstanten‹ (Schöne 1982,
schiedenen Erk enntnisk räfte bei der Erschlie- 77) auf verschiedene Gegenstandsbereiche zu
ßung von Welt (Sinnlichkeit — Verstand — Ein- übertragen:
bildungsk raft). Mit der Feststellung dieses für „Ich glaube unter allen heuristischen Hebezeugen
das humboldtsche Philosophieren k onstituti- ist k eins fruchtbarer, als das, was ich Paradigmata
ven Ausgangspunk tes ist allerdings k aum genannt habe. Ich sehe nämlich nicht ein, warum
mehr gesagt, als daß sich der „Grundgedank e man nicht bei der Lehre vom Verk alchen der Me-
der transzendentalen Methode jetzt in einem talle sich Newtons Optik zum Muster nehmen
ganz neuen Gebiet bewährt“ (Cassirer 1923 a, könne“ (Lichtenberg 1968 ff, Schriften II, K 312).
107; vgl. auch 1923 b, 108). Wohl noch k aum Zum anderen ist er davon überzeugt, daß
gesehen hat Cassirer dagegen, welche beson- sich die von ihm u. a. „Erfindungsregel durch
dere Rolle die k antische Ästhetik in der Ent- Paradigmata“ (K 314) genannte Methode
wick lung der humboldtschen Sprachphiloso- auch bei der Übertragung auf nicht natur-
phie spielt — dies gehört zu den neueren wissenschaftliche Gegenstandsbereiche —
Erk enntnissen der Humboldtforschung (vgl. Geschichte, Anthropologie, Religion, Ästhe-
Borsche 1981, 179—200; 1990, 122). — Hum- tik usw. — bewähren müßte. 1774 etwa no-
boldts Umgang mit vorliegenden philosophi- tiert er folgendes Beispiel: „Nach dem May-
schen Einsichten und Verfahren scheint zu- erschen Farben-Triangel ließe sich ein Reli-
nächst dadurch charak terisiert zu sein, daß er gionen-Triangel verfertigen“ (Lichtenberg
diese auf ein neues Problemfeld zu übertragen 1968 ff, Schriften I, D 330), d. h.: man k önnte
versucht. In dem frühen Fragment von 1795/ einmal versuchen, ein Modell aus der Optik
96 Über Denken und Sprechen gelangt er z. B. auf die vergleichende Religionsgeschichte zu
mithilfe der Verwendung und Kombination übertragen. An anderer Stelle heißt es (Lich-
fichtescher und k antischer Argumente und tenberg 1968 ff, Schriften II, K 313): „Ich
Verfahren zu einer transzendentalphilosophi- glaube, daß man durch ein aus der Physik
schen Definition von Sprache (These 6 des gewähltes Paradigma, auf Kantische Philo-
Fragments) (vgl. Stetter 1989, 26). Diese frühe sophie hätte k ommen k önnen“. — Tut man
Schrift läßt damit nicht nur bereits eine Reihe diese Überlegungen Lichtenbergs nicht als
von in den späteren Jahren präzisierter und bloße Gedank enspielereien ab, so ist der Ver-
ausführlich behandelter Problemstellungen such Humboldts, Einsichten und Verfahren
erk ennen, sondern auch erste Ansätze eines der Transzendentalphilosophie, insbesondere
für Humboldts sprachphilosophische Unter- der Erk enntnistheorie und der Ästhetik , für
suchungen besonders charak teristischen me- die philosophische Bearbeitung des Gegen-
thodischen Vorgehens, das wie ein Experi- standsbereichs Sprache auch experimentell
mentieren auf dem Felde der Philosophie er- (im erläuterten Sinne) einzusetzen, durchaus
scheint und sich näherungsweise als ein ex- einleuchtend. Dieser Versuch führt Humboldt
perimentell-transponierendes Verfahren be- u. a. von der transzendentalphilosophischen
zeichnen ließe. Es geht über die bloße Über- Definition von Sprache, wie sie in Über Den-
tragung von er k enntnistheoretischen oder ken und Sprechen vorliegt, über die Erörte-
ästhetischen Einsichten auf das Gebiet der rung der Zeichenfunk tion des Wortes zur Ent-
Sprachphilosophie (und Anthropologie) weit wick lung des ›Urtypus‹ aller Sprachen, der
hinaus und führt Humboldt gerade in ent- seinen charak teristischen Ausdruck in den
scheidenden Pun k ten zu überraschenden, Pronominalverhältnissen (Ich — Nicht-Ich,
neuartigen Einsichten. Betrachtet man das letzteres differenziert in Du und Er) findet
humboldtsche Vorgehen genauer, so liegt die (vgl. Stetter 1989, 26 f). Wenn Lichtenberg
Vermutung nahe, daß er Georg Christoph formuliert (Lichtenberg 1968 ff, Schriften II,
Lichtenbergs (1742—1799) Paradigmenme- J 1361): „Es läßt sich gewiß nach jedem was
thode k annte und gezielt verwendete. Er hatte gut gesagt ist etwas Ähnliches formen, wenn
nämlich während seiner Göttinger Studienzeit es auch öfters bloß Transzendentmachung
1788 auch Lichtenberg gehört. — Lichtenberg wäre. Es k ann ein Paradigma abgeben“, so
befaßte sich u. a. mit der Suche nach neuen findet sich bei Humboldt mehr als nur ein
Methoden der Erk enntnisgewinnung und der Beleg für die Fruchtbark eit des lichtenberg-
Entwick lung von Entdeck ungsstrategien, wo- schen Vorschlags, Ideenexperimente anzustel-
bei ihm experimentelle Methoden am aus- len, so etwa, geradezu exemplarisch, die Auf-
sichtsreichsten erschienen. Seine Ideen-Expe- nahme und Umwandlung eines Satzes von
rimente zielten zum einen darauf ab, inner- Francis Bacon (1561—1626): „Wie Baco die
halb des naturwissenschaftlichen Forschungs- Kunst durch den Menschen erk lärt, der sich
27.  Wilhelm von Humboldt (1767—1835) 369

der Natur hinzufügt, so ist die Sprache der igk eit hervorheben (vgl. z. B. Stetter 1989, 41).
dem objectiven Gedan k en hinzutretende Sieht man einmal von terminologischen Va-
Mensch“ (Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften rianten und Entwick lungen ab, die sich im
V, 9; vgl. auch Borsche 1990, 146). Der de- Laufe einer mehr als vierzig Jahre dauernden
taillierte Nachweis für die dargelegte Hypo- Beschäftigung mit einem Gegenstand ganz
these, daß Humboldt das Verfahren des, für selbstverständlich ergeben, dann sind zur Klä-
sein Philosophieren charak teristischen, expe- rung des Terminologieproblems in Hum-
rimentellen Transponierens vielfach und an boldts sprachphilosophischen Schriften ins-
entscheidender Stelle einsetzte, k ann hier besondere zwei Fragen zu erörtern, die in der
nicht erbracht werden. Daß er jedoch dieses bisher geführten Disk ussion wenn überhaupt,
Verfahren bewußt einsetzte, zeigen u. a. seine dann nur am Rande beachtet wurden: (a) die
einleitenden Bemerk ungen in die Grundzüge Frage nach dem Verständnis Humboldts von
des allgemeinen Sprachtypus (1824—1826), Sprache als Mittel der Darstellung von Er-
wo er die Naturk unde als Muster für die k enntnis, d. h. vom wissenschaftlichen Ge-
Sprachkunde heranzieht: brauch der Sprache; (b) die Frage nach den
„Die Sprachen eines Erdstrichs lassen sich haupt- Möglichk eiten und Schwierigk eiten, Sprache
sächlich auf zwei, in dem Zweck und der Behand- als Gegenstand der Forschung zu beschreiben
lung verschiedene Weisen darstellen, einmal an sich, und darzustellen. Bei der Erörterung dieser
als unter der allgemeinen Menschensprache, wie Fragen darf jedoch nicht außer Acht gelassen
Arten unter einer Gattung, begriffene Idiome, dann werden, daß sich für Humboldt das Termi-
in Beziehung auf den Ort und das Volk , welchen nologieproblem im Rahmen seiner sprach-
sie angehören, in ihrem geographischen und ge- philosophischen Reflexionen nur dort stellt,
schichtlichen Zusammenhange. Es ist dies nicht wo ein Rück griff auf terminologische Mittel
anders, als wie man es mit den Erzeugnissen der der Transzendentalphilosophie nicht möglich
Natur, mit Pflanzen und Steinarten macht. Man ist, denn diese setzt er durchgängig voraus.
charak terisirt, bestimmt, benennt die einzelnen, Zu (a): Der Vorwurf, wie er etwa von Fritz
und weist ihnen, unbek ümmert um den Platz, den Mauthner (1849—1923) (s. Art. 35) (1982,
sie einnehmen, ihre Stelle in dem System an; man 56 f) erhoben wird, Humboldt lasse der Ein-
beschreibt aber auch die ganze Pflanzendeck e, das führung der Begriffe k eine explizite Definition
ganze Steinlager eines Erdstrichs. In beiden Fällen folgen, ist so nicht haltbar und verfehlt zudem
stellt man auf die eine Weise wirk lich die Sprachen, ebenso wie ähnlich gelagerte Kritik den Kern
und die Naturgegenstände, auf die andre nicht so und die Begründung des methodischen Vor-
wohl sie, als den Erdstrich nach ihnen dar. Die gehens bei Humboldt. Richtig ist, daß sich
ganze allgemeine Sprachk unde muss nach dieser bei ihm selten k urz gefaßte Begriffsbestim-
doppelten Richtung bearbeitet werden; bisher hat mungen finden. Charak teristisch ist vielmehr
jedoch mehr die zuletzt genannte, geographisch- die Einbettung von Worterläuterungen und
historische vorgewaltet“ (Humboldt 1903 ff, Ges. Begriffsexplik ationen in den thematischen
Schriften V, 367). Gesamtzusammenhang. Darstellung dieses
Zusammenhangs, explizite Definition, ab-
3.6. Zur Terminologie der grenzende Erörterungen und Verk nüpfung
sprachphilosophischen Schriften des fraglichen Begriffs mit weiteren Begriffen
führen zur Darstellung eines begrifflichen
Ebenso widersprüchlich wie die Beurteilungen Netzes, in dem jeder Terminus hinreichend
seiner sprachphilosophischen Leistung sind bestimmt, in seinem Bezug zu anderen Ter-
auch die Auffassungen über Stil und Darstel- mini vorgestellt und in den ihn stützenden
lungsweise von Humboldts Schriften zur Kontext gestellt wird. Ein Beispiel für dieses
Sprache. Von den ersten Rezensenten und In- Vorgehen ist etwa die Bestimmung des Be-
terpreten bis heute k lagen die einen über die griffs ‘Form der Sprache’ im sogenannten
Dunk elheit der Rede, die Umständlichk eit des Kawi-Werk, dem Humboldt wegen seiner zen-
Stils, den Mangel an Terminologie und Syste- tralen Bedeutung sogar ein ganzes Kapitel
matik (vgl. z. B. Droescher 1980, 60 f; Ivo widmet und dessen explizite Einführung und
1988, 67 ff), während andere die Auffassung Erläuterung sich auf mehr als vier Seiten er-
vertreten, daß bei Humboldt „jedes Wort ab- streck t (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III h,
gewogen; jedes Urteil mit den Tatsachen um- 416—425). Dieses aufwendige Verfahren ist
sichtig verglichen und abgegrenzt, wenn nicht zum einen notwendig, um überlieferte (phi-
geradezu aus denselben besonnen entwick elt“ losophische) Begriffe, die traditionell in an-
sei (Steinthal 1884, Vorwort; vgl. auch Hum- deren Zusammenhängen gebraucht werden —
boldt 1960 ff, Werke V, 706 f, i. e. Nachwort hier darüber hinaus auch außerhalb der Phi-
der Hrsg.), und seine terminologische Genau-
370 II. Personen

losophie in der Sprachforschung —, zur Un- Darstellungsverfahrens. — Zu (b): Humboldt


terscheidung eines durch die Explik ation erst faßt Sprache k onsequent als Organismus, als
ausdrüc
k lich bereitgestellten Gegenstandes ein dynamisches Ganzes auf, in dem sich nicht
verwenden zu k önnen — Humboldt hebt in nur analysierbare Teile unterscheiden lassen,
Ueber den Einfluß des verschiedenen Charak- sondern auch „Gesetze des Verfahrens“
ters der Sprachen auf Literatur und Geistes- (Humboldt 1960 ff, Werke III h, 476), ver-
bildung (1960 ff, Werke III b, 26) hervor, daß gleichbar den physiologischen Gesetzen eines
„eine große Anzahl von Gegenständen erst lebenden Körpers. Damit ist der theoretische
durch die sie bezeichnenden Wörter geschaf- Ansatz der humboldtschen Sprachphiloso-
fen werden, und nur in ihnen ihr Daseyn phie bestimmt. Einen Organismus k ann man
haben“ —, zum anderen jedoch, um trotz der nicht definieren; man k ann ihn analysieren,
erforderlichen Festlegung der Begriffe die er- seine Teile beschreiben, deren Funk tions-
k enntnisfördernden Eigenschaften der Spra- weise, ihr Zusammenspiel usw. Humboldt ist
che zu bewahren. Ermöglicht wird dies durch sich jedoch der Notwendigk eit bewußt, bei
die Einbettung des Begriffs in den dazuge- der Untersuchung und Darstellung von De-
hörigen Kontext und den Aufweis der Gegen- tails, von Teilen, die Sicht auf das Ganze
standsebene als Basis der terminologischen zeitweise aufzugeben. Aber jede Detailunter-
Bestimmung. Denn damit bewahrt der Ter- suchung, die die Wahl eines bestimmten
minus beide für die Wortsprache charak teri- Standpunk tes, eines bestimmten Verfahrens
stischen Eigenschaften, den Abbild- und den und geeigneter sprachlicher Mittel einschließt,
Zeichencharak ter, d. h. den mimetischen und dient ihm letztlich dazu, den intuitiv, mittels
den k onventionellen Anteil (vgl. Humboldt Anschauung gewonnenen „Totaleindruck des
1903 ff, Ges. Schriften V, 427 ff; 1960 ff, Werke Chara
k ters einer Sprache“ (Humboldt
III a, 21). Je nach Verwendungsabsicht k ann 1903 ff, Ges. Schriften V, 371) durch Erk ennt-
der Redende stärk er vom Zeichenanteil (= nisse zu untermauern, ihn — soweit möglich
wissenschaftlicher Gebrauch) oder stärk er — verständlich zu machen und zu sichern.
vom Abbildanteil (= rednerischer Gebrauch) Humboldts Darstellung zielt deshalb immer
der sprachlichen Mittel Gebrauch machen. darauf ab, die Erörterung einzelner Phäno-
Der rednerische Gebrauch der Sprache über- mene und Aspek te einzubinden in den Ver-
wiegt für Humboldt „bei jeder Erk enntnis, such, Sprache als ein Ganzes sichtbar werden
welche die ungetheilten Kräfte des Menschen zu lassen: das Verhältnis der Teile zueinander
fordert“ (Humboldt 1960 ff, Werke III a, 22), wie zum Ganzen einschließlich des dynami-
was bedeutet, daß der expliziten Bereitstel- schen Charak ters von Sprache. Um sowohl
lung des die Termini stützenden Kontextes der empirischen Vielfalt von Sprache als auch
besonderes Gewicht zuk ommt. Ist Sprache ihrer Einheit gerecht werden sowie ihre Be-
selbst der Untersuchungsgegenstand, so müs- deutung für den Menschen und seine geistige
sen die terminologischen Mittel diesen Dop- Entwick lung herausarbeiten zu k önnen, be-
pelcharak ter bewahren, zum einen, um die trachtet Humboldt seinen Forschungsgegen-
erforderliche sprachliche Genauigk eit zu ge- stand unter den verschiedensten Aspek ten.
währleisten, zum anderen, weil bei der Suche Diese werden häufig durch Begriffspaare wie
nach Erk enntnis die Verwendung sprachlicher ‘Mannigfaltig
k eit—Einheit‘, ‘Individualität—
Mittel immer auch Teil eines Erfindungs- und Universalität’, ‘Subjek tivität — Objek tivität’,
Entdeck ungsprozesses ist. Die gegenseitige ‘Stoff—Form’, ‘sinnlich—geistig’ usw. ange-
Abhängigk eit von Wort und Gedank e ist der geben. Dabei sind die darin ausgedrück ten
Grund dafür, „daß die Sprachen nicht ei- Gegensätze eher als zwei Pole anzusehen, auf
gentlich Mittel sind, die schon erk annte die eine adäquate Beschreibung, Einordnung
Wahrheit darzustellen, sondern weit mehr, die und Beurteilung der Phänomene nicht ver-
vorher unerk annte zu entdeck en“ (Humboldt zichten k ann. Auch wenn mal der eine, mal
1960 ff, Werke III a, 19 f). Dieser Entdek - der andere Pol im Vordergrund steht, so blei-
k ungs- und damit der Forschungsprozeß sind ben doch beide immer aufeinander bezogen.
nach Humboldts Verständnis mit der Dar- Jede einzelne Sprache ist z. B. eine Individua-
stellung von Erk enntnissen und der dabei not- lisierung des „allgemeinen Sprachtypus“, der
wendigen Festlegung von Begriffen nur vor- sich aus dem „reinen Begriff der Sprache“
läufig beendet. Terminologische Bestimmun- entwick eln läßt und der den „nothwendigen
gen sind, wie Humboldt an zentralen Stellen Vergleichspunk t“ bildet für die Einordnung
immer wieder vorführt, Teil des tentativ-prü- und Beurteilung der Einzelsprachen (Hum-
fenden, weitere Forschungen offenhaltenden boldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 373). Je nach
27.  Wilhelm von Humboldt (1767—1835) 371

Untersuchungsschwerpunk t und -absicht fähiges und sprechendes Wesen. Dabei ist auf
k ann es, bedingt durch die Komplexität des der Ebene des Allgemeinen jeweils zwischen
Gegenstandes, sogar notwendig sein, einen zwei auf verschiedene Weise gewonnenen Be-
für sich genommen irrigen Standpunk t ein- griffen von Sprache bzw. Mensch zu unter-
zunehmen, etwa den, Sprache als ›einen festen scheiden (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III g,
und vollendeten Körper‹ anzusehen. Zu Ana- 181). Den Begriff ‘Sprache’ als Totalität allen
lysezweck en ist dies für Humboldt durchaus Sprechens sowie den Begriff ‘Mensch’ als To-
zulässig, allerdings immer unter Berück sich- talität aller Individuen, als Menschheit, erhält
tigung der übergeordneten Zielsetzungen und man mithilfe eines Abstrak tionsverfahrens,
des durch den Organismusbegriff gesetzten während die Bestimmung von ‘Sprache’ bzw.
theoretischen Rahmens (vgl. 1903 ff, Ges. ‘Mensch’ als ›Idee‹ (oder ›Ideal‹) auf dem
Schriften V, 370). Denn Sprache ist eben k ein Wege der Begriffsanalyse erfolgt (vgl. z. B.
„Naturk örper, [k ein] daliegender Stoff, son- Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 373).
dern eine Verrichtung, ein geistiger Process“ Beide Begriffe dienen wechselweise als Prüf-
(369), stets im Werden begriffen, dynamisch, stein für die Adäquatheit der Begriffsbestim-
nicht statisch. Einige der von manchen Inter- mung, da es sich um Gegenstände handelt,
preten bemängelten widersprüchlichen Aus- deren angemessene Erforschung letztlich nur
sagen und terminologischen Ink onsistenzen empirisch und philosophisch erfolgen k ann.
ergeben sich daher nur, wenn die von Hum- Aufeinander bezogen sind beide darüberhin-
boldt meist explizit angegebene Einordnung aus insofern, als sich ›das Ideal der Mensch-
der betreffenden Fragestellung in den Ge- heit‹ — das gleiche gilt für das Ideal der
samtzusammenhang nicht hinreichend beach- Sprache — nur in ›der Totalität der Indivi-
tet wird. — Aufgrund der für seine Zeit neu- duen‹ — in der Totalität der als Individuen
artigen Konzeption der Sprachforschung genommenen Einzelsprachen — verwirk licht
sieht sich Humboldt nicht nur dem Problem (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke I c, 339 f; 350).
gegenüber, auf k eine bereits bewährte Me- Empirischer Untersuchung zugänglich ist
thode der Sprachvergleichung, wie er sie ver- Sprache nur im Aspek t des Besonderen, d. h.
stand, zurück greifen zu k önnen — dies bele- als die von einem ›Volk ‹, einer ›Nation‹ ge-
gen u. a. seine zahlreichen Bemerk ungen zum sprochene Sprache. Die Begriffe ‘Sprache’
methodischen Vorgehen; er ist sich auch be- und ‘Nation’ gehören bei Humboldt eng zu-
wußt, daß es an adäquaten Beschreibungs- sammen: Sprache und Nation bedingen und
und Darstellungsmitteln mangelt: bestimmen sich gegenseitig (vgl. z. B. 1960 ff,
„Es giebt bis jetzt k ein bewährtes Verfahren, den Werke III d, 69; III g, 160 f; III h, 386). Indi-
Zweck , den ich mir hier vorsetze, zu erreichen, viduelles Sprechen, das immer auf ein Gegen-
k einen irgend gelungenen Versuch, die Eigenthüm- über angewiesen ist, um Sprache zu werden,
lichk eit einer Sprache dergestalt zu schildern, dass tritt nur als flüchtiger Ak t auf; es zeigt sich.
daraus ihr Verhältnis zu andren, und ihre Stelle im In der philosophischen Betrachtung der Spra-
Gebiete der Sprachen überhaupt [...] hervorgienge“ che bezieht Humboldt diesen Aspek t, das in-
(Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 368). dividuelle (Miteinander-)Sprechen, deshalb
mit ein, weil Sprache nur im Sprechen, Hören
und Erwidern erfahrbar ist und sich im Ak t
4. Grundzüge der Sprachphilosophie des Sprechens als wiederholbare Handlung
Wilhelm von Humboldts k onstituiert (s. Art. 67). Jedes Sprechen ist die
Ak tualisierung eines Teils der für eine be-
4.1. Zum Begriff der Sprache stimmte Sprache charak teristischen Möglich-
k eiten und Mittel, einen Gedank en zu ver-
Drei Aspek te von Sprache bzw. Sprechen sinnlichen. Das individuelle (Miteinander-)
müssen nach Humboldt unterschieden wer- Sprechen in seinem schematischen Aspek t bil-
den: das individuelle Sprechen, die einzelne, det daher die Basis, von der aus sich die
von einer Gemeinschaft hervorgebrachte und einzelnen Sprachen in ihrer Individualität als
verwendete Sprache und die Sprache als ›To- Erk enntnisgegenstand gewinnen lassen. Da-
talität‹ allen Sprechens bzw. Sprache als bei transportiert jedoch alles Sprechen eine
›Idee‹. Diesen drei Aspekten, die sich wie ‘Ein- doppelte Individualität: die des jeweiligen
zelnes — Besonderes — Allgemeines’ zueinan- Sprechers, d. h. das, was dieser in die Ak tua-
der verhalten, k orrespondiert in Humboldts lisierung der Sprechhandlung einbringt, und
Anthropologie das (sprechende) Individuum, die Individualität der von ihm verwendeten
die (Sprach-)Gemeinschaft (die Nation) und Sprache als das, was die jeweilige Sprachge-
die Menschheit bzw. der Mensch als sprach-
372 II. Personen

meinschaft bisher in die Sprache eingebracht dung und -verwirk lichung des Menschen (als
hat. Der Erforschung und Darstellung dieser Individuum wie als Gesamtheit der Indivi-
Individualität der Sprachen gelten Hum- duen, d. h. der Menschheit) manifestiert sich
boldts Bemühungen auf dem Gebiet der em- für Humboldt insbesondere in der Sprache.
pirischen Sprachwissenschaft mit dem über Ohne sie ist k ulturelle Entwick lung nicht
die Einzelsprachen hinausgehenden Ziel, denk bar (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III h,
einen Begriff der ›Totalität des Sprechens‹ zu 386), k ünstlerisches Schaffen etwa genauso-
gewinnen. Da jedoch alles Sprechen die Ver- wenig wie das Verstehen von Kunstwerk en
wirk lichung von Sprache als Idee ist, folgt (vgl. Werke III d, 77). Sprache ist das Me-
daraus, daß die philosophische Reflexion auf dium, in dem „der Mensch denk t, fühlt und
Sprache alle drei Aspek te berück sichtigen und lebt“ (77). Sie ist ein „Product der [...] Natur
in ihrem Bezug zueinander betrachten muß. der menschlichen Vernunft“ (Werke III a, 11),
(Miteinander-)Sprechen als ›verbundene d. h. der Erk enntnisk räfte des Menschen, al-
Rede‹ bildet den Ausgangspunk t der sprach- lerdings nicht dieser allein. Denn auch seine
philosophischen Überlegungen Humboldts: k örperliche, organische Ausstattung: Stimm-
„Nur sie muss man sich überhaupt in allen werk zeuge und Gehör sowie die übrigen Sinne
Untersuchungen [...] immer als das Wahre (insofern sie den Zugang zu der von ihm
und Erste denk en“ (1960 ff, Werke III h, zunächst ungeschiedenen Welt ermöglichen)
418 f). Seine Bedeutung liegt im Prozeß der sind Voraussetzung dafür, daß der Mensch
Spracherzeugung sowie in der Weiterentwick - Sprachen ausbildet. Die Mannigfaltigk eit der
lung der Sprachen, die im Bereich der Seman- Einzelsprachen verdank t sich der Vielfalt
tik vielleicht am auffälligsten sichtbar wird: menschlicher Gemeinschaften sowie der die
„Erst im Individuum erhält die Sprache ihre letzte Bewältigung und Gestaltung des Lebens be-
Bestimmtheit. Keiner denk t bei dem Wort genau einflussenden Lebensumstände; in dieser
das, was der andre, und die noch so k leine Ver- Mannigfaltigk eit offenbart sich jedoch letzt-
schiedenheit zittert, wie ein Kreis im Wasser, durch lich nur die eine menschliche Sprache (vgl.
die ganze Sprache fort“ (Humboldt 1960 ff, Werke Humboldt 1960 ff, Werke III f, 144), die nicht
III h, 439). als ein „Erzeugnis der Thätigk eit, sondern
Besonders greifbar wird dieser k reative [als] eine unwillk ürliche Emanation des Gei-
Aspek t allen Sprechens — ein Charak teristi- stes“ (Werke III h, 386) angesehen werden
k um der humboldtschen Sprachauffassung — muß. Nur die einzelnen Sprachen dürfen als
in dichterischer Rede (vgl. Humboldt 1960 ff, Erzeugnis menschlicher Tätig k eit gelten.
Werke III h, 582). Damit schließt sich der Sprache in diesem Sinne (und damit auch
Kreis, besser: die von unten nach oben und Sprachfähigk eit) ist eine den Menschen
wieder nach unten führende Spiralbewegung, „durch ihr inneres Geschick zufallende Gabe“
in der die philosophische Reflexion immer (386). Die Frage, warum der Mensch Sprache
wieder auf die Tätigk eit des Subjek ts, das hat, läßt sich mithin letztlich nicht beantwor-
sprachliche Handeln der einer Sprachgemein- ten:
schaft angehörenden Individuen, das k on- „Die unzertrennliche Verbindung des Gedank en,
k rete Tun des Einzelnen als den primären der Stimmwerk zeuge und des Gehörs zur Sprache
Gegenstandsbereich zurückverwiesen wird. liegt unabänderlich in der ursprünglichen, nicht
weiter zu erk lärenden Einrichtung der menschli-
4.2. Mensch, Welt und Sprache chen Natur“ (Humboldt 1960 ff, Werke III h, 426).
Folgerichtig bestimmt Humboldt Sprach-
4.2.1.  In der Einsicht, daß der Mensch nur fähigk eit anthropologisch als eine „Überein-
durch Sprache Mensch sei, verk nüpft Hum- stimmung“ der Tätigk eit der Erk enntnisk räfte
boldt die erk enntnistheoretische Frage nach mit den Sprachwerk zeugen, verbunden mit
dem Denk en mit der anthropologischen dem „Drang, beide zusammenwirk en zu las-
Frage nach der Sprachfähigk eit und Kreati- sen“ (1960 ff, Werke III h, 441). Sprache ist
vität des Menschen. Neu gestellt wird damit damit dem Menschen in der gleichen Weise
auch die Frage nach dem Verhältnis des Men- natürlich, wie Tiere von Natur aus über In-
schen zu der ihn umgebenden Welt einschließ- stink te verfügen (vgl. Humboldt 1960 ff,
lich ihrer Erk ennbark eit, hier den Intentionen Werke III a, 11).
Kants folgend und zugleich über ihn hinaus-
gehend. Die Kreativität der Erk enntnisver- 4.2.2.  Humboldt wendet sich entschieden ge-
mögen, Sinnlichk eit eingeschlossen, und — gen die Auffassung, die Sprachen seien „vor-
als Resultat ihrer Tätigk eit — die Selbstwer- zugsweise [aus] dem Bedürffnis gegenseitiger
Hülfsleistung“ (1960 ff, Werke III g, 197) ent-
27.  Wilhelm von Humboldt (1767—1835) 373

standen, d. h. lediglich aus der Bedürftigk eit, von der Gesamtheit der Individuen als von
der Not gemeinsamer Lebensbewältigung einem Ganzen, der ›Menschheit‹, sprechen
heraus. Lebensgestaltung spielt nach Hum- läßt. Denn in den Sprachen verbinden sich,
boldt eine mindestens ebensogroße Rolle, zusätzlich über die verschiedenen Lebens-
denn erst in diesem Bereich erhält Sprache räume hinweg, Vergangenheit, Gegenwart
ihre eigentlich menschliche Dimension — hier und Zuk unft auch insofern, als sie vergan-
k nüpft Humboldt nicht nur an Kants ästhe- genes Sprechen bewahren, das in jedem ak -
tische Reflexionen an, sondern u. a. auch an tuellen Sprechen (teilweise) wieder lebendig
Schillers Ästhetik : Das „Gefallen am Spre- wird, und bereits alle Möglichk eiten zuk ünf-
chen“ beruht zum einen auf der Freude am tigen Sprechens bereithalten:
Klang (im Lied wird dies besonders deutlich), „Jede Sprache, welche sie seyn möge, trägt in jedem
in der „ein viel wesentlicherer sinnlicher Ent- Zeitpunk t ihres Daseyns den Ausdruck aller Be-
stehungsgrund der Sprache“ zu suchen ist als griffe, die sich jemals in der Nation entwick eln
im Bedürfnis nach gegenseitiger Hilfe, zum k önnen, in ihrem Schooss. Jede ist ferner in dem
anderen auf dem „Gefallen an Rede, und [ist] jedesmaligen Zeitpunk te ihres Lebens genau dem
mithin auf Gedank en bezogen“ (Humboldt jedesmaligen Gedank enumfang der Nation gleich.
1960 ff, Werke III g, 197), d. h. die ›Intellec- Jede endlich in jedem ihrer Zustände bildet das
tualität‹ in ihren k reativen Aspek ten spielt bei Ganze einer Weltansicht, indem sie Ausdruck für
der Entstehung der Sprachen eine k aum hoch alle Vorstellungen enthält, welche die Nation sich
genug einzuschätzende Rolle. Nur zum ge- von der Welt macht, und für alle Empfindungen,
ringsten Teil verdank t sich Sprache auch der welche die Welt in ihr hervorbringt“ (Humboldt
Bedürftigk eit des Menschen; sie „dehnt sich 1903 ff, Ges. Schriften V, 433).
[vielmehr] absichtslos auf alle Gegenstände
der sinnlichen Wahrnehmung und der inneren 4.2.3.  Sprache leistet also noch mehr. Sie ver-
Bearbeitung aus“ (Humboldt 1960 ff, Werke k nüpft, indem sie dem Menschen sowohl die
III g, 197), d. h. sie erwächst aus einem un- Welt eröffnet als auch seine Weltorientierung
hintergehbaren Drang des Menschen nach leitet und prägt (vgl. Humboldt 1960 ff,
Welterk undung sowie Erprobung und Aus- Werke III g, 159), Sinnlichk eit und ›Intellec-
bildung seiner sinnlichen und geistigen tualität‹ — beides sind k onstitutive Merk male
Kräfte. Natürlich dient Sprache auch der Ver- von Mensch und Sprache —, Empfindungen
ständigung zweck s Hilfeleistung. Aber dies ist und Gedank en miteinander, denn „die un-
nicht ihr vornehmster Zweck . Weitaus wich- unterbrochene Gedank enreihe im Menschen
tiger ist, daß sie zum einen im Wort der ›Emp- ist von einer ebenso ununterbrochenen Emp-
findung‹ zu einer sinnlich wahrnehmbaren findungsfolge begleitet“ (Humboldt 1960 ff,
Gestalt verhilft — der Empfindung ›Ausdruck Werke III a, 17). Weltorientierung und -aneig-
verleiht‹ (vgl. Werke III d, 76), das seinerseits nung erfolgt über die Sprache, indem diese,
wieder Empfindung hervorzurufen in der zwischen den Menschen und die Gegenstände
Lage ist; zum anderen muß Sprache (= Spre- tretend — d. h. zwischen ihn und „die inner-
chen) als Wirk ursache neuer Gedank en und lich und äußerlich auf ihn einwirk ende Na-
Gedank enverbindungen angesehen werden tur“ (Werke III h, 434, vgl. auch Werke III h,
(u. a. auf dem Wege der Analogiebildung) 567) —, Distanz ermöglicht und die Mittel an
(vgl. Werke III d, 76; Werke III h, 458). Alle die Hand gibt, um Einheit in die Mannigfal-
drei Zweck e sind aufeinander bezogen und tigk eit, Ordnung und Struk tur in die Vielfalt
von den Menschen letztlich nur gemeinsam zu bringen (vgl. z. B. Werke III e, 115). Die
zu verwirk lichen. Sprache erhält damit bei k antische Einsicht, daß der Mensch der Natur
Humboldt entscheidende Mittlerfun k tionen: die Gesetze vorschreibt, allgemeiner gesagt:
Sie k onstituiert Gemeinschaft, weil sie nur im daß das in Begriffen Unterschiedene und in
Miteinander der Individuen entstehen k ann Urteilen Erk annte den Stempel unserer Er-
und als sinnlich wahrnehmbares Ergebnis ge- k enntnisvermögen trägt (vgl. u. a. Humboldt
meinsamen Tuns auch gemeinsamer Besitz 1960 ff, Werke I e, 596 f), führt Humboldt da-
bleibt. Dabei verbindet sie auch die aufein- hingehend weiter, daß dieser Stempel entspre-
anderfolgenden Generationen sowie — trotz chend den individuellen Eigenheiten einer
der scheinbar trennenden Mannigfaltigk eit Sprache und der sie verwendenden Sprach-
ihrer Realisierungen — die verschiedenen gemeinschaft verschieden gefärbt und geprägt
Sprachgemeinschaften, die ›Nationen‹ (vgl. ist.
Humboldt 1960 ff, Werke III g, 150). Sie ist „Der Mensch lebt mit den Gegenständen haupt-
dasjenige Konstituens, aufgrund dessen sich sächlich, ja, da Empfinden und Handlen in ihm
von seinen Vorstellungen abhängen, sogar aus-
374 II. Personen

schließlich so, wie die Sprache sie ihm zuführt“ verlassen k ann, um in eine andere hinüber-
(Humboldt 1960 ff, Werke III h, 434). zuwechseln. Das Kennenlernen anderer Spra-
Welt ist nur in und als sprachlich bearbei- chen bietet ihm daher die Möglichk eit, die
tete, als „in Sprache verwandelte[n] Welt“ mit der eigenen Sprache gewonnene Welt um
(Humboldt 1960 ff, Werke III g, 151) verfüg- die Aspek te — Teile von Weltansichten — zu
bar. Die Gestaltung dieser Welt ist jedoch erweitern, die von diesen Sprachen erzeugt
nicht rein willk ürlich. Subjek tive und objek - und festgehalten werden (vgl. Humboldt
tive Anteile werden, indem subjek tive Tätig- 1960 ff, Werke III g, 224 f; Werke III a, 20).
k eit den von den Gegenständen sinnlich ge- Es gibt für den Menschen k eine sprachunab-
wonnenen Eindruck in einem synthetischen hängige, keine ›sprachlose‹ Welt.
Verfahren zu einem neuen Objek t, zu Bedeu-
tung tragenden, distin k ten Lautgestalten 4.3. Sprache und Sprechen
formt, zu einer Einheit, einem Ganzen ver-
bunden (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III a, 4.3.1.  Um ein angemessenes Verständnis von
21). Damit wird Sprache zur Mittlerin zwi- Sprache zu gewinnen, setzt Humboldt bei der
schen Mensch und Welt, gelingt ihr die Ver- ›verbundenen Rede‹ an. Nicht das Wort, nicht
mittlung zwischen Subjek tivität und Objek - der Satz, sondern der Vollzug einer Sprech-
tivität (vgl. z. B. Werke III g, 153). Der Man- handlung als die Hervorbringung eines sinn-
nigfaltigk eit der Sprachen entspricht eine lich wahrnehmbaren, Sinn tragenden, geglie-
Mannigfaltigk eit der Aneignungsweisen von derten und distink ten Ganzen ist der Aus-
Welt, die zwar nicht grundsätzlich verschie- gangspunk t für die Beantwortung der Frage
den, aber im Rahmen der anthropologischen nach dem Wesen der Sprache. Sie ist jedoch
Möglichk eiten der Ausdifferenzierung von selbst nur wieder Teil eines Ganzen, wenn
Sprache im grammatischen (morphologischen man eine Sprache als die Gesamtheit der in
und syntak tischen) wie im semantischen Be- dieser Sprache möglichen Sprechhandlungen
reich doch wiederum so gestaltet sind, daß sie bestimmt. Schriftlich erstarrte Sprechhand-
zu signifik anten Unterschieden führen. Welt lungen haben folgerichtig den Charak ter von
ist das Ergebnis eines Gestaltungs- und Er- Mumien (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III h,
k enntnisprozesses, der „nur mit und durch 418), die in der Sprachuntersuchung erst wie-
Sprache möglich“ (Humboldt 1960 ff, Werke der mit Leben erfüllt werden müssen. Gram-
III a, 20) ist. Das „Objective“ nämlich ist stets matik und Wörterbuch sind, verglichen mit
„das eigentlich zu Erringende, und wenn der ak tuell vollzogenen Redehandlungen, wie ein
Mensch sich demselben auf der subjectiven Bahn „todtes Gerippe“ (Werke III g, 186), ein
einer eigenthümlichen Sprache naht, so ist sein k ünstliches Gebilde, das allerdings z. B. für
zweites Bemühen, wieder [...] das Subjective abzu- sprachwissenschaftliche Zweck e eigens bereit-
sondern, und das Object möglich rein davon aus- gestellt werden muß: die Sprechhandlung
zuscheiden“ (Humboldt 1960 ff, Werke III a, 20 f). muß festgehalten, fixiert werden. Aber Spre-
Sprachfähigk eit ist für Humboldt bereits chen muß nicht nur, wie jedes Handlungs-
1800 in einem Brief an Schiller (Schiller 1975, schema, immer wieder realisiert werden, weil
336) es, ak tuell vollzogen, flüchtig, vorübergehend
„die Fähigk eit, innere Gedank en und Empfindun- ist (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III h, 418).
gen und äußere Gegenstände vermöge eines sinn- Das Spezifische der Ak tualisierung von
lichen Mediums, das zugleich Werk des Menschen Sprechhandlungen liegt vielmehr in den zwei,
und Ausdruck der Welt ist, gegenseitig auseinander bei jedem ak tuell vollzogenen Sprechen not-
zu erzeugen“, wendig vorhandenen Anteilen, nämlich der
wobei der Einbildungsk raft in diesem Prozeß Verwendung und der Erzeugung von Sprache,
eine entscheidende Rolle zuk ommt. Das Den- also der im Vollzug des Sprechens immer auch
k en sucht notwendig Einheit in die Mannig- ak tualisierten k reativen Tätigk eit der Er-
faltigk eit zu bringen. Da Denk en und Spre- k enntnisvermögen, insbesondere der Einbil-
chen jedoch letztlich nicht zu trennen sind — dungsk raft. Spezifisch für jedes ak tuelle Spre-
„Was der Mensch denk en k ann, das k ann er chen ist der es k onstituierende k reative Anteil.
auch sagen“ (Humboldt 1903 ff, Ges. Schrif- Eine anthropologisch adäquate Definition
ten V, 433) —, sind die ›welterzeugenden‹ Er- von Sprache muß deshalb die Bestimmungs-
k enntnisprozesse immer sprachlich geprägt. stück e angeben, die den Prozeß des Hervor-
Unterstrichen wird die Bedeutung der Spra- bringens von Sprechhandlungen auszeichnen.
che in diesem Zusammenhang noch durch das Die Betonung des durch die menschliche
Fak tum, daß der Mensch als Mensch immer Kreativität bedingten dynamischen Charak -
in Sprache eingebunden ist, seine Sprache nur
27.  Wilhelm von Humboldt (1767—1835) 375

ters von Sprache als ständig im Werden, in ›Geisteseigenthümlichk eit‹ einer Nation faß-
Veränderung begriffen erlaubt es Humboldt bar wird.
dann zu sagen, daß letztlich erst „die Totalität „Denn die Intellectualität und die Sprache gestatten
dieses Sprechens als die Sprache“ angesehen und befördern nur einander gegenseitig zusagende
werden darf (1960 ff, Werke III h, 418), weil Formen. Die Sprache ist gleichsam die äusserliche
nämlich erst damit alle zu irgendeinem (auch Erscheinung des Geistes der Völk er; ihre Sprache
zuk ünftigen Zeitpunk t) verwirk lichten Mög- ist ihr Geist und ihr Geist ihre Sprache“ (Humboldt
lichkeiten des Sprechens berücksichtigt sind. 1960 ff, Werke III h, 414 f).
Spracherzeugung ist in jeder Phase ein syn-
4.3.2.  Die humboldtsche Darstellung des thetischer Prozeß (vgl. Humboldt 1960 ff,
Sprechens als Energeia läßt sich, zeichentheo- Werke III h, 473), so auch bei der Bildung der
retisch gewendet, als der breit angelegte, in einzelnen Elemente, etwa der Wörter. Dieser
der Anthropologie verank erte Versuch verste- Prozeß verk lammert den sinnlichen Umgang
hen, eine auf sprachliche Fak ten gestützte mit Gegenständen — wobei Empfindungen
normative Genese des Zeichenerzeugungspro- und Art der Auffassung der Gegenstände in-
zesses zu entwick eln. In deren Mittelpunk t sofern eine wichtige Rolle spielen (vgl. Hum-
stehen zwei Fragen: die nach der Bildung der boldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 418), als hierin
Elemente verbundener Rede, insbesondere die jeder Sprache eigene spezifische Weltan-
der Wörter als Einheit von Bedeutung und sicht verank ert ist — mit der Tätigk eit vor
Lautgestalt, sowie die nach dem Zustande- allem der Einbildungsk raft (vgl. 416) mit dem
k ommen der (Gedan
k en-)Ver
k nüpfungen, Ziel, Vorstellungen zu erzeugen und dann die-
wobei dem Problem der Mittel, die eine Spra- sen „Stoff“ (1960 ff, Werke III h, 422) mit dem
che hervorbringt und einsetzt, um die ›gram- des Lautes, d. h. einem „entsprechenden Ton-
matischen Verhältnisse‹ auszudrück en, beson- system“ (Werke III g, 191) zu verbinden. In
dere Bedeutung zuk ommt. Denn in diesem dieser, einen bestimmten Stoff formenden Tä-
Bereich, weit mehr noch als in dem der Wort- tigk eit wird der Ton zum ›artik ulierten Laut‹,
bildung, zeigt sich, in welcher Weise sich die der wiederum erst der Vorstellung zu Deut-
Nationen ihrer Sprachen als „eines Werk - lichk eit verhilft, d. h. diese seinerseits formt,
zeugs des Denk ens und der Mittheilung“ und der damit als das „eigentliche Wesen der
(Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften VI, 340) Sprache“ angesehen werden muß (Humboldt
bedienen und wie groß die „Anregung“ ist, 1960 ff, Werke III g, 192). Denn im artik ulier-
„welche die Nationen von den Sprachen emp- ten Laut bringt das Sprechen geistige Tätig-
fangen“ (338 f). Sprechen und Spracherzeu- k eit und sinnliches Tun zur Einheit. Diese
gung ist nie nur Tätigk eit eines Einzelnen und k reative Tätigk eit der geistigen Kräfte des
erfolgt immer in einer sprachlich bereits er- Menschen manifestiert sich als je ak tuelles
schlossenen Welt: „Die Sprachen werden nur Sprechen im sinnlich wahrnehmbaren Bereich
von Nationen erzeugt, festgehalten und ver- (vgl. Werke III h, 418), wodurch der Dualis-
ändert“ (Humboldt 1960 ff, Werke III g, 161). mus von Sinnlichk eit und Verstand insofern
Sprechen macht damit von dem einer aufgehoben wird, als beiden im Sinne k om-
(Sprach-)Gemeinschaft immer schon verfüg- plementärer Kräfte bei der Hervorbringung
baren Sprachmaterial, der Sprache als „Vor- von Sprache eine konstitutive Rolle zufällt.
rath von Wörtern und System von Regeln“
(Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 388), 4.3.3.  In jedem Sprechen vollzieht sich zu-
Gebrauch, um mit den in diesem verwirk lich- gleich die Selbstverwirk lichung des Menschen
ten wie auch nur angelegten Ausdruck smög- wie der Sprache. Denn, obwohl als eigener
lichk eiten entsprechend den „Forderungen“ Gegenstand dem Menschen zum Objek t ge-
des Denk ens an die Sprache (vgl. Humboldt worden, gehört sie doch weiterhin in der
1960 ff, Werke III h, 425), d. h. den Gesetzen Weise zu ihm, daß weder Mensch noch Spra-
der Logik folgend, Gedank en zu bilden. Die che unabhängig voneinander ›lebensfähig‹
Spracherzeugung bedient sich dabei der wären. Deshalb zielt Sprechen in seinen k rea-
„Lautform“, die „das eigentlich constitutive tiven Aspek ten auch nicht auf die Erreichung
und leitende Princip der Verschiedenheit der eines dem Menschen äußerlichen Zieles, son-
Sprachen“ (425) ist, um den Gedank en als dern vielmehr auf die Verwirk lichung seiner
ein gegliedertes Ganzes zu versinnlichen. In Bestimmung: „Zweck “ des Menschen — im
der Art des Gebrauchs der Lautform mani- Sinne der Verwirk lichung des guten Lebens
festiert sich der ›intellectuelle Theil‹ der Spra- — ist „die höchste und proportionierlichste
che, d. h. der Teil, an dem vornehmlich die Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen“
376 II. Personen

(Humboldt 1960 ff, Werke I a, 64), bezogen des Sprechens verständlich zu machen, wie
auf das Individuum wie auf die Menschheit sich der ›Sprachorganismus‹ entwickelt.
als ganze. Menschsein und Sprache bedingen
sich gegenseitig, da an der Spracherzeugung 4.3.4.  Zentraler Begriff in der humboldtschen
alle geistigen Kräfte des Menschen beteiligt Argumentation um Spracherzeugung und
sind. — Die k reative Tätigk eit der Gemüts- Sprechen ist der Begriff der Artik ulation (vgl.
und Erk enntnisk räfte in der Spracherzeugung z. B. Humboldt 1960 ff, Werke III a, 9; III h,
ist nicht teilbar. Sie k ann nur ganz — oder 440 ff; 1903 ff, Ges. Schriften V, 375 ff) (s.
gar nicht — ausgeführt werden. Folglich k ann Art. 77). Die Leistung der Artik ulation be-
der Mensch Sprache im Sprechen nur ganz steht nicht nur darin, die vom Menschen her-
und ungeteilt hervorbringen. Denn: vorgebrachten Töne zu distink ten Lautge-
„Es giebt nichts Einzelnes in der Sprache, jedes stalten zu formen und im Prozeß der Ver-
ihrer Elemente k ündigt sich nur als Teil eines Gan- k nüpfung von Vorstellung und Lautgestalt
zen an“ (Humboldt 1960 ff, Werke III a, 10). Sie der Vorstellung Deutlichk eit, der Lautgestalt
muß also „in jedem Augenblick ihres Daseyns das- Sinn zu geben — hier liegt auch der Schlüssel
jenige besitzen, was sie zu einem Ganzen macht“ für die humboldtsche Auffassung, daß wort-
(2). sprachliche Zeichen weder nur k onventionell
So wenig der Mensch nur ›ein bißchen‹ (willk ürlich) noch im üblichen Sinne mime-
Mensch sein k ann, ebensowenig k ann Spra- tisch (Abbilder) sind (s. Art. 62). Charak te-
che nur ›ein bißchen‹ Sprache sein. Die ›Er- ristisch für sie ist vielmehr die durch die Kom-
findung‹ von Sprache als k reativer Ak t im plementarität von Sinnlichk eit und Verstand
Vollzug von Sprechhandlungen läßt sich da- ermöglichte Bildung eines aus spezifisch er-
mit widerspruchsfrei nicht als allmählicher zeugten k onventionellen und mimetischen
Entstehungsprozeß denk en, wohl aber — an- Anteilen bestehenden Ganzen (vgl. Humboldt
thropologisch begründet in der Kreativität 1960 ff, Werke II, 60 ff; III g, 153; 163; 1903 ff,
dieses Ak tes — die historische Entwick lung Ges. Schriften V, 427 f). Eine weitere Leistung
der empirisch vorliegenden Einzelsprachen. der Artik ulation besteht darin, die Elemente
Denn diese sind die individuelle Ausgestal- von Rede, z. B. Wörter, zu individuieren und
tung des in der menschlichen Natur liegenden ihnen ihren Platz im Ganzen der Sprache
„allgemeinen [Sprach-]Typus“ (vgl. Hum- zuzuweisen, da die Artik ulation „das Wort
boldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 373) durch die unmittelbar durch seine Form als einen Theil
einzelnen (Sprach-)Gemeinschaften, die Na- eines unendlichen Ganzen, der Sprache, dar-
tionen. Da die rein spek ulative, weil empirisch stellt“ (Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V,
nicht überprüfbare Annahme einer mensch- 384). Darüber hinaus schafft und sichert erst
lichen Urgemeinschaft — in der die Urspra- die Artik ulation die für die Hervorbringung
che entstanden sein müßte — nicht haltbar von Gedank en und Sprache notwendige
ist, bringt es auch k einen Erk enntnisgewinn, ›Wechselwirk ung‹ (376) zwischen den Indivi-
eine Ursprache anzunehmen. Die Frage nach duen. Denn zum einen bringt sie den Gedan-
dem (historischen) Ursprung der Sprache läßt k en nur insoweit in eine „feste Form“, als
sich nicht beantworten. Humboldt gibt ihr notwendig ist, um die Kreativität des Denk ens
deshalb, aufbauend auf zentralen Argumen- (und Sprechens) zu sichern, d. h. seine (des
ten aus Herders Sprachursprungsschrift, eine Gedan k ens) „natürliche Schran k enlosigk eit,
transzendentalphilosophische Fassung. Die seine Freiheit, in andre und andre überzuge-
Sprache hat ihren Ursprung in der Natur des hen“ (Humboldt 1960 ff, Werke III g, 185).
Menschen und weist deshalb selbst Charak - Weil sich Sprache im artik ulierten Laut ver-
teristik a eines Organismus auf (vgl. Hum- wirk licht und sinnlich wahrnehmbare Gestalt
boldt 1960 ff, Werke III a, 10f). Sie darf nicht annimmt, k ann sie als „Vermittlerin [...] zwi-
„als eine todte Masse“ gedacht werden, die schen Denk k raft und Denk k raft“ fungieren
„im Dunk el der Seele liegt“, sondern so, daß (Humboldt 1960 ff, Werke III f, 139). Zum
„ihr Organismus“ „als Gesetz die Functionen anderen ist die Artik ulation Bedingung der
der Denk k raft bedingt, und mithin das erste Möglichk eit, daß der Sprechende „die Ver-
Wort schon die ganze Sprache antönt und stehbark eit seiner Worte an Andren versu-
voraussetzt“ (Humboldt 1960 ff, Werke III a, chend“ prüfen k ann (Humboldt 1903 ff, Ges.
11). Die Antwort auf die Frage nach dem Schriften V, 377; vgl. auch 1960 ff, Werke
Ursprung der Sprache k ann dann nur darin III h, 428), was er tun muß, damit Sprache
bestehen zu zeigen, wie der Mensch Sprache wirk lich zum Objek t wird. Dieser Objek tivie-
erzeugt, und mit Hilfe einer logischen Genese rungsprozeß ist erst abgeschlossen, wenn die
27.  Wilhelm von Humboldt (1767—1835) 377

Sprechhandlung zum gemeinsamen Besitz der einer Sprache aber weniger um die Beschrei-
Sprechenden geworden ist. Erst damit ist bung ihres Erscheinungsbildes geht, sondern
dann auch die Bildung des Gedank ens im in erster Linie um die Erk enntnis, wie dieses
Sprechen vollendet. Denn im Sprechenden Erscheinungsbild geworden ist, d. h. um die
wie im Hörenden/Verstehenden vollzieht sich Aufdeck ung der ›inneren‹ Natur von Sprache,
derselbe Spracherzeugungsprozeß (vgl. Hum- liegt es für Humboldt nahe, auch hier wieder
boldt 1960 ff, Werke III h, 430) — oder, was auf die k antische Begrifflichk eit zurück zu-
dasselbe ist, derselbe Gedank enerzeugungs- greifen und Sprache teleologisch, d. h. als Or-
prozeß. Sprechen und Verstehen sind k om- ganismus zu denk en. Das erlaubt nicht nur,
plementär; sie bedingen sich gegenseitig und die auf eine Sprache einwirk enden äußeren
machen erst gemeinsam die Sprachhandlung Einflüsse zu beachten, sondern vor allem die
aus. Das Zusammenspiel von Sinnlichk eit ihr inhärenten Prinzipien und Regeln aufzu-
und Verstand bzw. Intellek tualität vollendet deck en, denen sie als ein sich ständig (wei-
sich damit im gemeinsamen Spracherzeu- ter-)entwick elndes Ganzes folgt. Diesem ›or-
gungsprozeß, im dialogischen Zusammenwir- ganischen‹ Charak ter von Sprache muß bei
k en der Individuen (s. Art. 96). Folgerichtig ihrer Erforschung durch entsprechende Me-
betrachtet Humboldt das Mit-sich-selbst- thoden, aber auch bei der Darstellung Rech-
Sprechen nur als einen Sonderfall des Spre- nung getragen werden. Ein Ganzes ist immer
chens „mit einem Andren, oder mit sich, wie mehr als die Summe seiner Teile und läßt sich
mit einem Andren“ (1960 ff, Werke III f, 137). daher nicht auf dem Wege der Zusammenset-
Diese für den Prozeß der Spracherzeugung zung von Teilen gewinnen. Die Sprachfor-
notwendige Komplementarität der Indivi- schung muß zwar auch nach den einzelnen
duen und der von ihnen vollzogenen (Teil-) Bestandteilen einer Sprache fragen; dem über-
Handlungen hält Sprache nach Humboldt in geordnet ist jedoch die Frage, wie diese Teile
der Pronominalstruk tur fest, insbesondere in zusammenwirk en und sich gegenseitig beein-
den sich gegenseitig bedingenden Pronomina flussen, d. h. die Frage nach der Struk tur, dem
‘Ich’ und ‘Du’: ›Bau der Sprachen‹. Die Antwort ist auf zwei
„Es liegt aber in dem ursprünglichen Wesen der nacheinander einzuschlagenden Wegen zu su-
Sprache ein unabänderlicher Dualismus, und die chen:
Möglichk eit des Sprechens selbst wird durch An- „Auf dem einen untersucht man die Beschaffenheit
rede und Erwiederung bedingt“ (Humboldt 1960 ff, der grammatischen und lexicalischen Mittel, deren
Werke III f, 138). Denn: „Das Wort muss [...] We- sich die Sprache bedient, der Declination, Conju-
senheit, die Sprache Erweiterung in einem Hören- gation, Zusammensetzung, Ableitung u. s. f. Auf
den und Erwiedernden gewinnen. Diesen Urtypus dem andren forscht man nach der Art der Anwen-
aller Sprachen druck t das Pronomen durch die dung und des Gebrauchs dieser Mittel, nach der
Unterscheidung der zweiten Person von der dritten Gesammtbehandlung, die sie erfahren, und ergrün-
aus. Ich und Er sind wirk lich verschiedene Gegen- det in möglicher Vollständigk eit von allen Seiten
stände, [...]. Du aber ist ein dem Ich gegenüberge- aus das Verfahren der Sprache im Ganzen, von
stelltes Er. [...] in dem Du [liegt] Spontaneität der dessen Darstellung erst die wahre Durchschauung
Wahl“ (139). Es ist zwar ein „Nicht-ich“, aber eines ihres Wesens abhängt“ (Humboldt 1903 ff, Ges.
in der Sphäre „eines durch Einwirk ung gemeinsa- Schriften V, 370).
men Handelns“ (139).
4.4.2.  Im Mittelpunk t der Sprachuntersu-
4.4. Sprache als Organismus chung steht also die Klärung eines Prozesses,
der in jeder Sprache zu ›Eigenthümlichk eiten‹
4.4.1.  Die Untersuchung einer Sprache k ann führt, die zusammengenommen ihre Indivi-
nach Humboldt nur mit der „Prüfung“ ihres dualität ausmachen. Eine bloße Auflistung
„Totaleindruck s“ (Humboldt 1960 ff, Werke grammatischer und lexik alischer Einzelheiten
III g, 185) beginnen, der hervorgerufen wird k ann k einen Aufschluß über den Zusammen-
durch ihr Erscheinungsbild. Dieses Erschei- hang und den Einfluß der Teile aufeinander
nungsbild ist jedoch nicht statisch, sondern geben (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III g,
immer wieder Veränderungen unterworfen 184), auch wenn sich die Eigenheiten, die sich
und als Ganzes doch gleichbleibend. Den dy- aufgrund ihres „Verfahrens“ (Werke III h,
namisch-k reativen Chara k ter von Sprache 476) in einer Sprache ausgebildet haben, an
hält Humboldt in der Grundbestimmung von einzelnen Elementen in der Weise zeigen, daß
Sprache als Sprechen, d. h. als jeweils im Mit- sie letztere zugleich näher bestimmen. Als Bei-
einander ka tuell hervorgebrachte, verbun- spiel k ann hier u. a. auf Humboldts Unter-
dene Rede fest. Da es ihm bei der Erforschung suchung des Dualis als eines grammatischen
Phänomens der Pluralbildung und seine Er-
378 II. Personen

örterung des Begriffs der Zweiheit verwiesen „Der Geschichtsschreiber, der dieses Namens wür-
werden. Im ersten Schritt der Untersuchung dig ist, muss jede Begebenheit als Theil eines Gan-
muß Sprache — entgegen ihrer Definition — zen, oder, was dasselbe ist, an jeder die Form der
wie etwas Statisches, wie ein bloß „daliegen- Geschichte überhaupt darstellen“ (Humboldt
der Stoff“ (Werke III g, 184) behandelt wer- 1960 ff, Werke I, 590).
den; dies ist jedoch unumgänglich, um die für Auf Sprache übertragen: Die Darstellung
den zweiten Forschungsschritt benötigten sprachlicher Einzelheiten muß letztlich an je-
„Sprachproben“ (186) zu gewinnen. Dieser dem ausgewählten Detail die Form dieser
zweite Schritt, die Untersuchung des Verfah- Sprache und damit die sich in dieser ausprä-
rens einer Sprache, muß mit dem Versuch genden Individualität ein Stück weit deutlich
beginnen, sie, vergleichbar k ünstlerischen und machen. Möglich ist dies, weil ja die Artik u-
historischen Gegenständen (spätestens hier lation auch dafür verantwortlich ist, daß beim
geht Humboldt über das Modell des ›natür- Aussprechen eines Wortes in einem Hören-
lichen Organismus‹ hinaus und verk nüpft die- den/Verstehenden nicht nur die Bedeutung
ses mit einem weiteren aus dem Bereich des dieses Wortes ›hervorgerufen‹ wird; sie fügt
menschlichen Handelns und Hervorbringens), diesem Fak tum vielmehr ein weiteres hinzu:
von „innen heraus aufzufassen“, um sie dann sie stellt „das Wort unmittelbar durch seine
auch wieder „in ihrem Ganzen dar[zu]stellen“ Form als einen Theil eines unendlichen Gan-
(vgl. Brief an Welck er vom 12. März 1822, in: zen, einer Sprache“ (Humboldt 1903 ff, Ges.
Freese 1986, 702), d. h. auch bei der Darstel- Schriften V, 384) dar. Jeder Teil des Ganzen
lung den Schwerpunk t auf das Ganze legen trägt also Spuren der Form des Ganzen, was
zu k önnen und eben nicht von den Teilen her ihn als Teil dieses — individuierten — Ganzen
zu einem Ganzen gelangen zu wollen. Etwas ausweist.
von innen heraus aufzufassen heißt für Hum-
boldt u. a.: „das Erk ennen der wahren Ge- 4.4.3.  Die Form einer Sprache, die sich in
stalt, das Herausfinden des Nothwendigen, ihren Eigenheiten ausprägt, und damit diese
die Absonderung des Zufälligen“ (Humboldt Eigenheiten, geben Aufschluß darüber, „auf
1960 ff, Werke I e, 591). Die Darstellung von welche Art jede [Sprache] die hauptsächlichen
Sprache ist in diesem Punk t vergleichbar der Fragen löst, welche aller Spracherzeugung als
Darstellung von Gegenständen in Geschichte Aufgaben vorliegen“ (Humboldt 1960 ff,
und (bildender) Kunst, also insbesondere der Werke III h, 417). Diese Aufgaben sind neben
Darstellung des menschlichen Handelns (Ge- der Verständigung: der Empfindung Aus-
schichte) und der menschlichen Gestalt druck zu verleihen und zu neuen Gedank en
(Kunst). (In bestimmten Hinsichten läßt sich und Gedank enverbindungen anzuregen (also
Sprache sogar selbst als Kunstwerk verstehen; wieder eine k reative Aufgabe) (vgl. Humboldt
vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III h, 477.) Die- 1960 ff, Werke III d, 76). Allgemeiner gesagt:
ser Vergleich ist insofern aufschlußreich, als Ziel der Spracherzeugung ist es, durch die
er den Kern der sprachphilosophischen Ar- Schaffung einer zwischen den Menschen und
gumentation Humboldts um Sprache als ein die Welt tretenden, jedoch von ihm selbst
System im Sinne eines dynamischen Ganzen hervorgebrachten Sprach-Welt dem Men-
betrifft. Im Zentrum dieser Argumentation schen, verstanden als Individuum wie als
stehen die Begriffe ‘Form’, ‘Stoff’, ‘Organis- Menschheit, zur Entfaltung seiner Fähigk ei-
mus’. Für ein Kunstwerk (z. B. eine Zeich- ten und so zur Verwirk lichung seines Mensch-
nung) gilt es zu zeigen, wie die „äußeren Um- seins, also seines ›Zweck s‹ zu verhelfen. Spra-
risse aus dem Begriff und der Form des Gan- che trägt zur Erreichung dieses Zieles bei,
zen entstehen“ (Humboldt 1960 ff, Werke I e, indem sie sich — hier wird von der subjek ti-
591). Übertragen auf Sprache heißt das: Die ven Tätigk eit bei der Spracherzeugung abge-
Darstellung einer Sprache muß deutlich ma- sehen — zu größtmöglicher Vollk ommenheit
chen, wie deren Elemente und deren Zusam- ausbildet. Größtmögliche Voll
k ommenheit
menwirk en ›aus dem Begriff und der Form heißt in diesem Zusammenhang, daß eine
des Ganzen entstehen‹. Eine k onsistente Dar- Sprache zur Lösung der ihr gestellten Auf-
stellung der empirischen Befunde darf also gaben optimale Mittel bereitstellt, z. B. Ele-
dem Begriff der Sprache nicht widersprechen mente, die bestimmte Verk nüpfungen eindeu-
und muß die Individualität dieser Verwirk li- tig angeben (so daß Mißverständnisse ver-
chung von Sprache als Idee aufzeigen. Damit mieden werden), daß sie k eine überflüssigen
ist jedoch erst ein Teil der Aufgabe benannt. Elemente ausbildet (d. h. daß sie ök onomisch
Für die Geschichte fordert Humboldt: arbeitet) u. a. m. Anders gesagt: Sie muß mög-
27.  Wilhelm von Humboldt (1767—1835) 379

lichst geschick t „von endlichen Mitteln einen k enverbindungen‹ jeder Art, etwa zu Urteilen,
unendlichen Gebrauch“ (Humboldt 1960 ff, stehen in engster Beziehung zueinander, so
Werke III h, 477) machen. Will man diesem daß an der Sprache als dem der empirischen
dynamischen Charak ter von Sprache gerecht Untersuchung zugänglichen Gegenstand
werden, muß man sie teleologisch als ein sich diese „sich ewig wiederholende Arbeit des
selbst organisierendes System (das eben nicht Geistes“ (Humboldt 1960 ff, Werke III h, 418)
von außen gesteuert wird) denk en, müssen erk ennbar wird. Als „Form der Sprache“ be-
›Ursprung‹ und ›Vollendung‹ in der Betrach- zeichnet Humboldt nun das
tungsweise miteinander verk nüpft werden. „in dieser Arbeit des Geistes, den articulierten Laut
Sprache als Erk enntnisgegenstand läßt sich zum Gedank enausdruck zu erheben, liegende Be-
mithin sinnvoll als ein seinen Zweck in sich ständige und Gleichförmige, so vollständig, als
selbst tragender Gegenstand, nämlich als Or- möglich, in seinem Zusammenhange aufgefasst und
ganismus auffassen, in dem alle Teile in ihrem systematisch dargestellt“ (1960 ff, Werke III h,
Zusammenwirk en sowohl als Zweck wie als 419 f).
Mittel auftreten k önnen und der sich auf- Den Begriff der Form der Sprachen k ön-
grund der ihm innewohnenden formenden nen nur solche Einzelheiten erfüllen, an denen
Kraft (forma formans) nach bestimmten Ge- sich „eine Methode der Sprachbildung“ (423)
setzmäßigkeiten entwickelt. Diese entdeck en läßt. Dieser Formbegriff darf mit
„Gesetze sind [...] nichts anders, als die Bahnen, in anderen, insbesondere dem der Grammatik ,
welchen sich die geistige Thätigk eit in der Sprach- nicht ineins gesetzt werden:
erzeugung bewegt, oder in einem andren Gleichniss „unter Form der Sprachen [wird] hier durchaus
als die Formen, in welchen diese die Laute aus- nicht bloss die sogenannte grammatische Form ver-
prägt“ (Humboldt 1960 ff, Werke III h, 464). standen [...] Der Begriff der Form der Sprachen
dehnt sich weit über die Regeln der Redefügung
4.4.4.  Während die Lautformen, die als sinn- und selbst über die der Wortbildung hin aus, in-
lich Wahrnehmbares stärk er den verschieden- sofern man unter der letzteren die Anwendung ge-
sten Einflüssen ausgesetzt sind, in größter wisser allgemeiner logischer Kategorien des Wir-
Mannigfaltigk eit auftreten, findet sich im „in- k ens, des Gewirk ten, der Substanz, der Eigenschaft
tellectuelle[n] Theil der Sprache [...] eine grö- u. s. w. auf die Wurzeln und Grundwörter versteht.
ßere Gleichförmigk eit“ (464). Denn die „all- Er ist ganz eigentlich auf die Bildung der Grund-
gemeinen Gesetze des Denk ens“ (Humboldt wörter selbst anwendbar und muss in der That
1903 ff, Ges. Schriften VI, 345) sind allen Na- möglichst auf sie angewandt werden, wenn das
tionen gemeinsam. Alle durch die Gesetze des Wesen der Sprache wahrhaft erk ennbar seyn soll“
Denk ens begründeten grammatischen Ver- (Humboldt 1960 ff, Werke III h, 421 ff; seine Ori-
hältnisse sind ihrerseits wieder prinzipiell in entierung an der k antischen Kategorienlehre wird
jeder Sprache nachweisbar, da der „Typus [...] noch deutlicher z. B. in 1903 ff, Ges. Schriften VI,
als Form des Denk ens und des Ausdruck s, 347).
dem Menschen als Menschen, mithin allen Der Formbegriff als Bezeichnung des orga-
Nationen ohne Ausnahme bei[wohnt]“ (342). nisierenden, Gestalt schaffenden (und zu-
Aus diesen allgemeinen Gesetzen sind „auf gleich damit individuierenden) Prinzips be-
dem Wege reiner Begriffsableitung“ die darf der Ergänzung durch den Stoffbegriff.
„Grundbestimmungen der Grammatik “ (345) Form und Stoff bedingen sich gegenseitig; die
zu gewinnen. Wenn Humboldt sagt, daß hier Form bedarf eines Stoffes, „in dem sie, sich
„die allgemeine Grammatik mit der Logik darin ausprägend, fortdauern“ (Humboldt
gewissermassen zusammen[fällt]“, so k önnte 1960 ff, Werke I b, 235) kann.
man als eines seiner Ziele die Aufstellung einer „Der wirk liche Stoff der Sprache ist auf der einen
Art logischer Grammatik des Sprechens an- Seite der Laut überhaupt, auf der andren die Ge-
sehen: der Kern, „das Verbum, der Mittel- sammtheit der sinnlichen Eindrück e und selbstthä-
punk t und der Keim der ganzen Grammatik “ tigen Geistesbewegungen, welche der Bildung des
(346), wird ergänzt durch das Pronomen. Begriffs mit Hülfe der Sprache vorausgehen“
„Verbum und Pronomen sind [...] die Angeln, (Werke III h, 422).
um die sich die ganze Sprache bewegt“ (346). Allerdings gilt das Zusammenwirk en von
Beide Teile der Spracherzeugung, die Bildung Stoff und Form in dieser Weise nur, wenn
distink ter Laute und der von ihnen gemachte von Sprache im allgemeinen, d. h. wenn vom
Gebrauch zur Gestaltung der sprachlichen Begriff der Sprache die Rede ist (vgl. 422).
Elemente sowie die Hervorbringung von Be- Bei der Betrachtung der Einzelsprachen dient
griffen und ihren Verk nüpfungen zu ›Gedan- das Begriffspaar ‘Stoff—Form’ nie der end-
gültigen Klassifizierung einzelner Elemente,
380 II. Personen

sondern immer der Beschreibung des Zusam- sprachen ist mithin zahlreichen Einflüssen
menwirk ens zweier Elemente, und zwar des- ausgesetzt. Allen Sprachen gemeinsam ist je-
halb, weil Einzelsprachen, werden sie als Or- doch nicht nur die, bezogen auf den Sprach-
ganismen beschrieben, charak terisiert sind bau, fundierende Rolle der ›allgemeinen Ge-
durch das spezifische Wechselspiel von Mittel setze des Denk ens‹, sondern auch die analo-
und Zweck , das in gleicher Weise für das gisch verfahrende Artik ulation. Die Analo-
Zusammenspiel von Stoff und Form gilt: In- giebildung (s. Art. 85) als eine Art Erfin-
nerhalb einer Sprache dungsverfahren k ann als die grundlegende
„läßt sich etwas nur beziehungsweise gegen etwas Methode bezeichnet werden, deren sich die
andres als Stoff betrachten, z. B. die Grundwörter Arti
k ulation bedient, um die einzelnen
in Beziehung auf die Declination. In andren Bezie- Sprachelemente als Teile eines Ganzen aus-
hungen aber wird, was hier Stoff ist, wieder als zuweisen und gewissermaßen wie zu einem
Form erk annt“ (Humboldt 1960 ff, Werke III h, „Gewebe“ (Humboldt 1960 ff, Werke III h,
422). 446) zu verk nüpfen. Insofern sich das analo-
gische Verfahren der Spracherzeugung in al-
4.4.5.  ‘Form’, ‘Stoff’, ‘Verfahren’, ‘Organis- len Sprachen findet, ist es universell, auch
mus’ u. a. sind die philosophische Sprachbe- wenn der von ihm gemachte Gebrauch in den
trachtung leitenden Begriffe, mit deren Hilfe einzelnen Sprachen sehr verschieden sein
Humboldt die verschiedenen Aspek te des k ann. Jedes Wort als „sinnliche Form“ (Hum-
Phänomens Sprache in der Darstellung zu boldt 1960 ff, Werke II, 63) und jede gram-
verk nüpfen versucht. Er beschreibt den Ent- matische Form sind nach Humboldt, da die
stehungsprozeß von Sprache als normative Artik ulation sie immer als Teile eines Ganzen
Genese eines sich ständig weiterentwick eln- auftreten läßt (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke
den Systems, wobei in diesem Theoriestück III g, 220) und sie innerhalb dieses Ganzen
vom Zeichencharak ter der Sprache weitge- sowohl Zweck als auch Mittel sein k önnen,
hend abgesehen wird. Vorausgesetzt wird der in der Lage, „andre neben, über und unter
Begriff — die Idee — der Sprache, insofern ihnen stehende hervorzurufen“ (Humboldt
die Idee die Einheit der Erk enntnis garantiert 1903 ff, Ges. Schriften V, 370). Jedes Sprechen
(vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III g, 181). als verwirk lichter Teil der mit einer Sprache
Diesen philosophischen Teil der Darstellung gegebenen Sprechmöglichk eiten stellt nicht
versteht Humboldt als „vorbereitende Be- nur das Ganze der bisher ausgebildeten Spra-
trachtungen“, die „der individuell histori- che jedesmal in gewisser Weise erneut zur
schen Sprachvergleichung“ als Orientierung Verfügung, sondern eröffnet auch, insofern
dienen sollen, wobei er sich bemüht, Aus- sich in jedem ak tuellen Sprechen die k reative
drück e zu wählen, „welche der historischen Tätigk eit der Spracherzeugung wiederholt,
Forschung auch nicht einmal scheinbar vor- die Möglichk eit, von den bereits vorhandenen
greifen“ (Werke III g, 476). Der ›allgemeine Mitteln weiteren Gebrauch zu machen, wobei
Typus‹ dieses Entstehungs- und Entwick - die Erzeugung neuer Elemente nach dem
lungsprozesses muß sich in jeder empirisch Muster des bereits Hervorgebrachten erfolgt:
gegebenen Sprache aufweisen lassen, soll sie „das neu Hinzutretende bildet sich analogisch
als Sprache gelten: nach dem schon Vorhandenen“ (Humboldt
„In jeder Sprache wiederholt sich unläugbar der- 1960 ff, Werke III h, 458). Artik ulation und
selbe geistige Process; Kräfte, Mittel und Erfolge Analogie gehören zum Begriff der Sprache.
sind einander so gleich und ungleich, als die Denn Sprache als die Totalität allen Spre-
menschlichen k örperlichen und geistigen Sprach- chens, in dem ja auch zuk ünftiges Sprechen
anlagen Verschiedenartigk eit innerhalb der von der eingeschlossen ist, läßt sich nur denk en, wenn
Natur gesteck ten Gränzen erlauben. Wo man nur die Möglichk eit dieses Sprechens durch die
einzelne Sprachen zu schildern versucht, muss man Sprache selbst gewährleistet ist.
von dem allgemeinen Typus dieses Processes aus- „Die Sprache besteht daher, neben den schon ge-
gehen und dahin zurück k ehren, weil es sonst durch- formten Elementen, ganz vorzüglich auch aus Me-
aus an dem nothwendigen Vergleichspunk t fehlen thoden, die Arbeit des Geistes, welcher sie die Bahn
würde. Die Allgemeinheit dieses Typus besteht und die Form vorzeichnet, weiter fortzusetzen“
darin, dass Alles, was von ihm auszusagen ist, nur (Humboldt 1960 ff, Werke III h, 436).
durch den reinen Begriff der Sprache bedingt und
von allen andren Umständen abgesehen wird, die, 4.5. Sprachphilosophie
aus den übrigen menschlichen Anlagen und den auf als Kern der Anthropologie
sie einwirk enden Verhältnissen entspringend, in der
Wirk lichk eit den allgemeinen Typus individualisi-
Mit der Sprache bringt der Mensch einen
ren“ (Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 373).
Gegenstand (im logischen Sinne) hervor, der
Die allmähliche Ausbildung der Einzel- ihm, obwohl er sein „Eigenthum“ (437) bleibt,
28.  Bernard Bolzano (1781—1848) 381

im Sprechen und Hören zum Objek t wird und Bd. I:


daher wieder auf den Menschen zurück wirk en I a Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirk -
k ann: Sprache wird als Objek t „zu einer selb- samk eit des Staats zu bestimmen, 56—233
ständigen Macht“ (437). Sie gewinnt „ein ei- I b Theorie der Bildung des Menschen, 234—240
genthümliches Daseyn“ (437), denn sie ist zu- I c Plan einer vergleichenden Anthropologie, 337—
gleich abhängig und unabhängig, subjek tiv 375
und objek tiv; der Mensch wirk t auf sie ein, I d Ueber den Geist der Menschheit, 506—518
und sie wirk t auf den Menschen zurück . Mit I e Ueber die Aufgabe des Geschichtsschreibers,
jedem Sprechen hat der Mensch die Möglich- 585—606
k eit, das überlieferte Sprechen zu modifizie- Bd. II:
ren, weiterzuentwick eln, neue Elemente zu er- Latium und Hellas oder Betrachtungen über das
finden und anderes mehr. Zugleich jedoch classische Alterthum, 25—64
bestimmt die bereits vorhandene Sprache sein Bd. III:
Sprechen und damit nicht nur sein Denk en, III a Ueber das vergleichende Sprachstudium in
sondern in gewisser Weise auch sein Fühlen Beziehung auf die verschiedenen Epochen der
und Handeln. In dieser Wechselwirk ung zwi- Sprachentwicklung, 1—25
schen Mensch und Sprache vollzieht sich der III b Ueber den Einfluss des verschiedenen Cha-
Prozeß der Selbstverwirk lichung des Men- rak ters der Sprachen auf Literatur und Geistesbil-
schen wie der Sprache, des einen wie der an- dung, 26—30
deren, jeweils mit Hilfe des anderen. Der Ge- III c Ueber das Entstehen der grammatischen For-
gensatz von Subjek t und Objek t, von Abhän- men, und ihren Einfluss auf die Ideenentwick lung,
gigk eit und Unabhängigk eit wird dabei, so 31—63
Humboldt, aufgehoben, denn die „wahre Lö- III d Ueber den Nationalcharak ter der Sprachen,
sung jenes Gegensatzes liegt in der Einheit 64—81
der menschlichen Natur“ (Werke III h, 438). III e Ueber die Buchstabenschrift und ihren Zusam-
Die Antwort auf die Frage nach dem Wesen menhang mit dem Sprachbau, 82—112
der Sprache mündet damit wieder in der III f Ueber den Dualis, 113—143
Frage nach dem Menschen, in der Anthro- III g Ueber die Verschiedenheiten des menschlichen
pologie. Sprachbaues, 144—367
III h Ueber die Verschiedenheit des menschlichen
Sprachbaues und ihren Einfluss auf die geistige
5. Literatur in Auswahl Entwicklung des Menschengeschlechts, 368—756
Humboldt 1903 ff, Gesammelte Schriften. Freese (Hg.) 1986, Wilhelm von Humboldt. Sein
Bd. III: Essai sur les langues du nouveau continent, Leben und Wirk en, dargestellt in Briefen, Tage-
300—341 büchern und Dokumenten seiner Zeit.
Bd. V: Grundzüge des allgemeinen Sprachtypus, Borsche 1990, Wilhelm von Humboldt.
364—475 Trabant 1990, Traditionen Humboldts.
Bd. VI: Von dem grammatischen Baue der Spra- Scharf (Hg.) 1989, Wilhelm von Humboldts Sprach-
chen, 337—486 denken.
Humboldt 1960 ff, Werke.
Silke M. Kledzik, Koblenz (Deutschland)

28. Bernard Bolzano (1781—1848)

1. Wahrheit
1.1 Sätze an sich
Bereits Anfang 1812 hatte Bernard Bolzano
1.2 Vorstellungen an sich
den Plan zu einer Logik entworfen, der
1.3 Sprachliche Sätze
schließlich 1837 in seinem monumentalen
1.4 Begriffssätze
Werk Wissenschaftslehre (fortan mit ‘WL’ be-
2. Logische Wahrheit
zeichnet) vollständig verwirk licht wurde. Die
2.1 Variationslogik
WL enthält eine Darstellung der Logik im
2.2 Analytische Sätze
2.3 Logische Konsequenz
2.4 Bewertungssemantik
3. Literatur in Auswahl

1. Wahrheit
1.1. Sätze an sich
382 II. Personen

weitesten Sinne einschließlich der Semantik , den.


Wissenschafts- und Erk enntnistheorie. Von Bolzanos Konzeption der Sätze an sich läßt
Anfang an war es Bolzano k lar, daß er bei sich durch die folgenden Annahmen (1)—(15)
der Durchführung seines Planes zwischen den charak terisieren. (Bezüglich (13)—(15) vgl.
tatsächlichen Gedank en und Urteilen eines 1.3.) Diese Annahmen geben Aufschluß über
Menschen, deren sprachlicher Formulierung die Beziehungen zwischen Sätzen an sich und
und dem entsprechenden Sinngehalt, der un- anderen Bedeutungen des Wortes ‘Satz’ bei
abhängig von jenen Gedank en, Urteilen und Bolzano. Die erste dieser Annahmen lautet
Formulierungen existiert, unterscheiden (WL §§ 30—32):
mußte. In diesem Sinne nahm er eine Di- (1) Es gibt Gegenstände, genannt ‘Sätze an
stink tion zwischen abstrak ten Sätzen an sich sich’, welche die Bedingungen (2)—(15)
und den entsprechenden gedachten, gespro- erfüllen.
chenen oder schriftlich formulierten Sätzen
vor. — Zweck s leichteren Verständnisses der Damit besitzen Sätze an sich jene Art logi-
folgenden Darstellung seien hier in aller scher Existenz, auf die in der modernen Quan-
Kürze einige Begriffe der modernen Sprach- torenlogik Bezug genommen wird. — Dar-
theorie eingeführt. Ein k onk retes ›Satzvor- über hinaus gilt (WL § 19):
k ommnis‹ ist eine nach den syntak tischen Re- (2) Ein Satz an sich existiert nicht konkret
geln einer Grammatik aufgebaute Folge von (in Raum und Zeit).
Materieteilchen, die gegen die Umgebung Nach Bolzano sind sprachliche Ausdrück e
k ontrastieren. Eine atomare ›Satzgestalt‹ hin- und psychische Gegenstände wie Gedank en
gegen ist eine Klasse gleichgestalteter k onk re- und Urteile k onk rete Entitäten. Deshalb k ön-
ter Vork ommnisse einfacher Sätze. Eine nicht- nen Sätze an sich nicht mit k onk reten sprach-
atomare Satzgestalt ist mit Hilfe syntak tischer lichen oder psychischen Gegenständen iden-
Operationen aus atomaren Satzgestalten re- tifiziert werden. — Ferner gilt (WL § 19):
k ursiv (d. h. schrittweise) aufgebaut. Nicht
alle nichtatomaren Satzgestalten entsprechen (3) Sätze an sich existieren unabhängig von
k onk reten Satzvork ommnissen. Zwei Satz- psychischen Gegenständen aller Art.
gestalten k önnen als gleich angesehen werden, Somit k ann die manchmal im mittelalterli-
wenn sie aus denselben atomaren Satzgestal- chen Nominalismus vorgenommene Identifi-
ten in derselben Weise erzeugt werden. Ferner zierung von Aussagen mit psychischen Dis-
sind zwei atomare Satzgestalten, die jeweils positionen nicht auf Sätze an sich im Sinne
Mengen von gleichgestalteten Satzvork omm- Bolzanos übertragen werden. — Die folgen-
nissen sind, gleich, wenn sie dieselben Satz- den zwei Bedingungen sind für Bolzanos Se-
vork ommnisse enthalten. Betrachten wir nun mantik besonders charakteristisch:
die nichtatomare Satzgestalt, die folgendem (4) Nicht alle Sätze an sich sind atomar. Ein
k onk reten Satzvork ommnis entspricht: ‘Bol- nichtatomarer Satz an sich ist mit Hilfe
zano lebt oder Bolzano lebt nicht’. Diese Satz- logischer Operationen aus einfachen Tei-
gestalt enthält zwei Satzvork ommen, und len aufgebaut (WL § 558).
zwar zwei abstrak te (d. h. nicht raum-zeitli- (5) Zwei Sätze an sich sind genau dann iden-
che) Vork ommen der atomaren Satzgestalt, tisch, wenn sie aus denselben einfachen
die dem k onk reten Teilsatz ‘Bolzano lebt’ ent- Teilen in derselben Weise erzeugt werden.
spricht. Gewissen Satzgestalten und Satzvor- (Vgl. auch (5′) unter 1.2.) Über die Art,
k ommnissen k ann unter gewissen Umständen wie ein nichtatomarer Satz an sich aus
ein ›Sinn‹ zugesprochen werden. Der Sinn einfachen Teilen aufgebaut ist, geben De-
eines sprachlichen Behauptungssatzes z. B. ist finitionsketten in einer Sprache Aufschluß
die durch ihn ausgedrück te Behauptung oder (WL §§ 32,4; 92,1; 116,3; 557—558).
Aussage, die als ein nichtsprachlicher Gegen-
stand aufzufassen ist. Wenn der Sinn eines Wir nehmen an, daß wir eine Sprache von
Satzes den tatsächlich vorliegenden Gegeben- mehr oder weniger spezifischer Struk tur vor
heiten eines Gegenstandsbereiches entspricht, uns haben und daß wir wissen, was eine ab-
dann ist der Satz ›wahr‹, andernfalls ›falsch‹. strak te Satzgestalt in dieser Sprache ist. Bol-
In der k lassischen Logik werden nur die bei- zano identifiziert offenbar alles Sprachliche
den Wahrheitswerte ‘wahr’ und ‘falsch’ an- mit k onk reten sprachlichen Vork ommnissen
erk annt. Wahrheitswerte k önnen auch dem (WL §§ 49,2; 334—336; Bolzano 1969 ff, Ge-
Sinn eines Satzes direk t zugeschrieben wer- samtausgabe R.2A VII, 47; 77); jedenfalls sagt
er nichts Ausdrück liches über den abstrak ten
28.  Bernard Bolzano (1781—1848) 383

Begriff der Satzgestalt. Es ist jedoch möglich, Bezüglich der Beziehungen zwischen Sätzen
aus seinen Ausführungen einen Begriff her- an sich und sprachlichen Sätzen gelten fol-
auszulesen, der genau auf die moderne Kon- gende vier Postulate:
zeption der Satzgestalt abzielt und dem nur (9) Was ein sprachlicher Behauptungssatz
Begriffe der Bolzanoschen Semantik zu- (Gestalt oder Vorkommnis) ausdrückt,
grunde liegen (vgl. 1.2.). — Aus den Postu- ist ein Satz an sich (WL §§ 19; 28).
laten (4) und (5) folgt nun, daß sich Sätze an (10) Zwei sprachliche Sätze können densel-
sich im Sinne Bolzanos einerseits ähnlich ver- ben Satz an sich ausdrücken und den-
halten wie die geschlossenen Formeln (d. h. noch von verschiedener Struktur sein
Formeln ohne freie Variable) eines logischen (WL §§ 127; 371,1,c).
Kalk üls. Andererseits stimmt die folgende (11) Wenn zwei sprachliche Sätze denselben
Annahme mit Bolzanos Absichten überein: Satz an sich ausdrücken, dann sind sie
(6) Kein sprachlicher Gegenstand ist notwen- logisch äquivalent.
digerweise eine Komponente eines Satzes
an sich. Die letztere Annahme liegt Bolzanos Theorie
der Reduk tion sprachlicher Sätze auf eine be-
Daher ist es nicht möglich, Sätze an sich mit stimmte k anonische Form zugrunde (vgl.
abstrak ten Satzgestalten oder überhaupt mit 1.3.). Jedoch gilt die Umk ehrung dessen in
Gegenständen zu identifizieren, in denen Bolzanos Semantik nicht, d. h. (WL §§ 32,
Satzgestalten oder Satzvork ommnisse we- Anm.; 366):
sentlich involviert sind, wie z. B. mit geord- (12) Zwei Sätze an sich, die durch zwei lo-
neten Paaren von Satzgestalten und den In- gisch äquivalente sprachliche Sätze aus-
terpretationen einer Sprache. — Wäre Bol- gedrückt werden, brauchen nicht iden-
zano mit dem Begriff der abstrak ten sprach- tisch zu sein.
lichen Gestalt k onfrontiert worden, so hätte
er vermutlich die folgende Annahme über Infolgedessen k önnen Sätze an sich beispiels-
Sätze (ob Gestalten oder k onk rete Vork omm- weise nicht mit Klassen von logisch äquiva-
nisse) akzeptiert (vgl. WL § 410): lenten sprachlichen Sätzen identifiziert wer-
(7) Es gibt mehr Sätze an sich als konkrete den (vgl. Quine 1960, 201).
sprachliche Sätze.
1.2. Vorstellungen an sich
Für eine moderne Darstellung eines Systems
nichtsprachlicher Bolzanoscher Sätze an sich Ein Satz an sich im Sinne Bolzanos ist eine
ist deren Überabzählbark eit auf jeden Fall Folge von Vorstellungen an sich. Daher ist
vorauszusetzen. Der Unterschied zwischen eine Vorstellung an sich ein Teil eines Satzes
abzählbar und überabzählbar unendlich war an sich, der selbst k ein Satz an sich ist (WL
Bolzano allerdings noch nicht ganz deutlich § 48,2). Bolzano hat selber zugegeben, daß er
bewußt, obwohl er einen Kontinuumsbegriff nicht imstande sei, den Begriff eines Satzes
besaß, der auf die Menge der reellen (also an sich explizit zu definieren (WL § 23). Daher
überabzählbar vielen) Zahlen, nicht aber auf müßte man Vorstellungen an sich unabhängig
die Menge der rationalen (abzählbar vielen) von Sätzen an sich charak terisieren, eine An-
Zahlen in einem Intervall reeller Zahlen zu- nahme, die Bolzano in der Tat implizit macht.
trifft (WL § 315,7,c). — Wir nennen einen Er arbeitet weitgehend mit der Beziehung (im
Wahrheitsbegriff für sprachliche oder nichts- folgenden mit ‘Σ’ bezeichnet), Gegenstand
prachliche semantische Gegenstände Y (wie einer Vorstellung an sich zu sein (WL § 49,1).
Satzvork ommnisse, Satzgestalten oder Aus- Der Gegenstand einer Vorstellung an sich
sagen) ‘inhaltlich adäquat’, wenn seine Defi- k ann sowohl ein k onk retes, raum-zeitliches
nition die klassische Aristotelische Bedingung als auch ein abstrak tes Objek t sein. Dieser
X ist wahr genau dann, wenn Y Beziehung entspricht in der modernen Logik
impliziert, wobei ‘X’ für einen Namen oder die Relation, Element der Extension eines Be-
eine Beschreibung des jeweiligen Substituen- griffes zu sein. Hinsichtlich dieser von Bol-
den von ‘Y’ steht. Bolzano fordert nun sinn- zano als grundlegend betrachteten Relation
gemäß (WL § 19): Σ k önnen der WL gewisse Annahmen ent-
nommen werden, welche die Vorstellungen an
(8) Für Sätze an sich ist ein inhaltlich ad- sich unabhängig von den Sätzen an sich cha-
äquater Wahrheitsbegriff definierbar. rakterisieren.
384 II. Personen

Bezeichnen wir mit dem Ausdruck ‘XΣV’ Die Annahme, daß V* zum Vorbereich der
die Aussage, daß X unter der Vorstellung an Σ-Relation gehört, impliziert somit die Ne-
sich V fällt, so k önnen wir die Extension von gation dieser Annahme. Also ist die Annahme
V mit der Menge aller X identifizieren, für falsch, und V* ist k ein Gegenstand. Bei einer
die XΣV gilt. Wenn die Extension von V vernünftigen Auslegung der Bolzanoschen
nichtleer ist, nennt sie Bolzano den ‘Umfang’ Theorie der Vorstellungen an sich k ann daher
von V (WL § 66,2). — Im allgemeinen reprä- eine Antinomie wie die Bertrand Russells
sentiert ein Prädik at der Umgangssprache (1872—1970) in Bolzanos Logik nicht gefol-
eine Vorstellung an sich (WL §§ 48,3; 69, gert werden. — Zwei andere Annahmen Bol-
Anm. 1). Der Sinn eines Prädik ats ist eine zanos lauten:
Eigenschaft. Daher wird eine Vorstellung an (II) Für fast alle Vorstellungen an sich V
sich durch eine Eigenschaft ›intensional‹ be- und für alle X gilt: Wenn XΣV, dann
stimmt. Die Extension einer Vorstellung an X ≠ V (WL § 49,1).
sich k ann abgegrenzt werden durch Absuchen (III) Die Identität der Vorstellungen an sich
des Gebietes der Gegenstände nach Elemen- V1 und V2 folgt nicht daraus, daß für
ten, welche die fragliche Eigenschaft besitzen. alle X gilt: XΣV1, genau dann, wenn
Sein heißt ein Gegenstand sein, und ein Ge- XΣV2 (WL §§ 25,c; 64,2,b; 96,2).
genstand sein heißt für Bolzano Gegenstand
irgendeiner Vorstellung an sich sein. Also: Aus dem Postulat (II) folgt mit Hilfe von
X ist ein Gegenstand genau dann, wenn es Kontraposition und Substitution von ‘V’ für
ein V gibt derart, daß XΣV. ‘X’, daß VV für die meisten Vorstellungen
Eine Wesenheit Χ ist Gegenstand einer Vor- an sich gilt. Die einzigen Ausnahmen von
stellung an sich, die durch die Eigenschaft Ψ diesem Gesetz sind selbstbezogene Vorstellun-
charak terisiert ist, genau dann, wenn Χ ein gen an sich, die Gegenstand von sich selbst
Gegenstand ist, dem Ψ zuk ommt. Wir k ön- sind. Ein Beispiel ist die Vorstellung Gegen-
nen also das folgende Postulatenschema für stand (WL § 99,2), denn sie ist selbst ein Ge-
die Existenz von Vorstellungen an sich for- genstand und daher ein Gegenstand von sich
mulieren: selbst.
(I) Es gibt mindestens eine Vorstellung an Jede k onk rete, subjek tive Vorstellung im
sich V, so daß für alle X gilt: XΣV genau Bewußtsein eines Menschen hat eine objek tive
dann, wenn X ein Gegenstand ist, dem Ψ Vorstellung an sich als ›Stoff‹ (WL § 48,3) im
zukommt, selben Sinn, wie ein Urteil einen Satz an sich
als ›Stoff‹ enthält (WL §§ 34; 291,1). Bolzano
wobei Ψ eine Eigenschaft ist, die in dem je- vergleicht die Beziehung zwischen einer sub-
weils vorausgesetzen Sprachsystem ausdrück - jek tiven Vorstellung und der ihr entsprechen-
bar ist. — Angenommen, es existiere eine den Vorstellung an sich mit dem Verhältnis
Vorstellung an sich V* aller Vorstellungen, zwischen einem sprachlichen Ausdruck svor-
die nicht Gegenstand von sich selbst sind: V* k ommnis und der bezeichneten Vorstellung
= [V: VV], wobei ‘VV’ bedeutet, daß an sich. Die Vorstellungen an sich besitzen
VΣV nicht der Fall ist. Unter dieser Voraus- dieselbe logische Existenz wie die Sätze an
setzung ist V* ein Gegenstand der allgemei- sich. — Mit Hilfe der Relation Σ k önnen die
nen Vorstellung von einer Vorstellung an sich Vorstellungen an sich als (a) ›gegenstandslos‹
und unterliegt somit dem folgenden Abstrak - und (b) ›gegenständlich‹ k lassifiziert werden
tionsprinzip: (WL §§ 50,1; 66,2; 67). Die Menge (a) wird in
XΣ [Y: Ψ(Y)] genau dann, wenn es ein V (a1) ›imaginäre‹, d. h. logisch leere Vorstellun-
gibt derart, daß XΣV, und Ψ dem X zu- gen, die einander widersprechende Bestand-
kommt. teile enthalten, und (a2) ›reale‹, empirisch
Wir erhalten dann: leere Vorstellungen unterteilt (WL § 70). Fer-
XΣV* genau dann, wenn es ein V gibt ner sind alle Vorstellungen der Menge (b) real.
derart, daß XΣV und XX. Diese Menge wird weiter in (b1) ›Einzelvor-
Da V* nach Voraussetzung ein Gegenstand stellungen‹ und (b2) ›Gemeinvorstellungen‹
ist, kann ‘V*’ hier für ‘X’ eingesetzt werden: gegliedert (WL § 68,1). — Es existieren ge-
V*ΣV* genau dann, wenn es ein V gibt wisse absolut ›einfache‹ Vorstellungen an sich,
derart, daß V*ΣV und V*V*. die verschieden vom menschlichen Geist und
Dies ist äquivalent mit der folgenden Aussage: von sprachlichen Ausdrück en sind. Als Bei-
Es gibt kein V derart, daß V*ΣV. spiele führt Bolzano die logischen Konstanten
28.  Bernard Bolzano (1781—1848) 385

an, die durch die Wörter ‘nicht’, ‘und’, ‘et- griff als eine entsprechende intensionale Ei-
was’, ‘haben’ repräsentiert werden (WL genschaft gedeutet werden.
§ 78,1; Bolzano 1969 ff, Gesamtausgabe R.2A
VII, 49). Er gesteht jedoch, außerstande zu 1.3. Sprachliche Sätze
sein, eine umfassendere Liste einfacher Vor-
stellungen an sich anzugeben. Offenbar meint Bolzano entwick elte eine spezielle Theorie für
er, daß jede zusammengesetzte Vorstellung an eine große Anzahl von Fällen, in denen eine
sich V in eine Folge Φ(V) von einfachen Vor- Vorstellung an sich unter eine andere Vor-
stellungen zerlegt werden k ann, die gewisse stellung zweiter Ordnung fällt. Beispielsweise
logische Konstante als Glieder enthält (WL wäre nach Bolzano ein sprachlicher Satz, den
§§ 61; 116,3). Diese Folge Φ(V) sei im folgen- man durch Einsetzung der Bezeichnung einer
den die ‘Grundform von V’ genannt. Die speziellen Vorstellung an sich V für ‘X’ in ‘X
Grundform einer Vorstellung an sich ist k eine ist allwissend’ erhält, eine elliptische Formu-
einfache Menge, sondern eine echte Folge lierung eines Satzes der folgenden Form: ‘X
(WL § 65,5). Die Art, in welcher eine zusam- ist etwas, das Allwissenheit hat’. Hier ist die
mengesetzte Vorstellung an sich aus einfachen durch die Worte ‘etwas, das Allwissenheit hat’
aufgebaut ist, k ann in einer Sprache durch ausgedrück te Vorstellung an sich eine „k on-
eine Definitionsk ette ausgedrück t werden. k rete Vorstellung“ (WL § 60). Aus dieser k ann
Manche zusammengesetzte Vorstellungen an man die entsprechende ›abstrak te Vorstel-
sich verhalten sich daher ähnlich wie die of- lung‹ gewinnen und erhält dabei die Satzform
fenen Formeln (d. h. Formeln mit freien Va- ‘X hat Allwissenheit’ sowie den entsprechen-
riablen) eines logischen Kalk üls. Nun nimmt den Satz an sich: V hat Allwissenheit. — Die
Bolzano sinngemäß das folgende Identitäts- durch das Wort ‘Allwissenheit’ ausgedrück te
prinzip für Vorstellungen an sich an (WL Vorstellung an sich ist eine Vorstellung von
§§ 92,1; 119,3,d; 557): der Beschaffenheit (WL § 80), allwissend zu
sein, die in der Relation Σ zur Beschaffen-
(IV) Zwei Vorstellungen an sich sind genau heitsvorstellung Allwissenheit steht. Eine Be-
dann identisch, wenn sie dieselbe schaffenheit ist ihrerseits manchmal in ver-
Grundform besitzen. schiedene andere Beschaffenheiten zerlegbar.
Analog dazu entspricht jedem Satz an sich A Wenn wir den Begriff der Extension einer
ein Satz an sich Φ(A), der nur einfache Vor- Beschaffenheit b als die Menge aller X derart,
stellungen an sich enthält. Solch ein Φ(A) daß X b hat, einführen, dann k önnen wir
wird im folgenden die ‘Grundform von A’ sagen, daß es zu jeder abstrak ten Vorstellung
genannt. Sie k ann durch Reduk tion aller zu- b* von einer Beschaffenheit b eine mit b koex-
sammengesetzten Vorstellungen in A auf ein- tensive k onk rete Vorstellung B (= der Vor-
fache Vorstellungen gefunden werden. Damit stellung Etwas, das b hat) gibt. Als Sonderfall
k ann Bolzanos verallgemeinertes Identität- führt Bolzano die ›symbolischen‹ Vorstellun-
sprinzip für Sätze an sich so ausgedrück t wer- gen an sich ein, wobei die Extension von B
den (WL §§ 32,4; 558): aus Vorstellungen an sich oder aus Zeichen
(5′) Zwei Sätze an sich sind genau dann iden- besteht (WL § 90).
tisch, wenn sie dieselbe Grundform be- In der WL verwendet Bolzano eine zum
sitzen. Teil formalisierte Sprache, die eine durch
Konstante, Variable und gewisse technische
Wenn XΣV gilt, dann k ann X ein physik ali- Ausdrüc k e ergänzte Umgangssprache dar-
scher Gegenstand sein. Ist X eine Vorstellung stellt. Er untersucht auch die Beziehungen
an sich oder ein sprachlicher Ausdruck , so dieser halbformalisierten philosophischen
wird V eine ‘symbolische Vorstellung’ genannt Sprache zur deutschen Umgangssprache (WL
(WL § 90). Wenn XΣV gilt und X ein sprach- §§ 127—146, 164—184), wobei er davon aus-
licher Ausdruck im Sinne Bolzanos ist, dann geht, daß sich die meisten Sätze der Umgangs-
k ann V in Bolzanos Sprachtheorie als Gegen- sprache auf gewisse k anonische Sätze redu-
stück zu unserem Begriff der abstrak ten zieren lassen, die in der philosophischen Spra-
sprachlichen Gestalt aufgefaßt werden. Ins- che formulierbar sind. — Wenn Bolzano über
besondere k ann, wenn X ein Satzvork ommnis Reduzierbark eit spricht, gebraucht er Rede-
ist und XΣV gilt, V auch eine abstrak te Satz- wendungen wie „heißt wesentlich nichts an-
gestalt sein. Während eine Gestalt in der mo- deres als“ (WL § 171). Das Kriterium der
dernen logischen Syntax gewöhnlich als eine Angemessenheit solcher Reduk tionen scheint
Menge angesehen wird, k ann Bolzanos Be- folglich darin zu bestehen, daß die fraglichen
386 II. Personen

Sätze denselben Satz an sich ausdrück en (WL struk tion der sehr k omplizierten Termini, die
§ 127). In Bolzanos sprachphilosophischer als Substituenden für die Variablen ‘V’ und
Reduk tionstheorie sind die meisten Sätze der ‘b’ auftreten müssen, angibt.
Umgangssprache auf Sätze reduzierbar, die Von besonderem Interesse im Hinblick auf
man dadurch erhält, daß man in einer der die Sätze an sich ist Bolzanos implizite Be-
beiden folgenden Formulierungen hauptung:
(i) ‘V hat b’ (13) Sprachliche Sätze der kanonischen Form
(ii) ‘V hat Mangel an b’ (i) und (ii) spiegeln die ihnen entspre-
chenden Sätze an sich in schärfstmögli-
für ‘b’ die Bezeichnung einer speziellen Be- cher Weise wider.
schaffenheit einsetzt (WL §§ 127; 136). Hier
ist der Substituend für ‘b’ auch einer k oexten- Hieraus ergibt sich die Aufgabe:
siven k onk reten Vorstellung zugeordnet. — (14) Für alle V und b innerhalb derjeweiligen
In einer vollständigen Formalisierung von Bereiche muß die Beziehung von V und
Bolzanos philosophischer Sprache würde das b zu den (i) und (ii) entsprechenden Sät-
Vok abular an Prädik aten sowohl Substituen- zen an sich expliziert werden.
den für ‘b’ als auch entsprechende Substi-
tuenden für ‘Mangel an b’ in (i) und (ii) um- Mit anderen Worten: Man muß erk lären, wie
fassen. Daher ist die Negation eines Satzes zwei Begriffe zusammengefügt werden k ön-
der Form (i) ein anderer Satz der Form (i), nen, damit eine Aussage zustande k ommt.
nämlich: Einer Beschaffenheitsvorstellung k önnen
(iii) ‘S(i) hat Falschheit’, mehrere Beschaffenheiten unterstehen (WL
§§ 60, Anm. 2; 176,2). Der Wahrheitsbegriff
wobei S(i) der Satz an sich ist, der durch die wird nun für diejenigen Sätze an sich, die den
spezielle Einsetzungsinstanz von (i) ausge- Sätzen der k anonischen Form (i) und (ii) ent-
drück t wird (WL §§ 189,1,e; 5,a). — Als Bei- sprechen, im wesentlichen auf folgende Weise
spiel dafür, wie Bolzano seine Reduk tions- definiert (WL §§ 24,1; 131):
theorie auf die Umgangssprache anwendet, (i) S(i) ist wahr genau dann, wenn jedem
k önnten diejenigen Sätze angeführt werden, Gegenstand der Vorstellung V eine der
die man durch Einsetzung eines einzelnen der Beschaffenheitsvorstellung b unter-
Vorstellungsnamen für ‘V’ in ‘Es gibt ein V’ stehenden Beschaffenheiten zukommt;
und ‘Nichts ist ein V’ erhält. Diese Sätze sind
reduzierbar auf die k anonischen Sätze ‘Die (ii S(ii) ist wahr genau dann, wenn keinem
Vorstellung V hat Gegenständlichk eit’ bzw. ) Gegenstand von V eine der der Beschaf-
‘Die Vorstellung V hat Mangel an Gegen- fenheitsvorstellung b unterstehenden
ständlichk eit’ (WL §§ 137; 170). Ein Satz der Beschaffenheiten zukommt.
Form ‘Alle V1 sind V2’ ist reduzierbar auf Dabei werden V und b durch die Substituen-
einen k anonischen Satz der Form (i), wobei den für ‘V’ und ‘b’ bezeichnet. — Einen wah-
der Substituend für ‘b’ Gegenstand einer ab- ren Satz an sich nennt Bolzano eine „Wahrheit
strak ten Vorstellung ist, die dem Substituen- an sich“ (WL § 25). Er nahm offensichtlich
den für ‘V2’ zugeordnet ist (WL § 225, Anm.). an, daß die Menge der Sätze der Umgangs-
— Hätte Bolzano seine Reduk tionstheorie sprache und seiner eigenen philosophischen
vollständig entwick elt, so wäre dies der Kon- Sprache in die Menge der Sätze an sich ab-
struk tion einer Idealsprache für die philoso- gebildet werden k önne, so daß eine indirek te
phische Analyse gleichgek ommen. In dieser Definition der Wahrheit für diese sprachli-
Idealsprache würden Sätze der k anonischen chen Sätze möglich wäre.
Form (i) bzw. (ii) allerdings nicht dieselbe Bolzano entwick elte seine Reduk tionstheo-
Rolle spielen wie die atomaren Formeln der rie weiter, indem er eine notwendige Bedin-
modernen Logik , aus denen k omplexere For- gung für die Wahrheit aller Sätze der Form
meln aufgebaut werden. Vielmehr scheint (i) und (ii) angibt. Wenn V gegenständlich ist,
Bolzano im Gegenteil angenommen zu haben, d. h., wenn es mindestens einen Gegenstand
daß auch die k ompliziertesten Sätze k anoni- von V gibt, dann sind nach Bolzano auch die
sche Form haben oder auf eine solche Form entsprechenden Sätze an sich S(i) und S(ii)
gebracht werden k önnen. Bolzanos Reduk - gegenständlich. Und ist V gegenstandslos,
tionstheorie ist aber insofern vage, als er an gibt es also k einen Gegenstand von V, dann
k einer Stelle seines philosophischen Werk es sind nach Bolzano auch S(i) und S(ii) gegen-
irgendwelche systematische Regeln zur Kon- standslos (WL § 146). Nun ist aber, wenn S(i)
28.  Bernard Bolzano (1781—1848) 387

oder S(ii) wahr ist, auch V gegenständlich §§ 65,10; 120). Bolzano gibt folgendes Gegen-
(WL §§ 127,7; 130; 138; 196,2; 225,4). Daher beispiel für (i): Es sei V1 die Vorstellung eines
gilt (WL § 234,3): Menschen, der alle europäischen Sprachen
(15) Wenn V gegenstandslos ist, dann sind versteht, und V2 die Vorstellung eines Men-
sowohl S(i) als auch S(ii) falsch. schen, der alle lebenden europäischen Spra-
Da der Gegenstand, der durch den Substi- chen versteht. Ein Gegenbeispiel für die Um-
k ehrung von (i) ergibt sich, wenn man ‘V1’
tuenden für ‘V’ in (i) und (ii) bezeichnet wird,
die Vorstellung einer Klasse sein k ann, bein- und ‘V2’ miteinander vertauscht. Ein weiteres
haltet Bolzanos Bedingung eine Existenzin- Gegenbeispiel wäre die Beziehung zwischen
terpretation der k lassischen Syllogistik (WL V1 und V1 ⋃ V2 für alle gegenständlichen V1
§§ 155,3; 156,1; 159,4; 176,1). Außerdem zeigt und V2, wenn Bolzanos Definition des Inhalts
diese Bedingung, daß Bolzano im Grunde ge- einer Vorstellung an sich vorausgesetzt wird.
nommen eine philosophische Sprache ohne Da der Satz (i) in Bolzanos Semantik nicht
Existenzvoraussetzungen im Auge hatte, bei gilt, k ann man Vorstellungen finden, die so-
der auch leere Gegenstandsbereiche zugelas- wohl Einzelvorstellungen sind als auch einen
sen werden. Diese Konzeption liegt seinem absolut einfachen Inhalt besitzen, obwohl ihre
Aufbau der Variationslogik zugrunde (vgl. sprachlichen Ausdrück e k omplex sind, wie
2.1.). — Jeder Satz an sich ist demnach ent- z. B.: ‘Dies (was ich eben erfahre)’. Solche
weder wahr oder falsch. Ferner ist die fol- Vorstellungen nennt Bolzano „Anschauun-
gende Form des Gesetzes vom ausgeschlos- gen“ (WL § 72). Daher ist V eine Anschauung
senen Dritten: S(i) und S(ii) sind nicht beide genau dann, wenn V eine einfache Vorstellung
falsch, auch für gegenstandslose Sätze an sich an sich ist, deren Extension einen einzigen
gültig. Gegenstand umfaßt. Der Begriff eines Be-
griffs wird nun wie folgt definiert (WL § 73,1):
1.4. Begriffssätze V ist ein Begriff genau dann, wenn V eine
Vorstellung an sich ist, die k eine Anschauung
In der traditionellen Logik gibt es einen Lehr- ist, und wenn k ein Element des Inhalts von
satz über die Reziprozität zwischen Umfang V eine Anschauung ist. Daher k önnen Be-
und Inhalt einer Vorstellung: je größer der griffe einfache (leere oder generelle) oder
Umfang, desto k leiner der Inhalt; und je k lei- k omplexe (leere, singuläre oder generelle)
ner der Umfang, desto größer der Inhalt. Die- Vorstellungen an sich sein, deren Inhalt k eine
ser Satz ist gültig, wenn der Inhalt einer Vor- einfache Einzelvorstellung umfaßt (WL
stellung als eine Konjunk tion von Eigenschaf- §§ 76,2; 78,2). Wenn der Inhalt einer k omple-
ten aufgefaßt wird, d. h., wenn folgende De- xen Vorstellung an sich V eine Anschauung
finition des Inhaltsbegriffs beabsichtigt ist: umfaßt, wird V eine „gemischte Vorstellung“
Der ›Inhalt‹ von V ist die Menge aller V′ genannt (WL § 73,2). — Es ist wichtig zu
derart, daß XΣV genau dann, wenn XΣV und bemerk en, daß Bolzanos Begriff des Inhalts
XΣV′, für alle X. Es ist dann logisch beweis- einer Vorstellung an sich k eine geordnete
bar, daß sowohl Menge beinhaltet. Daher drück en beispiels-
(i) Wenn für alle X gilt: wenn XΣV1, dann weise ‘35’ und ‘53’ verschiedene Vorstellungen
XΣV2; dann ist der Inhalt von V2 in den mit gleichem Inhalt aus (WL § 56). Eine ein-
Inhalt von V1 inkludiert, fache Vorstellung an sich k ann mit ihrem In-
halt identifiziert werden (WL § 92,1). Bolzano
als auch die Umk ehrung von (i) gilt. — Bol- postuliert explizit, daß es Vorstellungen an
zano definiert den „Inhalt“ einer Vorstellung sich mit unendlichem Inhalt gibt (WL §§ 65,3;
an sich als die „Summe“ der „Teile“ in V (WL 78, Anm. 2). Möglicherweise hat er voraus-
§ 56). Aus § 116,3 geht hervor, daß er hierbei gesetzt, daß solche Vorstellungen auf unend-
unter ‘Teile’ die in V enthaltenen einfachen lichen Definitionsk etten basieren. Folglich
Vorstellungen an sich versteht. Aus seinen gibt es einerseits unendlich viele einfache Vor-
Definitionen der Begriffe Summe und Menge stellungen an sich. Andererseits ist die Anzahl
(WL § 84) folgt nun, daß der Inhalt einer der „einfachen Begriffe“ endlich (WL §§ 78,
Vorstellung an sich V die Menge der Vorstel- Anm.; 221,3). Daher gibt es k eine Begriffe
lungen an sich in der Grundform von V ist. unendlichen Inhalts. Begriffe mit einer unend-
Zwei Vorstellungen haben genau dann den- lichen Anzahl von Gliedern in ihrer Grund-
selben Inhalt, wenn ihre „letzten Bestand- form sind jedoch möglich.
teile“ identisch sind (WL § 96,2). In Bolzanos Bolzanos Anschauungen unterscheiden sich
Semantik folgt daher, daß (i) falsch ist (WL von ähnlichen Konstruk tionen früherer Phi-
388 II. Personen

losophen durch ihre Abstrak theit und abso- gesehen werden k ann. Eine Wahrheit a poste-
lute Einfachheit (WL § 76,2). Eine Einzelvor- riori ist ein Satz an sich, dessen Wahrheit
stellung eines physik alischen Gegenstands nicht unabhängig von der Erfahrung einge-
k ann nicht lediglich aus Begriffen k onstruiert sehen werden k ann. Die Begriffe a priori und
werden. Die zusammengesetzte Vorstellung a posteriori k önnen nach Bolzano in einem
an sich, die den Gegenstand repräsentiert, objek tiven Sinn im Zusammenhang mit Sät-
muß ihren Grund in irgendeinem physik ali- zen an sich und in einem subjek tiven Sinn im
schen Gegenstand haben (WL §§ 74,2; 76,1). Zusammenhang mit Urteilen aufgefaßt wer-
Bolzanos Begriffe entsprechen demnach den den. Im objek tiven Sinn sind Begriffssätze a
sogenannten universellen Eigenschaften, auf priori und Anschauungssätze a posteriori.
die sich die moderne Disk ussion um das Pro- Daher gibt es im objek tiven Sinn sowohl un-
blem der irrealen Konditionalsätze bezieht (s. bek annte Wahrheiten a priori als auch un-
Art. 89). Bolzanos gemischte Vorstellungen bek annte Wahrheiten a posteriori. Dieser ob-
entsprechen nichtuniversellen Eigenschaften, jek tive Sinn schwebt Kant möglicherweise
die nur unter Bezugnahme auf irgendeine dort vor, wo er alle mathematischen Sätze als
Raum-Zeit-Stelle definierbar sind (WL §§ 75,4; Urteile a priori erk lärt (WL § 133, Anm.).
79,5). Den Inhalt eines Satzes an sich definiert Wahre Urteile, die apriorische Sätze an sich
Bolzano analog zum Inhalt einer Vorstellung enthalten, k önnen aber — subjek tiv gesehen
an sich (WL § 123). Die Sätze an sich werden — a posteriori sein. Dieser subjek tive Sinn
in Begriffssätze und Anschauungssätze ein- wird von Bolzano mit Hilfe der Vermittlungs-
geteilt (WL § 133). Ein Satz an sich A ist ein relation definiert (WL § 306,12): Ein Urteil W
Begriffssatz genau dann, wenn der Inhalt von ist ein Urteil a priori im System S genau dann,
A nur Begriffe umfaßt. A ist ein Anschau- wenn für alle Folgen 〈Ui〉, die in einer Ver-
ungssatz genau dann, wenn A k ein Begriffs- mittlungsk ette zu W in S stehen, gilt, daß die
satz ist. Beispielsweise sind die Lehrsätze der Glieder Ui nur Begriffssätze enthalten. Und
mathematischen Analysis und Isaac Newtons W ist ein Urteil a posteriori im System S
(1643—1727) Gravitationsgesetz wahre Be- genau dann, wenn W nicht ein Urteil a priori
griffssätze, obwohl unsere Erk enntnis des in S ist.
letzteren Satzes zufälligerweise von der Erfah-
rung abhängt (Bolzano 1969 ff, Gesamtaus-
gabe R.2A VII, 61). Das Definiens der Defi- 2. Logische Wahrheit
nition eines Bolzanoschen Begriffssatzes muß
so verstanden werden, daß die Grundform 2.1. Variationslogik
von A k ein wesentliches Vork ommen einer
Anschauung aufweist. Denn sonst k önnte Bolzano erk annte, daß sich der Wahrheits-
eine Einsetzungsinstanz eines logischen Ge- wert eines Satzes an sich bei Variation gewis-
setzes ein Anschauungssatz sein. Ein Beispiel ser Komponenten ändern k ann. Beispiels-
hierfür wäre der logisch wahre Satz an sich weise k ann der wahre Satz an sich
Bolzano ist allwissend oder Bolzano ist nicht (i) Bolzano ist sterblich
allwissend, in dem die Vorstellung Bolzano
nicht wesentlich vork ommt. Es gibt zwei durch Änderung der Prädik atvorstellung in
schwerwiegende Gründe für diese Auslegung den falschen Satz an sich
der Bedeutung des Ausdruck es ‘Begriffssatz’. (ii) Bolzano ist allwissend
Erstens führt Bolzano in seiner Reduk tions- übergeführt werden. Hingegen k ann der Satz
theorie die Modalität der Notwendigk eit auf an sich (i) nicht in einen falschen Satz an sich
wahre Begriffssätze zurück . Ein Satz an sich übergeführt werden, wenn die Subjek tvor-
(von k anonischer Form) ist nach Bolzano stellung Bolzano durch eine andere Vorstel-
notwendig genau dann, wenn er die Beschaf- lung innerhalb ihres (gewöhnlich explizit
fenheit hat, eine Begriffswahrheit zu sein (WL vorausgesetzten) Variationsbereiches ersetzt
§ 182,1). — Zweitens führt Bolzano die Ein- wird. Wenn aber der Variationsbereich der
teilung in Begriffs- und Anschauungssätze als Vorstellung Bolzano erweitert wird, indem er
eine partielle Rek onstruk tion von Immanuel auch nichtmenschliche Wesen einschließt,
Kants (1724—1804) Unterscheidung zwi- k önnte sich im Sinne Bolzanos aus (ii) die
schen Erk enntnis a priori und Erk enntnis a folgende Wahrheit ergeben: (iii) Gott ist all-
posteriori ein (WL §§ 133, Anm.; 287,9). Eine wissend. Wir sehen also, daß Bolzano eine
Wahrheit a priori ist ein Satz an sich, dessen Ersetzungsoperation benützt, die einen Satz
Wahrheit unabhängig von der Erfahrung ein- an sich A auf den Satz an sich A(V/V′) ab-
28.  Bernard Bolzano (1781—1848) 389

bildet, wobei A(V/V′) sich von A nur dadurch entsprechenden sprachlichen Satzes widerge-
unterscheidet, daß die Vorstellung V′ an ge- spiegelt wird. Die Subjek t- und Prädik atvor-
nau denjenigen Stellen auftritt, an denen A stellungen jedes Satzes an sich sind aus ein-
die Vorstellung V enthält. Diese Operation fachen Vorstellungen an sich und logischen
k ann erweitert werden zu einer simultanen Konstanten aufgebaut (WL § 116,3). Außer
Ersetzung der Vorstellungen V1,...,Vn durch den einfachen Vorstellungen an sich k önnen
V′1,...,V′n, bei der A auf A(V1,...,Vn/V′1,..., auch Kombinationen von Vorstellungen an
V′n) abgebildet wird. (Die ersetzenden Vor- sich variiert werden, wobei allerdings alle in
stellungen müssen zweck s Vermeidung von einem Satz an sich enthaltenen Vork ommen
Konfusionen selbstverständlich paarweise einer zusammengesetzten Vorstellung an sich
verschieden sein, während die ersetzten Vor- in derselben Weise variiert werden müssen.
stellungen nicht verschieden zu sein brau- Beispielsweise dürfen in einem Satz an sich
chen.) Die Folge V1,...,Vn wird von nun an der Form A und nicht A die beiden Vorstel-
lungsk omplexe A und nicht A nicht unabhän-
mit ‘F’ bezeichnet. Bolzano verwendet auch gig voneinander variiert werden. — Analog
eine Ersetzungsoperation auf Mengen von zum Begriff des allgemeingültigen Satzes an
Sätzen an sich, wobei die Menge {A1, A2,...}
sich läßt sich der Begriff des allgemein un-
auf die Menge {A1,A2,...} (F/F′), d. h. {A1(F/ gültigen Satzes an sich definieren (WL § 147):
F′), A2(F/F′),...}, abgebildet wird. (D2) A ist allgemein ungültig bzgl. F genau
Jede in einem Satz an sich enthaltene Vor- dann, wenn A(F/F′) falsch ist für alle
stellung an sich hat ihren entsprechenden Va- zulässigen Folgen F′.
riationsbereich. Beispielsweise gehören in den
obigen Sätzen an sich (i) und (ii) Vorstellun- Im Hinblick auf gewisse Eigenschaften von
gen menschlicher Wesen zum Variationsbe- Sätzen an sich und Beziehungen zwischen die-
reich der Vorstellung Bolzano, während Vor- sen betrachtet Bolzano den speziellen Fall,
stellungen abstrak ter Begriffe nicht dazu ge- daß die ersetzten Vorstellungen genau die
hören. Die Variation der in Sätzen an sich ›nichtlogischen‹ Vorstellungen des betreffen-
enthaltenen Vorstellungen ist eine ebenso ori- den Satzes an sich sind (WL § 29,4,b). Diese
ginelle wie fruchtbare Idee. Bolzano baut Unterscheidung wird z. B. für den Begriff des
seine Neuerung mit außerordentlicher Gründ- analytischen Satzes an sich (WL § 148,3) und
lichk eit und Genauigk eit zu einer logisch-se- der Ableitbark eit (WL § 223) durchgeführt.
mantischen Theorie aus, die an entscheiden- Es ist daher naheliegend, diese Unterschei-
den Punk ten Begriffe vorwegnimmt, die in dung auf Bolzanos fundamentalen Begriff der
der modernen Sprachtheorie vorkommen. Variation auszudehnen:
Zunächst führt Bolzano einen Begriff der (D3) A ist logisch allgemeingültig genau
Allgemeingültigk eit von Sätzen an sich ein, dann, wenn A allgemeingültig ist bzgl.
wobei er im wesentlichen folgendermaßen aller nichtlogischen Vorstellungen in A.
vorgeht (WL § 147): Der Unterschied zwischen logischen und
(D1) Ein Satz an sich A ist allgemeingültig nichtlogischen Begriffen spielt daher eine
bzgl. der Vorstellungen an sich F genau wichtige Rolle in Bolzanos Sprachtheorie,
dann, wenn A(F/F′) wahr ist für alle und er ist sich dessen Bedeutung voll bewußt,
zulässigen Folgen F′. obwohl er zugeben muß, daß sich über die
Hier muß allerdings vorausgesetzt werden, genaue Grenzziehung streiten ließe (WL
daß A k eine ›definierten‹ Vorstellungen an § 148,3).
sich enthält. (Wenn es Sätze an sich gäbe, die
›definierte‹ Vorstellungen an sich enthielten, 2.2. Analytische Sätze
k önnte ein nicht ›abgek ürzter‹ Satz an sich Mit Hilfe des Begriffes der Allgemeingültig-
allgemeingültig sein, während ein entspre- k eit vollzieht Bolzano nun eine logische Ana-
chender Satz an sich, den man durch ›defi- lyse der auf Sätze an sich angewandten Kant-
nitorische Abk ürzung‹ erhält, nicht allge- schen Dichotomie ‘analytisch-synthetisch’.
meingültig sein müßte.) Daß ein Satz an sich Zunächst schlägt er folgende Explik ation vor
k eine ›definierten‹ Vorstellungen an sich ent- (WL § 148,1):
hält, folgt aber aus Bolzanos Theorie der
Sätze an sich und aus seiner Reduk tionstheo- (D4) A ist analytisch genau dann, wenn A
rie. Er hat sich offenbar vorgestellt, daß jeder eine Vorstellung V enthält, so daß A
Satz an sich in einer k anonischen Form vor- bzgl. V allgemeingültig oder allgemein
liegt, die durch die k anonische Form eines ungültig ist.
390 II. Personen

(D5) A ist synthetisch genau dann, wenn A enthalten. Der Sinn des unter (IIIb) ange-
nicht analytisch ist. führten Satzes läßt sich durch den sprachli-
Im Sinne von (D4) k ann ein beliebiger em- chen Satz ‘Was ich geschrieben habe, will ich
pirischer Satz an sich, aΣV, leicht in einen nicht abändern’ wiedergeben, der nicht ein-
logisch äquivalenten Satz an sich transfor- mal analytisch im weiteren Sinne von (D4)
miert werden, indem er mit dem Satz an sich ist. — In der modernen Semantik wird die
aΣV′ oder nicht aΣV′ Analytizität häufig als eine Relation zwischen
konjugiert wird, der allgemeingültig bezüglich einem Satz S, einer Menge Δ von Definitionen
der unwesentlich vork ommenden Eigenschaft und einer Sprache L von bestimmter Struk tur
V′ ist. aufgefaßt (s. Art. 86). Beispielsweise k ann
Bolzano befaßt sich auch mit einer Teil- man sagen, daß S in L bezüglich Δ analytisch
k lasse der Menge der analytischen Sätze an ist, wenn S eine logische Folgerung aus Δ in
sich, die vom modernen Standpunk t aus in- L ist (vgl. 2.3.) und L den Satz S und die
teressanter ist, nämlich mit der Klasse der Elemente von Δ enthält. Analytische Sätze in
sogenannten logisch analytischen Sätze an diesem Sinn haben eine genaue Parallele in
sich (WL § 148,3): Bolzanos wahren, logisch analytischen Sätzen
(D6) A ist logisch analytisch genau dann, an sich.
wenn A logisch allgemeingültig oder lo-
gisch allgemein ungültig ist. 2.3. Logische Konsequenz
Analog dazu k önnen wir auch den folgenden Daß eine Menge Γ von Sätzen an sich wahr
Begriff einführen, der allerdings von Bolzano ist, bedeutet selbstverständlich, daß jedes Ele-
nie eigens definiert wurde: ment von Γ wahr ist. Wir k önnen somit Bol-
(D7) A ist logisch synthetisch genau dann, zanos Definition der Allgemeingültigk eit wie
wenn A nicht logisch analytisch ist. folgt erweitern:
(D1′) Die Menge Γ von Sätzen an sich ist
Wir unterscheiden nun die folgenden Klassen allgemeingültig bzgl. F genau dann,
von Sätzen an sich: (I) logisch analytische, wenn Γ(F/F′) wahr ist für alle zulässi-
(II) analytische und zugleich logisch synthe- gen Folgen F′.
tische, (III) synthetische. Diese Klassifik ation
ist auch auf die entsprechenden sprachlichen Bolzanos Begriff der Verträglichk eit ist eine
Sätze anwendbar, und jede dieser Klassen Erweiterung dieses Allgemeingültig k eitsbe-
k ann weiter unterteilt werden in (a) explizite griffs (WL § 154,2):
und (b) implizite Sätze. Einige von Bolzano (D8) Γ ist verträglich bzgl. F genau dann,
selbst stammende Beispiele für sprachliche wenn Γ(F/F′) wahr ist für wenigstens
Sätze dieser Art sind: (Ia) ‘A ist A’, ‘Jeder eine zulässige Folge F′.
Gegenstand ist entweder B oder nicht B’, (Ib)
‘Jede Wirk ung hat ihre Ursache’, (IIa) ‘Auch Eine entsprechende Relation zwischen Men-
ein gelehrter Mensch ist fehlbar’, (IIb) ‘Auch gen von Sätzen an sich k ann folgendermaßen
ein gelehrter Mensch ist ein Mensch’, (IIIa) eingeführt werden:
‘Der Vater Alexanders, des Königs von Ma- (D8′) Γ ist mit Δ verträglich bzgl. F genau
k edonien, war König von Mak edonien’, dann, wenn Γ⋃Δ verträglich ist bzgl.
(IIIb) ‘Was ich geschrieben habe, habe ich F.
geschrieben’. — Kants Definition der analy- Als Spezialfall der Verträglichk eit im letzteren
tischen Urteile als derjenigen, in denen das Sinne führt Bolzano die Relation der Ableit-
Prädik at im Subjek t enthalten ist, würde nach bark eit zwischen Mengen von Sätzen an sich
Bolzano der Intuition zuwiderlaufen, wenn sie ein (WL §§ 154, Anm.; 155,2; 164,2):
auf Sätze an sich angewendet würde (WL (D9) Δ ist ableitbar aus Γ bzgl. F genau dann,
§ 148, Anm. 4). Denn sie wäre einerseits zu wenn Γ mit Δ verträglich bzgl. F ist und
eng, da sie den durch das zweite Beispiel unter wenn außerdem Δ(F/F′) wahr ist für
(Ia) ausgedrück ten Satz an sich ausschließt; jede zulässige Folge F′, bei der Γ(F/F′)
andererseits wäre sie zu weit, da sie den durch wahr ist.
das Beispiel (IIIa) ausgedrück ten Satz an sich
einschließt. Das Beispiel (Ib) ist eine Folge- Bolzano verwendet auch einen speziellen lo-
rung aus der Definition des Prädik ats ‘Wir- gischen Fall von Ableitbark eit, der im we-
k ung’. In dem Satz an sich, der unter (IIa) sentlichen wie folgt definiert wird (WL
angegeben wurde, ist die dem Prädik at ‘ge- §§ 29,4,b; 223; 260,1; Bolzano 1969 ff, Ge-
lehrter’ entsprechende Vorstellung an sich leer samtausgabe, R.2A VII, 64):
28.  Bernard Bolzano (1781—1848) 391

(D10) Δ ist logisch ableitbar aus Γ genau k eitstransformation, und ein topologischer
dann, wenn Δ ableitbar ist aus Γ bzgl. Begriff ist invariant bezüglich jeder stetigen
einer Folge aller nichtlogischen Vor- Transformation. Analog dazu k ann ein ›lo-
stellungen der Elemente von Γ⋃Δ. gischer Begriff‹ als ein Begriff aufgefaßt wer-
den, der invariant ist bezüglich jeder umk ehr-
Bolzanos Relation der logischen Ableitbark eit bar eindeutigen Abbildung des Gegenstands-
ist ein interessantes Gegenstück zu dem mo- bereiches auf sich selbst. In diesem Sinne
dernen, von Alfred Tarsk i (1902—1983) ein- k önnte auch das k lassische sprachtheoreti-
geführten Begriff der logischen Folgerung sche Reduk tionsproblem der Mechanisten des
(Tarsk i 1953, 3—35). Dieser moderne Begriff 17. und 18. Jahrhunderts gelöst werden: Ein
ist für Sätze einer formalen Sprache definiert, physik alischer Begriff läßt sich somit als ein
während sich Bolzanos Ableitbark eitsrelation Begriff auffassen, der invariant bezüglich
auf abstrak te, nichtsprachliche Sätze an sich einer Galilei- oder Lorentztransformation ist.
bezieht, die in einer natürlichen (durch Varia- — Man k ann sich vorstellen, daß über die
ble und gewisse Konstante ergänzten) Spra- nichtlogischen Vorstellungen an sich hinaus
che formuliert sind. Dieser Unterschied ist auch noch logische Vorstellungen der Sätze
selbstverständlich für die Beziehungen zwi- an sich variiert werden. Die Bolzanoschen
schen dem Begriff der logischen Folgerung Sätze an sich sind den Aussagen der moder-
und anderen logischen Begriffen wie etwa nen Logik ähnlich. Die zweiwertige Aussa-
dem der syntak tischen Beweisbark eit von we- genlogik (d. h. die elementare Theorie der aus-
sentlicher Bedeutung. Wie wir bereits gesehen sagenlogischen Konstanten) k ann als eine
haben, betrachtet Bolzano jedoch nichtato- Boolesche 2-Elementenalgebra dargestellt
mare Sätze an sich als aus einfachen Bestand- werden, wobei die logischen Konstanten
teilen schrittweise aufgebaut — analog zu den Boolesche Operationen bezeichnen. Für jedes
Formeln einer formalen Sprache. — Ein cha- n ≧ 1 gibt es eine Boolesche 2n-Elementenal-
rak teristischer Unterschied zwischen Bolza- gebra, und jede solche Algebra beinhaltet eine
nos Begriff der logischen Ableitbark eit und eigene Interpretation der aussagenlogischen
dem modernen Folgerungsbegriff ist Bolza- Konstanten. Das Repräsentationstheorem,
nos Bedingung, daß die Mengen Γ und Δ wonach jede Boolesche Algebra einer Men-
verträglich bezüglich aller nichtlogischen Vor- genalgebra isomorph ist, gibt die Grenzen
stellungen an sich in jedem Element von Γ dieser Interpretationsmöglichk eiten an. Aller-
bzw. Δ sein müssen. Eine Konsequenz dieser dings scheint Bolzano eine Variation aus-
Verträglich k eits
k lausel ist, daß Bolzanos schließlich über die nichtlogischen Vorstellun-
Theorie k omplizierter und weniger allgemein gen an sich im Auge gehabt zu haben. Daß
als die moderne Theorie der logischen Fol- er k eine Variation der Copula (durch ‘sein’
gerung ist. Beispielsweise müssen Folgerungs- bzw. ‘haben’ ausgedrück t) zugelassen hat,
beziehungen mit Kontradik tionen vom Typ A geht aus seiner Einführung der Variationslo-
und nicht A als Prämisse in Bolzanos Logik gik in seiner Einleitung zur Größenlehre (Bol-
durch die Behauptung repräsentiert werden, zano 1969 ff, Gesamtausgabe R.2A VII, 62)
daß der disjunk tive Satz an sich A oder B aus deutlich hervor. Hier setzt er voraus, daß nur
A logisch ableitbar ist, wobei B die ursprüng- die Subjek t- und Prädik atvorstellungen eines
liche Konk lusion ist. Ferner k önnen Folge- Satzes an sich bzw. ihre Bestandteile variiert
rungsbeziehungen mit Sätzen des Typs x ≠ x werden. Ferner zeigt der Beweis eines varia-
als Prämisse überhaupt nicht in Bolzanos Sy- tionslogischen Theorems (WL § 154,19), daß
stem repräsentiert werden. — Es gibt jedoch er k eine Variation der logischen Konstanten
einen weiteren fundamentalen Unterschied der Negation und des Begriffs der Wahrheit
zwischen Tarsk is und Bolzanos Semantik . zuläßt. — Man k ann sich außerdem vorstel-
Wir stoßen hier auf Begriffsbildungen, die für len, daß über eine Folge F aller nichtlogischen
die Formulierung der Basis einer im Sinne der Vorstellungen an sich hinaus auch noch alle
Bolzanoschen Variationslogi
k aufgebauten Teilfolgen von F variiert werden. Man erhält
wissenschaftlichen Theorie von großer Bedeu- dann in Bolzanos Variationslogik einen Ab-
tung sind (vgl. 3.1.). Tarsk i hat versucht, die leitbark eitsbegriff, der stärk er als die logische
wichtige, von Bolzano explizit eingeführte Di- Ableitbarkeit ist:
stink tion zwischen logischen und nichtlogi- Δ ist streng ableitbar aus Γ genau dann,
schen Begriffen zu k lären (Tarsk i 1986). Bei- wenn Δ ableitbar aus Γ ist bzgl. jeder (auch
spielsweise ist ein Begriff der Euk lidischen unechten) Teilfolge einer Folge, die alle
Geometrie invariant bezüglich jeder Ähnlich-
392 II. Personen

nichtlogischen Vorstellungen an sich der semantisch wahr bei einer Interpretation 


Elemente von Γ und Δ umfaßt. über D, wenn A wahr ist bei allen Interpre-
In Bolzanos System impliziert logische Ab- tationen über D, die sich höchstens bezüglich
leitbark eit nicht strenge Ableitbark eit. Sei bei- a von  unterscheiden. Hinsichtlich einer Be-
spielsweise XΣV1 ein empirisch falscher Satz wertungssemantik jedoch ist ΛαA wahr bei
an sich und YΣV2 ein beliebiger Satz an sich. der Bewertung ℬ genau dann, wenn A(α/c)
Dann ist der Satz an sich wahr ist bei ℬ für alle Substituenden c der
(*) YΣV2 oder YV2 Variablen α.
nicht streng ableitbar aus XΣV1, denn für F* Bolzano dachte niemals an eine k ombi-
= 〈Y, V2〉 verstößt die Behauptung: (*) ist nierte Quantifik ation über Bereiche und Vor-
stellungen an sich. Nichtsdestoweniger be-
ableitbar aus XΣV1 bzgl. F*, gegen die Ver- steht zwischen seiner Quantifik ation über
träglichk eitsbedingung der Definition (D9). Folgen von Vorstellungen, angewandt auf
Ein Analogon zur strengen Ableitbark eit wird eine formale Sprache, und der bewertungs-
in der modernen Situationssemantik einge- semantischen Auffassung der Quantifik ation
führt. eine sehr große Ähnlichk eit. Bolzano k ann
daher als der erste Philosoph angesehen wer-
2.4. Bewertungssemantik den, der einen bewertungssemantischen Fol-
Im Anschluß an Tarsk i sagen wir, daß eine gerungsbegriff mit endlich vielen Prämissen
Formel A genau dann eine logische Folgerung charak terisierte. — Bolzano quantifizierte
aus der Formelmenge Γ ist, wenn A bei jeder nicht nur über Individualbegriffe, sondern
Interpretation über jedem nichtleeren Gegen- auch über Allgemeinbegriffe, die durch Prä-
standsbereich wahr ist, bei der alle Elemente dik ate ausgedrück t werden. Dies entspricht
von Γ wahr sind. Hier wird sowohl über In- der Einführung einer nichtelementaren Logik
terpretationen als auch Gegenstandsbereiche der untersten Stufe, die eine Theorie der
universell generalisiert. Eine Interpretation quantifizierten Prädi k atenvariablen enthält,
über einem Bereich D ist eine Funk tion, die aber k eine spezifisch mengentheoretischen
Gegenstandssymbole in die Menge D und Axiome (wie etwa Aussonderungs- und Aus-
Prädik atssymbole auf Mengen von n-Tupeln wahlaxiom). Die in Bolzanos Variationslogik
von Elementen aus D abbildet. Eine Seman- enthaltene Theorie der logischen Allgemein-
tik , die auf solche Funk tionen basiert, nennen gültigk eit k ann in einem Teilsystem dieser en-
wir ‘Interpretationssemantik ’. Es ist jedoch geren nichtelementaren Logik repräsentiert
möglich, eine logische Semantik ausschließ- werden, das auf einer Bewertungssemantik
lich mit Hilfe sogenannter Bewertungsfunk - basiert. Bolzanos implizite Forderung an die
tionen aufzubauen. Man erhält dann eine ›Be- semantische Basis einer wissenschaftlichen
wertungssemantik ‹. Eine Bewertungsfunk tion Theorie zusammen mit seiner Konzeption der
bildet die Menge der Formeln einer formalen logischen Allgemeingültigk eit führen in der
Sprache auf eine Menge von Wahrheitswerten Tat zu einer paradoxienfreien semantisch ad-
ab. Es gibt nun verschiedene Möglichk eiten, äquaten Erweiterung der gewöhnlichen prä-
den Begriff der bewertungssemantischen Fol- dik atenlogischen Version des modallogischen
gerung einzuführen. Der entscheidende Punk t Systems S5 von Clarence Irving Lewis
betrifft Folgerungsbeziehungen mit einer un- (1883—1964) (Lewis/Langford 1932, 501).
endlichen Anzahl von Prämissen. Die fol- Bolzano hat somit im wesentlichen den Be-
gende Version wird hier gewählt: A sei genau reich der k lassischen logischen Wahrheit im
dann eine bewertungssemantische Folgerung Rahmen seiner Variationslogik erfaßt.
aus einer (möglicherweise unendlichen) For-
melmenge Γ, wenn es eine endliche Teilmenge
Δ von Γ gibt derart, daß A wahr ist bei jeder 3. Literatur in Auswahl
Bewertung, bei der alle Elemente von Δ wahr
sind (vgl. Kleink necht/Wüst 1976, 476 f). Der 3.1. Schriften Bolzanos
Hauptunterschied zwischen Interpretations- Die Bernard Bolzano-Gesamtausgabe, herausge-
semantik und Bewertungssemantik besteht in geben von Eduard Winter †, Jan Berg, Friedrich
der verschiedenen Behandlung der Atomfor- Kambartel, Jaromír Loužil und Bob van Rootse-
meln. Dies führt zu einem Unterschied in der laar, erscheint seit 1969 im Verlag Frommann-
Behandlung der Quantoren. Beispielsweise ist Holzboog, Stuttgart — Bad Cannstatt. Sie umfaßt
eine Formel ΛαA genau dann interpretations- zwei Einleitungsbände und vier Reihen: I. Schrif-
29.  Alexander Bryan Johnson (1786—1867) 393

ten, die zu Lebzeiten Bolzanos erschienen sind; II.


Nachlaß; III. Briefwechsel; IV. Dokumente. 3.2. Sekundärliteratur
Die bisher umfangreichste Bibliographie der ver-
öffentlichten Schriften Bolzanos und der Literatur Buhl 1961, Ableitbarkeit und Abfolge in der Wis-
über ihn liegt im zweiten Einleitungsband der Ge- senschaftstheorie Bolzanos.
samtausgabe und in zwei Supplementen (heraus- Kambartel 1963, Einleitung zu Bernard Bolzano’s
gegeben von Jan Berg und Edgar Morscher 1982 Grundlegung der Logik.
und 1987) vor. Morscher 1974, „Philosophische Logik “ bei Bol-
In der vorliegenden Darstellung wurde folgende zano, in Sitzungsberichte d. Österr. Akad. d. Wiss.,
Hauptschrift Bolzanos eigens hervorgehoben: phil.-hist. Kl. 293, Abh. 5.
Bolzano 1837, Dr. B. Bolzanos Wissenschaftslehre. Morscher 1981, Bolzanos Wissenschaftslehre, in
Versuch einer ausführlichen und größtentheils neuen Sitzungsberichte d. österr. Akad. d. Wiss., phil.-
Darstellung der Logik mit steter Rücksicht auf deren hist. Kl. 391.
bisherige Bearbeiter. Herausgegeben von mehren sei-
ner Freunde 1—4 [= WL]. Jan Berg, München (Deutschland)

29. Alexander Bryan Johnson (1786—1867)

1. Biography entire life, he also published his opinions on


2. Johnson as a philosopher of language private and public loans and on the nature
3. Theories of abstract concepts, ›intellections‹ of capital in 1813, and anticipated later trends
and emotions in American monetary policy by advocating
4. Nature of the philosophical problem a soft money policy against the gold standard
5. Theory of science already at this very early time. He took an
6. Selected references active part in the initiative to construct the
Erie Canal. In the early twenties, already a
public figure in Utica and for some time a
1. Biography pillar of the Presbyterian Church, Johnson
Alexander Bryan Johnson was born in Gos- took part in the founding of a local branch
port, on the English Channel-Coast, in 1786. of the Lyceum Movement in Utica, whose
The family was of Dutch-Jewish ancestry: his first president he became. This forum pro-
father was a merchant, Bryan Johnson who vided him with a patiently listening, but
decided to emigrate to the United States. In hardly professional philosophical audience
1801 Alexander Bryan Johnson and his throughout many years. Johnson’s later years
mother followed him to New York , where the were overshadowed by the unexpected bank -
family settled upstate in Utica, the former ruptcy of The Ontario Bank in 1857. Johnson
Fort Schuyler. Here Alexander Bryan John- died ten years later in 1867. The last years he
son spent most of his life, (with the short spent, among other things, writing a 2000
exception of some years in New York in his page Autobiography which is now k ept in the
youth) and achieved wealth and prominence Archive of Hamilton College. Johnson’s phil-
as a bank er. In 1814 he married President osophical work s did not provok e much echo
Quincy Adams’ daughter Abigail, the first of in his lifetime. When e. g. Auguste Comte
his three wives. Johnson studied law but never (1798—1857) received a copy of Johnson’s
practiced the profession. Instead, in the early The Meaning of Words from the author, he
twenties he went into bank ing, achieving a coldly answered that he could not promise to
position as director of The Ontario Bank ’s read it. With Stillman Drak e’s and David
branch office in Utica. As a bank er he took Rynin’s rediscoveries of Johnson’s book s on
active part in the battle of the period for free language a new interest in his work was how-
enterprise against the Bank of the United ever initiated, and the linguistically oriented
States. A prolific pamphletteer throughout his philosophical 1960’s could recognize some of
its own ideas in an early form in his works.
394 II. Personen

2. Johnson mak e a quite modern impression in his insis-


as a philosopher of language tence on ›operationist‹ approaches to the
meaning of scientific theories and concepts
A central idea in Johnson’s philosophy is that (cf. 5.).
philosophical problems emanate from our
confusing properties of reference with prop- 2.1. The simplicity and unicity of
erties of words, phrases and sentences, which perceptions
belong to them only in their role as a part of
language proper. Johnson developed his philosophy under the
“Words can supply the place of no sense. They can influence of the British empiricists, John
simply refer us to what our senses have disclosed” Lock e (1632—1704) (s. art. 22), George
(Johnson 1836, 40). Berk eley (1685—1753) and David Hume
Philosophy, in Johnson’s view, thus be- (1711—1776) (s. art. 11). From these he got
comes a sort of ›therapy‹ in a way which is his phenomenalism, while his atomism, in the
weak ly similar to the way the Oxford philos- sense of regarding every particular perception
ophers of language of the 1950’s and 1960’s, as unique and not possible to be substituted
Gilbert Ryle (1900—1976) and Peter Freder- by anything else, can be traced to the influ-
ick Strawson (* 1919), tended to see the phil- ence of the Scottish common-sense philoso-
osophical problem: as the result of transfer- phers, especially Thomas Reid’s (1710—1796)
ring a question from a field of concepts where Essays on the Intellectual Power of Man and
it belongs, to another one, where it does not Étienne Bonnot de Condillac’s (1714—1780)
belong. And in a way, which reminds one of Traité des Sensations. The influence of the
Ludwig Wittgenstein’s (1889—1951) (s. latter, with its persistence on the idea that
art. 39) later philosophy, Johnsons philoso- think ing is nothing but juxtaposition of sen-
phy ›leaves everything as it is‹. The philo- sations, seems to have exerted an unhappy
sophical puzzle seems to occur, either when influence on Johnson in preventing him from
we expect more from linguistic communica- seeing that some of his most interesting points
tion than it can possibly provide, or when we can be made, without the accompanying un-
confuse a question about the meaning of an derestimation of conceptual k nowledge which
expression with a question about the reference is characteristic of many of his work s. — In
of the expression. Instrumental to this idea in his correspondence with Lock e, William Mo-
Johnson’s philosophy is the distinction be- lyneux (1656—1698) (Lock e 1694, Letter of
tween two types of significance of words, March 2, 1693) stated his famous problem: If
›Verbal significance‹ and ›Sensible signifi- a person blind from birth is accustomed to
cance‹, which are logically independent of differentiate by means of the sense of feel
each other. One of the best descriptions of between a cube and a sphere, would he be
Johnson’s philosophical style was implicitly able on suddenly gaining sight to mak e the
made by one of his first critics, Timothy Flint same distinction by sight alone?
(1780—1840), a philosophically interested This question, which Berk eley answers so
minister, who wrote in his review (Flint 1829, convincingly in the negative in his A New
III, 575—587; IV, 623—629) of Johnson’s Theory of Vision (Berk eley 1709) is answered
Treatise on Language of 1828 (Johnson 1836): in the negative by Johnson as well in the
“What an audience must that of the Utica Lyceum opening paragraphs of the second lecture of
have been, to have patiently followed this gentle- his Treatise on Language (Johnson 1836, 47—
man through his acute, and fine spun, and some- 55). From a perception from within one sen-
times darkly woven disquisitions”. sual modality, no conclusions can follow as
Johnson’s terminology is often very idio- to the possible or actual properties of a per-
lectic and the argumentative line of his dis- ception from within another sensual modal-
course does not always seem to be the shortest ity. Thus, if we see from the shadow of the
possible. He does demand a certain patience earth on the moon’s surface that the earth
from his reader. However, the acuteness of looks curved, we have no legitimate reason to
observation is often surprising, and his pro- draw the conclusion that the earth’s surface,
found originality, uninhibited by scholastic to a hand big enough to feel it, would feel
exercise, can give strik ing results, especially curved. Furthermore, as Hume had shown in
when it comes to such questions as the nature the psychological reduction of the concept of
of the philosophical problem (cf. 4.) and the- causal nexus which he performed in A Trea-
ory of science, where he sometimes is able to tise on Human Nature (Hume 1739) there is
29.  Alexander Bryan Johnson (1786—1867) 395

no logical nexus between two particular per- plete representation. There are of course good
ceptions even within the same sensual mo- reasons to maintain, not only that so is not
dality. Hume hesitatingly assumes that, given the case but even that it is doubtful whether
that a man is aquainted with every colour an object can represent itself at all. — Words
except a particular shade of blue, he might and the chains which they are put together
still be able by his imagination, if all the to form, obviously also are sensibilia. By con-
shades of blue, except the one he has never sequence they can not, a limited repertoire as
seen, be placed before him in descending or- they are, when they occur within the context
der from the deepest to the brightest, to of language, ›supplant‹ the unlimited varia-
aquire a k nowledge of the absent shade. To tion and uniqueness of phenomena in general.
Johnson, however, the particular perceptions Language, in Johnson’s view, must therefore
are unique in so far that the information be systematically inferior to immediate expe-
carried by one perception can never ›supplant‹ rience in conveying k nowledge. This view of
another. According to Johnson, the task im- his is due to his lack of understanding of the
posed by Hume is as possible as it is for a special features of representations. This fail-
blind man to k now any colour (Johnson 1836, ure in Johnson’s philosophy mak es his treat-
146). On the very next page of his Treatise on ment of abstract k nowledge and abstract en-
Language he mak es the rather surprising as- tities unsatisfactorily poor (cf. 3.). But at the
sertion that “Pictures can reveal no sight but same time, in its very extremism, his atomistic
themselves” (Johnson 1836, 147). This is ob- view of k nowledge helps to bring out some
viously false if tak en to mean anything more very interesting general features of meaning
qualified that that every picture is identical and k nowledge often overlook ed by less ex-
to itself. And it is mistak en in a way which treme thinkers.
throws some light over the question where
Johnson is mistak en. He obviously believes 2.2. ›Verbal significance‹
that, in order to carry information beyond and ›sensible significance‹
itself a perception has to be able to ›supplant‹
another (‘supplant’ is a central and frequently Fundamental to Johnson’s philosophy is a
recurring word in his semantic treatises). But distinction between ›Verbal Significance‹ and
clearly pictures, e. g. a topological map of a ›Sensible Significance‹. No actual definition
subway system, can be highly useful and re- of these two concepts is ever given in any of
vealing of something different from them- Johnson’s book s. The elements of this idea,
selves. They are representations, and a repre- however, might be illustrated by the following
sentation is informative, not by supplanting remarks from A Treatise on Language:
something else but by having something ge- “Words can supply the place of no sense. They can
neric in common with the thing represented. simply refer us to what our senses have disclosed”
Representing is not supplanting and still is (Johnson 1836, 145). “Nearly every word possesses
able to use something we actually perceive as a verbal meaning as well as a sensible meaning”
a vehicle for k nowledge about something (Johnson 1836, 149). “Words can yield us nothing
which we have not perceived. In his insistence but the verbal signification of words” (Johnson
on the unicity of the particular perception, 1836, 167).
inspired by Condillac, Johnson seems to com- “The sensible signification of a sentence is the sen-
pletely forget that an actual perception, al- sible existence to which the sentence refers” (John-
though it has no logical ties to other percep- son 1836, 168).
tions, can be represented together with only As we shall expound at greater detail in
possible perceptions in a common represen- 2.3., this distinction is not between two types
tation. Thus in the subway, having access to of meaning, in the way e. g. Gottlob Frege
the map, and (actually) having seen two of (1848—1925) (s. art. 34) differentiates be-
the stations certainly helps me to find out tween sense and reference (s. art. 81). The
whether I am on the right way or not, even distinction actually comes quite close to the
if these sights cannot supplant the (possible) one Bertrand Russell (1872—1970) mak es be-
sights of the rest of the stations. Johnsons tween ›Knowledge by Aquaintance‹ and
view, which leads him to underestimate what ›Knowledge by Description‹, with the differ-
abstract k nowledge can achieve to an extent ence that Johnson applies these concepts di-
adventurous to his entire philosophical pro- rectly to the process where language is used
ject, seems to be rooted in the conviction that to convey information. He tends to see the
the object itself can be its only true or com- later as a continuous struggle between our
tendency to demand k nowledge by aquaint-
396 II. Personen

ance in situations where it cannot be provided of a needle. Lik ewise the expression ‘mathe-
and the need to restrict our expectations to matical point’ certainly has to mak e sense and
what k nowledge by description can really to refer to something. The exclusively verbal
provide. The result is often a confusion of the signification of words — which can only be
two demands and an inability to see that explained in other words which thus are its
ask ing a verbal signification to provide a sen- sense — is sometimes described by Johnson
sible one as well mak es the words, phrases as referring to an internal feeling, while the
and sentences ambiguous. For example, the sensible signification is referring to an exter-
sensible significance of saying that the earth nal one. But in other contexts and especially
has a spheric form is not at all the same as in Johnson 1854, he seems to favor ›intellec-
to say that an orange has a spheric form. In tions‹ as the reference of expressions which
the latter case the sensible possibilities to only have verbal signification (e. g. Johnson
which the expression ‘spheric form’ refers in- 1836). As Max Black (1909—1988) has some-
clude a visual and a tactile one, while in the what acidly remark ed (cf. Todd/Black wood
former case there only is a visual possibility. 1969, 54) that in Johnson’s philosophy “The
Or, when somebody says that a sculpture of intellect begins to look lik e a vast Lost Prop-
Apollo is the same quiescent mass of marble erty Office” (cf. 3.). An important conse-
as it was before the sculptor had reduced it quence of Johnson’s ideas is that such theo-
by a part of its volume, this ›sameness‹ might retical expressions as ‘gravitation’ or ‘atom’
have a verbal significance, while the question must be understood to express ideas which
of its sensible significance offers a completely cannot be reduced to anything sensible. The
different perspective. The problematic part of only sensibles behind the concept of gravita-
Johnson’s semantics is not really in his doc- tion are thus a set of highly disparate percep-
trine of the sensible signification but in his tions and none of these can give rise to the
understanding of the verbal one. — There is idea of gravitation as a general law. In order
the obvious weak ness of explaining the sense to explain the unity of all these phenomena
of an expression as consisting of other words. in the concept of gravitation, Johnson tak es
Johnson’s approach to the question of sense resort to the explanation that the human
seems to mak e the think ing mind come close mind has such an organism (Johnson 1854,
to the properties of the reading head of a 202) that the “intellect organizes” them so
Turing Machine. But this highly formal ap- (Johnson 1854, 91). Although Kant is never
proach to sense seems to exclude some of the mentioned in Johnson’s book s this might re-
activities of the speculative mind. Clearly for mind us of Kant’s transcendental deductions.
example an historian’s k nowledge of a chain For the concept expressed by the word ‘atom’
of events, say the French Revolution, with there is a similar problem as with the math-
which he has no perceptual aquaintance, can- ematical point. Objects lik e gravitation or at-
not consist exclusively in an ability to produce oms thus, in Johnson’s philosophy, have no
definitions of the sort found in dictionaries. immediate existence but only exist within the
He can also produce guesses let us say about conceptual framework of a formalized system
the character of Robespierre and draw con- (lik e physics), and are for their existence com-
clusions from k nown to unk nown parts of his pletely logically dependent on the respective
material, e. g. from Danton’s hesitance during system (cf. 5.). Here, Johnson’s solution might
the Terror to the reasons he might have had remind us of Ernst Mach’s (1838—1916) phi-
for this hesitance. In neither of these cases losophy.
the activity of the historian is based on any
sensible experience of persons or events in- 2.3. The relation between
volved. Still what he produces can not entirely verbal and sensible signification
be described as chains of words. Such an and sense and reference
assumption would mak e think ing empty in
the sense in which Immanuel Kant (1724— From a number of isolated utterances in
1804) says that a purely conceptual k nowl- Johnson’s work which seem to support such
edge without imagination becomes empty. — a view, e. g. “Words signify the objects to
A further problem is what happens to the which they are applied” (Johnson 1836, 114),
verbal reference of an expression. For exam- some of his readers, e. g. Black (cf. Todd/
ple, Johnson indicates that the mathemati- Black wood 1969, 54—58) have been led to
cian’s point, lack ing spatial extensions, has the conclusion that he is actually identifying
nothing in common with a sensible point, say ›sensible signification‹ with that which words,
phrases and sentences need to have in order
29.  Alexander Bryan Johnson (1786—1867) 397

to have meaning. If that is the case, Johnson which has been in vogue since the days of
is falling into the banal semantical trap of Frege, and that is the case of universal neg-
identifying sense and reference in Frege’s ative sentences, to which we shall return un-
sense of the words, thereby running into clas- der 4.
sical difficulties of explaining how negative
sentences can have any meaning at all or why
false affirmative sentences are false and not 3. Theories of abstract concepts,
meaningless. This might seem close at hand, ›intellections‹ and emotions
especially if the Johnsonian doctrine of verbal Johnson tries to analyse the difference be-
and sensible significance is understood as a tween a physical aggregate such as a heap of
theory about two k inds of meaning. John- sand, and an abstract unit such as gravitation.
son’s vocabulary can in this respect be highly He says that the word ‘heap’ signifies a sight
misleading, especially because he seems to see and a feel, while
it as evident that to ›Sensible significance‹ “the unit gravity possesses in nature no existence
corresponds a ›Sensible signification‹ and to independently of its constituent parts. Gravity, as
›Verbal significance‹ a ›Verbal signification‹. a unit is a verbal aggregation; while the heap, as a
Especially from his discussion of mathemat- unit, is a sensible aggregation” (1836, 78).
ical objects (cf. 1836, 170) it becomes clear His way of dealing with such units as grav-
however, that such a consequence was at least itation, as something ›verbal‹ where others
not intended. The point of the mathemati- would speak about an ›abstract‹ or ›generic‹
cians, e. g., lacks sensible significance, as it has unit, is very revealing of Johnson’s problems,
no extension in space; it is a purely verbal when it comes to the abstract entities. As he
point, in Johnson’s terminology, but it still cannot avoid them entirely, he seems to os-
exists for the mathematicians. It seems there- cillate between three different alternatives in
fore more reasonable to assume that what his treatment of them. (1) The unity is purely
Johnson calls ‘sensible significance’ is not a conventional and based on verbal definition.
k ind of meaning at all, but rather something (2) We invent theories to supply the unit
which can never be conveyed by words. which we suppose must exist, but which we
“Words may refer us to sensible existences, but
fail from finding in nature. (3) The human
words cannot become something that is not verbal”
intellect is organized in such a way that it
(Johnson 1836, 170).
does generate such units. The first two theo-
Far from saying that meaning is reference, ries are predominating in 1836, while Johnson
Johnson wants to say that the meaning con- tends, probably under the influence of con-
veyed by words can never aquire any of the temporary critics, to tak e resort to type (3) in
properties of reference. Even the specific re- 1854. On (1) we can comment rather briefly.
lation of reference between a linguistic ex- If such units as gravitation are only the prod-
pression and the extralinguistic reality it refers ucts of verbal definitions they seem to become
to is of an accidental and arbitrary nature. In stipulative concepts in the same way as the
this context Johnson compares the word to a meter is a stipulated unit. Obviously it is very
mirror, which faithfully represents anything difficult to regard all abstract units in this
which happens to pass it. Indeed, the role of way, even if some of them can be said to have
the sensible in Johnson’s philosophy rather that character. A typical one which cannot be
reminds us of the role of intuition in Kant’s handled in this way is number. (2) The idea
philosophy, as compared to the role of con- that abstract units are derived in an inter-
cept. Lik e Kant’s intuition (Anschauung), the mediate way, not directly from experience,
sensible significance alone, awak ened by the but by the mediation of theories, and thus
suggestive power of words, can provide what only can be said to have existence within the
concepts cannot, an image of an experience conceptual network of the actual theory,
in its sensuous particularity. This experience proves to be fruitful when he comes to the
accompanies the meaningful use of language, problems of science (cf. 5.). (3) This solution
but it is exactly the gist of Johnson’s argument is closely connected with his use of the con-
to say that it is not a part of the process of cept of ›intellections‹, which seems to have
understanding spok en or written words itself. been introduced in his philosophy rather ad
— There is however an area where Johnson’s hoc to the purpose of giving a reference to
philosophy becomes incompatible with, e. g., words which obviously do not refer to any-
the truth-functional explanation of truth thing exterior. This concept aquires an ex-
398 II. Personen

planatory role first in his second major work proper name) but there will be no possibility
on language The Meaning of Words (Johnson to explain why we actually refer some partic-
1854) where also ›emotions‹ are given as the ular new experiences to the same referential
reference of such words which lack reference category as some particular experiences of our
in the exterior world. In Johnson’s philosophy past. The reference domaine of predicate
they seem to come rather close to each other. words, in other words form open sets. What
in Johnson’s theory brings different particu-
3.1. Emotions and intellections lars under the same generic word is a ›nominal
identity‹ (cf. Johnson 1854, 109) which is an
Johnson’s analysis of the theme of emotions intellection. In the same passage of 1854 the
is poor. One reason for this might be that he intellection is explicitly treated as a simple,
is entering an adventurous terrain here; relig- while in an earlier part of the book (Johnson
ious language proper, if supposed to have any 1854, 60) the intellection is described as a sort
reference at all must be given it by way of its of organic propensity which has a subjective
reference to internal feelings. Obviously John- meaning in our organism. Johnson gives some
son easily might run the danger of being re- other examples, which seem to show that the
garded an atheist, his strong empiricism tak en connection between a cause and its effect and
into consideration. The main principle is quite between a human act and its intentional ob-
simple: Words which refer to the internal life ject consist in the intellection (Johnson 1854,
of mind are subject to the same rules of in- 60). It is questionable whether Johnson him-
terpretation as those which refer to externally self has realized to what extent this late in-
located sensibilia. Emotions in Johnson’s vention of his, the intellection, tak es the wind
analysis seem to be nothing but another class out of his own sails. — The main reason that
of perceptions, i. e. such we do not logically Johnson gets involved here in what look s lik e
connect with an external space. He does not an ontological, if not even semantical, mess,
however mak e any attempt to define the dif- seems to be the following: In the ontological
ference. This is of course a problem already construction of the world which Johnson sug-
with internally located perceptions under the gests in 1836 and 1854, the tactile perception
perspective of such an atomist analysis of of, say, a pencil immersed in a glas, half filled
perceptions as Johnson applies (cf. 2.1.). If, with water and the visual perception (which,
to tak e Reid’s example (cf. Reid 1941), I press because of the optical index between the two
my hand moderately hard against a wall, the media, is different) are not contradictory and
perception received is that of hardness, and cannot offer any problem of interpretation,
if I press still harder, the perception received because the tactile perception of the pen and
is that of pain. Here there is obviously a the visual one form two entirely different sen-
problem to explain why the first perception sibilia. They cannot supplant each other in
is logically connected with external space and the assey of the particulars which constitute
the second one not. But with still further the situation. What, under these assumptions,
justification it must be possible to demand becomes difficult for Johnson to explain, is
from such a phenomenalist theory as John- of course the fact that we do interpret sensi-
son’s an account of the fact that we locate bilia with the help of other sensibilia. If, for
anger, love and joy in the internal life of the example, the clock on my wall look s as if it
mind and not in the persons who are inten- had stopped I might quite probably lean my
tionally connected with these feelings. The ear into it to hear if it sounds stopped too.
only attempt which Johnson mak es in this And I shall be confirmed or not in my guess
direction is to observe that the internal per- by what I hear. In my perceptual space sen-
ceptions, the emotions included, are less spe- sibilia form a coherent system, which cannot
cific than those which we connect with the be explained or understood by look ing at my
external world (Johnson 1836, 162). — The perceptions one at a time. This is exactly the
doctrine of intellections which Johnson fully fact which Kant tries to explain by ›the tran-
developes first in (1854) has mainly the fol- scendental unity of apperception‹. This co-
lowing task : If a word lik e ‘orange’ only refers herence, which can of course be explained in
to the actual experience of that colour, ‘or- different ways, has the consequence that per-
ange’ will aquire the same semantical prop- ceptions can under certain conditions repre-
erties as a proper name. In other words, it sent. As Johnson does not recognize this pos-
will only refer to a closed set of experiences sibility of representation (cf. 2.1.) and quite
(which could have one or more members; as correctly sees that perceptions cannot sup-
more than one person could have the same
29.  Alexander Bryan Johnson (1786—1867) 399

plant each other, he has to explain such a significance, Johnson comes close, as has been
unit as the clock ’s work ing as something observed by Rynin, to the connection between
which has subjective meaning in our interior meaning and verifiability established in con-
life. But a subjective feeling of unity can of temporary philosophy by Alfred Jules Ayer
course not explain why k nowledge by com- (1910—1989). — Strik ing is also the similarity
parison and deliberation of different partic- with the ›behaviouristic‹ argument introduced
ular perceptions actually is possible. by Wittgenstein in Philosophische Untersu-
chungen when he discusses the possibility of
3.2. Contradictory private language. It is pointless to assume a
and negative uses of language pain which would lack any exterior observa-
bility, because it would mak e no observable
Of special interest are Johnson’s doctrines difference whether the subject has it or not.
about contradictory descriptive phrases and It is hard to deny that Johnson has a very
universal negations. These are not intellections interesting observation here, ahead of his time
but purely verbal devices, void of any sensible and of great importance to what might be his
meaning. Johnson maintains the unusual the- strongest side, his theory of science (cf. 5.).
oretical position that it is an empirical fact
that e. g. no k nife can be visible and invisible
at the same time. And that this is the case 4. Nature
does not depend on linguistic convention, in of the philosophical problem
other words, on a tautology which provides
an ›analytical apriori‹. The source of the fact The point of departure is summed up very
that the empirical world is unable to come up well in one of the opening paragraphs of the
with such a combination of properties is Treatise on Language:
treated as an ›empirical primitive‹. Thus the “Language may be formed into propositions whose
truth that there is no k nife which is at the results, though incontrovertible by logick , are ir-
same time visible and invisible in Johnson’s reconcileable with our senses” (Johnson 1836, 32).
philosophy tak es on the unusual character of In stressing that all meaning ultimately de-
a ›synthetic aposteriori‹. pends on sensible experience, Johnson’s phi-
“The congruity and incongruity of any two asser- losophy corresponds with the empirical re-
tions are not the results of the conventional mean- ductionist programs in early twentieth-cen-
ing of words” (cf. Johnson 1836, 195). tury philosophy. Thus Johnson would cer-
That no k nife is ever visible and invisible tainly agree with a principle which Russell
at the same time has nothing to do with formulated in The Problems of Philosophy:
language, it is a not further analysable fact “Every proposition which we can understand must
about the world of experience. The descriptive be composed wholly of constituents with which we
phrase ‘visible and at the same time invisible’ are acquainted” (Russell 1912, 58).
has a purely verbal meaning, not connected What, then, is the difference between John-
with any possible or actual sensible experi- son’s approach and later empirical reduction-
ence. The only signification which Johnson ism? It is reasonable to understand Russell in
seems willing to assign to such phrases is the the quoted doctrine as implicitly tak ing it for
purely verbal one, i. e. the words of the phrase granted, however, that if we understand a
can be translated into other words, without proposition lik e ‘A is red’ we would also be
ever aquiring any sensible meaning. In the able to understand ‘A is coloured’. Or, in
same way as contradictory descriptive phrases other words, that the meaning of one word
are void of sensible meaning because they fail could be contained as a constituent within the
to refer, universal negative propositions fail meaning of another word. But this is exactly
to aquire sensible meaning. One of Johnson’s what Johnson denies as far as sensible signif-
examples (cf. Johnson 1854, 191) departs icance is concerned. For Johnson all proper
from a theologian who has maintained that k nowledge is simple, whatever complexity its
the dead human body, although it does not linguistic expression may have. The distinc-
seem so, might, for all that we k now, have tion between simple and complex meanings
some sort of perceptions. To this assumption of words does not correspond to a similar
Johnson answers that it lack s meaning, be- difference between simple and complex con-
cause whether it were the case or not, there stituents of our k nowledge. All empirical
would be nothing sensible to which it might k nowledge for Johnson is a k nowledge of
refer. In this use of the concept of sensible something unique and indivisible: a sensible
particular, a sight, a feel, a sound, a smell, or
400 II. Personen

a taste. The philosophical problem results words which belong to one semantic context
when the simplicity of k nowledge is confused in another one where they do not properly
with the complexity of verbal expressions. belong.
Properties of language are, in other words,
confused with properties of the empirical re-
ality, and the philosophical problem results 5. Theory of science
from the confusion. A typical example is the Johnson’s view of the nature of scientific con-
Cartesian idea that our senses are able to cepts has much in common with his analysis
deceive us. If a pen is immersed in water it of the nature of philosophical problems. He
will give a brok en impression to the sight and is firmly convinced that theory can not add
a straight one to the touch. But, Johnson anything to our k nowledge of the experienced
stresses, this implies only that our senses ›de- world itself. Scientific theories and concepts
ceive‹ us if the visual and tactual sensations should not be confused with sensible experi-
are referred to the same object. But in empir- ence itself. This, however, often happens and
ical reality there are two objects present here, leads to the mistak en idea that the entities
a visual and a tactual one. And they should created by the theoretical framework of con-
not be confused. If the distinction is properly cepts have an independent existence. The
observed, there is of course no need to assume transition from sensible to purely verbal ex-
a ›real‹ object ›behind‹ the sensible one, and istences can tak e many forms. Two examples
thus no further need to understand the nature which Johnson favours are what he calls ‘di-
of that object such as it might be independent munition’ and ‘subtilization’. The concept of
of our senses. There is a certain affinity to ‘atom’ is used to exemplify the former, ‘grav-
Edmund Husserl’s (1859—1938) ἐποχή in itation’ to exemplify the latter. The ›atoms‹
Johnson’s way of speak ing of experienced re- are assumed to be parts of nature, but so
ality, although his way of analyzing its con- small that they do not offer any qualities to
tent is as far from phenomenology as one the senses. But thus they do not any longer
might get: “The particulars which we can have an independent existence in the realm of
discover in nature, are all which truly pertain possible experiences. They exist only against
to nature” (cf. Johnson 1836, 75). — To such the back ground of a framework of verbal and
a confusion between sensibilia, is added the intellectual significations. Similarly, in the
confusion between sensible significations on case of ›gravitation‹, something which was
one side, and between verbal significations originally accessible to the senses in the form
and intellections on the other. Verbally de- of sensations of weight, has by subtilization
scribable and intellectually conceivable units tak en the step into the realm of scientific
have the ability to project into our image of concepts, and thus out of the empirical world,
nature many a oneness which really exists so discreetly, that we never observed when it
only in our language (or in our intellectual happened. — However there is never any-
organisation). The philosophical problem, thing in a scientific theory beyond its content
then, arises when we expect from nature a of empirical observations, and when we start
unity or a homogenity which was only created to look for unities or objects which are logi-
by our own expectations, based on the ability cally dependent, not of our empirical obser-
of language to enter into combinations which vation, but of the theories involved, we are
do not correspond to anything in reality. The confusing language and empirical reality.
search for that spurious unity or homogeneity Gravitation, Power, Mass and Atom, thus, are
leads philosophy into a vain search. One of examples of ›things‹ which cannot exist out-
Johnson’s favorite examples is the concept of side theories. Certainly Johnson, in recogniz-
a disease. Here what we can find in nature ing that there are entities, the existence of
are only particular symptoms, and ‘disease’ which can only be imagined within the con-
is their summarizing and generalised descrip- ceptual network of a theory, and that there
tion; we run into philosophical trouble when are entities which are not theory-dependent,
we start to look for that verbal/intellectual mak es an important observation, not only
unit in nature itself. Johnson’s view of the about scientific theories but about the concept
nature of the philosophical problem thus of existence or ›realization‹ itself. Theories
somewhat reminds of that of Ryle and John and observations are not, to quote Stephen
Langshaw Austin (1911—1960) in the 1960’s. Toulmin (* 1922), deductively connected. —
The philosophical problem is the result of Johnson’s discussion of the universal negative
misuse of language, specifically the use of propositions (cf. 3.2.) leads to something
30.  John Stuart Mill (1806—1873) 401

which seems to be very similar to A. J. Ayer’s language, containing his lectures in the Utica Ly-
›principle of verifiability‹. Let us assume, says ceum from 1825 was published in 1828 in New
Johnson, that somebody maintains that it is York under the title The Philosophy of Human
not the case that the movements of the sun Knowledge, or A Treatise on Language. A Treatise
and the moon influence the tide of the oceans. on Language, or The Relation Which Words Bear
Such a negation has no meaning beyond those to Things,
perceptions to which it might possibly refer. New York 1836, is in many respects only
— When it is not possible, says Johnson, to an extended and amended version of the former
find a sensible cause for a certain chain of book. When David Rynin edited the first modern
events, this is not in conflict with the earlier edition of 1836 in 1947 (now in Dover Editions
observed facts, but it is a further empirical 1968) he brought into the text of 1836 all the
fact. The necessity to find a causal explana- variants and alternate readings of 1828, placed
tion of the fact is a property of a theory, while within brack ets. For the sak e of simplicity this
the difficulty in finding it is a property of the edition is always referred to in the previous text as
empirical world. — The value of Johnson’s
observations and their early and partial an- (Johnson 1836). For further information on the
ticipation of such theories of science as are text situation, see David Rynin’s Introduction to
found in Mach is obvious. His ability to look his 1947 edition.
critically at the hypostatic mode, in which the Berk eley 1709, Essay towards a New Theory of
science of his time tended to deal with such Vision.
concepts as ›natural force‹, deserves all re- Flint 1829, Review of Johnson’s The Philosophy of
spect. The philosophical weak ness of John- Human Knowledge, in Western Monthly Review 2.
son’s theory of science, however, which mak es Hume 1739, A Treatise on Human Nature.
it unnecessarily narrow, is connected with the Lock e 1694, Essay Concerning Human Understand-
need he seems to have to connect it with the ing.
theory of meaning. Thus he overlook s the
Reid 1785, Essays on the Intellectual Powers of
role of internal logical relations within the
Man.
scientific theory which are not semantical but
deductive. Optics, for example, does not con- Russell 1912, The Problems of Philosophy.
sist of our collected experiences with light,
but of a finite set of optical concepts, such as 6.2. Selective readings
›refraction index‹. The word for this certainly Blackwood/Todd (eds.) 1969, Language and Value.
does not refer to sensible experiences but to Gustafsson 1982, Sprache und Lüge. Drei sprach-
a specific set of mathematical functions. But philosophische Extremisten: Friedrich Nietzsche, Al-
these functions do exactly the job they are exander Bryan Johnson, Fritz Mauthner.
supposed to do, i. e. to mak e possible inter-
Johnson 1836, A Treatise on Language.
pretations of empirical experience in the light
of other possible or actual experience. Johnson 1854, The Meaning of Words. Analysed
into Words and Unverbal Things Classified into In-
tellections, Sensations and Emotions.
6. Selected references Todd/Sonk in 1977, Alexander Bryan Johnson. Phil-
osophical Banker.
6.1.  Johnson’s first book on the philosophy of
Lars Gustafsson, Austin, Texas (USA)

30. John Stuart Mill (1806—1873)

1. Introduction 1. Introduction
2. Names
3. Denotation and connotation
John Stuart Mill, whose main book , A System
4. Connotative names in historical perspective
of Logic (1843), had an enormous influence
5. Propositions
in the second half of the nineteenth century,
6. Meaning and language
is, in our century, less positively regarded.
7. A current debate
From a contemporary perspective, his general
8. Assessment
philosophical position is rather quick ly dis-
9. Selected references
402 II. Personen

missed as a psychologistic variant of English totelian logicians‹ of the beginning of the sev-
empiricism; in the theory of science, Mill is enteenth century (cf. de Jong 1982, 18—24).
regarded as holding a highly simple form of In the course of speak ing about the insights
inductivism, while also his liberalism and his of these think ers, Mill here employs for the
utilitarian views on social and economic mat- first time the terms ‘denote’ and ‘connote’,
ters are often tak en to be outdated. Amidst i. e. the technical terms which were to play a
all this more or less justified criticism, which central role in his own semantics. Mill himself
presents Mill as a dated think er, it is rarely described the first book of A System as an
noticed that his view on language is of re- attempt to reinterpret the scholastic-aristote-
mark able interest for the philosophy of lan- lian distinctions regarding terms and propo-
guage of the twentieth century. Gilbert Ryle sitions in the light of the discoveries of John
(1900—1976) is indeed to some extent right Lock e (1632—1704) (s. art. 22) and Thomas
when he affirms that Brown (1778—1820), i. e. of the philosophy
“Mill’s theory of meaning set the questions, and in of English empiricism (CW VII, cxii; Mill
large measure, determined their answers for think - 1971, 74).
ers as different as Brentano, in Austria; Meinong Mill envisages language primarily from the
and Husserl, who were pupils of Brentano; Bradley, perspective of logic. It is important to note,
Jevons, Venn, Frege, James, Peirce, Moore and also in the light of the influence of his views,
Russell” (Ryle 1966, 241; cf. Kretzmann 1967, 393). that Mill’s work with respect to (deductive)
Moreover, it will be clear below (7.) that logic falls near the beginning of a period of
some of Mill’s views are still relevant today. transition, namely the passage from syllogistic
Mill’s contribution to the philosophy of logic — the formal core of traditional logic
language belongs primarily to the area of — to modern logic. George Boole’s (1815—
semantics, here understood — to use Willard 1864) The Mathematical Analysis of Logic
Van Orman Quine’s (*1908) terminology — and Augustus de Morgan’s (1806—1871) For-
as including not only the ›theory of reference‹ mal Logic appeared less than five years after
but also the ›theory of meaning‹. Accordingly, Mill’s main work . However much Mill’s se-
this discipline investigates the relations be- mantic theories may have influenced think ers
tween linguistic expressions and their corre- lik e Russell and Frege, leaders of the initial
sponding objects, facts or events, as well as period of modern logic, John Stuart himself
notions lik e meaning, analyticity and synon- is unmistak enly a representative of traditional
ymy (s. art. 86). The core of Mill’s semantics logic. His semantics clearly attests to this.
is to be found in the first book of A System:
Of Names and Propositions. This book serves
as a k ind of propaedeutic to the treatment of 2. Names
logic in the narrow sense; in Book 2 deductive
reasoning is discussed, while Book 3 is de- 2.1.  In an effort to distance himself from a
voted to induction. Seldom is such a generous dominant tendency in English empiricism,
attention given to deduction in the tradition Mill begins his discussion of names in A Sys-
of English empiricism (s. art. 11). In this re- tem by affirming that names are names of
spect, Mill is doubtless influenced by Richard things and not ›names of our ideas of things‹.
Whately (1787—1863), who later became These words are specifically directed against
archbishop of Dublin, and whose Elements of Thomas Hobbes (1588—1679). However, in
Logic (1825) initiated a remark able revival of this matter Mill is misled by some unfortunate
interest in formal deductive logic in England. formulations, especially in the English version
In 1828 the young Mill published a positive of Hobbes’s Computatio sive Logica (cf. Hun-
review of this book in the Westminster Review. gerland/Vick 1973, 461). Moreover, with this
Mill praises Whately’s view that (deductive) unusually sharp initial critique, Mill’s aim is
logic is related to the use of language. Nev- to attack a weak er position, viz. the view that
ertheless, he criticizes Whately’s treatment of linguistic expressions are intrinsically con-
terms (names) and propositions: nected with mental representations, and must
“On these important subjects it appears to us that be treated primarily at the level of such rep-
Dr. Whately not only has not improved upon the resentations (cf. CW VII, 89). Indeed, this
expositions given in former treatises on logic, but approach is widely spread within the English
has not even availed himself of all the useful matter empiricism of Lock e and his followers (iron-
which those works afford” (CW XI, 18). ically, in view of his nominalism, Hobbes is
Mill has here in mind the work of ›Aris- to some extent exempt from such a critique);
30.  John Stuart Mill (1806—1873) 403

it is link ed up with the scholastic doctrine of ple) proposition; nevertheless he realizes that
the oratio mentalis as the mental correlate of the grammatical form of a proposition does
the oratio vocalis (s. art. 4). Following the not always correspond to that structure.
gradual subjectivization of epistemology in Thus, the copula is often expressed by means
post-Renaissance philosophy, this conception of an inflection of the verb that determines
of language became more and more subjec- the predicate, e. g. in ‘Fire burns’. However,
tivistic. Mill wants to bring this process to a Mill warns us not to be misled by such purely
halt. Partially for that reason, he places the grammatical phenomena (CW VII, 78 ff).
common sense view that names are names of
things in the center of his philosophy of lan- 2.2.  On the basis of the preceding consider-
guage. In so doing, he follows, among others, ations, the category of names can be char-
Thomas Reid (1710—1796), more emphati- acterized as follows: a linguistic expression (a
cally than usual in the empiricist tradition. word or a sequence of words) is a name if,
“When I use a name for the purpose of expressing and only if, apart from its use in suppositio
a belief, it is a belief concerning the thing itself, materialis, it can appear as the subject of a
not concerning my idea of it” (CW VII, 24 f). proposition. But names can also function as
The claim that names are names of things predicates. Although Mill at first denies to
immediately leads to the question: of what words lik e ‘heavy’ and ‘large’ the status of
things? Mill’s reply consists of a discussion of names, on second thought he also views ad-
the different k inds of names. Before pursuing jectives as names. His argument here is re-
this, let us first consider how names can be mark able. Ack nowledging that an adjective
distinguished from expressions which are not as such can occur as predicate but not as
names. Usually Mill approaches this problem subject of a proposition, Mill then says:
in a negative way. Thus, concerning words “The adjective is often said to be so used by a
which are not names, he remarks: grammatical ellipsis: Snow is white, instead of
“Among such are reck oned particles, as of, to, truly, Snow is a white object. [...] The Greek s and Ro-
often; the inflected cases of nouns substantive, as mans were allowed by the rules of their language,
me, him, John’s; and even adjectives, as large, heavy. to employ this ellipsis universally in the subject as
These words do not express things of which any- well as in the predicate of a proposition. [...] This
thing can be affirmed or denied” (CW VII, 25). distinction, however, is rather grammatical than
Words lik e ‘of’ and ‘often’ do not refer — logical. Since there is no difference of meaning
except when used in suppostitio materialis (i. e. between round, and a round obj ect, it is only custom
as names of themselves) — to things of which which prescribes that on any given occasion one
something can be affirmed or denied: “we shall be used, and not the other” (CW VII, 25 f).
cannot introduce one of these words into the Ultimately, it turns out that every expres-
subject of a proposition, unless in combina- sion that can occur either as predicate or as
tion with other words” (CW VII, 25). In this subject of a proposition is a name. Such a
connection, two observations. Firstly, expres- position is in accordance with the thesis of
sions of more than one word can also be the interchangeability of subject and predi-
names; e. g. “the place which the wisdom or cate, which is basic for the theory of the
policy of antiquity had destined for the resi- syllogism (cf. Geach 1972, 43). This thesis
dence of the Abyssinian princes” (CW VII, maintains that every subject can also function
26) is also a name. Secondly, and in relation as a predicate and vice versa. Mill’s distinc-
to the first, the category of names is described tion between names and expressions which
not so much linguistically or grammatically are not names corresponds to the scholastic
but primarily logically. In agreement with the distinction between categorematic and syn-
point of view of traditional logic, Mill tak es categorematic expressions; an expression
every proposition to consist of a subject, a which is not a name
predicate and a copula. The general structure “cannot under any circumstances (except when
of propositions is, therefore: ‘S is (not) P’, their mere letters and syllables are spok en of) figure
where S stands for the subject and P for the as one of the terms of a proposition” (CW VII,
predicate. The role of the copula is to link 26).
predicate and subject to each other; it is a The interchangeability thesis raises the
›sign of predication‹, and comprises two question of whether it is necessary to distin-
types: ‘is’ as a ›sign of affirmation‹ and ‘is guish between the use of a name as subject
not’ as a ›sign of negation‹. Mill believes that and the use of a name as predicate. Mill’s
such a structure is characteristic of every (sim-
404 II. Personen

argument to the effect that the predicatively A non-connotative name functions only
used ‘round’ has the same meaning as ‘a denotatively, but the semantic role of con-
round object’ (an expression which is primar- notative names is more complex. Such a name
ily used as subject), suggests however that ›implies‹ or connotes one or more attributes;
such a distinction would have only grammat- the set of such attributes forms the connota-
ical and no logical value (cf. 5.). tion of that name and determines its deno-
tation, i. e. the set of things that the name
denotes. The word ‘white’ stands for snow
3. Denotation and connotation because the attribute whiteness belongs to
In this section we discuss the three most im- snow.
“The word man denotes John, Thomas and all
portant distinctions of names, as well as the
other men; it connotes rationality, the human form
relations between the various k inds of names
and whatever other may be the qualities which the
generated through these distinctions. We be-
name imports, and in the absence of which it would
gin with the opposition between connotative
be withheld” (CW XI, 24).
and non-connotative names; this distinction
is “one of those which go deepest into the Mill explains the semantic structure of con-
nature of language”: notative names by means of the predicative
“A non-connotative term is one which signifies a
use of these names. On reflection, this is
subject only, or an attribute only. A connotative
rather plausible. But what is more problem-
name is one which denotes a subject, and implies
atic is the fact that he conceives the denota-
an attribute. By a subject is here meant anything
tion of any name as determined by predica-
which possesses attributes. Thus John, or London,
tion: “A name can only be said to stand for,
or England, are names which signify a subject only.
or to be a name of, the things of which it can
Whiteness, length, virtue, signify an attribute only.
be predicated” (CW VII, 30). As will be
None of these names, therefore, are connotative.
shown below (cf. 5.) such an approach vis-a-
But white, long, virtuous, are connotative. The word
vis non-connotative names leads to difficul-
white denotes all white things [...] and implies, or
ties. For Mill, the predicative use of a name
in the language of the schoolmen, connotes, the
constitutes nevertheless ›its principal use‹.
attribute whiteness. The word white is not predi-
This also becomes clear in the characteriza-
cated of the attribute, but of the subjects, snow
tion of the third and last important distinction
& c; but when we predicate it of them, we convey
of names: the distinction between universal
the meaning that the attribute whiteness belongs
and individual names:
“A general name is familiarly defined, a name
to them” (CW VII, 31).
which is capable of being truly affirmed, in the
The second distinction is introduced as fol-
same sense, of each of an indefinite number of
lows: “A concrete name is a name which
things. An individual or singular name is a name
stands for a thing; an abstract name is a name
which is only capable of being truly affirmed, in
which stands for an attribute of a thing” (CW
the same sense, of one thing” (CW VII, 28).
VII, 29). ‘White’, ‘John’ and ‘man’ are con-
crete names; ‘whiteness’ is an abstract name. A name is a name of those things of which
Before going into the third main distinction it can be (truly) affirmatively predicated. An
of names, it is worthwhile to map out more individual name is a name of one thing, while
precisely the various semantic relations as a general or universal name is a name (at least
well as their relata. A name is a name of, it in principle) of many things.
denotes or stands for one or more things. ‘To The various k inds of names are connected
stand for’ and ‘to denote’ are synonyms of with each other in different ways. The con-
‘to name’. An abstract name is a name of one viction that universal names are ipso facto
or more attributes; a concrete name is a name connotative is crucial for Mill’s semantics as
of one or more objects. By object is here a whole. A name can only be a name of many
understood a thing to which attributes (prop- things because the attributes contained in its
erties, characteristics) belong, but which is not connotation belong to many things. “All con-
itself an attribute; Mill rather misleadingly crete general names are connotative” (CW
speak s of objects sometimes as ›subject‹ and VII, 31). Even abstract names can be univer-
often as ›thing‹ (cf. CW VII, 48). In general, sal and connotative,
“for attributes themselves may have attributes as-
the opposition between objects and attributes
cribed to them; and a word which denotes attrib-
is constitutive for the ontological schema un-
utes may connote an attribute of those attributes”
derlying Mill’s semantics: there are objects
(CW VII, 32).
and attributes; objects have attributes.
30.  John Stuart Mill (1806—1873) 405

However, Mill doesn’t k now what to do re-issue of this treatise (Mill 1971, 73). Du
with such second order attributes; he offers Trieu bases his connotation theory on the
no further discussion of connotative abstract writings of scholastic authors such as William
names. At the same time the question whether of Ock ham (ca. 1285—1347) (s. art. 21) and
or not abstract names are universal is usually Jean Buridan (1300—1358). These think ers
left open. We add, however, that, abstract trace a path of development wherein ulti-
names on the whole play only a marginal role mately connotative terms are no longer dis-
in Mill’s semantics. tinguished from denominative terms. This
The way in which the connotative vs. non- identification is explicitly expressed by du
connotative distinction is applied to individ- Trieu, and is noted by Mill (CW VII, 32). A
ual (concrete) names has rightly attracted connotative or denominative term is, unlik e
much attention. If every universal name is an absolute (or non-connotative) term, char-
connotative, then a non-connotative concrete acterized by possessing two k inds of signifi-
name must be individual. Such names are cation. Du Trieu speak s of a significatum for-
called by Mill ‘proper names’. Examples of male (under specific circumstances also called
proper names are ‘John’, ‘Socrates’ and connotatum) and a significatum materiale (Du
‘Dartmouth’. However, not all individual Trieu 1826, 13; cf. CW XI, 24; VII, 41 n). The
concrete names are proper names. He main- account in A System of the distinction be-
tains that there are also individual connota- tween connotative and non-connotative
tive names. These are not names which de names conforms fully to du Trieu’s distinc-
facto can be predicated of one individual tion. Nevertheless, Mill classifies as conno-
only; rather, these names can be predicated tative considerably more terms than du Trieu.
truly only of one object, for reasons con- According to both of them, adjectives lik e
nected with their meaning, i. e. their conno- ‘white’ and ‘round’ are connotative. But con-
tation. Mill offers as examples of connotative cerning nouns lik e ‘man’ and ‘mammal’, a
individual names, among others, ‘the only son difference emerges. Unlik e Mill, du Trieu be-
of John Stiles’, ‘the first emperor of Rome’ lieves that such terms are absolute. “Terminus
and ‘the present prime minister of England’. connotativus est, qui significat formam ad-
It is worthwhile to consider Mill’s explanation jacentem” [the term that signifies the adjacent
of the last example: form is connotative]; “sola adjectiva sunt con-
“Prime Minister of England is a general name; the notativa” [only adjectives are connotative]
attributes which it connotes may be possessed by (Du Trieu 1826, 12 f). In the Logique de Port
an indefinite number of persons ... This being the Royal, adjectives and connotative terms are
case, and the application of the name being after- also identified (Arnauld/Nicole 1970 b, 74),
wards limited by the article and the word present, while John Stuart’s father, James Mill (1773—
[...] it becomes applicable only to one individual. 1836), in his Analysis of the Phenomena of the
And as this appears from the meaning of the name, human Mind (1829) similarly ack nowledges a
without extrinsic proof, it is strictly an individual connotation only for adjectival terms. In an-
name” (CW VII, 34). cient philosophy, the primarily grammatical
This informal analysis strongly reminds distinction between adjectives and nouns is in
one of Russell’s formal account of definite general logically and ultimately even ontolog-
descriptions (cf. Russell 1971 b, 241 ff) (s. ically grounded: adjectives point to accidents,
art. 78). In 7. we shall return to Mill’s indi- while nouns designate substances. John Stuart
vidual names. Mill and du Trieu diverge in the application
of the connotative vs. absolute (non-conno-
tative) distinction because of a difference in
4. Connotative names their operational ontological schemata. Mill’s
in historical perspective distinction between objects and attributes
does not correspond to the traditional phil-
4.1.  Mill borrowed the technical term ‘con- osophical opposition between substances and
notation’ from the Manuductio ad Logicam accidents. The substance-accident ontology
of the jesuit Philippus du Trieu (died 1645): goes back to the so-called ontological square
Mill describes this logic textbook of 1614 as of Aristotle (384—322 B. C.) (s. art. 15) (Ca-
“the very best account which we have ever tegoriae 1 a 20—1 b 8), as preserved in West-
seen, in a small compass, of the Aristotelian ern thought in particular by Boethius (ca.
logic” (CW XI, 20; cf. IX, 413). Together with 480—524/26). This square is obtained
some colleagues, Mill arranges in 1826 for a through the combination of two distinctions,
namely the oppositions universal-individual
406 II. Personen

and accident-substance. Particularly impor- “All nomenclature is connected with some classi-
tant is the fact that, in the ontological square, fication: and in all classification there are two ideas
the category of substance is subdivided into involved, that of the properties or attributes which
individual and universal substances (es- form the basis of the classification, and that of the
sences), i. e. Aristotle’s primary and second- things which compose the classes themselves” (CW
ary substances. The term ‘white’ is acciden- XI, 23).
tally predicable of some men; this adjective Since William Hamilton (1788—1856)
signifies not only the accident white(ness) but brought to the fore the pair of terms ‘exten-
also all those substances which have this ac- sion’-‘intension’, this distinction has usually
cident; such a term has two k inds of signifi- been identified with Mill’s denotation-con-
cation and is, therefore, connotative. The notation. Later on, Mill himself ack nowl-
noun ‘man’, on the other hand, is essentially edged this close relationship (CW IX, 317—
predicable of all individual men. This term 318; VII, 98 n). This does not mean that these
signifies only substances, though it has to be pairs of concepts, so far as their origin is
recalled that ancient philosophers normally concerned, should not be distinguished. The
assumed that an individual thing is, in one notion of intension or comprehension was
way or another, identical with its essence. initially (e. g. in Gottfried Wilhelm Leibniz,
Terms that are essentially predicable signify s. art. 23, and in the Logique de Port Royal)
only in one way; they are absolute or non- applied exclusively to essential predication;
connotative terms (cf. de Jong 1982, 28—44). here, the intension of a term was conceived
as the set of essential properties of a sub-
4.2.  As we have seen, Mill holds the treat- stance. In contradistinction, the notion of
ment of terms in Aristotelian-Scholastic phi- connotation was intrinsically link ed to acci-
losophy in high esteem. He only objects to dental predication. Only the shift to an object-
the latter’s realism and essentialism; in par- attributes ontology made it possible to iden-
ticular he rejects the doctrine of secondary tify these distinctions.
substances (CW XI, 23; VII, 110—111; IX,
301—302). As opposed to this, he claims al-
ready in his review of Whately’s book that 5. Propositions
›classification is arbitrary‹, and that it is in-
trinsically link ed to language. “What should 5.1.  Having look ed at the semantics of terms,
or should not be essential properties of man, let us now turn to the semantics of proposi-
depended upon the will of those who framed tions. We shall deal only with concrete prop-
the class, and imposed the name” (CW XI, ositions, i. e. propositions composed of con-
25). Consequently, it can no longer be as- crete names. We saw that Mill conceives of
sumed that an individual thing has, as such, the (affirmative) copula as “the connecting
an essence. Only the attributes that comprise mark between subject and predicate, to show
the connotation of the universal name that one of them is affirmed of the other”
through which a certain thing is normally (CW VII, 21). But what does such a predi-
named can possibly be conceived as essential cative connection mean, from a semantic
properties of that thing. Basically, essences point of view? In general, it can be shown
are dependent upon language. According to that traditional philosophy provides three dif-
Mill, this is one of the most important dis- ferent interpretations of the copula. We can
coveries of English empiricism: represent these theories schematically with the
“[...] it was reserved for Lock e at the end of the help of Mill’s analysis of the semantic struc-
seventeenth century, to convince philosophers that ture of universal names:
the supposed essences of classes were merely the
signification of their names” (CW VII, 112).
This shift towards language is accompa-
nied by the replacement of the substance-
accident ontology by the object-attributes on-
tology. Indeed, both changes gradually be-
came manifest in post-Renaissance philoso-
phy. Mill revises the traditional doctrine of
terms in the light of this development: uni-
versal substances and accidents are more or
less treated alik e. Each universal term is con-
notative, i. e. has two kinds of signification. Fig. 30.1: Theories of the copula
30.  John Stuart Mill (1806—1873) 407

(1) — the extensional theory: a S—P propo- even if the denotation, in the case of a con-
sition says that there is a relation between notative name is connotatively fixed. How-
objects signified by S and objects signified by ever, a predicate functions only connotatively,
P. except in such cases as when the predicate is
(2) — the attribution (or inherence) theory: a itself a non-connotative name. We can express
S—P proposition says that there is a relation this state of affairs somewhat differently: a
between objects signified by S and attributes connotative name is used, qua subject, refer-
signified by P. entially, and qua predicate, attributively (no-
(3) — the intensional theory: a S—P propo- tice that this distinction is not identical to
sition says that there is a relation between Keith Donnellan’s similarly named distinc-
attributes signified by S and attributes signi- tion for definite descriptions). In the Early
fied by P. Draft — a draft of A System only recently
In scholastic logic the attribution and the published — Mill sums up his interpretation
extensional theories expressly compete with of the four types of categorical propositions
each other. Whereas nominalistically inclined in syllogistic theory as follows:
think ers, such as Ock ham, as a rule opt for “Every general proposition of which the subject
an extensional interpretation of the copula, and predicate are connotative names, either affirms
realists lik e Thomas Aquinas (1225—1274) or denies, that either all or some of the objects
prefer the attribution theory (cf. de Jong 1982, possessing the attributes connoted by the subject,
107—123). Mill is in principle right in viewing possess also the attributes connoted by the predi-
Hobbes as holding an extensional interpre- cate” (CW VIII, 1016).
tation of the copula. Mill himself believes, on Arthur Prior (1914—1969) (1973, 164)
the contrary, that a pure extensional analysis rightly points out that this analysis strongly
is only adequate for propositions such as suggests the usual account of such proposi-
‘Hyde was Claude’ and ‘Tully is Cicero’, i. e. tions in modern logic. But there is also a
propositions with a non-connotative predi- difference. Where, in predicate logic, a uni-
cate and subject. Whenever someone asserts versal affirmative proposition (all S are P) is
the proposition ‘Socrates is wise’, he does not interpreted as ⋀ x (Sx → Px), not only is the
intend to affirm that ‘Socrates’ and ‘wise’ subject conceived extensionally, but also the
stand for the same object, namely Socrates. predicate is so conceived. Mill, however, in-
This proposition rather expresses the fact that terprets a connotative predicate intensionally;
the attribute white(ness) belongs to the object accordingly, the scope of the quantifiers ‘all’
Socrates: that is to say, the actual content of and ‘some’ remains restricted to the denota-
this proposition satisfies the attribution the- tion of the subject. The name that functions
ory. as subject is responsible for the domain of
“When [...] we are analysing the meaning of any objects the proposition is about. This concep-
proposition in which the predicate and the subject, tion is in agreement with the grammatical
or either of them, are connotative names, it is to function of quantifier expressions, but it
the connotation of those terms that we must exclu- clearly does not accord with the role of quan-
sively, look , and not to what they denote, or in the tifiers in predicate logic. In fact, Mill himself
language of Hobbes are names of” (CW VII, 91). seems to assume that a quantifier also con-
Yet, it turns out that propositions with a tributes to the denotation of the subject.
connotative subject and predicate are ana- However, most traditional logicians have little
lyzed by Mill not according to the intensional understanding of the precise role of syncate-
theory of the copula but according to the gorematic expressions.
attribution theory:
“[...] what the proposition [all men are mortal] 5.2.  Mill’s treatment of propositions has been
asserts is, of course, that the objects denoted by criticized in many ways. It is customary to
the subject (man) possess the attributes connoted blame him for supporting the two-name the-
by the predicate (mortal). But the characteristic of ory of propositions (Geach 1972, 51). But
this case is, that the objects are no longer individ- what are the objections against this theory?
ually designated. They are pointed out only by Usually they amount to no more than the
some of their attributes: they are the objects called critique of identifying is-a-name-of with is-
men, that is, possessing the attributes connoted by predicable-of. As such, this criticism is all too
the name man” (CW VII, 97). evidently biased by the point of view of mod-
A subject contributes to the content of a ern Fregean logic, which, as is well-k nown,
proposition primarily through its denotation, assumes a categorial distinction between
408 II. Personen

names and predicative expressions. Peter a correct predicative functioning for proper
Thomas Geach’s (*1916) critique, however, names.
goes deeper. According to him, the two-name
theory contains a violation of the so-called
law of Buridan: “the reference of an expres- 6. Meaning and language
sion can never depend on whether the prop-
osition it occurs in is true or false” (Geach 6.1.  Mill’s conception of meaning is embed-
1970, 52). Mill believes that a name is only a ded in his theory of connotation and deno-
name of those things of which it is predicable; tation: “In the case of connotative names, the
by ‘predicable’ in this connection he means: meaning is the connotation” (CW VII, 133).
truly affirmatively predicable (cf. 2). In other Non-connotative concrete names, on the
words, the reference or denotation of a name other hand, do not, strictly speak ing, have
is determined by the truth of one or more meaning: “proper names have strictly no
propositions in which that name occurs as meaning” (CW VII, 91).
predicate. In this way, it seems that we are “When we predicate of anything its proper name,
moving in a circle. Indeed, how can it be when we say, pointing to a man, this is Brown or
established that such a proposition is true if Smith, or pointing to a city, that it is York , we do
the reference of the predicate depends upon not, merely by so doing, convey to the hearer any
the truth value of the same proposition? This information about them, except that those are their
question also limits the extent of this critique. names” (CW VII, 35 f).
For Buridan’s law is only violated in such When we predicate of an object a conno-
cases when a name in predicate position func- tative name, we thereby assert a fact, namely
tions as a name. In short, the two-name the- that certain attributes belong to the object:
ory presupposes an extensional interpretation “whenever the names given to objects convey any
of the copula. But Mill analyzes propositions information, that is, whenever they have properly
primarily according to the attribution theory, any meaning, the meaning resides not in what they
and in this way k eeps clear of a good deal of denote, but in what they connote” (CW VII, 34).
Geach’s critique. Nevertheless, it is not sur- In the quoted passages meaning is identi-
prising that Mill is often criticized as an out- fied with the information which a name pro-
spok en supporter of the two-name theory. vides about the thing named; in so doing,
For, first of all, he always says that both the only the connotation, when present, of a
predicate and the subject of a proposition are name can count as meaning, if only because
names, and he closely relates to each other “if by the meaning of a general name are to be
naming and predicating. Secondly, Mill often understood the things which it is the name of, no
does not k now how to distinguish sharply general name, except by accident, has a fixed mean-
between the referential and the attributive use
of a connotative name. This becomes espe- ing at all, or ever long retains the same meaning”
cially apparent when Mill rejects Hobbes’s (CW VII, 94 f).
extensional analysis of propositions, but ad- Notice, however, that the question of
mits that a purely extensional analysis does whether a name functions informatively is
at least provide a partial rendering of the answered in the light of the predicative use
content of a proposition: “it is the only anal- of that name. This brings us to another point
ysis that is rigorously true of all propositions of view from which Mill also approaches the
without exception” (CW VII, 90). Finally, for problem of meaning. A proposition, so he
the category of non-connotative names, par- holds, expresses a relation between the mean-
ticularly of proper names, the above critique ings of two names; or, more precisely: the
is perfectly justified. For the denotation of a meaning of a proposition is a function of the
proper name depends indeed upon the pred- meanings of its subject and predicate (cf.
icative use of that name; in the absence of a Frege’s principle of composition). Not names,
connotation, however, a proper name in a but propositions are the primary objects of
predicative position cannot be used other this more functionalistic approach (in the
than referentially (denotatively). A violation footsteps of Jeremy Bentham and Dugald
of Buridan’s law is inevitable, in such cases. Stewart; cf. Land 1974, 169). From this point
In view of such difficulties, Lock wood (1975, of view, the meaning is identified with the
46) proposes a reinterpretation of the role of contribution of a name to the content or
proper names, not according to the letter but meaning of a proposition; in that case it is
according to the spirit of Mill, so as to afford impossible to leave denotations completely
30.  John Stuart Mill (1806—1873) 409

out. This is true in particular of proper names. have meanings; hence they are not definable;
A proposition such as ‘Tully is Cicero’ is by on the other hand, the definition of an ab-
no means meaningless, but has a substantive stract name is tak en to be equivalent to that
meaning, although in this case “all the signi- of the corresponding concrete name. Besides
fication conveyed is, that both the names are complete definitions, Mill also ack nowledges
mark s for the same object”. A strictly exten- incomplete definitions, i. e. propositions
sional analysis of the proposition provides whereby “a connotative name is defined by a
“part of the meaning of all propositions, and part only of its connotation” (CW VII, 137).
the whole meaning of some”. Evidently, the However, a proposition can only be an in-
denotation of a connotative name also con- complete definition if the denotation of the
tributes to the meaning of a proposition. “A definiens (predicate) corresponds de facto to
bird, or a stone, a man, or a wise man, means that of the definiendum (subject). Thus, for
simply, an object having such and such at- instance, the verbal proposition ‘man is a
tributes” (cf. CW VII, 90 ff). rational animal’ is not a complete definition
Broadly speak ing, Mill is inclined to iden- because otherwise the houyhnms should be
tify the meaning of a name with its conno- considered to be men. Nevertheless, this prop-
tation, but he cannot maintain this consis- osition provides an incomplete definition,
tently in the context of his analysis of the since those remark able beings of Jonathan
meaning of propositions. Ultimately, we do Swift’s Gulliver’s Travels do not really exist.
not find in Mill’s writings a precise concept Incomplete definitions are useful for the ap-
of meaning. This becomes even clearer when propriate (denotative) use of names.
we consider also abstract names. Abstract
names are for the most part non-connotative; 6.2.  Ryle praises Mill for his theory of mean-
they are usually derived from concrete names ing. But he immediately qualifies his praise
(as ‘whiteness’ from ‘white’). Corresponding by noting that Mill was able to have so much
abstract and concrete names, however, are influence chiefly because he “was original in
tak en to have the same meaning; “what the producing a doctrine of meaning at all” (1966,
concrete name connotes, forms the entire 241). This judgment is remark able, since,
meaning of the abstract name” (CW VII, 105; among others, Lock e too paid a lot of atten-
cf. VIII, 668 f). In short, the meaning of an tion to language and meaning: “The meaning
abstract name is its denotation. Contrary to of words, being only the ideas that they are
the case of proper names, Mill does ascribe a made to stand for by him that uses them”
meaning to non-connotative abstract names. (Lock e 1975, 422). The decisive difference lies
The traditional distinction between essential in the fact that Mill, just as Frege later on,
and accidental propositions reappears in A distinguishes between meaning (›Sinn‹) and
System as that between ›verbal and real prop- subjective representation (idea; ›Vorstellung‹).
ositions‹. Real propositions are those con- Meanings are link ed to linguistic expressions,
cerning ›matters of fact‹. Verbal propositions, based on conventions, and are, as such, in-
on the other hand, are related to meanings tersubjective; an idea is always a concrete
and are not, strictly speak ing, true or untrue representation in the mind of an individual
but only appropriate or inappropriate (CW subject. Mill combats fiercely the doctrine
VII, 109); such propositions may or may not that a proposition expresses a relation be-
be in accordance with conventions of lan- tween two ideas. Instead, he stresses that a
guage use. A proposition is an appropriate proposition expresses a relation between two
verbal proposition if, and only if, “the pred- meanings (CW VII, 87—90). Indeed, Mill is
icate connotes the whole or part of what the led to this position by his nominalistic critique
subject connotes but nothing besides” (CW of Lock e’s theory of abstract (universal) ideas
VII, 113; cf. IX, 334). Verbal propositions (s. art. 22). The introduction of a contrast
should actually be analyzed according to the between ideas and meanings brings about a
intensional theory of the copula. Accordingly, certain objectivization of the notion of mean-
a verbal proposition, in contrast to a real ing. Think ers such as Ryle and Ian Hack ing
proposition, does not imply “the real exis- (1975 a, 43—53) are willing to talk about a
tence of the subject” (CW VII, 113) (the ref- theory of meaning only when meaning is sep-
erential use of a name depends upon a pre- arated from individual and concrete represen-
supposition of existence). A definition is a tations. This does not preclude that Mill at
verbal proposition which expresses the mean- the same time strongly relies on Lock e. He
ing of an expression. Proper names do not
410 II. Personen

even think s that the third book of Lock e’s consists in the ›manner of presentation‹ of the
Essay, On Words, referent. Although Russell at first adopted
“requires hardly any other alternation to bring it the conception of Mill, his godfather, he later
up to the scientific level of the present time, than accepted Frege’s point of view: proper names
to be corrected by blotting out everywhere the are ultimately ›truncated descriptions‹; as
words abstract idea, and replacing them by the such, a proper name has a meaning and refers
connotation of the class-name” (CW IX, 324; cf. in the same way as an individual connotative
VII, 115). name. Until recently it was customary to ac-
If we further recall that Mill handles at- cept a referential theory à la Frege (s. art. 78).
tributes in a typically empiricist way, namely Lately, however, a strong rival to the Frege—
as grounded in sensations, we should con- Russell approach has come to the fore. This
clude that Mill’s semantic theory of meaning is not the appropriate place to delve deeply
and Lock e’s so-called ›ideational theory of into this controversy. But it is worthwhile to
meaning‹ have much in common. recall that the debate often refers back to
“The general term man [...] connotes the general Mill:
type of the sensations derived always from all men, “The modern logical tradition, as represented by
and the power of producing sensations of that Frege and Russell, disputed Mill on the issue of
type” (CW VII, 180 n). singular names, but endorsed him on that of gen-
Referring to Samuel Taylor Coleridge eral names. [...] The present view, directly reversing
(1772—1834) (among others), Mill views or- Frege and Russell, endorses Mill’s view of singular
dinary language as terms [i. e. proper names], but disputes his view of
“the depository of the accumulated body of expe- general terms” (Kripke 1972, 327).
rience to which all former ages have contributed Saul Kripk e (*1940), Donnellan and many
their part, and which is the inheritance of all yet others deny that a proper name has a meaning
to come” (CW VII, 685). in the sense that such a meaning determines
Hence, we must tak e careful charge of this the reference of that name; instead, they claim
inheritance. Nevertheless, Mill, lik e many of that the use of a proper name rests upon a
his contemporaries, pleads for a ›philosophi- sort of baptism, whereby the given expression
cal language‹. But for him such a philosoph- is once and for all established as a name of
ical language functions basically as an ideal an object. A reference fixed in this way has
for mak ing ordinary language more precise; nothing to do with attributes that may or
in particular, everyday language must be crit- may not belong to the referent (Kripk e’s
ically look ed at for changes of meaning and ›causal view of reference‹). The arguments in
vagueness. “The meaning of a term actually favor of this view are closely similar to Mill’s
in use is not an arbitrary quantity to be fixed, considerations leading to a denial of meanings
but an unk nown quantity to be sought” (CW to proper names. According to Mill, a proper
VIII, 671). Mill’s philosophical language is name functions only as a k ind of mark that
not an alternative for ordinary language, but in principle has nothing to do with the object
only seek s to be a restricted reconstruction named. Even a name’s possibly having a mo-
thereof, so that each (universal) name will be tivation does not detract from this. Dart-
used according to a well-determined meaning. mouth lies at the mouth of the Dart; thank s
Moreover, a perfect language ought to be to this fact the town has its name, but
complete: “Whatever we have occasion to “if sand should chok e up the mouth of the river,
think of often, and for scientific purposes, or an earthquak e change its course, [...], the name
ought to have a name appropriated to it” of the town would not necessarily be changed. [...]
(CW VII, 698). For that matter, Mill ac- Proper names are attached to the objects them-
k nowledges explicitly that the results of sci- selves, and are not dependent on the continuance
ence may require the revision of the meaning of any attribute of the object” (CW VII, 33).
of a name; but in so doing the original de- Whereas Kripk e shares Mill’s analysis of
notation should be, as far as possible, main- the semantic role of proper names, he rejects
tained. the latter’s view that universal terms are ipso
facto connotative. Instead, he argues — with
Hilary Putnam (*1926), among others — that
7. A current debate many universal terms, namely k ind and mass
names, function lik e proper names; in other
Frege argues, in his Über Sinn und Bedeutung, words, they act as ›rigid designators‹ (Kripk e
that a proper name has not only a reference
(denotation) but also a meaning; the meaning 1972, 322; Putnam 1979, 234). It is notewor-
30.  John Stuart Mill (1806—1873) 411

thy — and, as far so I k now, this has not terms in relation to the predicative use of
been pointed out by others — that Mill’s so- these expressions. This leads, as far as proper
called theory of ›real k inds‹ provides impor- names are concerned, to a violation of Buri-
tant support for this conception. According dan’s law. Moreover, Mill is not always able
to Mill, k inds are “realities in nature, and not to distinguish satisfactorily between the at-
mere distinctions for convenience” (Mill 1971, tributive and the referential use of connota-
132); this conviction, which also shows a rem- tive terms. Hence, it is not surprising that he
nant of essentialism in Mill, implies that “gen- is often criticized as being a supporter of the
eral language [...] sometimes owes its exis- two-name theory of propositions; neverthe-
tence to classes” (CW VII, 118). As opposed less, such an allegation is in general unjusti-
to a ›normal‹ connotative name, the denota- fied.
tion of a k ind name does not depend upon a Mill is customarily — and rightly so —
conventionally determined connotation; on depicted as an outspok en representative of
the contrary: a connotation is conditioned by nineteenth century English empiricism. But
a previously given denotation. If we want to his semantic insights can be viewed, surpris-
establish a connotation for a k ind name, we ingly enough, to a large extent independently
will in general not be able to get more than from this basic philosophical attitude. This is
incomplete definitions. mainly due to the fact that the foundation
“Since we k now nothing of k inds but their prop- for Mill’s semantics lies in the objects-attrib-
erties, the k ind to us, is the set of properties by utes ontology. To be sure, he himself ulti-
which it is identified [...]” (CW VII, 579). mately bases this ontology on typically em-
Mill, however, has not recognized suffi- piricistic foundations, but such a reduction
ciently that a connotation ascribed to a k ind hardly penetrates to the semantic level. This
name in this way can fail as a determination state of affairs explains the actuality of his
of reference. Kripk e and Putnam stress this thought in the field of semantics; many de-
fact; sets of properties are often incorrectly velopments in semantics after Frege can be
conceived as being able to identify k inds. In formulated in terms of Mill’s semantics. The
the case of a k ind name the primacy belongs objects-attributes ontology corresponds to
to the denotation and not to the connotation the intuitive foundation, to the common sense
or to the attributive use of the given term. starting point of a great deal of modern log-
Indeed, from this point of view k ind names ical semantics. This is true, particularly, of
appear to be closer to proper names than to the so-called possible-worlds semantics.
›pure‹ connotative names.
9. Selected references
8. Assessment de Jong 1982, The Semantics of John Stuart Mill.
The distinction between connotative and non- So far the only monograph on this topic.
connotative names is characteristic of Mill’s Kretzmann 1967, Semantics, History of, in The
semantics. This distinction reflects the con- Encyclopedia of Philosophy, Edwards (ed.), vol. 7.
viction that the denotation or reference of Stresses the place of Mill’s semantics in the tradi-
terms has an heterogeneous base (cf. Katz tion of English empiricism.
1977, 3). A connotative name functions de- Mill 1963 ff, Collected Works of John Stuart Mill,
notatively in a radically different way than a Robson (ed.). [= CW].
non-connotative name; this opposition is, Mill’s views on the philosophy of language are to
lik ewise, decisive for Mill’s theory of mean- be found mainly in A System of Logic (vol. VII
ing. Nevertheless, it must be ack nowledged and VIII), especially in book I (VII, 3—157) and
that Mill himself does not succeed in work ing in chapters III—VI of book IV (VIII, 663—712).
out this contrast in a fully consistent way. An
important source of confusion lies in the fact Willem R. de Jong, Amsterdam
that, under the influence of the framework of (Netherlands)
traditional logic, he determines the denota- (Translated from the Dutch by M. Dascal)
tion of both connotative and non-connotative
412 II. Personen

31. Wilhelm Wundt (1832—1920)

1. Vorbemerkung Völkerpsychologie, vor Mythos und Religion,


2. Stand der Forschung Kunst, Gesellschaft, Recht, Kultur und Ge-
3. Wundts Sprachauffassung: Prinzipien und schichte) gilt, daß an der k ritischen Ausein-
Obersätze andersetzung mit dieser ›summa‹ des 19. Jahr-
4. Wundt und die Junggrammatiker hunderts wesentliche Bestandteile der Sprach-
5. Wundt und Anton Marty auffassung des 20. Jahrhunderts gebildet wor-
6. Wundt und George Herbert Mead den sind. Wundts Sprachtheorie hat vielfach
7. Wundt und Karl Bühler als Katalysator gedient, ist aber selbst weder
8. Wundt und Ernst Cassirer tradiert noch insgesamt weiterentwick elt wor-
9. Schluß den. Wo Bruchstück e von ihr fortleben, sind
10. Literatur in Auswahl sie an neue Theorien und Denk stile assimi-
liert. Dieser k› atalytische‹ Charak ter der
Wundtschen Sprachtheorie rechtfertigt die im
1. Vorbemerkung folgenden gewählte Darstellungsform: Ich re-
In der Wirk ungsgeschichte des Wundtschen k onstruiere die sprachtheoretischen Ausein-
Gesamtwerk s spielt die Sprachtheorie eine andersetzungen, in denen Wundts Werk eine
vergleichsweise geringfügige Rolle. Schule ge- wesentliche Rolle gespielt hat.
macht in jedem Sinne des Wortes hat nur der
Individualpsychologe Wundt. Experimentelle 2. Stand der Forschung
Methode und naturwissenschaftliche Axio-
matik , zuerst schlüssig dargelegt in den
Grundzügen der physiologischen Psychologie 2.1.  Angeregt durch den 100. Jahrestag der
(Wundt 1873/74), prägen die ak ademische Gründung des Leipziger Instituts für experi-
Psychologie bis heute so stark , daß k aum mentelle Psychologie häuft sich die neuere
einer zögert, Wundt auf den Sock el des Grün- Forschungsliteratur über Wundt in den Jah-
dervaters der Disziplin zu heben. Ganz anders ren um 1979. Aufschluß über die Interpreta-
verlief die Wirk ungsgeschichte der Völk erpsy- tionen von Werk und Leistung Wundts in der
chologie, von Wundt k onzipiert als notwen- neueren Psychologie geben die Sammelbände
dige Ergänzung der Individualpsychologie von Meischner/Metge (1980), Bringmann/
zur „Untersuchung derjenigen psychischen Tweney (1980) und Eck ardt/Sprung (1983).
Vorgänge, die der allgemeinen Entwick lung Wundts philosophische Ansichten, ohne die
menschlicher Gemeinschaften und der Entste- weder der Psychologe noch der Sprachtheo-
hung gemeinsamer geistiger Erzeugnisse von retik er letztlich zu verstehen ist, sind in ihrer
allgemeingültigem Wert zugrundeliegen“ Entwick lung von den physiologisch-naturwis-
(Wundt 1921 I, 1). Gedacht war die Völk er- senschaftlichen Anfängen bis zum idealisti-
psychologie von ihren Urhebern (Moritz La- schen System der Spätzeit bei Arnold (1980)
zarus und Heymann Steinthal; vgl. Belk e ausführlich dargestellt. Dort ist auch das
1971 ff) anfänglich als eine populäre ›Physio- Schriftenverzeichnis Wundts wiederabge-
logie der Kulturen‹, angesiedelt zwischen den druck t, das die Wissenschaftliche Zeitschrift
Naturwissenschaften und der Geschichte. der Karl-Marx-Universität Leipzig bereits
Ihre Wirk ungsgeschichte entspricht jedoch 1979 veröffentlicht hatte (dieses ist mit seinen
k eineswegs diesen Intentionen. Sie hat weder 525 Titeln gewiß von Vollständigk eit noch
Institute geprägt noch Lehrbuch- oder Me- weit entfernt und bringt gegenüber dem von
thodentraditionen begründet (vgl. Graumann Eleonore Wundt (1927) k ompilierten Ver-
1984). Sie hat auch die gebildeten Bürger zeichnis wenig, um nicht zu sagen: nichts
k aum erreicht, obwohl Hermann Lotzes Neues). Wundts sprachtheoretisches Werk
(1817—1881) Mikrokosmus (1856—1864) wird weder in der Psychologie noch in der
und Lazarus’ (1824—1903) Monographien- Philosophie behandelt. Die ergiebigste (wenn
serie Das Leben der Seele — zwei wichtige auch naturgemäß problematische) Quelle zu
Vorläufer — recht populär waren. Das heißt Wundts Biographie ist nach wie vor seine
aber nicht, daß die Völkerpsychologie ganz eigene Lebensbeschreibung Erlebtes und Er-
ohne Wirk ung gewesen wäre. Gerade für kanntes (Wundt 1920). Neuere Arbeiten zur
Wundts Sprachpsychologie (sie bildet mit Biographie des großen Psychologen entstam-
zwei Bänden den Auftak t der zehnbändigen men zuerst der Leipziger Forschungsgruppe
31.  Wilhelm Wundt (1832—1920) 413

‘Geschichte der Psychologie’ (vgl. Meischner Lebens eng verbunden, sieht in Wundt die
1977). Für Wundts k onzeptuelle Grundlegung Symbolfigur jener mentalistischen Psycholo-
der Psychologie und für sein Verhältnis zu gie, die er durch den Behaviorismus Leo-
den anderen Psychologen der Zeit vergleiche nard Bloomfields (1887—1949) überwunden
man besonders Mischel (1970). Die zahlrei- glaubte und deren k räftiges Wiederaufleben
chen älteren Monographien über den Psycho- (in Form der generativen Psycholinguistik ) er
logen und Philosophen Wundt k önnen hier in den letzten Jahren seines Forscherlebens
nicht vollständig dok umentiert werden, man beobachten zu k önnen meinte (vgl. Esper
findet sie verzeichnet bei E. Wundt (1928). 1968). Arthur L. Blumenthal (1970; 1974;
Man vergleiche exemplarisch Pass
k önig 1975; 1987) übernimmt diese Figur mit um-
(1912) und Petersen (1925). gek ehrten Vorzeichen. Für ihn, Haushistorio-
graph der Anhänger Noam Choms k ys
2.2.  Zwischen der ersten und der letzten wis- (*1928), ist Wundt nicht der abschreck ende,
senschaftlichen Publik ation Wundts (1853 sondern eben der große Ahne der eigenen
bzw. 1920) liegen beinahe 70 Jahre. Die Be- Richtung. Beide Einordnungsversuche verra-
schäftigung mit Sprache beginnt in den 70er ten geringe Sachk enntnis, fehlendes Quellen-
Jahren mit Vorträgen und Rezensionen, nach- studium und völlige Unfähigk eit, den Sprach-
dem Wundt bereits im — später nicht mehr theoretik er Wundt im Kontext seiner eigenen
aufgelegten — 2. Band der Vorlesungen über Theorieprobleme zu situieren (detaillierte Kri-
die Menschen- und Thierseele von 1863 über tik bei Pléh 1984; Knobloch 1984 b; 1988 und
Sprache gehandelt hatte. In der 1. Auflage Ungeheuer 1984). Auch Blumenthals letzte
der Grundzüge der physiologischen Psycholo- einschlägige Publik ation (1987) strotzt noch
gie von 1873/74 ist das Programm der Ein- von Sachfehlern: Wundts sprachtheoretisches
ordnung von Sprache unter die Ausdruck s- Hauptwerk sei ›by 1913‹ auf zwei Bände an-
bewegungen bereits sk izziert, dessen Durch- gewachsen (es hatte immer 2 Bände, und die
führung die beiden ersten Bände der Völker- 3. Aufl., die letzte von Wundt veränderte,
psychologie im Jahre 1900 bringen (Wundt erschien 1911/12); Jean Piaget (1896—1980)
1921/22 I/II). Öffentlich beachtet wird auch wird als Herbartianer geführt; unter den
bereits der programmatische Aufsatz Die Junggrammatik ern taucht neben einem Herrn
Sprache und das Denken, zuerst publiziert in ›Osk off‹ (gemeint ist offenbar Hermann Os-
den Essays von 1885, aber zurück gehend auf thoff) auch ein gewisser ›Oertal‹ auf (gemeint
einen Vortrag von 1875/76 (vgl. Steinthal sein k önnte Hanns Oertel, der aber gewiß k ein
1888, 319—350). Ausweislich seiner Lebens- Junggrammati k er war); Ottmar Dittrich
erinnerungen (Wundt 1920, 260) hat Wundt (1865—1951), Wundts einziger (und später
zuerst 1875 in Zürich über Logik und Völ- abtrünniger) Schüler in der Sprachpsycholo-
k erpsychologie gelesen und in seinem ersten gie, wird als ‘D. Dittrich’ aufgeführt: Wundts
Leipziger Semester 1875/76 über Psychologie programmatischer Aufsatz Über psychologi-
der Sprache. Eine breite Disk ussion der sche Methoden, der die von ihm herausgege-
sprachtheoretischen Ansichten Wundts be- benen Philosophischen Studien eröffnete, wird
ginnt indes erst nach 1900, dem Jahr der auf 1885 datiert (das erste Heft erschien 1882,
Publik ation von Die Sprache. Es ist deutlich der erste Band 1883) — übrigens k ein Wort
zu trennen zwischen der sprachtheoretischen darüber, daß Wundt die dort geschilderten
Debatte, die Wundts Werk selbst ausgelöst experimentellen Methoden k einesfalls auf
und genährt hat (ihren Abschluß findet sie in Sprache angewandt wissen wollte, usw.. Von
Bühler 1927; 1933 a; 1934) und den späteren dem penetrant wiederholten Versuch, aus
Rek onstruk tionsversuchen. Ich verwende die Wundt einen frühen Generativisten zu ma-
Kontroversen, in denen Wundts Werk primär chen, will ich gar nicht reden (vgl. Pléh 1984).
und k atalytisch fungiert, als Ordnungsprinzip Offenbar hat Blumenthal die Arbeiten
der folgenden Darstellung und gebe in diesem Wundts, über die er seit beiläufig 20 Jahren
Abschnitt nur eine Sk izze der späteren Re- publiziert, nie vor Augen gehabt. — Eine
k onstru
k tionsversuche. — Wiederentdec
k t Reihe von Arbeiten zur Sprachtheorie
wurde der Sprachtheoretik er Wundt, nach- Wundts hat Peter Porsch vorgelegt (1975;
dem er gründlich in Vergessenheit geraten 1976; 1977; 1978; 1979). Sie handeln u. a.
war, im Linien- und Ahnenstreit der US-ame- vom Parallelismus in der Sprachtheorie, von
rik anischen Psycholinguistik . Erwin Allen der Kontroverse zwischen Wundt und Her-
Esper (1895—1972), mit der behavioristisch- mann Paul (1846—1921) um den Satzbegriff,
experimentellen Sprachpsychologie zeit seines vom Völk erpsychologie-Problem und vom
414 II. Personen

Zusammenhang zwischen Wundts politischen von Knobloch (1984 b) vorgetragene These,


Ansichten und seinen theoretischen Prämis- Wundts psychogenetische Satztheorie sei eine
sen. Auch Porsch hat eine deutliche Tendenz, theoretisch sterile Verdopplung traditioneller
Wundts Sprachtheorie in die Nähe der gene- Satzgliedlehre in die psychische Prozeßebene
rativen Linguistik zu rück en. Im allgemeinen (vgl. 4.1.). Er weist darauf hin, daß Wundt
bleiben seine Thesen recht pauschal. — Im und Paul beide darin ›mentalistisch‹ sind, daß
Anschluß an Gerold Ungeheuers (1984) tiefe ihnen das Sprechen für Ausdruck innerer,
und gründliche Studie über Bühler und Wundt ›mentaler‹ Vorstellungen gilt. Wie alle Auto-
befaßt sich Johann Juchem (1986) unter k om- ren, die Wundt voreilig ak tualisieren wollen
kmuni ationswissenschaftlichen Gesichts- (die Satzlehre ist bevorzugtes Objek t solcher
punk ten mit dem sprachtheoretischen Werk Bemühungen), übersieht Thümmel jedoch die
des großen Psychologen. Mit Philipp Wegener vielen grundsätzlichen Einwände gegen die
(1902) rügt er am Völk erpsychologie-Gedan- psychogenetischen Satzlehren Wundts und
k en, daß dieser die wirk liche sprachliche Ver- Pauls: daß sie Struk tur und Verlauf des
ständigung außer Sicht rück t. Juchem ergreift sprachlichen Denk ens und des Formulie-
rasch und grundsätzlich Partei gegen den Sy- rungsprozesses in eins setzen, daß sie unter-
stemanspruch Wundts und schlägt sich auf stellen, mit der Struk tur eines sprachlichen
die Seite der Sk eptik er und Individualisten in Gebildes sei gleichzeitig auch dessen Psycho-
der Theorie der sprachlichen Verständigung genese gegeben, usw.. Schließlich ist die Satz-
(Paul, Fritz Mauthner), ohne sich auf die disk ussion nicht um 1900 stehengeblieben. Sie
Wurzeln und Motive Wundtschen Sprachden- hat eigentlich danach erst richtig begonnen
k ens im Detail einzulassen. — Carl Friedrich mit den Arbeiten von Bühler (1918), John
Graumann (1983/84) bespricht Wundt im Zu- Ries (1931) und Eugen Seidel (1935). Für die
sammenhang mit George Herbert Mead Motive, die der voreiligen Ak tualisierung
(1863—1931) (s. Art. 52) und Karl Bühler Wundtscher Sprachtheorie zugrundeliegen,
(1879—1963) (s. Art. 38) und im Zusammen- vergleiche man Csaba Pléh (1984) und Kno-
hang mit Bemühungen um eine sprach- und bloch (1984a, 152 ff). Eine Darstellung der
k ommuni k ationswissenschaftliche Grundle- Wundtschen Sprachauffassung im problem-
gung der Sozialpsychologie. Insgesamt hat geschichtlichen Gesamtzusammenhang der
Graumann die Tendenz, Wundt gegen die Kri- deutschen Sprachpsychologie von 1850 bis
tik Bühlers (vgl. 6.; 7.) in Schutz zu nehmen. 1920 versucht Knobloch (1988) (s. Art. 57).
Mir scheint, Graumann achtet zu wenig auf Auf weitere Arbeiten über Wundt werde ich
den Umstand, daß das soziale Leben bei im thematischen Kontext der folgenden Ab-
Wundt nur ganz abstrak t als Voraussetzung schnitte zu sprechen kommen.
(und Folge) der höheren Formen individuel-
len Erlebens vork ommt, nicht aber als wirk -
licher Prozeß mit eigenständiger Dynamik 3. Wundts Sprachauffassung:
(wie gerade bei Bühler und Mead). Recht hat Prinzipien und Obersätze
er gewiß mit dem Hinweis, daß Wundts völ-
k erpsychologischer Anspruch aufrechtzuer- 3.1.  Zentral ist in Wundts Weltanschauung
halten ist: die höheren Bewußtseinsprozesse die Frage nach dem Verhältnis zwischen unse-
auf ihre gesellschaftlichen Voraussetzungen rem seelischen Erleben und den (inneren wie
und auf die ›geistigen Gebilde‹ zu beziehen äußeren) physischen Vorgängen, auf die das
(Graumann 1984, 227), aber die Gefahr einer Erleben bezogen ist. Es genügt dabei nicht,
allzu direk ten und umweglosen Gleichsetzung Wundt einfach als ›Parallelisten‹ abzuheften,
von gesellschaftlichem Gebilde und indivi- wie es meistens geschieht. Unter der Flagge
duell-psychischem Prozeß sieht er nicht. — des Parallelismus segelten auch Forscher, mit
Auf Ungeheuers (1984) sorgfältige Rek on- deren Ansichten Wundt nicht das mindeste
struk tion der sprachtheoretischen Kontrover- zu tun hat. Überhaupt sind die Etik etten,
sen zwischen Bühler und Wundt gehe ich hier unter denen die einschlägigen Positionen der
nicht ein, weil sie in die einschlägigen Ab- Psychologie des 19. Jahrhunderts abgelegt
schnitte dieses Artik els eingeflossen ist (vgl. werden (Monismus, Dualismus, Parallelis-
3.; 7.). Wolf Thümmel (1985) rek onstruiert mus, Wechselwir
k ung, Epiphänomenalis-
die Satz-Kontroverse zwischen Wundt und mus), k eineswegs eindeutige Erk enntnisbe-
Paul im Hinblick auf das, was die neuere griffe. Sie gleichen eher unaufgeräumten
Satzlehre aus ihr lernen k önnte. Er ergreift Schubladen. Wundts Seelenbegriff ist ›ak tuell‹
die Partei Wundts und wendet sich gegen die und antisubstantialistisch. Unter ‘Seele’ ver-
31.  Wilhelm Wundt (1832—1920) 415

steht er den jeweils ak tuellen Zusammenhang sich in der Wundtschen Wissenschaftslehre


unserer Erlebnisse. Die Fak toren, welche auf (die den zweiten Hauptteil der Logik aus-
diesen Zusammenhang organisierend einwir- macht) die Disziplinen weniger nach ihren
k en, hat die Psychologie zu untersuchen. Das Objek ten unterscheiden (die ja allesamt Er-
Bewußtsein wird bestimmt „als ein durchgän- fahrungsgegenstände sind) als vielmehr nach
giger Zusammenhang innerer Zustände“, so der Art und Weise, wie diese Objek te zuein-
schon in der 1. Auflage der Grundzüge der ander in Beziehung gesetzt werden. Wundt
physiologischen Psychologie (Wundt 1873/74, hat aus dem Material der historisch-verglei-
825). ‘Seele’ ist ein Hilfsbegriff der Psycho- chenden Sprachforschung seine Sprachpsy-
logie, wie ‘Materie’ ein Hilfsbegriff der Na- chologie geschöpft. Dreifach ist nun in diesem
turwissenschaften ist. Denn unsere Erfahrung Rahmen die Parallelismus-Annahme zu prä-
ist prinzipiell eine einzige, die wir als objek tive zisieren: (a) Es gibt einen vorwiegend passiven
und mittelbare Erfahrung auffassen, wenn sie Parallelismus zwischen den subjek tiv-inneren
sich auf einen wirk lichen Zusammenhang und den objek tiv-äußeren Gegebenheiten im
außer uns bezieht, als subjek tive und unmit- Rahmen der elementaren seelischen Prozesse,
telbare, wenn sie im Bereich der inneren Er- und diesen Zusammenhang k ann das Expe-
fahrung bleibt. Die Psychologie nimmt grund- riment durch objek tive Variation der Außen-
sätzlich (auch gegenüber den äußeren Erfah- reize und deren Korrelation mit der inneren
rungen) den Standpunk t der inneren Erfah- Erfahrung untersuchen (die Schwellenmes-
rung ein. Das ist ihre eigentliche Aufgabe. sungen der Psychophysik geben hier das Vor-
Somit stellt sich ihr das Leib-Seele-Problem bild und Muster). (b) Bei den höheren und
nicht als Frage nach dem Verhältnis zweier verwick elten seelischen Prozessen (die von der
einander ganz wesensfremder Substanzen Gemeinschaft abhängen, gesellschaftliche
(oder einer Substanz mit k omplementären At- Objek tivationen voraussetzen, eine stärk ere
tributen, wie im ›Monismus‹). Wundt behaup- ak tiv-apperzeptive Komponente haben) be-
tet ausdrück lich nicht, jedem Physischen ent- steht der Parallelismus zwischen der Struk tur
spreche ein Psychisches oder umgek ehrt. Das der Objek tivation und dem, seiner Verwick -
Leib-Seele-Problem wird bezogen auf die Ein- lungen halber, der inneren Erfahrung gar
heit der Erfahrung als letzte Wirk lichk eit und nicht mehr genau faßbaren Erleben, derge-
betrifft daher bloß zwei k omplementäre Be- stalt, daß man die psychologischen Gesetze
trachtungsweisen ein und derselben (inneren des Erlebnisverlaufs den Objek tivationen ab-
und äußeren) Erfahrung — man vergleiche lesen k ann. Anders als in der Herbartschen
zu diesem Komplex Wundts populären Tradition meint ‘Apperzeption’ bei Wundt
Grundriss der Psychologie, das Hauptmittel einen ak tiv-volitiven Prozeß und nicht die
zur Verbreitung der Ansichten des Autors und bloß k ognitive Einordnung eines neuen Er-
zu seinen Lebzeiten in 14 Auflagen erschienen fahrungselements in einen vorgängigen Zu-
(ich zitiere nach Wundt 1922, 386—398). Das sammenhang. Je ak tiver die Beteiligung des
Parallelismus-Prinzip in Wundts Formulie- Individuums, desto eher k ann man die Ob-
rung lautet, jek tivation als Spiegel der inneren Erfahrung
„daß alle diejenigen Erfahrungsinhalte, die gleich- nehmen. (c) Die dritte Konk retisierung des
zeitig der mittelbaren, naturwissenschaftlichen und Parallelismus-Prinzips, die Wundt stillschwei-
der unmittelbaren, psychologischen Betrachtungs- gend vollzieht, ist die sprachtheoretisch fol-
weise angehören, zueinander in Beziehung stehen, genreichste: Sie betrifft die spiegelbildliche
indem innerhalb jenes Gebiets jedem elementaren Gleichsetzung von Eindruck s- und Aus-
Vorgang auf psychischer Seite ein solcher auf phy- druck sgeschehen (vgl. Bühler 1933 a, 10; Un-
sischer entspricht“ (Wundt 1922, 394). geheuer 1984). Einerseits verweist diese
Alle Objek te also, die man sowohl mittel- Gleichsetzung auf den Ursprung Wundtschen
bar nach ihrem objek tiven Zusammenhang Denk ens in der Psychophysik und in der phy-
als auch unmittelbar nach ihrer subjek tiven siologischen Psychologie (wo es um Eindruck
Gegebenheit in unserer inneren Erfahrung be- geht), andererseits hindert sie den Sprach-
trachten k ann, unterliegen dem Parallelismus. theoretik er Wundt an systematischen Über-
Das ist ganz unerläßlich für jedes Verständnis legungen zum Problem des Sprachverstehens,
der Wundtschen Sprachauffassung (k ritisch das gar nicht erst aufk ommt, wenn man im
über die diversen Spielarten des Parallelismus: Feld des Sprechens Ausdruck und Eindruck ,
Mauthner 1923 I, 278—303; vgl. auch Un- Sprechen und Verstehen als spiegelbildlich an-
geheuer 1984, 14—21; Mischel 1970). — Es sieht. Es ist dies der ›systematische Ort‹, an
versteht sich auch aus dem Vorherigen, daß welchem Meads Weiterentwic
k lung der
416 II. Personen

Wundtschen Theorie einsetzt (vgl. 6.). — Jede und Anfang der Völk erpsychologie. Die phy-
der beiden parallelen Reihen hat ihre eigene siologische Psychologie hat lediglich die Auf-
k ausale Form des inneren Zusammenhangs. gabe, die äußeren und inneren Bedingungen
Für die psychische Seite gilt unumschränk t nachzuweisen, unter denen Sprache als höch-
das genetische Prinzip der Entwick lung des ste Form der menschlichen Lebensäußerun-
Höheren aus dem Niederen durch ›schöpfe- gen hervortritt. Die Details ihrer Entwick lung
rische Synthese‹. Dieses evolutionistische und Rück wirk ung auf das Denk en sind dann
Prinzip zwingt Wundt dazu, die Menschen- Gegenstand der Völk erpsychologie und der
sprache an das Ende einer in sich geschlos- vergleichenden Sprachwissenschaft. So heißt
senen Entwick lungsreihe zu stellen, die mit es bereits in der 1. Auflage der Grundzüge der
elementaren Außenwirk ungen von Affek ten physiologischen Psychologie (Wundt 1873/74,
beginnt (Herzk lopfen, Erröten) und über den 855). Die Systemarchitek tonik ist hier noch
mimisch-physiognomischen Gesichtsaus- deutlich an Steinthal (1823—1899) (1871) ori-
druck zur Pantomimik der Extremitäten und entiert, der ebenfalls eine elementarpsycho-
schließlich zur Gebärdensprache führt. Von logische Stufen- und Entwick lungslehre bis
dort geht es dann weiter zur Lautsprache, die zum ›Sprachreflex‹ präsentiert und die ge-
durch ein Prinzip der (ursprünglich) nachah- schichtliche Entwick lung der Sprachen (als
menden ›Gestik ulation der Sprechwerk zeuge‹ ›Entfaltung der Sprachidee‹ hegelianisierend
sehr eng an die Gebärdensprache angeschlos- gedacht) der Völk erpsychologie überstellt. Bei
sen wird. Danach ahmt (ursprünglich) nicht Wundt sind die Ausdruck sbewegungen natür-
der Laut das Dargestellte direk t nach, son- liche Erzeugnisse der geistigen und k örper-
dern die vorstellungsbegleitenden Lautgesten lichen Organisation der Individuen. Als un-
verdank en sich der engen und nachahmenden mittelbar verständlicher Ausdruck des ge-
Beziehung zwischen Artik ulationsbewegung meinsamen Erlebens werden sie zu Sprache.
und Vorstellung. Diese Ansicht k ehrt in der Sprache ist also nichts anderes als die Aus-
Sprachursprungsspek ulation periodisch wie- druck sbewegung, die der Entwick lungshöhe
der (s. Art. 65). Man findet sie u. a. in der des menschlichen Seelenlebens angemessen ist
französischen Aufk lärung bei Charles de und sich Schritt für Schritt mit diesem zusam-
Brosses (1709—1777) und in Deutschland we- men herausgebildet hat:
nig später bei Karl Philipp Moritz (1756—1793). „Wo irgendein Zusammenhang psychischer Vor-
gänge, also ein Bewußtsein vorhanden ist, da finden
3.2.  In der Evolution des Ausdruck sgesche- sich auch Bewegungen, die diese Vorgänge nach
hens nimmt der Affek tgehalt ab und der Vor- außen k undgeben. Diese äußeren Merk male des
stellungsgehalt zu. ‘Vorstellungen’ heißen bei psychischen Lebens begleiten dieses von Stufe zu
Wundt diejenigen psychischen Gebilde, die Stufe, und sie vervollk ommnen sich natürlich mit
sich durch eine regelmäßige Abhängigk eit von dem Inhalt, dem sie zugeordnet sind“ (Wundt 1922
äußeren Objek ten auszeichnen (das k önnen II, 653).
wohlgemerk t dingliche Objek te sein, aber Von hoher Selbstverständlichk eit ist das
auch Worte). Sprache wird zwar von Wundt Prinzip, nach welchem es die Psychologie al-
zu den ›völk erpsychologischen‹ Größen ge- lein mit den Einheiten des Bewußtseins, des
rechnet (d. h. die ihr entsprechenden Formen Erlebens zu tun hat. Wie verbindlich diese
des Erlebens setzen aktuell die Einrichtungen Ansicht war, erk ennt man daran, daß sie auch
eines Gemeinschaftslebens voraus, die sie ge- noch die (in lautstark er Kontroverse mit
netisch hervorgebracht haben), sie erhält aber Wundt befindlichen!) Bewußtseinspsycholo-
ihren Ort doch im individualpsychologischen gen der Würzburger Külpe-Schule (nicht zu-
Bezugssystem der Innen-Außen-Beziehungen, letzt auch den jungen Bühler) vexiert. Die
die prinzipiell ganz ohne Gesellschaftlichk eit machen sich mit großem Ernst auf die Suche
beschrieben und gedacht werden k önnen. An nach Erlebnisk orrelaten des mentalen Pro-
dieser Disk repanz setzt die Kritik ein, die blemlösens und des Sprachverstehens — und
Bühler 1927 in seiner Krise der Psychologie sie finden k eine. — Wundts Psychologie will
formuliert und die Graumann (1983/84) ein- den Bogen spannen „von den vergänglichen
geschränk t wissen möchte. Die systematische Gebilden des Einzelbewußtseins bis zu den
Stellung der Sprache in Wundts Psychologie großen und dauernden Umgestaltungen des
läßt sich erschließen aus ihrem Ort in der geschichtlichen Lebens“ (Wundt 1917, 4). Sie
Topologie seiner Schriften: sie ist Schluß- und erhebt den Anspruch, Grundwissenschaft für
Höhepunk t der physiologischen Psychologie alle geistes- und gesellschaftswissenschaftli-
31.  Wilhelm Wundt (1832—1920) 417

chen Disziplinen (und empirische Vorberei- 4. Wundt und die Junggrammatiker


tung der Philosophie) zu sein. Vom Boden der
exak ten Wissenschaften her will Wundt nach 4.1. Wundt und Paul
dem Untergang der idealistischen Systeme
einen neuen Zugang zur Philosophie finden. Über den erbitterten Streit und die gegensei-
Für ihn liegt der Einheitspunk t aller unserer tige Ablehnung von Wundt und Paul ist viel
Erk enntnisse in Wahrnehmung und Erfah- geschrieben worden (Delbrück 1901; Wegener
rung, aber die Erk enntnislage des Psycholo- 1902; Broens 1913; Porsch 1979; Knobloch
gen ist der des Physik ers z. B. darin entge- 1984 b; Thümmel 1985). Wie ernst Paul die
gengesetzt, daß der letztere die Wahrnehmun- Befürchtung war, Wundt k önnte sich mit sei-
gen des Experimentators als ›Hinweisungen‹ nen sprachpsychologischen Ansichten gegen
auf objek tive Realität versteht, während der die Prinzipien der Sprachgeschichte durchset-
erstere umgek ehrt objek tive Ordnungen und zen, zeigt der Umstand, daß der Kampf gegen
ihre Veränderungen nutzt, um aus ihnen und Wundt in einer k urzen vita, die Paul fast
ihren Wirk ungen auf unser Bewußtsein dessen schon auf dem Totenbett verfaßte, beträcht-
Eigenschaften und Gesetze festzustellen lichen Raum einnimmt. Man übersieht dabei
(Wundt 1883, 4). In diesem Programm setzt leicht, daß beide sprachpsychologischen An-
das Ausfolgern von Sprachgeschichte (als sichten auf dem nämlichen Korpus empiri-
Laut-, Formen- und Bedeutungsgeschichte) scher Daten aus der historisch-vergleichenden
und Sprachverschiedenheit auf die Bewußt- Sprachforschung beruhen. Für die wissen-
seinsgesetze hin die Eindruck sforschung der schaftssoziologische Rück schau legt das den
physiologischen Psychologie lediglich mit an- Verdacht nahe, daß es auch um die Legiti-
deren Mitteln fort, obwohl mittlerweile die mation der Fächer ging.
Eindruck soptik gegen eine (viel unsicherere)
Ausdruck soptik vertauscht ist und eigentlich 4.1.1.  Drei Oppositionen sind es, in denen der
nur das Gesprochene Aufschluß geben k ann Streit zwischen Wundt und Paul ausgetragen
über das Bewußtsein der Sprecher, nicht die wurde: Völk erpsychologie vs. Wechselwir-
Sprache selbst als System von Lauten, For- k ung der Individuen; Analyse und Resynthese
men und Bedeutungen. — Wundts psycho- einer ›Gesamtvorstellung‹ vs. Verbindung von
logische Methodenlehre ist in strenger Ent- Einzelvorstellungen als Modell für die Satz-
sprechung zur naturwissenschaftlichen k on- bildung; Wundtsche vs. Herbartsche Psycho-
zipiert (was natürlich nicht heißt, daß die logie als Basis für die Sprachforschung. In
Methodenpraxis ähnlich streng gewesen der Völ
k erpsychologie-Kontroverse stehen
wäre): Ganz wie die Naturwissenschaften ver- Wundt und Paul auf zwei Seiten derselben
fügt auch die Psychologie über Experiment Aporie. Für Wundt begründet Sprache (qua
und Beobachtung (Wundt 1922, 24—31). In Ausdruc k sbewegung) einen Zusammenhang
beiden Sparten sind die Prozesse eher Do- von Bewußtseinstatsachen, der das Zusam-
mäne des Experiments, die Obj ekte eher Ge- menleben der Individuen voraussetzt. Für
genstand der Beobachtung. Die einfachen Paul k ann es nur Individualpsychologie ge-
psychischen Prozesse sind hochvariabel und ben, k eine Völk erpsychologie, weil ihm alle
von den Subjek ten nicht ablösbar, sie k önnen Wechselwirk ung zwischen Individuen phy-
nur experimentell erforscht werden. Den na- sisch vermittelt ist und nicht Sache der Psy-
turwissenschaftlichen Objek ten (und damit chologie (Paul 1910, 364). Beide müssen da-
dem Verfahren der Beobachtung) entsprechen her, um die erstaunliche Übereinstimmung
in der Psychologie die historisch-gesellschaft- der Sprecher im Sprachbesitz und um die
lichen (völk erpsychologischen) Erzeugnisse: Möglichk eit der Kommunik ation darzutun,
sie sind subjek tunabhängig, der experimen- zu stark en Vorannahmen greifen. Für Paul ist
tellen Einwirk ung entzogen und objek tiv ab- wirk liche Kommunik ation von ›Vorstellun-
lösbar von den an sie gebundenen psychischen gen‹ unmöglich, weil jedes Sprechen vom Psy-
Prozessen: „Ihr Ursprung und ihre Entwick - chischen ins Physische überschlägt und wir
lung beruhen überall auf allgemeinen psychi- an fremde Vorstellungen nicht herank ommen.
schen Bedingungen, auf die sich aus ihren Wir k onstruieren Analogien auf der Basis
obje
k tiven Eigenschaften zurüc
k schließen unserer eigenen Vorstellungen und müssen
läßt“ (Wundt 1922, 29). Das ist der oberste annehmen, daß die seelische Organisation
Grundsatz der sprachpsychologischen Me- unserer Kommunik ationspartner der unseren
thode Wundts. entspricht (Paul 1910, 364). Die physische
Angleichung der Individualsprachen ge-
schieht für Paul im Wechselverk ehr der In-
418 II. Personen

dividuen. Wundt stützt die ursprüngliche mischen und gestischen Ausdruck verk nüpfen
Übereinstimmung der Sprecher auf gemein- k ann, wie Wundt das vorschlägt, und ob man
sames Fühlen und Vorstellen, hypostasiert sie nicht viel eher mit den Steuerungen zwi-
aber ansonsten die Sprache als einen Gemein- schen den Menschen und mit ihrer wechsel-
schaftsbesitz, ohne sich um Kommunik ation seitigen Verhaltensabstimmung verbinden
und Verständigung zu k ümmern (vgl. Unge- muß, wie bei Bühler (1927). — Aus Wundts
heuer 1984 und schon Wegener 1902). Beiden Perspek tive gerät nicht in den Blick , daß Spre-
ist Sprache und Sprechen ein und dasselbe, chen und Verstehen Tätigk eiten sind, die je-
und beiden fehlt eine semiologische Fundie- weils den sozialen Bedürfnissen des Augen-
rung der Sprachtheorie. Pauls epistemologi- blick s folgen und daß ›die Sprache‹ bloß eine
sches Credo ist naiv und dualistisch (psy- Abstrak tion aus dem Gesamt dieser Tätig-
chisch vs. physisch), Wundts ist philosophisch k eiten ist. Wundt k onfrontiert ›die Sprache‹
ungleich subtiler. Aber beide bleiben im Um- (als völk erpsychologische Erscheinung!) di-
k reis der Dichotomie ‘innen — außen’. Wich- rek t mit dem sprechenden Individuum. Pauls
tiger sind freilich die forschungsprak tischen Kritik an Wundt lautet demgemäß: Er be-
Konsequenzen dieser Meinungsverschieden- trachtet die Sprache lediglich „vom Stand-
heit: allein von der Paulschen Position ist man punk te des Sprechenden, nicht auch von dem
gedrängt, Verständigung und gemeinsamen des Hörenden“ (Paul 1910, 370). Bei Wundt
Sprachbesitz als Probleme wissenschaftlich zu geht das Sprechen in der Sprache auf, bei
untersuchen (vgl. Wegener 1885; 1902). — Paul die Sprache im Sprechen des Individu-
Schon Paul (1910, 365) k ritisiert an der ums. Es gibt indessen auch einen beträchtli-
Wundtschen Theorie, daß es unmöglich sei, chen Fundus von Annahmen, die Wundt und
Individual- und Völk erpsychologisches zu Paul gemeinsam sind, die aber aus heutiger
trennen, da ja der Mensch von jeher in Ge- Sicht nicht so leicht in den Blick geraten, so
meinschaft mit seinesgleichen gelebt habe und z. B. das Prinzip der strengen k ausalen De-
man also durchaus k einen Punk t finden terminierung jeder sprachlichen Einzelheit.
k önne, wo rein Individuelles in ›sozial Be- Für beide hat der Zufall in der Sprachge-
dingtes‹ umschlägt. Wundts Position, so neu- schichte so wenig Raum wie in der Sprach-
erdings Arnold, beinhaltet die Unterstellung, psychologie.
„daß nur bestimmte psychologische Erschei-
nungen der sozialen Wechselbeziehungen be- 4.1.2.  Das Satzproblem ist wohl heutzutage
dürften“ (Arnold 1980, 240). Der Einwand ist das bek annteste Versatzstück aus der Kontro-
grundsätzlich berechtigt, aber er verfehlt doch verse zwischen Wundt und Paul. Seine späte
die Logik der Wundtschen Systemk onstruk - Popularität verdank t es einem Mißverständ-
tion. Im parallelistischen Denk en Wundts ist nis. Schon Bühler (1918) und Ries (1931) be-
es der Status der ›physischen‹ Korrelate des trachteten die Auseinandersetzung aus guten
jeweiligen Erlebens, der es erlaubt, eine Gründen als erledigt und stellten die von
Grenze zu ziehen. Wo diese Korrelate histo- Wundt und Paul geteilten falschen Prämissen
risch-gesellschaftliche Obje k tivationen sind in den Vordergrund: die Prämisse namentlich,
(und nicht physik alisch oder physiologisch daß eine Satzdefinition überhaupt als ›Psy-
beschreibbare Sachverhalte), da beginnt die chogenese des Satzes‹ gegeben werden k önne.
›Völk erpsychologie‹. Deren Sphären wachsen Erst als man jüngst begann, algorithmisierte
jeweils aus individualpsychologischen Grund- Beschreibungen grammatischer Satzstru k tu-
lagen heraus: die Sprache aus dem Vorstel- ren für psychologisch relevant, für Beschrei-
lungs- und Gegenstandsbezug des Ausdruck s- bungen psychologischer Erzeugungsprozesse
geschehens, der Mythos aus der Trieb- und zu halten, k onnte man wieder auf den glei-
Gefühlsaufladung der primitiven Vorstellun- chen Gedank en verfallen. — Wundt und Paul
gen, die Sitte aus den allgemeinen ›Willens- definieren das grammatische Gebilde ›Satz‹
richtungen‹ der Vorstellungen und Triebe (vgl. als unmittelbares Ergebnis psychischer Erzeu-
Wundt 1911, 31). So k nüpfen die höheren und gungsprozesse, Paul als (ein- oder mehrglie-
gesellschaftlichen Synthesen allenthalben driges) Produk t einer Verbindung von Vor-
schöpferisch an naturnahe und physisbe- stellungen, Wundt als (grundsätzlich mehr-
dingte Wurzeln im Individuum an. Dieser gliedriges) Produk t der binären Analyse und
Grundgedank e scheint mir weniger abwegig logischen Resynthese einer anfänglichen ›Ge-
als seine Durchführung im einzelnen. Es fragt samtvorstellung‹ (Wundt 1922 II, 222 ff). Bei-
sich z. B., ob man die Sprache genetisch in den ist die Vorstellung ein psychisches, der
der Tat so mit dem physiognomischen, mi- Satz ein psychisch-sprachliches Gebilde. Paul
31.  Wilhelm Wundt (1832—1920) 419

denk t mehr von der k ommunik ativen Äuße- Verständigung als ein Struk turmotiv für das
rung her, welche, auch als äußerlich einglie- Sprachgebilde Satz. — Wundt hat indessen
drige, ›etwas über etwas‹ sagt. Der Ausruf: unbestreitbar das Verdienst, mit seinen Über-
‘herrlich!’ bezieht sich auf eine gemeinsame legungen eine umfassende Disk ussion des
Wahrnehmung, welche dann ›psychologisches grammatischen Satzbegriffes ausgelöst zu
Subjek t‹ ist, etc.. Wundt psychologisiert die haben. Für die Details sei pauschal verwiesen
Satzgliedlehre Karl Ferdinand Bec
k ers auf Bühler (1918), Ries (1931) und Seidel
(1775—1849): Prädik atives und objek tives (1935). Nur zwei Weiterungen des Wundt-
Satzverhältnis bilden den ›logischen‹, apper- schen Satzbegriffes will ich erwähnen, weil sie
zeptiven und geschlossenen Kern der ur- deutlich machen, daß dessen Fortentwick lung
sprünglichen Gesamtvorstellung, attributives mit den allgemeinen psychologischen Prinzi-
und adverbiales Verhältnis den für assoziative pien Wundts in Konflik t gerät. Dittrich (1913)
Weiterungen offenen Rand (Wundt 1922 II, greift Pauls Kritik auf, der Hörer (und damit
321 ff). Wundts Ausführungen sind hier die sprachliche Kommunik ation überhaupt!)
durchaus unk lar. Das attributive Verhältnis spiele als Strukturmotiv des Satzes k eine Rolle
gehört für ihn manchmal zum Kern des Sat- bei Wundt. In seiner Definition taucht dann
zes, manchmal nicht. Verschiedene Gesichts- auf, daß der Hörer durch Sätze veranlaßt sein
punk te gehen durcheinander. Manchmal ist muß, seinerseits eine vom Sprecher ›aner-
die Struk turnotwendigk eit der Satzteile rele- k ennbare‹ Subjek t-Prädik at-Gliederung eines
vant, manchmal das, was man heute ihren Bedeutungstatbestandes zu versuchen. Das
‘Rang’ nennen würde. Wundt versucht den nun ist durchaus nicht mehr vereinbar mit
grammatisch chara
k terisierten Gebilden den bewußtseinspsychologischen Prinzipien
einen eindeutigen psychologischen Prozeßsta- Wundts, und es ist auch wenig plausibel, daß
tus zu verleihen. Wie alle ›psychogenetischen‹ die ›Satzqualität‹ eines Sprachgebildes vom
Satzdefinitionen (Ries 1931, 33 ff) lebt auch Verstehensversuch des Hörers abhängig sein
die Wundtsche vom Kurzschluß zwischen soll. Genauso unplausibel ist es freilich auch
Struk tur und Prozeß: Vermeintlich ›erk lärt‹ (und das macht Dittrich unfreiwillig bewußt),
man die grammatische Struk tur als Ergebnis daß die Satzqualität eines Gebildes von be-
eines psychischen Prozesses, de facto hat man stimmten Bewußtseins- und Erlebensprozes-
aber nur die Struk tur und k onstruiert den sen des Sprechers abhängig sein soll. Man
dazu passenden Prozeß hinzu. Das ist be- vergegenwärtige sich noch einmal das Pro-
quem, aber intuitiv damals wie heute unplau- gramm der Wundtschen Völk erpsychologie:
sibel, verk ennt es doch den Charak ter der die Korrelation der gesellschaftlichen Objek -
grammatischen Kategorien und Relationen, tivgebilde mit den Bewußtseinsprozessen des
die als gang und gäbe sprachliche Schemata Individuums soll gezeigt werden. Die Analyse
gegen die von ihnen aufgenommenen k ogni- und binäre Gliederung der ›Gesamtvorstel-
tiven Inhalte hochgradig indifferent sein müs- lung‹ erhebt den Anspruch, gleichzeitig die
sen, ebenso auch gegen die Mechanismen ih- Genese des Sprachgebildes und die apperzep-
rer Erzeugung. Nur als allgemeine Formen der tive Bewußtseinsak tivität des Sprechers zu be-
Darstellung sind sie auch allgemeine Formen schreiben. Das sollte voreilige Ak tualisierer
des dargestellten Inhalts und müssen von die- der Wundtschen Satzlehre warnen. Der
sem also doppelt distanziert werden. Es Wundtsche Mentalismus ist der der Bewußt-
scheint mir wenig sinnvoll, Wundt in dieser seinspsychologie und hat mit der heutigen
Kontroverse im nachhinein zum Sieger aus- Erscheinung gleichen Namens wenig gemein.
zurufen, wie es Thümmel (1985) — k ritisch — In ihrer philosophischen Substanz weiter-
gegen Knobloch (1984 b) — unternimmt. Daß entwick elt hat die psychogenetische Satzlehre
Sätze als Sprachwerke das Ergebnis von Wundts mit Heinrich Gomperz (1873—1942)
Äußerungsak ten sind, ist trivial. Daraus folgt (1908) ein Autor, der seinen Scharfsinn an der
jedenfalls nicht, daß die Definition des Psychologismus-Kritik der Brentano-Schule
Sprachgebildes Satz aus dem Äußerungsak t trainiert hat (die sich ja nicht zuletzt gegen
geschöpft werden k ann oder gar muß (für die Wundt richtete und die allenthalben den Ge-
Opposition ‘Sprachwerk — Sprachgebilde’ dank en als Objek tivation vom subjek tiven
vgl. Bühler 1934, 48—68). Namentlich bei Denk en des Gedank ens scharf unterscheidet).
Wegener (für dessen Stellung in der Kontro- Seine Semasiologie dürfte in ihrem ersten, k ri-
verse zwischen Wundt und Paul vgl. Kno- tischen Teil zum Differenziertesten gehören,
bloch 1989), im Ansatz aber auch bei Paul, was über das Bedeutungsproblem um diese
erscheint die dynamische Organisation von Zeit gesagt worden ist. Daß Vorstellungen im
420 II. Personen

landläufigen Sinne nicht als Basis einer Satz- Delbrück und mit ihm die anderen psycho-
oder Aussagebedeutung dienen k önnen, er- logistischen Sprachforscher der Zeit die Psy-
hellt für ihn daraus, daß ein Satz wie ‘Der chologie brauchen: Sie hat Hypothesen zu
Vogel fliegt’ als ›Aussagegrundlage‹ (d. i. als liefern, mit deren Hilfe man die Daten des
reale Erfahrungssituation, auf welche er sich sprachgeschichtlichen Stoffes untereinander
bezieht) ebensogut einen flatternden Sperling verk nüpfen k ann. Was sie darüber hinaus
wie einen k reisenden Adler haben k ann. Auch sonst noch ist, interessiert den ›Prak tik er‹
k ann man sich auf ein und dieselbe ›Aussa- durchaus nicht. Dieser Umstand macht die
gegrundlage‹ mit ganz verschiedenen Sätzen/ Struk tur der Auseinandersetzung zwischen
Aussagen beziehen. Das relativ k onstante Wundt und Delbrück hoffnungslos. Denn
Moment an Satz bzw. Aussage k ann, so Gom- Wundt braucht die Daten der historisch-ver-
perz, k eine ›Vorstellung‹ sein. Es ist hier k ein gleichenden Sprachwissenschaft ja umgek ehrt
Raum, das semasiologische Denk en Gom- zur Konstruk tion seiner Psychologie! Also
perz’ zu entfalten (vgl. Knobloch 1988, 308— k önnen sich Wundt und Delbrück gegenseitig
312 für einen k nappen Extrak t). Auch müßte versichern, im Verhältnis der Disziplinen sei
beachtet werden, daß die Brentano-Schule jeweils der andere Teil der gebende und man
einen ganz anderen Vorstellungsbegriff hat als selbst nur der nehmende. Das ist bei weitem
Wundt und wieder einen anderen als Paul. k eine bloße Höflichk eit, sondern eine euphe-
Doch k ommt es hier nur darauf an, daß Gom- mistische Formulierung der wirk lichen Lage
perz, nachdem er fast alle Voraussetzungen (Wundt 1901, 8 ff). Jeder versucht jeweils
der Wundtschen Satzlehre destruiert hat, an eigene Fachprobleme durch Importe aus dem
einer doch festhält: daß nämlich die Aussage andern Fach zu lösen. Das Rück grat des
eine stabile Entsprechung im Erleben der In- einen ist jeweils die Krück e des anderen. Wis-
dividuen haben müsse. Da die Vorstellungen senschaftssoziologisch ist diese Lage leicht zu
nichts hergeben, sucht er Zuflucht bei Im- verstehen: Durch die stark e ak ademische Stel-
pressionen und ihren gefühlsmäßigen Be- lung der historisch-vergleichenden Sprachwis-
standteilen: es sind gemeinsame Gefühle, die senschaft mußten alle Versuche scheitern, eine
es erlauben, so verschiedene Dinge wie den eigenständige Sprachpsychologie neben der
Turm von Pisa und Beethovens Neunte ein universitären Sprachforschung zu etablieren
‘Kunstwerk ’ zu nennen. An diesem verzwei- (vgl. Knobloch 1988). Für die Sprachfor-
felt überspitzten Rettungsversuch erscheint schung verk örperte Wundt umgek ehrt den
das zutiefst Problematische des ganzen Prin- herausragenden und angesehenen Vertreter
zips: sprachliche Objek tivgebilde durch Be- der ak ademischen Psychologie, während die
wußtseins- und Erlebnisk onstanten ›erk lären‹ Herbartianer, deren Affinität zu Experiment
zu wollen. — Die Frage, ob die Wundtsche und Naturwissenschaft traditionell gering
oder die Herbartsche Psychologie als Grund- war, ins Hintertreffen gerieten. Pauls Sorge,
lagenwissenschaft für die Sprachforschung sein eigenes Lebenswerk k önnte hinter der
besser geeignet sei, führt schon herüber in die Wundtschen Sprachpsychologie alsbald ver-
Kontroverse zwischen Wundt und Berthold blassen, war aus dieser Sicht nur zu berech-
Delbrück (1842—1922) (Delbrüc k 1901; tigt. Daß mit der historisch-vergleichenden
Wundt 1901). Was dort über das Verhältnis Formenlehre dann auch deren psychologische
der Wundtschen Psychologie zur Sprachwis- Weiterungen bald verschwinden würden,
senschaft und über das Verhältnis der Jung- k onnten beide nicht ahnen. — Wundts ste-
grammatik er zur Psychologie zu sagen ist, das reotyper Vorwurf gegen Paul und die Her-
gilt im großen und ganzen auch für Paul. bartianer lautet, man habe dort eine ganz
›unsprachliche‹ und metaphysische Psycho-
4.2. Wundt und Delbrück logie auf die Ergebnisse der Sprachforschung
bloß äußerlich angewandt (vgl. Wundt 1901,
Delbrück s prompte Reak tion auf die Veröf- 5—22). Es gehe aber darum, aus den Daten
fentlichung von Wundts Die Sprache beginnt der Sprachforschung eine solche historische
mit einer vergleichenden Darstellung der Psychologie der höheren seelischen Prozesse
Wundtschen und der Herbartschen Psycho- erst zu entwick eln. Für Paul (wie für Stein-
logie. Deren Fazit wird oft zitiert und selten thal, der in diesen Dingen als Pauls Lehrer
verstanden. Es lautet: Für den Prak tik er, d. i. gelten k ann) sind die im Sprechen jeweils
den prak tischen Sprachforscher, läßt sich mit wirk samen psychischen Gesetzmäßigk eiten zu
beiden Theorien leben, sie leisten ungefähr allen Zeiten dieselben. Die Psychologie bildet
dasselbe (Delbrück 1901, 43 f). Es zeigt sich den festen Punk t in der historischen Bewe-
im ganzen Duk tus der Argumentation, wozu
31.  Wilhelm Wundt (1832—1920) 421

gung der Daten. Nur unter dieser Vorausset- k ung der Aufmerk samk eit des anderen. Ge-
zung k ann die moderne Psychologie dazu die- netisch führt es Wundt zurück auf die „bis
nen, Sprachdaten längst vergangener Zeiten zur Andeutung abgeschwächte Greifbewe-
gesetzmäßig zu verbinden: die in Sprachur- gung“ (Wundt 1921 I, 137). Daß grundsätzlich
sprung, historischer Entwick lung der Spra- deik tisch geregelt werden k ann, was beim
chen und im ak tuellen Sprechen wirk samen Sprechen immer anwesend ist (sprechende
Kräfte sind im wesentlichen dieselben (vgl. Personen, räumliche Orientierung), deutet
Paul 1920, 34 f). Wundt historisiert demge- Wundt (1921 I, 167) an. Daß die Gebärden-
genüber die Psychologie selbst mithilfe der sprache Syntax und Satz entbehre, hält
sprachgeschichtlichen Daten. Und er ver- Wundt für ein Vorurteil. Mit Steinthal erin-
wahrt sich beinahe heftig gegen den Prag- nert er daran, daß auch manche Lautsprachen
matismus Delbrück s in Sachen Psychologie das Verhältnis zwischen den Wörtern nicht
(Wundt 1901, 17 f). — In der Satzfrage näher bezeichnen (also modern gesprochen:
schließt sich Delbrück weitgehend an Wundt k eine Morphosyntax haben), und er argu-
an, rügt aber dessen schematischen Binaris- mentiert (nun gegen Steinthal) für eine spon-
mus und die Nachwirk ung der von Beck er tane, namentlich in der Reihenfolge der Ge-
und Karl Wilhelm Ludwig Heyse (1797— bärden gegebene Syntax, deren höchstes Prin-
1855) übernommenen Ansicht, die Verk nüp- zip die Weglassung des Selbstverständlichen
fung von Subjek t und Prädik at im Urteil sei ist und die nicht zur Klarheit und Eindeutig-
Vor- und Urbild aller sprachlichen Fügungen k eit der lautsprachlichen Syntax gelangt. Die
(Delbrück 1901, 152—154). Instruk tiv und verbale Relation z. B., lautsprachlich für die
von grundsätzlichem Interesse ist dagegen die Satzqualität unentbehrlich, wird in der Ge-
Kontroverse um den Status der Gebärden- bärdensprache nicht spezifiziert, wenn sie sich
sprache, auf die im Zusammenhang mit Büh- von selbst versteht. — Delbrück realisiert of-
ler und Mead noch zurück zuk ommen sein fenbar nicht die zentrale Bedeutung dieses
wird. In Wundts Evolution der Ausdruck s- Kapitels für Wundts evolutionistisches Sy-
bewegungen vermittelt sie zwischen den ele- stem. Er wendet ein, die Syntax aller Gebär-
mentaren affek t- und leibgebundenen Aus- densprachen sei lautsprachlich induziert und
druck ssymptomen auf der einen, der Laut- damit von geringem Erk enntniswert, während
sprache auf der anderen Seite. Sie ist der Wundts Beobachtungen belegen, daß auch die
Dreh- und Angelpunk t in der Systemarchi- Sprecher syntak tisch ganz verschieden struk -
tek tur Wundts, das ihr gewidmete Kapitel gilt turierter Lautsprachen in der Gebärdenspra-
mit Recht auch heute noch als lesenswert und che dazu neigen, die gleichen Reihenfolgebe-
ak tuell. Wundts theoretisches Interesse gehört ziehungen anzuwenden, die sich in spontan
primär den Gebärdensprachen, die nicht als entstandenen Gebärdensprachen zeigen. Ge-
sek undäre Artefak te von der Lautsprache her rade darin sieht Wundt einen Indik ator für
k onzipiert sind, zuerst also der spontanen Ge- den archaischen und relativ eigenständigen
bärdensprache der Taubstummen. Sobald die Charak ter der Gebärdensprache gegenüber
Kenntnis natürlicher Sprachen oder der Ver- der Lautsprache. Delbrück beruft sich auf die
k ehr mit Sprechern natürlicher Sprachen die (gut beschriebene) Gebärdensprache der Nea-
Gebärdensprache überformt, wird ihr Wert politaner in seinen syntak tischen Argumen-
für die Wundtschen Theorien geringer (vgl. ten. Die aber ist, wie Wundt (1901, 49) an-
Wundt 1921 I, 152 f), ebenso wenn ihre Zei- merk t, eine sek undäre Geheimsprache, deren
chen k onventionell und traditionell werden Abbreviaturen (anders als die Zeichen der
und der Benutzer k eine Rechenschaft mehr Taubstummensprache) gerade nicht spontan
über den Zusammenhang des Zeichens mit verstanden werden sollen. Die Syntax (bzw.
dem Bezeichneten geben k ann. Wundt k las- Topologie) der spontanen Gebärdensprache
sifiziert die Gebärden in hinweisende, darstel- betrachtet Wundt als eine Erscheinung, die
lende und symbolische. Die letzteren sind „auf die psychologischen Motive, denen die
Übertragungen mimetischer Gebärden in eine syntak tische Fügung der Worte folgt, einiges
andere als die ihnen angestammte Sphäre Licht wirft“ (1901, 51). Sprachtheoretisch ist
oder in die unsinnliche Abstrak tion (Wundt Wundt da am fruchtbarsten, wo er gegen sein
1921 I, 162 ff). Sie funk tionieren durch mit- System nicht die Ausdruck s-, sondern die
telbare, nicht durch unmittelbare Verweisung Mitteilungsdimension in den Vordergrund
auf die bezeichnete Vorstellung. Das Hinwei- rück t: Jenseits eines geteilten k ulturellen Er-
sen auf anwesende Gegenstände ist für Wundt fahrungsraumes sind auch die nachbildenden
ein ursprünglich verständlicher Ak t zur Len- Gebärden nicht mehr verständlich.
422 II. Personen

4.3. Wundt und Sütterlin wirft Wundt vor, daß er in Einzelheiten nicht


auf dem neuesten Stand ist oder historisch
Ludwig Sütterlin (1865—1917) ist sicherlich ungenügend erforschte Sprachen herbeizieht,
k ein Junggrammatik er im engen Sinne des aber k einer versucht das Terrain der anderen
Wortes, sondern ein theoretisch durchaus Zunft zu besetzen. Das ist bei Anton Marty
selbständiger Kopf. Seine Wundt-Kriti
k (1847—1914) (s. Art. 33) anders. Der war k ein
schließt sich aber eng an die Pauls und Del- historisch-vergleichender Sprachforscher,
brück s an, so daß sie hier behandelt werden sondern systematischer Philosoph und der
mag. In der Syntax der Gebärdensprache ver- Schule Franz Brentanos (1838—1917) fest
stärk t Sütterlin (1902, 17) Wundts Argumen- verbunden (vgl. über ihn Raynaud 1982). Ihm
tation, indem er eine psychologische Deutung ging es ums Prinzip und nicht ums Brauch-
für die gefundenen Gesetzmäßigk eiten anbie- bare. Sein sprachphilosophisches Lebenswerk
tet: die Zeichen folgen einander nach dem verzettelt sich in polemischer und detailseliger
Maß ihres Anschauungswertes (Letztstellung Wundtk ritik , andere Polemik en, u. a. mit
des Verbäquivalents!). Wo ein anschaulich Steinthal, Christoph Sigwart (1830—1904),
stärk erer Ausdruck nach einem schwächeren Edmund Husserl (1859—1938) treten dage-
steht, liegt ein satzäquivalenter Sinnabschnitt gen zurück . Es ist umständlich geschrieben
vor. Gleichzeitig k ritisiert er an Wundt die und wenig rezipiert. Wundt hat den lästigen
unbesorgte Übertragung der satzanalytischen und ausfallenden Kritik er Marty k einer aus-
Kategorien auf die Zeichenfolgen der Gebär- führlichen Antwort gewürdigt. Er hätte dann
densprache. Was Wundt als ›innere Sprach- auch nicht bloß Einzelheiten, sondern seine
form‹ beschreibt, hat die leidige Tendenz, tragenden Prinzipien verteidigen müssen, die
nicht mehr zu sein als eine hypothetische Ver- in der Auseinandersetzung mit den Junggram-
dopplung des morphosyntak tischen Sprach- matik ern ganz unberührt geblieben waren.
baus ins ›Gedan k liche‹ (vgl. Knobloch Marty schlachtet so manche heilige Kuh: er
1984 b). Analytischen Wortbildungen unter- hält, wie die Brentano-Schule generell,
legt er ein analytisches Denk en und aus der Wundts Parallelisierung von Ausdruck spro-
Typologie morphosyntak tischer Techni
k en zeß und ausgedrück tem Inhalt für eine Ent-
macht er (wie Steinthal vor ihm) umstandslos gleisung; er vertritt die damals noch k etzeri-
eine völk erpsychologische Typologie. Dage- sche Ansicht, daß die Desk ription der sprach-
gen protestiert Sütterlin (u. a. 1902, 171 ff) lichen Formen und Funk tionen deren Ge-
vehement. Er k onzediert zwar, daß man die schichte nur insoweit einbeziehen solle, als sie
›innere Sprachform‹ nur aus der äußeren er- das Funk tionieren der Sprachmittel tangiere,
mitteln k ann, will aber Wundts parallelisti- und er k ann damit zu den Wegbereitern einer
schen Ordnungszwang durchaus nicht ak zep- synchronisch-beschreibenden Sprachwissen-
tieren. Wundt unterliegt hier einer doppelten schaft gerechnet werden; er propagiert einen
Verwechslung: einerseits identifiziert er die Bedeutungsbegriff, der zwischen dem vom
morphologische Technik mit dem von ihr ge- Sprecher ausgedrück ten psychischen Inhalt
stalteten funk tionalen Inhalt der Einzelspra- und der Wirk ung des Gesprochenen auf den
che (entgegengesetzte Technik en, eine Ak k u- Hörer schwank t; er rehabilitiert die Verstän-
sativendung und eine Stellungsregel zum Bei- digungsabsicht als ein Motiv der Sprachent-
spiel, k önnen aber durchaus äquivalente wick lung. — Gerade das letzte Motiv ist ge-
Funk tionen eingrenzen), andererseits ver- eignet, Wundts Einseitigk eit besonders k raß
wechselt er den einzelsprachlichen Inhalt mit hervortreten zu lassen. Marty argumentiert,
dem Umk reis dessen, was er außersprachlich Ausdruck und Kundgabe des eigenen Seelen-
bezeichnet. lebens dienten dem Sprecher primär dazu, das
Seelenleben des Hörers ak tiv und prak tisch
zu beeinflussen (Marty 1908, 284). Der Aus-
5. Wundt und Anton Marty druck sei durchaus k ein Selbstzweck . Damit
orientiert sich dann aber auch für Marty die
5.1.  Gegen die ak ademische Sprachwissen- Struk tur und Leistung der Sprachmittel nicht
schaft seiner Zeit hat Wundt sich im wesent- mehr primär an der Struk tur des Ausgedrück -
lichen nur rezeptiv verhalten. Ihre Grundla- ten, sondern an dem, was zur beabsichtigten
gen wollte er durchaus nicht antasten. Sie galt Hörerwirk ung erforderlich ist (auf der glei-
ihm als die Sprachwissenschaft schlechthin. chen Linie argumentiert Wegener gegen
So bleiben auch die Kontroversen mit den Wundt; vgl. Wegener 1885; 1902). Die still-
Junggrammatik ern meistens im Detail. Man schweigende Norm, nach welcher bei Wundt
das Seelenleben des Sprechers sich möglichst
31.  Wilhelm Wundt (1832—1920) 423

genau in der morpho-syntak tischen Ordnung — An Martys Ausführungen zum Begriff der
des Gesprochenen spiegelt, wird restfrei auf- inneren Sprachform läßt sich der theoretische
gelöst. Sie wirk t aus Martys Sicht geradezu Gewinn ablesen, den die deutliche Differen-
monströs. Ausgelesen werden im sprachlichen zierung von Bedeutung und Sprachform mög-
Verk ehr diejenigen Struk turmuster, die der lich macht: Was Marty zur ›inneren Sprach-
Verständigungsabsicht ök onomisch und ge- form‹ rechnet, ist die Gesamtheit derjenigen
ordnet dienen. Den romantisch beeinflußten Eigenschaften der Lexeme und Baumuster
Sprachforschern, zu denen Wundt trotz seines einer Sprache, die diese plastisch, übertragbar
physiologischen Hintergrunds in dieser Hin- und offen für neue Verwendungen halten. ‘In-
sicht zu rechnen ist, waren Verk ehr und Ver- nere Sprachform’ meint die von der Sprach-
ständigungsabsicht bestenfalls Degenera- struk tur selbst bereitgestellten Hilfen und
tionsmotive, die den ›eigentlichen‹ Sprach- Hinweise zur fallweisen Konstruk tion neuer
geist abschleifen und verstümmeln. — Wäh- Bedeutungen. Die ›innere Form‹ bildet gleich-
rend also jeder Grund für eine stark e Iso- sam die Brück e zwischen der Lautgestalt und
morphie zwischen sprachlicher Repräsenta- dem jeweils Gemeinten, sie ist ein rein sprach-
tion und repräsentiertem Inhalt für Marty liches Phänomen, während das Gemeinte
entfällt, gerät dieser unversehens in die um- bzw. die Bedeutung für Marty eben universell
gek ehrte Kalamität: die Struk tur des ausge- und nicht sprachlich struk turiert ist. Der Be-
drück ten Inhalts ganz unabhängig vom griff resümiert diejenigen Eigenschaften einer
sprachlichen Ausdruck beschreiben zu müs- Sprache, die es ihr gestatten, mit einem be-
sen. Denn dieser Ausdruck ist rein darstel- grenzten Symbol- und Verk nüpfungsvorrat
lungstechnisch und ohne Einfluß auf das dar- eine unbegrenzte Menge von verständlichen
gestellte Denk en. Marty gehört in dieser Darstellungen zu erzeugen. Es sind aber für
Frage zu den wenigen, die im 19. Jahrhundert Marty, anders als in der modernen Linguistik ,
offen gegen Wilhelm von Humboldt (1767— die bildlichen und die figürlich-k onstruk tiven
1835) (s. Art. 27) — bzw. gegen die k anoni- Eigenschaften der sprachlichen Ausdrück e,
sche Humboldtrezeption — auftreten, ob- die diese grenzenlose Plastizität der Sprach-
wohl seine Ansicht von der ›inneren Sprach- mittel erzeugen (vgl. wiederum Funk e 1924).
form‹ wiederum der Humboldtschen sicher Während Wundt nur in der historischen Di-
näher steht als die Wundts. Als getreuer Schü- mension eine relative Ink ongruenz von äu-
ler Brentanos, der nur unter Gewissensqualen ßerer und innerer Sprachform zuläßt (vgl.
von dessen Lehren geringfügig abweichen Wundt 1921 I, 447) — eine Ink ongruenz übri-
k onnte (vgl. die Einleitung, die Osk ar Kraus gens, die an der perfek ten Korrelation von
den Gesammelten Schriften Martys vorange- außen und innen nichts ändert —, ist ein
stellt hat; Marty 1916—20), beschreibt Marty direk ter Schluß von den äußeren auf die in-
das sprachunabhängige Seelenleben ganz so neren Formen für Marty nicht möglich.
wie sein Meister. Das heißt auch: Marty hat
für das, was Wundt in der Evidenz des mor- 5.2.  Da Wundt auf Martys sprachtheoretische
phosyntak tischen Sprachbaus verank ert, gar Kritik nicht geantwortet hat, ist man auf die
k eine Evidenz. Seine Seelenlehre ist höchst Äußerungen angewiesen, mit welchen er die
spe k ulativ und entspricht methodologisch Grundsätze der Brentano-Schule pauschal
k eineswegs den Anforderungen der Zeit. abzufertigen pflegte. Wundt k ommt von der
Warum gerade aus dieser für rück ständig, physiologischen Psychologie und hält sich an
neoscholastisch und reflexions-psychologisch das Nachweisbare. Brentanos Art, Psycholo-
geltenden Schule die Avantgarde der moder- gie zu betreiben, mußte ihm als der Inbegriff
nen Psychologie hervorgegangen ist, müssen des Überständigen erscheinen: ‘neoscholasti-
die Psychologiehistorik er k lären. Die Sprach- sche Reflexionspsychologie’ ist das Etik ett,
struk turen sind für Marty planlose und un- das Wundt für diese Schule bereithält, eine
systematische, vor allem aber: unvollständige der zahlreichen Spielarten von ›Vulgärpsycho-
Repräsentationen des ausgedrück ten Seelen- logie‹ (vgl. Wundt 1921 I, 28 f). Das Haupt-
lebens. Sie müssen in der Lage sein, so Marty, k ennzeichen der Reflexionspsychologie ist für
die Hauptk lassen und Hauptk ategorien des Wundt: die alltägliche Gewohnheit, Ergeb-
seelischen Geschehens für den Hörer zu dif- nisse des subjek tiven Nachdenk ens über die
ferenzieren, lassen aber darüber hinaus viel seelischen Dinge in diese selbst hineinzutra-
Raum für Zufälliges und für Details, denen gen, zu unterstellen, das Ergebnis der nach-
in der Struk tur des Innenlebens nichts ent- träglichen Reflexion sei die Ursache der psy-
spricht (vgl. Funk e 1924; Knobloch 1984 b). chischen Erscheinung. Das trifft durchaus
424 II. Personen

einen wunden Punk t der Brentano-Schule weils nächsten Ziel des Sprechens: der Ver-
und der (im weiten Sinne) phänomenologi- ständigung, und den plan- und absichtslosen
schen Beschreibung des Bewußtseins, die man Folgen, die sich für den Sprachbau daraus
dort pflegte. Hier ist jedoch allein von Inter- ergeben, daß alle immer ihr Verständigungs-
esse, daß Wundt mit dem Reflexionspsycho- ziel im Auge haben. Der morphosyntak tische
logie-Vorwurf in der Sprachtheorie j ede funk- Außenbau der Sprachen erscheint dann nicht
tionale Sprachbeschreibung block iert und zu mehr als möglichst lück enloser Abdruck eines
einer teleologischen erk lärt hat. Dafür ein Bei- k orrelativen Innen, vielmehr gilt er als Re-
spiel: Wundt (1921 I, 299) k ritisiert an den sultante ganz unterschiedlicher Kräfte, die
Kindersprachforschern seiner Zeit (nament- erst einmal entmischt und sortiert werden
lich an Wilhelm Thierry Preyer, Wilhelm müssen: Zufall, Tradition, Ausdruck sök ono-
Ament und Hippolyte Taine), daß sie die Ord- mie, Abdruck der seelischen Grundphäno-
nungen, welche sie nachträglich in den ver- mene. Auch erlaubt der äußere Sprachbau
schiedenen Verwendungen eines Kinderwor- k einerlei Rück schlüsse mehr auf die geistige
tes herstellen, als quasi-logische und begriff- Organisation der Völk er oder Individuen.
liche Operationen in das Kind selbst verlegen: Wenn am Denk en nicht alles ausgedrück t
„Wenn wir nachträglich die verschiedenen Bedeu- werden muß, dann findet man in den Spra-
tungen, die das Kind einem und demselben Wort chen auch k eine sicheren Hinweise auf die
im Verlauf der Zeit gibt, auf ihr logisches Verhältnis Eigentümlichk eiten des Denk ens, das in ihnen
prüfen, so ergeben sich natürlich Verallgemeinerun- zum Ausdruck k ommt und das für den psy-
gen, Verengerungen [sic] und sonstige Umwandlun- chologischen Universalgrammati
k er Marty
gen der Begriffe. Diese Begriffsoperationen verlegt ohnehin einheitlich und nichtsprachlich ist.
man nun in das Kind selber. Man nimmt an, dieses Während Wundt (1922 II, 440 ff) schon die
ändere den Sinn eines Wortes nach seinen Bedürf- Wertungsfreude stark drosselt, die sich noch
nissen und womöglich infolge einer Überlegung. bei Steinthal mit der ›inneren Sprachform‹
Aber nicht nur erk lären sich alle jene Erfolge voll- verbindet (mit Geringschätzung für die ver-
k ommen zureichend aus naheliegenden Assozia- meintlich ›formlosen‹ Sprachen und Lobes-
tionswirk ungen, sondern sie sind auch gelegentlich hymnen für Griechisch und Sansk rit ob deren
von Erscheinungen begleitet, die direk t auf be- perfek ter Form; vgl. Steinthal 1860), wischt
stimmte Wahrnehmungsassoziationen hinweisen, Marty den ganzen Vorsatz beiseite, man
während sie jeder Art logischer Reflexion wider- k önne die Eigentümlichk eiten des Denk ens
sprechen“ (Wundt 1921 I, 299). einer Nation aus der Sprachform ableiten.
Die Kritik an der ›Logisierung‹ und Intel- Man vergleiche hierzu Otto Broens (1913,
lek tualisierung des frühk indlichen Bedeu- 49 ff), der Wundt gegen Marty in Schutz
tungserwerbs ist sicher gerechtfertigt. Aber nimmt, indem er, Wundts proteusartig wen-
allenthalben unterstellt Wundt denjenigen, die dige Formulierungs k unst nutzend, immer
erlebnisunabhängige Funktionen psychischer auch eine Stelle findet, die der von Marty
Prozesse beschreiben, den gleichen reflexions- gegebenen Deutung widerspricht. Auch die
psychologischen Fehlschluß. Denn was nicht k rude Abfertigung, die Broens (1913, 61) für
auf validierbare innere oder äußere Erfah- Martys Bestehen auf einer Funk tionsbe-
rungsentsprechungen gebracht werden k ann, schreibung der Sprachmittel und auf der
das ist für die Wundtsche Psychologie nicht Trennung von ‘desk riptiv’ und ‘genetisch’ be-
in der Welt. Funk tionen haben k einen Platz reithält, gibt einen Eindruck davon, wie wenig
in der psychischen Kausalität, wenn ihnen Marty verstanden wurde:
k ein Erfahrungs- oder Erlebnistatbestand „Wundt stellt eine psychologische Frage, bei der
entspricht. Darum mußten Wundt nicht nur eine solche Trennung von descriptiv und genetisch
die seelischen Elementarphänomene der Bren- nicht anhängig ist: Welches ist der Grund, dass der
tano-Schule völlig fremd bleiben, die sich naiv Sprechende ein Sprachmittel gerade ‘so’ ge-
nach Martys Verständnis fragmentarisch und braucht? Dass das Sprachmittel überhaupt eine
unsystematisch im Sprachbau spiegeln, auch Funk tion habe, ist dabei dem naiv Sprechenden
zum funk tionalistischen Sprachdenk en Mar- garnicht bewusst. Das ist schon eine nachträgliche
tys und Wegeners findet er k einen Zugang. Reflexion [...]“ (Broens 1913, 61).
Wenn Marty den Sprachen einen ›Hang zur
Ausdruck sök onomie‹ attestiert, dann ist das
für Wundt die k lassische reflexionspsycholo- 6. Wundt und George Herbert Mead
gische Entgleisung, gibt es doch einen solchen
Hang nirgends originär in den Sprechern, Über das Werk und die theoretischen Wurzeln
sondern nur in der Reflexion post festum. Meads haben wir die gründliche Darstellung
Marty unterscheidet aber zwischen dem je- von Hans Joas (1980), der auch Meads Aus-
31.  Wilhelm Wundt (1832—1920) 425

einandersetzung mit Wundt berück sichtigt (s. stimmung auch zu einer theoretischen Neu-
Art. 52). Es ist Wundts Lehre vom Affek - bewertung der Affek te selbst. Sie erscheinen
tausdruck und von den Gebärden, von der nicht mehr als irreduzible Elementarphäno-
Mead ausgeht, zunächst unk ritisch und refe- mene, sondern als Ergebnisse der ›synk opier-
rierend, später aber dann unter Umwälzung ten‹, aufgestauten, abgebrochenen Handlung
der ganzen Wundtschen Prinzipienlehre (Joas (Joas 1980, 101 f). Indem Gesten und Gebär-
1980, 95 ff). Zunächst ist der Laut eine ak u- den für Mead nicht mehr primär ›Inneres‹
stisch-artik ulatorische Ausdruck sgebärde un- bedeuten (sei es Affek te oder Vorstellungen),
ter anderen Ausdruck sphänomenen und wie sondern ihre Funk tion bestimmt wird durch
diese auch geeignet, den ihr zugrundeliegen- die Beziehung auf ›Äußeres‹, i. e. die soziale
den Affek t gleichfalls im wahrnehmenden Handlung, werden auch Wundts ›mentalisti-
Artgenossen anzuschlagen. Wundt stattet die sche‹ Voraussetzungen aufgelöst (vgl. Peters
ausdruck srelevanten Affek te von Anbeginn 1983, 113 ff). — Für eine Einschätzung der
auch mit Vorstellungsgehalt aus, legt also den Verdienste Wundts ist es wichtig, daß Mead,
Keim zur Sprachentwick lung schon in die ele- an ihn ank nüpfend, zu einer sozial-k ommu-
mentaren Ausdruck sbewegungen. Bei Mead nik ativen Theorie des Bewußtseins k ommt,
entwick elt sich aber Wundts Übereinstim- anstatt wie Wundt die Gesellschaftslehre zu
mung der Affek te zur Komplementarität der einem Anwendungsfall der Psychologie zu
sozialen Verhaltensweisen. Auch nutzt Mead machen. Das logische Verhältnis beider Dis-
extensiv einen Nebengedank en von Charles ziplinen verk ehrt sich: Mead erk ennt, daß die
Darwin (1809—1882), der bei Wundt gleich- spezifisch menschlichen Bewußtseinsformen
falls nur am Rande ank lingt: Bestimmte Aus- von der spezifischen k ommunik ativ-symboli-
druck sgebärden seien darum bedeutsam, weil schen Vergesellschaftung der Individuen her-
sie als gehemmte oder anderweitig stehenge- rühren und nicht einfach von der Sprache als
bliebene Anfangsphasen sozialer Handlungen einer hypostasierten völ k erpsychologischen
eben diese symbolisierten; Darwin freilich sah Form. Von daher ist die Völk erpsychologie-
nicht den semiotischen Wert der rück gebil- Kontroverse zwischen Wundt und Paul bei
deten Zweck handlungen und blieb ganz im ihm (im Hegelschen Sinne) ›aufgehoben‹. Joas
Umk reis der Ausdruck slehre. Die erhobene (1980, 98) schreibt, daß es Mead darauf an-
Faust steht für Kampf und Schlag, die hin- k omme, „die Sozialwissenschaft [...] als Vor-
weisende Gebärde ist ein reduzierter Rest der aussetzung und nicht als Anwendungsgebiet
Greifbewegung, die sich des Gegenstandes be- einer Psychologie aufzuweisen“. — Grau-
mächtigen möchte, k urz: die Ausdruck ser- mann (1983/84) hat darauf aufmerk sam ge-
scheinungen gelten als Rudimente von macht, daß Mead den Wundtschen Hand-
Zweck tätigk eiten und k ommen dazu, diese lungsbegriff k onsequent sozialpsychologisch
Tätigk eiten zu bedeuten (vgl. zu diesem Kom- fortentwick elt. Für die Ausdruck sbewegun-
plex Bühler 1933 a). Mead k ommt allmählich gen k ennt Wundt drei verschiedene psycho-
dazu, nicht mehr den Ausdruck swert der Ge- physische Stufen:
sten und Gebärden (bzw. ihren Affek tgehalt) „die des automatischen, ohne jede Beteiligung des
als entscheidend zu betrachten, sondern ihren Bewußtseins auftretenden Reflexes, die der einfa-
Signalwert für die gegenseitige Verhaltensab- chen Triebbewegung, endlich die der willk ürlichen
stimmung von Artgenossen (vgl. Graumann Handlung — Formen, die sich dann noch mannig-
1983/84). Aus der Ausdruck slehre wird wie- fach miteinander verbinden, weil Willenshandlun-
der eine (sozialpsychologische) Eindruck s- gen stets zugleich von eingeübten automatischen
lehre, aber eine, die entschieden Abstand Mitbewegungen begleitet werden“ (Wundt 1921 I,
nimmt von der stillschweigenden Vorausset- 76 f).
zung Wundts, Eindruck und Ausdruck seien Es ist ganz deutlich, daß für Wundt ent-
streng k orrelativ und spiegelsymmetrisch. scheidend bleibt, was eine Bewegung gewis-
Freilich findet man auch bei Wundt (vgl. z. B. sermaßen ›von innen‹ her gesehen ist, wäh-
1921 I, 259 ff) die Tatsache anerk annt, daß rend Mead später, wenn er über Wundt hin-
der Auslösewert des Affek tausdruck s relativ ausgeht, den Status der Bewegung durch ihre
eigenständig werden k ann, aber er beeilt sich Stellung in der sozialen Handlung bzw. in der
doch hinzuzufügen, daß auch in diesem Falle Verhaltensabstimmung definiert. Auch die
der Gefühlsausdruck entscheidend bleibt. An- Handlung selbst wird dabei vom Wundtschen
ders ist die Lage bei Mead: hier führt der Willensk onzept abge k oppelt und ›soziali-
k onsequente Rück gang auf die soziale Hand- siert‹. Ganz wie Bühler (vgl. 7.) bleibt auch
lung bzw. auf die wechselseitige Verhaltensab- Mead der evolutionär-genetischen Denk weise
426 II. Personen

Wundts verpflichtet, wie von Graumann andere in der gleichen Situation befinden, und
(1983/84) herausgestellt. Auch Mead versucht möchte mit ihnen Kontak t aufnehmen. Somit er-
eine lück enlose Herleitung der höheren, sym- findet er eine Kommunik ationsmethode, irgendeine
bolisch-sprachlichen Kommunik ation aus willk ürliche Angelegenheit, vielleicht das Klopfen
den einfachen wechselseitigen Verhaltens- an der Mauer. Nach dieser Ansicht ist jeder von
steuerungen in der Interak tion geselliger uns in seiner eigenen Bewußtseinszelle eingeschlos-
Tiere. Jede Gebärde gehört in drei verschie- sen. Und da man weiß, daß es auch andere auf
dene Bezugssysteme: die Beziehung auf den diese Weise eingek apselte Menschen gibt, entwik -
Produzenten, die Beziehung auf den Rezi- k elt man Möglichk eiten zur Verständigung mit ih-
pienten und die Beziehung auf die resultie- nen./The study of the process of language or speech
rende Verhaltens k oordination (vgl. Grau- — its origins and development — is a branch of
mann 1984, 230 ff). Der Übergang zum ›signi- social psychology, because it can be understood
fik anten Symbol‹, zur spezifisch menschlichen only in terms of the social processes of behavior
Form der symbolischen Kommuni k ation, within a group of interacting organisms; because it
liegt für Mead da, wo erst die Reak tion des is one of the activities of such a group. The phi-
Rezipienten den Produzenten auf die ›Bedeu- lologist, however, has often tak en the view of the
tung‹ seines Verhaltens verweist (und damit prisoner in a cell. The prisoner k nows that others
das Symbol zum gesellschaftlichen Träger die- are in a lik e position and he wants to get in com-
ser immer k ollek tiven ›Bedeutung‹ macht). munication with them. So he sets about some me-
Diese Eigenschaft haftet nicht ausschließlich, thod of communication, some arbitrary affair, per-
aber bevorzugt an der ›Lautgebärde‹, die auch haps, such as tapping on the wall. Now, each of
äußerlich dem Produzenten und dem Rezi- us, on this view, is shut up in his own cell of
pienten prinzipiell in der gleichen Weise (ak u- consciousness, and k nowing that there are other
stisch nämlich) gegeben ist. Die Lautgebärde people so shut up, develops ways to set up com-
hat es daher leicht, auf den Produzenten ge- munication with them“ (Mead 1968, 44 f).
nauso zu wirk en wie auf den Rezipienten, Aus Meads Perspek tive ist es der Haupt-
während man z. B. davon ausgehen k ann, fehler Wundts, daß er von Anfang an die
daß das Zähnefletschen — oder auch das bewußtseinspsychologischen Voraussetzun-
Bellen — eines Hundes im rezipierenden Art- gen bei den Individuen macht, anstatt zu un-
genossen nicht die gleiche Reak tion auslöst tersuchen, wie der gesellschaftliche Verk ehr
wie im produzierenden. Solche Ausdruck ser- mit seinen besonderen Formen der symboli-
scheinungen haben daher auch zur resultie- schen Kommunik ation das Bewußtsein erst
renden sozialen Handlung bzw. Verhaltens- hervorbringt.
k oordination ein anderes Verhältnis: sie k ön-
nen sie zwar steuern, aber nicht ›bedeuten‹ (s.
Art. 116). — Es ist aufschlußreich, daß Mead 7. Wundt und Karl Bühler
mit seiner sozialpsychologischen Sprachtheo- Als Bühlers psychologische Laufbahn k urz
rie am anderen Ende des Wundtschen Systems nach der Jahrhundertwende begann, war
ansetzt als Paul, Delbrück oder Marty es tun: Wundt die beherrschende Figur der ak ade-
am elementaren Ausdruc k sgeschehen und mischen Psychologie. Von den denk psycho-
nicht bei der Satzbildung und den im engeren logischen Versuchen des jungen Schülers von
Sinne sprachwissenschaftlichen Fragen. Für Oswald Külpe (1862—1915) bis zur Aus-
eine k onsequent handlungsorientierte Sprach- druckstheorie von 1933 hat Bühler immer wie-
auffassung gibt Wundt nichts mehr her, so- der an der Auseinandersetzung mit Wundt die
bald die psychologisierende Gebildelehre die eigenen Gedank en erprobt (vgl. Ungeheuer
Darstellung bestimmt. Diese letztere bleibt 1984; Graumann 1983/84; Knobloch 1984a)
nämlich streng bezogen auf die Bewußtseins- (s. Art. 38). Namentlich in der Axiomatisie-
psychologie mit ihren monologischen Voraus- rung der Sprachtheorie dürften Programm
setzungen. Mead läßt k einen Zweifel daran, und Fazit dieser Auseinandersetzung in fol-
daß er diese Voraussetzungen nicht mehr teilt: gendem Satz zum Ausdruck k ommen: „An
„Die Untersuchung des Sprachprozesses — seiner gescheiterten großen Systemversuchen nach-
Ursprünge und Entwick lung — ist ein Gebiet der zuweisen, woran sie letzten Endes gescheitert
Sozialpsychologie, weil er nur im Hinblick auf die sind, ist aufschlußreich; und gerade an
gesellschaftlichen Verhaltensprozesse innerhalb Wundts Versuch ist sehr viel zu lernen“ (Büh-
einer Gruppe sich gegenseitig beeinflussender Or- ler 1933 a, 11). Was die gesellschaftliche und
ganismen verstanden werden k ann; weil er eine der semiotische Fundierung der Sprachtheorie
Ak tivitäten einer solchen Gruppe ist. Der Philologe angeht, ist Bühlers Transformation des
bedient sich jedoch oft der Perspek tive des Gefan- Wundtschen Systems (obwohl sie ganz anders
genen in einer Zelle. Der Gefangene weiß, daß sich
31.  Wilhelm Wundt (1832—1920) 427

ansetzt) mit der Meadschen durchaus ver- druck srelation. Das richtet sich gegen Heinz
gleichbar. Sie geht jedoch darin entschieden Werners (1890—1964) Sprachphysiognomik ,
weiter, daß sie die Gebildeprobleme des welche die Ausdruck squalitäten der Worte an
Sprachbaus im Rahmen der Überlegungen ihrer Nennfunk tion festmacht (also an ihrer
zur Darstellungsfun
k tion neu behandelt Darstellungsleistung) und gegen die ubiqui-
(Bühler 1934), Probleme, die Mead einfach täre Deutung aller Lebensäußerungen als
liegenläßt. Auch Bühler sucht den Quellpunk t ›Ausdruck ‹ bei Wundt. Im Ausdruck smonis-
der sprachlichen Semantik nicht in der mo- mus liegt nämlich der tiefere Grund dafür,
nologischen Beziehung des Ausgedrück ten daß Wundts Beitrag zur Semantik der natür-
zum Ausdruck , sondern in der Organisation lichen Sprachen so eigentümlich arm bleibt.
des Gemeinschaftslebens (Bühler 1927, 38 ff). Peters (1983, 62) spricht gar von einer „quasi-
Wie weit sich der Bühler der 20er und 30er semantische(n) Relation von Inhalt des Be-
Jahre von den bewußtseinspsychologischen wußtseins und Darstellung dieses Bewußt-
Voraussetzungen Wundts entfernt hat, wird seins in äußeren Zeichen“ und meint die glei-
deutlich an den Einwänden, die er gegen die che Sache. Die ausschließliche Beziehung der
Wundtsche Fassung des Ausdruck sprinzips Sprachzeichen auf Inhalte des Bewußtseins als
formuliert: Welchen Sinn hätte die Annahme, ihre (vermeintlich homologen und homomor-
das introspek tiv faßbare Erleben des einen phen) Korrelate schneidet die Frage nach der
werde dem anderen faßbar im Spiegel seiner Vielfalt semantischer Leistungen, nach den
k örperlichen Begleiterscheinungen, eben des Relationsfundamenten dieser Leistungen,
Ausdruck s (Bühler 1933 a, 134)? Nach der nach der Verank erung von ›Bedeutung‹ im
Funktion dieses durchgehenden Zusammen- gesellschaftlichen Prozeß von vornherein ab.
hangs habe Wundt nicht gefragt (Bühler 1927, — Von dieser Warte analysiert Bühler die
33; 41 ff). Nur das aber sei am Ausdruck Grundlagen des Wundtschen Systems und
eigenständig entwick lungsfähig, was gleich- k ommt zu dem Ergebnis, daß es nicht auf
zeitig geeignet und berufen sei, als Zeichen einer einheitlichen Axiomatik beruht. Das er-
für das Verhalten anderer Gesellschaftsglieder ste Kapitel in Wundts Werk (Die Ausdrucks-
zu fungieren, deren Verhalten zu steuern. bewegungen), so Bühler (1933 a), sei ganz und
Diese letztere Funk tion sei aber an sich lo- gar naturwissenschaftlich, solipsistisch und
gisch unabhängig davon, ob in der Gebärde individualistisch aufgebaut, das zweite hin-
ein Zumutesein des Individuums zum Aus- gegen (Die Gebärdensprache) sei sachgemäß
druck k omme oder nicht. Anders gesagt: das fundiert auf den Prinzipien der Sprachwissen-
soziale Steuerzeichen für das Verhalten an- schaft; hier allein gehe es um den sozialen
derer genießt logisch und genetisch Priorität Verk ehr, um die Verständigung mithilfe von
gegenüber dem Erlebnisausdruck . Erst wo der Sprachzeichen (Bühler 1933 a, 130 f). Und, so
Erlebnisausdruck selbst zu einer sozial rele- lautet Bühlers äußerst k ritische Konsequenz,
vanten Größe wird, da ist „die Stelle der das sachgemäß angelegte zweite Kapitel sei in
Theorie, wo der Wundtsche Grundgedank e in Wundts Prinzipienlehre nirgends zu fundie-
modifizierter Form einzufügen ist“ (Bühler ren, in ihm scheine etwas durch, was Wundt
1927, 41). Bühler hat sich auch darüber ge- gar nicht beabsichtigt habe: eine ›Ak tions-
äußert, wie diese Modifik ation aussehen theorie des Ausdruck s‹ (Bühler 1933 a, 131).
k önnte. In der eigenständig publizierten Axio- In der Tat hatte Mead just dies schon Anfang
matik der Sprachwissenschaften (Bühler des Jahrhunderts aus den Wundtschen An-
1933 b, 82 ff) berichtet er von der ausdruck s- deutungen gemacht, was Bühler indessen of-
psychologischen Forschung am Wiener Insti- fenbar nicht bek annt war. Sinn hat Bühler
tut und von den Schlußfolgerungen, die er für auch für die wissenschaftssoziologische Di-
die Sprachtheorie daraus gezogen sehen mension des Wundtschen Systementwurfs:
wollte: Die Ausdruck sphänomene sind semio- das quasi-naturwissenschaftliche, zur physio-
logisch unabhängig von der Darstellungs- logischen Psychologie gehörige Kapitel über
funk tion, und sie k önnen sich all dessen im die Ausdruck sbewegungen erlaubt es Wundt,
Sprechen bedienen, was darstellungstechnisch die experimentellen Arbeiten seines Leipziger
nicht genutzt wird (Prinzip der abstrak tiven Instituts auch als Fundament der Sprach-
Relevanz). „Die Darstellung operiert mit Ord- theorie zu nehmen (Bühler 1933 a, 10).
nungszeichen, während der Ausdruck zu den Wundts System erzeugt eine Kontinuität zwi-
Anzeichen gehört“ (Bühler 1933 b, 83); und schen den elementaren Begleiterscheinungen
schließlich plädiert Bühler für ›Innerlichk eit‹ physiologischer Prozesse und der Menschen-
als zweites Relationsfundament der Aus- sprache, eine Kontinuität, die wissenschafts-
428 II. Personen

politisch wirk sam, aber in der Sache nicht zu der verk nüpften Begriffe heraus von selbst
halten ist. Auch Bühler verzichtet freilich verstehen (›Kasus der inneren Determina-
nicht auf ein ›Tieferlegen‹ der sprachtheore- tion‹), und solchen, bei denen das nicht der
tischen Fundamente. Er baut jedoch nicht Fall ist, also ein synsemantischer ›Beziehungs-
mehr auf erlebnis- und bewußtseinspsycho- begriff‹ präzisierend eintreten muß (Wundt
logischem Grund, sondern auf ein semioti- 1922 II, 60—135). Die letzteren werden ver-
sches Zweiersystem von Zeichengeber und mittelt durch ›Kasus der äußeren Determi-
Zeichenempfänger und auf die Steuerung ge- nation‹. Implizit ist hier der Parallelismus ver-
meinschaftlicher Angelegenheiten durch ›se- lassen und die darstellungstechnische Natur
mantische Einrichtungen‹ schon im Tierreich. der grammatischen Stru k turen aner k annt.
Nicht näher einzugehen brauche ich hier Bühler hat für seine Symbolfeld-Theorie viel
auf die denk psychologische Kontroverse zwi- von diesem Kapitel der Wundtschen Sprach-
schen Wundt und dem jungen Bühler. Sie ist psychologie profitiert. Die morphologisch ba-
zwar sprachtheoretisch bedeutsam, aber be- sierten Kasustheorien seiner junggrammati-
reits hinreichend oft dargestellt (vgl. Kno- schen Zeitgenossen übertrifft Wundt bei wei-
bloch 1984a, 247—271; 1988, 493—513; Un- tem: seine Überlegungen zielen auf einen all-
geheuer 1984); man vergleiche auch die Lite- gemeinen k asustheoretischen Rahmen, der es
ratur zur Geschichte der Denk psychologie, erlaubt, die einzelsprachlichen Spielräume für
z. B. bei Klaus Holzk amp (*1927) (1980), der die morphosyntak tische Ausgestaltung der
jedoch Wundts Völk erpsychologie mißver- k asuellen Sphäre vorherzusagen. Wundts Ka-
ständlich darstellt und sie mit Möglichk eiten suslehre ist, ähnlich wie sein Beitrag über die
k reditiert, die sie so nicht hat. Die Geschicht- Gebärdensprache, auch heute noch mit viel
lichk eit und Gesellschaftlichk eit individuellen Gewinn zu lesen. Das hängt ohne Zweifel
Denk ens — darum geht es Holzk amp — wird damit zusammen, daß es in beiden Fällen
aus Wundts Perspek tive gerade nicht faßbar. Verständlichk eitsprobleme sind, die ihn be-
Bleibt nachzutragen, daß eine wesentliche wegen und ihn aus seiner monologischen Aus-
Leistung der Würzburger Denk psychologen drucksoptik herausführen.
über Wundt hinaus darin bestand, den sprach-
lichen Denkvorgang und den sprachlichen For-
mulierungsvorgang stärk er auseinanderzuzie- 8. Wundt und Ernst Cassirer
hen. Denn beide bilden ja eine vollständige
Einheit in der Wundtschen Analyse und Re- Die Beziehung zwischen Ernst Cassirers
synthese einer ›Gesamtvorstellung‹, und beide (1874—1945) (s. Art. 37) Philosophie der sym-
folgen, hat man einmal den kommunikativen bolischen Formen (1923—1929) und Wundts
Sinn der sprachlichen Darstellungsmittel an- Völkerpsychologie ist gleichzeitig eng und
erk annt, durchaus eigenständigen Logik en. weit. Auf der einen Seite spiegelt bereits der
Zu nennen sind hier (außer Bühler 1907/8) Aufbau des großen Cassirerschen Werk s die
vor allem die Arbeiten von Otto Selz (1881— Orientierung am Programm von Wundts Völ-
1943) (1913; 1922), dessen subtile Analyse k erpsychologie, auf der anderen Seite wird
verschiedener Formulierungstechni k en auch der sprachtheoretische Psychologismus schon
der von Wundt für die einzig seligmachende im Vorwort grundsätzlich abgelehnt. Auf der
gehaltenen einen Platz anweist (vgl. über Selz einen Seite spiegeln die vier großen Kapitel
die Dissertation von Seebohm 1970). Beide, des ersten, der Sprache gewidmeten Bandes
Bühler und Selz, setzen damit eine Linie der deutlich die Ausdruc k saxiomati
k Wundts
Wundt-Kritik fort, die schon bei Marty be- (Die Sprache in der Phase des sinnlichen Aus-
ginnt: die Linie der zunehmenden Distanzie- drucks, Die Sprache in der Phase des anschau-
rung von sprachlichem Ausdruck (als Prozeß) lichen Ausdrucks, Die Sprache als Ausdruck
und ausgedrück tem Inhalt. — Ausführlich des begrifflichen Denkens. Die Sprache als
setzt sich Bühler noch einmal in der Sprach- Ausdruck der logischen Beziehungsformen),
theorie (Bühler 1934, 236 ff) mit Wundts Ka- auf der anderen Seite verweist schon der Titel
suslehre auseinander (vgl. Ungeheuer 1984, der Philosophie der symbolischen Formen auf
38—45; Knobloch 1988, 370—379). Wundt den bei Wundt gerade fehlenden systemati-
macht den interessanten Versuch einer allge- schen sematologischen Fundierungsversuch
meinen Kasuslehre von seiner im ersten Band (zur Einführung in Cassirers Sprachauffas-
der Logik entwick elten Theorie der Begriffs- sung vergleiche man Arens 1969, 524—531;
beziehungen her. Er unterscheidet zwischen Langer 1965; Göller 1986). Nur wo die Spra-
Begriffsbeziehungen, die sich aus der Natur che ihn gebieterisch drängt, unternimmt
Wundt sematologische Anstrengungen, neben
31.  Wilhelm Wundt (1832—1920) 429

den genannten Beispielen (Gebärdensprache, stellung aus einem jeweils bestimmten Gedan-
Kasuslehre) interessanterweise besonders in k en. Es k ann bei jeder Verwendung eine an-
der Logik. Cassirer ak zeptiert aber offenbar dere Vorstellungsreihe auslösen (vgl. Wundt
eine Psychologie des Wundtschen Typs als 1893 I, 43). Wundts Psychologismus scheint
empirische Basis seiner eigenen Symbolphi- mir vielmehr im Kern darin zu bestehen, daß
losophie. Während die historisch-vergleichen- ihm die ›innere‹ Erfahrung evident, unmittel-
den Sprachwissenschaftler die allgemeine bar und gewiß, die ›äußere‹ hingegen indirek t,
Evolution der Wort- und Lautformen unter- vermittelt und ungewiß vor k ommt. Bei
suchen, ruht Cassirers Interesse auf der all- Wundt überwiegt (mit einigen Einschränk un-
gemeinen Evolution der symbolischen For- gen) die Richtung ‘von innen nach außen’:
men der Sprache(n). Von der ausdruck sseiti- Wenn sich das Denk en nach außen zur Mit-
gen Materialisierung verlagert sich die Auf- teilung wendet, dann nimmt es mit der
merk samk eit auf die innere Formung unserer sprachlichen Form auch ein allgemeines Gel-
Auffassung durch die sprachlichen Technik en. tungspostulat an (vgl. Wundt 1893 I, 98). Das
Das verbindet den Völk erpsychologen und Denk en wird objek tiv in der sprachlichen
den neuk antianischen Philosophen. Das Ne- Mitteilung, es erhält in der Mitteilung eine
beneinander von sinnlichen, anschaulich Form, die Geltung beansprucht. Bei Cassirer
raum-zeitlichen (deik tischen) und abstrak t hat das Vorstellen und Denk en von vornher-
begrifflichen Orientierungen in den symboli- ein eine sprachliche Form und daher auch
schen Technik en der natürlichen Sprachen von vornherein eine gesellschaftlich gültige
verwandelt er in ein logisches Nacheinander, Organisation. Die Differenz ist freilich relativ,
in eine Entwick lungsreihe hin zum höheren, und ein ‘entweder — oder’ gibt es hier nicht.
wie es Heyse und Steinthal hegelianisch und Was Cassirer über die Aphasien als allge-
wie es Wundt ausdruck spsychologisch und meine Störungen des Vorstellungsvermögens
evolutionistisch vorgemacht hatten. Was schreibt (vgl. Peters 1983), läßt sich vom heu-
überhaupt ›vorgestellt‹ werden k ann, bedarf tigen Wissensstand k eineswegs halten. Nicht
für den Kantianer einer symbolischen Form, alle Erfahrungsorganisation zerfällt um-
unter der es vorgestellt wird, und die natür- standslos mit dem Verlust des Sprachvermö-
lichen Sprachen sind die symbolischen For- gens. — Vorgedacht findet Cassirer die betont
men des Vorstellens par excellence. In diesem ak tive und organisierende Rolle der Sprache
Sinne zieht auch Cassirer eine Art sematolo- für das gesamte Vorstellungsvermögen natür-
gisches Zwischendeck in den Wundtschen Pa- lich bei Humboldt, und in psychologisierter
rallelismus ein, einen Gedank en, den Peters Form bei Steinthal. Auch der erk lärt den psy-
(1983) ausführlich von den unterschiedlichen chologischen Begriff ‘Vorstellung’ als eine ak -
Begriffslehren Wundts und Cassirers her er- tive Zusammenfassung von Merk malen der
läutert. — Trotz Wundts vehementer Kritik sinnlichen Erfahrung durch das einzelsprach-
am ›Psychologismus‹ — dafür gelten ihm vor liche Wort (vgl. Steinthal 1871). Sprachphi-
allem die Lehren von Ernst Mach (1838 losophisch bedeutsamer scheint mir jedoch,
—1916) und Hermann Helmholtz (1821—1894), wie Cassirer Wundts problematischen Paral-
die das Denk en auf letzte einfache Empfin- lelismus von Innen und Außen, von Ausdruck
dungselemente zurück führen — gerät er selbst und Ausgedrück tem in der Sprache weiter-
gegenüber Cassirer in die Rolle des ›Psycho- denk t. In den sprachlichen Ausdruck sbewe-
logisten‹, weil ihm die ausgedrück te Innenwelt gungen, so Cassirer (1953 I, 125), sind Außen
primär, der sprachliche Ausdruck sek undär und Innen, physische Bewegung und seeli-
ist. Für den Kantianer hingegen k onstituiert sches Erleben, so sehr eins und indifferent,
erst die Sprache eine innere Erfahrung als daß man k eine Seite ohne die andere betrach-
geordnete, verfügbare und in sich zusammen- ten k ann. Jede Seite wird, was sie ist, erst
hängende. Wundts Psychologismus besteht durch die andere. Im weiteren Fortgang, der
daher (so Peters 1983, 43) in der Umdeutung streck enweise erstaunlich eng an Wundts
sprachlich-logischer Regeln in substantiell psy- Sprache entlang führt, hebt Cassirer die sym-
chologische Prozesse. Das muß man freilich bolisch-darstellenden Gebärden gegenüber
einschränk en, denn Wundt hat jede Substan- den nachahmenden Wundts stärk er hervor.
tialisierung des Psychischen immer abgelehnt. Als strik ter Gegner jeder Abbildungstheorie
Kein einzelner Erfahrungs-, Vorstellungs-, Be- betont er die ›Vorgestaltung‹ unserer Erfah-
griffsak t schöpft nach seiner Ansicht ein Wort rungswirk lichk eit durch die Sprachsymbole
aus, das Wort organisiert vielmehr immer eine und nicht so sehr die ›Nachgestaltung‹. Über
ak tuelle und einmalige Synthese als Teilvor-
430 II. Personen

Cassirer reicht Wundts Einfluß indirek t bis dank en zeitgemäßer ersetzt: Sprache im all-
zur Sprachinhaltsforschung Leo Weisgerbers gemeinen ist die spezifisch menschliche Evo-
(1899—1985) (s. Art. 58). lutionsstufe der Ausdruck sbewegungen und
die Einzelsprachen sind nach äußerer Form
und Organisation ein getreuer Spiegel des
9. Schluß Denk - und Vorstellungsverlaufs, der im Spre-
Der Sprachphilosoph Wundt ist nicht weniger chen zum Ausdruck k ommt. An dieser Stelle
schwer zu fassen als der allgemeine Philosoph integriert Wundt das reiche Material, das die
und Psychologe. William James (1842 historisch-vergleichende Sprachforschung zu-
—1910), der freilich mehr bei Wundt geborgt sammengetragen hatte und auch die immer
hat als er zugibt, schreibt 1887 über ihn in zahlreicher werdenden Studien über außereu-
einem Brief an Carl Stumpf (1848—1936): ropäische Sprachen. Von Beck er und seiner
„He aims at being a sort of Napoleon of the intel-
näheren Umgebung borgt Wundt die Satz-
lectual world. Unfortunately he will never have a
lehre samt ihrer engen Beziehung zur psycho-
Waterloo. [...] Cut him up lik e a worm, and each
logistischen Logik . So scheinen fast alle Fä-
fragment crawls; there is no noed vital in his mental
den des Jahrhunderts bei ihm zusammenzu-
medulla oblongata, so that you can’t k ill him all
laufen. Aber auch in ihren Versäumnissen ist
at once“ (Richards 1980, 42).
Wundts Sprachtheorie ganz ein Kind des 19.
Die fast unglaubliche Vielfalt der von Jahrhunderts. Sie ist antisemiotisch und ach-
Wundt besetzten Themen und Positionen ve- tet die pragmatischen Zweck e sprachlicher
xiert damals wie heute. Wundt ist physiolo- Kommuni k ation gering (vgl. Ungeheuer
gischer Psychologe und Geisteswissenschaft- 1984), sie verabscheut den Funk tionalismus
ler, er ist naturwissenschaftlicher Materialist und betrachtet das Bewußtsein als einen in
und idealistischer Systemdenk er und gleich- sich geschlossenen Zusammenhang von Er-
zeitig scharfer Kritik er des philosophischen lebnissen, der sprachlich ›zum Ausdruck
Idealismus. Seine Publik ationsthemen reichen k ommt‹. Die durchgehende Bindung dieses
vom Kochsalzgehalt des Harns über Nerven- Erlebniszusammenhangs an sichtbare und
physiologie, Sinneswahrnehmung, Metho- ›symptomatische‹ Körperbewegungen ist ein
denlehre, Logik , Ethik bis zu Kunst, Recht, unbewiesener und unbeweisbarer Obersatz,
Sprache und Gesellschaft. Selbstverständlich der gleichwohl in der Psychologie dem unge-
findet man in einem Werk dieses Umfangs mein fruchtbaren sensomotorischen Prinzip
Schwank ungen und Uneinheitlichk eiten, aber Bahn gebrochen hat. — Einen großen Reiz
die Axiomatik des Systems ist erstaunlich sta- hat auf die Zeitgenossen, denen ja die Aner-
bil über die Zeit. Insgesamt imponiert Wundts k ennung der Sprachforschung als ›harte‹ em-
Sprachauffassung als Synthese der Haupt- pirische Wissenschaft am Herzen lag, der
strömungen des 19. Jahrhunderts. Mit der Umstand ausgeübt, daß mit dem Wundtschen
Ansicht, am Anfang der Sprachen stehe der System die eigene Arbeit fundiert schien in
Ausdruck der Gemütsbewegungen und nicht der physiologischen und höheren Psychologie
etwa die Koordination des Verhaltens oder der Zeit. Wundt hat die zeittypische Synthese
andere Zweck verhältnisse, wurzelt Wundts aus Natur- und Geisteswissenschaft verk ör-
System noch tief in der Romantik (s. Art. 13). pert wie kein zweiter.
Von Steinthal, dem k ritischen Verehrer und
Fortführer Humboldts, übernimmt Wundt 10. Literatur in Auswahl
den ›systematischen Ort‹ der Sprache im Auf-
bau der Bewußtseinserscheinungen: als Hö-
hepunk t und Abschluß der Individualpsycho- 10.1. Primärliteratur
logie und als Auftak t zur Völk erpsychologie. Wundt 1863, Vorlesungen über die Menschen- und
Steinthals Psychologie, meist, und auch von Thierseele.
ihm selbst, als ‘herbartianisch’ apostrophiert, Wundt 1883, Über psychologische Methoden, in
ist ein Gemisch aus sensualistischen, hegelia- Philosophische Studien 1.
nischen und herbartianischen Elementen. Wundt 1885, Essays.
Wundt ersetzt sie durch sein eigenes System.
Der spek ulative Entwick lungsgedank e Stein- Wundt 21893, Logik, Bd. 1 (Erkenntnislehre).
thals — die empirischen Sprachen erscheinen, Wundt 1901, Sprachgeschichte und Sprachpsycho-
wie auch bei Heyse, als Entwick lungsstufen logie, mit Rücksicht auf B. Delbrücks Grundfragen
der allgemeinen ›Sprachidee‹ — wird durch der Sprachforschung.
den modernen Darwinschen Evolutionsge- Wundt 1911, Probleme der Völkerpsychologie.
32.  Charles Sanders Peirce (1839—1914) 431

Wundt 1920, Erlebtes und Erkanntes. Sozialität und Sprachlichk eit menschlichen Han-
Wundt 1921/22, Völkerpsychologie, Bd. 1 (I, II: Die delns, in Karl Bühlers Axiomatik, Graumann/Herr-
Sprache). [1900] mann (Hg.).
Wundt 1873/74, Grundzüge der physiologischen Psy- Knobloch 1984a, Sprachpsychologie. Ein Beitrag
chologie. zur Problemgeschichte und Theoriebildung.
Wundt 151922, Grundriß der Psychologie. [1896] Knobloch 1988, Geschichte der psychologischen
Wundt, E. 1927, Wilhelm Wundts Werk. Ein Ver- Sprachauffassung in Deutschland von 1850 bis 1920.
zeichnis seiner sämtlichen Schriften. Meischner/Metge (Hg.) 1980, Wilhelm Wundt —
Delbrück 1901, Grundfragen der Sprachforschung, Progressives Erbe. Wissenschaftsentwicklung und
mit Rücksicht auf W. Wundts Sprachpsychologie Gegenwart.
erörtert. Mischel 1970, Wundt and the conceptual founda-
Wegener 1991, Untersuchungen über die Grundfra- tions of psychology, in Philosophy and Phenome-
gen des Sprachlebens. [1885] nological Research 31.
Peters 1983, Cassirer, Kant und Sprache. Ernst Cas-
10.2. Sekundärliteratur sirers ‘Philosophie der symbolischen Formen’.
Ungeheuer 1984, Bühler und Wundt, in Bühler-
Arnold 1980, Wilhelm Wundt — Sein philosophi- Studien, Bd. 2, Eschbach (Hg.).
sches System. Woodward 1982, From the Science of Language to
Bringmann/Tweney (Hg.) 1980, Wundt-Studies. A ›Völkerpsychologie‹: Lotze, Steinthal, Lazarus, and
centennial collection. Wundt.
Graumann 1983/84, Wundt — Mead — Bühler. Zur
Clemens Knobloch, Siegen (Deutschland)

32. Charles Sanders Peirce (1839—1914)

1. Die Zeichentheorie von Peirce und die 1967, 85 ff, zu den Indik atoren) erweiterten,
Sprachphilosophie standen schon einige Jahrzehnte zuvor im
2. Kategorienlehre und Zeichentheorie Zentrum Peirceschen Interesses. Eine Ein-
3. Semantik schränk ung auf rein wortsprachliche oder for-
4. Ausdruckslehre malsprachliche Untersuchungen k am für
5. Pragmatik Peirce deshalb nie in Frage. So hatte Peirce
6. Pragmatizismus versus Syntaktiszismus und z. B. im Falle der indexik alischen Zeichen (für
Semantizismus eine genaue Analyse vgl. 3.2.) genau erk annt,
7. Literatur in Auswahl daß einige nichtsprachliche Zeichen (etwa
Wetterhähne) genauso verwendet werden k ön-
nen wie wortsprachliche Zeichen. Die Breite
1. Die Zeichentheorie von Peirce der Analyse verband sich hier mit seinem
und die Sprachphilosophie pragmatischen Ansatz, der die Verwendungs-
Sprachphilosophische Analysen im engeren weise von Zeichen, nicht ihre vorgängige on-
Sinne (d. h. Analysen von Wortsprache und tologische Klassifizierung in Wortgruppen,
formalen Sprachen) erscheinen bei dem ame- zum Hauptgegenstand der Untersuchung er-
rik anischen Pragmatisten Charles Sanders k lärte. Diese pragmatische Betrachtungsweise
Peirce immer eingebettet in den größeren mußte erst recht den Rahmen sprachphilo-
sophischer Untersuchungen zur Semiotik hin
Rahmen semiotischer Überlegungen. Analy- öffnen, die dann als eine die traditionelle
sen, wie diejenige von Yehoshua Bar-Hillel Sprachphilosophie umgreifende Wissenschaft
(1954, 359 ff) bezüglich indexik alischer Aus- noch angeben k ann, welche Verwendungs-
drück e, die allmählich den engeren Sprach- weise von Zeichen Gegenstand der Sprach-
begriff der analytischen Philosophie um se- philosophie im engeren Sinne ist (s. Art. 114).
miotische Fragestellungen (vgl. u. a. auch die Orientiert sich Peirce am Anfang seines
Aufsätze von Hector-Neri Castañeda, z. B. Schaffens noch sehr stark an Fragestellungen
432 II. Personen

und Lösungsversuchen der Tradition, so löst schemata, die bei der Entwick lung von Zei-
er sich zumindest im Bereich der Zeichen- chensystemen und der dabei erfolgenden
theorie in den achtziger Jahren immer stärk er Konstitution von Gegenständen auf die je-
von diesem Ausgangspunk t, um, veranlaßt weils zu unterscheidenden Ebenen aufmerk -
von auftretenden sachlichen Problemen, sein sam machen (Peirce, Ms 13,7; vgl. Ms 439,9 f;
System zeichentheoretischer Unterscheidun- vgl. Greenlee’s ›Factorial categories‹, 1973,
gen immer weiter zu differenzieren. Da allein 40 f). — So repräsentiert die Kategorie der
schon aufgrund der philologischen Aufberei- Zweitheit den Vollzugsaspek t von Handlun-
tung des Materials (von der historischen k ri- gen. Sie macht auf unser fak tisches In-Bezie-
tischen Gesamtausgabe Peirce 1982 ff sind hung-Setzen zu unserer Umwelt aufmerk sam
bisher erst vier Bände erschienen) die histo- (CP 5.45). Da dieses In-Beziehung-Setzen als
rische Entwick lung der semiotischen Überle- eine Relation zwischen zwei Objek ten be-
gungen von Peirce hier nicht nachgezeichnet schrieben werden k ann, ordnet Peirce der Ka-
werden k ann, soll im folgenden eine syste- tegorie der Zweitheit als Repräsentationsform
matische Behandlung der zentralen semioti- die dyadische Relation zu. Das Ziel des Men-
schen Unterscheidungen versucht werden, wie schen ist es aber nach Peirce, sich seines fak -
Peirce sie in den differenzierten Analysen des tischen Tuns bewußt zu werden und es durch
Spätwerk s (also nach 1900) ausgearbeitet hat. Feststellung von Gesetzmäßigk eiten rational
Als eine ›systematische‹ Auseinandersetzung zu k ontrollieren. Damit dies gelingt, ist eine
mit der Peirceschen Semiotik bemüht sich eindeutige Gliederung der Handlungsebene
diese Darstellung sowohl um die Explik ation durch symbolische Repräsentation der Hand-
des terminologischen Zusammenhangs der lungsschemata notwendig (CP 5.121). Auf
betreffenden Unterscheidungen wie um sach- diesen begrifflichen Aspek t von Handlungen
gemäße Lösungsvorschläge für Problemstel- verweist die Kategorie der Drittheit. Als Re-
lungen, die sich aus dem Peirceschen Ansatz präsentationsform entspricht ihr die triadi-
ergeben, um so diesen Ansatz als begründet sche Relation, weil bei der Beschreibung be-
zu erweisen. Die für beide Aufgaben notwen- grifflicher Beziehungen nicht nur die Relation
dige Beschreibungssprache wird dabei schritt- zwischen der begrifflich verwendeten Zeichen-
weise im Text eingeführt (s. Art. 120). — Die handlung und dem Objek t thematisiert wer-
Zeichentheorie wurde von Peirce, der immer den muß, sondern auch noch die Relation der
bemüht war, Zusammenhänge und Unter- betreffenden Zeichenhandlung zu anderen
schiede zwischen Sachgebieten durch Klassi- Zeichen des Zeichensystems. Dem Zusam-
fik ationen sichtbar zu machen, in seinem spä- menhang zwischen den Umgangsformen mit
ten Werk mit der Logik identifiziert (CP den Gegenständen und den Gegenständen,
1.186 ff) und damit den normativen Wissen- wie er auf der zweiten Stufe vollzogen und
schaften zugeordnet, zu denen er noch die der dritten Stufe artik uliert wird, geht eine
Ethik und Ästhetik rechnete. Den normativen Ebene ungegliederter Handlungsphänomene
Wissenschaften ist die Phänomenologie vor- voraus, Handlungsphänomene, die, weil sie
geordnet. Ihre zentrale Aufgabe besteht darin, für Gliederungen offen sind, die Basis für den
die Kategorien bereitzustellen, die den Zei- anschließenden Prozeß der Zeichen- und Ge-
chenbildungsprozeß steuern sollen. Aufgrund genstandsk onstitution sind (CP 6.185). Auf
dieses engen Zusammenhangs zwischen Zei- diesen Phänomenbereich macht die Kategorie
chentheorie und Kategorien wird zunächst die der Erstheit aufmerk sam. Da auf dieser Stufe
Kategorienlehre von Peirce skizziert. k eine Trennung in Sprache und Welt bezie-
hungsweise in einzelne Objek te vorliegt, also
k eine Relationen bestehen, sondern nur mög-
2. Kategorienlehre und Zeichentheorie liche Gliederungsgesichtspunk te bereitgestellt
werden, werden diese mit einstelligen Prädi-
Die Kategorien sind Metaprädik ate und ge- katen beschrieben.
hören der Reflexionsstufe an, auf der wir
unser Handeln, ink lusive Sprachhandeln, ver-
stehen wollen, indem wir den Zusammenhang 3. Semantik
zwischen unseren Repräsentationsweisen und
den repräsentierten Gegenständen, unseren Im Zentrum von Peirces Pragmatismuspro-
Zeichen und der Welt, zu k lären versuchen. gramm steht die Pragmatische Maxime, die
Als Metaprädik ate repräsentieren sie gemäß auch für die folgenden Überlegungen als Leit-
der ›Pragmatischen Maxime‹ (vgl. 3.3.) Me- linie dienen soll. Sie lautet in der frühen Fas-
tahandlungen, nämlich solche Handlungs- sung von 1878:
32.  Charles Sanders Peirce (1839—1914) 433

„Consider what effects, that might conceivably mehreren Eigenschaften übereinstimmt. Diese
have practical bearings, we conceive the object of scheinbare Präzisierung des Ik onbegriffs hat
our conception to have. Then, our conception of aber erhebliche systematische Probleme zur
these effects is the whole of our conception of the Folge. Entweder repräsentiert dann nämlich
object“ (CP 5.402). jeder Gegenstand jeden anderen ik onisch, da
Die Pragmatische Maxime bestimmt also sich immer eine Eigenschaft finden läßt, in
den Bedeutungsgehalt von Begriffen durch der zwei Gegenstände übereinstimmen, und
die möglichen Handlungszusammenhänge, sei es eine so allgemeine Eigenschaft wie ›Ge-
die der Begriff involviert (vgl. dazu genauer genstand-Dieser-Welt‹ (vgl. auch Greenlee
3.3.). Um die Relevanz und die Tragweite 1973, 73 ff). Oder man versucht, die Ähnlich-
dieser Maxime einschätzen zu k önnen, müs- k eitsrelation zu k onventionalisieren, wie dies
sen folgende Punk te berück sichtigt werden. etwa Nelson Goodman (Goodman 1976,
Erstens wird durch die Pragmatische Maxime 10 ff) vorschlägt. Die ik onische Relation z. B.
nur der ›rationale‹ Gehalt, „rational purport“ zwischen einem Bild und dem abgebildeten
(CP 5.412), von Zeichen, und zwar nur einer Gegenstand liegt dann nicht aufgrund der
bestimmten Art von Zeichen, nämlich den Übereinstimmung von Eigenschaften schlicht
symbolisch verwendeten Zeichen, festgelegt. vor, vielmehr wurde sie von dem Zeichenbe-
Und Begriffe sind nach Peirce symbolisch ver- nutzer aufgrund von Konventionen, die in
wendete Zeichen (CP 2.302). Weder wird et- einer Kultur bestehen, gelernt. Scheitert der
was über andere Bedeutungsaspek te noch die erste Vorschlag an systematischen Bedenk en,
Bedeutung anderer Verwendungsarten von so erweist sich der zweite als ungeeignet zur
Zeichen ausgesagt. Zweitens soll die Bedeu- Klärung der Peirceschen Intentionen, da nach
tung von Symbolen durch Handlungssche- Peirce die k onventionelle Zeichenverwendung
mata expliziert werden, wobei offen bleibt, gerade ein auszeichnendes Kriterium für die
wie die Gliederung in Handlungsschemata er- Symbolstufe ist. Diese systematischen Schwie-
folgt. Auf der Ebene symbolisch verwendeter rigk eiten führen auch in der Sek undärliteratur
Zeichen, für die die Pragmatische Maxime zu divergierenden Stellungnahmen, die von
entwick elt wurde, steht also auf der einen der Ausk lammerung der Probleme durch An-
Seite ein gegliederter Zeichenbereich und auf nahme einer schlicht bestehenden Ähnlich-
der anderen Seite ein Bereich gegliederter k eitsrelation (Goudge 1969, 142) bis zur An-
Handlungen zur Verfügung. — Die zentrale gleichung ik onischer Zeichen an symbolische
These, die die folgende Darstellung belegen Zeichen reichen (Greenlee 1973, 77 ff); eine
soll, lautet nun, daß Peirce durch die Ausdif- Zwischenposition zwischen diesen beiden Ex-
ferenzierung seiner zeichentheoretischen Un- tremen nimmt John Joseph Fitzgerald ein
terscheidungen in ik onische und indexik ali- (1966, 45 ff). — In den späteren Schriften
sche Verwendungsweisen von Zeichen neben finden sich bei Peirce folgerichtig Stellen, wo
der symbolischen in seinem Alterswerk die er auf die Konventionalität der Ähnlichk eits-
semiotischen Mittel zur Verfügung gestellt beziehung aufmerk sam macht und diese
hat, die den Zusammenhang zwischen einer Aspek te als nichtik onisch mark iert (CP 2.92).
ungegliederten Basis von Handlungsphäno- Und es gibt in einem Manusk ript, das etwa
menen und der von der Pragmatischen Ma- aus dem Jahre 1904 stammt, den Versuch,
xime vorausgesetzten Gliederung in symboli- völlig ohne die Ähnlichk eitsrelation bei der
sche Zeichen und gegliederte Handlungssche- Bestimmung des Ik ons auszuk ommen. Die
mata zu explizieren erlauben. entscheidenden Sätze lauten:
„It [the pure icon, B. M. S.] serves as a sign solely
3.1. Die ikonische Zeichenverwendung: and simply by exhibiting the quality it serves to
die sinnliche Gliederung der Welt signify“ und „it possesses the quality signified“
Das ik onische Zeichen bezeichnet seinen Ge- (Peirce 1976, IV, 242 f).
genstand aufgrund einer Qualität, die ihm Es fällt sofort auf, daß es sich bei dem
selbst als Gegenstand (d. h. nicht als Zeichen) ik onisch repräsentierten Gegenstand um eine
zuk ommt (CP 2.276; 2.92). An einigen Stellen Qualität, also einen allgemeinen Gegenstand,
versucht Peirce diese Beziehung zwischen Zei- handelt. Danach k ann ein Bild zum Beispiel
chen und Gegenstand noch genauer als ݀hn- nicht eine abgebildete Person, also einen in-
lichk eitsrelation‹ zu bestimmen (CP 2.247; dividuellen Gegenstand, ik onisch repräsentie-
2.255; 2.276). Danach repräsentiert das Zei- ren. Das ik onische Zeichen dagegen ist ein
chen seinen Gegenstand, weil es ihm ähnlich singulärer Gegenstand, wie Peirce am Beispiel
ist, das heißt, weil es mit ihm in einer oder des Diagramms in einem anderen Manusk ript
434 II. Personen

feststellt (Peirce Ms 293,58). An die Stelle der siert Peirce, wie auf der Reflexionsebene die
Ähnlichk eitsrelation tritt hier die Veranschau- Konstitution eines Handlungsschemas gelingt
lichung (›exhibits‹) einer Qualität durch das (CP 5.478 f). Zunächst weist er darauf hin,
ik onische Zeichen, und zwar einer Qualität, daß die Konstitution neuer Handlungssche-
die es selbst als ein sinnlicher Gegenstand (vgl. mata durch unerwartete äußere Erfahrungen,
CP 4.447) besitzt. die mit den zur Verfügung stehenden Sche-
mata nicht eingeordnet werden k önnen, in
3.1.1.  In welcher Beziehung stehen nun diese Gang gesetzt wird. Es besteht dann die Mög-
systematischen Analysen und unsere eingangs lichk eit, durch wiederholte Ak tualisierungen
gestellte Frage nach den pragmatischen ein neues Handlungsschema zu erlernen. Da-
Grundlagen der Semantik ? Zur Beantwor- bei handelt es sich um einen schlichten em-
tung dieser Frage müssen weitere Kontexte pirischen Erwerb des Schemas auf der Hand-
der Peirceschen Philosophie berück sichtigt lungs-, nicht der Reflexionsebene. Peirce
werden. — Zu den Eck pfeilern der Spätphi- spricht von einem ›inattentive habit‹. Soll der
losophie von Peirce gehört sein vor allem fak tische Handlungserwerb reflexiv gesichert
gegen René Descartes (1596—1650) gerich- werden, und darin besteht philosophische Tä-
tetes Plädoyer für eine Common-Sense-Philo- tigk eit, dann genügt nicht der bloße Vollzug
sophy. Diese Auffassung von Philosophie ver- eines Schemas, sondern das Schema muß in
dank t sich der Einsicht, daß wir unser Phi- irgendeiner Form selbst zur Verfügung ge-
losophieren nicht von einem voraussetzungs- stellt werden. Dies geht natürlich nur vermit-
losen Anfang beginnen k önnen, wie Descartes tels seiner Repräsentation, da auf der Hand-
es versuchte, sondern immer vor dem Hinter- lungsebene immer nur seine Ak tualisierungen
grund einer Lebenswelt, in der wir schon über auftreten. Die entscheidende Stelle bei Peirce
Handlungsweisen und Kenntnisse (es handelt lautet:
sich noch nicht um Wissen, da dieses immer „by practising the different parts of the movement,
auf Wahrheit und Falschheit geprüft werden while attentively observing the k ind of effort req-
k ann) verfügen, die selbst nie auf ihre Rich- uisite in each part, he will, in a few minutes, catch
tigk eit hin befragt werden, sondern nach de- the idea, and will then be able to perform the
nen schlicht gehandelt wird (CP 5.498; 5.516). movements with perfect facility“ (CP 5.479).
Philosophieren setzt dann als eine Reflexion Hier wird eine bestimmte Handlung, eine
auf diese Praxis ein, wenn Teile der Praxis, Bewegung, nicht nur ausgeführt, sondern mit
aus welchen Gründen auch immer, gestört der Ak tualisierung soll die Idee der Hand-
sind, die unbefragten Handlungskenntnisse lung, d. h. ihr Schemaaspek t, erfaßt werden.
nicht mehr ausreichen oder nicht mehr ak zep- Möglich wird dies, indem die Handlung zum
tiert werden und damit, wie Peirce es formu- Gegenstand einer anderen Handlung wird, in
liert, Zweifel entsteht (CP 5.512). Wird dieser unserem Falle einer Beobachtungshandlung.
Common-Sense-Ansatz mit dem Pragmatis- Diese letzte Art von Handlungen sollen ‘An-
musprogramm verbunden, so ergibt sich als führhandlungen’ heißen. Systematisch gesehen
das Ziel dieses Reflexionsprozesses die Re- handelt es sich bei den Anführhandlungen um
k onstruk tion von ›habits‹, im folgenden die Transformation des passiven Aspek ts
‘Handlungsschemata’ genannt. Es wird eine einer Handlungsausführung, des Erleidens
Rek onstruk tion angestrebt, die rationales einer Handlung, die sich auf der Ebene der
Handeln ermöglicht, indem sie unsere Hand- Zweitheit ereignet, in eine selbständige ak tive
lungsvollzüge, im folgenden als ‘Aktualisie- Handlung. — Spätestens jetzt wird auch der
rungen’ bezeichnet, gliedert und damit zu k on- Zusammenhang der semiotischen Analyse des
trollieren erlaubt (CP 5.517; 5.487; zur Ter- ik onischen Zeichens mit diesen pragmati-
minologie von Handlungsschema und Ak tua- schen Überlegungen verständlich. Es handelt
lisierung vgl. Lorenz 1971, 171, im Anschluß sich nämlich um eine ik onische Zeichenbezie-
an die Überlegungen von Wilhelm Kamlah) hung zwischen der Ak tualisierung der Hand-
(s. Art. 77). Die Schemata sind allgemeine lung und ihrem Schema. Aus dem geschilder-
Gegenstände (CP 5.486), die nur in Form ten Beispiel wird zudem die Funk tionsweise
ihrer Ak tualisierungen, das sind singuläre Ge- des ik onischen Zeichens noch deutlicher. Die
genstände, vorliegen, während umgek ehrt die ausgeführte Bewegung dient nämlich unter
Ak tualisierung nur als einem bestimmten der Anführperspek tive als Muster, das als ein
Schema zugehörig identifiziert werden kann. Klassifi
k ationsmittel die Gleichbehandlung
In einem Manusk ript, in dem er seinen von Handlungsak tualisierungen als demsel-
Pragmatismus darzustellen versucht, analy- ben Schema zugehörig sichern soll. Das
32.  Charles Sanders Peirce (1839—1914) 435

Muster zu verstehen, heißt das Schema fort- obachtens wird dabei ausgeführt, nicht an-
setzen bzw. weitere Ak tualisierungen als Ak - geführt; in einem nächsten Schritt, einer An-
tualisierungen desselben Schemas erk ennen führung zweiter Ordnung, k önnen jetzt auch
zu k önnen. Wie gelingt aber die ›imagination‹ diese Anführhandlungen angeführt und da-
(CP 5.479) zuk ünftiger Ak tualisierungen mit- durch rek onstruiert werden. Zu den Anführ-
tels des Musters? Auch für diese Frage ist das handlungen zählen neben Schwimmen-Beob-
Beispiel aufschlußreich: die k omplexe Hand- achten solche Handlungen wie ‘Schwimmen’-
lungsak tualisierung des Musters wird mit Sagen, Schwimmen-Zeigen, etc. — Peirces
sinnlichen Mitteln in Teile zerlegt, die auf- Beispiel für diese Anführung zweiter Ordnung
grund vergangener Erfahrungen erworben ist der Fremdsprachenunterricht (CP 8.183).
wurden. Dieser Bezug auf vergangene Hand- Wenn ein deutscher Schüler im Französisch-
lungserfahrung k ommt wiederholt auch in unterricht fragt ‘comment appelle-t-on ça?’
Peirces Beispielen für ik onische Repräsenta- und dabei auf die Sonne zeigt, so verfügt er
tion vor. So wird z. B. die Feststellung ‘Es ja bereits über Anführhandlungen mit Sonne,
regnet’ getroffen mit Hilfe des Ik ons, das als wie Sonne-Beobachten, Auf-Sonne-Zeigen,
ein Muster, „mental composite photograph“, etc., und wenn der Lehrer ihm daraufhin das
aus allen bisherigen Regenerfahrungen des Wort ‘soleil’ gleichsam ›ak ustisch vorzeich-
Sprechenden gebildet wurde (CP 2.438). Ik o- net‹, dann repräsentiert dieses Wort ik onisch
nische Zeichen sind also Klassifik ationsmittel eine Anführhandlung, die die Identifik ation
der Reflexionsebene, die unter Bezug auf ver- aller anderen Anführhandlungen mit Sonne
gangene Handlungsvollzüge gebildet werden, erlaubt. Unabhängig vom Fremdsprachenun-
um Handlungsa k tualisierungen als einem terricht k ann diese Anführung zweiter Ord-
Schema zugehörig bestimmen und damit die nung zur Einführung von Zeichen dienen, die
Handlungsebene gliedern zu k önnen. — Was die Gleichbehandlung der Anführperspek ti-
hier mit ›Muster‹ gemeint ist, entspricht Lud- ven erster Ordnung garantieren. Bei diesen
wig Wittgensteins (1889—1951) (s. Art. 39) Zeichen handelt es sich in der Regel um
Bestimmung der Sprachspiele als Vergleichs- Laute, die zunächst auch auf der ersten Stufe
objek te bzw. Maßstäbe (Wittgenstein 1953, der Anführung auftreten, dann aber diesen
§ 131). Auch die Sprachspiele Wittgensteins gesonderten Status erhalten, weil sie zugleich
dienen als Gliederungsmittel für unsere Pra- mit allen anderen Anführperspek tiven auftre-
xis. Die Überlegungen von Wittgenstein wur- ten und so deren Gleichbehandlung sinnlich
den von Kuno Lorenz (1980, 7 ff) im Dialo- repräsentieren k önnen. — Durch die Identi-
gischen Konstruk tivismus durch die Kon- fik ation der Anführhandlungen erster Ord-
struk tion von dialogischen Lehrlernsituatio- nung eines Handlungsschemas ist dieses als
nen systematisch erweitert und differenziert. eigener Gegenstand k onstituiert, der durch
Diesem Ansatz verdank t die hier vorgeschla- die Anführhandlung zweiter Ordnung, also in
gene Peirce-Rek onstruk tion wesentliche sy- der Regel einer Sprechhandlung, repräsentiert
stematische Mittel (vgl. dazu auch Scherer wird.
1984, 57 ff). Der wesentliche Unterschied zwi- Auf der Grundlage der bisherigen Analyse
schen Peirce und der Wittgenstein/Lorenz- ik onischer Zeichen k ann nun das Ähnlich-
Konzeption ist das Fehlen einer ausgearbei- keitsproblem, wie es etwa bei Bildern auf-
teten dialogischen Komponente bei Peirce, taucht, neu thematisiert werden. Ein Bild re-
obwohl er allgemein den dialogischen Cha- präsentiert zunächst nur solche Eigenschaften
rak ter von Zeichenprozessen betont (Peirce ik onisch, die es auch besitzt, also etwa be-
Ms 499,44; Ms 498,25; Ms 498,27). stimmte Farb-Form-Zusammenhänge. Wel-
che seiner Eigenschaften es ik onisch repräsen-
3.1.2.  Bisher wurden schlichte Handlungen tiert, ist dabei von der Anführperspek tive ab-
ik onisch rek onstruiert, aber auch die Rek on- hängig, auf die das Bild aber selbst verweisen
struk tion von Zeichenhandlungen ist durch muß. Die Menge der durch ein Bild ik onisch
ik onische Repräsentation möglich. Dazu un- repräsentierbaren Eigenschaften k ann vergrö-
tersuchen wir die Anführhandlungen näher. ßert werden, wenn bestimmte Darstellungs-
Eine Anführhandlung bestand darin, eine Ak - k onventionen etwa bezüglich Personendar-
tualisierung als ik onisches Zeichen für das stellung berück sichtigt werden. Dann k ann
Schema zu nehmen. Zum Beispiel wird bei ein Bild etwa die Eigenschaft ›Blonde-Frau-
Schwimmen-Beobachten die Handlung des Mit-Krone‹ ki onisch repräsentieren. Das
Schwimmens durch die Handlung des Be- Ähnlichk eitsproblem tritt auch in diesem
obachtens angeführt. Die Handlung des Be- Falle noch nicht auf, da nur eine Eigenschaft,
436 II. Personen

nicht ein individueller Gegenstand repräsen- der andere laute Schrei k önnte dafür einge-
tiert wird: „But a pure picture without a setzt werden), durch die Ak tualisierung auf
legend only says ‘something is lik e this’ “ (CP der Handlungsebene zum Zeichen, indem die
8.183). Soll das Bild dagegen als Bild eines bestehende Situationsgliederung des Hörers
individuellen Gegenstandes behandelt wer- unterbrochen und der Hörer zu einer neuen
den, also etwa als Bild der Königin Elizabeth, Situationsgliederung veranlaßt wird. Die ak u-
dann muß es wie ein Satz gelesen werden (CP stische Eigenschaft des Lautes, die es ermög-
8.183; vgl. 2.92). Der Titel des Bildes, der die licht, eine Disk ontinuität im Wahrnehmungs-
Rolle des Satzsubjek tes übernimmt, referiert feld des Hörers herzustellen, wird hier ver-
als Index auf einen Gegenstand, dem die wendet, um auf den betreffenden Gegenstand,
durch das Bild ik onisch repräsentierten Ei- die Gefahrensituation, aufmerk sam zu ma-
genschaften mittels des Satzes zugesprochen chen. Sowohl der genuine Index wie der in-
werden. Der Satz hat als ein Symbol die Funk- dizierte Gegenstand, die Gefahrensituation,
tion, den Zusammenhang zwischen indexi- gehören der Handlungsebene an und sind Sin-
k alisch referiertem Gegenstand und ik onisch gularia (›existent individuals‹, CP 2.283), sie
repräsentierten Eigenschaften zu artik ulieren. werden im Vollzug hergestellt, nicht von der
Von dem Bestehen einer Ähnlichk eitsrelation Zeichenebene her beschrieben. Deshalb werde
zwischen Bild und repräsentiertem Gegen- ich im folgenden, im Vorgriff auf eine später
stand k ann also erst auf der Symbolebene einzuführende Terminologie, von Zeichen-
gesprochen werden, die ik onisch repräsentier- und Situationstok en sprechen. Zweitens be-
ten Eigenschaften geben dabei nur die Basis steht zwischen dem genuinen Index und dem
für die Ähnlichkeit ab. indizierten Gegenstand eine ›existentielle‹ Re-
lation (CP 2.283). Die Gefahrensituation wird
3.2. Die indexikalische Zeichenverwendung: nämlich für den Interpreten des Zeichens erst
die Stufen der Referenz und die durch den genuinen Index erzeugt. Unabhän-
Konstitution individueller Gegenstände gig von diesem bestünde die betreffende Si-
tuation überhaupt nicht. Drittens ist der ge-
Mit den bisher bereitgestellten systematischen nuine Index als Gegenstand Teil des von ihm
Mitteln k önnen wir Handlungen und auch indizierten Ganzen, so daß seine Existenz die
Zeichenhandlungen einführen, nicht aber in- Existenz des Ganzen verbürgt (Peirce Ms
dividuelle Gegenstände, wie ein bestimmtes 599,10). — Nach dieser Zusammenstellung
Haus, eine bestimmte Person etc. Dazu bedarf der Bestimmungsstück e des genuinen Indexes
es indexik alisch verwendeter Zeichen (vgl. da- soll nun seine Funk tion für die Referenz und
gegen Helmut Papes Überlegungen, 1980, die Gegenstandsk onstitution weiter gek lärt
148 f, wo die individuellen Gegenstände un- werden. Zu der Ebene des genuinen Indexes
abhängig von der Indexfunk tion vorausge- zählt nämlich auch eine bestimmte Verwen-
setzt werden). Bezüglich des Eigennamens un- dungsweise der Indikatoren, wie am Beispiel
terscheidet Peirce drei Stufen indexik alischer von ‘Hier’ deutlich wird. Wird ein Mann A
Referenz (CP 2.329), denen sich seine übrigen in einem dunk len Raum gefragt: ‘Wo bist
Beispiele indexik alischer Zeichen zuordnen Du?’ und er antwortet mit ‘Hier!’, dann in-
lassen. Diese drei Stufen erlauben die Kon- diziert A den Ort, an dem er steht, mit den
stitution der individuellen Gegenstände. Ortseigenschaften, die der Index ‘Hier’ als
ak ustischer Gegenstand hat. Die Aufmerk -
3.2.1. Erste Indexstufe: Die grundlegenden samk eit des Hörers wird in die betreffende
Merk male der ersten Indexstufe, der Stufe des Richtung gelenk t. Die semantischen Aspek te
genuinen Indexes, lassen sich am besten an- von ‘Hier’ sind in diesem Fall nicht relevant,
hand von Beispielen k lären, in denen Hand- jeder andere Laut k önnte denselben Zweck
lungssituationen geschildert werden, da der erfüllen. Allein der Vollzug der Sprechhand-
genuine Index nur in solchen Situationen auf- lung, ihre Ak tualisierung, stellt den Bezug zu
tritt. Auch Peirce greift zu diesem Mittel (CP dem Gegenstand, dem Ort des Sprechers, her.
2.287): Eine Kutsche nähert sich einem Fuß- Die Semantik des k onventionalisierten Zei-
gänger mit schnellem Tempo. Der Kutscher chens ‘Hier’ wird, ausgehend von dieser prag-
lenk t mit dem Ausruf ‘Hi!’ die Aufmerk sam- matischen Basis, auf der nächsten Stufe ent-
k eit des Fußgängers auf die herannahende wick elt. — Wie schon aus den bisherigen Bei-
Gefahr. Der Ausruf ist aufgrund folgender spielen deutlich wurde, wird mit der Bezeich-
Merk male ein genuiner Index: erstens wird nungsweise ‘genuiner Index’ nicht eine be-
der ak ustische Laut, von dessen k onventio- stimmte Zeichengruppe benannt, sondern
nellen Aspek ten abgeblendet werden muß (je-
32.  Charles Sanders Peirce (1839—1914) 437

eine bestimmte Verwendungsweise von Zei- ihm eine William-McKinley-Situation herge-


chen. Es k önnen nun alle Unterscheidungen, stellt, insofern wird er als genuiner Index ver-
die auf der Ik onstufe eingeführt wurden, auf wendet. Der Freund gebraucht aber auch den
der Stufe des genuinen Indexes auftreten, wie Namen, weil er weiß, daß ich diesen Namen
man sich an folgenden Beispielen k larmachen bereits k enne. Er benutzt den Namen, um die
k ann. Ein Vater spaziert mit seiner Tochter Gleichbehandlung der durch den Namen in-
durch den Wald und erk lärt ihr die verschie- dizierten Situation mit den mir bek annten
denen Baumarten. Plötzlich ruft die Tochter: Situationen sinnlich anzuführen. Noch etwas
‘Siehe da, ein Reh!’. Hier spielt der ganze genauer: der Zusammenhang zwischen der
Ausruf die Rolle eines genuinen Indexes. Mit Ak tualisierung des Wortes ‘William Mc-
dem Ausruf wird k ein Gegenstand beschrie- Kinley’, das in der k onk reten Situation als
ben, mit ihm wird nicht ein Wahrheitsan- genuiner Index verwendet wird, und dem
spruch erhoben — dann wären nämlich Zei- Wortschema repräsentiert ik onisch die Iden-
chen- und Gegenstandsebene getrennt —, tifizierung zwischen der vorliegenden Situa-
vielmehr gehört der Ausruf selbst der Hand- tion und den vorhergehenden, in denen das
lungsebene an. Durch ihn wird eine Situation, Wortschema ak tualisiert wurde. Der Eigen-
nämlich eine Reh-Situation, hergestellt, der name wird hier, wie Peirce an anderer Stelle
der Ausruf als Teil zugehört (Teil-Ganzes- sagt, als Ikon eines Indexes verwendet (CP
Beziehung) und die unabhängig von ihm nicht 2.329). Die ik onische Verwendung der Indices
bestehen würde (›existentielle‹ Relation). Statt erlaubt, abhängig von der jeweiligen Benut-
der Wahrheitsfrage stellt sich nur die Frage zung in Situationen, die Einführung von Un-
des Gelingens der Sprachhandlung. — Waren tergliederungen der zunächst ik onisch einge-
es bei dem Ausruf ‘Hi!’ die ak ustischen Ei- führten Schemata. Lorenz nennt diese Unter-
genschaften, bei dem Indik ator ‘Hier’ die Ort- gliederungen ‘Zwischenschemata‘ (Lorenz
seigenschaften, die verwendet wurden, um die 1981, 51 f). In unserem Beispiel wird mit Hilfe
jeweiligen Gegenstände zu indizieren, so wer- des Namens ‘William McKinley’ die Gleich-
den in unserem letzten Fall die semantischen behandlung einer Mann-Situation mit be-
Eigenschaften des Zeichens ‘Reh’, die das Zei- stimmten anderen Mann-Situationen ki o-
chen auf der Ik onstufe erhalten hat, verwen- nisch repräsentiert und damit eine Unterglie-
det, um die Reh-Situation zu erzeugen. Es derung des Mann-Schemas bezogen auf Si-
wird also nicht mit ‘Reh’ auf das Reh-Schema tuationen erreicht. Wurde die Repräsenta-
verwiesen, sondern der Zusammenhang zwi- tionsweise des genuinen Indexes mit ‘Indizie-
schen dem Zeichen und dem Schema, der auf ren’ bezeichnet, so schlage ich vor, im Falle
der Ik onstufe hergestellt wurde, wird als Ei- des Ik ons eines Indexes davon zu sprechen,
genschaft des Zeichens verwendet, um eine daß er die Zugehörigk eit der von ihm indi-
Instanz des Schemas herzustellen. Auf der zierten Instanz zum betreffenden Schema an-
Ebene des genuinen Indexes sind die Instan- zeigt, die ik onische Verwendung eines Indexes
zen des Reh-Schemas noch k eine Individuen. soll deshalb auch Anzeigezeichen heißen.
Die Individuation (s. Art. 83) gelingt erst mit Auch die Indikatoren (zu Indik ator vgl. N.
Hilfe der nächsten Konstruktionsschritte. Goodmann 1977, 263 ff; Castañeda 1967,
85 ff; Lorenz 1971, 213; Art. 79) k önnen als
3.2.2. Zweite Indexstufe: Angenommen, In- Ik one von Indices verwendet werden, wie wie-
stanzen des Mann-Schemas, wie großer derum das Beispiel von ‘Hier’ verdeutlicht.
Mann, blauäugiger Mann, schwarzhaariger Wenn eine Person am Telefon zu einer ande-
Mann etc. wurden auf der ersten Ebene mit ren sagt ‘Hier ist schönes Wetter’, so k ann
‘William McKinley’ indiziert, d. h. meine ‘Hier’ offensichtlich nicht unmittelbar auf-
Aufmer k samk eit wurde in verschiedenen grund seiner ak ustischen Eigenschaften den
Handlungssituationen mit dem genuinen In- betreffenden Ort indizieren. Der Indik ator re-
dex ‘William McKinley’ auf eine Großer- präsentiert aber in diesem Falle ik onisch die
Mann-Instanz etc. gelenk t. Ich sitze jetzt in Gleichbehandlung dieser Situation mit den
einem Theater, zeige auf einen Mann und Situationen erster Stufe, in denen er aufgrund
frage meinen Freund ‘Wer ist das?’. Der seiner ak ustischen Eigenschaft benutzt wor-
Freund antwortet ‘William McKinley’ (vgl. den war, um einen Ort zu indizieren. Auf-
Peirce Ms 425b, 73 ff). Meine Zeichenhand- grund dieser ik onischen Repräsentation des
lung ist in diesem Beispiel nach Peirce ein Indexes weiß der Hörer, daß ‘Hier’ den Ort
genuiner Index. Dagegen spielt der Eigen- anzeigt, an dem der Satz geäußert wird; um
name eine Doppelrolle. Einerseits wird mit die Wahrheit des Satzes zu überprüfen, müßte
438 II. Personen

sich der Hörer an diesen Ort begeben. — 3.3. Die symbolische Zeichenverwendung:


Auch nichtsprachliche Zeichen, wie etwa Wet- der rationale Bedeutungsgehalt
terhähne, k önnen auf den zwei Indexebenen von Zeichen
auftreten (CP 2.286). Als genuiner Index zieht
der Wetterhahn aufgrund seiner Eigenschaft, Die bisherigen Schritte erlauben uns, durch
in eine bestimmte Richtung zu ›blick en‹, die das sinnliche Verfahren der ik onischen Re-
Aufmerk samk eit des Betrachters in diese präsentation Handlungen wie Zeichenhand-
Windrichtung. Hat der Betrachter mehrmals lungen bereitzustellen, und durch die Index-
gesehen, wie sich der Wetterhahn in eine be- funk tion, ausgehend von der Handlungs-
stimmte Windrichtung dreht, dann weiß er in ebene, individuelle Gegenstände zu k onstitu-
einer neuen Situation aufgrund der sinnlichen ieren. Da aber gemäß der Kategorie der Dritt-
Identifik ation dieser Situation mit den vor- heit im Zeichenprozeß das fak tische Gelingen
hergehenden durch die Stellung des Wetter- von Handlungen wie Zeichenhandlungen ra-
hahns die betreffende Windrichtung. Der tional rek onstruiert werden soll, sind die bis-
Wetterhahn wird dann als Ik on eines Indexes herigen Schritte noch unzureichend. Es fehlen
behandelt. Peirce unterscheidet hier im Ge- Kriterien, nach denen die Zeichenbildung er-
gensatz zur Meinung von Arthur Walter folgen soll. Ziel des Peirceschen Pragmatis-
Burk s (1948/49, 679) und Karl-Otto Apel mus ist es, das anfängliche sinnliche Verfahren
(1975, 226) k lar zwischen der Ursache-Wir- der Ik onebene durch ein rationales, durch
k ungsrelation bzw. einer dynamisch-physi- Kriterien vermitteltes Verfahren zu ersetzen
schen Relation einerseits und der Zeichenre- (CP 5.428). Dies gelingt auf der Symbolebene
lation andererseits. Deshalb würde er auch (CP 4.448), wo ein Zeichen in einen Interpre-
Umberto Ecos Analyse (1972, 47 ff) der ele- tantenprozeß eingebettet wird, der durch
mentaren Kommunik ation als eine Kommu- Konventionen gesteuert wird. Erst dadurch
nik ation zweier mechanischer Apparate zu- wird die vom repräsentierten Gegenstand un-
rückweisen. abhängige Verwendung des Zeichens ermög-
licht (CP 2.292; 2.297; 5.73; Peirce 1977, 33).
Durch diese Einbettung in den Interpretan-
3.2.3. Dritte Indexstufe: Das Gleichsein be- tenprozeß tritt an die Stelle der sinnlichen
stimmter Instanzen des Mann-Schemas be- Bedeutung der ik onischen Zeichen die begriff-
züglich des Anzeigezeichens ‘‘William Mc- liche Bedeutung der symbolischen Zeichen.
Kinley’-heißen’ ist eine Äquivalenzrelation, Zur Bestimmung dieser begrifflichen Be-
die auf der zweiten Indexstufe ik onisch reprä- deutung muß der Begriff des Interpretanten
sentiert wird. Bezüglich dieser Äquivalenzre- näher untersucht werden. Peirce unterscheidet
lation erfolgt auf der dritten Indexstufe eine nämlich drei Interpretantenarten: der ›unmit-
Abstrak tion von den einzelnen Instanzen. telbare Interpretant‹ (manchmal auch ‘emo-
Das dadurch entstehende Objek tschema wird tional interpretant’ genannt, CP 5.475; vgl.
dann durch den Namen ‘William McKinley’ dagegen die Interpretantenanalyse bei Fitz-
benannt. Dieser Name ist nach Peirce ein Sym- gerald 1966, 78 ff, und Robert Almeder 1980,
bol „whose Interpretant represents it as an 28 f) garantiert die Wiedererk ennbark eit des
Icon of an Index of the Individual named“ Zeichens. Die Zugehörigk eit einer bestimm-
(CP 2.329). Der Name k ann nun situations- ten Zeichenak tualisierung zum betreffenden
unabhängig verwendet werden, er ist nicht Zeichenschema wird durch eine Anführhand-
mehr auf die Präsenz des jeweiligen Gegen- lung, z. B. ein bestimmtes Gefühl, sinnlich
standes angewiesen. Gegenstandsebene und gesichert (CP 5.475; Peirce 1977, 110; Peirce
Zeichenebene sind völlig getrennt. Als Sym- Ms 318, 35 f). Der ›dynamische Interpretant‹
bol ist der Name eingebettet in den Interpre- besteht in der auf der Handlungsebene statt-
tationsprozeß der Symbolstufe (vgl. 3.3.). Der findenden Reak tion, die auf ein Zeichen in
Interpretant des Namens besteht u. a. aus Zei- seiner Eigenschaft als Zeichen erfolgt, z. B.
chen, die Schemata repräsentieren, deren In- das Niederlegen von Waffen auf den entspre-
stanzen durch den Namen in seiner Rolle als chenden Befehl (Peirce 1977, 110 f; CP 5.475).
Ik on eines Indexes als gleich behandelt wur- Kann der unmittelbare Interpretant die Ra-
den. Der Interpretant repräsentiert somit die tionalität der Zeichenbildung aufgrund seines
Genese des Namens. Zum Beispiel k ommt in sinnlichen Charak ters nicht garantieren, so ist
der Definition: ‘William McKinley ⇋ großer, der dynamische Interpretant ungeeignet, weil
blauäugiger, schwarzhaariger Mann’ dem De- er ein fak tisches und k ein mittels Kriterien
finiens die Rolle des Interpretanten zu. k ontrolliertes Ergebnis der Zeichenbildung
32.  Charles Sanders Peirce (1839—1914) 439

darstellt. Es verbleibt der ›logische Interpre- stand müssen bei der Begriffsbildung berück -
tant‹. Er ist ein Zeichen, das aus dem Zeichen, sichtigt werden. Kriterium der Konsistenz:
dessen Interpretant er ist, vermittels einer Re- Alle Begriffe müssen in einen k onsistenten
gel hervorgeht (CP 2.292; 5.476). Die Regel, Zusammenhang gebracht werden (CP 5.457).
die diesen Zeichenbildungsprozeß steuert und Kriterium der Eindeutigk eit: Es dürfen k eine
damit die Rationalität der Begriffsbildung ga- Zeichen benutzt werden, deren Bedeutung
rantiert, ist die Pragmatische Maxime. Wie nicht eindeutig bestimmt ist (CP 5.6). Krite-
bereits oben (vgl. 3.) ausgeführt wurde, soll rium der historischen Verank erung: Die Ter-
bei der Bedeutungsexplik ation ein Begriff ge- minologie sollte auf einen festen historischen
mäß der Pragmatischen Maxime so in andere Bezugspunk t zurück geführt und jede Neuein-
Begriffe umgewandelt werden, daß seine führung eines Terminus eigens begründet wer-
Handlungsrelevanz sichtbar wird. Damit ist den (CP 5.413). — Diese Kriterien sind als
nicht die Rück führung auf ak tuell vorliegende Normen zu lesen, die als Teil einer die Logik
Handlungsak tualisierungen, wie etwa bei den begründenden Ethik (CP 5.130) die rationale
Sinnesdaten des Wiener Kreises gemeint (vgl. Kontrolle des Zeichenprozesses ermöglichen
dazu Goudge 1969, 155, und Sk agestads Ver- sollen. — Neben den logischen Interpretan-
gleich der Pragmatischen Maxime mit dem ten, die selbst Begriffe sind und die nach den
Verifik ationsk riterium des Wiener Kreises, genannten Kriterien erzeugt werden, spricht
1981, 102 ff), sondern auf begriffliche Hand- Peirce noch von einem letzten logischen Inter-
lungszusammenhänge (CP 5.402, A.3). Wie pretanten (vgl. die divergierenden Interpreta-
sieht nun das Umformungsverfahren genau tionen des letzten logischen Interpretanten bei
aus? Nehmen wir Peirces Standardbeispiel, Justus Buchler 1939, 111 ff, und George Vin-
den Begriff ‘harter Gegenstand’, und formen cent Gentry 1952, 75 ff). Dieser k ann nicht
ihn gemäß der Präzisierung der Pragmati- ein Begriff sein, sondern besteht in einem
schen Maxime aus dem Jahre 1905 um (in ›habit change‹, den Peirce wie folgt erläutert:
dieser Formulierung werden die Handlungs- „a modification of a person’s tendencies toward
aspek te deutlicher sichtbar, vgl. CP 5.411), action, resulting from previous experiences or from
dann lautet ein Interpretant: ›Ein harter Ge- previous exertions of his will or from a complexus
genstand ist ein Gegenstand, für den gilt: of both kinds of cause“ (CP 5.476).
Wenn wir seine Oberfläche mit einem Gegen- Nimmt man jetzt beide Bestimmungsstück e
stand berühren, nehmen wir wahr, daß er des letzten logischen Interpretanten zusam-
nicht geritzt wird‹. Hier wird also ein asser- men, nämlich daß er in der Einstellung zum
torischer Satz in einen k onditionalen Satz Handeln besteht und zu einer Klärung der
transformiert, dessen Vorderglied ein Hand- Begriffe bezüglich ihrer Handlungsrelevanz
lungsschema und dessen Hinterglied ein führt, dann k ann er mit dem ganzen Inter-
Wahrnehmungshandlungsschema beschreibt. pretantenprozeß selbst identifiziert werden
Über die ›Bedeutung des Begriffes‹ zu verfü- (vgl. dagegen Greenlee 1973, 121, und Fitz-
gen, heißt also, über das Wissen zu verfügen, gerald 1966, 154). — Diese Konzeption des
das vorauszusagen erlaubt, mit welchen mög- letzten logischen Interpretanten verhilft auch
lichen Wahrnehmungshandlungen zu rechnen zu einem geeigneten Verständnis des summum
ist, wenn bestimmte Handlungen ausgeführt bonum, das als ein ästhetisches Ziel des Zei-
werden. Hier wird auf der Symbolstufe mittels chenprozesses angestrebt werden soll. Dieses
des logischen Interpretanten der Zusammen- Ziel besteht nicht etwa in dem Endpunk t des
hang zwischen Ausführung einer Handlung Prozesses, sondern in dem ganzen Prozeß der
und ihrer Anführung, der auf der Ik onstufe Zeichenbildung selbst, der mit sinnlichen Re-
vollzogen wurde, beschrieben. Die Symbol- präsentationsformen beginnt (vgl. die Ik on-
stufe expliziert also einerseits die Genese des stufe), um dann in rational gesteuerte Zei-
Zeichens. Andererseits wird diese Genese aber chenprozesse, die ethischen Normen unterlie-
durch Kriterien, die den Interpretantenprozeß gen, überzugehen (CP 5.433; vgl. Peirce M s
steuern, reguliert. Neben der bereits in den 283,100).
Frühschriften betonten ›Intersubjek tivität der
Begriffsbildung‹ (CP 5.356; 5.402, A.2) lassen
sich mehrere Kriterien eruieren, die unter dem 4. Ausdruckslehre
Leitk riterium der ›Rationalität der Begriffs- Zeichen k önnen in ihrer Funk tion als Zeichen
bildung‹ zusammengefaßt werden k önnen. nicht unabhängig von ihrem Repräsentations-
Kriterium der Vollständigk eit: Alle denk ba- charak ter, also ihrer Semantik , eingeführt
ren Handlungsalternativen mit einem Gegen-
440 II. Personen

werden, da sie sonst nicht von anderen Ge- (CP 4.537), k ann mit dem Instrumentarium,
genständen zu unterscheiden wären. Nach er- das Goodmans Analyse von Notationen zur
folgreicher Re k onstruk tion der Semanti k Verfügung stellt, weiter präzisiert werden.
k ann aber sehr wohl zweck s Untersuchung Goodman legt in Languages of Art (1976,
des Zeichenträgers von der Repräsentations- 130 ff) Kriterien fest, die Zeichen erfüllen,
funk tion der Zeichen abstrahiert werden. wenn sie einem Notationsschema angehören.
Man erhält dann nach Peirce drei verschie- Diese Kriterien betreffen die Tok en-›Bezie-
dene Rollen, in denen der Zeichenträger auf- hung‹ (im folgenden benutze ich Peirces Ter-
tritt, nämlich als Ton, Token oder Typ. Peirce minologie): (a) Zeichenindifferenz: Zwei To-
spricht auch von ›quali-sign‹, ›sin-sign‹ und k ens sind zeichenindifferent, wenn sie Tok ens
›legi-sign‹ (CP 2.243 ff; 4.537; Peirce 1977, desselben Zeichentyps sind und wenn k eines
32). — Geht man von der bereits rek onstru- der beiden Tok ens zu einem Zeichentyp ge-
ierten Symbolebene aus und abstrahiert von hört, zu dem das andere nicht gehört. Auf der
der Bedeutung der Symbole, die ihnen gemäß Grundlage dieser Äquivalenzrelation, wird
der Pragmatischen Maxime zuk ommt, dann dann der Zeichentyp als Abstrak tionsk lasse
erhält man den Zeichentyp (CP 4.477; 2.293). bezüglich seiner Tok ens bestimmt. (b) Endli-
Der Typ k ann als eine Regel für die Identifi- che Differenziertheit: Hierbei handelt es sich
zierung der Tok ens, die zu ihm gehören, ver- um ein epistemologisches Kriterium, das die
standen werden, während umgek ehrt die To- theoretische Unterscheidbark eit zweier To-
k ens als Materialisierungen des Typs auftre- k ens, die zu verschiedenen Zeichentypen ge-
ten (CP 2.293; 4.537). D. h. der Typ k ommt hören, sichern soll. — Da Zeichenindifferenz
auf der Handlungsebene nur in Form seiner und endliche Differenziertheit die Identität
Tok ens vor, nur die Tok ens existieren. Da- des Zeichentyps und die eindeutige Beziehung
gegen ist ein Tok en nur bestimmbar als Tok en des Zeichentyps zu den Tok ens garantieren,
eines bestimmten Typs, nur der Typ hat Rea- k önnen sie als Präzisierung der Peirceschen
lität (CP 2.292). Diese Peircesche Unterschei- Charak terisierung der ›Tok en-Beziehung‹ ver-
dung zwischen Existenz und Realität ist von standen werden. Ein Zeichentyp im Sinne von
der Kategorienlehre her motiviert: Existenz Peirce wäre dann auf der Grundlage von
k ommt dem zu, was sich auf der Handlungs- Goodmans Kriterien ein Zeichen in einem
ebene in je einmaligen Situationen ereignet Notationsschema, während der ›Zeichenton‹,
(vgl. Kategorie der Zweitheit), während Rea- der nach Peirce wie der Zeichentyp ein Ge-
lität nur die Gegenstände haben, die durch nerale ist, gerade ein Zeichen ist, das k einem
den Zeichenprozeß als schematische Gegen- Notationsschema zugehört, weil k eine Iden-
stände k onstituiert werden (CP 5.107; titätsk riterien vorhanden sind, so daß man
5.594 f). Beispiel: Kommt das Wort ‘Mann’ von zwei Instanzen nie genau sagen k ann, sie
in einem Theaterstück in verschiedenen Sze- gehörten zum selben Zeichenton (Peirce 1977,
nen vor, so handelt es sich bei jedem Vor- 32 f; CP 4.537). Der Zeichenton k ann durch
k ommnis um ein Tok en desselben Worttyps. Abstrak tion vom ik onischen Zeichen gewon-
Nur die Tok ens k ommen in den Situationen nen werden. Auf der Ik onebene war ja der
vor, der Typ besteht in der Gleichbehandlung Zusammenhang zwischen ki onischem Zei-
der Tok en, die, als eigene Gegenstände be- chen und Objek t nicht k onventionell geregelt,
trachtet, sehr wohl voneinander unterschie- das jeweilige Handlungsschema wurde mittels
den sind. Das Beispiel verdeutlicht zudem, einer Instanz sinnlich angeführt. Deshalb war
daß die Tok ens ihrerseits durch Abstrak tion die Identität zwischen verschiedenen Instan-
von ihrem semantischen Pendant gewonnen zen und damit auch die Identität der jeweili-
werden k önnen, nämlich durch Abstrak tion gen Zeichenträger, also der Zeichentone, die
von der Repräsentationsfunk tion indexik ali- durch Abstrak tion von der Repräsentations-
scher Zeichen. Bei der Indizierung durch funk tion gewonnen werden, nie gesichert. —
einen genuinen Index wird dieser ja als eine Der Vergleich mit Goodman, der zu einer
einmalige Instanz, ein Singulare, in dem be- Präzisierung der Peirceschen Bestimmungen
treffenden Handlungsk ontext behandelt. diente, k ann aber auch helfen, das bisherige
Wird nun von der Indizierungsfunk tion ab- methodische Vorgehen besser zu verstehen.
strahiert, dann erhält man ein Token. Goodman geht in seiner analytischen Be-
Peirces Chrak terisierung des Typs als eines trachtungsweise von dem Vorliegen von Zei-
Gegenstandes, der im Gegensatz zum Ton cheninstanzen und verschiedenen Zeichensor-
eine fest bestimmte Identität besitzt (Peirce ten aus und versucht dann Kriterien anzuge-
1977, 32) und der die Tok ens genau bestimmt ben, wie man diese Zeichensorten voneinan-
32.  Charles Sanders Peirce (1839—1914) 441

der unterscheiden k ann, also, ob es sich etwa von Ik on, Index und Symbol, die gemäß dem
um Zeichen in einem Notationsschema han- Gegenstandsbezug des Zeichens erfolgte, als
delt oder nicht. Die Frage, wie man diese eine Einteilung des Personenbezugs von Zei-
syntak tischen Gebilde gewinnt, interessiert chen gelten.
ihn nicht. Nach der Kategorisierung gemäß
syntak tischer Kriterien erfolgt bei Goodman 5.1. Rhema: Statt von Rhema spricht Peirce
die Erweiterung um semantische Kriterien. manchmal auch von Sumizeichen. Der Inter-
Der vorhandene Zeichenbereich wird mit pret eines Rhemas versteht dieses als Zeichen
einem ebenfalls bereits k onstituierten Gegen- eines möglichen Objek tes, eines Schemas (CP
standsbereich k orreliert. Dagegen wird in der 2.250). Etwas genauer: Das Rhema wird von
vorliegenden Peirce-Rek onstruk tion eine Ge- seinem Interpretant als ik onisches Zeichen
nese vorgeschlagen, wie man, ausgehend von seines Gegenstandes, nämlich eines Schemas,
einem ungegliederten Handlungsbereich, Zei- repräsentiert (CP 2.317; 2.322). Damit wird
chen und Gegenstände als unterschieden re- der Gegenstandsbezug des Zeichens mit Mit-
k onstruieren k ann. Da die Zeichen als Zei- teln des Personenbezugs artik uliert. Rhemata
chen nie unabhängig von ihrer Repräsenta- k ommen isoliert nicht vor. Sie treten immer
tionsfunk tion, dem semantischen Aspekt, ge- als Teil von Propositionen auf, aus denen man
bildet werden k önnen, wurde der Zeichenträ- sie durch Löschung der logischen Subjek te,
ger, also der syntaktische Aspekt, erst an- das sind alle benennenden Ausdrück e, erhält
schließend durch Abstraktion gewonnen. (CP 3.420).
Propositionen (s. Art. 87): Propositionen
sind nach Peirce symbolische Dicizeichen (CP
5. Pragmatik 2.320). Da die Propositionen offensichtlich
Ziel des Semantik k apitels war es, zwei von- auch für Peirce die wichtigste Sorte von Di-
einander getrennte Gegenstandsbereiche her- cizeichen sind, werden nur sie im folgenden
zustellen, einen Zeichen- und einen Objek t- untersucht. Die Proposition wird von ihrem
bereich. Als semiotische Mittel wurden dazu Interpretanten als genuiner Index eines von
Zeichen ik onisch, indexik alisch und symbo- ihr unabhängigen Objek tes repräsentiert (CP
lisch verwendet. Auf der Symbolstufe war die 2.315). Bevor dies näher erk lärt werden k ann,
Trennung vollzogen. Der Zusammenhang des muß die Binnenstruk tur der Proposition ge-
Zeichens mit seinem Gegenstand, der auf der nauer erläutert werden. Dazu ist es hilfreich,
Ik on- und Indexstufe wesentlich auf speziellen einen Beispielsatz wie ‘Peter läuft’ zu disk u-
Zeichen-Gegenstands-Beziehungen beruhte, tieren. Um diesen Satz als Proposition zu
nämlich der Einzelnes-Allgemeines- und der verstehen, muß von seinem Behauptungscha-
Teil-Ganzes-Beziehung, k onnte auf den Sym- rak ter, also dem Sprechak taspek t, abgeblen-
bolstufe nach vollzogener Trennung des Zei- det werden (CP 2.315). Die Proposition hat
chens von seinem Gegenstand nur noch durch dann einen Subjek t- und einen Prädik atteil.
die Beziehung eines Zeichens zu anderen Zei- Diese syntak tische Gliederung der Proposi-
chen, seinen Interpretanten, gesichert werden. tion spielt, wie wir gleich sehen werden, eine
Diese Interpretanten k önnen nun die ver- wichtige Rolle. An Subjek tstelle steht nach
schiedenen Repräsentationsweisen, die von Peirce ein Index oder, wie in unserem Falle,
ik onischen, indexik alischen und symbolischen das Symbol eines Index, nämlich der Eigen-
Zeichen vollzogen wurden, ihrerseits artikulie- name ‘Peter’. Der Eigenname benennt ein von
ren, um so auf der Zeichenebene die verschie- der Proposition unabhängiges Objek t, von
dene Genese der jeweiligen Zeichen zu reprä- Peirce das ‘Primäre Objek t’ genannt (CP
sentieren. Daraus ergibt sich Peirces Unter- 2.311). An diesem Punk t wird der Unter-
scheidung von ›Rhema‹, ›Dicizeichen‹ und schied der Proposition zur Indexstufe des vor-
›Argument‹ (CP 2.250 ff). — In der Zeichen- hergehenden Kapitels und die Rolle der syn-
verwendung bildet normalerweise der Hörer tak tischen Gliederung der Proposition deut-
den Interpretanten zu den von dem Sprecher lich. Auf den drei Indexstufen wurde die Tren-
geäußerten Zeichen, denn Verstehen (s. Art. nung des Zeichens von seinem Gegenstand
94) besteht für Peirce gerade darin, daß sich und damit die Konstitution des Objek ts voll-
durch Bildung eines Interpretanten, also eines zogen. Davon wird jetzt Gebrauch gemacht.
neuen Zeichens, auf das Objek t des ursprüng- Das Primäre Objek t steht unabhängig von
lichen Zeichens bezogen wird. Die Einteilung der Proposition zur Verfügung und nur ein
in Rhema, Dicizeichen und Argument k ann Teil der Proposition nimmt auf es Bezug. Er-
deshalb im Gegensatz zur Unterscheidung möglicht wird dies durch die Syntax der Pro-
442 II. Personen

position, die als ein Index deren Gliederung werden, im Widerspruch zu Wahrnehmungs-
in zwei Teile indiziert (CP 2.319) und damit urteilen stehen. In allen anderen Fällen ist sie
z. B. verhindert, daß die ganze Proposition wahr (CP 2.327).
nur als genuiner Index verstanden wird. In Argumente: Ein Argument besteht aus Pro-
diesem Falle würde nämlich der genuine In- positionen, seinen Prämissen, und der Kon-
dex einfach nur eine Peter-laufen-Situation k lusion, seinem Interpretanten. Der Über-
indizieren und ‘Peter’ k önnte k ein eigenes Ob- gang von den Prämissen zur Konk lusion wird
jek tschema benennen. — Die Prädik atstelle vom Interpretanten als ein gesetzmäßiger
nimmt ein Rhema ein (CP 2.317). Das Rhema Übergang repräsentiert, indem das Argument
wird, wie erläutert, vom Interpretanten als als Instanz einer Klasse von Argumenten be-
ik onisches Zeichen seines Objek tes repräsen- stimmt wird. Das Argument wird also von
tiert, d. h. das Rhema ist nicht der schlichte seinem Interpretanten als ein Symbol reprä-
Vollzug einer ik onischen Zeichenbildung, viel- sentiert, wobei der gesetzmäßige Zusammen-
mehr wird das Prädik at ‘laufen’ ›verstanden‹, hang zwischen Prämisse und Konk lusion die
wenn der Hörer weiß, wie ein geeignetes symbolische Beziehung ist (CP 2.252 f). Der
Muster des Handlungsschemas Laufen zur Interpretant als eine bewußte Zeichenhand-
Verfügung gestellt werden k ann. Damit ist die lung, die in der Herstellung des Arguments
Analyse der Proposition aber noch nicht ab- als eines gesetzmäßigen Zusammenhangs zwi-
geschlossen. Wie schon k urz angesprochen, schen den Prämissen und der Konk lusion be-
wird nämlich die Proposition als Ganzes von steht, bedarf rationaler Selbstk ontrolle, die
ihrem Interpretanten als genuiner Index des ethischen Normen unterliegt (CP 5.130). Das
Primären Objek tes repräsentiert und das Ziel dieser Kontrolle besteht in der Erzeugung
heißt: Die Proposition wird verstanden, wenn wahrer Sätze durch den Schlußprozeß, der
der Interpret weiß, wie eine Situation beschaf- damit eine Repräsentation der Realität er-
fen sein muß, so daß die Proposition in ihr möglichen soll. Das einzelne Argument gehört
als genuiner Index auftreten k ann. Diese Re- einer von drei Klassen von Argumenten an,
lation zwischen Proposition und Objek t nennt deren gemeinsame Anwendung den Schluß-
Peirce das ‘Sek undäre Objek t’ (CP 2.310 f). prozeß zu wahren Sätzen führen soll (CP
Der Zusammenhang zwischen der Binnen- 2.266). Bei den Klassen handelt es sich um
gliederung der Proposition und ihrer semio- die ›Abduk tion‹, ›Induk tion‹ und die ›Deduk -
tischen Rolle als Ganzes k ann jetzt wie folgt tion‹, deren Zusammenspiel bezüglich der Er-
bestimmt werden: Die Proposition wird ver- zeugung wahrer Sätze im folgenden unter-
standen, indem, bezogen auf das durch das sucht wird.
Subjek t benannte Gegenstandsschema (die
Person Peter), vom Interpretanten eine Situa- 5.2. Abduktion: Die Propositionen waren auf-
tion (Peter-Laufen) repräsentiert wird, die grund ihrer indexik alischen Anteile immer auf
durch die Proposition als Ganzes indiziert Einzelgegenstände bezogen. Die Bestimmung
wird und die als ein Muster des durch das der Realität gemäß dem Peirceschen Reali-
Prädik at repräsentierten Schemas (Laufen) tätsbegriff erfordert aber, wie bereits erläu-
auftreten k ann (vgl. die Beispiele in CP tert, die Repräsentation gesetzmäßiger Zu-
2.315). — Die Rolle der Proposition wird sammenhänge, die dann erst rationales Han-
k larer, wenn man sie mit einem genuinen In- deln ermöglichen. Es ist die Aufgabe der Ab-
dex vergleicht. Mit dem genuinen Index duk tion, ausgehend von den auf Einzelgegen-
wurde der Gegenstandsbezug schlicht voll- stände bezogenen Propositionen, gesetzmä-
zogen, in der Proposition wird der Gegen- ßige Zusammenhänge zu entwerfen. Bezüg-
standsbezug repräsentiert. D. h. der Gegen- lich dieser gesetzmäßigen Zusammenhänge
standsbezug erscheint unter dem Personen- hat die Abduk tion also eine gegenstandsk on-
aspek t des Zeichens. — Trat im schlichten stituierende Rolle. Sie besitzt folgende Form
Vollzug der Indizierung k eine Wahrheitsfrage (CP 5.189):
auf, so wird sie im Fall der Proposition ak ut. „The surprising fact, C, is observed; but if A were
Denn hier tritt an die Stelle des Vollzugs von true, C would be a matter of course,
Indizierungshandlungen deren Repräsenta- Hence, there is reason to suspect that A is true“.
tion, die den Zusammenhang zu anderen Re- Beispiel: ‘Als ich diesen Stein losließ, fiel er
präsentationen, anderen Propositionen und auf die Erde. — Wenn die Erde Körper an-
Wahrnehmungsurteilen, herzustellen erlaubt. zieht, wäre dieses Ereignis eine Selbstver-
Eine Proposition ist falsch, wenn sie oder ständlichk eit. — Also besteht Grund zu der
Propositionen, die k orrek t aus ihr abgeleitet Annahme, daß die Erde Körper anzieht’. Wie
32.  Charles Sanders Peirce (1839—1914) 443

dieses Beispiel deutlich macht, wird im ab- allgemeiner Art in der Vergangenheit noch
duk tiven Schluß eine ik onische Beziehung nicht gab, wird vorausgesagt, daß es sich in
zwischen dem durch die Prämisse repräsen- der Zuk unft nicht ereignen wird. Bei diesem
tierten Ereignis und dem durch die Konk lu- Argument geht man davon aus, daß bei wie-
sion repräsentierten Gesetz hergestellt, indem derholter Überprüfung an Einzelaussagen,
das Ereignis durch den Schluß als eine Instanz die aus der Voraussage folgen, die Voraussage
des gesetzmäßigen Schemas bestimmt wird, für den Fall, daß sie falsch ist, letztlich falsi-
und zwar als eine solche Instanz, die es dem fiziert würde, so daß man schließlich zu wah-
Interpretanten der Abduk tion erlaubt, mit ihr ren Konk lusionen gelangt. Experimentelle
das gesetzmäßige Schema sinnlich anzuführen Verifik ation einer allgemeinen Voraussage: In
(vgl. Peirce 1983, 95). — Als gegenstandsk on- dieser Methode wird aus der Häufigk eit der
tituierendes Schlußverfahren k ann die Ab- bereits vorliegenden Verifik ationen einer Vor-
duk tion die Wahrheit ihrer Konk lusionen na- aussage auf die Häufigk eit ihrer zuk ünftigen
türlich nicht verbürgen. Sie erhebt auch nicht Verifik ationen geschlossen. Die Rechtferti-
den Wahrheitsanspruch für ihre Konk lusion. gung des Verfahrens beruht darauf, daß ›in
Die Wahrheitsfrage k ann nur in Bezug auf the long run‹ die Experimente zeigen, ob sich
alle drei Schlußverfahren gestellt werden. Die die Voraussage ›in the long run‹ an eine be-
Berechtigung der Abduk tion besteht darin, stimmte Häufigk eit von Verifik ationen an-
daß ohne sie überhaupt k eine gesetzmäßigen nähert. Argument auf der Grundlage einer
Zusammenhänge erstellt werden k önnten und Zufallsverteilung: Hierbei handelt es sich um
damit rationales Handeln im Sinne des Prag- ein Verfahren, in dem in einer endlichen
matismus nicht möglich wäre (CP 2.270; Klasse die Häufigk eit des Zuk ommens einer
5.145). — bestimmten Qualität auf die Elemente der
Deduktion: Der Deduk tion k ommt die Klasse angegeben wird. Dazu wird eine Se-
Aufgabe zu, den Zusammenhang zwischen lek tionsmethode gewählt, gemäß der ›in the
Propositionen unabhängig von deren Wahr- long run‹ jedes Element der Klasse so oft wie
heitswert herzustellen. In ihr wird nur gezeigt, jedes andere ausgewählt wird, und dann ge-
wie man von Hypothesen, die gesetzmäßige schlossen, daß die Verteilung, die in einer
Zusammenhänge repräsentieren, zu weiteren bestimmten Stichprobe gefunden wurde, für
Propositionen gelangen k ann. Nicht die die ganze Klasse gilt. — Der Zusammenhang
Wahrheit der Propositionen und deren Hy- zwischen den drei Schlußverfahren, die ›in the
pothesen steht im Zentrum des Interesses, long run‹ die Wahrheit von Aussagen garan-
sondern die Demonstration des Übergangs tieren und damit eine Beschreibung der Rea-
für einen Interpreten, dessen Zustimmung zu lität ermöglichen sollen, k ann jetzt wie folgt
dieser Demonstration erreicht werden soll bestimmt werden: Durch die Abduk tion wer-
(Peirce 1983, 95). Die Wahrheit bleibt dabei den ausgehend von Wahrnehmungsurteilen
immer auf den Forschungsprozeß bezogen. allgemeine Sätze erschlossen, aus denen dann
Danach gehört die Deduk tion zu den Argu- weitere allgemeine Sätze deduziert werden, die
menten, die in der Mehrzahl der Fälle ›in the ihrerseits schließlich induk tiv überprüft wer-
long run‹ von wahren Prämissen zu wahren den.
Konk lusionen führen (CP 2.267). — Bezüg-
lich der Deduk tionen ist es gleich, wie die
Prämissen aussehen, wenn sie nur generellen 6. Pragmatizismus versus
Charak ter besitzen. Bezogen auf den ganzen Syntaktizismus und Semantizismus
Forschungsprozeß wird man aber natürlich Rek apitulieren wir noch einmal die hier vor-
solche Prämissen wählen, die zuvor durch ab- geführten Unterscheidungen des Zeichenpro-
duk tive Schlüsse hergestellt wurden, um deren zesses, dann läßt sich der Zusammenhang
deduk tiven Zusammenhang zu den anderen zwischen den drei Gruppen von Unterschei-
Propositionen der jeweiligen Theorie zu se- dungen wie folgt charak terisieren: Zunächst
hen. — wurde der Zeichen-Gegenstands-Bezug und
Induktion: Mit den induk tiven Verfahren damit die Semantik der Zeichen bestimmt.
werden die durch Abduk tion und Deduk tion Dies ergab den ik onischen, indexik alischen
gelieferten Sätze einer Theorie experimentell und symbolischen Gebrauch von Zeichen.
an der Erfahrung überprüft (CP 5.145). Peirce Von dem so k onzipierten Zeichenrepertoire
unterscheidet dabei drei Verfahren (CP wurde dann der Zeichenträger und damit der
2.269). Pooh-pooh-Argument: Auf der syntak tische Aspek t von Zeichen in einem
Grundlage, daß es ein bestimmtes Ereignes
444 II. Personen

eigenen Schritt durch Abstrak tion von dem liert. Der hier vertretene Pragmatizismus ver-
Bedeutungsgehalt der Zeichen gewonnen. steht sich also als eine mögliche Alternative,
Und schließlich k onnte der pragmatische will man sowohl dem Metaprachen-Regreß
Aspek t von Zeichen durch die Artik ulation des Syntak tizismus wie der Objek tivierung
der Anführhandlungen, die den Personen- des Personenaspek ts beim Semantizismus ent-
aspek t an den ursprünglichen Zeichenhand- gehen.
lungen bildeten, rek onstruiert werden. Dieses
methodische Vorgehen unterscheidet den hier
rek onstruierten Pragmatizismus von Peirce 7. Literatur in Auswahl
grundlegend von dem Syntaktizismus einer-
seits und dem Semantizismus andererseits. In 7.1. Quellen
einer syntak tizistischen Zeichentheorie, wie
z. B. derjenigen von Goodman, geht man, wie Die folgenden Texte liegen der Darstellung zu-
oben beschrieben, von dem Vorliegen zweier grunde:
Peirce 1931—1935, Collected Papers of Charles
zunächst unabhängiger Bereiche aus, eines ge-
Sanders Peirce I—VI (Hartshorne/Weiß, Hg.) [=
gliederten Zeichen- und eines gegliederten Ge-
CP].
genstandsbereichs, und k orreliert dann die
Gegenstände beider Bereiche miteinander. Bei Peirce 1958, Collected Papers of Charles Sanders
dieser Vorgehendsweise entstehen folgende Peirce VII—VIII (Burks, Hg.) [= CP].
Probleme: Die Frage der Gegenstandsk onsti- Peirce 1976 a, The New Elements of Mathematics
tution und der Zeichenbildung, also die Frage by Charles S. Peirce IV (Eisele, Hg.).
nach der Gliederung der beiden Bereiche, Peirce 1977, Semiotics and Significs. The Corre-
k ann nicht mehr thematisiert werden. — Die spondance between Charles S. Peirce and Victoria
jeweiligen Bereiche werden durch Beschrei- Lady Welby (Hardwick, Hg.).
bung in einer Metasprache zur Verfügung ge- Peirce 1982 ff, Writings of Charles S. Peirce. A
stellt, wobei die Metasprache einer eigenen Chronological Edition (Fisch/Moore/Kloesel et al.,
Bedeutungsexplik ation in einer Metameta- Hg.).
sprache bedarf etc. — Auch bei der Korre- Peirce 1983, Phänomen und Logik der Zeichen
lation beider Bereiche wird auf eine Meta- (Pape, Hg.).
sprache zurück gegriffen, auch hier entsteht Weiterhin Kopien der Manuskripte im Peirce Edi-
das Problem des infiniten Regresses von Me- tion Project, Indianapolis [= Ms].
tasprachen. So wie der Syntak tizismus syste-
matisch mit der Untersuchung der Zeichen- 7.2. Gesamtdarstellungen
ebene beginnt, um sie anschließend mit der
Gegenstandsebene zu k orrelieren, gibt es um- Die folgenden Arbeiten zeichnen sich jeweils durch
gek ehrt Ansätze, die mit einer Rek onstruk -
tion des Personenaspek ts von Zeichen begin- einen eigenen systematischen Ansatz aus, der aber
nen. Diese Überlegungen führen aber zu einer
Semantisierung der Handlungsebene, so daß die Peircesche Philosophie in der Regel auf einen
ich sie als Semantizismus von dem hier ver-
tretenen Pragmatizismus abgrenzen möchte. Aspekt verkürzt:
Ein prominentes Beispiel für diesen Seman- Apel 1975, Der Denkweg von Charles Sanders
tizismus liefert John Searles (* 1932) Buch Peirce. Eine Einführung in den amerikanischen Prag-
Speech Acts. Für Searle sind die Sprechak te matismus.
die grundlegenden Einheiten linguistischer Versuch einer transzendentalpragmatischen Lesart
und sprachphilosophischer Untersuchungen, der Peirceschen Philosophie, der vor allem die Rolle
und er macht sie k onsequenterweise vom An- der Phänomenologie verkennt.
fang seiner Untersuchungen an zum Gegen- Buchler 1939, Charles Sanders Peirce’s Empiricism.
stand seiner Analyse. Der Vollzugscharak ter Empiristische Reduk tion des Peirceschen Ansatzes,
dieser Sprechak te und damit der Vollzugscha- bei der die Kategorie der Drittheit nur unzurei-
rak ter des Personenaspek ts von Sprache tritt chend berücksichtigt wird.
nicht auf. Der Personenaspek t erscheint nur Goudge 1969, The Thought of C. S. Peirce.
als ein besonderer Aspek t. Dagegen tritt in Beschreibung der Peirceschen Philosophie als eines
dem hier vorgeschlagenen pragmatizistischen Konflik ts zwischen Transzendentalismus und Na-
Ansatz zunächst nur das Handlungsschema turalismus, wobei eine unzulässige Trennung von
als Gegenstand auf, und zwar als Gegenstand Einzelnem und Allgemeinem vorgenommen wird.
einer Anführperspek tive, d. h. dem Personen- Habermas 31975, Erkenntnis und Interesse.
aspek t, die ihrerseits aber Vollzugscharak ter Anwendung der Positivismusk ritik auf die Peirce-
hat. Erst in einem weiteren Schritt wird dann schen Überlegungen.
dieser Personenaspek t selbst wieder artik u-
33.  Anton Marty (1847—1914) 445

Murphey 1961, The Development of Peirce’s Phi- Guter Überblic k , aber unzureichender Analyse-
losophy. apparat.
Beurteilung des Peirceschen Ansatzes vor dem Hin- Goodman 21976, Languages of Art. An Approach
tergrund der architek tonischen Ordnung Kants, de- to a Theory of Symbols.
ren Grundlage die Logik ist, wobei die Rolle der Grundlegende Überlegungen zu dem hier disk u-
Phänomenologie falsch eingeschätzt wird. tierten Begriff der Anführung und zum Problem
von Notationssystemen.
7.3. Darstellungen zur Zeichentheorie Greenlee 1973, Peirce’s Concept of Sign.
Burk s 1948/49, Icon, index, and symbol, in Philo- Interessanter Vorschlag, der vor allem die Funk tion
sophy and Phenomenological Research 9. des ›Interpretanten‹ herausarbeitet.
Gründliche Analyse der drei wichtigsten Zeichen- Lorenz 1980, Sprachphilosophie, in Lexikon der
funktionen. Germanistischen Linguistik.
Eco 1972, Einführung in die Semiotik. Grundlage für die hier entwickelten systematischen
Interessante Erk lärung der Ik onfunk tion unter Be- Überlegungen.
rücksichtigung der Ähnlichkeitsproblematik. Scherer 1984, Prolegomena zu einer einheitlichen
Fisch 1986, Peirce, Semeiotic, and Pragmatism. Es- Zeichentheorie, Ch. S. Peirces Einbettung der Se-
says by Max H. Fisch. miotik in die Pragmatik.
Wichtige historische Informationen zur Entwick - Systematische Darstellung des Zusammenhangs
lung der Peirceschen Zeichentheorie. zwischen Semiotik und Pragmatik bei Peirce.
Fitzgerald 1966, Peirce’s Theory of Signs as Foun- Bernd Michael Scherer, Karachi (Pakistan)
dation for his Pragmatism.

33. Anton Marty (1847—1914)

1. Das Leben, die Prager Umgebung, die Werke Mainz ein; zwei Jahre später empfing er die
2. Woher und wozu die Sprache? niederen Weihen, und im Herbst 1870 zele-
3. Philosophie, Psychologie, Logik und Sprach- brierte er zum ersten Mal die Messe.
philosophie Inzwischen hatte er Franz Brentano
4. Sprachphilosophie und allgemeine Gramma- (1838—1917) k ennengelernt, eine Begegnung,
tik die ihn nachhaltig beeindruck te. In der Preis-
5. Form und Stoff. Die sprachlichen Formen arbeit Die Lehre des hl. Thomas über die Ab-
und die Bedeutung straktion der übersinnlichen Ideen aus den sinn-
6. Allgemeine Semasiologie lichen Bildern nebst Darstellung und Kritik der
7. Epistemologische und ontologische Voraus- übrigen Erkenntnistheorien, die Marty 1867 in
setzungen und Konsequenzen der Sprachfor- Mainz verfaßt hatte, werden zwei Gelehrte
schung erwähnt, die mit dem aristotelischen Denk en
8. Das Erbe Martys vertraut waren: Friedrich Adolf Trendelen-
9. Literatur in Auswahl burg (1802—1872) und Franz Brentano, der
eine Lehrer, der andere Schüler. Schon 1862
hatte Brentano Von der mannigfachen Bedeu-
1. Das Leben, die Prager Umgebung, tung des Seienden nach Aristoteles veröffent-
die Werke licht. Das Studium der Werk e Brentanos, der
Liest man die Werk e Martys, läßt sich seine sich besonders mit ontologischen Fragen und
persönliche Geschichte und ihr Kontext, in mit sprachlicher Mehrdeutigk eit befaßt hatte,
den sie eingebettet ist, k aum erahnen. Erst veranlaßte Marty, in Würzburg bei ihm zu
ihre Darstellung aber ermöglicht ein besseres hören. Schon zu Beginn der Martyschen For-
Verständnis seiner theoretischen Leistungen. schungen machen sich also zwei wichtige Ele-
In dem schweizerischen Städtchen Schwyz in- mente bemerk bar, die man nicht außer acht
mitten einer k inderreichen, k atholischen Fa- lassen darf: ein erk enntnistheoretisches Inter-
milie geboren, besuchte Marty die dortige Pri- esse und eine k lassische Schulung. Auf den
marschule bis zum Gymnasium; danach setzte Rat seiner Lehrer und mit Zustimmung seines
er sein Studium in der Stiftsschule von Ein- Bischofs fuhr Marty 1869 nach Würzburg,
siedeln fort. 1867 trat er in das Seminar in wo Brentano Geschichte der Philosophie las.
‘Eine neue Welt geht mir auf’, schrieb Marty
446 II. Personen

in sein Tagebuch; aber nicht nur inhaltlich, Louvre (Wagenbach 1958, 107—118; 214 ff;
sondern auch methodologisch, wie wir sehen 243; 338).
werden. Der Einfluß Brentanos prägte ent- Eine wachsende Hypochondrie führte
scheidend den philosophischen Weg Martys, schließlich zu einer Isolierung, die auch wis-
sogar sein geistliches Leben. Wie Brentano senschaftlich nicht ohne Folgen blieb. Aller-
gab auch Marty sein Priesteramt auf. dings ist diese Isolierung nur eine Seite. Wenn
Das weitere Leben Martys ist, soweit be- man die sprachlichen Disziplinen berück sich-
k annt, nur noch von der Fortführung seiner tigt, die damals an den beiden Prager Uni-
Studien und seiner ak ademischen Laufbahn versitäten, der deutschen und der tschechi-
bestimmt. 1875 promovierte er in Göttingen schen, gepflegt wurden — vergleichende
bei Hermann Lotze (1817—1881) mit einer Sprachwissenschaft, Indogermanistik , k lassi-
historisch-theoretischen Dissertation; Kritik sche, germanische, romanische, slawische Phi-
der Theorien über den Sprachursprung. Im sel- lologien —, erscheint die Besonderheit der
ben Jahr veröffentlichte Marty sein erstes Martyschen Forschungen in ihrem strengen,
Buch: Über den Ursprung der Sprache. Inzwi- auf allseitigen Zusammenhang achtenden
schen gelang es Brentano, der nach Wien be- Profil. Er wollte nämlich eine Verbindung mit
rufen worden war, Marty an die neugegrün- der philosophischen Tradition wiederherstel-
dete Universität Czernowitz zu empfehlen. So len, die von den besonders deutschen Sprach-
begann seine Wanderung nach Osten, die an wissenschaftlern des 19. Jahrhunderts über-
der deutschen Universität in Prag die nächste sehen oder gering geschätzt wurde. Unter den
und auch letzte Etappe hatte. Er wirk te dort Linguisten, denen er ein deutliches philoso-
von 1880 bis 1913. Am 1. Ok tober 1914 starb phisches Interesse zuschrieb, finden wir Wil-
er „im Frieden mit Gott und mit sich selbst“ helm Scherer (1841—1886), Karl Brugmann
(Kraus 1916, 14). (1849—1919), Julius Jolly (1849—1932). For-
Man wird sehr überrascht, wenn man Mar- scher wie Ludwig Tobler (1827—1895) und
tys fast ausschließlich sprachphilosophische Hermann Paul (1846—1921) als ›weitere Bun-
Veröffentlichungen mit dem Repertoire seiner desgenossen‹ zu gewinnen, schien Marty ein
Lehrtätigk eit vergleicht; als regelmäßige Kol- lohnenswertes Ziel. Die heftige Polemik , die
legs finden wir nämlich prak tische Philoso- sein ganzes Werk durchzieht, richtet sich be-
phie (Ethik ), deduk tive und induk tive Logik , sonders gegen Wilhelm Wundt (1832—1920)
und besonders desk riptive und genetische (s. Art. 31), Heymann Steinthal (1823—1899)
Psychologie (Marek /Smith 1987, 34 f). Na- und Moritz Lazarus (1824—1903).
türlich war es ihm möglich, in diesen Kollegs Um die philsophische Position Martys bes-
auch sprachwissenschaftliche Überlegungen ser zu verstehen, muß man, zusammen mit
zu entwick eln. Aber man darf den philoso- seiner ihre Selbständigk eit nicht verleugnen-
phischen Rahmen nicht vernachlässigen, den theoretischen Treue zu Brentano, ihre
wenn man das Verhältnis zwischen sprachli- gemeinsame Distanz sowohl zum Idealismus
chen, psychologischen und logischen Interes- als auch zum Positivismus beachten. Auch
sen Martys, sowie den Einfluß seiner fast Martys Urteil über den k antischen Kritizis-
nur geschriebenen sprachwissenschaftlichen mus war sehr negativ. Hingegen war beider
Lehre richtig einschätzen will. Umsomehr, als Verhältnis zur Philosophie im 17. und 18.
bek annt ist, wie sehr er seine Lehrtätigk eit Jahrhundert wesentlich positiver. Tatsächlich
pflegte. Die Dissertationen, die von 1882 bis stimmte Marty in jeweils verschiedenen Hin-
1913 bei ihm entstanden sind, bestätigen den sichten mit René Descartes (1596—1650) und
Umfang seiner philosophischen Tätig k eit Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716) (s.
(Raynaud 1992). Art. 23), mit John Lock e (1632—1704)
Zu seinen Schülern gehören Osk ar Kraus (s. Art. 22) und mit David Hume (1711—
(1872—1942), Josef Eisenmeier (1871—1926), 1776), mit Etienne Bonnot de Condillac
Alfred Kastil (1874—1950), Hugo Bergmann (1714—1780) und teilweise auch mit Dietrich
(1883—1975), Emil Utitz (1883—1956), aber Tiedemann (1748—1803) überein. Der An-
auch Franz Kafk a (1883—1924), Max Brod schluß an Aristoteles (384—322 v. Chr.)
(1884—1968) und Osk ar Pollak . Viele her- (s. Art. 15) war besonders fundamental.
vorragende Persönlichk eiten der Prager lite- Zwei Monate vor Martys Tod brach der
rarischen Welt besuchten in den ersten Jahren erste Weltk rieg aus. Vier Jahre später war
dieses Jahrhunderts Martys Vorlesungen und Prag die Hauptstadt der neuen tschechoslo-
die Seminare, die er zu Hause hielt, auch die wak ischen Republik . Nach der Teilung der
Versammlungen der Brentanisten im Café alten Universität in eine deutsche und ein
tschechische (1882) war dieses zweite Ereignis
33.  Anton Marty (1847—1914) 447

für die Prager Universitäten und die Wir- daß beim Urmenschen durch die Anschau-
kungsgeschichte Martys einschneidend. ungen, die er empfing, völlig unwillk ürlich
Martys Schriften lassen sich in einige the- und vermöge eines fertig angeborenen psy-
matische Gruppen bündeln; solche über den chophysischen Mechanismus eine Anzahl
Ursprung der Sprache (Marty 1875 b; 1916— onomatopoetischer (durch sich selbst ver-
20, Ges. Schriften I. 2, 1—304), solche über ständlicher) Laute und Gebärden ausgelöst
Probleme der Benennung (Marty 1879), wei- wurden (›Sprachreflexe‹)“ (1916—20, Ges.
ter solche über philosophische Betrachtungen Schriften I.2, 307); z. B. bei Steinthal, Laza-
zu den morphologischen oder syntak tischen rus, Wundt, aber auch Wilhelm v. Humboldt
Kategorien (Marty 1916—20, Ges. Schriften (1767—1835) (s. Art. 27) und Paul,
II.1, 1—11; 115—307; 1910 c), über episte- (5) der Empirismus, der „schon für die
mologische Fragen, insbesondere über das frühesten Stadien der Sprachentstehung dem
Verhältnis von Grammatik , Logik und Psy- Verlangen nach Verständigung und der da-
chologie, und das Verhältnis zwischen Philo- durch motivierten absichtlichen Bildung von
sophie und Sprachphilosophie (Ges. Schriften Bezeichnungsmitteln eine entscheidende Rolle
I.1, 69—93; II.1, 309—364; II.2, 1—56; 57— zuschreibt“ (1916—20, Ges. Schriften I.2,
99; 107—111; 129—172; 1916 a), sowie über 307); z. B. bei Johann Friedrich Herbart
die Grundlegung und Ausarbeitung „der all- (1776—1841), Jacob Grimm (1785—1863),
gemeinen Grammati k und Sprachphiloso- Lotze, Charles Darwin (1809—1882), William
phie“ (1976; 1925—1950, Nachgel. Schriften Dwight Whitney (1827—1894), Otto Jesper-
I—III). sen (1860—1943), Michel Bréal (1832—1915),
Georg von der Gabelentz (1840—1893),
Brugmann.
2. Woher und wozu die Sprache? Während (1) und (3) k aum noch vertreten
Die erste Frage, die Marty beantworten will, werden, und sich die in der Vergangenheit
betrifft den Ursprung der Sprache (s. Art. 65). wichtigste Hypothese (2) erfolgreich modifi-
Zeitlebens steht sie im Mittelpunk t seines In- zieren läßt, wendet Marty sich hauptsächlich
teresses (Marty 1916—20. Ges. Schriften, I.2, gegen (4) und arbeitet (5) weiter aus. Die
V). Dabei ist die für ihn typische Methode, Methode, die es ihm erlaubt, die sogenannte
Fragestellungen einzuführen, bereits in sei- ›empiristisch-teleologische‹ Theorie zu ver-
nem ersten Buch (1875 b, 4—59) entwick elt. fechten, ist folgendermaßen beschrieben:
„Schon indem ich wiederholt und ausdrück lich
Die Frage ‘Woher k ommt die Sprache?’ zieht
leugne, daß historische Untersuchungen uns auf
die Frage ‘Was ist Sprache?’ nach sich. Und
die wahrhaften Ursprünge der Sprache führen
beide lassen sich nicht ohne eine Antwort auf
k önnten, ist offen genug gesagt, daß ich unter dem
die entscheidende dritte Frage ‘Wozu dient
Gebiet des Nachweisbaren in unserer Frage nicht
die Sprache?’ beantworten. Aus der geneti-
den Bereich des historisch Erweislichen meine. Ich
schen Perspek tive entwick elt sich die desk rip-
bezeichne aber auch noch positiv jene Verifizierung
tive, die sowohl das Wesen als auch die Funk -
durch die Erfahrung, welche ich für die Annahmen
tion der Sprache erk lären muß. Und so sieht
über den Sprachanfang verlange, als identisch mit
Martys Zusammenfassung der wissenschaft-
der Forderung, das solche und nur solche Kräfte
lichen Hypothesen aus, die in der Philosophie
und Fak toren als wirk sam statuiert werden, wie sie
seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
die heutige Beobachtung an der Hand einer psy-
aufgestellt worden sind: (1) die These vom
chologisch wohlbegründeten Analogie für die Ur-
göttlichen Ursprung (Marty 1875 b, 6 ff); z. B.
zeit erschließen läßt“ (1916—20, Ges. Schriften I.1,
bei Johann Peter Süßmilch (1707—1767),
237 Fn).
Jean-Jacques Rousseau (1712—1778), Lord
Monboddo (= James Burnett, 1714—1799), Unter Empirismus versteht dann Marty
(2) die Erfindungstheorie, die „eine Wahl eine Theorie „ohne unerwiesene Annahme“
und Gestaltung der Sprachzeichen irgendwie (1916—20, Ges. Schriften I.1, 307), d. h. so-
planmäßiger Berechnung und Reflexion zu- wohl ohne Beziehung auf ›Reflexe‹, die nur
schreibt“ (1916—20, Ges. Schriften I.2, 307); „ein Versuch [sind], Tatsachen aus Fik tionen
z. B. bei Pierre Louis Moreau de Maupertuis zu erk lären“ (Marty 1916—20, Ges. Schriften
(1698—1759), Charles de Brosses (1709— I.2, 238), als auch ohne unmittelbaren Rek urs
1777). Johann Gottfried Herder (1744—1803) auf übermenschliche Hilfe dort, wo die
(s. Art. 26), Tiedemann, menschlichen Kräfte ersichtlich ausreichend
(3) die Zufallstheorie (1875 b, 51—58); z. B. sind. Eine strenge Wissenschaft ist nämlich
bei Lazarus Geiger (1829—1870), durch Ök onomie ihrer Hypothesen ausge-
(4) der Nativismus, d. h. „die Annahme, zeichnet. Aber Marty will seine Antwort auf
448 II. Personen

die Ursprungsfrage nicht nur als empiristisch, will, primär ein Selbstbewußtsein [...], sondern wie
sondern auch als teleologisch verstanden wis- Tiedemann und vor ihm Lock e und Aristoteles
sen, insofern er die Rolle der Absicht bei jeder gelehrt haben, vor allem und in erster Linie ein
Mitteilung hervorhebt. Sprache ist dabei als Mittel zur Kundgabe des eigenen inneren Lebens
πάρεργον (Hilfsmittel) begriffen, während zum Behufe der Beeinflussung des fremden und
Handeln als planlos, wenn auch nicht als erst sek undär [...] auch ein Unterstützungsmittel
wahllos, zu gelten hat (cf. Marty 1875 b, 70; für das einsame Denk en. Wenn aber dies, dann ist
74; 1916—20 Ges. Schriften I.2, 157 f). Was auch das nicht eine rohe und oberflächliche, son-
für ein Telos aber hat, allgemein gesprochen, dern die einzig berechtigte Anschauung, daß sie ein
ein Mensch, wenn er spricht? Es sind nach System von Zeichen und nichts anderes sei“ (Marty
Marty: Mitteilung und Kundgabe. Die Be- 1916—20, Ges. Schriften I.2, 266).
nennung schreitet durch Nachahmung (so er- „Indem wir von Sprachphilosophie, wie indem
k lärt sich die Onomatopöie), Assoziation (so wir von Sprachwissenschaft reden, gebrauchen wir
ergeben sich metaphorische und metonymi- das Wort ‘Sprache’ vornehmlich im Sinne der ab-
sche Übertragungen), Gewohnheit (noch sichtlichen Kundgabe des inneren Lebens durch ir-
ohne Überlegung und Schlußfolgerung) und gendwelche Zeichen, insbesondere durch Laute und
Analogie fort, so daß „aus einer geringen Zahl zwar durch solche, die — wie die allermeisten
von elementaren Lauten mit k onventionell Worte unserer Lautsprachen — nicht durch sich
gewordener Bedeutung durch mannigfaltige verständlich sind, sondern ihre signifik ative Kraft
Zusammensetzung der große Reichtum syn- der Gewohnheit und der Tradition verdank en“
tak tisch unterschiedener und gegliederter Zei- (Marty 1976, 3).
chen erwuchs, den wir eine fertige Sprache „Wie denn, wenn die Sprache nicht eine inner-
nennen“ (Marty 1916—20, Ges. Schriften I.2, lich notwendige, sondern ein absichtlich zum
161). Die menschliche Sprache ist dabei aus Zweck e der Verständigung, aber planlos und un-
den folgenden Gründen vornehmlich eine systematisch (und auf Grund einer mangelhaften
Lautsprache: Gabe, das eigene psychische Leben und seine In-
(1) die Lautäußerungen sind geeigneter, halte aufzufassen) herbeigeführte Darstellung der
„als Zeichen verwendet, große Mannigfaltig- Gedankenwelt wäre?“ (Marty 1976, 89).
k eit und leichte Unterscheidbark eit bei gerin- Für das Verhältnis von Sprechen und Den-
gem Aufwand von Zeit und Mühe zu bieten“; k en (s. Art 70) ergibt sich: „die Sprache soll
(2) sie „leisteten weiter auch der größeren dem Denk en entsprungen sein, aber dies setzt
Leichtigk eit der Auffassung von Seiten des Sprache voraus, und so ergibt sich ein Cirk el“
Hörers schätzbaren Vorschub“; (1875 b, 74). Marty k onstatiert die weitver-
(3) „ein anderer Vorzug der Laute ist, daß breitete Überzeugung, daß die Sprache ein
sie unter viel mannigfaltigeren Umständen notwendiger Ausfluß des Denk ens sei, und
verwendbar sind, als die Geberden“; begründet, warum es sich dabei um bloße
(4) „das Auge, Vorurteile handele:
(5) die Hände sind schon Werk zeuge zur „Wenn derartige Behauptungen wahr wären, dann
Erreichung anderer wichtiger Zwecke. k önnte es nur eine Sprache geben, für jeden Ge-
(6) Die Lautäußerungen boten den Vor- dank en nur ein richtiges und naturgemäßes Zei-
theil, daß sich rasch eine feste Gewohnheit chen. In Wahrheit aber gibt es zahlreiche Sprachen
bildete, in ihnen Kundgebungen, Mittheilun- und es sind alle gleich richtig“ (Marty 1925—50,
gen eines fremden Bewußtseins zu sehen“ Nachgel. Schriften III, 36 f).
(1875 b, 128 ff). Ebenso falsch wäre es jedoch, deshalb die
Wenn die Entstehung der Sprache erforscht Möglichk eit von treuen Übersetzungen zu
ist, sollte auch ein besseres Verständnis ihrer leugnen, zumal wenn es sich um eine Über-
Natur gewonnen sein. Marty erklärt: setzung bloßer Mitteilungen von ›Wahrheiten
„Mannigfaltige Mittel dienen dem Menschen zum und Tatsachen‹ handelt. Wenn allerdings die
Zweck der Kundgabe seines inneren Lebens. Wenn Sprache die Aufgabe hat, ästhetische Wirk un-
wir von Sprache im weiteren Sinne reden, befassen gen zu erzielen, dann wird eine sehr freie
wir darunter jede solche absichtliche Mittheilung, Übersetzung möglicherweise die treueste sein,
durch welche Zeichen sie auch geschehen mag. Die k ann es doch um die Wiedergabe rhythmi-
Sprache im engeren Sinne oder die vorzugsweise schen Wohlk langs oder um die Evozierung
sogenannte menschliche Sprache ist eine besondere von Nebenvorstellungen gehen, die nicht zur
Form jener Kundgabe, die sich der Artik ulation Bedeutung gehören. Keinesfalls aber ist die
der Stimme bedient und thatsächlich alle anderen These, Sprache sei absolut alogisch, haltbar.
Formen durch ihre hervorragende Vollk ommenheit Einen strengen Parallelismus zwischen unse-
und umfassende Verwendung übertrifft“ (1875 b, rem Denk en und den sprachlichen Formen,
61 f). die wir gebrauchen, gibt es nicht. Wohl aber
„So ist ja die Sprache [...] nicht, wie Steinthal
33.  Anton Marty (1847—1914) 449

sind die sprachlichen Zeichen Hilfsmittel des und gegenwärtig“ (Marty 1987, 50 f).
Denk ens, die seiner Unterstützung dienen. „Die Philosophie“, behauptete Marty in
Zur Widerlegung der Parallelismusthese be- seiner Rede beim Antritt des Rek torats, „geht
darf es sowohl epistemologisch als auch gram- darauf aus, Er k enntnisse zu gewinnen“
matikalisch verfeinerter Instrumente. (1916 a, 74). Dieses Ziel und die zu seiner
Erlangung notwendigen Mittel führen von
der Philosophie zur Psychologie (s. Art. 110).
3. Philosophie, Psychologie, Logik „Nicht nur die richtigen Begriffe des Guten, Wah-
und Sprachphilosophie ren und Schönen, die Grundlagen der Untersu-
chungen der Ethik , Logik und Ästhetik , sondern
3.1.  „Es ist zuzugeben, daß wenn man die auch die Begriffe der Metaphysik finden in der
Struk tur der Worte als genaues Abbild jener Psychologie ihre Erk lärung. Auch der Begriff der
der Gedank en betrachten k önnte, dies für die Gottheit ist nach Analogie zum Seelenbegriff ge-
beschreibende Psychologie zweifellos ein gro- bildet. Und die gesamte Lehre von der Existenz der
ßer Gewinn wäre. Denn [...] es gibt nicht Außenwelt ist zunächst eine Hypothese, welche ge-
leicht etwas Schwierigeres als das Studium der bildet ist zur Erk lärung der unmittelbar gegebenen
Gedank en, dieser flüchtigen Gebilde; wie vor- Tatsachen der Innenwelt, so daß auch die Natur-
teilhaft wäre es also, wenn man statt dieser wissenschaften in letzter Instanz auf der inneren
flüchtigen Gedank en, die so schwer zu be- Erfahrung ruhen“ (Marty 1987, 55; cf. 1976, 17 f).
obachten sind, die k onk reteren, leicht ver- Es soll und k ann hier nicht erörtert werden,
nehmbaren Worte oder überhaupt Zeichen ob Marty damit einem verwirrenden Psycho-
und ihre Struk tur studieren k önnte. Allein so logismus erliegt. Seine Auffassung von der
wünschenswert das wäre, so ist es doch völlig Psychologie ist weitgehend von der empiri-
illusorisch. Eine solche Substitution des Stu- schen Psychologie des 18. Jahrhunderts und
diums der Sprache für das Studium der Ge- von Brentanos Psychologie vom empirischen
dank en würde voraussetzen, daß ein wirk li- Standpunkt abhängig. Danach erforscht die
cher, strenger, absolut zuverlässiger Paralle- Psychologie die seelischen Beziehungen, also
lismus zwischen Wort und Gedank e be- die Bewußtseinsbeziehungen. Ihre Methode
stünde“ (Marty 1925—50. Nachgel. Schriften ist die Selbstbeobachtung und ihre Aufgabe
III, 40). zugleich auch Erkenntniskritik.
Die Leugnung eines solchen Parallelismus Zunächst ist es notwendig, „eine mik rosk o-
verlangt, sich unmittelbar dem psychischen pische Analyse des Bewußtseins [...], eine lük -
Leben, insbesondere dem Gedank en zuzu- k enlose Angabe seiner einfachsten Elemente
wenden. und ihrer elementaren Verbindungsweisen“
„Zum Seelischen rechnet man jetzt nur das, was in (Marty 1916—20, Ges. Schriften I.1, 123) zu
die innere Erfahrung fällt und nur das ist heute geben. Das ist die Aufgabe der desk riptiven
Gegenstand der Psychologie [...] wir k önnten auch Psychologie. Nur diese k ann als Grundlage
so sagen, die Psychologie handle von dem, was für die weitere Erforschung der psychischen
unmittelbar Gegenstand der Erfahrung ist. Denn Phänomene dienen, nämlich der Erk lärung
es läßt sich zeigen, daß nur das Seelische mit un- ihres Aufeinanderfolgens und der Bedingun-
mittelbarer Evidenz erfaßt wird, während wir von gen ihres Ursprungs. Dann handelt es sich
der Existenz der Materie nur durch Schlüsse etwas um genetische Psychologie. Um die Frage zu
wissen, [...] die Psychologie ist die Lehre von der beantworten, ob nach Marty die Psychologie
Seele und den seelischen Beziehungen, wobei Seele ihrem Objek tbereich oder ihrer Methode nach
das ist, was in unserem psychischen Leben das eine Naturwissenschaft ist, gilt es zu differen-
Mein und Dein in letzter Instanz unterscheidet. zieren.
Jeder von uns, so wie er sich innerlich gegenwärtig ‘Vera philosophiae methodus nulla alia nisi
ist, erscheint sich selbst in persönlicher Einheit und scientiae naturalis est’, hatte Brentano schon
Besonderheit, und das, was diese Einheit und Be- 1865 in seinen Habilitationsthesen behauptet.
sonderheit ausmacht, ist die Seele. [...] man nennt Mit der gleichen Forderung nach Strenge und
das, was der Seele gegenwärtig ist, das Objek t oder grundlegender Gewißheit lehnt Marty die
auch den intentionalen Gegenstand, und dieses Ge- phantastischen Ergebnisse der sogenannten
genwärtighaben von etwas nennt man das Be- ›spek ulativen Methode‹ ab. Der Gegenstand
wußtsein oder die mentale oder intentionale Bezie- der Psychologie aber, das psychische Leben,
hung [...]. Diese seelischen Beziehungen sind der gehöre nicht der Natur an. „Alles, was nicht
Hauptgegenstand der Psychologie. Denn die Seele Gegenstand der inneren Erfahrung ist, rech-
selbst ist uns nur in diesen Betätigungen, in diesen net man zu den Objek ten der Naturwissen-
Bewußtseinsbeziehungen zu Obje
k ten erfahrbar schaft“, lehrte Marty (1987, 50). Nur das See-
450 II. Personen

lische wird in der inneren Erfahrung und mit der Empfindung größer geworden wären, son-
unmittelbarer Evidenz erfaßt. Allerdings han- dern indem man sie jetzt in Folge anderweitiger
delt es sich dabei nicht um „unmittelbar evi- Änderungen besser bemerkt“ (1879, 109). Aber
dente apriorische Sätze, sondern um unmit- es gibt noch eine weitere Schwierigk eit bei der
telbar evidente Tatsachen, Sätze, die nicht Beschreibung unseres psychischen Lebens,
einen apodik tischen Charak ter haben wie die „daß j edem von uns nur ein einziges, nämlich
Mathematik , sondern einen assertorischen. sein eigenes Seelenleben zum direkten Studium
Wohl k ommt es in der desk riptiven Psycho- gegeben ist. Nur das nehme ich direk t wahr,
logie weiterhin auch zu analytischen, aprio- nur davon habe ich eine direk te Erinnerung,
rischen Erk enntnissen, zunächst aber muß der während jedes fremde Seelenleben für mich
desk riptive Psychologe von der Erfahrung ein verschlossenes Buch ist (Marty 1925—50,
von Tatsachen ausgehen“ (Marty 1987, 56). Nachgel. Schriften III, 106). Vernachlässigt
„Und da Klarheit nur durch Analyse zu geben man auch hier wieder Bemerk ungen zum Ver-
ist, so ist eine Hauptaufgabe der Beschreibung hältnis zwischen innerer Erfahrung und
[d. h. der desk riptiven Psychologie, S. R.] die Außenwelt, zur Verschiedenheit zwischen
Analyse des Seelischen in seine letzten Ele- Vorstellungen und Begriffen, und zum Wert
mente, wobei dann die wichtigsten Verbin- empirischer Verallgemeinerungen (Raynaud
dungsweisen dieser Elemente namhaft zu ma- 1982 a, 63—96), so läßt sich das Ergebnis
chen sind und auch zu sagen ist, welche Ver- seiner Analyse des psychischen Lebens wie
bindungen k onstant ausgeschlossen sind“ folgt zusammenfassen. Marty nimmt in der
(Marty 1987, 51). Aber „die Gesetze der de- Nachfolge Brentanos drei Klassen psychi-
sk riptiven Psychologie haben einen annä- scher Phänomene an: Vorstellungen, Urteile
hernd rein psychologischen Charak ter, wäh- und Phänomene des Interesses (d. s. die Ge-
rend die Untersuchungen der genetischen psy- mütsbewegungen, Liebe und Haß). Diese Ele-
chophysische oder vielmehr physiologische mente einer desk riptiven Psychologie k ehren
sind. [...] die Sätze der genetischen Psycho- in der Sprachforschung wieder. Die Bezie-
logie sind fast durchwegs unexak t, [...] dar- hung der Psychologie zur Logik stellt sich
über sind wir aber noch sehr wenig unterrich- Marty so dar, daß die Logik als Kunst des
tet. Darum müssen wir uns vielfach mit Ap- richtigen Denk ens den prak tischen Diszipli-
proximativem begnügen und auf das Exak te nen zugehört, mit der Psychologie als ihrer
verzichten [...] Die Gesetze der desk riptiven Grundlage. „Nur sollte man nicht vergessen,
Psychologie k önnen vollk ommen exak te Fas- daß man auch wieder — und viel öfter und
sung erfahren, sie gelten ausnahmslos“ natürlicher — unter ‘logischem Denk en’ ein
(Marty 1987, 52 f). den logischen Normen entsprechendes, unter
‘psychologischem’ alles Denk en versteht, wie
3.2.  Die Möglichk eit einer solchen Aus- es sich eben — bald in Übereinstimmung,
nahmslosigk eit bedeutet aber nicht, daß die bald in Widerstreit mit jenen Normen des
psychologische Analyse ohne Schwierigk eiten richtigen — nach psychologischen Gesetzen
bliebe. „Wohl ist die Wahrnehmung unserer abspielt. Und man sollte das sogenannte ‘psy-
psychischen Zustände unmittelbar evident chologische Denk en’ in j enem Sinne nicht mit
und untrüglich. Aber zum Beschreiben dieser diesem total verschiedenen k onfundieren“
psychischen Zustände genügt nicht bloß das (Marty 1976, 163). ‘Logisch’ wird bei Marty
Wahrnehmen derselben, das Perzipieren, son- auch im Gegensatz zu ‘sinnlich’ gebraucht,
dern [...] das Bemerken oder Apperzipieren und dann in engem Verhältnis zum richtigen
und das Bestimmen oder Deuten“ (Marty Urteil gesehen. Keinesfalls ist ›Logisches‹ von
1925—50, Nachgel. Schriften III, 92). Am ›Psychologischem‹ getrennt aufzufassen,
Ende seines Buches über den Farbensinn ebensowenig wie ein Gedachtes nie vom Den-
hatte Marty erk lärt: „Es gibt, sahen wir, beim k en getrennt ist. Marty vertritt einen strengen
Geschlechte sowohl als beim einzelnen Indi- Antiplatonismus (Raynaud 1982 a, 96—102).
viduum allerdings eine Entwick lung des ›Far- Die Erläuterungen Edmund Husserls (1859—
bensinnes‹, sofern man darunter das Vermö- 1938) und Brentanos über die Beziehungen
gen zur Beurtheilung, zur vergleichenden zwischen Logik und Psychologie, ihre Vertei-
Schätzung und Classification der Farben, ver- digung der Selbständigk eit und Apriorizität
steht, und es findet sich etwas Analoges auf der Logik treffen auch Martys Auffassung.
allen Sinnesgebieten. Überall werden Erschei- Bei dem Verhältnis zwischen Sprechen und
nungen, die man erst verwechselt hatte, später Denk en (s. Art. 71) handelt es sich nicht um
unterschieden, nicht indem die Unterschiede in eine bloße Widerspiegelung: „Doch man
33.  Anton Marty (1847—1914) 451

würde irren, wenn man glaubte, daß alle an- lassen“ (Marty 1976, 21).
fängliche Unzulänglichk eit und allmälige Ver- Von der prak tischen Sprachphilosophie,
vollk ommnung in der Bezeichnung der Far- die von ihm auch ‘Glossonomie’, ‘Glosso-
ben durchaus einer analogen Ausbildung des technik ’, ‘Sprachk ritik ’ oder ‘Sprachtechnik ’
Urtheils parallel gehe. Die Sprache ist nicht genannt wird, k ann man wenig sagen. Wich-
nothwendiger Ausfluß des Denk ens, sondern tig ist nur die These, die ihr zugrundeliegt:
zum Zweck e der Mittheilung entstanden und „Die Sprache ist ein Organ, das gewissen
darum nur soweit genau, als es dieses Inter- Zweck en dient“ (1976, 21). Damit eröffnet
esse erheischt, welches selbst einer fortschritt- Marty die Möglichk eit, eine Sprachästhetik
lichen Entwick elung aus bescheidenen Anfän- und eine Sprachlogik aufzubauen und dar-
gen unterliegt. Zu allen Zeiten, in früheren über hinaus auch eine prak tisch-philosophi-
am meisten, k onnte es geschehen, daß man sche Sprachbetrachtung vom Standpunk t des
Mehreres in Gedank en als sprachlich schied, Ethik ers und philosophischen Politik ers. Als
weil für die genaue Bezeichnung der Antrieb Krönung all dieser prak tischen Bestrebungen
fehlte“ (Marty 1879, 110). verweist Marty auf das Programm der Bil-
Gleichwohl k ann das Verhältnis zwischen dung einer wissenschaftlichen idealen Spra-
Wörtern und Gedank en vorteilhaft bei der che, einer characteristica universalis. Sie ist
›Erweck ung‹ von Bewußtseinsphänomenen weder leicht noch rasch realisierbar, sollte
sein. aber ein „auf die exak te Analyse unserer psy-
„Ein sehr deutliches Beispiel, wie die Assoziation chischen Erlebnisse und ihrer Inhalte gebau-
das Bemerk en begünstigt, ist das Nennen, das Nam- tes und deren Zusammensetzung aus den re-
haftmachen. Wenn eine Menge von Gegenständen lativ einfachsten Elementen soweit wie mög-
vor uns liegt oder eine Menge von Eindrück en lich nachbildendes Zeichensystem“ (1976, 27)
gleichzeitig auf uns einwirk t und einer dieser Ge- sein. Der wichtigste Teil der theoretischen
genstände oder einer dieser Eindrück e benannt Sprachphilosophie wird ‘allgemeine Semasio-
wird, so richtet sich sofort das Bemerk en darauf. logie’ genannt, denn „semasiologisch sind im
Je genauer die Benennung ist, desto sicherer und Grunde alle Betrachtungen über die Beschaf-
exakter ist in der Regel der Erfolg“ (Marty 1925— fenheit und Genesis der Sprachmittel als sol-
50, Nachgel. Schriften III, 100). cher“ (Marty 1976, 51). Marty erwähnt aber
auch die physiologischen, phonetischen und
historischen Forschungen zur Sprache und
4. Sprachphilosophie fügt hinzu: „Der Laut, die Artik ulationsbe-
und allgemeine Grammatik wegung und auch die bloße Lautvorstellung,
abgesehen von ihrer Funk tion, sind ja nicht
4.1.  Zur Sprachphilosophie gehören nach eine Sprachform. Sie werden dazu nur durch
Marty „alle auf das Allgemeine und Gesetz- die Bedeutung und sind somit nur dann als
mäßige an den sprachlichen Erscheinungen Sprachformen Gegenstand der Betrachtung“
gerichteten Probleme, welche durch eine heu- (1976, 51). Es bleibt dabei, daß die Resultate
ristische Zusammengehörigk eit sofern geeint der einfacheren desk riptiven Untersuchungen
erscheinen, als sie entweder psychologischer die notwendige Basis für eine Behandlung der
Natur sind oder wenigstens nicht ohne vor- k omplizierteren Probleme von der Genesis
nehmliche Hilfe der Psychologie gelöst wer- unserer Sprachmittel sind (vgl. Marty 1925—
den können“ (1976, 19). 50, Nachgel. Schriften III, 20 f). Martys Un-
„Ja die sprachlichen Erscheinungen [...] [sind] ih- terscheidung zwischen desk riptivem und ge-
rem vornehmsten Teile nach psychischer Natur“ netischem Gesichtspunk t in der Sprachwis-
(1976, 44). Die Sprachphilosophie in diesem Sinne senschaft wurde auch noch später hoch ge-
zerfällt in einen theoretischen und einen prak ti- schätzt (Raynaud 1982 a, 40; 114 f). Die Auf-
schen Teil, wobei der theoretische Teil seinerseits gaben der desk riptiven Semasiologie hängen
noch in einen desk riptiven und einen genetischen davon ab, wie die Funk tionen der Sprache
Teil zerfällt. Die theoretische Sprachphilosophie er- bestimmt sind. Die Semasiologie betrachtet
forscht die „Funk tion oder Bedeutung der Sprach- die Sprache „als Mittel zum Ausdruck für die
mittel sowie des Psychischen, das, ohne selbst zur psychischen Vorgänge im Redenden und die
Bedeutung zu gehören, bei der Erweck ung dersel- entsprechende Beherrschung des fremden See-
ben und beim Zustandek ommen der Verständigung lenlebens“ (Marty 1976, 53). Zuerst muß ge-
beteiligt ist — soweit sich in bezug auf dieses alles fragt werden: „Welcher und von wie vielerlei
nicht bloß k onk rete und individuelle Tatsachen, Art [...] die Funk tionen [sind], welche für die
sondern allgemeine Züge und Gesetze k onstatieren Sprache unentbehrlich sind, falls sie ein lük -
k enloses Ganzes von Ausdruck smitteln für
452 II. Personen

die fundamentalen Kategorien des Auszu- sind nicht a priori zu beantworten. Darüber und
drück enden (oder die logischen Kategorien in über vieles andere, was die allgemeine Grammatik
diesem weiteren Sinn) sein soll“ (Marty 1976, auch interessiert, k ann nur die Erfahrung Auf-
53 f). Aber k eine der historisch gegebenen schluß geben“ (1976, 57 f).
Sprachen weist sich als „ein lück enloses Sy-
stem von Zeichen aus“ (1976, 54). Daraufhin 4.2.  Den genannten zwei Aufgaben der all-
k ann sich die desk riptive Semasiologie der gemeinen Semasiologie entsprechen wie-
zweiten Aufgabe zuwenden, nach Überein- derum zwei Aspek te der allgemeinen Gram-
stimmungen und Unterschieden in den ver- matik : als ein wissenschaftliches Verfahren
wendeten Ausdruck smitteln zu fragen. Auch und als ihr wissenschaftliches Ergebnis. Der
dabei handelt es sich um die „Erk enntnis eines Ansatz Martys erk lärt sich aus dem engen
Notwendigen resp. Unmöglichen, welche die Zusammenhang von Psychologie und Sprach-
allgemeine Semasiologie auch in ihrem de- philosophie und der Ablehnung eines Paral-
sk riptiven Teil zu gewinnen und zu vermitteln lelismus von Denken und Sprechen:
habe“ (Marty 1976, 56). „Wohl zerlegt sich hier für den Blick des psycho-
Marty nimmt den Plan einer allgemeinen logischen Analytikers das k omplexe Ganze unserer
Grammatik wieder auf (s. Art. 44). Er bezieht Bewußtseinszustände und ihrer Inhalte in eine An-
sich insbesondere auf die reine Grammatik , zahl nicht weiter auflösbarer Elemente, welche teils
die Husserl in seinen Logischen Untersuchun- wirk lich trennbar sind, und getrennt vork ommen,
gen vorgeschlagen hat, aber auch auf Über- teils auch bloß distink tionell eine Anzahl nicht wei-
legungen bei Aristoteles, bei den Stoik ern und ter analysierbarer Seiten unterscheiden lassen. Und
bei den Scholastik ern, auf die Grammaire gé- eine planmäßig und aufgrund einer solchen, nach
nérale et raisonnée von Antoine Arnauld Brentanos Ausdruc k ‘mi
k ros
k opischen Anatomie
(1612—1694) und Claude Lancelot (1615— des Bewußtseins und seiner Inhalte’ gebildete, wis-
1695) sowie auf Lock es An essay concerning senschaftliche Sprache wird jene Elemente und Sei-
human understanding und die Nouveaux essais ten des Auszudrück enden durch elementare Zei-
sur l’entendement humaine von Leibniz. In der chen wiedergeben und den Ausdruck für ihr k on-
Methode aber unterscheidet sich die allge- stantes. Zusammenvor k ommen oder ihre wech-
meine Grammatik Martys von der reinen und selnde Verk nüpfung durch, nach festen Regeln ge-
apriorischen Grammatik Husserls. Marty gibt bildete, Verbindungen jener elementaren Zeichen
ihr nämlich eine empirische Grundlage, k eine gewinnen. Und sie würde so, soweit dies überhaupt
apriorische. möglich ist, das innere Fadenwerk des verschlun-
„Ohne weiteres sei denn zugegeben, daß in Hinsicht genen Gewebes unseres psychischen Lebens in der
auf die semantische Seite unserer Sprachmittel es Syntaxe der Ausdruck smittel nachzeichnen. Allein
auch solches gibt, was in dem Sinne notwendig ist, es wäre schwerer Irrtum, zu glauben, daß schlecht-
daß sich sein Gegenteil als apriori unmöglich zu weg jede Sprache notwendig jene Struk tur der aus-
erk ennen gibt. So leuchtet es z. B. m. E. analytisch gedrück ten Inhalte durch eine analoge Syntaxis der
ein, daß es k ein Sprachmittel geben k ann, welches Ausdruc k smittel wiedergeben müsse. Es bedarf
ein Urteilen k undgäbe ohne implizite ein Beurteil- k aum der Bemerk ung, daß k eine der wirk lichen
tes, das zugleich vorgestellt ist, auszudrück en, und Sprachen auch nur entfernt jenem Ideale entspricht,
k ein Ausdruck smittel für ein Interessephänomen, obwohl jede — wie auch immer planlos und un-
das nicht implizite etwas ausdrück te, was Gegen- vollk ommen — jene art de decomposer la pensée
stand des Interesses und zugleich, sei es beurteilt, (um mit Condillac zu sprechen) in gewissem Maße
sei es wenigstens vorgestellt ist [...] ja auch daß übt“ (Marty 1976, 58 f).
jeder Ausdruck eines einfachen Urteils entweder Diese syntak tische Bildung einer natürli-
ein Zeichen der Bejahung oder Verneinung invol- chen Sprache ist eine besondere Folge des
viere usw. All’ dies ist a priori k lar, weil eben auf Strebens nach Zeichenersparnis oder Scho-
der Analyse der bezüglichen Vorstellungen (diese nung des Gedächtnisses. Für den philosophi-
selbst freilich aus Erfahrung und nur aus Erfahrung schen Grammatik er ist es von größter Wich-
gewonnen) einleuchtet, daß es k ein Urteilen geben tigk eit, das ganze architek tonische Gefüge je-
k ann ohne ein Beurteiltes, welches zugleich vorge- nes Idealbaues menschlicher Sprache zu k en-
stellt ist [...] ferner, daß sich an unserem Urteilen nen und vor Augen zu haben, um den Bau
nicht bloß die obengenannten qualitativen Diffe- der wirk lichen Sprachen an ihm zu messen.
renzen (Anerk ennen und Verwerfen), sondern auch So erst läßt sich beurteilen, wo beide überein-
der Unterschied der Evidenz und Blindheit, sowie stimmen und wo sie voneinander abweichen.
derjenige des apodi k tischen und assertorischen Jenes architek tonische Gefüge allein k ann den
Charak ters finden und welche von diesen Seiten wirk lichen Sprachen und ihren Grammatik en
des urteilenden Verhaltens durch Sprache mitteilbar gegenüber nicht als ein ›Gerüst‹ im Husserl-
sind und welche nicht, sowie analoge Fragen [...], schen Sinne gelten, sondern als eine „Vorlage,
die sie nachzuzeichnen suchen soweit ihre un-
33.  Anton Marty (1847—1914) 453

vollkommene psychologische Erkenntnis es er- „Man k ann [...] alle Ausdruck smittel der Sprache
laubt und die Not dazu drängt, oder die Be- als Formen, d. h. als ein Formendes bezeichnen, in
quemlichkeit nicht zum Gegenteil führt“ dem oder in denen als Stoff oder Inhalt das Mit-
(Marty 1976, 59 f). Die Logik muß sich daher zuteilende, die Bedeutung, zur Darstellung k omme,
von der Grammatik emanzipieren und um- und man hat dies auch getan. Doch wird dabei
gek ehrt. „Nicht bloß die Urteile und die ihnen zweck mäßig eine äußere und innere Sprachform,
zugrunde liegenden Begriffe, um die der Lo- in der der Inhalt erschiene, auseinander gehalten.
gik er sich k ümmert, sondern auch unsere Ge- Äußere Sprachform nennt man passend diejenigen
mütsbewegungen und Willensentschlüsse und Züge des Ausdruck smittels für ein gewisses Mit-
das freie, dichterische, nicht auf Erk enntnis zuteilendes, welche beim Blick auf die gegenwärtige
abzielende, sondern bloß den Gesetzen der Beschaffenheit desselben äußerlich oder sinnlich
Ideenassoziation und der Lust am Schönen ›wahrnehmbar‹ sind; innere Sprachform dagegen
folgende Spiel der Vorstellungen k ommt in solche Besonderheiten der Ausdruck smethode, die
[der Sprache] zum Audruck “ (Marty 1916— nur innerlich erfahren werden k önnen. Genetische
20, Ges. Schriften II.2, 60). Marty lehnt es als Eigenheiten endlich sind solche Unterschiede in der
töricht ab, „die lebenden Volk ssprachen zu einen oder anderen Richtung, über deren Eigenart
behandeln, als wären sie von Logik ern und uns nicht die bloße Erfahrung der gegenwärtigen
Grammatik ern gebildet, und als ließen sich Beschaffenheit und Funk tionsweise eines Sprach-
demgemäß ihre Formen als lück enlos und mittels, sondern nur die Mitberück sichtigung ihrer
harmonisch gegliedertes System aus einem Entstehung belehrt“ (Marty 1976, 121 f).
Prinzip deduzieren“ (Marty 1916—20, Ges. In Bezug auf die äußere Sprachform deutet
Schriften II.2, 64). „Der menschliche Geist Marty eine ganze Reihe möglicher Unterein-
nützt — hingegen — ganz verschiedene Me- teilungen an. „So zerfällt ja, wenn man hier
thoden aus, um denselben semantischen Auf- zunächst Geberden und Lautzeichen unter-
gaben zu genügen“ (Marty 1976, 87). scheidet, z. B. die letztere Klasse widerum in
Gebilde, welche einfache Worte, Wortfügun-
gen und Wortk omposita sind usw.“ (Marty
5. Form und Stoff. Die sprachlichen 1976, 195).
Formen und die Bedeutung „Allein wie k am man zur Ausgestaltung und Wahl
relativ einfacher Laute und Lautverbindungen von
5.1.  „Es ist nämlich sehr wesentlich, sich dar- der Art, wie sie in unseren Sprachen gefunden wer-
über k lar zu sein, von welchem Bilde her die den? [...] Der Mensch [hat sich] auch zum Behufe
Anwendung der Ausdrüc k e ‘Stoff’ und der Verständigung durch Laute das Dienliche und
‘Form’ auf das sprachliche Gebiet übertragen Dienlichste aus der Unzahl der Möglichk eiten aus-
ist. Ein solcher Stoff- und Formbegriff gewählt, und da k am es natürlich darauf an, in
stammt aus der Antik e, von Aristoteles. Das bequemster Weise, d. h. mit möglichst geringem
aristotelische εἶδος (lat. forma) gegenüber Aufwand von Zeit und Mühe, über eine beträcht-
ὕλη (lat. materia) stammt in Umwandlung liche Zahl wohlunterschiedener Zeichen zu verfü-
der platonischen Idee metaphorisch offenbar gen. Gerade die Möglichk eit, welche das Gebiet der
aus dem Bereich der Plastik : die ›Form‹ der Lautäußerungen vor dem der Gebärden bot, an-
Statue als das Bestimmende, Wesentliche, Le- fänglich gewiß unbequeme Gebilde zu einfacheren
ben Gebende gegenüber dem bei der Um- und bequemeren abzuschleifen, so, daß sie gleich-
wandlung bleibenden ›Stoff‹; in diesem anti- wohl unterscheidbar blieben und sich ohne Mühe
k en aristotelischen Formbegriff liegt zugleich und in wohlüberschaubarer Weise k ombinieren lie-
auch ein dynamisches Moment: ›Form‹ als ßen, trug viel dazu bei, der Verständigung durch
innere gestaltende Kraft am rohen Stoff [...] Laute schließlich den Sieg über die Gebärdenspra-
Diese Terminologie ist nicht diej enige Martys. che zu sichern. [...] Auch heute sehen wir ja in der
Martys Form und Stoff nehmen bedeutungs- Sprache und Schrift jene Tendenz nach Ersparnis
mäßig vielmehr ihren Ausgangspunk t von von Zeit und Mühe noch fortwährend tätig. Ihr, in
dem Bilde eines Gefäßes oder einer Gewan- Verbindung mit dem Bedürfnis nach einer größeren
dung, die als Form den Inhalt, den Körper, Menge unschwer unterscheidbarer Zeichen, ist es
das Stoffliche umschließen; es ist dieselbe Me- denn zu verdank en, daß etwas wie unsere artik u-
tapher, wie sie bei einem dichterischen Kunst- lierten Sprachen entstanden ist und daß [...] im
werk vorliegt, wenn wir von ›Form‹ und ›Ge- Durchschnitt in allen Sprachen die leichtesten
halt‹ (Stoff) zu sprechen gewohnt sind. Dem- Lautverbindungen die häufigsten sind, während die
nach ist für die Sprache zunächst ›Stoff‹ das schwereren bloß sporadisch auftreten“ (Marty
Geistige, der Bereich der Bedeutungen, der 1916—20, Ges. Schriften I.2, 223 ff).
von der ›Form‹ umschlossen wird oder in sie Anders als die Junggrammatik er achtet
eingekleidet erscheint“ (Funke 1940, 13 f). Marty mehr auf die Rolle der psychischen als
454 II. Personen

die der bloß physischen Kräfte und mecha- gehend Übertragungen in ihrer Bedeutung er-
nischen Gesetze im Bereich der Lautung. fahren und, sofern ihr ursprünglicher Sinn
Wenn man z. B. an Wörtern wie ‘candidati’, noch im Bewußtsein ist, wirk t er nur als fi-
‘Feder’, ‘Guillotine’, ‘gothischer Stil’, ‘Ara- gürlich innere Sprachform weiter. ‘Ich habe
besk e’ usw. denk t, bemerk t man eine Über- gesehen’ bedeutet die Vergangenheit; das ›Be-
tragung dieser Bezeichnungen und ein Außer- sitzen‹ (als ursprüngliche Bedeutung von
gebrauchgeraten ihrer ursprünglichen Bedeu- ›haben‹) ist höchstens nur noch innere
tungen. Sprachform. ‘Wenn A wäre, so wäre B’;
„Das sie bestimmende und erk lärende Moment, ‘wäre’, ursprünglich der Vergangenheit ange-
was man die innere Sprachform genannt hat, [k ann] hörig, hat aber in diesem Satz nichts mehr
aus dem Bewußtsein entschwinden. Die sprachli- mit Vergangenheit zu tun. [...] Und [...] so
chen Bezeichnungen erfahren bei längerem Ge- auch mit Präpositionen und Konjunk tionen:
brauch mannigfache Wandlungen in dem Bestand ‘weil’ (ursprünglich: ‘all die Weile’) hat, wenn
der mit ihnen associierten Vorstellungselemente; neue k ausal verwendet, nichts mehr mit Zeitlichem
Merk male werden in demselben aufgenommen, an- zu tun. Also: auch bei Sprachmitteln, die nicht
dere fallen aus — sei es, indem die bezeichneten ›Namen‹ (Begriffswörter) sind, k ann es vor-
Dinge selbst sich ändern, sei es, indem bloß unsere k ommen, daß bei einer ganz anders gearteten
Auffassung von ihnen wechselt — und der Ausfall Verwendung der ursprüngliche Sinn noch
k ann auch den Merk malen widerfahren, welche den durchschimmert; dann k önnen wir auch da
Grund der Namengebung bildeten. Die Römer von figürlich innerer Sprachform reden. Ist
nannten diejenigen, die sich um ein öffentliches dagegen die Nebenvorstellung nicht mehr im
Amt bewarben, candidati, weil sie in weißer Klei- Bewußtsein [...] dann sprechen wir von gene-
dung in der Volk sversammlung zu erscheinen hat- tischer innerer Sprachform“ (Marty 1925—50,
ten. Der Name Candidat für einen Mann, der sich Nachgel. Schriften I, 93 f).
um ein Amt bewirbt, ist geblieben; aber das weiße
Kleid ist den darnach Genannten nicht mehr cha- 5.2.  Sowohl die Benennung als auch die syn-
rakteristisch“ (Marty 1875 b, 97 f). tak tische Bildung k ann und muß sich oft auch
Veranschaulichen wir uns die Erscheinung mit Hilfe der inneren Sprachform realisieren.
zunächst durch Beispiele: „‘etwas link s liegen „Und ich verstehe unter Syntaxe jeden Fall,
lassen’. Was ist die Bedeutung? ‘Sich um etwas wo eine Vereinigung von Zeichen [...] eine
nicht k ümmern, es nicht beachten’. Außer Bedeutung besitzt, welche nicht die einfache
dieser Bedeutung verbinden wir mit den Wor- Summe der Bedeutungen der Elemente bildet,
ten aber auch ein Bild, und zwar ‘etwas zur und wo eine Weise des Bedeutens auftritt, die
link en Hand lassen, d. h. nicht darnach grei- k eine selbständige, sondern ein bloßes Mit-
fen’. Dieses Bild, diese Neben- oder Hilfsvor- bedeuten ist“ (Marty 1916—20, Ges. Schriften
stellung ist die figürliche innere Sprachform. II.2, 92).
Andere Ausdrück e: ‘Blutorange’; an Blut im „Man hat, wo verschiedene syntak tische Aus-
eigentlichen Sinne, etwa wie bei ‘blutdürstigen druck sweisen denselben Inhalt deck ten, die Iden-
Raubtieren’, denk en wir dabei nicht; auch da tität des letzteren verk annt und umgek ehrt die Viel-
handelt es sich um ein bloßes Bild (= die deutig
k eit gewisser grammatischer Kategorien
figürliche innere Sprachform). Die auffällig- übersehen, weil dasselbe Bild, dieselbe innere Form
sten Beispiele ergeben sich, wenn man auf die die verschiedenen Bedeutungen begleitet. [...] Ich
Bezeichnungen für Psychisches achtet. Fast bei wage die Behauptung, daß das alte und verbreitete
jedem dieser Ausdrück e ist neben der Bedeu- Dogma von der Zweigliederigk eit des Urteils, die
tung noch ein vom Sinnlichen hergenomme- Meinung, daß jede Aussage Subjek t und Prädik at
nes Bild im Spiele: ‘erschüttert’, ‘erbaut’, ‘nie- habe, auf einer Verwechslung von innerer Form
dergeschmettert’, ‘in gehobener Stimmung’, und Bedeutung beruht und ebenso die oft gehörte
‘schwank end im Urteil’, ‘fester Wille’, ‘ich Lehre, Subjek t und Prädik at drück ten das Verhält-
begreife’, concedo, συμβάλλω; ‘ich bin auf nis von Inhärenz und Subsistenz aus“ (Marty
dem Holzweg’, ‘weder Kopf noch Fuß haben’; 1916—20, Ges. Schriften II.2, 94 f).
‘er läßt sich erweichen’, ‘er k ocht vor Zorn’ „Die Genesis der Erscheinung ist einfach die:
u. ä. m. (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften daß eine Ausdruck sweise, die der Äußerung einer
I, 92). Nicht nur bei den Namen, sondern gewissen Klasse von Urteilen (den Doppelurteilen,
auch bei den sogenannten Partik eln (Kon- d. h. dem Zu- und Aberk ennen) angepaßt war, auf
junk tionen, Präpositionen usw.) k ommt die eine ganz andere Klasse (die einfache Anerk ennung
figürliche innere Sprachform vor. „Einige Bei- und Verwerfung) übertragen wurde, daß sie einen
spiele: die sogenannten Hilfszeitwörter wie Funk tionswechsel erfuhr, und zwar so, daß mit dem
‘ich habe, wäre, sollte, dürfte u. a.’ haben weit- der früheren Funk tion dienenden Organ auch noch
eine Erinnerung an jene als Begleitvorstellung der
33.  Anton Marty (1847—1914) 455

jetzigen Bedeutung bestehen blieb. So ist es bei den Marty in den Untersuchungen zur Grundle-
sogenannten Impersonalien und dem Existential- gung der allgemeinen Grammatik und Sprach-
satz. Sie haben in Wahrheit weder Subjek t noch philosophie zuerst als ›nur durch innere Er-
Prädik at (das ‘es’ in: ‘es regnet’ ist nicht wahrhaft fahrung erfaßbar‹ dargestellt.
Subjek t, das ‘ist’ in: ‘Gott ist’ nicht wahrhaft Prä- „Meistens wenn wir zueinander reden, tun wir es
dik at, sondern bloß Rudiment eines solchen), aber durch eine Mehrheit von Wörtern, die nur durch
sie erweck en diesen Schein und haben durch ihn ihr syntak tisches Zusammenwirk en den Sinn wie-
viele Logik er und Grammatik er getäuscht“ (Marty dergeben. Vielen unter ihnen k ommt überhaupt
1916—20, Ges. Schriften II.2, 96). eine Funk tion zu, vermöge deren sie für sich allein
Das Bild der figürlichen inneren Sprach- nicht einen vollständigen Sinn zu erweck en ver-
form hat teils den Zweck , ästhetisches Ver- mögen [...] und nicht wenige von diesen sind für
gnügen zu erweck en, teils „den Zweck das sich allein genommen überdies vieldeutig, so daß
Verständnis zu vermitteln, also ein Band der sie aus doppeltem Grunde der Mitwirk ung anderer
Assoziation zu dienen zwischen dem Laut und Zeichen und des Zusammenhangs bedürfen, um das
der durch ihn wirk lich gemeinten Bedeutung“ gewünschte Verständnis zu erweck en. Kurz, ge-
(Marty 1976, 135). Mit dem Was ist auch das wöhnlich bildet die Bedeutung einer k leineren oder
Woher und Wozu der inneren Sprachform größeren Anzahl von Worten ein Ganzes, dessen
beantwortet, wie es die empiristisch-teleolo- Teile nicht für sich sondern nur zusammen im Be-
gische Theorie verlangt (Marty 1976, 139). wußtsein gegeben sein sollen, ja unter Umständen
„Diese ›innere Form‹ besteht in gewissen Vor- bloß so gegeben sein k önnen, obwohl jene Worte
stellungen, die durch unsere sprachlichen natürlich nicht simultan, sondern nur nacheinander
Ausdrück e erweck t werden, aber nicht selbst geäußert und dem Hörer vermittelt werden. Aber
deren Bedeutung bilden, sondern nur dazu wenn auch das einzelne Wort nicht alles zu sagen
dienen, sie nach den Gesetzen der Ideenas- vermag, was durch die ganze Wortfolge gemeint
soziation zu erweck en. Das erstbeste Beispiel ist, so erweck en doch auch schon diese aufeinander
einer Metapher oder Metonymie, und jede folgende Teile des Satzes gewisse Vorstellungen und
Sprache ist voll von solchen, macht k lar, was Erwartungen in bezug auf das, was durch das
gemeint ist“ (Marty 1916—20, Ges. Schriften Ganze gemeint ist, und auch durch diese vorläufigen
II.2, 68). Vorstellungen wird [...] das Verständnis irgendwie
„Mit alledem stimmt denn auch die Tatsache, daß vorbereitet und vermittelt“ (Marty 1976, 144 f).
wirk lich die Wurzellaute unserer Sprachen Begriffe Nur ist diese Vermittlung manchmal glück -
ausdrück en, die aus Anschauungen physischer Phä- licher, manchmal weniger glücklich.
nomene, und insbesondere solche, welche aus Ge- „Keine Sprache drück t alles explizite aus, was wir
sichtswahrnehmungen abstrahiert sind. Es k onnte mitteilen wollen; jede gleicht mehr oder weniger
nicht ausbleiben, daß diese prima appellata als in- einem Stenogramm und einer Sk izze. Es ist immer
nere Form für zahllose neue Bezeichnungsmittel ein gewisser, oft sogar ein großer, Unterschied ei-
benutzt, daß — wie es die Etymologie zeigt — jene nerseits zwischen dem, was der Sprechende denk t
frühesten Bezeichnungen für Sinnliches und speziell und fühlt und der verstehende Hörer ebenso zu
Sichtbares in der mannigfachsten metaphorischen denk en und zu fühlen hat, und andererseits zwi-
und metonymischen Art auf andere Inhalte über- schen dem, was davon explizite zum Ausdruck
tragen wurden, die anderen Sinnesgebieten ange- k ommt. Die Disk repanz ist in verschiedenen Spra-
hörig oder gar nicht mit den Sinnen wahrnehmbar, chen und Sprechweisen (dem Telegrammstil gegen-
sondern nur der inneren Erfahrung zugänglich über dem Briefstil, dem poetischen gegenüber dem
sind“ (Marty 1916—20, Ges. Schriften II.2, 74). didak tischen) vor allem eine graduell verschiedene“
Die innere Sprachform besteht „durchaus (1976, 145).
nicht immer in einem Moment des bedeuteten All dies wird von Marty ‘k onstruk tive in-
Inhalts, sondern oft in etwas [...], das zu ihm nere Sprachform’ genannt. Auch hier handelt
bloß im Verhältnis der Assoziation nach Ähn- es sich um „eine Vorstufe und gleichsam Vor-
lich
k eit oder Kontiguität steht“ (Marty halle des Verständnisses und nicht [um] dieses
1910 c, 102). selbst“ (Marty 1976, 149; cf. Raynaud 1988,
„Wir sagten, unter den Begriff der inneren 367—384).
Sprachform falle alles das, was von der ak -
tuellen Beschaffenheit und methodischen Ei- 5.3.  Stellung und Betonung k önnen in ein
gentümlichk eit eines Sprachmittels nur durch und derselben Sprache eine Mannigfaltigk eit
innere Erfahrung erfaßbar ist“ (Marty 1976, von Funk tionen haben und tatsächlich haben
134). Aber nicht nur die Erscheinungen der sie sie auch in Sprachen wie dem Deutschen,
figürlichen inneren Sprachform, sondern auch Lateinischen oder Griechischen. „Ähnlich wie
andere Phänomene des sprachlichen Aus- die Betonung k ann auch die Voranstellung
druck s und des Verständnisses werden von nicht bloß Neuheit bedeuten, sie k ann auch
456 II. Personen

einen Gegensatz, eine polemische Spitze zum stellung beziehungsweise der Tiefenstruk tur
Ausdruck bringen, und wer will behaupten, der Bedeutung, und die innere Sprachform,
daß dergleichen immer mit dem Subjek t zu- besonders die syntak tische figürliche innere
sammenfalle?“ (Marty 1916—20, Ges. Schrif- Sprachform, mit den Vorgängen der Oberflä-
ten II.1, 354). Entgegengesetzte Gewohnhei- chenstruk tur, die zur phonetischen Vorstel-
ten konnten sich nämlich leicht entwickeln. lung, d. h. zur äußeren Sprachform, beitragen.
„Die Unterschiede der Stellung und Betonung
mußten gegenüber dem fortschreitenden Bedürfnis
nach feinerem und unzweideutigerem Ausdruck der 6. Allgemeine Semasiologie
mannigfachen syntak tischen Verhältnisse mehr und
mehr dürftig und unzulänglich erscheinen. Darum 6.1.  Sprechen ist nach Marty auch eine
wurden sogenannte grammatische Formen zur Be- Handlung (cf. Marty 1916—20, Ges. Schriften
zeichnung jener Verhältnisse und des Unterschiedes II.1, 158). „Absichtliches Sprechen ist eine
der Redeteile ausgestaltet, und mit der Bildung besondere Art des Handelns, dessen eigentli-
solcher festen Assoziationen wurde die Wortfolge ches Ziel ist, in anderen Wesen gewisse psy-
und Betonung, die durch jene der fundamentalen chische Phänomene hervorzurufen. Dieser In-
Konstruk tion des Satzbaues dienenden Gewohn- tention gegenüber erscheint die Kundgebung
heiten gebunden war, wieder frei. [...] Aber tat- oder Anzeige der Vorgänge im eigenen Inne-
sächlich haben sich in Sprachen wie das Deutsche, ren nur als ein Mittel oder πάρεργον (1976,
Lateinische usw. feste grammatische Formen zur 284). Vor uns haben wir „eine doppelte Weise
Bezeichnung der Redeteile gebildet. Dadurch ist des Bezeichnens, ein primär oder sek undär
die Wortstellung in gewissem Maße frei geworden, Intendiertes und dem entsprechend ein mit-
und nun k ann ihr Wechsel einer Vielheit verschie- telbares und unmittelbares. Und wie für das
denartiger Zweck e dienen. Was mit dieser Freiheit letztere den Terminus Ausdrück en oder Äu-
gemeint wird, ist bek annt: neben einer traditionell ßern, so wollen wir im Sinne und Dienste der
üblichen Wortfolge, die man gewohnheitsmäßig mittelbar und primär intendierten Zeichen-
festhält, so oft k ein Motiv zur Abweichung vor- gebung (in der Regel) den Terminus Bedeuten
handen ist, treten Inversionen auf. Die Beweg- und Bedeutung verwenden. Ein Sprachmittel
gründe dazu sind bald ästhetischer, bald, wie man habe die Bedeutung oder Bedeutungsfunk tion
sich ausdrück t, ›logischer‹ Natur, und man pflegt z. B. einer Aussage heißt uns also: sie sei in
im letzteren Falle auch die Ordnung der Worte der Regel bestimmt (und in gewissen Grenzen
‘logisch’ zu nennen im Gegensatz zu gemeinübli- auch fähig), dem Hörer ein Urteilen von be-
chen, die die ‘grammatische’ heißt. Unter ‘logisch’ stimmter Art zu suggerieren oder zu insinu-
ist dann alles zu verstehen, was der größeren Leich- ieren“ (1976, 286). In welchen Grenzen auch
tig
k eit und Eindringlich k eit des Gedan k enaus- fähig? Zunächst im Kreis derer, welche die
druck s oder des Verständnisses dient“ (Marty betreffende Sprache ›verstehen‹, weiter dann,
1916—20, Ges. Schriften II.1, 357 ff). wenn der Sprecher „als Autorität und Garan-
„Die alte Stilregel, der natürlichen Ideen- tie für die Wahrheit des Geurteilten“ (Marty
verbindung (liaison des idées) gemäß zu 1976, 287) gilt.
schreiben, ist eben leichter gesagt als befolgt. „Welcher und von wie vielerlei Art — diese
Nicht immer bietet sich von Anfang die Wen- Frage ist an die Spitze zu stellen — sind die
dung, die dem natürlichen Gang der Gedan- Funktionen welche für die Sprache unent-
k en entspricht, sei es daß die Unk larheit sei- behrlich sind, falls sie ein lückenloses Ganzes
nes Denk ens selbst nicht ein logisch zweck - von Ausdruck smitteln fundamentaler Kate-
mäßiges Fortschreiten desselben zur Entfal- gorien des Auszudrück enden (oder der logi-
tung k ommen läßt, sei es daß die mangelnde schen Kategorien in diesem weiteren Sinn)
Sprachgewandtheit für den vorschwebenden sein soll“ (Marty 1976, 53 f)?
Gedank en nicht sofort das passende Gewand „Das psychische Phänomen, welches zu er-
findet. Dann k ommt es zu unglück lichen oder weck en die primäre Intention und Bedeutung
geradezu verworrenen Konstruk tionen in der des Sprachmittels ist, hat einen Inhalt, welcher
Mitteilung (Marty 1916, Ges. Schriften II.1, ebenfalls das Bedeutete heißen mag, und dieses
364). ›einen Inhalt haben‹ ist [...] dann nicht etwas,
Der japanische Sprachwissenschaftler Sige- was den Charak ter einer Korrelation, sondern
Yuk i Kuroda (1972, 20 f) bezeichnet Martys nur den einer relativen Bestimmung besitzt“
Sprachtheorie, die die innere Sprachform als (Marty 1976, 496). Von den relativen Bestim-
wesentlichen Bestandteil unserer Ausdruck s- mungen hatte Marty gesagt: „sie k ommen den
methode begreift, als einen Prototyp der ge- Dingen in Wahrheit zu; aber offenbar nicht
nerativen Grammatik . Er vergleicht Martys als etwas Reales“ (1976, 333). Der Unter-
semantischen Stoff mit der semantischen Vor-
33.  Anton Marty (1847—1914) 457

scheidung von Form und Stoff im Blick auf tischen Sprachmittels ›zufliegt‹, mehr oder
die Bedeutung der Ausdruck smittel einer weniger verwandt sein wird, aber immer nur
Sprache „k ann als unbestreitbarer sachlicher eine Vorbereitung dafür ist“ (1976, 211).
Kern nur der Umstand zugrunde liegen, daß „Zum Begriffe eines autosemantischen
es in jeder Sprache teils solche Bezeichnungs- Sprachmittels gehört, [...] daß es für sich al-
mittel gibt, welche schon allein genommen der lein genommen der vollständige Ausdruck
Ausdruck eines für sich mittelbaren psychi- eines mittelbaren psychischen Erlebnisses ist.
schen Phänomens sind, teils solche, von denen Es werden also soviele Grundk lassen solcher
dies nicht gilt“ (Marty 1976, 205). Unter Be- Sprachmittel zu unterscheiden sein, als es fun-
zug auf die aristotelische Unterscheidung der damentale Klassen solcher psychischen Vor-
Zeichen in k ategorematische und synk atego- gänge gibt“ (Marty 1976, 226).
rematische behauptet Marty: „Nicht bloß und „Es zeigt sich, daß wir die Struk tur der
nicht immer handelt es sich darum, ob ein Gedank en in sich selbst, auf dem Wege der
Zeichen für sich prädik abel oder ob es nur inneren Wahrnehmung und Beobachtung er-
k omprädik abel sei, sondern es ist die Frage, k annt haben müssen, um beurteilen zu k ön-
ob es überhaupt selbstbedeutend oder bloß nen, was an der sprachlichen Struk tur logisch,
mitbedeutend fungiere. Diese letzteren Na- d. h. bedeutungsmäßig, und was in ganz an-
men oder die äquivalenten griechischen Ter- deren Fak toren begründet ist“ (Marty 1910 c,
mini: autosemantisch und synsemantisch VIII).
scheinen mir darum die angemessenen Be- „Es sind nämlich zwei wesentlich verschiedene Klas-
zeichnungen“ (1976, 205 f). „Man wird weiter sen zu unterscheiden: diejenigen, wo der Zusam-
fragen, was dabei — in der üblichen gram- mensetzung der Zeichen eine analoge Zusammenset-
matischen Terminologie ausgedrück t — unter zung in Gedanken oder überhaupt in der Bedeutung
‘Zeichen’ gemeint sei? Ob nur Worte und entspricht, wo also in dieser ein Anlaß zur Bildung
Wortgefüge oder auch Bestandteile von Wor- von Synsemantik a gegeben ist, und solche wo dies
ten. [...] Ich erwidere: Nicht bloß Worte und nicht der Fall ist. Die Rück sicht auf Zeichener-
Wortfügungen, auch Bestandteile von Worten sparnis und Schonung des Gedächtnisses ist zwar
k önnen unter Umständen teils als autoseman- auch bei der Bildung der ersteren wirk sam, aber
tisch, teils als synsemantisch gelten, oder an- sie ist doch nicht der ausschließliche Grund dafür.
ders ausgedrück t: auch Teile dessen, was man Bei der zweitgenannten Klasse dagegen ist dies der
da oder dort ein Wort nennt, k önnen unter Fall. Ich nenne mit Rück sicht darauf, daß man die
Umständen als besondere Träger einer Funk - Bedeutung der Sprachmittel oft k urzweg das ›Lo-
tion im Satze, als besondere Redeglieder, be- gische‹ im Gegensatz zum Sprachlichen oder Gram-
zeichnet werden“ (Marty 1976, 208). matischen an ihnen nennt, die einen ‘logisch be-
„Unter ‘Wort’ [...] verstehe ich jedes Sprachmittel, gründete’, die anderen ‘logisch nicht begründete’
das als besonderes Glied des Organismus der Rede Synsemantik a“ (Marty 1925—50, Nachgel. Schrif-
empfunden und als besondere semantische Einheit ten I, 126).
behandelt wird. Ich sage nicht: eine besondere se-
mantische Einheit ist. Denn wie schon früher be- 6.2.  Kehren wir jetzt zu der Bestimmung der
merk t wurde, k ann man dies selbst von den logisch verschiedenen Bedeutungen zurück . „Alles,
begründeten Synsemantik a nur in einem weiteren was die Sprache ausdrückt, sind [...] die psy-
Sinne, im strengen Verstande aber bloß von den chischen Beziehungen und ihre Obj ekte. Wer
Autosemantik a sagen. Allein die Rück sicht auf Zei- einen richtigen Überblick über sie besitzt, über-
chenersparnis und bequemere Ausdruc
k sweise schaut damit auch alle semantische Möglich-
haben nicht bloß in Anlehnung an jene Linien und keiten, die irgendeinmal in irgendeiner Sprache
Einschnitte, welche in der Bedeutung selbst als An- verwirklicht sein können“ (Marty 1925—50,
haltspunk te für eine natürliche und logisch begrün- Nachgel. Schriften III, 41). Marty übernimmt
dete Gliederung der Bezeichnungsmittel vorgege- in toto die Klassifik ation der psychischen Phä-
ben sind, sondern vielfach auch weit darüber hinaus nomene, die Brentano in seiner Psychologie
zur Schöpfung und Verselbständigung von beson- vom empirischen Standpunkt vorgenommen
deren Gliedern oder Teilen der Rede geführt“ hatte, und er bleibt ihr treu. Die von Brentano
(Marty 1925—50, Nachgel. Schriften II, 46). selbst an seinen eigenen Gedank en später vor-
„Nach meiner Meinung“, so erwidert genommenen Änderungen, insbesondere in
Marty Husserl, „ist der Gedank e, der ein syn- Von der Klassifikation der psychischen Phä-
semantisches Zeichen erweck en k ann, nur ein nomene, lehnt Marty ab. Die autosemanti-
vorläufiger, ein Stück k onstruk tiver innerer schen Sprachmittel unterscheidet Marty in
Sprachform, das mit dem fertigen Verständ- Vorstellungssuggestive, Aussagen und Emo-
nis, welches erst dem Ganzen des autoseman- tive, die jeweils den Vorstellungen, Urteilen
458 II. Personen

und Interessephänomenen entsprechen, so- Synthesen, mögen sie individuell oder univer-
wohl denjenigen, die in dem Angeredeten er- sell sein“ (Marty 1976, 435).
weck t werden, als auch denjenigen, die vom „Die Bezeichnung ist jedesmal eine Abbre-
Sprecher k undgegeben sind. In gleicher Weise viatur, weil die zugehörige Bedeutung oder der
unterteilt er die logisch begründeten Synse- Begriff jedesmal ein unvollständiger oder ab-
mantik a in solche, die den Ausdruck von Vor- breviativer ist und entweder überhaupt nicht
stellungen, von Urteilen und von Interesse- alles oder wenigstens nicht explizite alles ent-
phänomenen unterstützen. hält, was man schlechthin am Gegenstand
Das Aussprechen des Namens ruft in der bemerk en und auffassen k önnte“ (Marty
Regel eine Vorstellung im Redenden hervor; 1976, 163). Aber der Unterschied, der zum
sein direk ter Zweck ist es aber, im Hörer eine Beispiel zwischen ‘Tier’ und ‘Säugetier’ be-
gewisse Vorstellung wachzurufen, und es ist steht, ist ein anderer als der zwischen ‘Ziegen-
diese primäre Intention, die Bedeutung des bock ’, ‘Meck -Meck ’ oder ‘der Bärtige’. „Diese
Namens genannt wird. Nun spricht man aber Abbreviatur, die möglicherweise bei der fi-
im allgemeinen nicht bloß davon, was der gürlichen inneren Sprachform vorliegt und
Name bedeutet, sondern auch von dem, das die darin besteht, daß die Bezeichnung für
er nennt. „Man k önnte versuchen, die Unter- den Begriff von derjenigen für ein einzelnes
scheidung zwischen dem wirklichen und im- Merk mal hergenommen ist, ist nicht notwen-
manenten Gegenstand hier heranzuziehen und dig eine Folge davon, daß nicht der ganze
zu sagen, die Namen nennten das erstere, das Begriff gedacht würde — während jene an-
zweite dagegen sei ihre Bedeutung“ (Marty dere Abbreviatur, welche in jedem Namen
1976, 385). und Begriffe im Verhältnis zum Gegenstände
„Sollten wir also diesem Gebrauche des liegt, tatsächlich darin wurzelt, daß, wenig-
Terminus Vorstellungsinhalt [...] folgen und stens wenn es sich um ›Substanzen‹ handelt,
ihn (d. h. den immanenten Gegenstand des k einer unserer Begriffe den Gegenstand mit
Vorstellens) die Bedeutung, den Gegenstand expliziter Vollständigk eit zu erfassen vermag“
schlechtweg (oder den eventuellen wirk lichen) (Marty 1976, 164). Aber nicht alle Vorstel-
aber das Genannte nennen? Das hielte ich lungssuggestive sind Namen. Der Terminus
k einesfalls für richtig“ (Marty 1976, 391). Name „ist für diejenigen Vorstellungssugge-
„Wie der immanente Gegenstand der Vor- stive im Gebrauche, welche als Subjek t oder
stellung, so ist auch sein Analogon, der im- Prädik at verwendet werden k önnen“ (Marty
manente Inhalt des Urteils und des Interesses 1976, 278). Marty deutet auch eine Synthese
eine Fik tion“ (399). Wir schreiben das Nennen im Vorstellungsgebiete an, insofern die attri-
den Namen zu „mit Rück sicht auf die Ge- butive Verbindung nur als durch Reflexion auf
genstände, welche den dadurch erweck ten eine Prädikation entstanden begreifbar ist
Vorstellungen eventuell in Wirk lichk eit ent- (s. Art. 77). Er behauptet die Unabhängigk eit
sprechen oder wenigstens (ohne Widerspruch) der attributiv zusammengesetzten Begriffe
entsprechen k önnten. Diese sind das Ge- von der Einfachheit oder Gliederung des be-
nannte“ (Marty 1976, 436). Die primäre In- treffenden Namens, z. B. Haus, großes Haus,
tention der Vorstellungssuggestive ist es, im usw.
Hörer die gleichen Vorstellungen zu erweck en „Wo aber eine solche Vorstellungssynthese durch
wie die beim Sprechenden, soweit dies über- einen gegliederten Namen ausgedrück t wird, da sind
haupt sprachlich möglich ist. Jedenfalls sind die Glieder, sofern sie zu einem solchen attributiven
Anschauungen von Psychischem, die unbe- Ganzen gehören und solange sie in dieser Verbin-
grenzt variieren, nicht im strengen Sinne dung fungieren, nicht wahrhafte Namen an sich
durch Sprache mitteilbar. „Und von den An- (nicht Autosemanti
k a), sondern mitbedeutende
schauungen von Psychischem gilt dies (auch, Teile eines solchen (logisch nicht begründete Syn-
soweit sie nicht solche von Physischem vor- semantik a) [...] Es bedarf k aum der Bemerk ung,
aussetzen), falls sie streng individuell sind“ daß nicht bloß durch die Verbindung von Adjektiv
(Marty 1976, 433). Namen und Vorstellungs- und Substantiv prädi k ative Vorstellungssynthesen
suggestive k önnen also nur intendieren, Vor- zum Ausdruck k ommen, sondern auch durch Kom-
stellungen zu erweck en, die nicht Anschauun- position und auch Apposition von Substantiven
gen sind, vielmehr Begriffe, die aus Abstrak - (z. B. ‘der Mond, der trübselige Freund’), durch
tion, Reflexion oder Komperzeption hervor- Verbindung eines Substantivs mit einem Relativsatz,
gehen. „Und ebenso durch Worte mitteilbar mit einem Partizip, mit einem Possessivpronomen
sind endlich auch die aus irgendwelchen dieser (‘mein Buch’), mit gewissen Casus obliqui (‘das
elementaren, mitteilbaren Begriffe gebildeten Buch meines Freundes’), mit einer Ordnungszahl
(‘der zehnte Mann in der Reihe’), ebenso mit einer
33.  Anton Marty (1847—1914) 459

Kardinalzahl (‘drei Burschen’) u. a. m. Auch hier (‘mein Buch’; Determination + Korrelation),


gilt natürlich, daß nicht jedes der synsemantischen durch mancherlei Nebensätze [...]; denn ge-
Glieder, aus der Verbindung gelöst, sofort für sich rade in den Konj unktionen steck en abgek ürzte
als Name fungieren k ann. Wenn seine Form dort Ausdrück e für Korrelationen oder Determi-
speziell zum Ausdruck der Verbindung geprägt ist, nationen in Bindung mit k orrelativen Gedan-
muß ihm dieser Charak ter abgestreift werden“ k en“ (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften I,
(Marty 1925—50, Nachgel. Schriften I, 187 f). 196). Weitere Probleme der Kasus treten in
den Fällen auf, wo die inneren Sprachformen
6.3.  Eine zweite Art von ›Begriffsk omplik a- ins Spiel k ommen (cf. Marty 1910 c, 83—116).
tionen‹, die ebenfalls Anlaß für Synsemantie Es gibt verschiedene Möglichkeiten:
wird, bilden die Relationsbegriffe. Wir haben (1) „Die Bedeutung der Kasussyntaxe ist
„an den Casus obliqui (zusammen mit den sie eine Korrelation psychischer Art, der sprach-
regierenden Worten) das am meisten charak - liche Ausdruck bedient sich eines Bildes, das
teristische Ausdruck smittel und Suggestiv [...] der sinnlichen Anschauung näher liegt: z. B.
für die Korrelativa und relativen Bestimmun- ‘ich neige mich zu einer Ansicht hin’; [...] ‘ich
gen“ (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften I, bin im Irrtum’ und dergleichen mehr.
190 f) vor uns. „Die Namen der überk om- (2) Davon unterscheiden sich nun folgende
menen Kasusterminologie (Genetiv, Dativ, Fälle dadurch, daß bei ihnen die Vorstellung
Ak k usativ, Ablativ u. a. m.) sind — wie be- einer Korrelation überhaupt nicht mehr Sache
k annt — nach einzelnen Gebrauchsweisen der Bedeutung ist, sondern ein bloßes Bild
formaler Kasusflexionen in Gebrauch gek om- der inneren Sprachform und in diesem Sinne
men, weil unter der wechselnden Zahl von eine sprachliche Fiktion. Hierher zählen:
Funk tionen sich eine größere oder k leinere (a) Die modifizierende Kasussyntaxe, wel-
Gruppe k onstant zeigte, und somit k ann eine che darin besteht, daß die begriffliche Bedeu-
derartige Klassifi k ation und Benennung tung des regierenden Wortes durch das fol-
höchstens a potiori gerechtfertigt erscheinen. gende zweite Glied verbildlicht wird und so-
Denn, in der Tat, ist es ein Irrtum, zu glauben, mit die Bedeutung der ganzen Fügung nur in
daß unter dieser traditionellen Nomenk latur übertragenem Sinn zu verstehen ist; z. B.
der Kasus einheitliche und k onstante Bedeu- ‘Antigone bei Sophok les’, ‘der Schwan der
tungsk lassen zu verstehen seien“ (Marty Leda’ [...].
1925—50, Nachgel. Schriften I, 193). (b) Das Problem der grammatischen Ab-
„In den überlieferten Sprachen ist die Art der Kor- strakta und ihre Verwendung in der Kasus-
relation, welche zwischen den Gegenständen be- syntaxe. Die grammatischen Abstrak ta: wie
steht, die durch das regierende und regierte Wort ‘Röte’, ‘Größe’, [...], ‘Wahrheit’, ‘Gleichheit’,
bezeichnet sind, durch die Kasusform freilich sehr [...], ‘Hören’, ‘Sehen’, ‘Urteil’, ‘Vorstellung’
wenig sicher und k onsequent k enntlich gemacht. usw. sind nur scheinbar ihrer Form nach au-
Dieselbe Form dient in derselben Sprache dem Aus- tosemantisch; in Wahrheit sind solche Aus-
druck wesentlich verschiedener Korrelationen (z. B. drück e onomatoide Synsemantika [...]. Auto-
‘Roman proficisci’, ‘patriam diligere’; ‘der Kopf des semantisch — auf obige Beispiele bezogen —
Tieres’, ‘das Werk des Meisters’ [...]), während um- sind ‘Rotes’, ‘Großes’, ‘Gleiches’, ‘Hörender’,
gek ehrt für dieselbe Bedeutung wiederum eine Viel- ‘Vorstellender’ usw. In der Kasussyntaxe sol-
heit von Ausdrucksmethoden vorhanden sind (z. B. cher grammatischer Abstrak ta, wie z. B. ‘die
‘sich über etwas freuen’, ‘sich an etwas freuen’, Röte der Wolk e’, [...], ‘das Urteil des Herrn
‘sich einer Sache freuen’) mit verschiedenen inneren X’, [...] liegt die bildliche (oder irrtümliche)
Sprachformen [...]. Das eine aber wollen wir fest- Auffassung eines Teilverhältnisses vor nach
halten: wo immer eine Korrelation oder relative Analogie zu wirk lichen Teilverhältnissen phy-
Bestimmung und ihre Glieder sprachlich durch eine sischer Art wie ‘Dach des Hauses’, ‘Ast des
adäquate Gliederung von Redeteilen zum Aus- Baumes’, ‘Kopf des Tieres’ und dergleichen.
druck k ommen, da haben wir in diesen Redegliedern Mit der Auffassung des ›Abstrak tums‹ als
logisch begründete Synsemantika zu erblicken“ eines Teiles k ommt es zur Hypostasierung
(Marty 1925—50, Nachgel. Schriften I, 194 f). oder grammatischen Substantivierung solcher
Dieselben Begriffsk omplik ationen k önnen Eigenschaften, Ak zidentien, psychischen Mo-
sprachlich auch auf andere Weise bezeichnet difik ationen und Wertungen. Wir gebrauchen
werden als durch ›Kasus‹ (seien sie flexivisch solche Abstrak ta sehr häufig in subjek tischer
oder präpositional): „z. B. durch Adjektiva und prädik ativer Verwendung und vor allem
(‘k öniglicher Befehl’, ‘italienische Reise’, ‘ge- in solchen adnominalen Fügungen, um unsere
sunde Luft’), durch Adverbia (‘er wohnt hier, Mitteilung über das Universale bequemer und
dort’; ‘er reist westwärts’), durch Possessiva gefügiger zu gestalten. Aber diese ›Universa-
460 II. Personen

lien‹, die meines Erachtens jener Auffassung assertorisch oder apodik tisch sein. Aber diese
von fik tiven Teilverhältnissen ihren Ursprung Charak tere k önnen im Hörenden nicht durch
verdank en, sind besonders dem philosophi- das Vertrauen erzeugt werden, das der Hö-
schen Denk en gefährlich, wenn sie in ihrer rende der Urteilsfähigk eit des Sprechenden
Natur als onomatoide Synsemantik a ver- entgegenbringt. Was mitgeteilt werden k ann,
k annt werden“ (Marty 1925—50, Nachgel. „erstreck t sich nur auf die Vergegenwärtigung
Schriften I, 197 f). des beurteilten Gegenstandes (= die ›Materie‹
Aber wir erwähnten schon, daß nicht alle des Urteils) und auf den anerk ennenden oder
Vorstellungssuggestive Namen sind. Nicht verwerfenden (resp. zuerk ennenden) Charak -
alle Namen sind nämlich tatsächlich Namen. ter des urteilenden Verhaltens (= die ›Form‹
Marty verweist auf scheinbare Namen, „von oder ›Qualität‹)“ (289). Was aber gehört nun
denen nur das sicher ist, daß ihnen als innere zum Verständnis einer Aussage? Es sei zwar
Sprachform die Vorstellung eines nennbaren die „primäre Intention von Seite des Spre-
Gegenstandes entspricht [...] Wer sich in der chenden [...], ein (wenigstens nach Qualität
Ausdruck sweise bald dieser bald jener von und Materie) analoges Urteil im Hörer zu
den vielen Fik tionen bedient, welche die Ju- erzeugen, wie das, wofür in der Regel die
risten in Theorie und Praxis ersonnen haben, Aussage den Ausdruck bildet. Aber natürlich
ohne doch an sie zu glauben (ohne also z. B. gehört nicht dieser Erfolg zum Verständnis
den Staat und die Kirche ernstlich für ein- der Aussage. Vielmehr genügt es, daß der
heitliche Dinge und ›Personen‹ zu halten), der Hörende die Vorstellung des Urteilsinhalts ge-
gebraucht eine Menge scheinbarer Namen“ winne, dessen k orrespondierendes wirk liches
(1976, 136). In diesen wie in zahllosen anderen Urteilen die Aussage (üblicherweise) zu er-
Fällen gebe wohl jedermann zu, so Marty, weck en bestimmt ist“ (1976, 362). Auch in
daß die Vorstellung eines Dinges bei der Ver- diesem Fall ist es unerläßlich, die Formen der
wendung eines Substantivs eher ein Bild als Aussagen von ihren Bedeutungen zu unter-
eine ernstlich gemeinte Bedeutung sei; es ist scheiden. Es gibt nämlich viele Ausdruck s-
eine Folge der Erscheinungen der inneren methoden, durch die ein Urteil suggeriert wer-
Sprachform. „Ebenso ist es [...] häufig mit den k ann, es gibt aber nur zwei ›Modi‹ des
der Vorstellung des Tuns und Leidens beim Urteils: das einfache oder thetische einerseits,
Verb“ (1910 c, 87). Man muß daher immer das k ategorische, synthetische oder doppelte
wieder auf die Unterscheidung zwischen andererseits.
Form und Funk tion in den Ausdrück en von „Während das einfache, thetische Urteil
Urteilen achten. „Wenn man vom Ausdruck zwei entgegengesetzte Modi der Qualität auf-
des urteilenden Verhaltens (oder aber der Ge- weist (Bejahen und Verneinen), das syntheti-
müts- und Willenstätigk eit), der sich im Ver- sche oder ›k ategorische‹ stets ein Zuerk ennen
bum finitum gewöhnlich mit dem Ausdruck ist und hier nicht zwei Spezies einander ge-
eines Begriffes verbindet, absieht und nur den genüber stehen. Was man für ein Aberk ennen
Begriffsgehalt des Wortes ins Auge faßt, so hält, ist nicht — wie man gewöhnlich glaubt
zeigt sich, daß die verschiedensten [...] Dif- — ein primäres, sondern ein reflexes Urteil
ferenzen als Gehalt eines Verbs auftreten k ön- (z. B. es ist falsch, daß A B ist)“ (Marty 1976,
nen, die in anderen Fällen auch wieder den 293). Nach vielen Untersuchungen über sub-
eines sogenannten Substantivs bilden. Und jek tlose Sätze und den gegliederten Begriff
wie es so k eine sachliche oder logische Grenze des Subjek ts sollte Marty zu dem Schluß
gibt zwischen sogenannten Substantiv- und k ommen, daß die Aussage den Inhalt des
Verbalbegriffen, so auch nicht zwischen den k undgegebenen Urteils bedeute, soweit dieser
letzteren und den sogenannten Adjek tivbe- Inhalt durch Sprache direk t mitteilbar ist,
griffen“ (Marty 1910 c, 88). Marty erk lärt, mithin die Intention der sprachlichen Mittei-
eine Aussage bedeute, „daß der Hörer infolge lung direk t auf ihn gerichtet sein k ann. „Was
der Äußerung eines gewissen Urteils von Seite ich durch die Sprache einem anderen unmit-
des Sprechenden ebenfalls ein Urteil fällen telbar insinuieren k ann, ist nur, daß er etwas
solle“ (1976, 289). Dabei soll das hervorge- für seiend oder nicht seiend, gewesen oder
rufene Urteil in der Regel demjenigen gleich k ünftig, für A oder B seiend nimmt, nicht
sein, welches durch die Aussage ausgedrück t aber daß er es apodik tisch (oder mit apriori-
wird, „soweit eine solche Gleichheit direk t scher Evidenz) beurteilt. Diesen beschränk -
durch Sprache suggerierbar ist“ (289). Im teren Inhalt nennt man also vielleicht zweck -
Sprechenden wird nämlich das Urteilen ent- mäßig denjenigen Inhalt des Urteils, der zu-
weder evident oder blind, es wird entweder gleich Inhalt der Aussage ist, jenen reicheren
33.  Anton Marty (1847—1914) 461

dagegen den Inhalt, der dem Urteil an und selbst schon ein Urteil, und diese ›Anerk ennung‹
für sich und ohne Rück sicht auf sprachliche geht als Element in eine eigentümliche Verbindung
Mitteilung zuk ommt“ (Marty 1976, 360 f). ein, indem auf ihr wie auf einer Basis ein weiteres
‘Durch Sprache direk t mitteilbar’ heißt aber Urteilen aufgebaut erscheint. Indem ich sage: ‘die-
natürlich nicht, daß die sprachliche Form ses A’, ist A bereits anerk annt. Dieses Verhalten
einen vollk ommenen Parallelismus zum psy- wird nun zur Grundlage einer anderen Urteilsbe-
chischen Vorgang ausdrück t. Im Urteilsaus- ziehung gemacht, die man ein dem Subjek t Zu-
druck läßt sich am leichtesten anschaulich sprechen, Zuerkennen, Prädizieren nennt“ (Marty
machen, „wie es zu logisch begründeten Syn- 1925—50, Nachgel. Schriften I, 132) (s. Art. 77).
semantik a k ommen k ann und bei syntak ti-
scher Bildung der Sprachmittel k ommen muß. 6.4.  Daß die k ategorische Formel auf den
Doch soll damit durchaus nicht gesagt sein, Ausdruck einfacher Urteile durchschlägt, hält
daß etwa hier die Sprache überall die Struk tur Marty aufgrund der Natur ihrer Materie für
des Gedank ens treu nachgebildet hätte. Nein! begreiflich. Wer nämlich meint, „in solchen
nicht bloß beim Ausdruck der zusammenge- Sätzen wie: alle Wink el im Halbk reis sind
setzten Urteile, selbst bei demjenigen der ein- Rechte; k ein Ton ist eine Farbe u. dgl. werde
fachen Bejahung und Verneinung sehen wir ernstlich von den Wink eln oder Tönen oder
in der Gliederung der Zeichen vielfach nur gar von einen Subjek tbegriff ‘alle Wink el’,
eine Annäherung an die des Ausgedrück ten ‘k ein Ton’ etwas ausgesagt“ (1916—20, Ges.
gegeben“ (Marty 1925—50, Nachgel. Schrif- Schriften II.1, 267), der verwechselt die innere
ten I, 127). Das Wesen des Urteils ist das Form mit der Bedeutung. Vielmehr läßt sich
anerk ennende oder ablehnende Verhalten ge- in diesen Fällen besonders leicht begreifen,
genüber dem, was ich vorstelle. „Das beim wie man zur Übertragung der k ategorischen
einfachen Urteil der Gliederung des Gedan- Formel kommen konnte.
k ens in Materie und Qualität entsprechende „Vor allem ist sicher, daß Doppelurteile zeitlich
Schema des sprachlichen Ausdruck s wäre allen diesen einfachen Urteilen vorausgingen. Was
also, allgemein ausgedrück t, A + oder A —, zunächst empirische Affirmationen wie: einige
wobei A den Begriffsausdruck , (+) und (—) Menschen sind k upferrot, d. h. es gibt k upferrote
die Zeichen der Affirmation und Negation Menschen betrifft, so k onnte man gar nicht zu
repräsentieren. Doch k ann die Sprache na- diesem Satze gelangen, ehe man sich von der Exi-
türlich das gedank liche Vorbild auch verlas- stenz von Menschen überzeugt und unter ihnen
sen, und sie tut es tatsächlich in mannigfacher solche gefunden hatte, denen die Bestimmung k up-
Weise. Die vorerwähnte typische Formel der ferrot zuzuerk ennen war. Diese Induk tion aber
thetischen Aussage tritt in der lebendigen führte, wie sie in Doppelurteilen vor sich ging, so
Sprache selten adäquat verwirk licht auf“ auch naturgemäß zunächst auf das Doppelurteil:
(Marty 1925—50, Nachgel. Schriften I, 129). einige der Menschen sind k upferrot. [...] Analoges
Marty hat die „den uns naheliegenden Spra- gilt von Urteilen wie: alle Körper sind schwer; k eine
chen üblichen thetischen Formeln in die pseu- Blume ist schwarz. Sie ruhen auf Induk tion, und
dokategorischen und k onditionalen geschie- Doppelurteile von verwandtem Sinne sind ihnen
den“ (130), welch letztere er ›k onjunk tional‹ ursprünglich direk t vorausgegangen. Von den ana-
(disjunk tiv oder hypothetisch) genannt hat. lytischen Urteilen wie: Kein Dreieck ist vierseitig;
Unter den pseudok ategorischen (oder ›k ate- alle Körper sind ausgedehnt; k eine Farbe ist ein
goroiden‹), hat er die existentialen (z. B. ‘es Ton; Weiß ist nicht Schwarz usw. gilt allerdings
gibt ein Haus’) und impersonalen (z. B. ‘es nicht, daß sie durch Induk tion gewonnen seien.
regnet’), manchmal als subjek tlose Sätze be- Aber daß auch ihnen wenigstens irgendwelche
zeichnet (z. B. ‘tonat’), ausgesondert. Es han- Doppelurteile vorausgegangen sein müssen, geht
delt sich hier um fik tive Prädik ationen, die schon daraus hervor, daß ein prädik ativ zusam-
nur durch den sprachlichen Ausdruck den mengesetzter Begriff wie vierseitiges Dreieck , farb-
Schein von Prädik ationen erweck en. Der Ty- seiender Ton und dergleichen ihre Materie bildet,
pus allen Urteilens ist eine synthetische Weise Begriffsgebilde, welche [...] nur entweder in direk -
des Urteilens: ter Reflexion auf ein Doppelurteil oder nach Ana-
„es handelt sich um ein eigentümliches Zusammen, logie zu irgendeiner anderen durch solche Reflexion
welches mehr ist als eine bloße Summe, ein Zusam- gewonnenen Vorstellungsver
k nüpfung entstehen
men, das vielmehr ein eigentümliches Ganzes bil- konnten“ (268).
det, dessen Elemente nur einseitig voneinander lös- Den Wert des Subjek ts schildert Marty von
lich sind. Was in einem solchen wahrhaft k atego- zwei verschiedenen Gesichtspunk ten aus. Ei-
rischen Urteil wie: ‘dieses A ist B’ oder ‘ein gewisses nerseits wird meistens „derjenige Begriff ins
A ist B’ das Subjek t genannt wird, ist — nicht, wie Subje
k t aufgenommen, der ein Ganzes
man geglaubt hat, ein bloßer Begriff, sondern —
462 II. Personen

schlechtweg oder seinem vornehmsten Teile d. h. die Wortstellung, die Betonung oder die
nach auffaßt, weil eben die entsprechende Be- syntak tische Fügung, bedingen, und damit
stimmung in der Regel das bereits Bek annte ein verschiedenes psychologisches Subjek t
oder dasjenige ist, worauf man zweck mäßi- oder Prädik at erzeugen. Wichtig bleibt der
gerweise zuerst zu achten hat, um sich über logische Wert von Subjekt und Prädikat:
den Sachverhalt rasch und leicht ein Urteil zu „Subjek t im eigentlichen Sinne ist also ein Urteil,
verschaffen. [...] Nun überwog aber unter die- welches in eigentümlicher und nur durch Beispiele
sen Teilverhältnissen dasjenige von Ding und anschaulich zu machender Weise Element einer in-
Eigenschaft [...] allen anderen in der Häufig- nigen und nur einseitig trennbaren Synthese von
k eit [...]. So k am denn auch das ›Ding‹ oder Urteilen ist, und nicht von Subjek tvorstellungen
die Substanz am häufigsten dazu als Subjek t, hat, wer sich exak t ausdrück en will, zu reden, son-
das Ak zidens als Prädik at zu fungieren, dern von subjek tischen Urteilen. Ebenso ist das
m. a. W. die k ategorischen Aussage gab — Prädikat eigentlich nicht ein Begriff oder eine Vor-
zwar nicht vermöge ihrer Syntaxe, aber ver- stellung, sondern ein, wiederum nur durch An-
möge der besonderen Bedeutung der Subjek t- schauung zu verdeutlichender, besonderer Modus
und Prädik atsnamen — das Verhältnis der des Anerk ennens und Verwerfens, dessen Eigen-
›Inhärenz einer Eigenschaft im Dinge‹ häufi- tümlichk eit darin liegt, daß er auf einer einfachen
ger als irgendein anderes k und. Die Folge Anerk ennung als seinem Suppositum aufgebaut
davon war, daß dem sprachbildenden Be- und nicht von diesem ablösbar ist“ (Marty 1916—
wußtsein die Vorstellung der Substanz zum 20, Ges. Schriften II.1, 317).
Typus des Subjek ts und daß der Subjek ts- Darüber hinaus k ann man von einem
name zu etwas wie unser ›Substantiv‹ werden grammatischen Subjek t beziehungsweise Prä-
k onnte, einer Form, die, auch wo sie nicht dik at sprechen und ihm gegenüber den ent-
wirk lich ein Ding bezeichnet, doch das Be- sprechenden Gedank en logisches Subjek t be-
zeichnete unter das sprachliche Bild einer ziehungsweise Prädik at nennen „in k einem
Substanz rüc k t“ (Marty 1916—20, Ges. anderen Sinne, als um damit das, was Sache
Schriften II.1, 254 f). Andererseits „ist das der Bedeutung ist [...] zu bezeichnen im Un-
Subjek t, d. h. dasjenige, was im Doppelurteil terschied von dem, was nur sprachliches Kleid
zunächst anerk annt und zur Basis der ferne- und Zeichen ist“ (319). Nur die Grammatik
ren Zu- oder Aberk ennung gemacht wird, in k ennt außer dem prädik ativen noch ein attri-
der Regel etwas, was dem Sprechenden und butives und ein objek tives Verhältnis. Die Lo-
dem Hörer schon bek annt ist; Gegenstand der gik sieht überall bloß Prädik ate. Marty ant-
Zuerk ennung, Inhalt des Prädik ats dagegen wortet auf diese, zum Beispiel von Steinthal
ist eine neue unbek annte Bestimmung. Oder vertretene Position: „Die Sprache ist vollk om-
falls zunächst weder das eine noch das andere men im Rechte, wenn sie scheidet: einmal
bek annt ist, wird dasjenige zum Subjek t ge- zwischen einer attributiven Ver k nüpfung
macht, von dessen Existenz der Hörer sich zweier Namen, der als Bedeutung bloß eine
zweck mäßigerweise zuerst überzeugt oder prädik ative Vorstellungsverk nüpfung wie B
worauf er naturgemäß zuerst die Aufmerk - seiendes A entspricht, und einer wirk lichen
samk eit richtet, um sich des im ganzen Urteil Prädik ation wie A ist B. Nur letztere ist ein
behaupteten Tatbestandes zu vergewissern“ Urteil, erstere nicht. Diese k ann Materie eines
(254). Urteils sein, aber sie ist nicht selbst ein sol-
Die Unterscheidung von Subjek t und Prä- ches. Sodann aber sind prädik ative Verbin-
dik at, genauer von grammatischem, logi- dungen von Begriffen auch durchaus nicht
schem und psychologischem Subjek t bezie- die einzigen Vorstellungszusammensetzungen,
hungsweise Prädik at, wird von Marty sorg- die in der Materie unserer Urteile gegeben
fältig behandelt in Auseinandersetzung mit sein k önnen; [...] die Sprache besitzt mit gu-
den Theorien von Paul, Benno Erdmann tem Grunde sogenannte oblique Fügungen,
(1851—1921), Steinthal, Theodor Lipps wie die obliquen Kasus mit oder ohne Prä-
(1851—1914), Philipp Wegener (1848—1916) positionen, die adverbialen Bestimmungen
und Gabelentz. Marty unterscheidet die und dergleichen, und niemals läßt sich ihr
grammatische von der logischen Perspek tive Sinn als eine prädik ative Vorstellungsverbin-
so, daß die grammatische Form nicht dasselbe dung deuten oder in lauter solche auflösen“
ist wie der ausgedrück te Gedank e; des wei- (Marty 1916—20, Ges. Schriften II.1, 348).
teren k ann die Absicht oder Zweck mäßigk eit Endlich unterstreicht Marty in Abhebung
einer Mitteilung des Sprechers dem Angere- von denjenigen Forschern, die Subjek t und
deten gegenüber die Richtung des Ausdruck s, Prädik at lediglich durch starre sachliche Ver-
hältnisse bestimmt sehen, die Rolle des Zu-
33.  Anton Marty (1847—1914) 463

sammenhangs und die der Absichten der k ategorischen Formel gleichfalls logisch be-
Sprechenden: „für die Weise der Gliederung gründete Synsemantik a. Die logisch nicht be-
dieser Urteilsbestandteile [ist] auch, und zwar gründeten Synsemantik a sind dagegen eher
in hervorragendem Maße, der wechselnde Zu- als eine Folge des Strebens nach Verk ürzen
sammenhang der Gedank en und der Mittei- des Ausdruck s durch Kombination von Zei-
lung bestimmend“ (1916—20, Ges. Schriften chen anzusehen. „Da geschieht es häufig, daß
II.1, 340). Natürlich k ann eine bestimmte die abbreviierende Zusammensetzung der Zei-
Gliederung besser als eine andere auch ästhe- chen zugleich eine Scheidung und gleichsam
tischen oder rhetorischen Zweck en dienen. Im Artik ulation derselben involviert, die der na-
übrigen k ann es k eine Äquivalenz zwischen türlichen Artik ulation des ausgedrück ten ge-
Subjek t, d. h. Gegebenem, Interesselosem, be- dank lichen Inhalts nicht entspricht“ (1925—
reits Bek anntem, dem Worüber einereits, und 50, Nachgel. Schriften I, 225). Viele Konjunk -
Prädik at, d. h. Gefordertem, Neuem, Inter- tionen gehören hierher wie ‘aber’, ‘obschon’,
essierendem, dem Was andererseits geben. ‘gleichwohl’, ‘weil’, ‘damit’, ‘allein’, ‘denn’
„Stellung und Betonung k önnen in einer und und andere. „So haben wir in aber gewöhnlich
derselben Sprache eine Mannigfaltigk eit von das Äquivalent einer Aussage vor uns. Statt:
Funk tionen haben und haben sie auch in ‘der April ist da, aber das Frühlingswetter ist
Sprachen wie dem Deutschen, Lateinischen ausgeblieben’ sage ich gleichbedeutend ‘der
oder Griechischen (cf. Marty 1916—20, Ges. April ist da; das Frühlingswetter ist ausge-
Schriften II.1, 351). Es gibt dafür mehrere blieben. Die eine Tatsache ist das Gegenteil
Gründe. Während die primäre Regel natürli- dessen, was die andere erwarten ließe’ “ (226).
cher Prädik ation aus dem Wesen des Subjek ts Es gehören den logisch nicht begründeten
und Prädik ats fließt und besagt, daß beim Synsemantik a auch viele Adverbien an. „Sage
einsamen Denk en die Stelle des ersten durch ich: ‘dies ist notwendig so’; ‘dies ist evidenter-
die schon bek annte Bestimmung, die des zwei- maßen so’, so habe ich auch in diesen Adver-
ten durch die neue Bestimmung eingenommen bien wieder Äquivalente für die Aussage eines
werde, und wenn es sich um Mitteilung han- reflexen Urteils. Der explizite Ausdruck
delt, diejenige Bestimmung zum Subjek t ge- würde lauten: ‘dies ist so; daß es so ist, ist
macht wird, auf welche der Hörende die Auf- notwendig resp. evident’“ (230). Von Marty
merk samk eit zuerst richten soll, um die Mit- werden logisch nicht begründete Synseman-
teilung rasch und leicht zu verstehen und sich tik a, die der Abk ürzung dienen, unterschieden
über den Sachverhalt ein Urteil zu bilden, in diejenigen, „die eine (attributive Determi-
wechselt „die naturgemäße Prädik ation [...] nation durch Korrelation ausdrück en sowie
je nach Umständen, m. a. W. sie richtet sich diejenigen, so sich mit der Korrelation eine
nach einer Mehrheit von Regeln und Ge- (attributive) Determination verbindet“ (231).
wohnheiten, die sich gegenseitig ergänzen und Zum Beispiel ‘Ursache einer Krank heit’ statt
beschränk en“ (Marty 1916—20, Ges. Schrif- ‘Ursache von etwas, was eine Krank heit ist’
ten II.1, 338). Ob dann tatsächlich da oder oder ‘der Hund des Herrn X’ statt ‘der Hund,
dort durch „Stellvertretungen und einseitiges der einem Herrn zugehörig ist, welche X ist’.
Überwiegen der Wortfolge und Betonung die Angesichts der herausragenden Stellung der
assoziative Macht der grammatischen For- Aussagen im sprachlichen Handeln darf man
men eine Disk repanz zwischen sogenanntem die Besonderheiten einer anderen Klasse von
grammatischen und psychologischen (d. h. Suggestiven, also der interesseheischenden
Urteils-)Subjek t resp. Prädik at eintrete, [...] Äußerungen, nicht außer acht lassen. Es wäre
darüber k ann nur die Erfahrung entscheiden“ ein Irrtum zu glauben — und hier stimmt
(361). Marty mit Husserl nicht überein (cf. 1976,
368) —, der Inhalt aller unserer sprachlichen
6.5.  Wenden wir uns jetzt dem semantischen Mitteilungen seien Vorstellungen oder prädi-
Gesichtspunk t zu. In den thetischen Urteilen k ative Verbindungen von solchen. „Weder ist
faßt Marty als logisch begründete Synseman- das Urteil eine bloße Verbindung von Vor-
tik a ihre beiden Bestandteile auf, falls sie zur stellungen, das Doppelurteil so wenig als das
psychischen Urteilsstruk tur passen. Es sind einfache, noch liegt darin das Wesen derjeni-
dies das Sprachzeichen für die Urteilsmaterie gen psychischen Phänomene beschlossen, die
(das Vorgestellte und Beurteilte) und der durch Frage, Bitte und durch Wunsch- und
sprachliche Ausdruck für die Urteilsqualität Befehlsätze ausgedrück t werden. Der Fra-
(das Bejahen oder Verneinen). Sowohl das gende, Befehlende, Bittende drück en in Wahr-
Subjek t als auch das Prädik at sind in der heit Phänomene des Interesses, ein Verlangen,
464 II. Personen

Wollen oder Wünschen aus“ (Marty 1916— zeichnen. Den auf jene Vorstellungs- und Ur-
20, Ges. Schriften II.1, 323). Die interessehei- teilsgegenstände bezüglichen Ak t des Inter-
schenden Äußerungen oder Emotive dienen esses dagegen bringt sie häufig nur durch eine
unmittelbar dazu, „ein Fühlen oder Wollen besondere Syntaxe jener die Materie des Wun-
und dergleichen beim Sprechenden zu äußern sches oder Willens bezeichnenden Worte oder
oder auszudrück en [...] mittelbar [...] ein Phä- durch eine besondere Art der Betonung der-
nomen des Interesses im Hörer zu erweck en“ selben zum Ausdruck . Und wo Lautzeichen
(1976, 363). Mit bezug auf letzteres spricht dafür dienen, sind es Flexionen des Verbs oder
Marty auch hier von der Bedeutung; als Aus- der Hülfszeitwörter, ähnlich denjenigen, wel-
nahmen der Ausdruck sfunk tion erwähnt er che den Ausdruck der Vorstellungen zur Aus-
jedoch die Fälle der Heuchelei und die des sage ergänzen. ‘Sei stille!’ ‘Sie mögen acht-
gefühllosen Gebrauchs von Gefühlsausdrük - geben!’ sehen darum einer Aussage wie ‘Es ist
k en. „Das nächste Ziel der primären Intention Stille’; ‘Sie mögen (d. h. sie wollen) nicht acht-
dieser Äußerungen ist nicht die Belehrung geben’ äußerlich ganz ähnlich“ (1916—20,
(wie in gewissen Worten des Trostes, des Ta- Ges. Schriften II.1, 323). Zu den Bezeich-
dels, der Aufmunterung, die als Aussagen an- nungsmitteln, die dem Ausdruck und der Er-
zusehen sind), sondern die Beeinflussung des weck ung von Gemütsbewegungen und Wil-
fremden Gemütslebens durch Suggestion von lensak ten dienen, rechnet Marty den Vok ativ
Zuständen, die dem k undgegebenen eigenen und auch den sogenannten ›Dativum ethicum‹
Fühlen und Wollen im weitesten Sinne ent- (1910 c, 61 f). Zudem machen unter Umstän-
sprechen“ (Marty 1976, 364). Martys Theorie den Gesichtsausdruck und Tonfall dieselbe
hier wird von Karl Bühler (1879—1963) Aussage-, Bitt- oder Wunschformel zu einer
(s. Art. 38) sehr geschätzt, wie sich der fol- höflichen oder unhöflichen, freundlichen oder
genden Erk lärung ablesen läßt: „Dem Ob- abstoßenden. „Sage ich einem Gegner: ‘Sie
jek te des Interesses gegenüber befinden sich dürften sich irren’, so k ann es sein, daß dies
[hingegen] verschiedene Menschen oft in ver- sachlich nichts anderes heißt, als: ‘Sie irren
schiedenen Lagen. Was Schmerz oder Freude sich’. ‘Dürfte’ hat die Rolle übernommen,
erweck t, tut dies nicht notwendig und in der- nicht eine Unsicherheit meines Urteils, son-
selben Weise bei allen; was sich uns als lieb dern die Freundlichk eit meiner Gesinnung
empfiehlt oder uns als unlieb abstößt, hat auszudrück en und für meine Mitteilung eine
nicht für jeden diesen eigentümlichen Charak - freundliche Stimmung im Hörer zu weck en“
ter [...] Darum ist es nicht selbstverständlich, (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften I, 204).
daß, wenn ich mein Fühlen und Wollen k und- Es ist nicht schwierig einzusehen, daß sich
gebe, um dadurch dasjenige eines anderen zu auch in diesem Fall Erscheinungen der inne-
beeinflussen, damit immer intendiert sei, in ren Sprachform und einer Mitwirk ung von
ihm ein (auch nur nach Materie und Qualität) autosemantischen und synsemantischen Zei-
gleiches Interessephänomen zu erweck en, wie chen erkennen lassen.
dasjenige, welches in mir selbst vorgeht. Wer
k örperlichen Schmerz leidet, k ann nicht die
Intention haben, durch seine Rede völlig das- 7. Epistemologische und ontologische
selbe psychische Phänomen in anderen zu er- Voraussetzungen und
weck en, wohl aber Mitleid und den Willen Konsequenzen der Sprachforschung
zum Helfen“ (1976, 368). Ganz ähnlich äußert Die Unterscheidung von Form und Stoff
der Fragende den Wunsch, vom Hörer etwas durchzieht die ganze Semasiologie Martys.
zu erfahren. Aber was die Frage in diesem Mit ihr k ann er den Werk zeugcharak ter der
erweck en soll, ist der Wille, das Gewünschte Sprache auf fruchtbare Weise deutlich ma-
mitzuteilen. Wie von den Aussagen, so gilt chen. Es muß dabei k lar sein, daß es sich um
auch von den Emotiven, daß der Charak ter einen Entwurf handelt, der selbst nicht
des Richtig-chara
k terisiert-Seins, entspre- sprachphilosophisch fundiert ist, sondern in
chend dem der Evidenz, nicht direk t durch Erk enntnistheorie und Ontologie seine Wur-
die Sprache mitteilbar ist. Was das besondere zeln hat. Diese Wurzeln sollen jetzt noch k urz
Ausdruck smittel der Emotiven betrifft, so be- betrachtet werden.
hauptet Marty: „Die Sprache läßt sich vor- Erk enntnistheoretisch ist es von Bedeu-
nehmlich angelegen sein, die Vorstellungen tung, die Resultate der Selbstbeobachtung
und Urteile, welche dem Wunsch, Befehl usw. von den Kriterien der Klassifik ation zu un-
zur Basis dienen und ihn eigentümlich cha- terscheiden. Gleichgültig, ob es bei drei Klas-
rak terisieren, durch besondere Worte zu be-
33.  Anton Marty (1847—1914) 465

sen von psychischen Phänomenen bleibt oder Substanz Eines ist. Es würde besser sein für die
die innere Erfahrung wirk lich die einzig si- wesentlich andere Art, wie die nichtrealen Bestim-
chere Erk enntnis ist, ja sogar unabhängig da- mungen ihrem Subjek te innewohnen, eine andere
von, wie sich die Psychologie als Wissenschaft Bezeichnung zu bilden (etwa Emphyse oder der-
weiterentwick elt, die Einbindung der Sprache gleichen), damit die ›innere Sprachform‹, die durch
als ein menschlicher Handlungszusammen- das Wort ‘inhärieren’ erweck t wird, nicht beirre
hang in das psychische Leben ist ein Schritt und zu dem (wie schon bemerk t) so häufigen Fehler
in der Theorie Martys, der sich nicht mehr verführe, daß man das Nichtreale dem Realen in
umk ehren läßt (cf. Raynaud 1982 b, 371— Gedanken zu nahe bringt“ (Marty 1976, 357).
379). Um sich k ritisch gegenüber Einflüssen Die Art des Sprechens k ann also einerseits
des Sprechens auf das Denk en äußern zu k ön- unser Denk en irreführen, andererseits aber
nen, muß Marty über ein Wahrheitsk riterium durchaus auch korrigieren.
verfügen, das zudem auch das wirk lich mit
einer Bedeutung Ausgestattete vom bloß
scheinbar so Auftretenden zu unterscheiden 8. Das Erbe Martys
erlaubt. Unabhängig von der k ritischen Würdigung
„Wer ja davon spricht, daß die Sonne aufgehe,
der einzelnen theoretischen Beiträge Martys
während er doch k opernik anisch denk t und dies
durch die Nachwelt gibt es eine Tradition
auch vom Hörer voraussetzt, der gebraucht die
seiner Sprachphilosophie, die von seinen
Vorstellung des Urteilsinhalts, welcher zunächst
Schülern weitergetragen wurde. Zu ihnen ge-
durch seine Äußerung erweck t wird, nur als ver-
hören die Herausgeber seiner Gesammelten
mittelndes Glied für die Erweck ung eines anderen
Schriften, Eisenmeier, Kastil und Kraus, aber
Urteils. [...] So aber k ann es auch in mannigfachen
auch der ihm eng verbundene Anglist und
anderen Fällen sein: dasjenige, wovon man schein-
Sprachwissenschaftler Otto Funk e (1885—
bar sagt, es sei, ist bloß eine Fik tion der inneren
1973), der Martys Nachgelassene Schriften
Sprachform; sei es, daß jeder sie als solche erk ennt,
edierte. Gleichwohl hat Marty nie eine eigene
sei es wenigstens derjenige, welcher auf dem be-
sprachphilosophische Schule begründet. Er
treffenden Gebiete tiefere Einsichten hat. Und nur
hat im Laufe seines Lebens zwar sprachliche
wenn man bezüglich des Nichtrealen, indem man
Fragen behandelt, aber die Sprache seiner
ihm nicht eine wahrhafte Existenz zuschreibt, etwa
Prager Zeitgenossen, das Tschechische, blieb
meinte, daß nicht es, sondern stattdessen etwas An-
ihm immer fremd. Natürlich darf man nicht
deres, Reales existiere, k önnte der ganzen Lehre
die schwierige persönliche Lage Martys ver-
von einer hier gegebenen anderen Seinsweise ein
gessen, derentwegen ihm sein Aufenthalt in
dis
k utabler Sinn abgewonnen werden“ (Marty
Prag in mehrfacher Hinsicht als ein Exil er-
1976, 330).
schien. Diese persönlichen Probleme, die mit
Kraus behauptet: „In [dem] Nachweis vor seiner Isolierung in der ihrerseits einer fort-
dem fik tiven Charak ter des sogenannten im- schreitenden Isolierung unterworfenen deut-
manenten Objek tes findet Martys Lehre von schen Universität in Prag zusammenhängen,
der inneren Sprachform wohl ihre bedeutsam- hielten Marty davon ab, sich an den k ultu-
ste Bewährung. Spricht man von dem Abbilde rellen und gesellschaftlichen Auseinanderset-
der Wirk lichk eit in unserer Seele, so ist das zungen seiner Zeit zu beteiligen. Seine Ge-
selbst nur ein Bild der inneren Sprachform“ wohnheit, eine sehr detaillierte Exposition sei-
(1916, 36 f). Wer die Ontologie Brentanos ner Fragestellung den Lösungsvorschlägen
k ennt, mag sich fragen, ob Marty den Rea-
lismus mit ihm teilt oder nicht. Statt einer voranzustellen, führte zu einem Übergewicht
ausführlichen Antwort, für die hier nicht der der pars destruens über die pars construens
Ort ist (cf. Raynaud 1982 a, 231 f; 276—281) mit allen Folgen für Art und Umfang der
möchte ich nur darauf hinweisen, daß Marty Rezeption seiner Forschungen.
mehrere Klassen des Nichtrealen unterschei- Es ist deshalb auch nicht leicht, den Kern
det. seines Denk ens herauszupräparieren. Der gei-
„Das Nichtreale ist teils solches, das als Folge von
stige Abstand etwa zum linguistischen Prager
Realem gegeben ist, mit ihm entsteht und vergeht;
Zirk el wird allein schon dadurch dok umen-
teils solches, das k ein Entstehen und k ein Vergehen
tiert, daß dort Thesen aufgestellt und prak -
hat. Von der ersten Art sind z. B. zweifellos die
tische Forschungsinitiativen ergriffen werden,
nicht realen Relationen und relativen Bestimmun-
während Marty umfangreiche, der Polemik
gen, die wir dem Realen zuschreiben. Wenn man
breiten Raum gebende Abhandlungen
sie freilich ihm ›inhärierend‹ nennt, so ist dies nicht
schreibt — allein siebenhundert Seiten beim
glück lich, da dieser Terminus sonst von der Weise
ersten Band seiner Untersuchungen — neben
gebraucht wird, wie ein reales Accidens mit der
einer Vielzahl von Artik eln über ganz spezielle
466 II. Personen

Probleme wie zum Beispiel die subjek tlosen Wundtscher Lehren durch Marty spricht.
Sätze. — Um so bemerk enswerter sind die Formigari 1992, Anton Marty. Eine Sprachphilo-
sachlichen Berührungspunk te, ja sogar Kon- sophie in der Nachfolge Brentanos.
vergenzen, die zwischen Martys Sprachphi- Funk e 1924, Innere Sprachform. Eine Einführung in
losophie und der Sprachwissenschaft des Pra- A. Martys Sprachphilosophie.
ger Zirk els bestehen (cf. Raynaud 1982 a, Ein wertvoller Beitrag, der durch das spezifische
39—53; 1990, 54—95; 207—219; 330 ff; 358 f; Thema der inneren Sprachform wirk lich und in das
366—370; 377 f). Sie spiegeln sich in dem ganze Werk Martys einführt.
Widerhall, den Martys Denk en nicht nur im Kraus 1916, Martys Leben und Werke.
Prager Zirk el, allen voran bei Roman Jak ob- Die fast einzige Quelle biographischer Notizen und
son (1896—1982), gefunden hat, sondern eine gute, geschichtlich-theoretische Übersicht der
auch, insbesondere durch Vermittlung von Ja- veröffentlichten und zur Zeit nachgelassenen Werk e
k obson, im Mosk auer Zirk el, und weit dar- Martys.
über hinaus bei so verschiedenen Denk ern wie
Landgrebe 1935, Nennfunktion und Wortbedeutung.
Husserl, Gustav Gustavovič Špet (1879— Eine Studie über Martys Sprachphilosophie.
1940), Ludwig Landgrebe (1902—1991). Ein k ritischer Beitrag zu Benennungsgrund und
Martin Heidegger (1889—1976), Bühler und Bedeutungsfun k tion der Namen; Prädi
k abilität
Roman Ingarden (1883—1970). Marty wird und Bestimmung des Genannten durch den Zusam-
sogar in die geistige Nähe zu Ferdinand de menhang; Autosemantika und Synsemantika.
Saussure (1857—1913) (s. Art. 36) gerück t,
während der japanische Linguist Kuroda, der Marty 1875 b, Über den Ursprung der Sprache.
im Rahmen eines Chomsk y-Seminars auf Marty 1879, Die Frage nach der geschichtlichen
Martys Überlegungen gestoßen war, die Ver- Entwickelung des Farbensinnes.
wandtschaften mit der generativen Gram- Marty 1976, Untersuchungen zur Grundlegung der
matik herausgearbeitet hat. allgemeinen Grammatik und Sprachphilosophie.
Die Ak tualität Martys zeigt sich in seiner Marty 1910 c, Zur Sprachphilosophie. Die „logi-
synchronischen, auf struk turale und funk tio- sche“, „lokalistische“ und andere Kasustheorien.
nale Aspek te k onzentrierten Auffassung der Marty 1916—1920, Gesammelte Schriften I—II.
Sprache ebenso wie in seiner pragmatischen Marty 1925—1950, Nachgelassene Schriften I—III.
Perspek tive. So hat er die Unterscheidung Modenato 1971, Anton Marty: alcuni temi di psi-
zwischen grammatischer Tiefenstruk tur und cologia e di semasiologia.
Oberflächenstruk tur antizipiert und gleichzei- Der Aufsatz beschäftigt sich besonders mit Martys
tig auf die Abhängigk eit der Bedeutung psychologischer Lehre und bezieht sich auf die ent-
sprachlicher Ausdrück e von ihrem Kontext sprechenden Brentanoschen Themen.
(s. Art. 92), auf das ›Verwobensein‹ „des Kuroda 1972, Anton Marty and the transformatio-
Sprachlichen und Grammatischen“ (1916— nal theory of grammar.
20, Ges. Schriften II.1, 302 f) aufmerk sam ge- Der Artik el handelt von Martys innerer Sprach-
macht, einen Zusammenhang, der von der form im Verhältnis zu der generativen Grammatik ,
Textlinguistik erst sehr viel später in seiner besonders zu nonstandard Transformationstheo-
Bedeutsamkeit herausgestellt worden ist. rien. Die Lehre Martys ist hoch geschätzt.
Die Quelle der so vielfältigen wie reichhal-
tigen Ergebnisse von Martys sprachphiloso- Mulligan (Hg.) 1990, Mind, Meaning and Meta-
phischen Forschungen darf in seiner zur Mei- physics: the Philosophy and Theory of Language of
sterschaft ausgebildeten Fähigk eit gesehen Anton Marty.
werden, mögliche Antworten auf gestellte Bericht des Marty Kolloquiums, Fribourg 1984;
Fragen stets mit ihrem Gegensatz zu k on- mit einer vollständigen Bibliographie.
frontieren, um daraus die Kriterien für un- Parret 1976, Le débat de la psychologie et de la
abhängige Verbesserungen zu gewinnen. Eine logique concernant le langage: Marty et Husserl.
wissenschaftliche Umsicht, die noch jetzt zum Ein Aufsatz, der die Voraussetzungen der beiden
Nachdenken herausfordert. Auffassungen zusammenfaßt, Martys Kritik der
Parallelismusthese zwischen Sprechen und Denk en
und seine Lehre der inneren Sprachform besonders
9. Literatur in Auswahl im Rahmen der Syntax und der logisch begründe-
ten Synsemantik a vorstellt, dabei die Ähnlichk eit
Broens 1913, Darstellung und Würdigung des zwischen den Martyschen und Husserlschen Theo-
sprachphilosophischen Gegensatzes zwischen Paul, rien einerseits und den generativen, sowohl trans-
Wundt und Marty. formationellen als auch semantischen andererseits
Die erste Monographie, die die Einwände Martys hervorhebt.
gegen Paul über genetische und methodologische Raynaud 1982 a, Anton Marty filosofo del linguag-
Fragen teilt, während sie von Mißverständnissen gio. Uno strutturalismo presaussuriano.
34.  Gottlob Frege (1848—1925) 467

Eine Monographie über Martys Leben und Denk en, Anton Marty.
mit einer bis 1982 geführten Vollständigk eit anstre- Die jüngste Monographie, die sowohl die geneti-
benden Bibliographie, wo man auch Besprechun- sche Frage als auch die semasiologisch-desk riptive
gen von Bühler, Heidegger, Husserl, Jaberg, Paul, behandelt, unter besonderer Berück sichtigung von
Porzig, Vossler zu Martys Werken finden kann. Martys Epistemologie.
Spinicci 1991, Il significato e la forma linguistica.
Pensiero, esperienza e linguaggio nella filosofia di Savina Raynaud, Milano (Italia)

34. Gottlob Frege (1848—1925)

1. Vorbemerkungen sprachphilosophischen Forschung einen un-


2. Satzbedeutung und Wahrheitswert gebrochen stark en Einfluß ausüben, war
3. Urteil und Behauptung Frege seinem Selbstverständnis nach Logik er
4. Eigennamen und Mathematik er, wenngleich ein Logik er
5. Begriff und Gegenstand mit einem ausgeprägten Interesse an der Er-
6. Oblique Kontexte: ungerade Bedeutung und örterung sprachphilosophischer Fragen. Sein
ungerader Sinn wissenschaftliches Hauptziel bestand unstrei-
7. Das Prinzip der Ersetzbarkeit tig in einer logischen Grundlegung der Arith-
8. Die Zerlegung von Gedanken in Gedanken- metik der natürlichen Zahlen und der Ana-
teile lysis. Gemessen an der Ausarbeitung des lo-
9. Literatur in Auswahl gizistischen Programms, der Frege einschließ-
lich der in der Begriffsschrift (1879) und in
den Grundlagen der Arithmetik (1884) gelei-
1. Vorbemerkungen steten Vorarbeiten mehr als zwei Jahrzehnte
Es gilt heute unter analytischen Philosophen widmete, spielen seine sprachphilosophischen
allgemein als anerk annt, daß Gottlob Frege Untersuchungen im engeren Sinn eine stark
bahnbrechende Beiträge zur Entwick lung der untergeordnete Rolle. — Allerdings beginge
Sprachphilosophie in diesem Jahrhundert ge- man einen Fehler, wollte man in Freges Theo-
leistet hat. Insbesondere gingen von seiner rie von Sinn und Bedeutung lediglich einen
Theorie von Sinn und Bedeutung und der mit Anhang zu seiner Philosophie der Mathe-
ihr verk nüpften Urteils- und Behauptungs- matik sehen. Sie nimmt, zumal in der Verbin-
lehre fruchtbare Anstöße auf die Entfaltung dung mit seiner Urteilslehre und seiner Theo-
der modernen extensionalen und intensiona- rie der Funk tionen, Begriffe und Beziehun-
len Semantik aus. Ohne Vollständigk eit zu gen, eine Schlüsselrolle im semantischen Auf-
beanspruchen, wären als wesentliche Beiträge bau des Logik systems der Grundgesetze der
zu nennen: seine logischen Unterscheidungen Arithmetik (Bd. I 1893, Bd. II 1903) ein. Frege
im Bereich der Prädik ation, seine syntak tische trifft seine Unterscheidung zwischen gewöhn-
Analyse des Aufbaus von Sätzen aus ihren licher und ungerader Bedeutung natürlich nur
Bestandteilen und die mit ihr Hand in Hand für Ausdrück e der ›Wortsprachen‹. — Für
gehende Theorie des Aufbaus von Gedank en Frege ging die Idee der Begriffsschrift als
aus Gedank enbausteinen, die Betonung des einer auf die logische Syntax zugeschnittenen
Primats der Satzbedeutung über die Wortbe- Präzisionssprache aus dem Bedürfnis hervor,
deutung sowie des Satzsinns über den Wort- die Lück enlosigk eit von Schlußk etten in der
sinn, seine syntak tisch begründete Unter- Mathematik streng überprüfen zu k önnen
scheidung zwischen Begriff und Gegenstand, und damit eine sichere Grundlage für die Be-
seine semantische Theorie der Identitätsaus- urteilung der erk enntnistheoretischen Natur
sagen, sein wahrheitstheoretischer Ansatz der bewiesenen Sätze zu gewinnen. ›Die Spra-
und nicht zuletzt seine detaillierte Untersu- che des Lebens‹ hielt er für ungeeignet, diesem
chung nichtextensionaler Sätze im Rahmen wissenschaftlichen Exa
k theitsanspruch ge-
der Unterscheidung zwischen gewöhnlicher recht zu werden, da sie
„nicht in der Weise durch logische Gesetze be-
und ungerader Bedeutung sowie zwischen ge-
herrscht [ist], daß die Befolgung der Grammatik
wöhnlichem und ungeradem Sinn. — Unge-
schon die formale Richtigk eit der Gedank enbewe-
achtet seiner wegbereitenden Studien im Be-
gung verbürgte“ (Frege 1964, 50).
reich der Semantik , die in der gegenwärtigen
468 II. Personen

In der Grammatik der Gebrauchssprache einzig möglichen Satzbedeutungen spielt eine


finden sich Logisches und Psychologisches zentrale Rolle in Freges Semantik . Im § 2 der
miteinander vermischt (Frege 1969, 6; 154). Grundgesetze der Arithmetik begnügt er sich
Logische Verhältnisse werden durch die Wort- mit einigen wenigen Bemerk ungen zu den bei-
sprachen zumeist nur angedeutet, nicht aber den Wahrheitswerten, da er allem Anschein
genau ausgedrück t (Frege 1964, 51). — Frege nach glaubt, sich auf eine hinreichende Be-
macht wiederholt darauf aufmerk sam, daß k anntschaft mit diesen berufen zu k önnen.
die Gebrauchssprache nicht einmal der ersten Zugleich verweist er auf seine ausführlichere
Anforderung genügt, die man an ein für den Erörterung des Themas ‘Satzbedeutung und
wissenschaftlichen Gebrauch bestimmtes Zei- Wahrheitswert’ in seiner semantischen Studie
chensystem stellen muß, nämlich der Anfor- Über Sinn und Bedeutung (1892) (s. Art. 81).
derung der Eindeutigk eit (Frege 1964, 50; Dieser wenden wir uns nun zu.
Frege 1969, 230). Unmittelbar im Zusammen-
hang mit seinen Hinweisen auf das Phänomen 2.1.  Nachdem in einem ersten Schritt gek lärt
der Mehrdeutigk eit in einer natürlichen Spra- ist, daß der Gedank e, den ein Behauptungs-
che steht seine Forderung, grammatische Ka- satz ausdrück t, als dessen Sinn aufzufassen
tegorien wie ‘Subjek t’ und ‘Prädik at’, die zum ist, stellt sich die Frage nach dessen Bedeu-
festen Bestand der herk ömmlichen Urteils- tung. Die Annahme, ein Behauptungssatz
lehre gehören, aus der Logik zu verbannen, habe neben einem Sinn auch eine Bedeutung,
„da sie immer wieder dazu verführen, die beiden erscheint Frege k eineswegs selbstverständlich.
grundverschiedenen Beziehungen des Fallens eines Er versucht daher, überzeugende Gründe an-
Gegenstandes unter einen Begriff und [der] Unter- zuführen, weshalb die Frage nach der Bedeu-
ordnung eines Begriffes unter einen Begriff zu ver- tung eines Behauptungssatzes berechtigt ist.
mengen“ (Frege 1969, 130). Zunächst betrachtet er die Möglichk eit, daß
Auf eine scharfe Unterscheidung der Ver- eine natürliche Sprache Sätze enthält, die
wendung des mehrdeutigen Wortes ‘ist’ in der zwar einen vollständigen Gedank en ausdrük -
Gebrauchssprache und eine Analyse dabei k en, aber k eine Bedeutung haben — wobei
auftretender Fehler hat Frege besonderes Ge- noch offengelassen ist, ob es überhaupt Sätze
wicht gelegt. Ein weiteres, von ihm häufig mit einer Bedeutung gibt und worin diese
angeführtes Indiz für die logische Unvollk om- besteht.
menheit der Wortsprache und darauf beru- „Der Satz ‘Odysseus wurde tief schlafend in Ithak a
hender Irreführungen und Fehler ist ihre ver- ans Land gesetzt’ hat offenbar einen Sinn. Da es
hängnisvolle Neigung, bedeutungslose Eigen- aber zweifelhaft ist, ob der darin vork ommende
namen zu bilden (vgl. z. B. Frege 1969, 192; Name ‘Odysseus’ eine Bedeutung habe, so ist damit
257; 269; 288 f). — Die natürliche Sprache ist auch zweifelhaft, ob der ganze Satz eine habe. Aber
sowohl für die Propädeutik als auch für den sicher ist doch, daß jemand, der im Ernste den Satz
Aufbau eines wissenschaftlichen Systems ein für wahr oder für falsch hält, auch dem Namen
›unentbehrliches Werk zeug‹. In der k ritischen ‘Odysseus’ eine Bedeutung zuerk ennt, nicht nur
Diagnose der Mehrdeutigk eiten, Verwechs- einen Sinn; denn der Bedeutung dieses Namens
lungen und Täuschungen der Wortsprache wird ja das Prädik at zu- oder abgesprochen“ (Frege
liegt nun nach Frege die grundsätzliche 1967, 148).
sprachphilosophische Aufgabe des Logik ers Frege lenk t in dieser Passage die Aufmerk -
(vgl. Frege 1969, 7; 155; 160 f; 272; 282 f). samk eit auf die Wahrheit bzw. Falschheit von
Diese Aufgabe schließt ein, daß der Logik er Sätzen (Gedank en). Er tut dies so, daß er eine
die durch ›Grammatik ‹ und ›psychologische unmittelbare Verbindung herstellt zwischen
Elemente‹ verdeck ten logischen Struk turen dem Fürwahr- oder Fürfalschhalten eines
der natürlichen Sprache freilegt (Frege 1969, Satzes und der Anerk ennung, daß ein in ihm
154). Nur dann, wenn er dieser Aufgabe an- vork ommender Eigenname eine Bedeutung,
gemessen nachk ommt, k ann er seine eigent- nicht nur einen Sinn hat. Obwohl er an dieser
lich aufbauende Arbeit mit dem Maß an Ge- Stelle noch nicht ausdrück lich vom Urteilen,
nauigk eit und Zuverlässigk eit durchführen, Behaupten und von behauptender Kraft
das wissenschaftlich unentbehrlich ist. spricht, bringt er doch den Gesichtspunk t des
Urteils und der assertorischen Verwendung
eines Satzes für die Frage nach der Satzbe-
2. Satzbedeutung und Wahrheitswert deutung maßgeblich ins Spiel. Ausgangs-
Die Einführung der beiden Wahrheitswerte punk t ist eine den Zusammenhang zwischen
›das Wahre‹ und ›das Falsche‹ als der beiden Wort- und Satzbedeutung betreffende Fest-
stellung: Hat ein Eigenname ‘a’ k eine Bedeu-
34.  Gottlob Frege (1848—1925) 469

tung, so gilt dies auch für jeden Behauptungs- Erk enntnis gewinnen und die Erk enntnis
satz, der ihn als Teilausdruck enthält. Von durch die Behauptung aussprechen. — Frege
dieser Feststellung ist es nur ein k leiner Schritt versteht unter dem Wahrheitswert eines Sat-
zu Freges semantischem Prinzip, daß ein zes den Umstand, daß er wahr oder falsch ist.
k omplexer Ausdruck , also insbesondere auch Er betont, daß nach dieser Auffassung einer-
ein Satz, nur dann eine Bedeutung hat, wenn seits alle wahren Sätze dieselbe Bedeutung
alle seine Teilausdrück e bedeutungsvoll sind. haben, nämlich das Wahre, andererseits alle
— Äußert ein Sprecher S einen Satz z. B. der falschen, nämlich das Falsche. Diese Erk lä-
Form ‘F(a)’oder ‘G(a, b)’ mit behauptender rungen sind strenggenommen unzulässig.
Kraft, so muß er dem Teilausdruck ‘a’ bzw. Denn der Umstand, daß z. B. der Satz ‘7 +
den Teilausdrück en ‘a’ und ‘b’ eine Bedeutung 5 = 12’ wahr ist, ist verschieden von dem
zuerk ennen. Frege schreibt etwa in der Mitte Umstand, daß der Satz ‘Bologna hat die äl-
von Über Sinn und Bedeutung: „Wenn man teste Universität Europas‘ wahr ist. Entspre-
etwas behauptet, so ist immer die Vorausset- chend ist der Umstand, daß der Satz ‘7 + 5
zung selbstverständlich, daß die einfachen = 11’ falsch ist, verschieden von dem Um-
oder zusammengesetzten Eigennamen eine stand, daß der Satz ‘Siena ist größer als Flo-
Bedeutung haben“ (Frege 1967 a, 154). Eine renz’ falsch ist. Fiele der Wahrheitswert eines
Erweiterung dieses Voraussetzungsprinzips Satzes mit dem Umstand, daß er wahr oder
für die assertorische Rede auf Begriffs- und falsch ist, zusammen, so gäbe es nicht genau
Beziehungsausdrück e böte sich für ihn auf zwei Wahrheitswerte. Da es aber nach Frege
natürliche Weise an. — Die Anerk ennung des genau zwei Wahrheitswerte gibt, k ann der
Bedeutungsvollseins der Teilausdrück e eines Umstand, daß ein Satz wahr oder falsch ist,
Satzes erwiese sich als wertlos, ginge sie nicht nicht mit seinem Wahrheitswert identisch
mit der Anerk ennung einer Bedeutung für den sein. Hinzu k ommt, daß Umstände genau ge-
Satz einher; denn für den Sinn des Satzes, den nommen k eine Gegenstände sind. Frege faßt
durch ihn ausgedrück ten Gedank en, ist es jedoch die beiden Wahrheitswerte unter Be-
gleichgültig, ob die Satzteile bedeutungsvoll rufung auf ein syntak tisches Kennzeichen —
sind oder nicht. Als Bedeutung eines Satzes ein Behauptungssatz enthält k eine leere Stelle
wird also aus Freges Sicht das zu bestimmen — als Gegenstände auf. —
sein, wofür es wesentlich ist, daß die Satzteile
Bedeutungen haben. Das einzige aber, wofür 2.2.  Frege stellt in Über Sinn und Bedeutung
das Bedeutungsvollsein der Satzteile wesent- noch eine weitere wichtige Überlegung an, um
lich ist, ist der Wahrheitswert des Gedank ens; die vorgeschlagene Gleichsetzung der Bedeu-
man k önnte auch sagen: ist die Möglichk eit tung eines Behauptungssatzes mit seinem
der Urteilsfällung und der Behauptung. — Wahrheitswert und die Auffassung der beiden
Die behauptende Verwendung eines Satzes Wahrheitswerte als Gegenstände als berech-
setzt voraus, daß dieser einen vollständigen tigt erscheinen zu lassen. Sie besteht in einer
Gedank en ausdrück t. Dazu ist es erforderlich, Betrachtung der alternativen Möglich k eit,
daß alle seine semantisch relevanten Teilaus- das Verhältnis des Gedank ens zum Wahren
drück e einen Sinn haben. Wäre einer von nicht als das des Sinnes zur Bedeutung, son-
ihnen sinnlos, so träfe dies auch auf den gan- dern als das des Subjek ts zum Prädik at auf-
zen Satz zu (Frege 1969, 250). Im Vollzug des zufassen. Frege verwirft eine solche prädik a-
Urteils- und Behauptungsak tes bleiben wir tive Deutung des fraglichen Verhältnisses,
jedoch nicht bei dem Gedank en stehen, son- weil sie seiner Auffassung des Urteils, der
dern erk ennen seine Wahrheit an und geben Rolle des Wortes ‘wahr’ sowie der Natur des
dies k und. Der Gedank e, den ein Satz aus- Erk ennens nicht Rechnung zu tragen vermag.
drück t, ist für uns insbesondere unter wissen- Er argumentiert wie folgt: Angesichts der
schaftlichem Gesichtspunk t nur dann von sprachlich richtigen Verwendung des Prädi-
Wert, wenn er dazu dient, eine Erk enntnis zu k ats ‘wahr’ in einem Satz wie (i) ‘Der Ge-
gewinnen. Der bloße Gedank e ergibt aber dank e, daß 5 eine Primzahl ist, ist wahr’
noch k eine Erk enntnis, sondern erst der Ge- k önnte man geneigt sein, das Verhältnis des
dank e zusammen mit seinem Wahrheitswert, Gedank ens zum Wahren bzw. zur Wahrheit
mit der Bedeutung des Satzes. Nun hat ein als das des Subjek ts zum Prädik at zu betrach-
Gedank e nur dann einen Wahrheitswert, ten. Bei genauer Prüfung stelle man jedoch
wenn jeder Satzteil eine Bedeutung hat. Nur fest, daß mit (i) nicht mehr gesagt ist als in
dann, wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, dem einfachen Satz (ii) ‘5 ist eine Primzahl’.
k önnen wir ein Urteil fällen, durch dieses eine
470 II. Personen

„Die Behauptung der Wahrheit liegt in beiden Fäl- (i) den Gedanken, daß 5 eine Primzahl ist, aus-
len in der Form des Behauptungssatzes, und da, zudrück en, ohne ihn zugleich in Form einer
wo diese nicht ihre gewöhnliche Kraft hat, z. B. im Zuschreibung der Eigenschaft der Wahrheit
Munde eines Schauspielers auf der Bühne, enthält als wahr anzuerk ennen, entfiele. Das, was der
der Satz ‘der Gedank e, daß 5 eine Primzahl ist, ist behauptenden Kraft entspricht, wäre Bestand-
wahr’ eben auch nur einen Gedank en, und zwar teil des ganzen durch (i) ausgedrück ten Ge-
denselben Gedank en wie das einfache ‘5 ist eine dank ens. Die Anerk ennung bzw. Behauptung
Primzahl’. Daraus ist zu entnehmen, daß das Ver- der Wahrheit des Gedank ens, daß 5 eine Prim-
hältnis des Gedank ens zum Wahren doch mit dem zahl ist, würde durch einen Gedank en ausge-
des Subjek ts zum Prädik ate nicht verglichen wer- drück t, und zwar in Form einer Subsumtion.
den darf“ (Frege 1967 a, 150). — Alle drei eng miteinander verbundenen
Aus diesem ersten Teil der Argumentation Konsequenzen sind aus Freges Sicht unhalt-
geht nicht ausdrück lich hervor, welche Auffas- bar. Dies bestätigt für ihn, daß das Verhältnis
sung von Subjek t und Prädik at bei der mögli- des Gedank ens zum Wahren nicht als ein sol-
chen alternativen Deutung des fraglichen Ver- ches des Gegenstandes zur Eigenschaft aufge-
hältnisses leitend ist. Es scheint indes, daß faßt werden darf. (i) und (ii) drück en densel-
Frege die Interpretation des Verhältnisses an- ben Gedank en aus; denn — so lautet Freges
hand der Kategorien von Subjek t und Prädi- Begründung — in beiden Fällen liegt die Be-
k at zunächst unter grammatischem Gesichts- hauptung der Wahrheit in der Form des Be-
punk t als Alternative zu der von ihm vertre- hauptungssatzes (vgl. Frege 1969, 140). Aus
tenen Ansicht erwägt. Denn man wird wohl der Tatsache, daß im Fall von Satz (i) die be-
k aum unterstellen dürfen, daß wir bei flüchti- hauptende Kraft nicht in dem Wort ‘wahr’,
ger Betrachtung von (i) der Versuchung erlie- sondern wie bei (ii) in der Form des Behaup-
gen k önnten, das Verhältnis des Gedank ens, tungssatzes liegt, folgt für Frege offenbar
daß 5 eine Primzahl ist, zum Wahren als ein zweierlei: erstens übt dieses Wort k eine prag-
Subje
k t-Prädi
k at-Verhältnis im logischen matische Funk tion aus, d. h. es dient nicht
Sinn, d. h. nach Frege: als ein Verhältnis zwi- zum Vollzug des Behauptungsak tes; zweitens
schen Gedank enteilen anzusehen. Seine Über- hat es k eine wesentliche semantische Funk -
legung k ann man wie folgt verstehen: Die tion, d. h. es leistet durch seinen Sinn k einen
grammatische Form von Satz (i) leistet der wesentlichen Beitrag zum Gedank en. Denn
Vermutung Vorschub, daß wir mit seiner be- das Wort ‘wahr’ k ann nicht „das Unmögliche
hauptenden Äußerung die Wahrheit als Eigen- möglich [...] machen, nämlich das, was der be-
schaft dem Gedank en, daß 5 eine Primzahl ist, hauptenden Kraft entspricht, als Beitrag zum
zuschreiben. Danach würde der durch das Gedank en erscheinen zu lassen“ (Frege 1969,
grammatische Subjek t ‘der Gedank e, daß 5 272). Man k önnte auch so argumentieren: Da
eine Primzahl ist’ bezeichnete Gedank e als Ge- (i) und (ii) denselben Gedank en ausdrück en,
genstand dem durch das grammatische Prä- k ann (i) nicht die Subsumtion des Gedank ens,
dik at ‘ist wahr’ bezeichneten Begriff des Wah- daß 5 eine Primzahl ist, unter den Begriff der
ren subsumiert. Das Verhältnis des Gedank ens Wahrheit ausdrück en; denn eine solche Deu-
zum Wahren (zur Wahrheit) bestünde in der tung scheidet im Fall von (ii) von vornherein
ungleichstufigen Beziehung des Fallens eines aus. — Angesichts der Feststellung, daß sich
Gegenstandes unter einen Begriff erster Stufe. das Wort ‘wahr’ von allen anderen Prädik aten
Diese Vermutung trügt jedoch nach Frege (vgl. dadurch unterscheidet, daß es in jeder asser-
Frege 1969, 211). — Träfe die Vermutung zu, torischen Verwendung eines Behauptungssat-
so hätte dies nach meiner Einschätzung für zes mit ausgesagt wird und durch seinen Sinn
Frege folgende Konsequenzen: (a) (i) und (ii) zur Bestimmung des Sinnes eines Satzes nicht
drück ten verschiedene Gedank en aus. Wäh- beiträgt, k önnte man zu der Ansicht neigen,
rend Satz (ii) als Gedanken das Fallen der Zahl dieses einzigartige Prädik at drück e überhaupt
5 unter den Begriff Primzahl ausdrück t, ent- k einen Sinn aus. Aber dann hätte auch ein
hielte Satz (i) als Gedank en die Subsumtion Satz, in dem es als Prädik at vork äme, k einen
des Gedank ens, daß 5 eine Primzahl ist, unter Sinn (Frege 1969, 272). Es ließe sich hinzufü-
den Begriff wahr.(b) Die behauptende Kraft gen, daß das Wort ‘wahr’ auch eine Bedeutung
läge im Fall von (i) nicht in der Form des Be- haben muß; denn sonst hätte ein Satz, der es
hauptungssatzes. Vielmehr ließe das Wort als Prädik at enthält, k eine Bedeutung. Frege
‘wahr’ das, was der behauptenden Kraft ent- läßt den Gesichtspunk t der Bedeutung in sei-
spricht, als Beitrag zum Gedank en erscheinen. ner Betrachtung des Wortes ‘wahr’ gänzlich
(c) Die Möglichk eit, mit der Verwendung von außer Betracht. Es bleibt insbesondere unk lar,
34.  Gottlob Frege (1848—1925) 471

ob er unter der Bedeutung des Begriffsaus- tet. Dieses Fortschreiten geschieht dadurch,
druck s ‘wahr’ entsprechend zu gewöhnlichen daß man ein Urteil fällt bzw. dieses in der
Prädikaten einen Begriff, also den Begriff wahr Form des Behauptungssatzes äußert.
versteht. Das Wort ‘wahr’ bezeichnet offen-
sichtlich nicht den Wahrheitswert ›das Wahre‹;
denn dieser ist ja seiner Auffassung zufolge ein 3. Urteil und Behauptung
Gegenstand und k ann als solcher nur durch In der logischen Untersuchung Der Gedanke
einen gesättigten Ausdruck , durch einen Be- (1918) betont Frege, daß eine Satzfrage und
hauptungssatz oder auch durch den Ausdruck der entsprechende Behauptungssatz densel-
‘das Wahre’ bezeichnet werden. Man k ann in- ben Gedank en enthalten. Beide Sätze enthal-
des aus gutem Grund unterstellen, daß für ten indes mehr: der Behauptungssatz enthält
Frege die Bedeutung eines Satzes ‘Daß p, ist zusätzlich die Behauptung und der Fragesatz
wahr’ oder ‘Der Gedank e, daß p, ist wahr’ eine Aufforderung, nämlich die Aufforde-
nicht von der Bedeutung des Wortes ‘wahr’ ab- rung, den durch ihn ausgedrück ten Gedank en
hängt. Denn die Bedeutung eines solchen Sat- entweder als wahr anzuerk ennen oder als
zes, in dem das Wort ‘wahr’ einem nominalen falsch zu verwerfen (Frege 1967 a, 346; 362).
Ausdruck prädik ativ hinzugefügt wird, fällt Frege unterscheidet nun drei Handlungen: (1)
immer mit der Bedeutung des einfachen Satzes das Fassen des Gedank ens — das Denk en;
‘p’ zusammen. Das Wort ‘wahr’ hätte dem- (2) die Anerk ennung der Wahrheit eines Ge-
nach zwar eine Bedeutung, aber diese trüge zur dank ens — das Urteilen; (3) die Kundgebung
Bedeutung des Satzes, in dem es als Prädik at dieses Urteils — das Behaupten. Das Denk en
vork ommt, nichts bei. Frege lehnt die Auffas- und das Urteilen k ennzeichnet er als innere,
sung der Wahrheit als Eigenschaft eines Ge- psychische Ak te, während die mündliche oder
dank ens aus für ihn triftigen Gründen ab. schriftliche Kundgabe des Urteils ein äußerer
Diese Gründe ergeben sich für ihn aus seiner (öffentlicher) Ak t ist. Sucht man nach einem
Urteils- und Behauptungslehre. Aber der Ver- äußeren Ak t, durch den das denk -, sprach-
such, die genannte Auffassung zurück zuwei- und urteilsfähige Subjek t das Fassen eines
sen, entbindet nicht von der Verpflichtung, die Gedank ens bek undet, so bietet sich das Aus-
logische Natur des Wortes ‘wahr’ sowie die drück en eines Gedank ens an. Dieses ist frei-
Frage nach dessen Bedeutung in der eigenen lich nicht im Sinne einer selbständigen sprach-
Theorie befriedigend zu k lären. — Das zweite lichen Handlung wie etwa das Behaupten,
Argument, das Frege gegen eine prädik ative Fragen, Befehlen oder Bitten aufzufassen. Es
Auffassung des Verhältnisses des Gedank ens wird niemals abgetrennt für sich vollzogen,
zum Wahren ins Feld führt, beginnt mit der sondern stets nur als Teil eines sprachlichen
Feststellung, daß Subjek t und Prädik at, im lo- Ak tes, dessen Inhalt der fragliche Gedank e
gischen Sinn verstanden, Gedankenteile sind. selbst oder ein k omplexerer Gedank e sein
So gesehen kommt ein Vergleich des fraglichen k ann, von dem jener Gedank e einen Teilge-
Verhältnisses mit dem des Subjek ts zum Prä- dank en bildet. Erst das Ausdrück en eines Ge-
dik at erst gar nicht ernsthaft in Betracht. Die dank ens, gepaart mit der Behauptung (der
Gründe, die Frege dafür anführt, sind im we- behauptenden Kraft) oder der Aufforderung
sentlichen k er enntnistheoretischer Natur. (der auffordernden Kraft), stellt im Fall eines
Subjekt und Prädikat als Gedankenteile Behauptungssatzes bzw. Fragesatzes eine
„stehen auf derselben Stufe für das Erk ennen. Man
vollständige sprachliche Handlung dar. —
gelangt durch die Zusammenfügung von Subjek t
Freges Auffassung (vgl. Frege 1976 b, 126 f),
und Prädik at immer nur zu einem Gedank en, nie
daß jemand, der einen Gedank en als wahr
von einem Sinne zu dessen Bedeutung, nie von
behauptet, nicht die Absicht hat, über den
einem Gedank en zu dessen Wahrheitswerte“ (Frege
seelischen Vorgang seiner Urteilsfällung zu
1967 a, 150).
berichten, ist uneingeschränk t zu befürwor-
Mit Hilfe der Kategorien Subjek t und Prä- ten. Die Kundgabe des Urteils setzt zwar den
dik at im logischen Sinn k ann die für das mentalen Ak t des Urteilens voraus, beschreibt
Erk ennen k onstitutive Verschiedenheit der ihn aber nicht. Wenn man einen Behaup-
Stufen, auf denen der Gedank e und das tungssatz mit behauptender Kraft äußert, so
Wahre angesiedelt sind, nicht erfaßt werden. stellt man den durch ihn ausgedrück ten ob-
Eine Erk enntnis k ann nur dadurch zustande jek tiven Gedank en als wahr hin; dessen
k ommen, daß man von der Stufe des Sinnes Wahrsein besteht nach Frege unabhängig
(des Gedank ens) zur Stufe der Bedeutung (des vom Urteil und der Behauptung. Als frag-
Wahrheitswertes des Gedank ens) fortschrei- würdig erweist sich allerdings seine Ansicht,
472 II. Personen

daß ein im Modus der Behauptung geäußerter Hintersatz mit behauptender Kraft ausge-
Satz unverständlich sei, falls er einen falschen sprochen, sondern das Urteil und die Be-
Gedank en ausdrück t. Wir unterliegen in der hauptung erstreck en sich auf den durch das
behauptenden Rede bisweilen durchaus ver- ganze Satzgefüge ausgedrück ten Gedank en
ständlichen Irrtümern, auch dann, wenn wir (Frege 1969, 201 f; 214 f; 274; Frege 1967 a,
Wissenschaft betreiben. Indes halten wir 365; 380 f; 389; Frege 1976 b, 119; 127). An-
einen als falsch erk annten Satz, den wir vor- ders verhält es sich mit generalisierten Kon-
mals mit behauptender Kraft ausgesprochen ditionalsätzen wie z. B. ‘Was größer als 1 ist,
haben, im allgemeinen nicht für unverständ- ist eine positive Zahl’. Hier drück t weder das
lich, wenn auch für ›logisch unbrauchbar‹. Antecedens noch das Consequens (Frege
Freilich ist es eine Regel des ernsthaften oder nennt beide ›uneigentliche Sätze‹) einen Ge-
aufrichtigen Sprachgebrauchs, daß ein als dank en aus, sondern nur das ganze Satzge-
falsch erk annter Satz nicht mit behauptender füge. — Man k önnte zu der Annahme neigen,
Kraft geäußert werden darf (Frege 1967 a, daß das als wahr Anerk ennen und das als
367), daß der Sprecher von der Wahrheit des- falsch Verwerfen zwei verschiedene Weisen
sen, was er behauptet, überzeugt sein muß — des Urteilens sind. Frege tritt dieser Annahme
wobei natürlich eine Überzeugung grundsätz- entgegen, indem er geltend macht, daß jedem
lich fehlbar sein k ann. Behauptet ein Sprecher Gedank en ein entgegengesetzter gegenüber-
einen Gedank en, von dem er weiß, daß er steht. Wenn man urteilt, so trifft man eine
falsch ist, so lügt er (Frege 1969, 252). — Wahl zwischen entgegengesetzten Gedank en.
Man k ann einen Gedank en nicht als wahr Die Anerk ennung des einen fällt mit der Ver-
anerk ennen, bevor man ihn gefaßt hat, aber werfung des anderen zusammen (Frege 1969,
man k ann ihn fassen und ausdrück en, ohne 161; 201; 214). Man k ann einen Gedank en
ihn als wahr anzuerk ennen (Frege 1967, 346; als falsch erk ennen, nicht aber im strengen
364; 371; Frege 1969, 150; 201; 213 f; 271; Sinn als falsch anerk ennen. Frege benötigt
Frege 1976 b, 33; 119). Das ist ein wesent- daher in seiner Begriffsschrift für die Verwer-
liches Merk mal der von Frege in seiner reifen fung eines Gedank ens k ein besonderes Zei-
und insbesondere späten Periode vertretenen chen, sondern nur für die Verneinung ohne
Urteilslehre. In der logischen Untersuchung behauptende Kraft. — Ergänzend läßt sich
Die Verneinung (1918) weist er auf den Um- nun sagen: eine Satzfrage enthält die Auffor-
stand hin, daß die Taten des Fassens eines derung, ein Urteil zu fällen, d. h. entweder
Gedank ens und des Urteilens in vielen Fällen den durch sie ausgedrück ten Gedank en oder
so unmittelbar aufeinander folgen, daß sie als dessen Negation als wahr anzuerk ennen; sie
eine einzige Tat erscheinen mögen (Frege fordert auf, eine Wahl zwischen entgegenge-
1967 a, 371). Die erforderliche Trennung des setzten Gedank en zu treffen. Das Urteilen ist
Fassens und Ausdrück ens eines Gedank ens auch im Fall einer verneinenden Antwort auf
vom Urteilen bzw. Behaupten k ann man eine Satzfrage stets die Anerk ennung der
leicht am Beispiel der Fragesätze verdeutli- Wahrheit eines Gedank ens. Daß wir einen
chen. Wäre der Sinn eines Fragesatzes ein Gedank en für falsch halten, k önnen wir nach
Gedank e, dessen Sein in seiner Wahrheit be- Frege nur dadurch bek unden, daß wir sein
stünde, so wäre das Fassen des Sinnes zu- k ontradik torisches Gegenteil als wahr hin-
gleich ein Urteilen und die Äußerung des Fra- stellen. Der einem Gedank en entgegenge-
gesatzes zugleich eine Behauptung, mithin die setzte Gedank e erscheint zusammengesetzt
Beantwortung der Frage. Da jedoch ein Fra- aus jenem und der Verneinung; die Vernei-
gesatz neben dem Gedank en eine Aufforde- nung wird durch einen Gedank en ergänzt.
rung, k eine Behauptung enthält, k ann sein Die Verneinung eines Gedank ens ist selber ein
Sinn nicht etwas sein, dessen Sein in seinem Gedank e, der zur Ergänzung einer Vernei-
Wahrsein besteht. — Es muß also möglich nung dienen k ann. Die Verneinung gehört
sein, einen Gedank en auszudrück en, ohne ihn folglich nicht zur Tat des Urteilens, sondern
als wahr zu dek larieren: erstens als Sinn eines sie ist Bestandteil des Gedank ens (Frege
Fragesatzes und zweitens — wie zu ergänzen 1967 a, 371 ff; Frege 1969, 274). — In Über
ist — als Teilgedank e eines wahrheitsfunk tio- Sinn und Bedeutung hatte Frege vorgeschla-
nalen k omplexeren Gedank ens. Ein von gen, den Urteilsak t als Fortschreiten von
Frege häufig angeführtes Beispiel sind die einem Gedank en zu seinem Wahrheitswert zu
nichtgeneralisierten ›hypothetischen Satzge- fassen. Da das Urteilen „etwas ganz Eigen-
füge‹ (s. Art. 89). In einem solchen Konditio- artiges und Unvergleichliches“ (Frege 1967 a,
nalsatz werden weder der Vordersatz noch der 150) sei, soll dies freilich keine Definition sein.
34.  Gottlob Frege (1848—1925) 473

Freges Erläuterung verdeutlicht zugleich den ist der Morgenstern’ und ‘Der Abendstern ist
grundlegenden Unterschied zwischen dem der Abendstern’ haben offenbar einen ver-
Urteilen und dem Verneinen im Sinne des schiedenen Erk enntniswert. Der erste enthält
Übergehens von einem Gedank en zum ent- eine wertvolle astronomische Er k enntnis,
gegengesetzten. Durch das Verneinen stellt während der zweite eine Tautologie und damit
der Denk ende eine Beziehung zwischen zwei epistemisch trivial ist. Da nun nach Frege der
Gedank en her (die allerdings unabhängig da- Sinn eines Satzes eine Funk tion der Sinne
von besteht), während er durch den Ak t des seiner Teilausdrück e und der Weise ihrer Zu-
Urteilens von einem Gedank en zu dessen sammensetzung ist, k ann die Sinnverschie-
Wahrheitswert, nicht zum entgegengesetzten denheit beider Sätze nur darauf beruhen, daß
Gedank en fortschreitet. Frege meint in Über die Namen ‘der Morgenstern’ und ‘der
Sinn und Bedeutung, man k önnte auch sagen, Abendstern’ verschiedene Sinne ausdrück en.
daß Urteilen Unterscheiden von Teilen inner- Im übrigen ergibt sich bei Frege die Forde-
halb eines Wahrheitswertes sei (Frege 1967 a, rung, daß Eigennamen im allgemeinen einen
150). Die Übertragung des Verhältnisses des Sinn haben müssen, aus dem soeben erwähn-
Ganzen zu seinen Teilen vom Satz auf dessen ten semantischen Grundsatz. Ein Satz drück t
Bedeutung erscheint ihm freilich schon an nur dann einen Sinn aus, wenn alle seine
dieser Stelle problematisch. Dennoch hat er semantisch relevanten Teile einen Sinn haben.
die Rede von der Zerlegung eines Ganzen in — In Über Sinn und Bedeutung behauptet
Teile im Bereich der Bedeutung erst 27 Jahre Frege, daß der Sinn eines Eigennamens von
später in seinen Aufzeichnungen für Ludwig jedem erfaßt wird, der seine Muttersprache
Darmstaedter (1919) ausdrück lich als verfehlt hinreichend k ennt. Er schränk t dann diese
zurückgewiesen (Frege 1969, 275). Behauptung dahingehend ein, daß bei einem
eigentlichen Eigennamen wie ‘Aristoteles’ die
Meinungen über den Sinn auseinandergehen
4. Eigennamen können. Er schreibt:
„Man k önnte z. B. als solchen annehmen: der Schü-
4.1.  In seiner Abhandlung Über Sinn und Be- ler Platos und Lehrer Alexanders des Großen. Wer
deutung führt Frege die Unterscheidung zwi- dies tut, wird mit dem Satze ‘Aristoteles war aus
schen Sinn und Bedeutung bei singulären Stagira gebürtig’ einen anderen Sinn verbinden als
Ausdrück en vornehmlich mit dem Ziel ein, einer, der als Sinn dieses Namens annähme: der aus
den in der Regel bestehenden Unterschied im Stagira gebürtige Lehrer Alexanders des Großen.
k
Er enntniswert einer Identitätsaussage Solange nur die Bedeutung dieselbe bleibt, lassen
‘a = a’ und einer wahren Gleichheitsaussage sich diese Schwank ungen des Sinnes ertragen, wie-
‘a = b’ semantisch befriedigend zu erk lären. wohl auch sie in dem Lehrgebäude einer beweisen-
Die Bedeutung eines Eigennamens in Frege- den Wissenschaft zu vermeiden sind und in einer
scher Terminologie ist das, was wir seinen vollk ommenen Sprache nicht vork ommen dürften“
Bezug nennen, also der durch ihn bezeichnete (Frege 1967a, 144).
Gegenstand. Der Sinn ist das, worin die Die hier zutage tretende Ungenauigk eit der
Weise, wie der Gegenstand durch den Namen Formulierung darf als untypisch für Frege
gegeben wird, enthalten ist. Letztere Erk lä- gelten. Er möchte wohl sagen: man k önnte
rung ist auf bezugslose (bedeutungslose) Na- als Sinn des Namens ‘Aristoteles’ z. B. den
men, denen Frege im allgemeinen gleichwohl Sinn des Ausdruck s ‘der Schüler Platons und
einen Sinn zuspricht, offensichtlich nicht an- Lehrer Alexanders des Großen’ annehmen.
wendbar. Denn man k ann aus seiner Sicht Neben dieser Ungenauigk eit entdeck t man
strenggenommen nicht sagen, daß z. B. die eine prima facie bestehende Unverträglichk eit
beiden (Schein-)Eigennamen ‘Artemis’ und zwischen der Behauptung, daß jeder, der seine
‘die Tochter des Zeus und der Leto’ dieselbe Muttersprache hinreichend beherrscht, den
Person auf verschiedene Weise bestimmen Sinn eines in ihr vork ommenden Eigenna-
oder von verschiedenen Seiten auf sie hinfüh- mens erfaßt — man beachte den Gebrauch
ren, da beide Namen k einen Bezug haben. des bestimmten Artik els —, und der Erk lä-
Das semantische Prinzip Freges, daß der Sinn rung, daß verschiedene Benutzer derselben
eines Ausdruck s dessen Bedeutung bestimmt, Sprache mit einem eigentlichen Eigennamen
erleidet im Fall von Scheineigennamen (all- verschiedene Sinne, nämlich Sinne verschie-
gemeiner: im Fall von Ausdrück en, die einen dener Kennzeichnungen desselben Gegen-
Sinn, aber k eine Bedeutung haben) eine Aus- standes, verbinden k önnen. Hierzu ist anzu-
nahme. — Die beiden Sätze ‘Der Abendstern merk en, daß Frege terminologisch noch nicht
zwischen Eigennamen und definiten Beschrei-
474 II. Personen

bungen bzw. Kennzeichnungen unterscheidet, einen Sinn haben — und dafür lassen sich
sondern Ausdrück e wie ‘Napoleon’ und ‘der gewichtige Gründe anführen —, dann ist es
Sieger der Schlacht bei Austerlitz’ gleicher- für das Gelingen einer intersubjek tiven Ver-
maßen als Eigennamen bezeichnet. Die er- ständigung sowie für das Anhäufen eines ge-
wähnte scheinbare Unverträglichk eit löst sich meinsamen Schatzes von Gedank en und Er-
teilweise auf, wenn in der Behauptung, daß k enntnissen wesentlich, daß für Angehörige
jeder den Sinn eines Namens seiner Sprache derselben Sprachgemeinschaft ein Name nicht
erfaßt, primär der Sinn einer Kennzeichnung nur dieselbe Bedeutung hat, sondern in der
und nicht der eines eigentlichen bzw. einfachen Regel auch denselben Sinn ausdrück t. Wäre
Eigennamens wie etwa ‘Napoleon’ gemeint letzteres nicht der Fall, so k önnte man im
ist. Der Sinn einer Kennzeichnung ist aber Horizont der Fregeschen Theorie nicht ein-
aus Freges Sicht in den meisten Fällen ein- mal ausschließen, daß der Gedank e, den ein
deutig bestimmt, da diese die Gegebenheits- Sprecher A mit dem nichtextensionalen Satz
weise des Bezugsgegenstandes explizit angibt. ‘Hans glaubt, daß Rimbaud ein Dichter ist’
Freilich müßte er im Licht seiner einschrän- verbindet, einen anderen Wahrheitswert hat
k enden Erk lärung, daß verschiedene Sprecher als der Gedank e, den ein Sprecher B mit die-
mit einem eigentlichen Eigennamen verschie- sem Satz verk nüpft. — Falls Frege der Auf-
dene Sinne verk nüpfen k önnen, einräumen, fassung wäre, daß ungeachtet der möglichen
daß bei einer Kennzeichnung, die einen oder Schwank ungen des Sinnes eines Namens bei
mehrere eigentliche Eigennamen enthält, die verschiedenen Sprachbenutzern jeder einzelne
Ansichten über deren Sinn ebenfalls ausein- Sprecher mit jedem Namen einen einzigen
andergehen können. Sinn, nämlich den Sinn einer einzigen mit ihm
bedeutungsgleichen Kennzeichnung, in allen
4.2.  Die Schwank ungen des Sinnes, von denen Umständen seiner Verwendung verbindet, so
Frege spricht, ließen sich entgegen seiner Ein- wäre dies anfechtbar. Zwar gibt es Fälle, in
schätzung selbst dann nicht ertragen, wenn denen wir von dem Träger eines Eigenna-
gewährleistet wäre, daß alle Glieder einer mens, den wir verwenden, in der Tat nur eine
Sprachgemeinschaft, die den Namen ‘Aristo- einzige identifizierende Eigenschaft k ennen,
teles’ verwenden, mit diesem denselben Mann z. B. von der heiligen Anna. Von ihr ist im
bezeichnen. Angenommen, der Sprecher A wesentlichen nur bek annt, daß sie die Mutter
verbindet mit dem Namen ‘Aristoteles’ den der heiligen Jungfrau Maria ist. In den mei-
Sinn der Kennzeichnung ‘der berühmteste sten Fällen des Gebrauchs von Eigennamen
Schüler Platons’, der Sprecher B dagegen den k ennen wir jedoch mehrere individuierende
Sinn der Kennzeichnung ‘der Gründer der Tatsachen von dem Namensträger. Forderte
Peripatetischen Schule’. Dann verstehen beide mich jemand auf, den Sinn z. B. des Namens
z. B. den Satz ‘Aristoteles ist der Gründer der meiner Mutter durch eine definite Beschrei-
Peripatetischen Schule’ (p) nicht in derselben bung von ihr anzugeben, so wäre ich dazu
Weise, ja sie verk nüpfen nicht einmal mit dem außerstande. Keine der mir bek annten großen
tautologischen Satz ‘Aristoteles ist Aristote- Zahl definiter Beschreibungen von ihr k ann
les’ (q) denselben Gedank en. Für A ist p unter eine Sonderstellung unter den übrigen in der
der gemachten Annahme eine aposteriorische Weise beanspruchen, daß sie den Sinn des
Aussage, für B hingegen eine apriorische Namens meiner Mutter ausdrück t. — Freges
Wahrheit, deren Erk enntniswert mit dem von Behauptung, daß der Sinn eines eigentlichen
q zusammenfällt. Kann man aber die Ent- Eigennamens Schwank ungen in der genann-
scheidung über den erk enntnistheoretischen ten Weise unterworfen sein k ann, steht indes
Status von p davon abhängig machen, welche nicht im Widerspruch zu der von ihm stets
identifizierende Beschreibung von Aristoteles betonten Objek tivität des Sinnes von Eigen-
verschiedene Sprecher mit dem Namen ‘Ari- namen und von sprachlichen Ausdrück en im
stoteles’ verbinden? Meiner Ansicht nach allgemeinen. Der Sinn eines Namens ist nicht
nicht. Daß p und q nicht dasselbe besagen, wie die subjek tiven Vorstellungen das Ergeb-
zeigt sich bei Berück sichtigung einer k onk re- nis eines inneren Vorgangs oder das Erzeugnis
ten Verständigungssituation. So läßt sich die einer geistigen Tätigk eit des Menschen, son-
Frage ‘Wer ist Aristoteles?’ zwar sinnvoll mit dern steht allen, die ihn erfassen, in derselben
p aber nicht mit q beantworten. Überdies Weise und als derselbe gegenüber. Angenom-
drück t p unstreitig eine historische Tatsache men, die beiden Sprachbenutzer A und B
aus, während dies auf q nicht zutrifft. Wenn verbinden mit dem Namen ‘Aristoteles’ ver-
Eigennamen neben einer Bedeutung auch schiedene Sinne in der soeben beschriebenen
34.  Gottlob Frege (1848—1925) 475

Weise. Dann gilt gleichwohl, daß der von zung nicht. Angesichts einer solchen Sachlage
beiden mit diesem Namen jeweils verk nüpfte glaubt er fordern zu müssen, daß mit jedem
Sinn gemeinsames Eigentum von vielen sein Namen eine einzige Weise, wie das durch ihn
k ann, mithin intersubjek tiv zugänglich ist, Bezeichnete gegeben ist, verk nüpft sei. Frege
während die verschiedenen Vorstellungen, die bek undet mit dieser Forderung eine man-
A und B mit dem Namen ‘Aristoteles’ verbin- gelnde Einsicht in die Natur des Gebrauchs
den mögen, nach Frege ›privater‹ bzw. intra- von Eigennamen im Rahmen intersubjek tiver
subjek tiver Natur sind. — In seinem Buch Verständigungsprozesse. Zwar k önnen Na-
Die Grundlagen der Arithmetik (§ 26) versteht men einer k ünstlichen Idealsprache der For-
Frege unter Obj ektivität eine Unabhängigk eit derung genügen, aber für Namen einer na-
von unserem Empfinden, Anschauen und türlichen Sprache ist sie offensichtlich uner-
Vorstellen, aber k eine Unabhängigk eit von füllbar. Ließe sie sich erfüllen, wäre also je-
unserer Vernunft. Auch im Licht dieser Er- dem natürlichsprachlichen Eigennamen ge-
läuterung seines Obje k tivitätsverständnisses nau eine Gegebenheitsweise seines Trägers in
führt die oben gemachte Annahme nicht zur Form einer Kennzeichnung zugeordnet, so
Aufhebung der Objek tivität des von A und B übten Eigennamen ihre Bezeichnungsfunk -
mit dem Namen ‘Aristoteles’ jeweils verbun- tion in derselben Weise aus wie Kennzeich-
denen Sinnes. Denn erstens ist der Sinn jeder nungen, ja sie wären verk appte Kennzeich-
der beiden fraglichen Kennzeichnungen von nungen. Der wesentliche Fun k tionsunter-
Aristoteles zumindest aus Freges Sicht von schied zwischen Eigennamen und Kennzeich-
dem Empfinden, Anschauen und Vorstellen nungen liegt aber gerade darin, daß wir mit
der Sprachbenutzer unabhängig. Und zwei- der Verwendung eines Eigennamens den Ak t
tens k önnen sich A und B über den Sinn, den der identifizierenden Bezugnahme auf ein
jeder von ihnen — der Annahme zufolge — Einzelding vollziehen k önnen, ohne es ein-
mit dem Namen ‘Aristoteles’ mittels einer deutig zu beschreiben. — Eine der notwen-
Kennzeichnung von Aristoteles verbindet, digen Bedingungen dafür, daß Sprecher und
durchaus verständigen. Dagegen läßt sich Hörer einen Satz, in dem ein Name ‘N’ vor-
nach Frege das rein Empfindungs-, Anschau- k ommt, in derselben Weise verstehen, besteht
ungs- und Vorstellungsmäßige nicht mitteilen. entgegen Frege nicht darin, daß sie mit dem
Vielleicht k ann man sagen, daß die von ihm Namen ‘N’ den Sinn derselben Kennzeich-
geforderte Objek tivität des Sinnes eines Ei- nung von N verbinden. Notwendig ist in der
gennamens erst dann in einem vollen Umfang Regel nur, daß jeder den Gebrauch von ‘N’
gewährleistet wäre, wenn der Sinn k einen durch die Angabe mindestens einer Kenn-
Schwank ungen der erwähnten Art unterläge. zeichnung des Bezugsgegenstandes — nicht
Der Sinn eines Ausdruck s muß ein von den unbedingt dieselbe — rechtfertigen k ann oder
Sprachbenutzern gleichsam geteilter Sinn auch durch einen Hinweis auf den Träger von
sein. ‘N’, falls es sich um einen raumzeitlichen und
nicht um einen abstrak ten Gegenstand han-
4.3.  In seinem späten Aufsatz Der Gedanke delt. Die Erfüllung dieser Identifikationsbedin-
stellt Frege selbst die nahezu unüberwindli- gung schließt indes nicht ein, daß man bei der
chen Schwierigk eiten heraus, welche die von Verwendung des Namen ‘N’ diesen durch eine
ihm für möglich gehaltene Sinnverschiebung bedeutungsgleiche Kennzeichnung still-
bei natürlichsprachlichen Eigennamen her- schweigend ersetzt. Wenn ich z. B. den Namen
aufbeschwört. Wenn — um ein eigenes ein- ‘Beethoven’ anwende, so schwebt mir im all-
faches Beispiel anzuführen — die Person A gemeinen k eine Kennzeichnung seines Trägers
von dem Bak teriologen Robert Koch lediglich vor, die für mich den Sinn dieses Namens
weiß, daß er das Tuberk ulosebak terium ent- angäbe. Und ich vermute, daß der geneigte
deck t hat, und die Person B den Namen ‘Ro- Leser meine Ansicht teilen wird, daß ein sol-
bert Koch’ nur durch die Kennzeichnung ‘der cher geistiger Mechanismus gewöhnlich nicht
Entdeck er des Choleraerregers’ zu erk lären besteht. Fragte mich jemand: ‘Hast Du, als
vermag, so verbinden beide nach Frege mit Du den Satz ‘Beethoven gehört zu meinen
jedem Satz, in dem dieser Name vork ommt, Lieblings
k omponisten’ aussprachst, den
nicht nur jeweils verschiedene Gedank en, son- Mann gemeint, der die 3 Rasumowsk y-
dern sie sprechen in bezug auf diesen Namen Streichquartette und die Waldstein-Sonate
nicht einmal dieselbe Sprache; denn daß sie k omponiert hat?’, so würde ich unumwunden
mit diesem Namen tatsächlich denselben mit ‘ja’ antworten. Ich habe den Mann, der
Mann bezeichnen, wissen sie nach Vorausset- das und das getan hat, in der Tat gemeint,
476 II. Personen

aber etwa nur in dem Sinn, in dem ich auch schen Einführung eines Namens ‘N’ als Ab-
wußte, daß 7x7 49 ist, nämlich nicht in Form k ürzung z. B. für die Kennzeichnung ‘der
eines Zustandes, sondern in Gestalt einer Dis- Schnittpunk t der Geraden a und b’ ab, so
position. Mit meiner bejahenden Antwort k ann man sagen: Höchstens in Ausnahmefäl-
gebe ich — wie Wittgenstein richtig erk annte len, in denen ein Name so aufgefaßt werden
— k eine Beschreibung dessen, was in mir vor k ann, daß sein Bezug durch eine einzige
oder während der Äußerung des fraglichen Kennzeichnung festgelegt worden ist, besteht
Satzes vorging. prima facie ein Grund zur Annahme der Sinn-
gleichheit des Namens und der betreffenden
4.4.  Die Auffassung, daß Eigennamen abge- Kennzeichnung. Z. B. läßt sich der Name
k ürzte Kennzeichnungen sind, wird von Frege ‘Phosphorus’ so auffassen, daß sein Bezug
nicht ausdrück lich vertreten. Saul Kripk e durch die Beschreibung ‘der Stern, der mor-
(*1940) und andere behaupten irrtümlicher- gens in der Nähe der aufgehenden Sonne zu
weise das Gegenteil. Gleichwohl zeigte sich, sehen ist’ festgelegt worden ist. — Viele Fra-
daß aus Freges Sicht ein Sprecher als Sinn gen bleiben also hinsichtlich der Fregeschen
eines Namens den Sinn einer bedeutungsglei- Namentheorie bestehen (s. Art. 78). Kann
chen Kennzeichnung annehmen k ann, ja so- man den Sinn eines Namens auf eine andere
gar, daß ein und derselbe Name in seiner Weise angeben als mittels einer Kennzeich-
Verwendung durch verschiedene Sprecher als nung? Bei Frege findet sich, entgegen Michael
eine Abk ürzung für verschiedene Kennzeich- Dummetts (*1925) Vermutung, k ein Anhalts-
nungen desselben Gegenstandes fungieren punk t für eine alternative Möglichk eit. Die
k ann. Damit unverträglich ist seine wieder- beiden Ausdrück e ‘Rom’ und ‘die Hauptstadt
holt gemachte und vollk ommen einleuchtende Italiens’ haben verschiedenen Sinn; sie leisten
Behauptung, daß eine Aussage wie z. B. ‘Ko- verschiedene Beiträge zur Bestimmung des
pernik us ist der Begründer der heliozentri- Sinnes der Sätze, in denen sie vork ommen.
schen Theorie des Planetensystems’ im Ge- Worin besteht aber die mit dem Namen ‘Rom’
gensatz zu ‘Kopernik us ist Kopernik us’ verbundene Identifik ationsweise des Bezugs-
unsere Erk enntnis erweitert und folglich auch gegenstandes? Auf welche Weise ist dieser
nicht denselben Gedank en ausdrück t wie letz- durch den Namen ‘Rom’ gegeben? Nehmen
tere. Jeder, der die erste Aussage als wahr wir die beiden bezugsgleichen Namen ‘Cicero’
anerk ennt, muß auch die zweite als wahr an- und ‘Tullius’, die Frege ebenfalls als sinnver-
erk ennen, während die Umk ehrung nicht gilt. schieden ansähe. Inwiefern entspricht auch in
Überdies k önnte man in Übereinstimmung diesem Fall der Unterschied der Zeichen
mit bestimmten Äußerungen Freges ein zwei- einem Unterschied in der Art des Gegeben-
tes Argument gegen die Ansicht ins Feld füh- seins des Bezeichneten? Man wird jedenfalls
ren, daß der Sinn eines Eigennamens mit dem mit Fug und Recht bestreiten k önnen, daß
Sinn einer bedeutungsgleichen Kennzeich- der Bezug dieser beiden Namen ähnlich dem
nung zusammenfällt. Beide Ausdrück e sind in Bezug von ‘Hesperus’ und ‘Phosphorus’ in
modalen oder epistemischen Kontexten nicht k onventionell verschiedenen Weisen festgelegt
immer salva veritate durch einander ersetzbar. worden ist. Ebenso wird man bezweifeln k ön-
So ist der Satz ‘Es ist notwendig, daß Andrea nen, daß es einen von unserer Sprachgemein-
Palladio Andrea Palladio ist’ wahr, der Satz schaft geteilten, durch eine Kennzeichnung
‘Es ist notwendig, daß Andrea Palladio der ausgedrück ten Sinn gibt, den der eine Name
Erbauer der Kirche Il Redentore ist’ hingegen hat, der andere dagegen nicht.
falsch. Wenn nun der Sinn des Namens ‘An-
drea Palladio’ aus den genannten Gründen
mit dem Sinn der Kennzeichnung ‘der Er- 5. Begriff und Gegenstand
bauer der Kirche Il Redentore’ nicht identisch
ist, so k ann er auch nicht mit dem Sinn einer 5.1.  Die Unterscheidung zwischen Begriff und
beliebigen anderen Kennzeichnung ‘X’ von Gegenstand bildet einen der Eck pfeiler der
Palladio zusammenfallen. Andernfalls ent- Fregeschen Philosophie der Logik und Spra-
hielte ein Satz ‘Andrea Palladio ist X’ — etwa che. Charak teristisch für diese Unterschei-
‘Andrea Palladio ist der bek annteste Baumei- dung ist die Betonung des Primats der syn-
ster des venezianischen Klassizismus’ — ent- tak tischen Kategorien Begriffswort (allgemei-
gegen unserer intuitiven Überzeugung den- ner: Funktionsname) und Eigenname (singu-
selben Gedank en wie ‘Andrea Palladio ist An- lärer Ausdruck) gegenüber den ontologischen
drea Palladio’. Sieht man von der definitori- Kategorien Begriff (Funktion) und Gegen-
stand. Letztere werden aus ersteren lediglich
34.  Gottlob Frege (1848—1925) 477

abgeleitet. Für die Zugehörigk eit eines Aus- denen Ergänzungsbedürftigk eit bzw. Unvoll-
druck s zur Kategorie der Eigennamen sind ständig
k eit eines Begriffsausdruc k s leitet
nach Frege folgende Kriterien maßgeblich: Frege die ungesättigte bzw. prädik ative Natur
(1) Die Verwendung des bestimmten Arti- seiner Bedeutung ab (falls er eine hat). Da die
k els im Singular (in Verbindung mit einem prädik ative Natur dem Begriff, nicht aber
Begriffswort), wobei jedoch nach Maßgabe dem nur durch einen Gegenstandsnamen be-
des Satzzusammenhangs und der Äußerungs- zeichneten Begriffsumfang eignet, k ann nur
situation Ausnahmen zu berück sichtigen sind. ersterer die Bedeutung eines Begriffswortes
So werden z. B. die Worte ‘der Wal’ in dem sein. (Zur Begründung der Annahme, daß für
Satz ‘Der Wal ist ein Säugetier’ in der logi- Frege der Sinn eines Begriffsausdruck s eine
schen Funk tion eines Prädik ats verwendet, da Funk tion sein muß, siehe 6.) Festzuhalten ist,
hier k eine Eigenschaft von einem einzelnen daß die syntak tische, auf der Ebene der Zei-
Wal ausgesagt, sondern der Begriff Wal dem chen getroffene Unterscheidung gesättigt/-un-
Begriff Säugetier untergeordnet wird. Der gesättigt von Frege auf die Sinn- und Bedeu-
Ausdruck beginnt nie mit dem unbestimmten tungsebene lediglich übertragen wird. — In
Artik el (vgl. Frege 1964, 108; Frege 1986, Über Begriff und Gegenstand versucht Frege,
§§ 57; 66n; 68n; 74n; Frege 1967 a, 169 f). Ausdrück e der Form ‘der Begriff F’ unter
(2) Der Ausdruck k ann in einem Satz nie Berufung auf syntak tische Kriterien als Ei-
die logische Stelle eines Prädik atausdruck s gennamen zu rechtfertigen, die ›Gegenstände
einnehmen, wiewohl er Teil eines solchen sein ganz besonderer Art‹ bezeichnen. Er schreibt:
k ann (vgl. Frege 1986, §§ 57; 68n; Frege „Man hat bei logischen Untersuchungen nicht sel-
1967 a, 174). ten das Bedürfnis, etwas von einem Begriffe aus-
(3) Der Ausdruck k ann auf beiden Seiten zusagen und dies auch in die gewöhnliche Form
des Gleichheitszeichens vor k ommen (vgl. für solche Aussagen zu k leiden, daß nämlich die
z. B. Frege 1986, §§ 57; 65). Aussage Inhalt des grammatischen Prädik ats wird.
(4) Der Ausdruck ist ›gesättigt‹, ergän- Danach würde man als Bedeutung des grammati-
zungsunbedürftig, abgeschlossen, d. h. er ent- schen Subjek ts den Begriff erwarten; aber dieser
hält k eine Argumentstelle zur Aufnahme eines k ann wegen seiner prädik ativen Natur nicht ohne
ergänzenden Argumentausdruck s. — Aus der weiteres so erscheinen, sondern muß erst in einen
syntak tisch begründeten Gesättigtheit eines Gegenstand verwandelt werden, oder, genauer ge-
Ausdruck s schließt Frege darauf, daß seine sprochen, er muß durch einen Gegenstand vertreten
Bedeutung, falls er eine hat, ebenfalls gesät- werden, den wir mittels der vorgesetzten Worte ‘der
tigt, mithin ein Gegenstand ist. Meines Wis- Begriff’ bezeichnen, z. B. ‘der Begriff Mensch ist
sens sagt er an k einer Stelle seiner Schriften nicht leer’. Hier sind die ersten drei Worte als
explizit, daß der Sinn eines leerstellenfreien Eigenname aufzufassen, der ebensowenig prädik a-
Ausdruck s ein Gegenstand ist. Man k ann je- tiv gebraucht werden k ann wie etwa ‘Berlin’ oder
doch mit hinreichender Plausibilität unter- ‘Vesuv’“ (Frege 1967 a, 171).
stellen, daß er sowohl die Gedank en als auch Da der Ausdruck ‘der Begriff Pferd’ einen
die Sinne von Eigennamen, die k eine Sätze Gegenstand bezeichne, sei man zu der —
sind, als (abstrak te) Gegenstände betrachtet. prima facie paradox anmutenden — Behaup-
Unbestreitbar ist jedenfalls, daß der Sinn tung berechtigt, daß der Begriff Pferd kein
eines Eigennamens aufgrund seiner Abge- Begriff ist. Frege spricht in diesem Zusam-
schlossenheit k eine Funk tion in der Frege- menhang von einer unvermeidbaren sprach-
schen Verwendung dieses Ausdruck s sein lichen Härte, die durch die Zwangslage, in
k ann. Gegenstand ist nach Frege alles, was der sich die Sprache befindet, gerechtfertigt
nicht Funk tion ist, oder seinen Ausführungen sei. Darüber hinaus macht er geltend, daß die
in Über Begriff und Gegenstand (1892) zu- beiden Sätze (i) ‘Es gibt mindestens eine Qua-
folge: Gegenstand ist, was nie die ganze Be- dratwurzel aus 4’ und (ii) ‘Der Begriff Qua-
deutung eines Prädik ats, wohl aber Bedeu- dratwurzel aus 4 ist erfüllt’ denselben Gedan-
tung eines Subjek ts sein k ann (Frege 1967 a, k en ausdrück en. In (i) werde etwas von einem
172). Freilich ist diese Erk lärung nicht als eine Begriff (erster Stufe), in (ii) hingegen etwas
Definition aufzufassen. — Ein natürlich- von einem Gegenstand ausgesagt. Frege er-
sprachlicher Begriffsausdruck führt sozusa- k lärt dies unter Hinweis auf die Tatsache, daß
gen stillschweigend eine Leerstelle mit sich, derselbe Gedank e (oft) mannigfach zerlegbar
während ein begriffsschriftliches Begriffszei- ist und verschiedene Sätze denselben Gedan-
chen eine typographisch k enntlich gemachte k en ausdrück en k önnen. Das Erfülltsein, wie
Argumentstelle enthält. Aus der so verstan- das Wort in (ii) verstanden wird, k önne „in
Wahrheit nur von Gegenständen ganz beson-
478 II. Personen

derer Art ausgesagt werden, solchen nämlich, Quadratwurzel aus 4 (der Klasse der Qua-
welche durch Eigennamen von der Form ‘der dratwurzeln aus 4) gehört mindestens ein Ge-
Begriff F’ bezeichnet werden k önnen“ (Frege genstand an’, deren logische Gleichwertigk eit
1967 a, 174). mit (i) von ihm überzeugend begründet wer-
den k önnte. Denn er verwendet den Ausdruck
5.2.  Diese Ausführungen rufen insbesondere ‘der Umfang des Begriffs Quadratwurzel aus
angesichts der von Frege als grundlegend her- 4’ nicht nur unter informellem, sondern auch
ausgestellten Unterscheidung zwischen Ge- unter formellem Gesichtspunk t als Name des
genstand und Begriff einige Bedenk en hervor. Umfangs eines Begriffs. Gestünde er zu, daß
Wenn man von Begriffen zu sprechen beab- dieser Ausdruck seinen syntak tischen Krite-
sichtigt, so k ann man in der Tat k aum umhin, rien zufolge den Umfang eines Gegenstandes
Ausdrück e zu verwenden, die entgegen ihrer (ganz besonderer Art) bezeichnet, so müßte
grammatischen Form gerade nicht zur Be- er freilich auch (iii) und (iv) als unsachgemäß
zeichnung eines Gegenstandes dienen sollen. verwerfen. Die Schwierigk eit entfiele, wenn
Ausdrück e der Gestalt ‘der Begriff F’sind man den Ausdruck ‘der Umfang des Begriffs
also unter synta
k tischem Gesichtspun
k t Quadratwurzel aus 4’ durch den Term ‘die
strenggenommen unzulässig, da durch die Klasse der Quadratwurzeln aus 4’ ersetzte. —
Verwendung des bestimmten Artik els der prä- Man k ann begründet annehmen, daß Frege
dik ative Charak ter des Begriffs verdeck t wird. nicht nur die Sätze (i) und (iii) für sinngleich
Frege ist sich in Über Begriff und Gegenstand (äquipollent/k ognitiv synonym) hielte, son-
dieser Schwierigk eit durchaus bewußt, die in dern auch die Sätze (ii) und (v) ‘Der Begriff
ganz ähnlicher Form auftritt, wenn man von Quadratwurzel aus 4 ist nicht leer’. Da er
Funk tionen und Beziehungen zu sprechen be- explizit sagt, daß (i) und (ii) denselben Ge-
absichtigt. Es muß daher erstaunen, daß er dank en ausdrück en und da ferner die Syn-
glaubt, angesichts dieser Eigentümlichk eit des onymität eine Äquivalenzrelation ist, ließe
Sprachgebrauchs Ausdrück e der Form ‘der sich auf diesem Wege die Synonymität von
Begriff F’als vollwertige Eigennamen aner- (iii) und (v) ableiten. Indes müßte Frege in
k ennen und die Sätze (i) und (ii) als sinngleich diesem Fall für die Auffassung eintreten, daß
auffassen zu müssen. Denn in (ii) wird der die beiden Ausdrück e ‘der Umfang des Be-
eigentlich intendierte Gedank e verfehlt oder griffs Quadratwurzel aus 4’ und ‘der Begriff
verfälscht. Wenn der Ausdruck ‘der Begriff Quadratwurzel aus 4’ nicht nur dieselbe Be-
Quadratwurzel aus 4’ tatsächlich einen Ge- deutung, sondern auch denselben Sinn haben.
genstand ganz besonderer Art bezeichnete, so Denn der Sinn eines Satzes ist ja für ihn eine
müßte (ii) als unsachgemäß verworfen wer- Funk tion der Sinne seiner semantisch rele-
den. Denn das Erfüllt- bzw. Nichterfülltsein vanten Teile und der Weise ihrer Zusammen-
k ann zwar in Form einer bejahenden bzw. setzung. Nun sprechen aber alle Anzeichen
verneinenden Existenzaussage von einem Be- dafür, daß aus Freges Sicht beide Ausdrück e
griff unter Wahrung seiner prädik ativen Na- nicht bedeutungsgleich, geschweige denn
tur (mittelbar) ausgesagt werden, aber nie- sinngleich sind.
mals von dem vermeintlichen Gegenstand (1) Wäre Frege der Meinung, daß der Aus-
ganz besonderer Art, der den Begriff vertreten druck ‘der Begriff F’den Umfang von F
soll. Daß ein Begriff erster Stufe erfüllt ist, bezeichnet, so bliebe rätselhaft, weshalb er
heißt, daß mindestens ein Gegenstand unter diese Meinung nicht deutlich k undgibt, an-
ihn fällt bzw. daß er unter den Begriff zweiter statt von Gegenständen ganz besonderer Art
Stufe der Existenz fällt. Man k ann aber weder zu sprechen. Überdies müßte er sich zu der
sinnvoll meinen noch sinnvoll sagen, daß der Ansicht bek ennen, daß das Erfülltsein, wie es
Begriff Quadratwurzel aus 4 qua Gegenstand etwa in dem Satz ‘Der Begriff Pferd ist erfüllt’
ganz besonderer Art (der das vertreten soll, verstanden wird, in Wahrheit nur von
was der Begriffsausdruck ‘Quadratwurzel aus Begriffsumfängen als Gegenständen ganz be-
4’ bedeutet) erfüllt ist bzw. daß mindestens sonderer Art ausgesagt werden k ann. Es ist
ein Gegenstand unter ihn fällt bzw. daß er jedoch höchst unwahrscheinlich, daß Frege
unter den Begriff der Existenz fällt. Nicht nur eine solche merkwürdige Ansicht vertritt.
berechtigt, sondern auch völlig unverfänglich (2) Frege sieht die Postulierung von Ge-
sind dagegen aus Freges Sicht die Sätze (iii) genständen ganz besonderer Art, die Begriffe
‘Der Umfang des Begriffs Quadratwurzel aus vertreten, lediglich durch eine sprachliche
4 (die Klasse der Quadratwurzeln aus 4) ist Zwangslage gerechtfertigt. Anders verhält es
nicht leer’ und (iv) ‘Dem Umfang des Begriffs sich mit der Einführung von Begriffsumfän-
34.  Gottlob Frege (1848—1925) 479

gen auf rein logischem Wege, nämlich der gen, tatsächlich aber etwas von einem Gegen-
wechselseitigen Umsetzung der Beziehung der stand ganz besonderer Art aussagen, während
gegenseitigen Unterordnung von Begriffen er- wir mit (iii) etwas von einem Begriffsumfang
ster Stufe in eine Begriffsumfangsgleichheit. aussagen wollen und dies auch tatsächlich
Sie soll gewährleisten, daß der logizistische tun. Obgleich also für Frege die beiden Aus-
Aufbau der reinen Zahlentheorie und der drück e ‘der Begriff Quadratwurzel aus 4’ und
Analysis auf einer sicheren Grundlage erfolgt. ‘der Umfang des Begriffs Quadratwurzel aus
Denn nach Frege sind alle Zahlen als Um- 4’ als singuläre Termini zählen, so weist doch
fänge von Begriffen zu definieren. unsere Einstellung zu ihnen als Sprachbenut-
(3) Wenn der Ausdruck ‘der Begriff F’ den zer einen wesentlichen Unterschied auf: die
Umfang von F bezeichnete, dann müßte in Verwendung des zweiten Terminus erzeugt im
dem Ausdruck ‘der Umfang des Begriffs F’ Gegensatz zur Verwendung des ersten k einen
auch der Teil ‘des Begriffs F’ für den Umfang unlösbaren Antagonismus zwischen dem, was
von F stehen, so daß sich der Gesamtaus- wir mit unseren Worten meinen und dem, was
druck auf den Umfang eines Begriffsumfangs wir mit ihnen tatsächlich sagen. Auch letzteres
bezöge. Dieses Ergebnis wäre für Frege un- gilt wohlgemerk t aus Freges Perspek tive. Der
annehmbar. Denn der Ausdruck ‘der Umfang Antagonismus zwischen der informellen und
(des) (von) ...’ ist nach seiner Auffassung ein der formellen Redeweise überträgt sich in
solcher zweiter oder dritter Stufe, je nachdem einem gewissen Sinn auf die Verwendung von
ob ‘...’ eine Argumentstelle zur Aufnahme Ausdrück en, die ‘der Begriff F’ als einen Teil-
von einstelligen Funk tionsnamen erster oder ausdruck enthalten. Musterbeispiele sind ‘der
zweiter Stufe k enntlich machen soll. Zudem Umfang des Begriffs F’ und ‘die Anzahl, die
gilt: Wenn ‘der Begriff F’ und ‘der Umfang dem Begriff F zuk ommt’. Frege müßte streng-
des Begriffs F’ tatsächlich dieselbe Bedeutung genommen einräumen: wenn wir den ersten
hätten, so k önnte man in dem Ausdruck ‘der (oder den zweiten) Ausdruck verwenden, be-
Umfang des Begriffs F’den Teil ‘des Begriffs absichtigen wir, den Umfang (die Anzahl)
F’ durch ‘des Umfangs des Begriffs F’ ohne eines Begriffs zu bezeichnen, nehmen aber
Änderung der Bedeutung ersetzen. Und in tatsächlich auf den Umfang (die Anzahl) eines
dem resultierenden Ausdruck ‘der Umfang Gegenstandes (ganz besonderer Art) Bezug.
des Umfangs des Begriffs F’ ließe sich der Zu beachten ist, daß wir uns hier nicht in
Teil ‘des Begriffs F’ wiederum durch ‘des Um- genau dieselbe Art von Konflik t verstrick en,
fangs des Begriffs F’ ersetzen usw. ad infini- wie im Fall des Gebrauchs von ‘der Begriff
tum. Indes wird niemand ernsthaft unterstel- F’. Denn es ist nicht so, daß wir einen Begriff,
len wollen, daß nach Frege ‘der Umfang des mithin etwas Ungesättigtes bezeichnen wol-
Umfangs des Umfangs des Begriffs F’ den- len, während wir uns tatsächlich auf einen
selben Gegenstand bezeichnet wie ‘der Begriff Gegenstand beziehen. In Ausdrück en der
F’. Vermutlich hätte Frege ersteren Ausdruck Form ‘der Umfang (die Anzahl) des Begriffs
im Kontext von Über Begriff und Gegenstand F’ist es nicht das erste, sondern das zweite
sowohl aus formellem als auch aus informel- Vork ommen des bestimmten Artik els (im Ge-
lem Blick wink el als bedeutungslos zurück ge- nitiv), das Frege im Kontext von Über Begriff
wiesen. und Gegenstand zu denk en geben müßte. Die
(4) Gegen die Annahme einer Sinngleich- Sprache scheint uns hier einen Streich zu spie-
heit der Ausdrück e ‘der Umfang des Begriffs len. Frege hat diese Schwierigk eit nirgendwo
Quadratwurzel aus 4’ und ‘der Begriff Qua- erwähnt; wahrscheinlich ist sie ihm völlig ent-
dratwurzel aus 4’ spricht insbesondere der fol- gangen.
gende Umstand. Nach Frege hat der Funk -
tionsname ‘der Umfang (des)’, der einen Teil 5.3.  An dieser Stelle sind einige k lärende Be-
des erstgenannten Ausdruck s bildet, k larer- merk ungen angebracht. Unter dem Gesichts-
weise einen Sinn und trägt zur Bestimmung punk t der informellen Redeweise, der sich
des Sinns des k omplexeren Ausdruck s bei. Frege in Über Begriff und Gegenstand oder in
Beide singulären Termini k önnten nur dann anderen logischen Schriften (z. B. in Grundge-
denselben Sinn ausdrück en, wenn ‘der Um- setze der Arithmetik) in der Absicht, von
fang (des)’ semantisch leer wäre. Funk tionen, Begriffen oder Beziehungen zu
Der Unterschied zwischen den Sätzen (v) sprechen, häufig bedient, ist ein Satz wie ‘Der
und (iii) besteht im Horizont von Über Begriff Begriff Primzahl ist erfüllt’ nach meiner Ein-
und Gegenstand darin, daß wir mit (v) beab- schätzung als sinnvoll und wahr anzuerk en-
sichtigen, etwas von einem Begriff auszusa- nen, ein Satz wie ‘Der Begriff sich selbst un-
480 II. Personen

gleich ist erfüllt’ als falsch zu verwerfen. Wäre (im Sinn der Gleichheit), sondern sie stehen
dies nicht der Fall, so würde ein beträchtlicher in einer der Gleichheitsbeziehung analogen
Teil des wortsprachlich durchgeführten Auf- Beziehung zweiter Stufe zueinander, nämlich
baus der Syntax und Semantik des Logik sy- in der Beziehung der gegenseitigen Unterord-
stems der Grundgesetze der Arithmetik seinen nung: ⋀ x(F(x) ↔ G(x)). Angesichts der
Zweck verfehlen. Niemand, der Teil I Darle- Grundverschiedenheit von Begriff und Ge-
gung der Begriffsschrift der Grundgesetze der genstand hält Frege eine Gleichsetzung von
Arithmetik mit echtem Verständnis liest, wird Begriff und Begriffsumfang für unzulässig.
Ausdrück e wie ‘der Begriff (die Funk tion) Sie wäre nur dann erlaubt, wenn z. B. die
Φ(ξ)’ oder die Beziehung ‘Ψ(ξ, ζ)’ — die uns beiden Ausdrück e ‘ξ ist eine Primzahl’ und
die Sprache mit ›k aum entrinnbarer Gewalt‹ ‘der Umfang des Begriffs Primzahl’ denselben
aufzwingt — so auffassen, daß sie Gegen- Beitrag zur Bestimmung der Bedeutung (des
stände ganz besonderer Art bezeichnen. Ver- Wahrheitswertes) jedes extensionalen Be-
suchte man es unter dem Eindruck der Lek - hauptungssatzes, in dem sie vork ommen, lei-
türe von Über Begriff und Gegenstand und sten, oder anders gewendet: wenn das Prädi-
gelänge es einem, so sähe man sich genötigt, k at ‘eine Primzahl’ in dem Satz ‘2 ist eine
den betreffenden Sätzen einen ausweisbaren Primzahl’ — und in beliebigen anderen exten-
Sinn abzusprechen. Zur Verdeutlichung gebe sionalen Sätzen, die es enthalten — durch den
ich zwei Beispiele. (a): „Die Function ξ2 = 4 singulären Ausdruck ‘der Umfang des Be-
k ann also nur zwei Werthe haben [...]“ (Frege griffs Primzahl’ salva veritate ersetzt werden
1962 I, 7); Gegenstände haben k eine Funk - k ann, was ersichtlich nicht der Fall ist. Bei
tionswerte. (b): „der Begriff Quadratwurzel einem Satz wie (i) führt eine Ersetzung des
aus 4 hat denselben Umfang wie der Begriff Prädik ats ‘eine Quadratwurzel aus 4’ durch
etwas, dessen dreifaches Quadrat 12 ist“ ‘den Umfang des Begriffs Quadratwurzel aus
(Frege 1962 I, 7 f); der Begriff Quadratwurzel 4’ sogar zur Bildung eines sinnlosen Satzes.
aus 4 qua Gegenstand hat k einen Umfang. Denn das Prädik at zweiter Stufe der Existenz
Der Status eines Ausdruck s, der aus den Wor- k ann niemals von einem Gegenstand, sondern
ten ‘der Begriff’ oder ‘die Funk tion’ und nur von Begriffen erster Stufe ausgesagt wer-
einem Begriffszeichen oder Funk tionszeichen den. — Es läßt sich wohl k aum ein stichhal-
zweiter Stufe zusammengesetzt ist, wird von tiges Argument gegen die Ansicht ins Feld
Frege weder in Über Begriff und Gegenstand führen, daß in Satz (ii) die Worte ‘ist nicht
noch an irgendeiner anderen Stelle bestimmt. leer’ durch ‘ist erfüllt’ nicht nur salva veritate,
So viel ist indes k lar: es ist k ein stichhaltiges sondern auch salva intensione ersetzt werden
Argument für die etwaige Behauptung in k önnen. Man k önnte sogar — ohne der Spra-
Sicht, daß zwar der Ausdruck ‘der Begriff che Gewalt anzutun — festsetzen, daß die
Mensch’ einen Gegenstand bezeichnet, die Ausdrück e ‘ist nicht leer’ und ‘ist erfüllt’ in
Ausdrück e ‘der Begriff φ()’ und ‘die Sätzen wie (iii) und (vi) ‘Der Umfang des
Funk tion φ(2)’ hingegen nicht. — Unter for- Begriffs Quadratwurzel aus 4 ist erfüllt’ syn-
mellem Gesichtspunk t, d. h. nach den von onym sind. Es ist lediglich unüblich, von er-
Frege in Über Begriff und Gegenstand aufge- füllten anstatt von nichtleeren Klassen zu
stellten und angewandten formalgrammati- sprechen. — Auch Frege k önnte die Erset-
schen Kriterien, soll der Satz ‘Der Begriff zung von ‘ist nicht leer’ durch ‘ist erfüllt’ in
Primzahl ist erfüllt’ als Aussage von einem Satz (iii) als rechtmäßig anerk ennen, hätte er
Gegenstand ganz besonderer Art (ebenfalls) sich mit seinen Ausführungen zum Status von
sinnvoll und wahr sein. Genau dies ist zu Ausdrück en der Form ‘der Begriff F’‚ insbe-
bestreiten. Man k önnte von dem Begriff sondere mit seiner Bemerk ung „denn das Er-
Primzahl qua Gegenstand nur dann sinnvoll fülltsein, wie das Wort hier verstanden wird
und wahrheitsgemäß aussagen, daß er erfüllt [d. h. in Satz (ii)], k ann in Wahrheit nur von
ist, wenn man Begriff und zugehörigen Um- Gegenständen ganz besonderer Art ausgesagt
fang gleichsetzte, mithin eine extensionale werden [...]“ (Frege 1967, 174) nicht in eine
Auffassung von Begriffen (erster Stufe) in der Sack gasse manövriert. Wenn ‘... ist erfüllt’,
k lassenlogisch üblichen Form verträte. Frege als ein Prädik at erster Stufe aufgefaßt, nur
macht sich jedoch für eine von der gewöhn- auf solche Gegenstände zutrifft, die durch
lichen abweichende extensionale Deutung von Ausdrück e der Form ‘der Begriff F’ bezeich-
Begriffen erster Stufe stark . Zwei umfangs- net werden k önnen, und wenn für alle scharf
gleiche Begriffe F und G fallen nie zusammen begrenzten Begriffe erster Stufe F und G die
Ungleichung ‘Der Begriff F ≠ der Umfang
34.  Gottlob Frege (1848—1925) 481

des Begriffs G [λxG(x)]’ gilt, dann ist jede um 1 k leiner ist als eine Zahl, deren Quadrat
Aussage der Gestalt ‘Der Umfang des Begriffs ihrem Doppelten gleich ist’ sind bedeutungs-
F [λxF(x)] ist erfüllt’ falsch. Es widerstreitet gleich. Da nach Frege die Bedeutung eines
jedoch unseren ›logischen Intuitionen‹‚ den k omplexen Ausdruck s durch die Bedeutungen
beiden als sinnvoll anzuerk ennenden Sätzen seiner semantisch relevanten Teilausdrück e
‘Der Umfang des Begriffs Primzahl ist erfüllt’ und die Weise ihrer Zusammensetzung be-
und ‘Der Umfang des Begriffs sich selbst un- stimmt ist, müßte er einräumen, daß die syn-
gleich ist erfüllt’ denselben Wahrheitswert zu- tak tisch gleichgestalteten Namen ‘der Begriff
zuordnen. Wenn wir mit der Äußerung von Quadratwurzel aus 1’ und ‘der Begriff was um
(ii) den von uns eigentlich beabsichtigten Ge- 1 kleiner ist als eine Zahl, deren Quadrat ihrem
dank en (aus formellem Blick wink el) verfehlen Doppelten gleich ist’ dieselbe Bedeutung
oder verfälschen, warum macht Frege dann haben, und das heißt: denselben Gegenstand
nicht — unter Berufung auf seine im § 34 der bezeichnen. So gesehen k önnte er die zweite
Grundgesetze der Arithmetik eingeführte Me- Frage, wenn überhaupt, nur so beantworten:
thode der Vertretung von Funk tionen (Be- der Begriff F(x) (qua Gegenstand) ist iden-
griffen) zweiter Stufe durch solche erster Stufe tisch mit dem Begriff G(x) (qua Gegenstand)
— geltend, daß der in (i) enthaltene Gedank e genau dann, wenn F(x) und G(x) für jedes
auch durch (vi) bzw. (iii) ausgedrück t werden zulässige Argument denselben (Wahrheits-)
k ann, anstatt seine Zuflucht bei der Postulie- Wert annehmen, wenn also F(x) und G(x)
rung von Gegenständen ganz besonderer Art in der Beziehung der gegenseitigen Unterord-
zu nehmen? Frege führt im § 34 der GGA die nung zueinander stehen. Dann aber würde
Elementschaftsbeziehung ξ ⋂ ζ so ein, daß für die fraglichen Gegenstände der Begriff
mit ihrer Hilfe anstelle der Funk tionen zwei- F(x) und der Begriff G(x) dasselbe Kenn-
ter Stufe Funk tionen erster Stufe in seinem zeichen der Gleichheit gelten wie für die Um-
logischen System verwendet werden k önnen. fänge beider Begriffe, nämlich die generelle
Diese Sparsamk eit wird durch den Kunstgriff bzw. extensionale Äquivalenz von F(x) und
ermöglicht, daß man die Funk tionen erster G(x). Und aus dieser Überlegung folgte für
Stufe, die als Argumente von Funk tionen Frege, daß sich z. B. die Ausdrück e ‘der Be-
zweiter Stufe auftreten, durch ihre Wertver- griff Quadratwurzel aus 1’ und ‘der Umfang
läufe in einer bestimmten Weise vertreten läßt. des Begriffs Quadratwurzel aus 1’ auf densel-
Bei der Umsetzung von Satz (I) in Satz (III) ben Gegenstand beziehen. Gegen eine Gleich-
bzw. (VI) hat man z. B. folgenden Fall: in setzung der Bedeutung beider Ausdrück e
(III) bzw. (VI) wird der Begriff Quadratwurzel sprechen jedoch die an früherer Stelle ge-
aus 4 qua Begriff, der in (I) als Argument des nannten Gründe. — Ersetzt man den Aus-
Begriffs zweiter Stufe es gibt mindestens eine druck ‘der Begriff F’ in Sätzen ‘... der Begriff
auftritt, durch seinen Umfang und so der F ...’ durch den Ausdruck ‘der Umfang des
Begriff der Existenz durch den Begriff erster Begriffs F’, so erhält man Sätze, die — von
Stufe ‘ist nicht leer’ bzw. ‘ist erfüllt’ vertreten. wenigen Ausnahmen abgesehen — nicht als
sinnvoll anzuerk ennen sind. Man k önnte die-
5.4.  Nach Frege ist die Einführung neuer ab- sen Umstand als zusätzliches Argument gegen
strak ter Gegenstände an eine unerläßliche Be- die Annahme von Tyler Burge (1984, 16; 28 n)
dingung gek nüpft: sie muß ein allgemeines und Terence Parsons (1984, 249) anführen,
Mittel bereitstellen, die fraglichen Gegen- daß nach Frege beide Ausdrück e denselben
stände zu fassen, als dieselben wiederzuerk en- Gegenstand bezeichnen. Unter dem Gesichts-
nen und von anderen Gegenständen zu un- punk t der von Frege häufig benutzten infor-
terscheiden. Die ›begriffsvertretenden‹ Gegen- mellen Redeweise ist der Satz (S) ‘Der Begriff
stände ganz besonderer Art, falls es sie gibt, ξ = ξ fällt unter den Begriff φ()’
sind zweifellos abstrak ter (logischer) Natur. sinnvoll und wahr. Ersetzt man in (S) den
Ihre Einführung muß daher der genannten Ausdruck ‘der Begriff ξ = ξ’ durch ‘der Um-
Bedingung genügen. Es wäre also aufschluß- fang des Begriffs ξ = ξ’, so erhält man mit
reich zu wissen, was Frege im Kontext von (S*) — ‘Der Umfang des Begriffs ξ = ξ fällt
Über Begriff und Gegenstand auf die folgende unter den Begriff φ()’ — einen Satz,
Frage geantwortet hätte bzw. hätte antworten der nach informeller Deutung nicht falsch,
k önnen: läßt sich für die Gegenstände ganz sondern sinnlos ist. Denn man k ann weder
besonderer Art ein Identitätsk riterium ange- sinnvoll meinen noch sinnvoll sagen, daß ein
ben, und wenn ja, welches? — Die Begriffs- Begriffsumfang — also ein Gegenstand —
ausdrück e ‘Quadratwurzel aus 1’ und ‘was
482 II. Personen

unter einen Begriff zweiter Stufe fallt. Mit der wohl einer Vermischung der beiden Ebenen
Bildung von (S*) begeht man einen ›Typen- der formellen und informellen Redeweise ent-
fehler‹ ähnlich wie im Fall des Fregeschen sprang. Faßt man nämlich ‘... ist ein Begriff
Beispiels ‘Es gibt Julius Cäsar’. Ein Gegen- (erster Stufe)’ als ein Prädik at zweiter Stufe
stand k ann niemals die logische Stelle eines auf, so k ann man es Gegenständen weder
Begriffs (erster Stufe) einnehmen. — Dem von sinnvoll zu- noch sinnvoll absprechen. Satz
Frege in Über Begriff und Gegenstand ange- (P) wäre nicht als falsch, sondern ebenso wie
legten formalgrammatischen Maßstab zu- ‘Es gibt Julius Cäsar’ als sinnlos zu verwerfen.
folge ist weder (S) noch (S*) sinnvoll. Der So gesehen müßte Frege auch den von ihm
Ausdruck ‘der Begriff φ()’ müßte als wahr anerk annten Satz ‘Der Begriff Pferd
dann nämlich ebenso wie ‘der Begriff ξ = ξ’ ist k ein Begriff, sondern ein Gegenstand’ als
einen Gegenstand bezeichnen, so daß (S) das sinnlos abstempeln, obgleich der zweite Teil-
Fallen eines Gegenstandes ganz besonderer satz unter der Voraussetzung, daß der Aus-
Art unter einen Gegenstand, (S*) die Subsum- druck ‘der Begriff Pferd’ einen Gegenstand
tion eines Begriffsumfangs unter einen Ge- bezeichnet, wahr ist. — ‘... ist ein Gegen-
genstand ausdrück te. Eine weitere Schwierig- stand’ ist ein Prädik at erster Stufe, das stets
k eit ergibt sich daraus, daß Frege in Über zu einem wahren Satz ergänzt wird, wenn
Begriff und Gegenstand vermutlich zu der An- man in seine Argumentstelle einen bedeu-
sicht neigte, ein Begriff zweiter Stufe k önne tungsvollen Gegenstandsnamen einsetzt. Ein
im Unterschied zu einem Begriff erster Stufe diesem im Bereich zweiter Stufe entsprechen-
niemals durch einen Gegenstand vertreten des Prädik at wäre ein solches, das immer zu
werden. Auf die Frage nach dem Status eines einem wahren Satz ergänzt wird, wenn man
Ausdruck s wie ‘der Begriff φ()’ hätte seine Leerstelle mit einem bedeutungsvollen
er im Rahmen von Über Begriff und Gegen- Begriffsausdruc
k (oder allgemeiner: mit
stand wohl nur antworten k önnen: dieser Aus- einem bedeutungsvollen einstelligen Funk -
druck bezeichnet zwar einen Gegenstand, tionsnamen) erster Stufe ausfüllt. Das Wort
aber dieser Gegenstand erfüllt nicht die Funk - ‘Begriff’ bzw. ‘Funk tion’ ist zur Bildung eines
tion, einen Begriff zu vertreten. Frege hätte solchen Prädik ats zweiter Stufe offenbar un-
sich also k aum dem Zwang entziehen k önnen, geeignet. Denn es tritt in der Sprache gleich-
neben den ›begriffsvertretenden‹ Gegenstän- sam unter dem Deck mantel ihrer Grammatik
den ganz besonderer Art eine weitere Klasse immer so auf, als ob es ein echtes Prädik at
von (fragwürdigen) Gegenständen anzuer- erster Stufe wäre, während es doch logisch
k ennen, die k eine begriffsvertretende und gesehen — und freilich auch nach der Absicht
wohl auch k eine andere als sinnvoll ausweis- der Sprecher, die es mit der stillschweigenden
bare logische Form ausüben. oder ausdrück lichen Ergänzung ‘erste Stufe’
verwenden — ein Prädik at zweiter Stufe sein
5.5.  Wie steht es mit dem in der Sek undärli- muß. Frege weist auf diese ›Zwangslage der
teratur so genannten Paradox ‘Der Begriff Sprache‹ in mehreren nach 1900 verfaßten
Pferd ist k ein Begriff’? Zunächst ist zu k lären, Schriften hin, indem er den Gebrauch der
wie Frege seine Behauptung, daß der Begriff Wörter ‘Funk tion’, ‘Begriff’ und ‘Beziehung’
Pferd k ein Begriff sei, verstanden wissen als ungenau oder fehlerhaft brandmark t. In
wollte. Zweifellos meinte er, daß der Aus- Über Schoenflies: Die logischen Paradoxien
druck ‘der Begriff Pferd’ seinen formalen Kri- der Mengenlehre bemerkt er:
terien zufolge einen (begriffsvertretenden) Ge- „So ist das Wort ‘Begriff’ selbst, genau genommen,
genstand bezeichnet. Was das Prädik at ‘... ist schon fehlerhaft, indem die Worte ‘ist ein Begriff’
ein Begriff’ betrifft, so war er in Über Begriff einen Eigennamen als grammatisches Subjek t for-
und Gegenstand oder doch zumindest bei der dern; denn damit fordern sie eigentlich einen Wi-
Aufstellung seiner Behauptung der Ansicht, derspruch, da k ein Eigenname einen Begriff be-
daß es von Begriffen erster Stufe wahrheits- zeichnen k ann, oder vielleicht besser noch einen
gemäß ausgesagt wird und in Anwendung auf Unsinn“ (Frege 1969, 192).
Gegenstände bzw. auf bedeutungsvolle Ge- Ähnlich äußert er sich in seinem Brief an
genstandsnamen stets zur Bildung eines fal- Bertrand Russell (1872—1970) vom 29. 6.
schen Satzes führt — wie im Fall des Satzes 1902. Der Satz ‘A ist eine Funk tion’ ist immer
(P) ‘Der Begriff Pferd ist ein Begriff’. Trifft ungenau, heißt es dort:
diese Annahme zu, so unterlief Frege in die- „denn ‘A’ vertritt einen Eigennamen. Der Begriff
sem besonderen Fall ein logischer Fehler, der der Function [erster Stufe, Ergänzung M. S.] muß
ja ein Begriff zweiter Stufe sein, während er in der
34.  Gottlob Frege (1848—1925) 483

Sprache immer als ein Begriff erster Stufe er- wie z. B. in Satz (iii), aber der Begriff zweiter
scheint“ (Frege 1976 b, 218; vgl. Frege 1969, 210; Stufe  φ (α) k ann nicht durch einen Begriff
275). erster Stufe vertreten werden.
Zugleich macht Frege einen Vorschlag, wie
man in der Begriffsschrift einen genauen Aus-
druck für das festsetzen kann, 6. Oblique Kontexte: ungerade
„was man meint, wenn man etwas eine Function Bedeutung und ungerader Sinn
(erster Stufe mit einem Argumente) nennt; etwa ‘ἑ
φ (ε)’. Danach würde ‘ἑ(ε · 3 + 4)’ das genau aus- Frege hat in seinem für die Entwick lung der
drück en, was man mit dem Satze ‘ξ · 3 + 4 ist eine modernen intensionalen Semantik bahnbre-
Function’ ungenau ausdrückt” (Frege 1976 b, 218). chenden Aufsatz Über Sinn und Bedeutung die
Einen Ausdruck zur Bezeichnung des erste detaillierte und systematisch fruchtbare
Begriffs zweiter Stufe, in den nur Begriffe Analyse sogenannter obliquer Kontexte vor-
erster Stufe fallen, k önnte man durch fol- gelegt. Erst über ein halbes Jahrhundert spä-
gende Festsetzung in die Begriffsschrift ein- ter sind weitere, teils miteinander k onk urrie-
rende semantische Theorien der nichtexten-
führen: ‘ φ (α)’ ist ein Begriffszeichen zweiter sionalen Sätze entwick elt worden, u. a. von
Stufe, das genau dann zu einem wahren Satz
(zu einem Namen des Wahren) ergänzt wird, Rudolf Carnap (1891—1970), Willard Van
wenn man in seine Argumentstelle einen be- Orman Quine (*1908), Donald Davidson
deutungsvollen Begriffsausdruck erster Stufe (*1917) und Jaak k o Hintik k a (*1929). Freges
einsetzt. Diese Festsetzung wäre auch unter Theorie der Bedeutung, gepaart mit einer Ein-
formellem Gesichtspunk t einwandfrei. Das so stufentheorie des Sinns (sie schließt die Un-
terscheidung zwischen gewöhnlicher und un-
eingeführte Prädik at ‘ φ (α)’ ist k eineswegs gerader Bedeutung ein), liefert ein grundsätz-
ein symbolsprachliches Äquivalent für ‘... ist lich tragfähiges Modell zur Analyse der se-
ein Begriff’, noch für irgendein anderes na- mantischen Form nichtextensionaler Sätze.
türlichsprachliches Prädik at. Man k ann mit Sie erweist sich in einigen wichtigen Hinsich-
Frege nur sagen: der Satz ‘ (α2 = 4)’ drück t ten sowohl der paratak tischen Theorie Da-
das genau aus, was man mit dem Satz ‘(Der vidsons als auch der modelltheoretischen
Begriff) ξ2 = 4 ist ein Begriff’ zwar meint, Analyse Hintikkas als überlegen.
aber ungenau ausdrück t. — Abschließend sei
noch ein Punk t gek lärt. Im Gegensatz zu ‘ 6.1.  Man k ann mit Bezug auf Freges Unter-
 α2 = 4’ läßt sich ‘ (α2 = 4)’ nicht in scheidung zwischen der gewöhnlichen und der
einen logisch äquivalenten Satz ›erster Stufe‹ ungeraden Bedeutung eines Ausdruck s sowie
umwandeln. Warum nicht? Die richtige Ant- zwischen dem gewöhnlichen und dem unge-
wort scheint mir zu sein: weil ‘ φ (α)’ ebenso raden Sinn zwei Arten von Theorien unter-
wie ‘ἑ φ (ε)’ und ‘ξ ist ein Gegenstand’ ein scheiden (vgl. Parsons 1980, 38). Die erste
kategoriales Prädik at ist. Jedes der beiden heiße ‘hierarchische Theorie’ die zweite ‘Ein-
letztgenannten Prädik ate legt explizit fest, zu stufentheorie des Sinns’.
welcher Kategorie oder Klasse von Entitäten Erstere ist dadurch gek ennzeichnet, daß in
die Bedeutungen im Fregeschen Sinn dieses ihr aus der soeben erwähnten doppelten Un-
Ausdruck s aller derjenigen Ausdrück e gehö- terscheidung Freges eine unendliche Hierar-
ren, die man zulässigerweise in die jeweilige chie ungerader Bedeutungen und ungerader
Argumentstelle einsetzen k ann. Beide Prädi- Sinne abgeleitet wird. Kommt ein Ausdruck
k ate haben die Besonderheit, daß man bei ‘A’ (z. B. ein Eigenname) in einem obliquen
jeder zulässigen Einsetzung einen wahren Satz (nichtextensionalen) Kontext erster Stufe KO1
erhält. Im Fall des Prädik ats ‘ φ (α)’ bietet (... A...) vor (z. B. ‘a weiß, daß ... A ...’), so
sich folgende Erk lärung an: es legt explizit bezeichnet ‘A’ in diesem Kontext seine erste
fest, zu welcher Kategorie von Entitäten die ungerade Bedeutung Bu1 (A) und drück t sei-
Bedeutungen derjenigen Ausdrück e gehören, nen ersten ungeraden Sinn Su1 (A) aus. Im
die für seine Argumentstelle passend sind und obliquen Kontext zweiter Stufe KO2 (KO1
deren Einsetzung in diese stets zur Bildung (... A...)) (z. B. ‘b sagte, daß a weiß, daß
eines wahren Satzes führt. Man k ann den ... A...’) bedeutet ‘A’ seine ungerade Bedeu-
durch ‘ (α2 = 4)’ ausgedrück ten Gedank en tung zweiten Grades Bu2 (A) und drück t sei-
nicht durch einen Satz ›erster Stufe‹ ausdrük - nen ungeraden Sinn zweiten Grades Su2 (A)
k en. Zwar k ann man den Begriff erster Stufe aus, usw. für eine n-fache (n ≧ 1) oblique
ξ2 = 4 durch seinen Umfang vertreten lassen Einbettung von ‘A’. Durch eine iterierte An-
wendung des Fregeschen Prinzips
484 II. Personen

Bu1 (A) = Sg (A) Grundausdrück e. Denn ein alter Ausdruck


gelangt die hierarchische Theorie zu der Folge mit einem neuen Index ist semantisch gesehen
Bu2 (A) = Su1 (A) ein neuer Ausdruck . — Eine hierarchische
Bun (A) = Su n—1 (A), für jede Zahl n (n Theorie k ann nach Maßgabe der Deutung der
≧ 1) Beziehung zwischen dem gewöhnlichen und
Ferner gilt: dem ersten ungeraden Sinn eines Ausdruck s
Bun (A) ≠ Bum (A), wenn n ≠ m in zwei Varianten auftreten. Die erste Variante
und setzt voraus, daß der gewöhnliche Sinn eines
Sun (A) ≠ Sum (A), wenn n ≠ m. Ausdruck s seinen ungeraden Sinn ersten Gra-
Die hierarchische Theorie nimmt also an, des eindeutig bestimmt, d. h. sie setzt voraus,
daß jeder bedeutungsvolle Ausdruck in ver- daß zwei Ausdrück e mit demselben gewöhn-
schiedenen Kontexten, d. h. in extensionalen lichen Sinn auch denselben ungeraden Sinn
Kontexten und nichtextensionalen Kontexten ersten Grades ausdrück en. Aus dieser Vor-
beliebiger Stufe, unendlich viele verschiedene aussetzung k ann man folgern, daß zwei Aus-
Bedeutungen bezeichnen und unendlich viele drück e ‘A’ und ‘B’, die denselben gewöhnli-
verschiedene Sinne ausdrück en k ann. Die chen Sinn haben, auch denselben ungeraden
Grundlage dafür, daß man diese Theorie im Sinn n-ten Grades (für jedes n ≧ 1) ausdrük -
Anschluß an die von Carnap (1947, § 30) auf- k en. Die Annahme, daß sich die Sinngleich-
gestellte Hypothese Frege zuschreiben k ann, heit von ‘A’ und ‘B’ bei einem Übergang von
bildet Freges Brief an Russell vom extensionalen zu nichtextensionalen Kontex-
28. 12. 1902 (Frege 1976 b, 234—237) zusam- ten vererbt, erscheint intuitiv einleuchtend.
Sie schließt ein, daß ‘A’ und ‘B’ in allen Be-
men mit den Ausführungen in Über Sinn und hauptungssätzen bei Wahrung der Sinngleich-
Bedeutung. — Ein Ausdruck ‘A’, der z. B.
sowohl in einem extensionalen Satz (d. h. in heit und damit auch der Bedeutungsgleichheit
gerader Rede) als auch in einem nichtexten- durch einander ersetzt werden k önnen. —
sionalen Satz erster Stufe (d. h. in ungerader Nach der zweiten Variante der hierarchischen
Rede) vork ommt, ist nach Frege zweideutig. Theorie bestimmt der gewöhnliche Sinn eines
Um diese für eine natürliche Sprache charak - Ausdruck s seinen (ersten) ungeraden Sinn
teristische Zweideutigk eit zu vermeiden, for- nicht eindeutig. Zwei Ausdrück e mit demsel-
dert er in seinem oben erwähnten Brief, daß ben gewöhnlichen Sinn k önnen dann ver-
man in „ungerader Rede besondere Zeichen schiedene Sinne n-ten Grades (für jedes n ≧
[hat], deren Zusammenhang aber mit den ent- 1) ausdrück en. Selbst dann, wenn Sg (A) =
sprechenden in gerader Rede leicht erk ennbar Sg (B) gilt, sind ‘A’ und ‘B’ nicht in allen
wäre“ (Frege 1976 b, 236). Die hier (idealty- Behauptungssätzen ohne Änderung des Sinns
pisch) vorgeschlagene Methode verfolgt im und daher auch nicht salva veritate durch
Prinzip Alonzo Church (*1903) in seiner Ab- einander ersetzbar.
handlung A Formulation of the Logic of Sense
and Denotation (1951) und auch in der wei- 6.2.  Der hierarchischen Theorie in ihren bei-
terführenden Arbeit Outline of a Revised For- den Erscheinungsformen läßt sich die bereits
mulation of the Logic of Sense and Denotation genannte Einstufentheorie des Sinns, gepaart
(1973/74). Seiner Theorie zufolge, bei deren mit der Zweistufentheorie der Bedeutung, ge-
Formulierung er sich ausdrück lich auf Frege genüberstellen. Sie ist durch folgende Prinzi-
beruft (ohne freilich den zitierten Brief an pien gek ennzeichnet: (1) Ein Ausdruck (Ei-
Russell zu k ennen), bezeichnen die auf mo- genname, Prädik at, Satz) drück t in allen (ex-
dale Operatoren im weiten Sinn wie ‘es ist tensionalen und nichtextensionalen) Kontex-
möglich, daß’, ‘a behauptet, daß’ usw. folgen- ten seinen gewöhnlichen Sinn aus. (2) Ein
den Ausdrück e intensionale Entitäten. Diese Ausdruck , der in einem nichtextensionalen
Ausdrück e werden entsprechend der seman- Kontext (beliebiger Stufe) vork ommt, be-
tischen Stufe des eingebetteten daß-Satzes mit zeichnet seine ungerade Bedeutung, also sei-
Indices versehen, z. B.: Max glaubt, daß nen gewöhnlichen Sinn. Freges Unterschei-
Juliane1 hübsch1 ist; Frank behauptet, daß dung zwischen dem gewöhnlichen und dem
Max1 glaubt1, daß Juliane2 hübsch2 ist. ungeraden Sinn eines Ausdruck s scheint auf
den ersten Blick mit dieser Theorie unverein-
‘Juliane1’ bezeichnet die Intension von ‘Ju- bar zu sein. Es läßt sich indes zeigen, daß die
liane’, ‘Juliane2’ die Intension von ‘Juliane1’. erste Variante der hierarchischen Theorie
Diese Indices tragenden Ausdrück e k önnen durch eine methodische Vereinfachung in eine
allerdings nicht als semantisch k omplex an- äquivalente Einstufentheorie des Sinns über-
gesehen werden. Die von Church k onstruierte führt werden kann (Parsons 1980, 43; 54 ff).
Sprache umfaßt unendlich viele semantische
34.  Gottlob Frege (1848—1925) 485

Semantische Struktur eines Glaubenssatzes

— Die semantische Struk tur z. B. des Satzes gegen ist der Wert der zweitgenannten Funk -
‘Max glaubt, daß Rimbaud ein Dichter ist’ tion (das ist die gewöhnliche Bedeutung von
k ann man im Rahmen der Fregeschen Theo- ‘Ga’, mithin ein Begriff) für das betreffende
rie obliquer Kontexte durch das folgende Dia- Argument (das ist die erste ungerade Bedeu-
gramm 34.1 darstellen. Der Einfachheit hal- tung bzw. der gewöhnliche Sinn von ‘p’) ein
ber sei als Abk ürzung für diesen Glaubenssatz Wahrheitswert. Den durch ‘Gap’ ausgedrück -
‘Gap’verwendet, wobei ‘Ga’ für ‘Max glaubt, ten Gedank en qua Funk tionswert habe ich
daß - - -’ steht und ‘p’ für den Satz ‘Rimbaud durch eine geschweifte Klammer der Gestalt
ist ein Dichter’. ‘ ’ k enntlich gemacht und den
Die nach oben gerichteten Pfeile repräsen- durch ‘Gap’ bezeichneten Wahrheitswert qua
tieren die Beziehung des Ausdrückens (= Funk tionswert durch eine geschweifte Klam-
Sinnebene), während die nach unten gerich- mer der Form ‘ ’. Diese Darstel-
teten Pfeile die Beziehung des Bezeichnens lung der semantischen Struk tur von ‘Gap’
oder Bedeutens (= Bedeutungsebene) dar- steht im Eink lang mit den beiden semanti-
stellen. Die vorstehende Analyse der seman- schen (›k ompositionellen‹) Prinzipien Freges
tischen Form von ‘Gap’ stimmt zunächst mit ›Der Sinn eines Satzes ist durch die Sinne
beiden Varianten der hierarchischen Theorie seiner Teilausdrück e und die Weise ihrer Zu-
überein. Während jedoch die zweite Variante, sammensetzung bestimmt, ist eine Funk tion
nämlich die von Carnap eingeführte und mit dieser Sinne‹ und ›Die Bedeutung eines Be-
Freges Äußerungen übereinstimmende ortho- hauptungssatzes ist durch die Bedeutungen
doxe Deutung der Unterscheidung zwischen seiner Teilausdrück e und die Weise ihrer Zu-
der gewöhnlichen und der ungeraden Bedeu- sammensetzung bestimmt, ist eine Funk tion
tung sowie zwischen dem gewöhnlichen und dieser Bedeutungen‹.
dem ungeraden Sinn annimmt, daß Su1 (p) ≠
Sg (p), tritt die erste Variante für Su1 (p) = 6.3.  Die hierarchische Theorie und die Einstu-
Sg (p) ein. — Der Sinn von ‘Gap’, der durch fentheorie des Sinns, gepaart mit einer Zwei-
diesen Satz ausgedrück te Gedank e, ergibt sich stufentheorie der Bedeutung, stimmen hin-
durch eine Anwendung des gewöhnlichen sichtlich der semantischen Repräsentation
Sinns von ‘Ga’ auf den ungeraden Sinn ersten von ‘Gap’ auf der Bedeutungsebene überein.
Grades von ‘p’. Die Bedeutung von ‘Gap’, der Während sich jedoch nach der hierarchischen
durch diesen Satz bezeichnete Wahrheitswert, Theorie der Sinn von ‘Gap’ durch eine An-
ergibt sich durch eine Anwendung der ge- wendung des gewöhnlichen Sinns von ‘Ga’ auf
wöhnlichen Bedeutung von ‘Ga’ auf die un- den ersten ungeraden Sinn von ‘p’ ergibt, er-
gerade Bedeutung ersten Grades von ‘p’, d. h. hält man nach der Einstufentheorie den Sinn
auf den durch ‘p’ bezeichneten Gedanken. von ‘Gap’ durch eine Anwendung des ge-
Diese Anwendung einer Funk tion auf ein Ar- wöhnlichen Sinns von ‘Ga’ auf den gewöhn-
gument wird im Diagramm durch runde lichen Sinn von ‘p’. — Der Satz ‘Max glaubt,
Klammern angezeigt. Der Wert der erstge- daß Rimbaud ein Dichter ist’ ist im Sinne
nannten Funk tion (das ist nach der von mir Freges syntak tisch so zu deuten, daß er aus
vertretenen und in der Fregeforschung um- dem Beziehungsausdruck ‘... glaubt, daß - - -’
strittenen Deutung der gewöhnliche Sinn des durch Einsetzung eines Eigennamens in die
Begriffsausdruck s ‘Ga’) für das betreffende gewöhnliche bzw. ›extensionale‹ Leerstelle
Argument (das ist der ungerade Sinn ersten ‘...’ und eines Behauptungssatzes bzw. eines
Grades des leerstellenfreien Ausdruck s ‘p’) ist Wahrheitswertnamens in die ›oblique‹ Argu-
der durch ‘Gap’ ausgedrück te Gedank e. Da- mentstelle ‘- - -’ gebildet wird. ‘... glaubt, daß
486 II. Personen

- - -’ ist ein gleichstufiger Beziehungsausdruck


erster Stufe; denn ‘p’ bezeichnet ja als Teilsatz
von ‘Gap’ einen (abstrak ten) Gegenstand,
nämlich den Gedank en, daß Rimbaud ein
Dichter ist. Freges Theorie obliquer Kontexte
legt also unmittelbar die natürliche Auffas-
sung nahe, daß Glauben, Wissen, usw. jeweils
eine Relation zwischen einer Person und
einem Gedank en ist. Ferner ist zu betonen,
daß nach seiner Auffassung ‘p’ im Zusam-
menhang von ‘Gap’ k einen Gedank en aus-
drück t, sondern der ungerade Sinn ersten
Grades von ‘p’ ist der (gewöhnliche) Sinn, den
die nominale Wendung ‘der Gedank e, daß p’
für sich genommen ausdrück t, also: Su1 (p)
= Sg (der Gedank e, daß p). Offensichtlich
k ann der Gedank e, den der Satz ‘Gap’ nach
der hierarchischen Theorie in ihrer orthodo- Abb. 34.3: Semantische Struktur b
xen Form ausdrück t, nicht mit dem Gedan-
k en zusammenfallen, den derselbe Satz der ‘SbGap’ läßt sich syntak tisch so auffassen,
Einstufentheorie zufolge ausdrück t. Die hier-
archische Theorie in ihrer orthodoxen Spiel- daß er durch Einsetzung eines singulären Aus-
art, nach der Sg (A) ≠ Sun (A) (n ≧ 1) gilt, druck s in die ›extensionale‹ Argumentstelle
scheidet allerdings aus mehreren Gründen für ‘...’ von ‘... sagte, daß — — —’ und eines nicht-
eine befriedigende Analyse der semantischen extensionalen Satzes erster Stufe in die ›obli-
Struk tur von obliquen Sätzen aus. Hingegen que‹ Argumentstelle ‘— — —’ entsteht. Die Ein-
lassen sich für die Einstufentheorie erhebliche
Vorteile geltend machen. — Das folgende stufentheorie des Sinns, verbunden mit einer
Diagramm 34.2 (vgl. Parsons 1980, 42) stellt Zweistufentheorie der Bedeutung, weist ge-
die semantische Struk tur des obliquen Kon- genüber der hierarchischen Theorie in ihrer or-
textes zweiter Stufe ‘Peter sagte, daß Max thodoxen Ausprägung zwei offenk undige Vor-
glaubt, daß Rimbaud ein Dichter ist’ im Rah- teile auf. Erstens ist sie nicht der Zwangslage
men der orthodoxen Deutung dar. ‘Peter ausgesetzt, eine je besondere Erk lärung dessen
sagte, daß - - -’ sei durch ‘Sb’ abgekürzt. geben zu müssen, worin der Sinn (Su1,..., Sun)
eines Ausdruck s mit Bezug auf nichtextensio-
nale Kontexte der Stufen 1, ..., n besteht.
Zweitens schließt sie ein, daß der Gedank e,
den ein assertorischer Satz ausdrück t, handle
es sich um einen extensionalen Satz oder um
einen nichtextensionalen Satz beliebiger Stufe,
stets als eine Verbindung von gleichstufigen
Sinnen der Teilausdrück e analysierbar ist. Die
Darstellung der semantischen Struk tur von
‘SbGap’ nach der orthodoxen Interpretation
zeigt, daß sich hier der durch ‘SbGap’ ausge-
drück te Gedank e aus ungleichstufigen Gedan-
kenteilen zusammensetzt.

6.4.  Die vorangehende Analyse der semanti-


schen Form von Sätzen über propositionale
Einstellungen (s. Art. 80) auf der Grundlage
der Fregeschen Unterscheidung zwischen ge-
Abb. 34.2: Semantische Struktur a wöhnlicher und ungerader Bedeutung beruht
wesentlich auf der Annahme, daß für Frege
Im Rahmen der Einstufentheorie des Sinns der Sinn eines vollständigen (d. h. leerstellen-
sieht die semantische Struk tur von ‘SbGap’ wie freien) Ausdruck s ein Gegenstand ist, der Sinn
folgt aus: eines unvollständigen Ausdruck s (d. h. Funk -
tionszeichens) hingegen eine Funk tion. Sähe
Frege einen gesättigten Sinn nicht als einen
Gegenstand an, so müßte er einräumen, daß
34.  Gottlob Frege (1848—1925) 487

es neben der Klasse der Gegenstände eine men um eine zweite Klasse ungesättigter En-
zweite Klasse gesättigter Entitäten gibt. Dies titäten neben den Funk tionen erweitern. Was
k önnte er indessen nur dann tun, wenner nicht ich soeben zum Status des Sinns von gesättig-
beanspruchte, mit seiner Unterscheidung zwi- ten und ergänzungsbedürftigen Ausdrück en
schen Funk tionen und Gegenständen eine er- ausgeführt habe, gilt auch für den von Frege
schöpfende ontologische Einteilung von Exi- eingeführten ungeraden Sinn. — Wie steht es
stierendem zu geben. — Nach meiner Ein- mit der Plausibilität der Unterscheidung zwi-
schätzung sprechen zwei Gründe dagegen, daß schen dem gewöhnlichen und dem ungeraden
Frege die Sinne von Funk tions-, Begriffs- und Sinn eines Ausdruck s ‘A’, sofern Sg (A) ≠
Beziehungsausdrück en als Gegenstände auf- SunA (n ≧ 1)? Während Frege den gewöhn-
faßt. Erstens: sie haben ebenso wie die Zei- lichen Sinn eines Eigennamens (wenn auch un-
chen, durch die sie ausgedrück t werden, den zureichend) als das erk lärt, worin die Art des
Charak ter des Ungesättigten, Ergänzungsbe- Gegebenseins des bezeichneten Gegenstandes
dürftigen, während die Gesättigtheit ein we- enthalten ist — eine analoge Erläuterung des
sentliches Merk mal von Gegenständen ist. Sinns von Begriffs- und Beziehungswörtern
Zweitens: Wäre der Sinn eines Begriffs- oder böte sich grundsätzlich an —, bleibt unk lar,
Beziehungsausdruck s ein Gegenstand — was was unter dem ungeraden Sinn ersten oder gar
z. B. Dummett (1981, 341) behauptet —, so höheren Grades eines singulären Ausdruck s,
müßte Frege seine These preisgeben, daß von Prädik ats oder Aussagesatzes zu verstehen ist.
den Teilen eines Gedank ens nicht alle abge- Weiß man dies jedoch nicht, so verfügt man
schlossen sein dürfen, sondern mindestens auch über k ein Kriterium, um eine begründete
einer ungesättigt bzw. prädik ativ sein muß. Entscheidung z. B. darüber zu fällen, ob zwei
Die Sinne würden — wie Frege sagt — sonst singuläre Termini mit demselben gewöhnli-
nicht aneinander haften. Man k ann den Sinn chen Sinn verschiedene ungerade Sinne ersten
eines einstelligen Prädik ats erster Stufe wie Grades oder denselben ungeraden Sinn ersten
folgt k ennzeichnen: er ist eine Funk tion, die Grades ausdrück en. Vor dieses Problem sähe
für den Sinn eines Eigennamens ‘a’ als Argu- man sich insbesondere dann gestellt, wenn
ment einen Gedank en als Wert liefert, nämlich man Freges Prinzip der Ersetzbark eit, von
den Gedank en, den der durch Einsetzung von dem gleich noch zu handeln sein wird, auf obli-
‘a’ in die Argumentstelle von ‘F (x)’ gebildete que Sätze zweiter oder höherer Stufe anwen-
Satz ‘F (a)’ ausdrück t. Entsprechend k ann den wollte.
man den Sinn eines zweistelligen Prädik ats er-
ster Stufe ‘G (x, y)’ bestimmen: er ist eine 6.5.  Es unterliegt k einem Zweifel: die ortho-
Funk tion, die für die Sinne zweier Eigenna- doxe Variante der hierarchischen Theorie, die
men ‘a’ und ‘b’ als Argumente den Gedank en von Church in gewandelter Form systematisch
als Wert hat, den der durch zweifache Ergän- ausgearbeitet worden ist, k ann nicht bean-
zung von ‘G (x, y)’ mit ‘a’ und ‘b’ entstehende spruchen, die semantische Struk tur von nicht-
Satz ‘G (a, b)’ ausdrück t. Nach diesen Erk lä- extensionalen Sätzen einer natürlichen Spra-
rungen, deren Schema auch auf Prädik ate che angemessen zu beschreiben. Eine tragfä-
zweiter Stufe angewendet werden k önnte, ist hige Sinntheorie muß erk lären k önnen, worin
der Sinn eines monadischen Prädik ats wohl- der Sinn von Ausdrück en einer natürlichen
gemerk t nicht als ein Begriff, der Sinn eines Sprache S jeder semantisch signifik anten Ka-
dyadischen Prädik ats nicht als eine Beziehung tegorie besteht. Eine Erk lärung des Sinns z. B.
aufzufassen. Denn der Funk tionswert ist stets eines einstelligen Prädik ats erster Stufe ‘F (x)’
ein Gedank e, k ein Wahrheitswert. Der Sinn von S muß zugleich eine Erk lärung dessen
eines Begriffsausdruck s und eines gewöhnli- sein, was es für einen k ompetenten Sprecher
chen Funk tionsnamens mit einer Argument- von S heißt, ‘F (x)’ zu verstehen. Eine solche
stelle ist also eine Funk tion mit einem Argu- Erk lärung hat die Aufgabe, die prak tische Fä-
ment; der Sinn eines Beziehungsausdruck s und higk eit des Sprachbenutzers, ‘F (x)’ im Zu-
eines gewöhnlichen Fun k tionsnamens mit sammenhang verschiedener Sätze verstehend
zwei Argumentstellen ist eine Funk tion mit zu verwenden, theoretisch darzustellen. In
zwei Argumenten. Falls Frege seine Einteilung einer Darstellung dieses sprachlichen Teilver-
von Entitäten in Funk tionen und Gegen- mögens geht es also nicht darum, normative
stände als vollständig ansieht, so k ann also für Regeln der Verwendung von Prädik aten auf-
ihn der Sinn eines Prädik ats nur eine Funk tion zustellen, sondern allein darum, eine beste-
sein. Ist er dagegen der Ansicht, daß der Sinn hende sprachliche Praxis zu beschreiben. Die
eines unvollständigen Ausdruck s k eine Funk - von Church aufgebaute Sprache (mit unend-
tion ist, so müßte er seinen ontologischen Rah- lich vielen semantischen Grundausdrück en) ist
488 II. Personen

zwar von nicht gering zu schätzendem for- zweifache Weise formulieren:


malen Interesse; sie stellt aber doch nur ein (1) Wenn zwei Ausdrück e denselben Gegen-
idealisiertes Modell eines Bereichs natürlicher stand bezeichnen, so k ann der eine für den an-
Sprachen dar. Die Annahme, ein Grundaus- deren in einen Satz eingesetzt werden, ohne
druck einer Sprache S k önne in verschiedenen daß sich dadurch der Wahrheitswert des Satzes
Kontexten unendlich viele verschiedene Sinne ändert.
haben, schließt ein, daß S unendlich viele se- (2) Wenn eine Identitätsaussage der Form
mantisch einfache Ausdrück e enthält. Z. B. ‘a = b’ wahr ist, so k ann man ‘a’ und ‘b’ in
wäre ein einfaches Prädik at ‘F (x)’, das in beliebigen Sätzen (sofern sie einen Wahrheits-
einem obliquen Kontext n-ter Stufe n-fach ein- wert haben) salva veritate durch einander er-
gebettet ist, semantisch gesehen ein neuer setzen. Frege führt in Über Sinn und Bedeutung
Grundausdruck in bezug auf ‘F (x)’, wenn ein Prinzip der Ersetzbark eit folgendermaßen
‘F (x)’ in einem nichtextensionalen Kontext ein:
der Stufe n—1 vork ommt, genauer: in dem „Nehmen wir einmal an, der Satz [d. h. irgendein
n—1-fach eingebetteten Nebensatz dieses Behauptungssatz] habe eine Bedeutung! Ersetzen
Kontextes. Eine Sprache, die unendlich viele wir nun in ihm ein Wort durch ein anderes von der-
Grundausdrück e umfaßt, k ann jedoch von selben Bedeutung, aber anderem Sinne, so k ann dies
Wesen mit endlichen Fähigk eiten nicht voll- auf die Bedeutung des Satzes k einen Einfluß haben“
ständig erlernt werden. — Die Verk nüpfung (Frege 1967 a, 148).
einer unendlichen Folge verschiedener Sinne Dieses Prinzip dient Frege in Über Sinn und
mit ein und demselben natürlichsprachlichen Bedeutung weder als Mittel zur Entdeck ung
Ausdruck erscheint also als eine rein formale dessen, worin die Bedeutung eines Behaup-
Erweiterung der Fregeschen Unterscheidung tungssatzes besteht, noch als Definition zur
zwischen dem gewöhnlichen und dem unge- Einführung des Ausdruck s ‘Bedeutung eines
raden Sinn, die k eine Entsprechung in unserer Satzes’. Frege benutzt es zunächst, um eine be-
sprachlichen Praxis findet. (An nichtextensio- gründete Entscheidung darüber zu treffen, ob
nale Sätze dritter und höherer Stufe hat Frege der durch einen Satz ausgedrück te Gedank e
vermutlich gar nicht gedacht.) Nichts spricht als dessen Sinn oder als dessen Bedeutung auf-
für, aber alles gegen die Annahme, das jedes zufassen ist. Später greift er auf sein Prinzip
Glied der Folge Sg (A), Su1 (A), ..., Sun (A) zur Stützung bzw. Bestätigung der Vermutung
nach Maßgabe des Satzk ontextes, in dem A zurück , daß die Bedeutung eines Satzes sein
vork ommt, für die Sprachbenutzer mit einem Wahrheitswert ist und damit auch zur Prüfung
jeweils besonderem Sinnverstehen verbunden der Angemessenheit der Überlegungen, die ihn
werden k ann. Angenommen, die Erk lärung: zu dieser Vermutung führen. Das in Über Sinn
‘Man versteht den Sinn eines Begriffsaus- und Bedeutung aufgestellte Prinzip der Ersetz-
druck s ‘F (x)’,wenn man für jeden gegebenen bark eit spielt so gesehen die Rolle eines Ad-
Gegenstand festzustellen vermag, ob er unter äquatheitsk riteriums für die Einführung des
den Begriff F (x) fällt oder nicht’ eigne sich als Begriffs der Satzbedeutung. — Freges Prinzip
eine allgemeine Erk lärung des Sinns von ein- der Ersetzbark eit gilt, sofern man ‘Wort’
stelligen Prädik aten erster Stufe im Rahmen durch ‘Ausdruck ’ ersetzt, für singuläre Ter-
der Fregeschen Semantik . Während diese Er- mini, Sätze und seinen Ausführungen über Sinn
k lärung als Bestandteil einer Einstufentheorie und Bedeutung (1892—95) zufolge (Frege
des Sinns in bezug auf jeden Satz, in dem 1969, 128) auch für Begriffswörter (und frei-
‘F (x)’ als Teilausdruck vork ommt, Gültigk eit lich auch für Beziehungsausdrück e, wenn-
beanspruchen k önnte, sähe sich die orthodoxe gleich diese Klasse von Ausdrück en nicht ei-
Variante der hierarchischen Theorie vor eine gens genannt wird). Beschränk t man die Er-
unlösbare Aufgabe gestellt: sie müßte erläu- setzung auf singuläre Ausdrück e, so k ann man
tern, was es für einen Sprecher einer Sprache das folgende Fregesche Prinzip formulieren:
S heißt, den gewöhnlichen Sinn, den ersten un- (3) Ersetzt man in dem Satz ‘... a ...’ den
geraden Sinn, den n-ten ungeraden Sinn von Eigennamen ‘a’ durch einen bedeutungsglei-
‘F (x)’ zu erfassen. chen Eigennamen ‘b’, so hat der erhaltene Satz
‘... b ...’ dieselbe Bedeutung bzw. denselben
Wahrheitswert wie der Ausgangssatz.
7. Das Prinzip der Ersetzbarkeit Ich bin dabei im Sinne Freges von irgend-
einem bedeutungsvollen Behauptungssatz
7.1.  Nach Carnap, Quine und anderen Logi- ausgegangen. Von den Prinzipien (1)—(3) gel-
k ern läßt sich das k lassische, auf Gottfried ten die beiden ersten (die offenk undig äqui-
Wilhelm Leibniz (1646—1716) (s. Art. 23) zu- valent sind) nicht allgemein, sondern nur für
rück gehende Prinzip der Ersetzbark eit auf extensionale Kontexte. Dagegen erstreck t sich
34.  Gottlob Frege (1848—1925) 489

die Geltung von Prinzip (3) sowohl auf exten- Name in einem bestimmten Kontext verwen-
sionale Sätze als auch auf nichtextensionale det wird, Name genau einer Entität ist; (ii) dem
Sätze beliebiger Stufen. Angenommen, der Gegenstandsprinzip, demzufolge jeder Satz, in
(falsche) Satz ‘Montevideo ist die Hauptstadt dem Namen vork ommen, von den nominata
von Venezuela’ (p) k ommt als Nebensatz in (designata) dieser Namen handelt; (iii) dem
einem obliquen Kontext vor, z. B.: ‘Hans Prinzip der Austauschbark eit (Ersetzbark eit).
glaubt, daß Montevideo die Hauptstadt von Die Antinomie der Namensrelation ist zwei-
Venezuela ist’ (q). Daß die Bedeutung von p in fellos nicht das Hauptmotiv für Freges Un-
diesem Fall nicht sein Wahrheitswert, sondern terscheidung zwischen der gewöhnlichen und
der Gedank e ist, den er für sich genommen der ungeraden Bedeutung eines Ausdruck s.
oder als Teilsatz eines extensionalen Satzes Indessen k ann man Carnap darin zustimmen,
ausdrück t, ist intuitiv k lar. Denn der Sprecher, daß Frege mit dieser Unterscheidung — und
der q mit behauptender Kraft äußert, nimmt freilich auch mit der von ihm gewählten For-
ja auf den gewöhnlichen Sinn von p Bezug, mulierung des Prinzips der Ersetzbark eit —
d. h. er bezeichnet den Inhalt eines Hans zu- stillschweigend eine Lösung der Antinomie
geschriebenen Glaubens. Die behauptende anbietet (Carnap 1947, 136). Die Antinomie
Kraft erstreck t sich auf den ganzen Satz q. — läßt sich auch für ‘Hans glaubt, daß Monte-
Eine weitere Überlegung zeigt, daß die Bedeu- video die Hauptstadt von Venezuela ist’ (q)
tung von p als Teilsatz von q k ein Wahrheits- k onstruieren. Vorausgesetzt sei die Wahrheit
wert, sondern nur ein Gedank e sein k ann. Da von q. Ersetzt man nun in q den Namen ‘Mon-
nach Frege die Bedeutung eines Behauptungs- tevideo’ durch die bezugsgleiche Kennzeich-
satzes eine Funk tion der Bedeutungen seiner nung ‘die Hauptstadt von Uruguay’, so ent-
Teilausdrück e ist, muß auch die Bedeutung steht im Widerspruch zu Prinzip (1) oder (2)
von q eine Funk tion der Bedeutung von p sein. ein falscher Satz — vorausgesetzt, daß Hans
Wäre nun die Bedeutung von p im Kontext q nicht die Disposition hat zu glauben, daß die
einer der beiden Wahrheitswerte, so hinge der Hauptstadt von Venezuela und die Hauptstadt
Wahrheitswert von q von jenem von p ab. Dies von Uruguay dieselbe Stadt sind. — Um bei
ist jedoch offensichtlich nicht der Fall: denn der Anwendung des Ersetzbark eitsprinzips
für die Bestimmung des Wahrheitswertes von auf q einen möglichen Widerspruch auszu-
q ist es unerheblich, ob p wahr oder falsch ist. schließen, muß man (3) nicht ein entsprechen-
Ein Glaubenssatz unterscheidet sich in dieser des Prinzip für oblique Sätze erster Stufe zur
Hinsicht von einem Modalsatz wie etwa ‘Es ist Seite stellen. Freges Prinzip der Ersetzbark eit
notwendig, daß 9 größer als 7 ist‘. Hier hängt setzt einen bedeutungsvollen Satz voraus. Da-
der Wahrheitswert des ganzen Satzes von je- mit ist aber zugleich bestimmt, in welchem Zu-
nem des Nebensatzes ab, wenn auch nicht aus- sammenhang ein Teilausdruck (singulärer Ter-
schließlich, wie das bei wahrheitsfunk tionalen minus oder Prädik at) einen Sinn und eine Be-
Sätzen der Fall ist. Ähnlich wie dieser Mo- deutung hat. Der Sinn bzw. die Bedeutung
dalsatz k ann ein Satz der Form ‘a weiß, daß eines Wortes besteht ja nach Frege ausschließ-
p’ nur dann wahr sein, wenn es der Fall ist, lich in seinem Beitrag zur Bestimmung des Sin-
daß p. Man k ann zwar glauben oder vermuten, nes bzw. der Bedeutung von Sätzen, in denen
daß ein Gedank e wahr ist, auch wenn sich die- es vork ommt. So hat der Name ‘Montevideo’
ser als falsch herausstellen sollte; aber man in q seine erste ungerade Bedeutung und er
k ann natürlich nicht wissen, daß p, wenn der drück t — Freges Ausführungen in Über Sinn
Sachverhalt, daß p, nicht besteht. und Bedeutung zufolge — seinen (ersten) un-
geraden Sinn aus. Seine Begriffe Sinn und Be-
7.2.  Die von Carnap so genannte Antinomie deutung sind wohlgemerk t nur in bezug auf
der Namensrelation besteht darin, daß die An- Ausdrück e einer natürlichen Sprache k ontext-
wendung des Prinzips der Ersetzbark eit in der variant. In einer als logisch vollk ommen k on-
Form (1) oder (2) zu einem Widerspruch füh- zipierten Wissenschaftssprache, in der ›Män-
ren k ann (Carnap 1947, § 31). Carnap hat gel‹ der natürlichen Sprachen wie Vagheit oder
diese Bezeichnung deshalb gewählt, weil nach Mehrdeutigk eit von Ausdrück en sowie die
seiner Auffassung die Ursache dieser Antino- Konstruierbark eit nichtextensionaler Sätze
mie nicht primär in der Verwendung nichtex- von vorneherein ausgeschlossen werden, hat
tensionaler Sätze liegt, sondern vielmehr in der jeder Ausdruck genau eine Bedeutung und ge-
›Methode der Namensrelation‹, die auf drei — nau einen Sinn (s. Art. 59). — Ersetzt man nun
gewöhnlich stillschweigend vorausgesetzten in q den Namen ‘Montevideo’ durch einen sin-
— Prinzipien beruht: (i) dem Prinzip der Ein- gulären Ausdruck mit derselben Bedeutung,
deutigk eit, demzufolge jeder Ausdruck , der als so hat Freges Prinzip der Ersetzbark eit zufolge
490 II. Personen

der resultierende Satz dieselbe Bedeutung wie wird: x4 = 16, so zerfällt der beurteilbare Inhalt in
der ursprüngliche Satz. Dies läßt sich deshalb einen bleibenden und einen veränderlichen Teil. Er-
uneingeschränk t behaupten, weil die Erset- sterer für sich betrachtet, aber mit Offenhaltung der
zung von ‘Montevideo’ durch einen bedeu- Stelle für den Letzteren gibt den Begriff‘4te Wurzel
tungsgleichen Ausdruck aufgrund der Zuge- aus 16’ [...] Wir k önnen in x4 = 16 nun auch noch
hörigk eit von q zur Gruppe der obliquen Sätze 16 ersetzbar denk en, was wir etwa durch x4 = y
erster Stufe und der damit verbundenen Be- darstellen. Wir erhalten so den Begriff einer Rela-
stimmung der semantischen Rolle des Neben- tion, nämlich der Beziehung einer Zahl zu ihrer 4ten
satzes p und seiner Teile nur eine Ersetzung Potenz“ (Frege 1969, 17 f).
durch einen singulären Terminus mit derselben An dieser Stelle bedarf es zunächst einiger
(ersten) ungeraden Bedeutung sein k ann. Da terminologischer Erläuterungen. Frege spricht
nach Freges Einschätzung — wie angesichts in Booles rechnende Logik und die Begriffs-
der von ihm mehrfach betonten Verschieden- schrift (Frege 1969, 17 ff; vgl. Frege 1976, 164)
heit des Sinns eines (eigentlichen) Eigenna- vorzugsweise von der Gewinnung eines Be-
mens und einer bedeutungsgleichen Kenn- griffs durch Zerfällung eines ›beurteilbaren In-
zeichnung mit guten Grund unterstellt werden halts‹. Letzterer ist von dem ›Urteil‹ zu unter-
kann — (vgl. z. B. Frege 1969, 208; 243) — die scheiden. In seiner Begriffsschrift (1879) hebt
singulären Termini ‘Montevideo’ und ‘die er den Inhalt eines Urteils von der Anerk en-
Hauptstadt Uruguays’ nicht denselben ge- nung der Wahrheit des Inhalts ab (vgl. Frege
wöhnlichen Sinn ausdrück en, mithin nicht die- 1964, 1 f). Ein Urteil wird stets mit Hilfe des
selbe ungerade Bedeutung (ersten Grades) sogenannten Inhaltsstriches ‘—’ ausgedrück t;
haben, k ann man Prinzip (3) logisch nicht zum dieser steht link s von dem Ausdruck ‘A’, der
Garanten dafür machen, daß in q ersterer den Inhalt des Urteils angibt. Frege um-
durch letzteren salva veritate ersetzbar ist. Die schreibt die Zeichenverbindung ‘— A’ als ‘der
Schwierigk eiten, auf die man bei einer An- Umstand, daß A’. Diejenigen Inhalte, die ein
wendung von Prinzip (3) auf einen nichtexten- Urteil werden, indem man ihrem Ausdruck
sionalen Kontext zweiter oder höherer Stufe das aus dem Inhaltsstrich und dem Urteils-
unweigerlich stößt, entfallen, wenn man an- strich ‘|’ zusammengesetzte Zeichen ‘⊢’ vor-
stelle einer Hierarchie ungerader Sinne für eine anstellt, nennt er ‘beurteilbare Inhalte’, z. B.
Einstufentheorie des Sinns eintritt. den Umstand, daß 24 = 16. In seiner Theorie
von Sinn und Bedeutung nach 1891 spaltet
Frege den beurteilbaren Inhalt, der etwas Ob-
8. Die Zerlegung von Gedanken jek tives ist, in den ›Gedank en‹ und den ›Wahr-
in Gedankenteile heitswert‹ auf (Frege 1967 a, 172; Frege 1962,
1, X; Frege 1976 b, 96), ist jedoch rück blickend
8.1.  Die These, daß Begriffe durch eine Zer- geneigt, diesen primär im Sinne des Gedan-
legung von beurteilbaren Inhalten gewonnen k ens aufzufassen (Frege 1976 b, 120). Begriffe
werden, ist ein k onstantes Leitprinzip der Fre- und Beziehungen gehören in der Begriffs-
geschen Logik und Sprachphilosophie. In sei- schrift und in Booles rechnende Logik und die
ner Abhandlung Booles rechnende Logik und Begriffsschrift ebenfalls einer noch undifferen-
die Begriffsschrift (1880—81) formuliert Frege zierten objek tiven Inhaltssphäre an und wer-
seine These der Priorität von Urteilen bzw. den erst im Rahmen der Theorie von Sinn und
beurteilbaren Inhalten gegenüber Begriffen Bedeutung und der mit ihr verk nüpften Theo-
wie folgt: rie der Funk tionen terminologisch als das be-
„Im Gegensatz zu Boole gehe ich von den Urteilen stimmt, was Begriffs- bzw. Beziehungsaus-
und deren Inhalten statt von den Begriffen aus [...] drück e bedeuten oder bezeichnen (vgl. Frege
Das Bilden der Begriffe lasse ich erst aus den Ur- 1976 b, 96; Frege 1969, 128 ff). Einige Anzei-
teilen hervorgehen“ (Frege 1969, 17; vgl. Frege chen sprechen dafür, daß Frege in der Be-
1964, 101). griffsschrift und in Booles rechnende Logik und
Er beschreibt dann die Bildung eines Be- die Begriffsschrift unter einem einstelligen Be-
griffs durch Zerfällung eines beurteilbaren In- griff primär einen einfach ungesättigten Ge-
halts sowie die Gewinnung einer Beziehung dank enteil und unter einer Beziehung primär
aus dem so gebildeten Begriff: einen doppelt ergänzungsbedürftigen Gedan-
„Wenn man nämlich in dem beurteilbaren Inhalte 24 k enteil versteht, also das, was er später den
= 16 die 2 durch Anderes ersetzbar denk t, etwa Sinn eines Begriffs- bzw. Beziehungsausdruck s
durch (— 2) oder auch durch 3, was dadurch ange- nennt (vgl. Frege 1969, 273; siehe aber auch
deutet werden mag, daß an die Stelle der 2 x gesetzt Frege 1986, 63). Schließlich sei betont, daß der
34.  Gottlob Frege (1848—1925) 491

Terminus ‘Urteil’ in seinen Schriften nach k enntlich macht. Diese syntak tische Opera-
1891 stets nur den geistigen Ak t der Anerk en- tion geht nach Frege Hand in Hand mit der
nung der Wahrheit eines Gedank ens bezeich- Zerlegung eines k omplexen gesättigten Sinns
net. in ungleichartige Sinnteile: in einen (einfach)
ungesättigten Sinnteil und einen gesättigten
8.2.  Die Methode der Bildung von Begriffen Sinnteil. Erfolgt der Schritt der Lück enbil-
und Beziehungen durch Zerfällung eines beur- dung im Ausgang von einem Wahrheitswert-
teilbaren Inhalts bzw. Gedank ens in einen blei- namen (Satz), so handelt es sich auf der Sinn-
benden und einen veränderlichen Bestandteil ebene um eine Zerfällung des durch ihn aus-
(d. h. in Funk tion und Argument) findet auf gedrück ten Gedank ens in einen gesättigten
der Zeichenebene ihre Entsprechung in der Er- und einen (einfach) ungesättigten Gedanken-
zeugung von Begriffs- und Beziehungsaus- teil. Zur Erläuterung: ‘Gleichartig’ nenne ich
drück en (allgemeiner: von Funk tionsnamen), zwei Sinne dann, wenn beide entweder gesät-
wie sie im Logik k alk ül der Grundgesetze der tigt oder ungesättigt sind. Von zwei ›ungleich-
Arithmetik bestimmten Formregeln gemäß er- artigen‹ Sinnen ist der eine gesättigt, der an-
folgt. Im folgenden verwende ich den Aus- dere ungesättigt. Einen einfach ergänzungs-
druck ‘Funk tionswertname’ in einem engen bedürftigen Sinn und einen zweifach ergän-
syntak tischen Sinn: danach entsteht ein Funk - zungsbedürftigen Sinn bezeichne ich also auch
tionswertname immer durch die Sättigung als ‘gleichartig’. Zwei gleichartige Sinne dieser
eines Funk tionsausdruck s, enthält also min- Art unterscheiden sich im Grad ihrer Unge-
destens einen Funk tionsnamen als Teilaus- sättigtk eit, während der Gegensatz ‘gesättigt
druck . Im weiten Sinn ist z. B. auch das ein- — ungesättigt’ sowohl zwischen den Sinnen
fache Zeichen ‘4’ ebenso wie das k omplexe von Gegenstandsnamen und jenen von mo-
Zeichen ‘22’ ein Name des Wertes der Funk - nadischen Funk tionsnamen als auch zwischen
tion ξ2 für das Argument 2). Die im § 26 der den Sinnen von Eigennamen und jenen von
Grundgesetze der Arithmetik aufgestellten drei dyadischen Funk tionsnamen besteht. — Nach
Regeln der rechtmäßigen Bildung von Funk - der dritten Lück enbildungsregel schließt man
tionsausdrück en geben Konstruk tionsverfah- von einem Gegenstandsnamen einen ein- oder
ren an, mittels derer man (1) aus einem zusam- zweistelligen Funk tionsausdruck erster Stufe,
mengesetzten Eigennamen (d. h. Funk tions- der einen Teil von jenem bildet, an einigen oder
wertnamen) einen einstelligen Funk tionsna- allen Stellen, wo er vork ommt, aus und macht
men erster Stufe erhält, (2) aus einem k om- die gebildete(n) Lück e(n) als Argument-
plexen einstelligen Funk tionsnamen erster stelle(n) zweiter bzw. dritter Art k enntlich.
Stufe einen zweistelligen Funk tionsnamen er- Entstehen durch das Verfahren der Ausschlie-
ster Stufe und (3) aus einem zusammengesetz- ßung zwei oder mehr Lück en in dem betref-
ten Gegenstandsnamen einen Funk tionsna- fenden Ausgangsnamen, so müssen diese unter
men zweiter Stufe mit einer Argumentstelle Verwendung desselben Buchstabens als eine
zweiter Art (sie ist zur Aufnahme von mona- Argumentstelle bzw. als verwandte Argu-
dischen Funk tionszeichen erster Stufe geeig- mentstellen gek ennzeichnet werden. Die Bil-
net) oder einer Argumentstelle dritter Art (sie dung eines Funk tionsnamens zweiter Stufe
eignet sich zur Aufnahme von dyadischen mit einer Argumentstelle zweiter oder dritter
Funk tionszeichen erster Stufe). Neben diesen Art ist auf der Sinnebene mit der Teilung eines
Lückenbildungsregeln wird im System der gesättigten Sinns in ›gleichartige‹ Sinnteile ver-
Grundgesetze der Arithmetik die Einsetzungs- k nüpft: in zwei einfach ungesättigte Sinnteile
regel angewandt. Sie erlaubt die Einsetzung oder in einen einfach ergänzungsbedürftigen
passender Argumentausdrück e in die Argu- Sinnteil. Ist der Ausgangsname ein Satz, so fin-
mentstellen von Funk tionsausdrück en und det eine Teilung eines Gedank ens z. B. in zwei
dient der Konstruk tion sowohl von Funk - einfach ungesättigte Gedan k enteile statt.
tionswertnamen als auch von k omplexen ein- Frege hat das Verfahren der Gewinnung von
stelligen Funk tionsnamen erster Stufe. — Die ungesättigten Gedank enteilen in mehreren
Erzeugung einstelliger Fun k tionsausdrüc
k e nachgelassenen Schriften ausführlich erläutert
erster Stufe nach der ersten Lück enbildungs- (Frege 1969, 203 ff; 216 ff; 273 ff). Er unter-
regel geschieht so, daß man von einem Funk - streicht in diesem Zusammenhang mehrfach
tionswertnamen einen Eigennamen, der einen seine schon 1882 formulierte Einsicht (Frege
Teil von jenem bildet (oder mit ihm zusam- 1976 b, 164), daß ein und derselbe Gedank e
menfällt), an einigen oder allen Stellen, wo er (beurteilbare Inhalt) oft in verschiedener
vork ommt, ausschließt und die so gebildete(n) Weise zerlegbar sei (Frege 1969, 203; 218; vgl.
Lück e(n) als Argumentstelle(n) erster Art Frege 1967 a. 173). Diese Möglichk eit erhellt
492 II. Personen

insbesondere daraus, daß verschiedene Sätze gedrück ten Gedank ens in drei Gedank enteile,
denselben Gedan k en ausdrüc k en k önnen nämlich in die gesättigten Sinne von ‘AxF (x)’
(Frege 1967 a, 173; 381 ff; Frege 1969, 153; und ‘9’ sowie den doppelt ungesättigten Sinn
213; Frege 1976 b, 102 ff). Den Zerlegungen von ‘ξ = ζ’ geschieht in zwei Schritten; sie er-
solcher ›äquipollenter‹ Sätze werden dann im fordert eine Anwendung der ersten und der
allgemeinen verschiedene Zerlegungen dessel- zweiten Lück enbildungsregel. Allgemein gilt:
ben Gedank ens entsprechen. Die Zahl der Eine Anwendung der ersten oder dritten Lük -
möglichen Zerlegungen eines Satzes k ann da- k enbildungsregel auf einen Satz bewirk t stets
her auch k leiner sein als die Zahl der mögli- eine Zerlegung sowohl des Satzes als auch des
chen Teilungen des durch ihn ausgedrück ten zugehörigen Gedank ens. Der Satz wird dabei
Gedankens. in den bzw. die ›ausgeschlossenen‹ Namen
„Der Satz k ann als Abbildung des Gedank ens be- (falls der Name an mindestens zwei Stellen in
trachtet werden in der Weise, daß dem Verhältnisse dem Satz vork ommt) und den ›erhaltenen‹
vom Teil zum Ganzen bei den Gedank en und Ge- Funk tionsnamen zerlegt. Von dem Sonderfall,
dank enteilen im großen und ganzen dasselbe Ver- daß von einem Wahrheitswertnamen ein Ei-
hältnis bei den Sätzen und Satzteilen entspricht“ genname ausgeschlossen wird, der mit diesem
(Frege 1969, 275). zusammenfällt, k önnen wir hier absehen. Die
Methode der Lück enbildung dient naturge-
8.3.  Nehmen wir zur Verdeutlichung die An- mäß ausschließlich der Konstruk tion von
zahlgleichung ‘Die Anzahl, die dem Begriff Funk tionsnamen (auf der Sinnebene: der Ge-
Planet zuk ommt = 9’ (im folgenden symbo- winnung von ungesättigten Sinnen). Eigen-
lisch durch ‘AxF (x) = 9’ abgek ürzt) und sehen namen werden durch diese Methode von k om-
wir zu, wie es sich mit den möglichen Zerle- plexeren Eigennamen oder einstelligen Funk -
gungen des Satzes und des durch ihn ausge- tionsnamen erster Stufe, von denen sie einen
drück ten Gedank ens verhält. Wir k önnen Teil bilden, lediglich ausgeschlossen, aber nie-
‘AxF (x) = 9’ zunächst auf vierfache Weise lo- mals erzeugt. Nicht auf die ausgeschlossenen,
gisch zerlegen: erstens in den Begriffsausdruck sondern auf die erhaltenen Namen k ommt es
erster Stufe ‘ξ = 9’ und den Eigennamen bei dem Verfahren der Lück enbildung an. —
‘AxF (x)’; zweitens in ‘AxF (x) = ζ’ und ‘9’; Gedank en existieren nach Frege unabhängig
drittens in den Beziehungsausdruck ‘ξ = ζ’ davon, ob sie jemals von einem Menschen ge-
und die beiden Gegenstandsnamen ‘AxF (x)’ faßt und sprachlich ausgedrück t werden (vgl.
und ‘9’; viertens in den Begriffsausdruck zwei- z. B. Frege 1967 a, 123; Frege 1969, 87; 140;
ter Stufe ‘Axφ(x) = 9’ und den Begriffsaus- 144; 149; 160; 214). Die Teilung eines Gedan-
k ens in Gedank enteile vollzieht sich indessen
druck erster Stufe ‘F’. Durch diese Zerlegun- nie sprachunabhängig; sie hängt immer von
gen wird zugleich der durch ‘AxF (x) = 9’ aus-
der Zerlegung eines ihn ausdrück enden Satzes
gedrück te Gedank e auf jeweils andere Weise in Satzteile ab. Gedank en k önnen sich nicht in
zerlegt. Je nach der Weise der Zerlegung des eigener Regie zerlegen. Entsprechendes gilt für
Satzes k ann man den durch ihn ausgedrück ten ihre metaphorische Kennzeichnung als abge-
Gedank en als eine Subsumtion (so im ersten schlossen oder gesättigt. Erst dann, wenn der
und zweiten Fall), oder als eine Gleichung (so an sich unsinnliche Gedank e in das sinnliche
im dritten Fall), oder als das Fallen eines Be- Gewand eines Satzes gek leidet wird, läßt er
griffs erster Stufe in einen Begriff zweiter Stufe sich als gesättigt charak terisieren. Folglich
(so im vierten Fall) auffassen. Schließlich läßt k ann man von gesättigten und ungesättigten
sich der fragliche Satz noch auf eine fünfte Gedank enteilen nur mit Bezug auf ihnen ent-
Weise zerlegen, nämlich in ‘ξ = ζ’ und den sprechende gesättigte (leerstellenfreie) und er-
Funk tionsausdruck zweiter Stufe ‘ψ (AxF (x), gänzungsbedürftige (mindestens eine Leer-
9)’. Der Buchstabe ‘ψ’ macht hier eine Argu- stelle enthaltende) Ausdrück e sprechen.
mentstelle dritter Art k enntlich. — Die Prä- Schließlich k ommt auch z. B. die Singularität
dik ate ‘ξ = 9’ und ‘AxF (x)’ = ζ’ erzeugt man einem bestimmten Gedank en nicht an sich zu,
durch eine Anwendung des ersten Lück enbil- sondern nur hinsichtlich einer möglichen, auf
dungsprinzips auf den Satz bzw. Eigennamen der Zerlegung eines Satzes beruhenden Ge-
‘AxF(x) = 9’. Den Beziehungsausdruck ‘ξ = dank enteilung. „Es ist möglich, daß derselbe
ζ’ erhält man durch eine Anwendung der zwei- Gedank e hinsichtlich einer anderen Zerlegung
ten Lück enbildungsregel auf eines dieser bei- als partik ulär erscheinen k ann“ (Frege 1969,
den Prädik ate. ‘Axφ (x) = 9’ und ‘ψ (AxF (x), 203; vgl. 218; Frege 1967 a, 173).
9)’ gehen aus ‘AxF (x) = 9’ durch eine An-
wendung der dritten Lück enbildungsregel her- 8.4.  In seinen Aufzeichnungen für Ludwig
vor. Die Teilung des durch ‘AxF (x) = 9’ aus- Darmstaedter formuliert Frege seine Priori-
tätsthese so:
34.  Gottlob Frege (1848—1925) 493

„Ich gehe also nicht von den Begriffen aus und setze sprünglichen Funk tionsnamen nicht mittels
aus ihnen den Gedank en oder das Urteil zusammen, Lück enbildungsregeln erzeugt, ihre einfachen
sondern ich gewinne die Gedank enteile durch Zer- Sinne nicht durch eine Zerlegung k omplexer
fällung des Gedankens“ (Frege 1969, 273). Sinne gewonnen werden. Vielmehr werden die
Unter epistemischem Gesichtspunk t besagt logisch einfachen Urnamen durch die von
dies folgendes: Unser Erfassen der Sinne von Frege so genannten ›Erläuterungen‹ als bereits
Begriffs- und Beziehungsausdrüc k en geht wohlgeformte Ausdrück e eingeführt. Die er-
unserem Erfassen der Sinne von Sätzen nicht sten Wahrheitswertnamen des Systems bzw.
voraus, sondern es gilt umgek ehrt, daß wir pri- die ihnen entsprechenden Gedank en werden
mär die durch Sätze ausgedrück ten Gedank en durch Einsetzung eines ursprünglichen ein-
erfassen und zu einem Verstehen von Prädi- stelligen Funk tionsnamens erster bzw. zweiter
k atausdrück en durch eine Zerlegung von Ge- Stufe in die Argumentstelle des Namens einer
dank en in Gedank enteile gelangen. Hielte Urfunk tion zweiter bzw. dritter Stufe aufge-
Frege nun seine Prioritätsthese (A) für unein- baut. Erst mit Hilfe eines aus zwei Urnamen
geschränk t gültig, d. h. bestünde er darauf, zusammengesetzten Eigennamens k ann man
daß sie die Priorität von Gedank en gegenüber den ersten k omplexen einstelligen Funk tions-
den ungesättigten Sinnen aller Prädik ate einer namen erster Stufe bilden, indem man ersteren
gegebenen Sprache in dem Sinn ausdrück t, in die ξ- oder ζ-Argumentstelle eines der bei-
daß diese Sinne nur durch die Zerfällung eines den ursprünglichen Beziehungsausdrück e (er-
zuvor verstandenen Gedank ens erfaßt wer- ster Stufe) einsetzt. Der Umstand, daß die er-
den, so hätte er seine liebe Not, A mit einer sten zusammengesetzten Begriffsausdrüc k e
anderen logisch-sprachphilosophischen These erster Stufe bzw. ihrer k omplexen Sinne nicht
zu versöhnen. Ich meine die ebenfalls grund- durch den Prozeß der Lück enbildung aus
legende These (B), daß wir den Sinn eines Sat- Wahrheitswertnamen herausgelöst bzw. nicht
zes k raft unserer vorgängigen Kenntnis der durch die Zerlegung eines Gedank ens in Ge-
Sinne seiner semantisch relevanten Teile und dank enteile gewonnen werden, zeigt an, daß
der Weise ihrer Zusammensetzung zu einem Freges Prioritätsthese im Logik k alk ül der
Ganzen fassen. Andernfalls ließe sich der un- Grundgesetze der Arithmetik für k omplexe Be-
bestreitbaren Tatsache, daß ein k ompetenter griffsausdrück e nicht uneingeschränk t gilt. Sie
Sprecher einer Sprache aufgrund seiner hat in diesem System Gültigk eit für alle Be-
Kenntnis der Sinne endlich vieler Grundaus- griffs- und Beziehungsnamen, deren jeweilige
drück e (Wörter) und seiner impliziten Beherr- Konstruk tionsk ette als letztes Glied eine Bil-
schung endlich vieler Bildungsregeln potentiell dung nach einem der drei Lück enbildungs-
unendlich viele Sätze bilden und verstehen prinzipien aufweist. Insbesondere gilt die Prio-
k ann, nicht angemessen Rechnung tragen. ritätsthese dort für alle einfachen, aus Urna-
Frege schreibt: men gebildeten Zeichen komplexer Begriffe.
„Die Leistungen der Sprache sind wunderbar. Mit-
tels weniger Laute und Lautverbindungen ist sie im- 8.5. Fazit. Da These A in Freges Logik system
stande, ungeheuer viele Gedank en auszudrück en, nur eingeschränk t gültig ist, k ann sie mit
und zwar auch solche, die noch nie vorher von einem These B in Eink lang gebracht werden. Ein Satz
Menschen gefaßt und ausgedrück t worden sind. bzw. Gedank e wird immer aus seinen Bestand-
Wodurch werden diese Leistungen möglich? Da- teilen aufgebaut. Indessen sind die ungesättig-
durch, daß die Gedank en aus Gedank enbausteinen ten Satz- bzw. Gedank enteile im allgemeinen
aufgebaut werden. Und diese Bausteine entsprechen nicht ursprünglich gegeben, sondern sie müs-
Lautgruppen, aus denen der Satz aufgebaut wird, sen aus Sätzen bzw. Gedank en durch das Ver-
der den Gedank en ausdrück t, so daß dem Aufbau fahren der Lück enbildung bzw. durch die Me-
des Satzes aus Satzteilen der Aufbau des Gedank ens thode der Zerlegung eines Gedank ens gewon-
aus Gedank enteilen entspricht“ (Frege 1969, 243; nen werden. Letztere sieht — wie schon er-
vgl. 262; Frege 1976 b, 127; Frege 1967 a, 378). wähnt — die Möglichk eit vor, aus demselben
Die Frage nach dem Geltungsbereich von Gedank en verschiedene ungesättigte Gedan-
These A im Rahmen einer gegebenen natürli- k enteile zu erhalten, insbesondere solche, die
chen Sprache dürfte schwer, wenn überhaupt den Bestandteilen, aus denen der zugehörige
eindeutig zu beantworten sein. Anders verhält Satz ursprünglich aufgebaut wurde, nicht ent-
es sich mit Freges ›Formelsprache des reinen sprechen. So entspricht k eines der Zeichen,
Denk ens‹. Richtet man sein Augenmerk auf aus denen der Satz ‘ἐ (— ε) = ἐ (— ε)’ mittels
den syntak tischen und semantischen Aufbau mehrfacher Anwendung der Einsetzungsregel
des logischen Systems der Grundgesetze der ursprünglich zusammengefügt wird, dem Sinn
Arithmetik, so stellt man fest, daß die ur-
494 II. Personen

des Prädik ats ‘ξ = ξ’, das aus ihm erst durch dan
k enteilen. Seine Zusammenhangsthese
Ausschließung des Begriffsumfangsnamens hingegen sagt nichts über die Erzeugung un-
‘ἐ (— ε)’ auf beiden Seiten des Gleichheitszei- gesättigter Ausdrück e oder die Gewinnung er-
chens hervorgeht. Erst nachdem man aus die- gänzungsbedürftiger Gedank enteile aus, son-
sem (oder aus einem syntak tisch gleichgestal- dern etwas über die Bedeutung und den Sinn
teten) Satz dieses Prädik at herausgelöst hat, von einfachen und zusammengesetzten Wör-
k ann man ihn auch als zusammengesetzt aus tern aller Arten. Letztere schließt in der Tat
den Ausdrücken ‘ξ = ξ’ und ’ἐ (— ε)’ bzw. den einen Primat der Satzbedeutung vor der Wort-
durch ihn ausgedrück ten Gedank en als zu- bedeutung sowie des Satzsinnes vor dem
sammengefügt aus den Sinnen von ‘ξ = ξ’ und Wortsinn ein: die Bedeutung bzw. der Sinn
‘ἐ (— ε)’ auffassen. eines Wortes jedweder Art besteht ausschließ-
„Es ist aber zu bemerk en, daß ein und derselbe Ge- lich in seinem Beitrag zur Bestimmung der Be-
dank e oft in verschiedener Weise zerlegbar ist und deutung bzw. des Sinnes von Sätzen, in denen
demnach auch in verschiedener Weise aus Teilen zu- es vork ommt. Die Prioritätsthese zielt dagegen
sammengesetzt erscheint“ (Frege 1969, 218). auf eine Priorität des Sinnes von Sätzen ge-
Abschließend sei in k lärender Absicht auf genüber dem Sinn von Begriffs- und Bezie-
eine Fehldeutung aufmerk sam gemacht, zu hungsausdrück en ab, die aus ihnen mit Hilfe
der einige namhafte Fregeforscher neigen. Es der Lück enbildungsmethode erzeugt werden.
handelt sich um die unzulässige Gleichsetzung Wir gewinnen die Sinne dieser Wörter nur auf-
der von Frege in den Grundlagen der Arith- grund unseres vorgängigen Verstehens der
metik aufgestellten Zusammenhangsthese Sätze, aus denen sie durch den Prozeß der Lük-
„Nur im Zusammenhang eines Satzes bedeu- kenbildung hervorgehen.
ten die Wörter etwas“ (73) mit seiner Priori-
tätsthese (siehe Sluga 1980, 94 f und Currie
1982, 19 f). — Zur Zeit der Abfassung der 9. Literatur in Auswahl
Grundlagen der Arithmetik hatte Frege noch
nicht streng terminologisch zwischen der Be- 9.1. Primärliteratur
deutung und den Sinn von Ausdrück en unter-
Frege 1964, Begriffsschrift und andere Aufsätze, An-
schieden. Es läßt sich jedoch leicht zeigen, daß
gelelli (Hg.).
die Zusammenhangsthese bzw. das Kontext-
prinzip in seiner logisch-mathematischen Un- Frege 1986, Die Grundlagen der Arithmetik. Eine lo-
tersuchung über den Zahlbegriff Grundlagen gisch mathematische Untersuchung über den Begriff
der Arithmetik vorrangig als eine These be- der Zahl, Thiel (Hg.). [1884]
züglich der Bedeutung von Wörtern in dem Frege 1962, Grundgesetze der Arithmetik. Begriffs-
nach 1891 präzisierten technischen Sinn dieses schriftlich abgeleitet, Bd. 1 und2. [1893 und 1903]
Wortes ins Spiel gebracht wird. Zusätzlich läßt Frege 1967 a, Kleine Schriften, Angelelli (Hg.).
sie sich auch als eine These über den Sinn von Frege 1969, Nachgelassene Schriften, Hermes/Kam-
Wörtern auffassen. Als eine These hinsichtlich bartel/Kaulbach (Hg.).
der Wortbedeutung gibt das Kontextprinzip Frege 1976 b, Wissenschaftlicher Briefwechsel, Ga-
die allgemeine Bedingung an, der ein Wort ge- briel/Hermes/Kambartel/Thiel/Veraart (Hg.).
nügen muß, um überhaupt etwas zu bedeuten.
Seine k ritische Funk tion besteht in den Grund- 9.2. Sekundärliteratur
lagen der Arithmetik darin, eine psychologi-
sche Konzeption der Wortbedeutung im all- Thiel 1965, Sinn und Bedeutung in der Logik Gottlob
gemeinen als unhaltbar zurück zuweisen sowie Freges.
eine physik alische oder psychologische Auf- Dummett 1973, Frege. Philosophy of Language.
fassung der Zahlen im besonderen zu vermei- Zweite, veränderte Auflage 1981.
den. Im k onstruk tiven Sinn dient es Frege vor- Schirn (Hg.) 1976, Studien zu Frege — Studies on
nehmlich zur Rechtfertigung einer versuchs- Frege. (II, Logik und Sprachphilosophie — Logic
weisen Kontextdefinition des Ausdruck s ‘die and Philosophy of Language; III, Logik und Se-
Anzahl, die dem Begriff F zuk ommt’ und da- mantik — Logic and Semantics).
mit allgemein der Verwendung von Zahlaus- Bell 1979, Frege’s Theory of Judgement.
drück en als Eigennamen logischer und zu- Dummett 1981, The Interpretation of Frege’s Phi-
gleich objek tiver, selbständiger Gegenstände. losophy.
— Freges Prioritätsthese sagt nichts über die
Haaparanta/Hintik k a (Hg.) 1986, Frege Synthesi-
Bedeutung von Wörtern im allgemeinen aus,
zed.
sondern sie ist eine These über die Bildung von
Begriffs- und Beziehungsausdrück en bzw. Matthias Schirn, München (Deutschland)
über die Gewinnung von ungesättigten Ge-
35.  Fritz Mauthner (1849—1923) 495

35. Fritz Mauthner (1849—1923)

1. Einleitende Bemerkungen Mauthners Philosophie und seine offene


2. Voraussetzungen der Sprachkritik und nüchterne Art zu philosophieren wären
3. Allgemeine Bemerkungen zum Problem der im englischen Sprachraum wahrscheinlich
Sprache: Sprachursprung und Sprachentwick- besser aufgenommen worden. Seine philoso-
lung phische Wiederentdeck ung verdank t er denn
4. Sprachkritik als Erkenntnistheorie auch der Analytischen Philosophie. Ein an-
5. Der Platz der mauthnerschen Sprachkritik in derer oder zusätzlicher Grund zu einer neu-
der Geschichte der Philosophie erlichen Beschäftigung mit Mauthners Werk
6. Ausblick ist der k ryptische Satz des wittgensteinschen
7. Literatur in Auswahl Tractatus (4.0031), daß alle Philosophie
Sprachk ritik sei, wenn auch nicht im Sinne
Mauthners. Heute wird bereits manchmal die
1. Einleitende Bemerkungen Analytische Philosophie als ganzes mit
Fritz Mauthner ist der eigentliche Begründer Sprachk ritik identifiziert, ohne daß jedoch
der philosophischen Sprachk ritik ; auf seine immer Mauthners Name genannt wird. Da
sprachk ritischen Vorgänger (vgl. 5.) weist er Mauthner seine sprachphilosophischen An-
selbst häufig hin. Für lange Zeit trat sein sichten in ihren Grundzügen nie geändert,
philosophisches Werk k aum in Erscheinung. sondern nur ausgebaut hat, k önnen sie hier
Zu seinen Lebzeiten war es zwar noch recht systematisch als Ganzes dargestellt werden.
gut bek annt, fand aber viele Kritik er. Als
Journalist und Schriftsteller hingegen war 2. Voraussetzungen der Sprachkritik
Mauthner sehr angesehen. Hundert Jahre
nach seiner Geburt war er so gut wie verges-
sen, was auch politische Gründe — Mauthner 2.1. Vorbemerkung
war Jude — hatte. Noch 1971 schrieb Ger- In Mauthners Philosophie gibt es acht wich-
shon Weiler — damals völlig zu Recht — daß tige, miteinander verflochtene sprachphilo-
Ernst Machs (Walfried Joseph Wenzel, sophisch-er
k enntnistheoretische Vorausset-
1838—1916) Voraussage von 1902, Mauth- zungen der Sprachk ritik : (1) der Psychologis-
ners Philosophie werde eine zwar langsame, mus; (2) die Zufallssinne und die humesche
aber unaufhaltsame Wirk ung haben, sich statistische Auffassung alles Naturgeschehens
nicht erfüllt habe (Weiler 1971, 319). Eines und der Kausalität; (3) der metaphorische
der größten, wenn nicht das größte, Hindernis Charak ter der Sprache; (4) die sprachliche
für seine philosophische Anerk ennung war — Relativität; (5) die Sprache ist stets Indivi-
zu seiner Zeit und zum Teil auch noch heute dualsprache/Dualsprache, bzw. Sprachge-
—, daß er als philosophischer Autodidak t brauch; (6) die Identifik ation von Sprache
betrachtet wurde, unbeschadet dessen, daß und Denk en; (7) die Rolle der Bedeutung in
viele bedeutende Philosophen auch k ein ord- der Sprache; (8) die drei Bilder der Welt.
nungsgemäßes Studium der Philosophie ab-
solviert haben. Mauthner hat diesen Eindruck 2.2. Der Psychologismus
vermutlich zum Teil selbst verursacht: erstens
hat er immer darauf hingewiesen (1982, 1, Psychologismus ist in der Philosophie die
ix ff; 1982, 3, xi; siehe auch den Artik el Au- Auffassung, daß alle unsere Erk enntnis, bzw.
todidakt in 1980, 1, 63 ff); und zweitens for- die Formen der Erk enntnis, von unseren psy-
mulierte er seine Werk e nicht in der traditio- chologischen Gegebenheiten abhängen, seien
nellen Sprache der Philosophen. Denn er diese nun angeboren oder nicht. Es wird dann
lehnte es ab, eine verengende philosophische die Logik meist zur Lehre von den Gesetzen
Fachterminologie zu verwenden, wenn es des Denk ens, die traditionellen philosophi-
nicht unbedingt notwendig war — wie im Fall schen Kategorien werden zu Produk ten des
seines Gebrauchs von ‘Kategorie’ (1925, 2 ff; Verstandes, die Bedeutung wird zur Vorstel-
siehe auch 1920/23, 4, 288 f). Auf ihn paßt, lung oder mentalen Proposition. Der Wiener
was er von Henry Saint-John Lord Boling- Kreis, die Analytische Philosophie und ver-
brok e (1678—1751) gesagt hatte: „Boling- wandte Richtungen lehnten zunächst einmal
brok e hatte sehr viel gelernt, nahm aber nie- den extremen Psychologismus vor allem auch
mals die Mask e eines Gelehrten vor“ (1920/ wegen der empirisch nicht einlösbaren Glei-
23, 2, 511). chung ‘Logik = Gesetze des Denk ens’ ab;
496 II. Personen

denn in ›den Geist‹ k önne man empirisch ten andere Grenzen haben (1982, 1, 80 f;
nicht hineinsehen. An seine Stelle setzte man 327 ff; 353 ff; 379; 1980, 1, 505 f; 1925, 57 f).
behavioristische Konzepte, oder man berief Er bemerk t, daß wir zum Beispiel k eine Sinne
sich auf die wittgensteinsche Reduk tion des für Elek trizität und Radioak tivität haben
Denk ens auf die Sprache. Verbunden mit der (1982, 1, 252; 378 f); er spek uliert, daß Tiere
rationalistischen Annahme, daß sich alles k lar ganz andere oder anders begrenzte Sinne als
sagen läßt, was zu sagen ist, ist diese Art der wir haben k önnten (1982, 1, 330), eine Spe-
›reduzierenden‹ Identifik ation von Sprache k ulation, die heute experimentell bestätigt ist.
und Denk en eigentlich nur empiristisch-heu- Obendrein führen diese Zufallssinne in jedem
ristische Prophylaxe — das psychologische Menschen zu verschiedenen Erinnerungen.
Problem wird einfach ausgek lammert (s. Art. Dadurch entsteht aber ein erk enntnistheore-
70). Nach Mauthner k ommt man aber nicht tisches Problem, nämlich, wie intersubjek tive
darum herum, daß Sprechen (Sprache) — Erk enntnis überhaupt möglich ist: wenn
worunter er natürlich nicht nur die Betäti- unsere Sinne Zufallssinne sind, dann muß
gung der Artik ulationsorgane, die er für ak - unser Bild — oder müssen unsere Bilder —
zidentell ansieht (1982, 2, 350), versteht — der Welt induk tiv, statistisch (‘zufällig’ sagt
und Denk en empirisch verk nüpft sein müs- Mauthner) sein (1982, 2, 396 f). Mauthner
sen, auch wenn wir über diese Verk nüpfung propagiert daher anstelle des zu seiner Zeit
wenig wissen. Mauthner hat die Notwendig- gängigeren ‘Zurück zu Kant’ ein ‘Zurück zu
k eit eines solchen empirischen Psychologis- Hume’ und zur humeschen subjek tiven Auf-
mus, den er ‘Hominismus’ genannt hat (1922, fassung der Kausalität (1980, 2, 506 ff; 560 ff;
15 f), k lar erk annt. — Einerseits lehnt Mauth- 1925, 131 ff).
ner aus empirischen bzw. empiristischen
Gründen die traditionelle Form der Psycho- 2.4. Die Sprache ist stets metaphorisch
logie ab: die Introspek tion sei unwissenschaft-
lich (1982, 1, 242) und unsere sensualistische Für die Sprache ergibt sich hier folgendes: die
(vgl. 2.4.), nach außen gerichtete Sprache Sprache ist durch unsere sinnliche Erfahrung
k önne auf unser Innenleben nur völlig unei- immer — wenn auch manchmal nur mittelbar,
gentlich, d. h. poetisch angewandt werden indirek t — mit der Wirk lichk eit verk nüpft
(1982, 1, 235 ff; 1920/23, 1, 41 f; 1980, 1, 20); (1922, 15 f); sie ist daher stets unmittelbar
weiters k önne nicht Sprache durch Sprache oder mittelbar sensualistisch (1920/23, 1, 41).
erk annt werden. In der Psychologie ist dem- Die Sprache spiegelt aber nicht objek tiv das
nach, wie in der Philosophie, für Mauthner wider, was sich in der Außenwelt befindet,
die Sprache zugleich Objek t und Mittel der sondern bildet, gemäß dem mauthnerschen
Analyse (1982, 1, 320). Andererseits aber Psychologismus, nur das ab, was (1) unsere
k onnte Mauthner aus empirischen und er- Zufallssinne auslesen und als Empfindungen
k enntnistheoretischen Gründen den Psycho- zur Verfügung stellen, und was (2) durch die
logismus nicht ablehnen. Mauthner war da- ›drei Kategorien‹ und die Sprache gefiltert
von überzeugt, daß unsere psychologischen worden ist (vgl. 2.9.). (1) ist natürlich k on-
Funk tionen unsere Auffassung der Welt be- form mit Machs Ansatz (vgl. 5.). Dazu
stimmen, und daß die Sprache mit diesen k ommt noch, daß nur ein Teil der Sprache
psychologischen Funk tionen, dem Denk en den Empfindungen, bzw. den Sinnesdaten di-
(als Vernunft) mehr oder minder identisch sei rek t, d. h. unmittelbar, entspricht. Dieser Teil
(vgl. 2.7.). Ein wichtiges Element des mauth- besteht aus den unmittelbar sensualistischen
nerschen Psychologismus ist: die Logik ist ein Adjek tiven, die allein ›echter‹, wenn auch un-
Teil der Psychologie (1982, 1, 326). Dies ist zulänglicher, Ausdruck des sinnlich Gegebe-
jedoch nicht so zu verstehen, daß die Logik nen sind (vgl. 2.9.1.; 2.9.2.). Bei dieser ›Über-
die Gesetze des Denk ens aufzeigt, sondern setzung‹ oder Umsetzung der Außenwelt in
nur so, daß sie von psychologischen Bedin- die Empfindungen zeigt sich, daß alle Sprache
gungen abhängt. Auch die Bedeutung wird metaphorisch im eigentlichen Sinn des Wor-
psychologistisch erklärt (vgl. 2.8.). tes, d. h. übertragend oder uneigentlich ist
(1982, 1, 302; siehe auch 1982, 2, 449 ff).
2.3. Zufallssinne und humesche induktive Letztlich stehen sich Sprache und Welt wie
Auffassung des Naturgeschehens zwei Rastersysteme (Struk turen) gegenüber,
die nicht zur Deck ung gebracht werden k ön-
Mauthner relativiert unsere Sinne: sie sind nen. Und gäbe es eine Sprache der Natur, so
Zufallssinne, d. h. wir k önnten auch andere wäre sie unverständlich (1980, 1, 340).
Sinne haben, oder unsere jetzigen Sinne k önn-
35.  Fritz Mauthner (1849—1923) 497

2.5. Sprachliche Relativität instabil, d. h. zeitabhängig (1982, 1, 5 f; 196).


In Wirk lichk eit existieren nicht einmal die
Der einzige Zweck unserer Sprache ist zwar Individualsprachen, sondern nur das jeweilige
die Orientierung in der empirischen Welt — Sprechen (1982, 1, 151; 196; 226). Anderer-
aber diese Orientierung ist ungenau (1980, 1, seits redet man nicht mit sich selbst — es gibt
339). Da wir auf k eine Weise objek tiv k on- k eine „Sprache in der Einsamk eit“ (1982, 3,
trollieren k önnen, wieweit sich Sprache und 636; hier wird die wittgensteinsche Privat-
Welt deck en, k önnen wir gar nicht umhin, die sprache abgelehnt) — sondern mit einem
Sprachstruk turen in die Welt zurück zuproji- Partner. Die Individualsprachen müssen in
zieren. Noch vor Benjamin Lee Whorf situationsbedingte, also soziale, resp. prag-
(1897—1941) und Edward Sapir (1884— matische, k ategorisierbare Kontexte, die den
1939) vertritt Mauthner also die Ansicht, daß ›common ground‹ (1982, 3, 234 ff) der den
die jeweilige Sprache (als Resultierende von zwei Dialogpartnern gemeinsamen ›Dual-
Individual- bzw. Dualsprachen nach Mauth- sprache‹ (1982, 1, 29 f) abgeben, eingeordnet
ner, vgl. 2.6.) das Weltbild der Sprachgemein- werden: ‘Burgunder’ bei Tisch bedeutet etwas
schaften beeinflußt, und lange vor Willard anderes als dort, wo es sich um einen Bur-
Van Orman Quine (* 1908) und mit ähnlichen gunder Ritter handelt, ohne daß wir bei Tisch
Argumenten wie dieser zieht er aus der Ver- ‘Wein’ hinzusetzen müßten (1982, 3, 209).
schiedenheit der Weltbilder den Schluß, daß Neben diesen sozialen Kontexten betont
Sprachen, und zwar nicht nur die National- Mauthner auch die Rolle der sprachlichen
sprachen, sondern sogar die individuellen Kontexte (Kotexte) beim Sprachverständnis
Sprachen (Individualsprachen, i. e. Idiolek te) (1982, 2, 327; 1982, 3, 209) (s. Art. 92).
nicht völlig ineinander übersetzt werden k ön-
nen (1982, 1, 21 ff; 1982, 2, 23; 1906, 54 f;
1980, 1, 123 ff; für ein Beispiel von vielen siehe 2.6.2.  Für die verschiedenen Kategorien von
die Analyse von ‘Tao’ in 1920/23, 4, 414) (s. sozialen Kontexten existieren verschiedene
Art. 73). Spielregeln; Spielregeln regulieren auch die
(statistischen) Referenzbeziehungen zwischen
Sprache und Wirk lichk eit (1982, 1, 35 f).
2.6. ›Die‹ Sprache gibt es nicht Mauthner gebraucht ausdrück lich den Ter-
minus ‘Spielregel’, z. B. „Die Sprache ist nur
2.6.1.  Mauthners Auffassung von den Zu- ein Scheinwert wie eine Spielregel [...]“, die
fallssinnen und dem metaphorischen Charak - Sprache ein ›Gesellschaftsspiel‹ (1982, 1, 25).
ter der Sprache bringt folgende Beschreibung Regeln werden dynamisch aufgefaßt: eine Re-
der Sprache mit sich: Sprache existiert prin- gel wird umso zwingender, je mehr sich ihr
zipiell nur individuell, als ›Individualsprache‹ unterwerfen (1982, 1, 25) (s. Art. 96).
(Idiolek t). Unter diesem Aspek t reduziert sich
nach ihm die Sprache auf den Sprachge- 2.6.3.  Will man aber doch auf die ganze Spra-
brauch und aufs Sprechen als das funk tionelle che reflek tieren, dann ergibt sich, daß sie bloß
Zusammenwirk en von Artik ulation, Vorstel- die Gesamtheit (›Resultierende‹; 1906, 85 f)
lungen etc. Im Unterschied zum Beispiel zur von Individualsprachen bzw. deren ›Horizont‹
Analytischen Philosophie betont er so die ge- ist. ‘Horizont’ drück t Relativität aus, denn
sprochene Sprache (1982, 2, 12 ff; vgl. 534 ff), der Horizont ist für jeden Menschen je nach
in Übereinstimmung mit der Linguistik , nach Standort anders (1982, 1, 19). Weil die Spra-
welcher die geschriebene Sprache eine Reduk - che aber dialogisch, sozial (1982, 2, 423 ff)
tion der gesprochenen ist. — Mauthner lehnt und ein Handeln (1982, 1, 11; 516 ff) ist, k ann
folgerichtig ›die‹ Sprache (als Ganzes oder als man sie auch in die Beziehungen zwischen
System) ab: die Sprache ist weder ein formal den Teilnehmern am Disk urs verlegen; Spra-
perfek tes System, d. h. eine Maschine (ein che existiert dann „zwischen den Menschen“
Kalk ül), noch ein ästhetisch perfek tes System (1982, 1, 28 f), oder als eine Abfolge von in-
(ein Kunstwerk ; 1982, 1, 26 f), noch ein per- dividuellem Sprechen in Disk ursen. — So ist
fek tes lebendiges System, d. h. ein Organis- z. B. nach Mauthner sogar die Negation stets
mus (1920, 19; vgl. auch 1982, 1, 28). Eine ein dialogisches oder Disk urs-Phänomen. Die
allen Völk ern gemeinsam sein sollende phi- Negation ist immer eine Antwort, z. B. auf
losophische Grammatik k ann es daher erst die Frage, ob etwas schädlich sei (1982, 2,
recht nicht geben (vgl. 4.6.1.) (s. Art. 44, 64). 148 f; vgl. Givon 1978). Wie es aber über-
Sprache ist jeweiliger Sprachgebrauch (1982, haupt möglich ist, daß die Sprache eben doch
1, 24); die Individualsprachen sind zeitlich vielen gemeinsam ist, k ann prinzipiell auf
zwei, einander nicht unbedingt ausschließen-
498 II. Personen

den, Grundpfeilern ruhen, (1) dem behavio- (1982, 1, 644 ff; 1982, 2, 575). Hier erscheinen
ristisch aufgefaßten Lernen, (2) angeborenen die Grenzen der Sprache zunächst als die
Eigenschaften des Menschen. Mauthner hat Grenzen der Welt (vgl. 5.) oder, bescheidener
hier einen Mittelweg eingeschlagen: einerseits ausgedrück t, des Individuums, bzw. als die
betont er die Rolle des Lernens beim Sprach- Grenzen seines Wissens. Diese Grenzen sind
erwerb, den er wesentlich als ein Bedeutungs- aber nur relativ, sind k eine Grenzen der Er-
erfüllen von zunächst nachgeahmten phone- k enntnis: über das Denk en als Vernunft, und
tischen Formen sieht (1982, 1, 73 ff; 1982, 2, damit über die Sprache hinaus, gehen das
268 ff; 1980, 2, 13 ff), andererseits sind gewisse handelnde Eingreifen und der prak tische Ver-
Voraussetzungen der Sprache angeboren und stand als sprachloses Denk en, als das nicht-
für alle Menschen gleich, nämlich die Zufalls- sprachliche Verstehen der Außenwelt durch
sinne (1906, 87) und die drei k ognitiven Ka- die Sinne (1982, 1, 324 f; 644 ff; vgl. auch
tegorien des Adjek tivischen, Verbalen und 178 ff; 1982, 2, 479; 676 ff; vgl. 4.4. für Er-
Substantivischen (vgl. 2.9.). kenntnis- und Sprachfortschritte).

2.7. Sprache und Denken 2.8. Sprache und Bedeutung


Nach Mauthner gibt es zwei Formen des Den- Daß Sprache nach Mauthner Sprachgebrauch
k ens: die sprachliche Vernunft und den prak - ist, legt uns nahe, ihm eine Bedeutungstheorie
tischen, primär nicht-sprachlichen Verstand zuzuschreiben, die der des späten Wittgen-
(1982, 1, 179 f). Die Sprache nun ist ihrer stein entspricht, nach welcher die Bedeutung
Natur nach k ein Werk zeug des Denk ens eines Wortes sein Gebrauch in der Sprache
(1982, 1, 24 f; manchmal gebraucht Mauthner ist. Die Referenztheorie der Bedeutung hat
dennoch ‘Werk zeug’), und sie ist nicht das Mauthner jedenfalls abgelehnt: wir geben
Kleid der Gedank en (1982, 1, 191 f); die Spra- Worte aus wie Bank noten, und fragen nicht,
che unterscheidet sich vom Denk en so wenig ob dem Wert der Note im Schatz etwas, ein
wie ein Tuch, aus dem ein Rock gemacht ist, empirisches Referenzobjek t, entspricht (1982,
sich vom Rock unterscheidet (1982, 1, 193). 1, 496). Es sei eine geistige Schwäche zu glau-
Ja, einmal sagt Mauthner sogar, daß es gar ben, daß jedes Wort etwas Empirisches be-
k ein Denk en gäbe, nur Sprechen; das Denk en deute (1982, 1, 159). Dafür betont er die
sei das Sprechen auf seinen Ladenwert hin sprachliche und soziale Kontextualität als Be-
beurteilt (1982, 1, 176). Die Einheit von Spra- dingung des Verstehens (vgl. 2.6.). Wenn aber
che und Denk en ist das Gedächtnis (1982, 1, Sprache und Denk en prinzipiell im Gedächt-
202), eine Auffassung, die stark Wilhelm von nis eins sind (vgl. Schank 1982; Tulving 1983;
Ock hams (ca. 1285—1347) (s. Art. 21) Kon- 2.7.), so muß es zumindest eine psychologi-
zept der gedachten Terme ähnelt. Wie Ludwig stische Version der Bedeutung geben, daher:
Wittgenstein (1889—1951) (s. Art. 39) be- „Die Bedeutung ist ein rein psychologischer
schleicht jedoch auch Mauthner ein Zweifel Begriff“ (1980, 1, 90). Das Wort ist dann dazu
an dieser radik alen Identifik ation und er da, uns an einen bestimmten Gedächtnisin-
k ommt zu der Annahme, daß Sprechen und halt, eine bestimmte Vorstellung zu erinnern
Denk en Erscheinungen derselben Sache, ge- (1982, 2, 263; vgl. 2.7.). In der lebendigen
sehen von zwei verschiedenen Standpunk ten, Sprache k önnen Wort und Bedeutung nicht
sind (1982, 1, 213; 226 f; 1982, 2, 661; 1906, getrennt werden; Wörter ohne Bedeutung
114) (s. Art. 71). Daher fällt hier auch das sind k ein Element der Sprache (1980, 1, 89).
Wort vom „Parallelismus von Sprechen und ›Die‹ Bedeutung eines Terms gibt es nicht,
Denk en“ (1922, 15). Am vollk ommensten ist denn nicht alle Sprachbenützer erinnern sich
die Identität von Sprechen und Denk en beim an dasselbe, wenn sie ein bestimmtes Wort
— k onstruk tiv aufgefaßten — Zählen (1982, hören oder aussprechen (1982, 3, 637; 641;
1, 202 f; vgl. jedoch seine Bemerk ung, daß die 1980, 1, 89 f). Es ist k lar, daß im Rahmen
Mathematik als Struk turrepräsentation k eine derartiger Auffassungen k ein Platz für Syn-
(sensualistische) Sprache sei; 4.7.). Worte sind onyme ist (1982, 1, 62 f).
Erinnerungen oder Erinnerungszeichen für
sinnliche Eindrück e (1982, 1, 405 f; 1982, 3, 2.9. Die drei Bilder der Welt
638; 641); die Sprache ist das Gedächtnis eines
Individuums, einer Sprachgemeinschaft oder, 2.9.1.  Wenn die Sprache Denk en ist, dann
allgemeiner, des Menschengeschlechts (1982, müssen auf irgendeine Weise die Grundfunk -
1, 33; 271; 455 f; 1982, 2, 575; 1980, 1, 363 f tionen aller Sprachen mit erk enntnistheore-
u. ö.). Die Sprache k ann somit Wissen ver- tisch relevanten k ognitiven Funk tionen ver-
mitteln und bewahren, aber nicht erzeugen
35.  Fritz Mauthner (1849—1923) 499

k nüpft sein. Mauthner hat drei solcher metaphorisch abgebildet werden k önnen, und
Grundfunk tionen oder Kategorien, wie er sie daß diese Abbildung die k ategorialen gram-
nennt, unterschieden, die adjek tivische, die matischen Formen von Adjek tiven, Verben
verbale und die substantivische. Von der ad- und Substantiven annehmen k ann, aber nicht
jek tivischen und der substantivischen hat er muß. Die drei k ognitiven Kategorien des Ad-
explizit behauptet, daß sie angeboren und ver- jek tivischen, des Verbalen und des Substan-
erbt seien (vgl. z. B. 1980, 2, 466). Den drei tivischen sind daher nicht apriorische Kate-
k ognitiven Kategorien entsprechen drei Bil- gorien der Sprache, sondern k ognitive Vor-
der, die wir uns von der Welt machen, aber aussetzungen jeder Sprache, auch wenn sie
nur eine Welt: die adjek tivische. (Daneben sich in verschiedenen Sprachen verschieden
gibt es noch ein viertes, weder sensualisti- manifestieren.
sches, noch metaphorisches Bild der Welt, das
mathematische, d. h. die mathematische Re- 2.9.2.  Das adjek tivische Bild der Welt ist
präsentation von empirischen Stru k turen; nach Mauthner das einzige, das ein direk tes
1925, 136 ff; vgl. 5.) Diese drei k ognitiven Korrelat in der empirischen Sinnenwelt hat,
Kategorien ähneln den grammatischen Kate- die adjek tivische Welt: Empfindungen sind
gorien gewisser Sprachen; man muß sich aber adjek tivisch, und so ist die adjek tivische Welt
hüten, sie direk t mit den grammatischen Ka- gleichzeitig die psychologische und physiolo-
tegorien des Adjek tivs, des Verbs und des gische (1925, 27). Die adjek tivische Welt ist
Substantivs zu identifizieren (1982, 3, 9 ff; punk tuell (1980, 1, 13) und ohne Ordnung,
94 ff; 1980, 1, 242 f; 307; 1980, 2, 220; 528 ff; sei diese Ordnung nun räumlich, zeitlich oder
1925, 10; 46 ff; 156 ff). Dies ist schon dadurch k ausal (1980, 2, 221; 509; 1925, 10 f; 58 ff).
gegeben, daß sich nach Mauthner die gram- Ihren intensivsten Ausdruck findet die im er-
matischen Kategorien in den verschiedenen sten Grad anthropomorphe, adje k tivische
Sprachen absolut nicht deck en müssen — ge- oder unmittelbar sensualistische Sprache in
rade dies ist ja auch Gegenstand der These der Kunst (1980, 2, 530); aber sie ist ebenso
von der sprachlichen Relativität (vgl. 2.5.) —, ein Bestandteil der Wissenschaften, ja,
wohingegen die drei k ognitiven Kategorien Mauthner sagt manchmal, daß auch die Wis-
für alle Menschen gleich sind. Mauthner gibt senschaften bloß (unmittelbar) sensualistisch-
selbst viele Beispiele, wo grammatische und adjek tivisch seien, d. h. Eigenschaften be-
k ognitive Kategorie schon im Rahmen einer schreiben, obwohl er anderswo auch erk lärt,
Sprache nicht übereinstimmen, etwa: die Sub- daß sie verbale und substantivische Elemente
stantiva ‘Blitzen’ und ‘Blitz’ gehören ebenso enthalten (vgl. 2.9.3.; 4.5.). Nach Mauthner
der k ognitiven Kategorie des Verbalen an wie ist daher das adjek tivische Bild der Welt —
das Verb ‘blitzen’ (1982, 2, 22 f). Auch haben nicht das Adjek tiv als grammatische Form —
nach ihm die Tiere völlig teil zumindestens das älteste, das primitivste (1982, 2, 268; 1982,
an der adjek tivischen Welt, ohne über die 3, 94; 1980, 1, 12 f; 242 f). Er nimmt an, daß
menschliche Sprache und damit eventuell die ursprünglich zwischen Satz und Wort k ein
grammatische Kategorie des Adjek tivs zu ver- Unterschied gemacht wurde, d. h. daß bei der
fügen (1980, 1, 12 f). Oder, wie Mauthner es Sprachentwick lung der Satz vorangeht (1982,
ausdrück t: die adjek tivisch zu bezeichnenden 2, 142 f; 1982, 3, 47 f) (s. Art. 63). Unter
Empfindungen entsprechen unserer Sinneser- diesem Gesichtspunk t ist die Unterscheidung
fahrung und sind natürlich; Substantiva und von Wortarten überflüssig und es bleiben, an-
Verben entsprechen der Vernunft und sind thropologisch gesehen, nur die k ognitive Ka-
menschlich (1982, 1, 300). Mauthner bemerk t tegorie des Adjek tivischen und die ihr k orre-
aber auch, daß schon das Tier instink tiv nach spondierenden ›Ur-Sätze‹ übrig.
personifizierten Ursachen sucht und damit
ebenfalls am substantivischen Bild der Welt 2.9.3.  In der verbalen Welt — die gleichzeitig
teilnimmt (1980, 2, 466). — Mit den drei natürlich das verbale Bild der allein wirk li-
Kategorien oder Bildern will Mauthner also chen adjek tivischen Welt ist — der Welt des
nicht sagen, daß es eine universale Gramma- Werdens, der Veränderung und der Beziehun-
tik gibt, sondern bloß, daß in jeder Sprache gen, wird die adjek tivische geordnet, und
(1) Sinneswahrnehmungen und Empfindun- zwar dadurch, daß die Apperzeption im Ge-
gen, (2) das Werden, die Veränderung und dächtnis die isolierten Empfindungen ver-
zweck gerichtetes Handeln und (3) Ursachen- k nüpft (1982, 3, 10; 1980, 1, 12 f). Die verbale
Wirk ungen und ›Dinge‹, ›Substanzen‹, als Welt ist k ausal und zeitlich geordnet (1925,
subjek tive Grunderfahrungen des Menschen 60); es liegt ihr David Humes (1711—1776)
500 II. Personen

Kausalitätsbegriff, d. h. der Begriff einer in- (1980, 2, 221), der Götter und der Geister,
duk tiven, statistischen Kausalität ohne per- und letztlich auch die „ehrliche [...] Schein-
sonifizierte Ursachen, zugrunde. Dies ist auch welt“ der Mystik (1980, 1, 14; 1925, 165; 16;
die Welt, in der wir zweck - und absichtsvoll 78). Die substantivische Scheinwelt, „von der
handeln (1980, 2, 510; 528 f; 1925, 26). das Gedächtnis der Menschheit nichts wußte,
Mauthner sagt daher, daß dem Verb die causa bevor es sich das Wort angeschafft hatte“
finalis entspreche (1982, 1, 300). Die Wissen- (1980, 1, 14; vgl. auch 1920/23, 4, 437 ff), ist
schaft, insofern sie von funk tionalen Abhän- also die Welt nicht nur der metaphysischen
gigk eiten handelt, muß eine verbale Kompo- Dinge, der Götterdinge und der Teufeldinge,
nente haben, welche sich über das adjek tivi- der personifizierenden -heiten, -keiten und
sche und das substantivische Bild der Welt -schaften (1925, 54, 77) und der personifizier-
erhebt (1980, 2, 531). Denn die Wissenschaft ten Kausalursachen (1980, 2, 509 f), sondern
gibt sich letztlich doch nicht mit dem unge- auch derjenigen Dinge, die wir gewöhnlich —
ordneten adjek tivischen, unmittelbar sensua- und nach Mauthner (und Mach; 1980, 1,
listischen Bereich zufrieden. Oder, wie er es 192 f) fälschlicherweise — ‘empirische Dinge’
ausdrück t: die Naturwissenschaft schwank t nennen. Auch die empirischen Einzeldinge,
stets zwischen dem adjek tivischen und dem die wir aus unserer unmittelbaren adjek tivi-
verbalen Bild der Welt (1925, 55; 74). Mauth- schen Erfahrung gewissermaßen zusammen-
ner erwähnt Julius Robert von Mayer (1814— setzen, sind, ebenso wie die Substantive, die
1878), Hermann Helmholtz (1821—1894) und sie bezeichnen, nur Symbole; sie sind Täu-
Mach, weil sie alle die adjek tivische Welt in schungen (1982, 3, 9; 84; 98; 1980, 2, 464; vgl.
die verbale (transitive Verben) aufgelöst auch 1925, 35 f; 77 f). Der Verlust der Sub-
haben (1982, 3, 5; 80 f). stanz in der modernen Physik ist hier deutlich
vorgezeichnet. Der trügerische Charak ter der
2.9.4.  Die verbale Welt k ann beschrieben abstrak ten, religiösen und metaphysischen
werden. Aber das „freche Menschenwort“ Substantive ist nur leichter aufzuzeigen. Jedes
möchte auch noch erk lären und erschafft sich, dieser Symbol-Dinge der substantivischen
„das Wort dem Worte“, eine im zweiten Welt — d. h. jedes beliebige Ding, z. B. ein
Grade anthropomorphe Sprache (1980, 1, Atom — ist demnach ein fik tives Ding an sich
13 f; 20) und damit die substantivische Welt. hinter der adjek tivischen Welt, die allein wirk -
Denn für ein bestimmtes Bündel von Adjek - lich ist. Im Falle des Atoms sind es das Wel-
tiven, das einem Bündel von empirischen Ei- lenfeld und seine invarianten Eigenschaften
genschaften k orrespondiert, substituiert man (1980, 2, 466; vgl. jedoch 1925, 27 ff für die
ein Substantiv, das in die Wirk lichk eit zu- Relativität des Dings an sich hinsichtlich der
rück projiziert wird, und dort ›Dinge‹, ›Sub- drei Bilder der Welt). — Mauthner sagt ge-
stanzen‹ vortäuscht. Das substantivische Bild radezu, daß sowohl in der Umgangssprache
der Welt — oder, was dasselbe ist, die sub- als auch in der Sprache der Wissenschaft die
stantivische Welt — verdoppelt die wirk liche, Grammatik die Verhältnisse auf den Kopf
die adjek tivische Welt im zweiten Grade; denn gestellt hat: die „hypothetischen“ Dinge wer-
es verdoppelt das adjek tivische Bild, das wie- den zu „Hauptsachen“, zu Substantiven, und
derum die wirk liche, adjek tivische Welt ver- das, was wirk lich existiert, die Eigenschaften,
doppelt, weil alle Sprache verdoppelt (1925, beziehungsweise die Empfindungen, werden
27 ff) — nur weiß man nach Mauthner bis zur adjek tivischen Nebensache, zur Beigabe
heute nicht genau, was da in der Wirk lichk eit (1980, 2, 284). Wenn es überhaupt eine sub-
verdoppelt wird (1925, 27). Die substantivi- stantivische Wissenschaft gibt, dann ist es die
sche Welt ist die unwirk liche Welt des Raumes Ontologie, die auch die traditionellen Gei-
und des Seins (1925, 58 ff; 1980, 2, 466); sie steswissenschaften einschließt (1925, 77 ff).
ist die Welt der Dinge und der im Alltagsle-
ben, aber oft auch in der Wissenschaft per-
sonifizierten Ursachen und Kräfte (1925, 54). 3. Allgemeine Bemerkungen zum
So betrachtet, ist es k lar, daß Mauthner an- Problem der Sprache: Sprach-
nehmen muß, daß die Tendenz zu substanti- ursprung und Sprachentwicklung
vieren ein vom Tier ererbter Instink t ist (1980, Die folgenden Bemerk ungen zu Mauthners
2, 466); auch das Tier sucht nach personifi- Auffassung der Sprache haben es nicht un-
zierten Ursachen (1982, 2, 352 f). Die sub- mittelbar mit Sprachk ritik zu tun, sind aber
stantivische Welt ist weiters die mythologische sprachphilosophisch relevant. Der Ursprung
Welt (1980, 2, 464), die Welt der Metaphysik
35.  Fritz Mauthner (1849—1923) 501

der gesprochenen Sprache wird in die nach- schaftstheorie wiederfinden. — Mauthner


ahmenden „natürlichen Metaphern“ der Ar- lehnte es ab, ein philosophisches System zu-
tik ulationsorgane verlegt (1982, 2, 452). sammenzustellen, weil er von Systemen nicht
Mauthner meint damit einen artik ulatori- viel hielt (1982, 1, xiii f). Er begründet dies
schen Ik onismus, wie er auch in einer moder- so: (1) in der Natur gibt es k eine systematische
nen empirischen Theorie des Sprachur- Ordnung und k eine festen Grenzen zwischen
sprungs, der Theorie der Mundgesten (Rum- den Erscheinungen (1982, 2, 4; 1906, 14; 1980,
baugh 1977), vertreten wird (s. Art. 65). Wie 1, 251); (2) ein für alle Zeiten gültiges philo-
steht es nun mit der Sprache der Tiere als sophisches System müßte die absolute Wahr-
Vorform der menschlichen Sprache? Wenn die heit verk örpern — und dies sei unmöglich
Einheit von Sprache und Denk en durch das (1982, 1, xiv). Die absolute Wahrheit ist un-
Gedächtnis gegeben ist, und wenn Bedeutun- erreichbar, da zwischen Welt und absoluter
gen Vorstellungen oder Gedächtnisinhalte Erk enntnis die Sprache als verzerrendes ›Fil-
sind (vgl. 2.8.), dann k ann Sprache nicht pri- ter‹ dazwischen steht; die Existenz von ›drei
mär durch den äußerlichen Ausdruck dieser Bildern der Welt‹ (vgl. 2.9.) verhindert a priori
Gedächtnisinhalte, Vorstellungen, z. B. das ein einheitliches Bild (1925, 30). Die Wahrheit
phonetische Geschehen, definiert sein. Tier- ist immer relativ (1980, 2, 557 ff; 1920/23, 4,
sprachen k önnen daher, was ihre Äußerung 417 f), und auch wenn man sich — irrtümli-
betrifft, grundsätzlich anders als die mensch- cherweise — eine zuk ünftige absolute Er-
liche Sprache sein; sie müssen zum Beispiel k enntnis der Wahrheit vorstellen k önnte, so
nicht unbedingt hörbar und k önnen Gebär- verändern sich doch die Wissenschaften,
densprachen sein (1982, 2, 350 ff, 362 ff) (s. unser Denk en und die Sprache, und mit ihnen
Art. 116). — Mauthner lehnt die linguistische muß sich nach Mauthner die Philosophie än-
Stammbaumtheorie ab, ebenso die Zurück - dern (1982, 1, 701; 1980, 1, 263; 304 f).
führung aller Sprachen auf eine einzige Ur- Mauthner führt damit das analytische Kon-
sprache. Seine methodologische Begründung zept der Wahrheit in einer Sprache L ein.
für ersteres ist, daß es ink onsequent sei, wenn
man für die urgeschichtlichen Zeiten gewisse 4.2. Das Verhältnis von Sprachkritik,
Phänomen durch die Stammbaumtheorie er- Philosophie und Sprachwissenschaft
k lärt, und dieselben Phänomene für die ge-
schichtlichen Zeiten durch die Wellentheorie Wohin gehört nun die Sprachk ritik ? Mauth-
von Johannes Schmidt (1843—1901) (1982, 2, ner hat einerseits die Sprachk ritik als eigene
602 f), oder, nach Mauthner, durch massive Disziplin gesehen (siehe z. B. 1980, 2, 443).
Sprachmischungen, bzw. Entlehnungen Ihre Position im System der Wissenschaften
(1982, 2, 605 ff; 1980, 1, xv ff; 72 ff). stellt er sich einmal folgendermaßen vor: wäh-
rend die Naturwissenschaften hauptsächlich
Sachwissen vermitteln, vermitteln die Geistes-
4. Sprachkritik als Erkenntnistheorie wissenschaften hauptsächlich Wortwissen.
Aber die Sprachk ritik k önne als einzige Gei-
4.1. Philosophisches System und Wahrheit steswissenschaft ebenbürtig den Naturwissen-
schaften gegenübertreten. — Mauthner
Bevor wir auf die spezifischen Probleme der spricht auch davon, daß die Sprachk ritik die
Sprachk ritik eingehen, müssen die Rolle der wichtigste Aufgabe der Erk enntnistheorie,
Philosophie und das Problem der Wahrheit also einer Disziplin der Philosophie, sei (1980,
und anschließend daran die systematische 2, 442). Sprachk ritik wird manchmal gera-
Stellung der Sprachk ritik angeschnitten wer- dezu mit Erk enntnistheorie identifiziert. Ex-
den (vgl. 4.2.). Ein prinzipielles Problem der plizit und noch umfassender heißt es in der
Philosophie ist in mauthnerscher Sicht durch Selbstdarstellung: „Alle k ritische Philosophie
folgende k ritische Analyse gegeben: wenn ist Kritik der Sprache“ (1922, 15), und in den
Philosophie Selbsterk enntnis des menschli- Beiträgen: „Philosophie ist die Grenze der
chen Geistes, Denk en des Denk ens, und das Sprache selbst, der Grenzbegriff, der limes:
heißt nach Mauthner auch ›Spracherk enntnis ist Kritik der Sprache [...]“ (1982, 3, x). Frei-
durch Sprache‹, sein soll, dann ist sie ein lich dürfe eine solche erk enntnistheoretische
aussichtsloses Unterfangen. Philosophie ist Sprachk ritik oder sprachk ritische Erk enntnis-
aber möglich als Überblick , als vergleichendes theorie nicht Geschichte, Logik und Psycho-
Zusammenfassen leitender Gedan k en der logie außer acht lassen (1982, 1, 686 f), ein
Einzelwissenschaften (1982, 1, 704), eine Vor- Rat, den Mauthner selbst in großem Umfang
stellung, die wir in der gegenwärtigen Wissen- beherzigt hat (man beachte seine Stellungnah-
502 II. Personen

men zu fast allen Wissensgebieten an Hand durch drei Gruppen von Fallstudien
des Fachwissens seiner Zeit). Am wichtigsten (4.3.1—4.3.3).
ist hier, daß die Sprachk ritik der erk enntnis-
theoretische Versuch ist, darzustellen, daß 4.3. Sprachkritische Methoden an Hand
und wie die Sprache unser Bild der Welt ver- von Fallstudien
zerrt. Eine Korrek tur dieses Bildes hat der
Sk eptik er Mauthner eigentlich für unmöglich 4.3.1.  Die zwei Bände des Wörterbuch der
gehalten: die Sprachk ritik k ann das Rätsel Philosophie sind eine reiche Quelle für Sprach-
der Sphinx nur lösen, indem die Sphinx zum k ritik , die sich an der Wortgeschichte orien-
Schweigen gebracht wird (1982, 3, 634). Die tiert. Zwei Beispiele mögen genügen: Mauth-
Sprachk ritik k onzentriert sich also auf die ner weist darauf hin, daß der Leibnizsche
Nahtstelle zwischen Wortsprache und Wirk - Ausdruck ‘Apperzeption’ im Deutschen als
lichk eit. Die Sprachk ritik , sagt Mauthner, ist ‘Wahrnehmung’ wiedergegeben wird; durch
eigentlich nichts anderes als vorurteilslose die Schreibung ‘Wahr-’ anstelle des sprach-
und dadurch k lärende Sprachgeschichte geschichtlich k orrek teren ‘War-’ sei bei vielen
(1920/23, 4, 216; 1982, 1, 301), oder, mit stär- Autoren (Joachim Heinrich Campe, Georg
k erer Betonung der philosophischen Kom- Wilhelm Friedrich Hegel, Wilhelm Traugott
ponente, ein erk enntnistheoretischer Nomi- Krug, Wilhelm Wundt) bei der Definition von
nalismus (1982, 3, 611). Man k önnte hier ‘Wahrnehmung’ und ähnlichen Ausdrück en
einwerfen, daß eine so verstandene Sprach- fälschlich mit der Bedeutung von ‘wahr’ ope-
k ritik eigentlich mit der Sprachwissenschaft riert worden, so, als sei das Wahrgenommene
völlig oder nahezu identisch sein müsse. Tat- das als wahr Angenommene (1980, 1, 28 f).
sächlich enthält zum Beispiel nahezu jeder Besonders schlecht sei es auch dem Worte
Artik el in den zwei dick en Bänden seines Wör- ‘Tao’ ergangen. Der Term sei schon im Chi-
terbuch der Philosophie ausführliche sprach- nesischen nie k lar definiert worden, und bei
geschichtliche Erläuterungen, getreu Mauth- der Übersetzung habe dann jeder Autor den-
ners Auffassung, daß Sprachgeschichte Ge- jenigen Begriff (Term), den er selbst als den
schichte der Welterk enntnis oder des Denk ens höchsten angesehen habe, für ‘Tao’ verwen-
ist (1982, 2, 204 f). — Hier scheint nun in det: ‘Logos’, ‘Vernunft’, ‘Natur’, ‘Gott’, ja
Mauthners Philosophie ein Dilemma aufzu- sogar ‘Energie’ (1920/23, 4, 414; 1980, 2,
treten: einerseits existiert nach Mauthner 468 f). — Mauthner hat übrigens alle vier
höchstens die Individual- bzw. Dualsprache, Bände der Geschichte des Atheismus als eine
andererseits wird Sprache als etwas Soziales spezielle Wortgeschichte gesehen, die von
aufgefaßt (1982, 1, 24 f; 1906, 85 ff), und es ‘Gott’ (vgl. 4.3.3.).
wird die Sprachgeschichte zum Beispiel in
Form der Etymologie (im modernen Sinn; 4.3.2.  Mauthner hat die drei k ognitiven Ka-
siehe jedoch 1982, 2, 183 ff für eine Kritik der tegorien des Adjek tivischen, Verbalen und
Etymologie als Lehre von den ›wahren‹ Be- Substantivischen zur Grundlage sprachk ri-
deutungen) oder der Geschichte der Überset- tisch k lärender Analysen gemacht, indem er
zung eines Terms herangezogen, um Sprach- zu zeigen versuchte, daß gewisse Terme den
k ritik zu betreiben. Faßt man jedoch die Spra- falschen k ognitiven Kategorien oder auch
che als zeitliche Aneinanderreihung von mit- Sub-Kategorien zugeordnet sind. Faßbar
einander verflochtenen Individual- bzw. wird die Zugehörigk eit eines Terms zu einer
Dualsprachen auf, dann verschwindet das Di- unpassenden k ognitiven Kategorie durch
lemma und es k ann dann eine Sprachge- seine Zugehörigk eit zu einer entsprechenden
schichte unabhängig von der Existenz ›der‹ grammatischen Kategorie. Ein Teil dieser feh-
Sprache geben, in dem Sinn, in dem man die lerhaften Zuordnungen ist im Prinzip repa-
Geschichte als eine Aneinanderreihung von rabel: wenn ‘Geist’ und ‘Seele’ schon verwen-
miteinander verflochtenen Biographien be- det werden müssen, dann sollen sie k ognitiv
trachten k ann. Wie Mauthners Beispiele zei- der verbalen Kategorie zugeordnet werden,
gen, ist die Methode der Sprachk ritik daher d. h. als Tätigk eiten, Funk tionen, zweistellige
zum Teil tatsächlich mit den Methoden der Beziehungen etc. angesehen werden, nicht als
Sprachwissenschaft identisch — Sprachk ritik Dinge — statt ‘Seele’ k önnte man dann viel-
erscheint als vorurteilslose, k lärende Sprach- leicht verbal ‘Geseel’ sagen und damit den
geschichte. Nur tritt zu den sprachwissen- Tätigk eitscharak ter der Seele andeuten, so wie
schaftlichen Methoden seine erk enntnistheo- ‘Gehör’ die Tätigk eit des Hörens durchk lin-
retische Zielsetzung hinzu. Wie Sprachk ritik gen läßt (1920/23, 1, 42). Dann k önnen aber
methodisch funk tioniert, zeigt man am besten
35.  Fritz Mauthner (1849—1923) 503

den Seelen und den Geistern k eine absoluten ‘das Werden’ aus, dann k önnte man das Exi-
Eigenschaften, ausgedrück t in unären Ter- stenzurteil ‘Gott ist (›die‹ Substanz)’ wohl
men, zugeschrieben werden. Daß die Seele k aum aussprechen (1980, 2, 399). So ist Gott
unsterblich ist, k önnen wir dann ebensowenig dem k ritischen Denk er ein Nichts; ein Etwas
sagen, wie wir sagen k önnen, daß der Teufel k ann er nur dem Dichter sein, getreu Mauth-
viereck ig ist (1920/23, 1, 41). Der Satz ‘Die ners Auffassung, daß die Sprache wegen ihres
Seele ist unsterblich’ ist nicht falsch — metaphorischen Charak ters ein brauchbares
Mauthner betont dies ausdrück lich — son- Vehik el der Dichtung ist (1920/23, 4, 85 f).
dern unverständlich, d. h. unsinnig, ebenso Mauthner hat viele Substantiva aus anderen
unverständlich und unsinnig wie ‘Das Davon- Wissensgebieten auf ähnliche Weise analy-
laufen des Hasen ist rosenrot’ (1920/23, 1, siert, z. B. ‘Seele’ und ‘Ich’ (vgl. z. B. 1982, 1,
48). Die Antizipation von Gilbert Ryles 256 f; 650 ff; 1920/23, 1, 132 f; 1920/23, 4,
(1900—1976) Konzept des Kategorienfehlers 156), jedesmal mit dem Ergebnis, daß wir von
ist hier unverk ennbar. Mauthner hielt aber Worten in eine Scheinwelt geführt worden
›Reparaturen‹ der Sprache im allgemeinen für sind. Eine interessante Form der mauthner-
unrealistisch (vgl. 4.4.). — Auch innerhalb der schen Sprachk ritik stützt sich auf die Relati-
k ognitiven, bzw. der entsprechenden gram- vität der Projek tion, wenn sie mindestens zwei
matischen Kategorien selbst, k önnen Terme Sprachen betrifft: eine Nationalsprache k ann
unpassenden Sub-Kategorien angehören. syntak tische und morphologische Formen
Zum Beispiel k önnen innerhalb der verbalen aufweisen, die in einer anderen fehlen. ›Be-
grammatischen Kategorie die erk enntnistheo- weise‹, Argumente, die sich auf solche For-
retisch interpretierten grammatischen Sub- men stützen, k önnen auf k einen Fall allge-
Kategorien Transitivität und Intransivität meingültig sein, anders ausgedrück t: sie sind
verwechselt werden: wir sagen noch heute mit eo ipso ungültig. — Ein erstes Beispiel ist hier
einem intransitiven Verb ‘aufgehen’ ‘die Mauthners Disk ussion des ›grammatischen‹
Sonne geht auf’, und nicht, wie es wegen der Gottesbeweises Wilhelm Jerusalems (1854—
Bewegung der Erde k orrek t wäre, mit einem 1923). Nach Jerusalem ist das Weltgeschehen,
transitiven Verb, z. B. ‘erreichen’, daß die das Universum, ein Verb, ein unpersönliches
Erde die Sonne erreicht (1982, 3, 80). Tran- Verb, zu dem wir ein Subjek t suchen müssen
sitive Verben täuschen oft Ursachen vor, wo — und dieses Subjek t sei Gott. Abgesehen
k eine sind; und oft gibt es k eine transitiven davon, daß Mauthner von vornherein die
Verben, wo sie, wissenschaftlich gesehen, be- Analogie ‘Prädi k at:Subjek t = Universum:
nötigt würden. Zum Beispiel müßte man sin- Gott’ sprachk ritisch ablehnt, geht er bei der
nesphysiologisch sagen ‘Der Baum grünt genaueren Analyse des grammatischen Got-
mich’ und nicht ‘Der Baum ist grün’ (1982, tesbeweises so vor wie etwa beim ontologi-
3, 81). schen. Er relativiert den grammatischen Got-
tesbeweis auf jeweilige Sprachen. Nicht in je-
4.3.3.  Hier geht es darum, daß grammatische der Sprache verlangt ein unpersönliches Ver-
Kategorien fik tive ontologische Kategorien bum nach einem Subjek t gemäß dem Muster
erzeugen. So erzeugt z. B. die grammatische ‘Es donnert’, ‘Es blitzt’ oder dem lichtenberg-
Kategorie Substantiv die fik tive ontologische schen ‘Es denk t’ (1920/23, 4, 440 f). Ein Got-
Kategorie des Dinges, so daß dann jedem tesbeweis, der nur in bestimmten Sprachen
Substantiv ein ›Ding‹ entsprechen muß. Die formuliert werden k ann, ist nicht allgemein
hier einsetzende Sprachk ritik findet ihren gültig oder ungültig. Das wäre so, als k önnte
schärfsten Ausdruck in Mauthners monu- man die Fallgesetze etwa nur im Deutschen
mentalem Werk , der ›negativen Wortge- beweisen. — Den ontologischen Gottesbeweis
schichte‹ (von ‘Gott’; 1920/23, 2, 376), Der des Anselm von Canterbury (ca. 1033—1109)
Atheismus und seine Geschichte im Abend- als das zweite Beispiel der Projek tion einer
lande. Die Zurechnung Gottes zur substanti- grammatischen Kategorie in die Wirk lichk eit
vischen Welt ist nach ihm der unwiderlegbar- k ritisiert Mauthner noch schärfer. Nach dem
ste, weil sprachk ritische, Beweis für das em- ontologischen Gottesbeweis ist Gott das-
pirische Nicht-Dasein Gottes (1920/23, 4, jenige, was vollk ommener oder größer nicht
440, Fn.; vgl. 1920/23, 4, 91; 155 f). Nach gedacht werden k ann. Dieses vollk ommenste
Mauthner ist Gott ein „Gott unseres Wörter- Wesen muß existieren, weil es ohne seine Exi-
vorrats“ (1980, 1, 448), das „jenseitige Sub- stenz nicht das vollk ommenste Wesen wäre.
stantivum“ (1925, 62). Drück te man ‘Gott’ Mauthner legt sprachk ritisch dar, daß der
adjek tivisch als ‘das Ewige’ oder verbal als ontologische Beweis wortabergläubisch ist:
504 II. Personen

weil es in der griechischen und lateinischen rische Vorschläge gemacht, aber im Grunde
Sprache die Sprachk ategorie des Superlativs hat er jede Art von gängiger Sprachreform
(allgemein: der Steigerung des Adjek tivs) gibt, abgelehnt. Die einzige Sprachreform, die man
darum glaubt man, es müsse auch in der im Rahmen seiner Philosophie ak zeptieren
Wirk lichk eit jedesmal etwas geben, was dem k ann, ist, paradox ausgedrück t, das Schwei-
Superlativ entspricht (1920/23, 1, 239). Im gen (1982, 3, 631). — Die Kunstsprachen
Wörterbuch der Philosophie (1980, 2, 188 ff) (Esperanto, Volapük , Ido) sah er überhaupt
zeigt Mauthner, daß der ontologische Beweis nicht als Sprachen an (1914, 119 ff; 1906, 40).
für die Existenz eines allmächtigen und all- Eine Idealsprache à la John Wilk ins (1614—
weisen (aber auch: „allboshaften“; 1920/23, 1672), Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—
1, 76) Gottes, oder auch der Beweis für die 1716) (s. Art. 23) und Raimundus Lullus (ca.
beste aller möglichen Welten, derart an den 1235—1315), die sämtliche erk enntnistheore-
Superlativ, oder allgemein: an die Steigerung tischen Probleme vermeiden würde, sei un-
des Adjek tivs, gek nüpft ist, daß er ohne diese möglich, denn die Naturwissenschaften k önn-
grammatischen Formen gar nicht geführt ten nicht den Weltk atalog herstellen, der die
werden k ann (für Näheres vgl. Leinfellner Grundlage einer solchen Idealsprache bilden
1986, 176 f). Es ist k lar, daß die Existenz von würde (1982, 1, 72; 79; vgl. 1982, 3, 509 ff).
Sprachen ohne Steigerungsformen Mauthners
Argument gegen den anselmschen Gottesbe- 4.5. Zusammenwirken der drei Sprachen
weis unterstützt. Mauthner geht hier folge- (Bilder)
richtig auf die suppletiven Steigerungsformen
ein, d. h. Adjek tiva, deren Steigerung von ver- Einmal hat Mauthner darüber spek uliert, ob
schiedenen Stämmen gebildet wird, wie z. B. es möglich wäre, entweder (1) eine Sprache
im Lateinischen: ‘bonus’, ‘melior’, ‘optimus’. zu bilden, die nicht in die drei Teilsprachen,
Schon Wundt vertrat die These, daß die sup- die adjek tivische, die verbale und die substan-
pletiven Steigerungsformen — die den älte- tivische, zerfällt (1980, 2, 526), oder (2) die
sten Sprachschichten angehören — nicht drei Teilsprachen als selbständige, aber doch
Gradunterschiede, sondern Qualitätsunter- aufeinander bezogene Sprachen aufzubauen
schiede mark ieren, eine Auffassung, die auch (1925, 65 ff). Im ersten Fall k am er zu der
heute noch die Standardauffassung ist. Auffassung, daß es eine solche Sprache nicht
Mauthner k ommentiert dazu, daß in der Na- geben k önne, und im zweiten, daß dies zwar
tur und einer der Natur angepaßten Sprache möglich, aber unfruchtbar sei. Prinzipiell
— wenn es eine solche gäbe — sowieso k eine trägt jede dieser Sprachen zur relativen Wahr-
Steigerung existiere. heit bei, und sie sollen daher zusammenwir-
k en, z. B. als Kunst (adjek tivisch), Wissen-
4.4. Sprachreform schaft (verbal) und Mystik (substantivisch)
(1980, 2, 530 f). Wir k önnen dieses Zusam-
Es ist naheliegend, sich zu fragen, ob denn menwirk en am besten am Beispiel der wissen-
unsere Sprache, wenn sie schon so unzuläng- schaftlichen Sprache exemplifizieren, und
lich ist, nicht reformiert werden sollte. Daß zwar, indem wir das Zwei-Komponenten-Mo-
sie sich gewissermaßen selbst verbessert, ist dell wissenschaftlicher Sprachen, wie es im
nach Mauthner schon deshalb möglich, weil Wiener Kreis entwick elt worden ist, mit
es — stets sprachlose — Erk enntnisfort- Mauthners Ansichten vereinen. Der von
schritte gibt (vgl. 2.7.), welche Sprachfort- Mauthner betonten unmittelbar sensualisti-
schritte werden (1982, 1, 537): die Sprache schen, adjek tivischen Sprache der sinnlichen
hink t der Erk enntnis zwar nach (1982, 1, 72; Erfahrung k orrespondiert die empirische Be-
79; 1982, 2, 450 f), aber sie bleibt immerhin obachtungssprache, der verbalen Sprache
nicht stehen. Ob man eine Sprachreform vor- k orrespondiert die theoretische Sprache, d. h.
schlägt, hängt aber davon ab, ob die Sprach- die Sprache der funk tionalen Abhängigk eiten,
k riti
k entweder zwar Unzulänglich k eiten, und der substantivischen Sprache k orrespon-
Fehler, Unk larheiten k lärend aufzeigt, aber dieren die rein theoretischen Terme, denen ja
— mit Wittgenstein zu reden — dann alles so oft auch in Wirk lichk eit nichts oder nur par-
läßt, wie es ist, oder ob sie, z. B. im Sinne der tiell etwas entspricht (s. Art. 59).
Philosophie des Wiener Kreises, metaphysi-
sche Terme eliminiert, falsch angewandte ein- 4.6. Sprachkritik der Philosophie und Logik
stellige Ausdrück e, wie in ‘Der Baum ist grün’
durch mehrstellige, wie in ‘Der Baum grünt 4.6.1.  Wenn man Logik mit Mauthner als die
mich’ (vgl. 4.3.2.), ersetzt, usw. Mauthner hat, Struk tur einer Sprache betrachtet, dann k ann
wie wir gesehen haben, hie und da reformato- auch sie, wie die Grammatik , sprachk ritisch,
35.  Fritz Mauthner (1849—1923) 505

und das heißt auch: erk enntnistheoretisch, Pedant des Altertums der Lehrer Alexanders,
analysiert werden. Logik und Grammatik dann war Aristoteles der Lehrer Alexanders’
sind nur zwei Funk tionen oder Seiten eines (1982, 3, 435). Die Konk lusionen in (1) und
Phänomens, der jeweiligen Sprache (1982, 3, (2) haben wegen der verschiedenen Prämissen
3); eine Logik ist die Logik einer bestimmten von (1) und (2) verschiedene Bedeutungen,
Sprache — genau so, wie eine Grammatik die obwohl sie äußerlich gleich aussehen und da-
Grammatik einer bestimmten Sprache ist her logisch als gleich angesehen werden. Das
(1982, 2, 41 f). Die Logik ist, wie die Gram- heißt, Konk lusionen müssen auf jeweilige
matik , etwas historisch Gewordenes, das auch Texte relativiert werden, in heutiger Termi-
anders sein k önnte (1982, 2, 325 f). Daher gibt nologie: man muß sich mit ihren Präsuppo-
es nur Grammatik en, aber k eine allen Spra- sitionen auseinandersetzen (s. Art. 97). — Der
chen gemeinsame philosophische Grammatik , mauthnersche Psychologismus (Hominismus)
k eine Logik , sondern nur Logik en: eine chi- zeigt sich, wenn Mauthner vieles, was in der
nesische Logik z. B. würde anders aussehen Logik auf Schlüsse zurück geführt wird, auf
als unsere (1982, 2, 21 f; 41 f, 324 ff; 1982, 3, das Gedächtnis, die Assoziationen, bzw. die
3 f; 257 f; 445). Nach dem Muster der ver- Sprache oder den Sprachgebrauch zurück -
gleichenden Grammatik k önnte es auch eine führt; zu der Erk enntnis, daß es regnet, wenn
vergleichende Logik geben (1982, 2, 41 f). Für es naß ist, brauchen wir daher k eine Schluß-
Mauthner ist die Logik empirisch, d. h. zur verfahren (1982, 3, 399; siehe auch 411; 424 f).
Erk enntnis, unbrauchbar, ein Schick sal, das Denn jedes Wort enthält in seinen „Merk -
sie mit der Grammatik teilt (s. Art. 75). — malen“ (Mauthners Term) schon die Schlüsse,
Die Logik (der indoeuropäischen Sprachen), die aus ihm gezogen werden k önnen (1982, 3,
die Mauthner so unzulänglich findet, ist die 486; 1980, 1, 524).
aristotelische, bzw. allgemein die traditionelle Mauthner stößt sich — vom semantischen,
Logik , aber auch die George Booles (1815— pragmatischen und psychologischen Stand-
1864) und Ernst Schröders (1841—1902) punk t aus zu Recht — an folgendem: einer-
(1982, 3, 177 f; 1980, 1, 17 ff; über John Stuart seits ist das mathematisch aufgefaßte, selbst-
Mills und anderer Autoren induk tive Logik , identische A = A semantisch völlig nichtssa-
die er manchmal etwas positiver sieht, vgl. gend, andererseits erscheint in der — außer-
1982, 3, 448 ff; 1980, 1, 17 f; 478). Mauthner sprachlichen oder sprachlichen — empiri-
k ritisiert an diesen Systemen, daß sie uns von schen Wirk lichk eit A = A oft als A = A — b
der Semantik der natürlichen Sprachen und (1982, 3, 277 f; 361; 1980, 1, 1 f; 479). Denn
damit von der empirischen Welt entfernen, in Wirk lichk eit gibt es k eine absolute Gleich-
d. h., daß sie rein formal seien, oder, wie er heit als absolute empirische oder als absolute
es ausdrück t: es gibt k eine formale Logik semantische Gleichheit (absolute Synonymi-
ohne Inhalt (1982, 2, 4). tät), nur Ähnlichk eit; erst wenn empirisch
Mauthners k ognitive (semantische) Kritik festgestellt worden ist, daß b vernachlässigt
der Logik drück t sich besonders in seiner werden k ann oder soll, k ann A = A als
Analyse der Schlüsse aus. Schlüsse sind nach Gleichheit gesetzt werden. Gertrude Steins
ihm, wie bei Mill (1806—1873) (s. Art. 30), (1874—1946) ‘A rose is a rose is a rose’ ist
bloß tautologisch; wir gewinnen durch sie demnach k eine Identitätsaussage. Die Geset-
k eine neue Erk enntnis. Der Schluß ‘Wenn alle zessprache liefert hier moderne Beispiele,
Planeten an den Polen abgeplattet sind, und etwa: die Tomate wird umgangssprachlich im
Mars ein Planet ist, dann ist auch Mars an Deutschen und im Englischen und gesetzlich
den Polen abgeplattet’ ist nur möglich, wenn in den USA (Entscheidung des Supreme
wir schon im voraus wissen, daß Mars — und Court von 1893) als Gemüse angesehen, ist
jeder Planet — an den Polen abgeplattet ist; aber botanisch eine Frucht. Wir erhalten:
die erste Prämisse, die den Quantor ‘alle’ ent- Obst = Obst — Tomate. Hierzu gehört, daß
hält, wäre sonst eine bloße Vermutung (1982, Mauthner — wie die heutigen Quantenlogik er
3, 385). Ein anderes semantisches Problem — auch die Kommutativität des zweistellig
zeigt sich nach Mauthner bei den folgenden relationalen ‘ist’ (1982, 1, 573) ablehnt.
zwei Schlüssen, (1) und (2): (1) ‘Wenn Aristo- Die Sätze vom Widerspruch und vom aus-
teles der weiseste Mann aller Zeiten war, und geschlossenen Dritten (1982, 3, 361 ff) werden
der weiseste Mann aller Zeiten der Lehrer auf ähnliche Weise angegriffen. Die Erörte-
Alexanders, dann war Aristoteles der Lehrer rung und Ablehnung besonders des Satzes
Alexanders’, (2) ‘Wenn Aristoteles der eitelste vom ausgeschlossenen Dritten ist interessant,
Pedant des Altertums war, und der eitelste weil sie an Hand eines biologischen Beispiels
506 II. Personen

von einer mengentheoretischen Erörterung hauptsächlich zwei solcher Apriori/Prius gel-


ausgeht, nämlich, daß es Elemente gibt, die ten: (1) die Sprache als das Gedächtnis eines
einer Menge nicht exak t, sondern nur graduell Individuums, einer Sprachgemeinschaft, bzw.
zugeordnet werden k önnen. Es handelt sich auch der Menschheit, im Eink lang mit der
hier um den Ansatzpunk t, der auch der Theo- These von der sprachlichen Relativität (1982,
rie der in der biologischen Taxonomie ver- 1, 337, 342; vgl. 2.5.). Nominaldefinitionen
wendeten polythetischen Klassen und der sind in diesem Sinne a priori (1982, 3, 304).
Theorie der ›fuzzy sets‹ zugrundeliegt, und (2) Nach Mauthner sind auch gewisse ange-
der dort ebenfalls zur Aufgabe des Prinzips borene Eigenschaften (1982, 2, 701 ff; 1980,
vom ausgeschlossenen Dritten führt (s. Art. 1, 40 f; 292 ff), z. B. biologische, psychologi-
98). sche, ein Apriori als empirisches Prius. —
Die Sprachk ritik des Quantors ‘alle’ führt Ähnlich wie bei Quine ist nach Mauthner die
zu einer finitistischen Auffassung: ‘alle’ meint Grenze zwischen Analytisch und Synthetisch
nach Mauthner (1) ‘jeder einzelne in einer fließend: ist eine synthetische Aussage einmal
bestimmten vorgegebenen, wenn auch viel- etabliert (z. B. im Gedächtnis), dann wird sie
leicht nicht genau in Zahlen ausdrück baren im weiteren Sprachgebrauch analytisch (1982,
und endlichen Gesamtheit, Menge’. Daß (2) 3, 321) (s. Art. 86).
‘alle’ hypothetisch alle unendlich vielen mög-
lichen Fälle umfassen soll, d. h. als Quantor 4.6.3.  Es ist k eine Frage, daß eine Sprach-
mit ak tual unendlichem Bereich aufgefaßt k ritik im Sinne Mauthners ein brauchbares
wird, und daß k ein Unterschied zwischen (1) Unternehmen sowohl für die Philosophie als
und (2) gemacht wird, hält er für eine unzu- auch für andere Wissenschaften ist (vgl.
lässige logische Verallgemeinerung (1982, 3, 4.6.2.). Während eine auf die Philosophie ge-
175 f). Solche fik tive hypothetische Allsätze richtete k lärende Sprachk ritik zum Beispiel
werden nach Mauthner (wie nach Karl Rai- zeigt, daß Aristoteles (384—322 v. Chr.) (s.
mund Popper) durch eine einzige Gegenin- Art. 15) seine Kategorien der griechischen
stanz widerlegt (1982, 3, 454 ff); sie sollten Umgangssprache entnommen und dann in die
aber von Anfang an nicht aufgestellt werden. Wirk lichk eit projiziert hat, so, als seien sie
— Der Quantor ‘viele’ wird ähnlich analysiert ontologische Kategorien (1982, 3, 7; 1980, 1,
(1982, 3, 173 f). Jedenfalls haben wir hier die 490 ff; 1925, 22), so antizipiert seine Sprach-
Grundgedank en einer finitistischen Behand- k ritik umgek ehrt auch, daß die Wissenschaf-
lung der Quantoren vorliegen. ten (z. B. heute Relativitäts- und Quanten-
Aus dem restlichen Vorrat der mauthner- theorie) oft Kategorien benötigen, die in der
schen Kritik der traditionellen Logik erwäh- Umgangssprache nicht vorhanden sind, oder
nen wir noch, daß es nach Mauthner k eine dort nicht sinnvoll angewandt werden k ön-
Abstrak tion in dem Sinne gibt, daß sie zu den nen. Jeder Empirismus, der die platonische
›wesentlichen‹ Eigenschaften der Phänomene Existenz von Ideen ablehnt, jede k onstruk tive
führt. Weiters sind Begriffe Terme/Termini, Form der Mathematik , die nicht mit einem
und daher sind sie einerseits hypothetisch, an sich seienden Unendlichen arbeiten will,
vorläufig, und, wie bei Mach, dynamisch, in hat — zumindest implizit — eine sprachk ri-
steter Evolution begriffen, und andererseits, tische Seite. Wenn es heute eine Psychologie
im Rahmen der Identifik ation von Sprache ohne substantivierte Seele (vgl. z. B. 1982, 1,
und Denk en, verschwommene Vorstellungen 256 f; 303 f; 1906, 7 f; 10), eine Rechtswissen-
(1982, 3, 277; 459 f; 488 f; 1980, 1, 97 ff). Hier schaft ohne an sich seiendes Recht (1980, 2,
besteht unverk ennbar Ähnlichk eit zu Ock - 297 ff), eine Politische Wissenschaft ohne die
ham, nach welchem ein gedachtes Universale Fik tion eines an sich existierenden Staates
für vieles stehen k ann, ohne daß deswegen oder die Idee des Staates (1925, 160), eine
Abstrak tion mit Hilfe der k lassenbildenden Naturwissenschaft ohne personifizierte Ur-
Eigenschaft stattgefunden hat. sachen und Kräfte (1982, 1, 160 f; 313) gibt,
dann setzt dies voraus, daß ein mauthnersches
4.6.2.  Mauthners Behandlung des Apriori sprach
k ritisches Programm angewandt
zeigt deutlich, welche systematischen Folgen wurde.
ein k
er enntnistheoretischer Nominalismus
verk nüpft mit seiner Art von Psychologismus 4.7. Sprachskepsis
hat: Mauthner lehnt den k antschen Begriff
des synthetischen Apriori und überhaupt den Im Prinzip war Mauthner der Meinung, daß
des traditionellen Apriori ab; ein Apriori ist das Aufzeigen der Geschichte einer sprachli-
für ihn ein bloß empirisches Prius. Er läßt chen Form, sei es eines Lexems, einer mor-
35.  Fritz Mauthner (1849—1923) 507

phologischen Kategorie usw., in Verbindung und damit gottlose — „Götter sind Worte“
mit der Erk enntnis, daß die Sprache falsche (1980, 1, 458) — Mystik führt für k urze Au-
Bilder der Welt erzeugt und dann dort etwas genblick e aus dieser Sk epsis heraus (1920/23,
vermuten läßt, wo nichts oder etwas anderes 4, 425 ff; 1925, 90; 1980, 2, 115 ff). — Wem
ist, zeigt, daß alle in Wortsprache ausge- Mauthners extremer Sprachsk eptizismus un-
drück te Erk enntnis statistisch, induk tiv ist. gewöhnlich erscheint, der möge daran den-
Ein Ergebnis von Mauthners erk enntnistheo- k en, daß die heutigen Wissenschaften, insbe-
retischer Analyse der Sprache war eine ab- sondere die Naturwissenschaften, aber zu
solute Sk epsis: die Sprache ist für die Er- einem hohen Grade auch bereits die Sozial-
k enntnis denk bar ungeeignet — aber aufs be- und Geisteswissenschaften, ebenfalls der Um-
ste geeignet für die Poesie (1982, 1, 91 ff; 136; gangssprache zumindest mit Mißtrauen,
1906, 19 u. ö.). Dieser mauthnersche erk ennt- wenn nicht mit Sk epsis, begegnen, und sich
nistheoretische Sprachsk eptizismus (s. Art. daher von ihr losgelöst haben. Die meisten
10) k ann in Anlehnung an die drei Sätze des Wissenschaften trachten danach, ihre Ergeb-
Gorgias (ca. 480—380 v. Chr.) (Nichts ist; nisse mit Hilfe mathematischer Struk turen
Wenn etwas wäre, dann k önnte es nicht er- auszudrück en, nicht mit Hilfe der Umgangs-
k annt werden; Wenn etwas erk annt werden sprache. Dazu k ommt, daß Mauthner einer-
k önnte, dann k önnte es nicht mitgeteilt wer- seits von der wissenschaftlichen Sprache be-
den.) so formuliert werden: Es gibt etwas; hauptet hatte, daß sie, wie die Umgangsspra-
Dieses Etwas ist nur mit Unsicherheit oder che, prinzipiell sensualistisch sei (1925, 57).
vielleicht gar nicht erk ennbar; Die Erk enntnis Damit erbt die Wissenschaft alle Nachteile
dieses Etwas k ann in der Wortsprache nur der Umgangssprache. Andererseits hat
metaphorisch, uneigentlich und individuell Mauthner den Ausweg aus dem Dilemma —
ausgedrück t werden, und dem gegenseitigen und damit auch der Sprachsk epsis — wohl
Verstehen sind dadurch unüberschreitbare gesehen, aber nicht mehr betreten: die Ma-
Schrank en gesetzt. — Es wird oft gerügt, daß thematik ist nach ihm nämlich k eine Sprache
alle Sprachsk eptik er doch diese Sk epsis und daher auch k eine sensualistische Sprache
sprachlich ausgedrück t haben, d. h. daß wir (1982, 1, 646 f; 1982, 3, 153 ff; 1980, 1, 240 ff;
so tun, als k önnten wir mit Wittgenstein der 1980, 2, 497, Fn.; 1925, 136 ff). Die mathe-
Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas, der matischen Terme sind k eine sensualistischen
Sprache den Ausweg aus der Sprache als Ge- Begriffe (1982, 3, 173), d. h. Terme; sie schlie-
fängnis, zeigen, und mit Otto Neurath ßen sich direk t, „beinahe deik tisch“ an die
(1882—1945) das Boot auf offener See repa- Wirk lichk eit an (1980, 1, 242). Die Mathe-
rieren, d. h. die Sprache zurechtrück en, wäh- matik stellt struk turelle Proportionen auf, de-
rend wir sie sprechen. Mauthner ist sich dieses nen in der Wirk lichk eit etwas entspricht,
Problems bewußt: Der metaphorische Spie- wenn auch die Proportionen selbst erst der
gel, die Sprache, soll nicht versuchen, sich vergleichenden Tätigk eit des Verstandes ent-
selbst als Sprache zu spiegeln (1982, 1, 321; springen (1982, 3, 170). Die Mathematik ist
vgl. 1982, 1, 120; 178); zum Unterschied von Struk tur oder schematisches Modell (1980, 2,
anderen Sprachsk eptik ern lädt er seine Leser 81 f; vgl. auch 1982, 3, 145 ff; 170). Mauthner
dazu ein, die Waffe des Sprachsk eptizismus hat aber diesen wichtigen Gedank en nicht
auch gegen ihn selbst zu richten (1982, 1, 2 f). weiter verfolgt und blieb daher bei einer
Heute beantwortet man dieses sprachk ritische Sprachsk epsis auch gegenüber der Wissen-
Problem mit dem Konzept der Metasprache, schaft stehen.
ohne den gewünschten Erfolg, wie Kurt Gö-
dels (1906—1978) Resultate zeigen (Mauth-
ner führt bereits das Konzept einer Meta- 5. Der Platz
sprache ein, wenn er sagt, daß ein Logik k al- der mauthnerschen Sprachkritik
k ül ohne Rück beziehung auf die Umgangs- in der Geschichte der Philosophie
sprache als Medium seiner Erk lärung un-
denk bar ist, 1982, 3, 445). Eine andere Lö- Mauthner hat sich zu recht als den eigentli-
sung ist es, zu k apitulieren und sich auf die chen Begründer der Sprachk ritik betrachtet
›Unhintergehbark eit‹ der Sprache zu berufen. (1982, 1, xi f); auf seine Vorgänger weist er
Mauthner hingegen überläßt sich, weil er das selbst hin. Die Scholastik in ihrer freieren
Problem für unlösbar hält, in intellek tueller Form ist nach ihm ein Versuch, den platoni-
Redlichk eit der „ruhigen Verzweiflung“ des schen (Wort-)Realismus zu überwinden (1982,
Sk eptik ers (1982, 3, 641). Nur die sprachlose 2, 475). John Lock e (1632—1704) (s. Art. 22)
508 II. Personen

ist ihm der erste Philosoph, der, trotz einer besondere des späten Wittgenstein ist, so
gewissen Wortabergläubig k eit, psychologi- spricht gegen (2) — und damit implizit auch
sche Sprachk ritik betrieb (1982, 1, 614; vgl. gegen (1) — doch ein generelles Argument.
1982, 2, 475 f; 1982, 3, 283 f; 525; 1920/23, 2, Mauthners Blick war nicht, wie der des späten
389; 538 ff), Georg Christoph Lichtenberg Wittgenstein und der Analytischen Philoso-
(1742—1799) der „bis zu Sprachk ritik witzige phie, hauptsächlich auf die Sprache als Spra-
Physik er“ (1906, 72), Johann Georg Hamann che gerichtet, sondern auf die (Wort)Sprache
(1730—1788) (s. Art. 25) der „genialische als — nach ihm unbrauchbares — Mittel der
Sprachk ritik er“ (1982, 1, xv; 177 f; 699; 1982, Erk enntnis. Daher reicht er historisch hinter
2, 718). Mauthner nennt auch Friedrich Hein- die Analytische Philosophie zurück , und über
rich Jacobi (1743—1819) (1982, 1, 335 f; 698 f) ihre k lassische Ausprägung hinaus. Blick t
und Friedrich Nietzsche (1844—1900) unter man zurück und sieht man von seinem
den Vorläufern seiner Sprachk ritik . Von Sprachsk eptizismus ab, dann ähnelt Mauth-
Nietzsche sagt er, er wäre ein besserer Sprach- ners erk enntnistheoretische Position am mei-
k ritik er geworden, wenn er sich nicht nur sten der Machs, den er viele Male zustimmend
einseitig mit moralischen und abstrak ten Be- behandelt (z. B. 1980, 1, 190 ff; 281, 355 ff;
griffen beschäftigt hätte, wenn er nicht wort- 1980, 2, 81; 448). Mit Mach verbindet Mauth-
abergläubisch gewesen wäre, und wenn er ner z. B. die Betonung der Sinnesempfindun-
nicht so darauf bedacht gewesen wäre, ein gen, Mauthners sprachk ritische Ablehnung
Dichter zu sein (1982, 1, 366 ff; 1920/23, 4, des Ichs, welche bei Mach physiologisch fun-
350 f). Mach sei einer „der stärk sten Sprach- diert ist (1982, 1, 661 ff), usw. — Durch diese
k ritik er auf seinem Gebiete“ (1980, 2, 81). k
er enntnistheoretische Fragestellung weist
Mauthner hat Mach sehr geschätzt und oft Mauthners Philosophie aber auch über die
zitiert. Umgek ehrt hat auch Mach Mauthner etablierte Analytische Philosophie (und eine
beifällig erwähnt (Mach 1906, 82). — Es wäre nur an der ›langue‹ oder der Sprachk ompe-
im Prinzip möglich, Mauthners Sprachphilo- tenz orientierte Linguistik ) hinaus (s. Art.
sophie (1) nur im Rahmen der ›etablierten‹ 113); er erörtert Probleme, die erst in letzter
(‘etabliert’ meint hier ‘bis in die 70er Jahre’) Zeit wieder in den Blick punk t getreten sind:
Analytischen Philosophie zu betrachten, oder, Soll die Logik semantischen oder erk enntnis-
(2), noch spezieller, als Vorläufer von Witt- theoretischen Bedürfnissen angepaßt werden,
gensteins Philosophie, insbesondere der des etwa spezifischen empirischen Theorien
späten Wittgenstein. Für (2) sprechen: Phi- (Quantentheorie, Entscheidungstheorie, Text-
losophie oder zumindest Erk enntnistheorie ist linguistik )? Was ist die gehirnphysiologische
Sprachk ritik , die, als vorurteilslose Sprach- und psychologische Grundlage der Semantik
geschichte, alles läßt, wie es ist; Die Grenzen (Kognitive Psychologie) (s. Art. 110)? Soll in
der Sprache sind Grenzen der Welt; Die Phi- semantischen Netzwerk en durch Deduk tion
losophie k ann (soll) k eine Systeme aufstellen; erk lärt werden, was durch Assoziation erk lärt
Sprache und Denk en k önnen weitgehend werden k ann (Künstliche-Intelligenz-For-
identifiziert werden; Die Sprache lebt im schung) (s. Art. 117)?
Sprachgebrauch; Die Logik soll sich mit unse-
rer Sprache beschäftigen; Die Sprache ist eine
Ansammlung von Dualsprachen als Katego- 6. Ausblick
rien von (Sprach)Spielen, z. B. wie ein Mauthners Philosophie enthält nichts von
Schachspiel, mit Regeln; Will man die Spra- dem, was auf viele seiner philosophischen
che verstehen, dann müssen die sprachlichen Zeitgenossen und deren Nachfahren in der
Kontexte, sowie die außersprachlichen Kon- Philosophie so anziehend wirk te: eine inter-
texte (Lebensformen) berück sichtigt werden. essante, weil schwer verständliche, philoso-
Auch k leinere Einzelheiten sind beiden Phi- phische Terminologie, vage Formulierungen,
losophen gemeinsam, so die Leitermetapher die den Anschein der Tiefe erweck en, religiös-
(im Tractatus, aber schon bei dem Sk eptik er metaphysische Versprechungen eines Jenseits
Sextus Empiricus; 1982, 1, 1 f; 1982, 3, 632), und eines ewigen Lebens, das Aufgehen in
das Motiv des Schweigens, bei Wittgenstein einer Sprachmystik , Definitionen absoluter
im Tractatus, weil alles, was k lar gesagt wer- Kategorien des Seienden, das Setzen des Ichs
den k ann, gesagt worden ist, bei Mauthner als den Mittelpunk t des Universums, aber
aus der ›ruhigen Verzweiflung‹ heraus, daß auch den Glauben an die Wissenschaft als die
letztlich nichts gesagt werden k ann. — Ob-
wohl Mauthner der wichtigste Vorläufer ins- Erlöserin von allem Übel. Mauthner hat das
alles vom sk eptischen Standpunk t aus gese-
35.  Fritz Mauthner (1849—1923) 509

hen, aber er hat doch eine Rangordnung auf- Bredeck 1992, The Play of Language. Knowledge
gestellt: die Adjek tive sind weniger trügerisch and its Metaphors in Fritz Mauthner’s Language
als die Verben, und die Verben weniger als die Critique.
Substantive (1980, 1, xcv). Und wenn auch Cloeren (Hg.) 1971, Philosophie als Sprachkritik im
die nicht-mathematisierte Sprache der Wis- 19. Jahrhundert, Bd. 1.
senschaft trügerisch ist, so ist sie doch weniger Sprachkritische Texte für Parallelen zu Mauthner.
trügerisch als die in Sprache umgesetzte All- Dascal 1983, Pragmatics and the Philosophy of
tagserfahrung, und die in Sprache umgesetzte Mind.
Alltagserfahrung ist weniger trügerisch als die Zu 2.7. vom mehr philosophischen Standpunkt.
Sprache der Kunst und der Religionen. Es Gipper 1971, Denken ohne Sprache?
ging Mauthner nicht darum, seine Philoso- Zu 2.7. vom mehr linguistischen Standpunkt.
phie als die endgültige Lösung aller Probleme
Kühn 1975, Gescheiterte Sprachkritik. Fritz Mauth-
hinzustellen, sondern um eine philosophische
ners Leben und Werk.
Haltung. Denn der Inbegriff seiner Philoso-
phie besteht darin, den Philosophierenden Leinfellner 1986, Sprachk ritik und Atheismus bei
dazu zu bringen, zu fragen und sich nicht mit Fritz Mauthner, in Von Bolzano zu Wittgenstein,
den traditionellen Antworten zufrieden zu ge- Zur Tradition der österreichischen Philosophie, Nyíri
ben. Auf sich selbst bezogen sagte er: „Ich (Hg.).
möchte fragen lehren und lernen“ (1982, 1, Zu 4.3.1.—4.3.3.
620). Leinfellner/Schleichert (Hg.) 1993, Fritz Mauthner
und die Kritik der Sprache. Beiträge zu einer Kritik
der Sprachkritik.
7. Literatur in Auswahl Lorenz 1980, Sprachphilosophie, in Lexikon der
Germanistischen Linguistik.
7.1. Mauthners sprachphilosophische Werke Übersicht über die Sprachphilosophie unter Be-
rück sichtigung des für Mauthner wichtigen lingui-
Sie werden nur unter Angabe des Jahres und stischen Standpunktes.
gegebenenfalls der Bandnummer zitiert:
Rumbaugh (Hg.) 1977, Language Learning by a
1982, Beiträge zu einer Kritik der Sprache, Bd. 1—
Chimpanzee. The Lana j Pro ect.
3 [19233]. Übersicht über Sprachentstehungstheorien, in k lu-
1906, Die Sprache. sive einer, die Mauthners ähnelt; zu 3.
1980, Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1—2 [1910]. Saße 1977, Sprache und Kritik. Untersuchungen zur
1914, Gespräche im Himmel und andere Ketzereien. Sprachkritik der Moderne.
1920, Muttersprache und Vaterland. Sprachk ritik im Rahmen der Analytischen Philo-
1920/23, Der Atheismus und seine Geschichte im sophie.
Abendlande, Bd. 1—4 [Nachdruck 1963]. Schmidt (Hg.) 1971, Philosophie als Sprachkritik
1922, Selbstdarstellung, in Die Philosophie der Ge- im 19. Jahrhundert, Bd. 2.
genwart in Selbstdarstellungen, Schmidt (Hg.), Wie unter Cloeren 1971.
Bd. 3. Seebaß 1981, Das Problem von Sprache und Denken.
1925, Die drei Bilder der Welt. Philosophisch orientiert; zu 2.7.
1986, Sprache und Leben. Ausgewählte Texte aus Weiler 1971, Mauthner’s Critique of Language.
dem philosophischen Werk, Weiler (Hg.). Umfassende Darstellung der Philosophie Mauth-
ners vom Standpunk t der Analytischen Philoso-
7.2. Einführende Sekundärliteratur phie.

Arens 1984, Functionalism and Fin de siècle. Fritz Elisabeth Leinfellner-Rupertsberger, Wien
Mauthner’s Critique of Language. (Österreich)
Besonders für die Beziehungen zu Mach; zu 5.
510 II. Personen

36. Ferdinand de Saussure (1857—1913)

1. Deutungsprobleme treffenden Würdigung Ferdinand de Saussu-


2. Saussure und die historisch vergleichende res entfalten. Vorgeblich die Essenz des Cours
Grammatik — Der Mémoire zusammenfassend ist er doch ein durch die
3. Grundlagenprobleme: Die ›notes‹ der neun- Quellen nicht belegter Zusatz der Herausge-
ziger Jahre ber, Charles Bally (1865—1947) und Albert
4. Resultate: Die späten Vorlesungen Sechehaye (1870—1946), die diesen Text 1916
5. Literatur in Auswahl publizierten. Grundlage ihrer Redak tionsar-
beit waren Mitschriften der drei Vorlesungen,
die Saussure zwischen 1906 und 1911 über
1. Deutungsprobleme allgemeine Sprachwissenschaft gehalten hat.
Die wirk ungsgeschichtliche Bedeutung Fer- In welchem Maß sie die originale Disposition
dinand de Saussures für die Entwick lung des verehrten maître zerstörten und an deren
der Geistes- und Sozialwissenschaften im Stelle ihr eigenes Gliederungsprinzip setzten,
20. Jahrhundert dürfte spätestens mit dem haben Robert Godels Sources manuscrites
Auftreten poststru
k turalistischer Den
k rich- und insbesondere die von Rudolf Engler be-
tungen den Rang des Definitiven erreicht sorgte ›édition critique‹ des Cours, eine be-
haben. Ihr Erscheinen drück t einem Ab- wunderungswürdige philologische Leistung,
schnitt moderner Wissenschaftsgeschichte verdeutlicht. Nicht die Summe des linguisti-
den Stempel der Epoche auf, als deren Grün- schen Denk ens Saussures gibt der zitierte Satz
dervater der Genfer Linguist seit Ende der wieder, sondern dessen Interpretation durch
20er Jahre gilt: der des Struk turalismus. Auf die Herausgeber. Der Cours ist, so Ludwig
seine im Cours de linguistique générale tra- Jäger, das erste Stadium der Deformation die-
dierte Lehre berufen sich seit dem Prager Lin- ses Denk ens (vgl. Jäger 1976, 214 ff). — Die
guistenk ongreß von 1929 die verschiedenen Spannweite der Saussure-Deutungen (vgl.
struk turalistischen Schulen; und es k ann k ein Scheerer 1980, 30 ff) ist groß: Neben der tra-
Zweifel über den erstaunlichen Fortschritt be- ditionellen, struk turalistischen Lek türe des
stehen, den das Denk en in Struk turen für Cours reicht sie von Auffassungen, die Saus-
Disziplinen wie Linguistik , Ethnologie oder sures Konzeption von Sprachwissenschaft be-
Soziologie mit sich brachte (s. Art. 51). — Im reits bei den Junggrammatik ern vorgeprägt
Cours k ündigt sich ein Paradigmenwechsel sehen (vgl. Lieb 1967 und Koerner 1975) bis
an, dessen Signum man schon bald darin ge- hin zu Jägers These, Saussures Sprach-Idee
sehen hat, daß der ›Atomismus‹ der älteren greife die Tradition hermeneutisch-idealisti-
Sprachwissenschaft, insbesondere natürlich scher Sprachphilosophie wieder auf (vgl. Jä-
der der herrschenden, der junggrammatischen ger 1985). Von ungefähr k ommt dieses diffuse
Schule, durch den ›systematischen Universa- Bild nicht: Zu groß sind die logischen Brüche
lismus‹ der struk turalen Phonologie überwun- des Textes, die wohl vor allem auf das Konto
den worden sei (Trubetzk oy 1933, 244 ff). In der Redak tionsarbeit Sechehayes gehen. Wie
der Tat stellt der Text griffige Oppositionen wenig der Mythos vom Einfluß des Cours auf
bereit, die Umorientierung der Zunft zu mar- die struk turalistische Linguistik zu belegen
k ieren: Die diachronische Sprachbeschrei- ist, beweist schon der Blick auf den Begriff
bung wird durch die synchronische abgelöst; des Phonems, mit dem sich die Prager Schule
das Sprachsystem, die ›langue‹, „envisagée en dezidiert von Saussures Konzeption distan-
elle-même et pour elle-même“ (Saussure 1972, ziert (vgl. Trubetzk oy 1933, 59). Erst recht
317), wird zum ausschließlichen, veritablen gilt dies — so wird sich zeigen — für Saus-
Gegenstand der Linguistik — die verbundene sures Auffassung der Sprache als eines Sy-
Rede (parole), in der sich für Wilhelm von stems von Zeichen, damit für seine Sprach-
Humboldt (1767—1835) (s. Art. 27) allererst philosophie. So k ontrovers auch die gegen-
der Begriff der Sprache vollendete, verliert wärtige Saussure-Disk ussion sein mag, so ist
jede wissenschaftliche Dignität. Doch am doch eines gewiß: Mit der ›édition critique‹
eben zitierten, oft zitierten letzten Satz des hat der Cours die Aura der Legitimations-
Cours läßt sich das ganze Problem einer zu- quelle struk turalistischer Sprachwissenschaft
36.  Ferdinand de Saussure (1857—1913) 511

definitiv verloren. Seine Wirk ungsgeschichte gleichenden Sprachwissenschaft noch immer


ist eben — Geschichte. Der Weg zu einer k ein einheitlicher Standard ausgebildet hat,
angemessenen Würdigung Saussures führt al- nach dem es beurteilt würde (vgl. Scheerer
lein über eine erneute Lektüre der Quellen. 1980, 14 ff). In der Tat scheint es unvereinbare
Annahmen zu verbinden: Einerseits beweist
es die Altertümlichk eit des europäischen Vo-
2. Saussure und die historisch k alismus (a, e, i, o, u) gegenüber dem des
vergleichende Grammatik — Sansk rit (a, i, u), andererseits entwick elt es
Der Mémoire eine Theorie, nach der alle Vok ale der indo-
europäischen ›Ursprache‹, auch die Langvo-
Man hat also nach den Gründen zu fragen, k ale ā, ē und ō, auf Kombinationen eines
die Saussure den Mythos des Paradigmen- einzigen Vok als mit bestimmten lautlichen
gründers eingetragen haben. Daß er als Be- Koeffizienten zurück zuführen seien. Die so-
gründer der allgemeinen struk turalen Sprach- genannte Laryngaltheorie — ursprünglich
wissenschaft gilt, ist um so erstaunlicher, als k aum beachtet, mit der Entdeck ung des He-
das Schwergewicht seiner Arbeiten und Lehre thitischen 1927 anscheinend bestätigt, heute
auf dem Gebiet der historisch vergleichenden wieder umstritten (vgl. Szemerenyi 1980,
Indogermanistik lag (vgl. Godel 1969, 23 ff). 116 ff) — hat Saussure im Zusammenhang
Thematisch bewegt er sich durchaus auf der dieser Hypothese entwick elt. Die Reak tion
Höhe und im Rahmen des herrschenden Pa- der Junggrammatik er auf den Mémoire ist
radigmas der zeitgenössischen Sprachwissen- umso unverständlicher, als seine Thesen
schaft. Dennoch ist seine wirk ungsgeschicht- durchaus ins Zentrum der theoretischen Dis-
liche Bedeutung k ein Versehen; der die Saus- k ussion der vergleichenden Indogermanistik
sure-Lek türe verhindernde Saussure-Mythos treffen. Er schließt an den von Karl Brug-
des 20. Jahrhunderts (vgl. Jäger 1976, 210 ff) mann (1849—1919) u. a. erbrachten Nach-
hat seinen rationalen Kern. Die Bedeutung weis der Existenz vok alischer Liquida (1, m,
der Figur Saussure gründet sich auf die ex- n, r) in der indoeuropäischen Ursprache an.
zeptionelle Stellung Saussures in der verglei- Hierdurch war bereits Franz Bopps (1791—
chenden Indogermanisti k , deren Wissen- 1867) auf das Sansk rit gestützte These, in-
schaftsverständnis sich in den siebziger Jahren dogermanisch a sei in den europäischen Spra-
des 19. Jahrhunderts in den programmati- chen zu a, e oder o geworden, die Grundlage
schen Äußerungen der ›Junggrammatik er‹ ar- entzogen worden, denn daraus folgte, daß nur
tik uliert. Es gründet sich auf das Postulat der e mit o, nicht aber a mit e oder o alternierte,
ausnahmslosen Geltung von Lautgesetzen, und da europ. e oder o im Sansk rit vor Sil-
deren Existenz der Däne Karl Verner (1846— benende stets a, am Silbenende dagegen â
1896) in einem 1877 publizierten Aufsatz (vgl. entspricht, mußte bereits die Ursprache die
Verner 1877 und Putschk e 1969) bewiesen zu Alternation von e und o gek annt haben. Da-
haben schien. — In den illustren Kreis der her mußte der Vok alismus der europäischen
fast alle in Leipzig versammelten Gelehrten Sprachen einen älteren Entwick lungsstand re-
tritt 1876 der Außenseiter aus Genf ein, um präsentieren als das Sansk rit, und sansk ritisch
zwei Jahre später, gerade einundzwanzigjäh- a k onnte nicht indoeuropäischen Ursprungs
rig, den Mémoire sur le système primitif des sein. Wie aber ließ sich dann ein indoeuro-
vovelles dans les langues indo-européennes zu päisches a belegen? Es war, so Saussures
publizieren. Mit dieser Schrift etabliert sich Hypothese, noch im Griechischen bzw. La-
der junge Saussure als Autorität in der Zunft teinischen, etwa in ‘πατήρ’, ‘pater’, k onser-
— und isoliert sich zugleich durch sie. Die viert worden, während es im Sansk rit unak -
Junggrammatik er ignorieren sie beharrlich zentuiert in der Regel zu i, ak zentuiert mit
(vgl. schon Brugmann 1889, 77 ff, dazu Jäger einem weiteren Vok al verbunden wurde. Also
1975, 197 f). Der Mémoire teilt — wenn auch mußte das indoeuropäische a ein Wert mit
aus anderen äußeren Gründen — durchaus verschiedenen Varianten gewesen sein, deren
das Schick sal der im Cours ›rekonstruierten‹ unterschiedliche Wahl mit der Distribution
Lehre: er wurde nicht oder nur verstümmelt des Akzents zusammenhing.
rezipiert.
2.1.1.  Hierin liegt der entscheidende Ge-
2.1. Die Rehabilitation der Morphologie dank e, die Alternation als ein grammatisches
Welche Irritationen dieses Werk bis heute pro- Verfahren zu begreifen, welches die Variation
voziert, zeigt sich darin, daß sich in der ver- von Phonemwerten zum Zweck der Sinndif-
ferenzierung benutzt. Es ist k ein Zufall, daß
512 II. Personen

Saussure schon in diesem Text den Begriff des sie mit einem „Gedank eninhalt“ assoziiert
Wertes (valeur) eines Phonems benutzt (vgl. wird. Die Beschreibung von ›Vorstellungsin-
Saussure 1968, 62; 121) und deshalb zu deren halten‹, ›Gedank eninhalten‹ etc. ist aber nach
Bezeichnung eine eigene Notation verwendet: Paul Geschäft der Individualpsychologie, die
a1 (= e), a2 (= o), A (= a) usw., und zurecht Sprachwissenschaft dagegen habe es mit
hat man hierin die spätere Konzeption bereits „physischen Produk ten“ zu tun (Paul 1960,
in nuce angelegt gesehen (vgl. Vallini 1969). 14 ff). — Eine sprachliche Form x1 ist gemäß
Auch die aller Empirie scheinbar widerspre- dieser Wissenschaftsk onzeption erst dann er-
chende Hypothese, nach der sich der gesamte k lärt, wenn durch den Vergleich mit Formen
indoeuropäische Vok alismus aus Kombina- x2, x3 usw. belegbar ist, daß sie lautgeschicht-
tionen aus einem einzigen Vok al, a1, und be- lich auf eine Form x0 zurück geführt werden
stimmten Koeffizienten entwick elt habe, ist k ann. Da x1, x2 etc. belegte Formen verschie-
nichts als eine Folgerung aus dieser Idee: dener indoeuropäischer Sprachen sind, muß
Saussure erk annte im indoeuropäischen e x0 einer gemeinsamen Ursprache, dem Indo-
dasjenige variable Element, das in der europäischen, zugeschrieben werden, deren
Schwundstufe der Wurzel wegfiel, im Koeffi- Rek onstruk tion somit zu demjenigen Zen-
zienten das die Variation ermöglichende iden- tralpunk t linguistischer Beschreibung wird,
tische Element von Vollstufe und Schwund- der ihr — mit heutigen Begriffen zu reden —
stufe. Selbst die Entdeck ung zweisilbiger in- allererst explanative Adäquatheit und damit
doeuropäischer Wurzeln — vielleicht die in wissenschaftlichen Status verleiht. Die Re-
ihren Folgen weittragendste des Mémoire duzierung der Beobachtungsperspek tive auf
(vgl. Havet 1978, 118 ff), weil sie Theorien, die Lautform zerstört jedoch nicht nur den
die in den indoeuropäischen Einsilbern syntak tischen Zusammenhang der verschie-
sprachliche Urelemente erblick en wollten, die denen Wörter im Satz, sondern auch den mor-
Grundlage entzog — ist noch aus der Deu- phologischen innerhalb des einzelnen Wortes,
tung der Alternation als eines systematisch- der doch je schon verstanden sein muß, wenn
grammatik alischen, nicht eines ›Lautphäno- überhaupt irgendwelche Formen miteinander
mens‹, abgeleitet. Damit aber entfernte sich verglichen werden sollen. Jäger hat durch eine
Saussure von den methodologischen, auf Notiz des jungen Saussure in dessen Exemplar
Lautbeschreibung k onzentrierten Grundla- der Grundzüge der griechischen Etymologie
gen der Junggrammatik er. Deren positivisti- Georg Curtius’ (1820—1885), die 1876/7 for-
sches Fundament artik uliert sich etwa in Her- muliert sein dürfte, belegt, daß es dieser her-
mann Pauls (1846—1921) Principien der meneutische Vorbehalt ist, den er gegenüber
Sprachgeschichte (vgl. Paul 1960, 23 ff). Die der k omparatistischen Methode der Indoger-
„desk riptive Grammati k “ beschreibt nach manistik zur Geltung bringt: „[...] peut-on
Paul die in einer Sprachgemeinschaft verwen- considérer une forme telle qu’un imparfait
deten „grammatischen Formen und Verhält- comme un véritable mot tout fait. Ne faut-il
nisse“. Diese Beschreibungen repräsentieren pas plutôt dans un nom comme n’existant
jedoch nicht „Thatsachen, sondern nur eine qu’en principe dans la langue [...]“ (vgl. Jäger
Abstrak tion aus den beobachteten Thatsa- 1975, 192 f). Als Genitiv ist z. B. ‘melioris’
chen“. Wissenschaftliche Dignität k ann nach nur identifizierbar unter Rek urs auf die Re-
Paul solche Beschreibung niemals gewinnen, gularitäten der Adjek tivflexion und Kompa-
denn „zwischen Abstrak tionen gibt es über- rativbildung im Lateinischen. Werden — so
haupt k einen Kausalnexus, sondern nur zwi- läßt sich Saussures Argument verallgemeinern
schen realen Objek ten und Tatsachen“. Zum — sprachliche Formen isoliert, so impliziert
„wahren Objek t“ der Linguistik wird auf- dies immer ein Verständnis der Funk tion der
grund dieser methodologischen Prämissen die betreffenden Form im Rahmen des jeweiligen
Gesamtheit der individuellen „Äußerungen Sprachsystems.
der Sprechthätigk eit“, nicht jedoch unter dem
Aspek t ihrer Bedeutung, sondern als be- 2.1.2.  Dies ist der für das Verständnis des
obachtbare Phänomene gefaßt. Die sprachli- Mémoire entscheidende Gesichtspunk t. Die
che Form wird so als „Klangreihe“ begriffen, Lösung der von ihm aufgeworfenen Problem-
mit der die Vorstellung „nacheinander aus- k onstellation bereitet, unter diesem Aspek t
geführter Bewegungen der Sprechorgane“ betrachtet, k einerlei logische Schwierigk eiten:
verbunden wird. Das dergestalt als „physio- Bezüglich ihrer grammatischen Funk tion ver-
logisch-physik alisches Produ k t“ betrachtete halten sich die Wurzeln mit langem a, e, o
Wort gewinnt erst dadurch Bedeutung, daß ebenso wie Wurzeln, deren Vok alismus aus a,
36.  Ferdinand de Saussure (1857—1913) 513

oder Kombinationen aus a1 und Lautk oeffi- sung, die sich sozusagen um des Systems wil-
zienten gebildet sind; sie alternieren regel- len von der empirischen Wirk lichk eit ent-
mäßig mit Formen der Schwundstufe, die an- ferne, signalisieren die Kluft, die sich mit die-
stelle der Langvok ale entsprechende Kurz- sem Werk zwischen seinem Verfasser und der
vok ale aufweisen. Der Mechanismus der herrschenden Lehre aufgetan hatte. Einerseits
Alternation beruht auf dem Wegfall eines in bestätigt es den singulären Rang Saussures
der Vollstufe enthaltenen Elements. Da der innerhalb der historisch-vergleichenden In-
Typus der Alternation stets derselbe ist — so dogermanistik , andererseits sprengen die
das argumentum e silentio — wird diese gram- Konsequenzen der in ihm enthaltenen Theorie
matik alische Erscheinung am einfachsten er- das traditionelle Paradigma, obwohl oder ge-
k lärt, wenn sich zeigen läßt, daß stets dasselbe rade weil sie streng aus Folgerungen des
Element der Vollstufe wegfällt. Dieses Ele- ak tuellen Forschungsstandes der ›Schule‹ ab-
ment k ann nur a1 bzw. a2 sein, denn diese geleitet waren. Der Denk ansatz stand quer
Theorie erk lärt nicht nur den Zusammenhang zum herrschenden positivistisch-empiristi-
von ‘εἶμι’ (= a1 + i + m + i) [ich gehe], und schen Trend der Junggrammatik er. Einzig der
‘ἴμεν’ (= i + m + ...) [wir gehen], ‘ϕεὺγω’ Altphilologe Louis Havet (1849—1925) er-
und ‘ἔϕυγον’ usw., d. h. alle Fälle, in denen k annte die epochale Bedeutung des Mémoire
die Vollstufe nur a1 (a2) + Lautk oeffizient, und würdigte sie in einer heute noch lesens-
werten Rezension (Havet 1978). Er sah, daß
die Schwundstufe nur den Lautk oeffizient Saussures Ansatz beim Phänomen der Alter-
aufweist, sondern auch alle die Fälle, in denen nation es mit einem Schlage gestattete, die
die Vollstufe nur a1 (a2) aufweist. Wie bei ‘πα- durch die vergleichende Indogermanistik zu-
τέρ-α’: ‘πα-τρ-ός’ entsteht die Schwundstufe sammengetragenen Fak ten durch ein und die-
durch Wegfall dieses Elements. Als Konse- selbe Hypothese zu deuten, ja darüber hinaus
quenz dieses Zusammenhangs müssen auch die indoeuropäische Ursprache „dans son or-
die Langvok ale als Kombinationen aus a1 (a2) ganisation entière“ zu verstehen (Havet 1978,
+ Lautk oeffizient begriffen, z. B. ‘ϕῆμί’ [ich 116 f).
rede] also als ‘ϕεαμι’ gedeutet werden, mit
dem ganz regelmäßig ‘ϕάμεν’ [wir reden] 2.2.1.  Der Preis, den Saussure für die Erk lä-
alterniert. Die Laryngaltheorie des Mémoire rungsadäquatheit seiner Theorie zu entrichten
ist, so betrachtet, nichts anderes als eine Prä- hat, besteht zunächst darin, daß auf eine pho-
misse, die eine einheitliche Erk lärung des netische Interpretation der mit ‘a1’, ‘a2’ usw.
grammatischen Phänomens der Alternation benannten Phoneme verzichtet werden muß.
gestattet. Daß damit das Zentrum der Argu- Während die Junggrammatik er, etwa Eduard
mentation Saussures getroffen ist, beweist Sievers (1850—1932) oder Paul, an einer Be-
seine Definition von a2: gründung der Darstellung lautgeschichtlicher
„La véritable définition de a2 est, ce me semble: Entwick lungen durch eine lautphysiologisch-
la voyelle qui, dans les langues européennes, alterne psychologische Phonetik arbeiten (vgl. Paul
régulièrement avec a1 au sein d’une même syllabe 1960, 49 und Putschk e 1969, 22 ff), um die
radicale ou suffixale“ (Saussure 1968, 70, vgl. auch Sprachbeschreibung empirisch abzusichern,
139). geht Saussure den entgegengesetzten Weg. Es
Also muß zwischen a1 und a2 derselbe Zu- k ann, so präzisiert eine spätere Notiz über
sammenhang bestehen wie zwischen Voll- und Phonologie, nicht Gegenstand der Sprachwis-
Schwundstufe. Deshalb ist es möglich, a2 senschaft sein, die Mechanik von Artik ula-
neben a1 in der Vollstufe zuzulassen. Notwen- tionsbewegungen zu beschreiben, denn für
dig ist dies andererseits, weil sich dieser Zu- den Physiologen muß in der Tat irrelevant
sammenhang aus den Quellen nicht mehr be- sein, ob bestimmte Positionen und Bewegun-
legen läßt. gen einem /p/ oder /b/ entsprechen, und in
der ersten Vorlesung über allgemeine Sprach-
2.2. Konsequenzen: wissenschaft von 1906/7, die die Konzeption
Vom Lautgesetz zur Semiologie dieser Disziplin aus der Betrachtung der zen-
tralen Theoreme der vergleichenden Indoger-
Die hier nur sk izzenhaft dargestellte, höchst manistik entwick elt, benennt er auch den
k omplexe Logik der Argumentation des Mé- Grund für die strik te Trennung von ›physio-
moire ist von den meisten Zeitgenossen, ins- logie phonologique‹ und Linguistik:
besondere von den Junggrammatik ern, nicht „La langue est un système de signaux: ce qui
verstanden worden. Die Polemik en gegen den fait la langue, c’est le rapport qu’établit l’esprit
›algebraischen‹ Charak ter der Problemlö- entre ces signaux. La matière, en elle-même, de ces
514 II. Personen

signaux peut-être considérée comme indifférente“ Sprachenvergleichs, wie sie von Bopp oder
(Edition critique al. 3348, I R 1.44). Jacob Grimm (1785—1863) pra
k tiziert
Nicht zufällig k ritisiert Saussure daher in wurde, formuliert hatte (vgl. Stetter 1986):
derselben Vorlesung die Auffassung der Alter- Der Vergleich von Sprachen setzt immer das
nation als eines phonetischen (zur Lautlehre Studium ihrer systematischen Organisation
zu zählenden) Sachverhalts. unter dem Gesichtspunk t voraus, in welcher
„A l’instant où nous avons quitté le changement Weise die Sprachstruk tur die Artik ulation
phonétique pour considérer l’effet qui est de créer von Gedank en in der Rede ermögliche (vgl.
l’alternance, nous avons quitté le terrain phonéti- Humboldt 1960 ff, III, 6 ff und 19 f). Offen-
que“ (Edition critique al. 2417, I R 1.98). k undig war damit die Bedeutung der Laut-
Denn die Alternation ist ein durch und gesetze entscheidend in Frage gestellt, und
durch grammatik alisches Phänomen, ein in wiederum im Cours von 1907 wird Saussure
der Struk tur der indoeuropäischen Sprachen dies in aller Klarheit aussprechen: Lautwan-
angelegtes Mittel, um Sinndifferenzen zu be- delprozesse sind durchaus regelmäßiger Na-
zeichnen. Und wenn — um zum Mémoire tur. Dies hatten Rasmus Kristian Rask
zurück zuk ommen — es Aufgabe der Sprach- (1787—1832), Grimm, Verner etc. hinrei-
wissenschaft ist zu rek onstruieren, daß es im chend gezeigt. Deshalb betrachtete man sie
Indoeuropäischen ein bestimmtes System von als Auswirk ungen von Gesetzmäßigk eiten.
Vok alen gegeben habe, die untereinander in Aber — so der Einwand Saussures —
bestimmten Oppositionen standen und aus „[...] un élément est atteint par le phénomène pho-
morphologisch-syntak tischen Gründen sämt- nétique dans tous les mots, etc.: un élément ne peut
lich als auf ein x1, zurück führbar betrachtet pas être régi par une loi! C’est donc un contresens
werden müssen, so verbietet sich jede im heu- de parler de loi phonétique [...]“ (Edition critique
tigen Sinn phonetische Interpretation dieser al. 2244, I R 1.51).
Chiffren eben deswegen, weil der einzige Saussures im Cours durchaus zutreffend
Zweck der Rek onstruk tion doch nur darin referierte Kritik am Begriff des Lautgesetzes
bestehen k ann, durch Quellen belegte Sach- ist einhellig als ›unoriginell‹ bewertet worden
verhalte im Sansk rit, Griechischen, Gotischen (vgl. Scheerer 1980, 35). In der Tat findet sich
etc. dadurch systematisch deuten zu k önnen auch bei Paul oder Berthold Delbrück
(vgl. Godel 1969, 64 f). — Daher schließt die (1842—1922) der Hinweis darauf, daß Laut-
Vorlesung von 1907 mit einer Betrachtung des gesetze k eine Naturgesetze seien; sie k onsta-
Wertes der „rek onstruk tiven Methode“ (Edi- tierten lediglich „die Gleichmäßigk eit inner-
tion critique al. 3140, I R 46 ff), und ohne halb einer Gruppe bestimmter historischer Er-
Zweifel hat Saussure hier den Mémoire vor scheinungen“ (Paul 1960, 68). Doch zielt die
Augen, wenn er darlegt, daß es k eine Laut- Kritik Saussures auf einen prinzipielleren
wandelprozesse betreffenden Vergleiche ge- Punk t: Die Elemente, die Lautgesetzen unter-
ben k önne, die sich nicht beständig morpho- liegen sollen, sind k eine zeitlich definierbaren
logischer Betrachtungen bedienen müßten. Ereignisse, mit Paul zu sprechen, individuelle
Daß dies nicht erst eine Einsicht der späteren ›Äußerungen der Sprechthätigk eit‹, sondern
Jahre ist, belegt die um 1894/5 entstandene Elemente des Sprachsystems, also Schemata,
Notiz zur Morphologie: d. h. psychische Gebilde. Zwar ist die Regel-
„La morphologie est la science qui traite des mäßigk eit ihrer Veränderung durchaus be-
unités de son correspondant à une partie de l’idée schreibbar, ja es charak terisiert geradezu die
et du groupement de ces unités. — La phonétique Besonderheit der Sprachen als historischer
est la science qui traite des unités de son à établir Phänomene, daß sich derartige überindivi-
d’après des caractères physiologiques et acousti- duelle, sich jenseits des Bewußtseins der ein-
ques. — Le vrai nom de morphologie serait: la zelnen Sprecher vollziehende Erscheinungen
théorie des signes — et non des formes“ (Edition an ihnen studieren lassen (vgl. Edition critique
critique (fasc. 4) al. 3293 (N 7)). (fasc. 4) al. 3282 (N 1.1)), aber als psychische
Formationen sind die Elemente der ›langue‹
2.2.2.  Saussures Semiologie resultiert aus der per definitionem jeder Form von Kausalität,
hermeneutischen Orientierung der Erk ennt- wie sie von nomothetischen Wissenschaften
nistheorie, der er schon im Mémoire folgt. beschrieben wird, entzogen. Erst gegen Ende
Damit gewinnt er diejenige Position zurück , der letzten Vorlesung von 1910/1 allerdings
die Humboldt — vergeblich — gegen die ein- wird Saussure das semiologische Prinzip hin-
zelne Lautbestände isolierende Methode des reichend expliziert haben, aus dem die k ate-
36.  Ferdinand de Saussure (1857—1913) 515

goriale Besonderheit des linguistischen Ob- „[...] plus on étudie la langue, plus on arrive à
jek ts logisch ableitbar ist: das des ›arbitraire se pénétrer de ce fait que tout dans la langue est
du signe linguistique‹ (vgl. dazu 4.). histoire, c’est-à-dire qu’elle est un objet d’analyse
historique, et non d’analyse abstraite, qu’elle se
compose de faits, et non de lois [...]“ (Edition
3. Grundlagenprobleme: critique (fasc. 4) al. 3283 (N 1.1)).
Die ›notes‹ der neunziger Jahre Um dies zu begründen, formuliert Saussure
zwei k orrelative Prinzipien, das der Konti-
3.1. Sprachphilosophische Grundlegung: nuität der Sprache in Raum und Zeit und das
Die Inauguralvorlesungen von 1891 ihrer k ontinuierlichen Transformation bzw.
Diversifik ation. Am Beispiel eines russischen
1891 übernimmt Saussure eine für ihn einge- Originals namens Boguslawsk i, der sich
richtete Professur für Geschichte und Ver- zwanzig Jahre lang am 1. und 15. eines jeden
gleich der indoeuropäischen Sprachen an der Monats photographieren ließ, um schließlich
Universität seiner Heimatstadt Genf. In den die so entstandenen 480 Photographien zu-
ersten dort gehaltenen Vorlesungen vom No- sammen auszustellen, demonstriert er deren
vember 1891 (Edition critique (fasc. 4) N 1.1— Zusammenwirk en und das Kardinalproblem
1.3) begründet er den Ort der Linguistik im sprachlicher Identität, das sie implizieren. Zu
Rahmen der ›faculté des lettres‹: Sie ist nicht k einem Zeitpunk t hat z. B. das Latein auf-
als Hilfswissenschaft der Ethnologie oder Phi- gehört zu existieren, zwei beliebige benach-
lologie zu legitimieren, sondern nur durch den barte Photographien zeigen immer denselben
Rang ihres Objek ts selbst. Die Argumentation Boguslawsk i, und doch spricht man heute
erinnert an die Anthropologie Johann Gott- Französisch, Italienisch oder Spanisch, nicht
fried Herders (1744—1803) (s. Art. 26) oder mehr Latein. Es ist eben die vergleichende
Humboldts. Sprache ist die einzig allgemein Indogermanistik , deren Ergebnisse zu dieser
anerk annte differentia specifica der Gattung
Mensch: Überlegung zwingen, denn dasselbe Verhält-
nis gilt für den Zusammenhang aller indoeu-
„[...] le langage a été le plus formidable engin
ropäischen Sprachen, wenn er zugänglich
d’action collective d’une part, et d’éducation indi-
wäre, darüber hinaus für den aller Sprachen
viduelle de l’autre, l’instrument sans lequel en fait
überhaupt. Desgleichen hatte sich gezeigt,
l’individu ou l’espèce n’auraient jamais pu même
daß die Sprachveränderungen in allen Spra-
aspirer à développer dans aucun sens ses facultés
chen gleichförmiger Natur sind, so daß man
natives“ (Edition critique (fasc. 4) al. 3283 (N 1.1)).
— eine überraschende Pointe — den Sprach-
Das Studium der Sprache als ›fait humain‹, ursprung als Form der Sprachveränderung
anthropologisches Fak tum, sei empirisch auf auffassen muß (Edition critique (fasc. 4) al
das der Einzelsprachen verwiesen, dieses (N 1.2)). Schließlich k onnte als gesichert gel-
bleibe jedoch seinerseits stets bezogen auf das ten, daß es zwei grundsätzlich unterschied-
„problème générale de langage“, andernfalls liche Formen der Transformation von Spra-
würde es steril (vgl. Edition critique al. 3281 chen gibt, den analogischen und den Laut-
(N 1.1)). Es mag hier unausgemacht bleiben, wandel. — In der Bewertung dieser beiden
ob Saussure zu diesem Zeitpunk t schon Hum- Phänomene zeigt sich der ganze Abstand, der
boldt gelesen hatte; die in dieser Vorlesung Saussure vom junggrammatischen Paradigma
vertretene Position entspricht exak t dessen trennt. Der Lautwandel wird ganz en passant
Postulat der Verbindung von philosophischer behandelt; er betrifft blind alle Formen des
und historischer, d. h. empirischer Sprach- Sprachsystems, wo immer sich die betreffende
k unde (vgl. Borsche 1981, 201 ff), und von Form (son) findet. Er wirk t also mit ›mathe-
diesem Ansatz her wird verständlich, wieso matischer Regelmäßigk eit‹; dies scheint ihn
Saussure vehement den Versuch August für eine nomologische Betrachtungsweise zu
Schleichers (1821—1868), Max Müllers prädestinieren. Tatsächlich k önnte man, ein
(1823—1900) u. a. k ritisiert — ohne Zweifel indoeuropäisches oder lateinisches Wort ge-
ist hier auch an die Junggrammatik er zu den- geben, prognostizieren, welches griechische
k en —, die Linguistik als Naturwissenschaft bzw. französische Wort sich daraus ergeben
zu etablieren. — In diesen Inauguralvorlesun- würde — wenn man eben ausschließen
gen artik uliert sich eine philosophische Auf- k önnte, daß eine Analogiebildung den Ent-
fassung der Sprache, die mit der Wissen- wick lungsprozeß unterbricht (Edition critique
schaftsk onzeption der zeitgenössischen Lin- (fasc. 4) al. 3284 (N 1.2)). Dies aber ist nie-
guistik wenig mehr gemein hat. Die Linguistik mals möglich, denn da der Lautwandel eine
ist eine durch und durch historische Disziplin:
516 II. Personen

Form ohne Rück sicht auf ihre Funk tion im 3.2. Erkenntnistheoretische Probleme
jeweiligen System betrifft, zerstört er dessen
Ök onomie. Dadurch erzwingt er Analogiebil- 3.2.1.  ›Äußerlich‹ betreibt Saussure in den
dungen, die die Symmetrie der ›langue‹ wie- folgenden Jahren weiter historisch-verglei-
derherstellen, um seine Funk tionsfähigk eit zu chende Indogermanistik . Er liest regelmäßig
erhalten. Im Cours von 1906/7 wird das Ver- über das Sansk rit, über griechische und latei-
hältnis der beiden Arten des Sprachwandels nische Etymologie, über griechische und per-
zum zentralen Thema werden (vgl. Godel sische Inschriften usw. Indessen treten die Im-
1969, 55 ff). Entsprechend der schon in der plik ationen des 1891 formulierten philoso-
ersten Inauguralvorlesung entfalteten philo- phischen Standortes seiner Wissenschaftsk on-
sophischen Bedeutung der Sprache als des zeption in zunehmender Deutlichk eit zutage;
genuinen Kommunik ations- und Bildungs- die prinzipielle Auseinandersetzung mit der
mediums der Gattung Mensch mußte der überk ommenen Form der Linguistik war un-
Lautwandel für Saussure irrelevant werden, vermeidlich geworden. Die drei großen Text-
die Analogiebildung dagegen ins Zentrum des fragmente der neunziger Jahre — die Note
Interesses rück en. Sie wird als psychischer über Morphologie (N 7), diejenige über Wil-
Ak t bzw. intelligente Operation beschrieben, liam Dwight Whitney (1827—1894) (N 10)
die sprachliche Formen unter dem Aspek t und schließlich die sogenannten Notes item
ihrer Bedeutung miteinander verk nüpft. Sie (N 15) — spiegeln den um eine Grundlegung
allererst etabliert Ordnung und Zusammen- der Disziplin ringenden Reflexionsgang Saus-
hang im Sprachsystem, denn sie ist das Ve- sures wieder, der zu immer abstrak teren Pro-
hik el des Spracherwerbs. Wiederum wird der blemstellungen vordringt, sich mehr und
Cours von 1906/7 die entscheidende sprach- mehr von der Begriffswelt der vergleichenden
philosophische Formel für den schon hier um- Indogermanistik entfernt und sich doch au-
rissenen Sachverhalt liefern: Die Analogie ist ßerstande sieht, den Resultaten seines Nach-
das „principe générale des créations de denk ens eine definitive Form zu geben. Die
langue“ (Edition critique al. 2510, I R 2.19). Semiologie Saussures — ein Torso — ist Pro-
Man sieht, wie falsch Noam Chomsk ys An- duk t dieser Krise. — Die Note über Morpho-
sicht war, Saussure habe die ›langue‹ nicht logie greift das seit dem Mémoire latente Pro-
unter dem Aspek t der Kreativität, sondern blem der Begründung des linguistischen Ka-
lediglich als Inventar von Einheiten betrachtet tegorienapparates auf. Bopp und seine Nach-
(vgl. Chomsk y 1969 a, 14 f). Das Gegenteil folger hatten naiv Wörter in Wurzeln, Prä-,
trifft — wie schon der Text von 1891 belegt In-, Suffixe, Endungen etc. unterteilt, so z. B.
— zu: lat. ‘pater’ in die Wurzel ‘pa-’ und das Suffix
„[...] une langue quelconque n’est pas autre ‘-ter’ (pa-tr-is, pa-tr-i, ...), ohne sich im ge-
chose qu’un vaste enchevêtrement de formations ringsten zu fragen, ob diesen Einteilungen
analogiques [...] ce ne sont pas des curiosités ou irgendwelche Einheiten eines ›native speak er‹
des anomalies, mais c’est la substance la plus claire (sujet parlant) des Latein etwa zur Zeit Cäsars
du langage partout et à toute époque [...]“ (Edition entsprachen. Kriterium der Zerlegung bei-
critique (fasc. 4) al. 3284 (N 1.1)). spielsweise von griechisch ‘ἵππος’ in einen so-
Die Analogie aber ist ein Schluß von ein- genannten o-Stamm ‘ἱππο-’ und eine Endung
zelnem auf einzelnes aufgrund einer k ontin- ‘-ς’, war vielmehr der morphologische Zu-
genten Ähnlichk eit. Ein durch Analogie ge- stand einer rek onstruierten indogermanischen
bildeter Term k ann somit niemals auf eine Form, hier also *ek wo-s, *ek wo-m usw. Diese
Regel zurück geführt, d. h. erk lärt werden. So- Analyse besaß aber schon für den Griechen
fern Saussure also das philosophische Phä- des 8. oder 7. Jahrhunderts v. Chr. k eine Gül-
nomen der Sprache von der Analogie her tigk eit mehr; er faßte ‘-ος’, ‘-ου’ usw. als ein
deutet, begreift er sie per se als ein jeder Morphem auf. Zu Recht — so Saussure —
explanativen Theorie sich entziehendes Ob- protestierten die Junggrammatik er gegen der-
jek t. Die Beschreibung der Analogie als in- artige Anachronismen und erk lärten alle diese
telligenter Schluß begründet somit die These, Wurzeln, Stämme usw. zu puren Abstrak tio-
daß die Linguistik nur als historische Diszi- nen, denen nichts Beobachtbares entspreche,
plin begriffen werden k önne: denn jedes bedienten sich dessen ungeachtet dieser Ein-
Sprachsystem muß danach als durch indivi- heiten in ihren Materialanalysen weiter —
duelle Ak te vermitteltes Allgemeines betrach- ›pour la commodité de l’exposition‹. Aber —
tet werden (s. Art. 85). so wendet Saussure ein — ›s’il n’y a pas de
justification à l’établissement de ces catégo-
36.  Ferdinand de Saussure (1857—1913) 517

ries, alors pourquoi les établir‹. Neologismen schen Überlegungen deutet sich hier bereits
und Analogiebildungen bewiesen jedoch, daß an. Auch Phonologie (Lautlehre) im tradier-
jedes Sprecherbewußtsein (conscience du sujet ten Sinne zu betreiben k ann danach nur be-
parlant) Wörter in Untereinheiten zerlegt, um deuten, interpretierbare Terme miteinander zu
aus den Einheiten dieser subjek tiven Analyse vergleichen, z. B. althochdeutsch ‘zugi’ mit
neue Wörter zu bilden, und Saussure zieht mittelhochdeutsch ‘züge’, denn nur in diesen
daraus den entsprechenden erk enntnistheo- begegnen die Laute. Der Vergleich bezieht
retischen Schluß: sich hier aber auf verschiedene Epochen, und
„[...] avant de venir parler d’abstractions, il faut der Term wird nicht bezüglich seiner syste-
avoir un critère fixe touchant ce qu’on peut appeler matischen Funk tion, sondern bezüglich seiner
réel en morphologie. Criterium: ce qui est réel, c’est Veränderung in der Zeit betrachtet. Die Op-
ce dont les sujets parlants ont conscience à un degré position von Synchronie und Diachronie ist
quelconque, et rien que ce dont ils peuvent avoir in dieser Konzeption schon impliziert, wenn
conscience“ (Edition critique al. 2775 ff (N 7)). auch die Termini noch nicht geprägt sind.
Im Cours von 1906/7 wird Saussure wie- Man sieht, wie Saussures Sprachphilosophie
derum einen Schritt über den hier schon er- sich in diesen Jahren in zunehmender Deut-
reichten Reflexionsstand hinausgehen, indem lichk eit aus logischen Problemstellungen ent-
er dort explizit zwischen der subjek tiven Ana- wick elt, die die Begrifflichk eit der verglei-
lyse (der ›sujets parlants‹) und der objek tiven chenden Indogermanistik implizierte und die
Analyse (des Linguisten) unterscheidet (Edi- er offenk undig als einziger der Zunft als sol-
tion critique al. 2588 ff, I R 2.64 ff). Natürlich che erkannte.
k ann sich die Blick richtung der objek tiven
Analyse, etwa in sprachhistorischen Unter- 3.2.2.  Ein Brief an Antoine Meillet (1866—
suchungen, von der der subjek tiven entfernen. 1936) von 1894 belegt, daß Saussures Denk en
Sie vermag zu verdeutlichen, was dem sich in spätestens zu diesem Zeitpunk t die Ebene der
seiner jeweils synchronischen Perspek tive be- Grundlagen des Fachs erreicht hatte. Dort
fangenen Sprecher nicht mehr bewußt ist, daß bek lagt er die Schwierigk eit, über die ›faits de
sich z. B. in dem Namen ‘Nachtigall’ bis ins langage‹ überhaupt noch Allgemeingültiges
Neuhochdeutsche eine althochdeutsche Form aussagen zu können:
‘nahti’ (der Nacht, nächtens) erhalten hat, die „Préoccupé surtout depuis longtemps de la clas-
dem heutigen Sprecher als solche nicht mehr sification logique de ces faits, de la classification
verständlich ist. In jedem Fall muß aber gel- des points de vue sous lesquels nous les traitons, je
ten, daß die objek tive Analyse in letzter In- vois de plus en plus à la fois l’immensité du travail
stanz immer auf einer subjek tiven beruht; dies qu’il faudrait pour montrer au linguiste ce qu’il fait,
allein k ann sie rechtfertigen. Schon in der en reduisant chaque opération à sa catégorie pré-
Note 7 zieht Saussure aus diesem Sachverhalt vue“ (Godel 1969, 31).
eine zweifache Konsequenz: Wenn eine Ein- In um dieselbe Zeit entstandenen Sk izzen
heit der ›langue‹ im Sinne des oben genannten für ein Buch über allgemeine Sprachwissen-
Kriteriums ‘real’ genannt wird, existierend schaft (Edition critique (fasc. 4) N 9.1—9.3;
nämlich für ein bestimmtes Sprecherbewußt- N 11; N 12) wird die logische Klassifik ation
sein, so heißt dies nichts anderes, als daß sie der den Gesamtbegriff der Sprache k onstitu-
in bestimmter Weise interpretierbar, für dieses ierenden Theoreme in zunehmender Präzision
Bewußtsein also ein Zeichen ist: „la langue erfaßt. In der Note 9 vertieft er die metho-
n’a conscience du son que comme signe“ (Edi- dologische Argumentation der Note über
tion critique, fasc. 4, 17). Eine Morphologie Morphologie: Der ›fait linguistique‹ ist nicht
des Neuhochdeutschen würde ‘Nachtigall’ als Naturobjek t gegeben, denn seine Identität
dementsprechend als ein nicht weiter analy- beruht auf Identitätsurteilen der ›sujets par-
sierbares Morphem aufführen. Die morpho- lants‹ — „jugement d’identité prononcé par
logische Analyse bezieht sich also in erster l’oreille“. Der Laut existiert als sprachliches
Instanz immer auf den Gebrauch von Zeichen Element nur, sofern er als Einheit identifiziert
im Rahmen einer einzigen Epoche: „Une mor- wird, „hors d’une relation quelconque d’iden-
phologie vraiment scientifique aurait pour tité, un fait linguistique n’existe pas“ (Edition
premier devoir de séparer les différentes épo- critique al. 129 (N 9.1)). Diese Überlegung ist
ques et de se pénétrer exclusivement de l’ésprit die erk enntnistheoretische Keimzelle der gan-
de chacune d’elles“ (Edition critique al. 2770 zen späteren Systematik . Zu Recht hat Godel
(N 7)). Die Genese des Begriffs der Synchro- die Bedeutung dieser Notes hervorgehoben
nie aus hermeneutisch-er
k enntnistheoreti- (vgl. Godel 1969, 136). Die sprachliche Ein-
518 II. Personen

heit muß als solche von einem Sprecherbe- Interesse des saussureschen Denk ens (vgl.
wußtsein k onstituiert werden, und aus logi- Godel 1969, 30) dagegen, es nun umstandslos
schen Gründen muß es immer einen bestimm- der hermeneutischen Tradition zuzurechnen.
ten Gesichtspunk t geben, der dieses beim Ge- Jedenfalls handelt es sich um den Versuch, in
schäft der Identifizierung von Einheiten leitet. einem ‘adäquaten’ Netz linguistischer Kate-
Es ist eben der, aus dem z. B. folgt, daß ein gorien einen philosophisch zutreffenden Be-
Sprecher des Neuhochdeutschen ‘Nachtigall’ griff von Sprache zu explizieren.
nicht mehr wie ein Zeitgenosse Notk ers von
St. Gallen als zusammengesetzten Term, son- 3.2.3.  Die Sprachphilosophie des 20. Jahr-
dern als nicht weiter zerlegbare Einheit auf- hunderts hat gezeigt, daß dieses Unternehmen
faßt: die Zeichennatur der Sprache. Die der Quadratur des Kreises gleichk ommt. Als
Sprachwissenschaft muß dieser Natur ihres Wissenschaft muß die Linguistik auf die For-
Objek ts Rechnung tragen, die eben von der mulierung allgemeiner Aussagen über Spra-
besonderen Art ist, daß man sich ihm nicht che ausgehen; dies k ann nur von einem be-
unabhängig von einer bestimmten Perspek - stimmten Gesichtspunk t aus geschehen, zu
tive nähern k ann. Folglich hat die Konstitu- dessen Begründung ein unbestimmter Begriff
tion des wissenschaftlichen Gegenstands von Sprache je schon vorausgesetzt ist.
Sprache dieselbe Form wie die Konstitution Sprachwissenschaft k ann das anthropologi-
sprachlicher Elemente durch die ›conscience sche Phänomen der Sprache immer nur par-
des sujets parlants‹: tiell rek onstruieren (vgl. Simon 1981, 197 ff).
„Ailleurs il y a des choses, des objets données, Immerhin k ann sie die unvermeidlichen Ver-
que l’on est libre de considérer ensuite à différentes k ürzungen ihres Ansatzes noch philosophisch
points de vue. Ici il y a d’abord des points de vue reflek tieren und als solche k enntlich machen,
à l’aide desquels on crée secondairement les choses“ und hierin liegt die genuin sprachphilosophi-
(Edition critique al. 131 (N 9.2)). sche Qualität des saussureschen Denk ens, die
Saussure plädiert hier nicht für eine k on- sich in der Note über den Orientalisten Whit-
ventionalistische Theoriebildung im Sinne der ney vielleicht deutlicher als in irgendeinem
nachmaligen Forschungslogik Karl Raimund anderen Text des Genfers zeigt. Nicht zufällig
Poppers (* 1902) (vgl. Jäger 1975, 77 ff). Denn ist die geplante Würdigung Whitneys unvoll-
die Wahl des die Theorie k onstituierenden endet geblieben, denn in ihrem Zusammen-
Gesichtspunk ts ist für ihn k eineswegs belie- hang mußte Saussure auf das bezeichnete Be-
big: gründungsproblem eingehen, dessen Unlös-
„Ces créations se trouvent correspondre à des bark eit ihm zu seiner Zeit noch nicht durch-
réalités quand le point de départ est juste, ou ne sichtig sein k onnte. Schärfer als jeder andere
pas correspondre dans le cas contraire [...]“ (Edi- Linguist sieht er die logischen Widersprüche
tion critique al. 131 (N 9.2)). in jedem von ihm erwogenen System lingui-
Es k ommt mit anderen Worten darauf an, stischer Kategorien, die vom vorausgesetzten
in der Wahl der theoretischen Kategorien die- Begriff der Sprache her k ategorial aufzulösen
jenigen Gesichtspunk te zu treffen, die die Ar- waren. Gerade seine Überlegungen aber füh-
tik ulation der jeweiligen Sprache durch die ren zum gegenteiligen Resultat, und Saussure
betreffenden ›sujets parlants‹ leiten. Man ist sich dessen bewußt:
k önnte dies eine verstehende Begründung der „Nous nourrissons depuis bien des années cette
Linguistik im Sinne von Wrights nennen (vgl. conviction que la linguistique est une science dou-
von Wright 1974, 122 ff), denn für eine Ex- ble, et si (profondément, irrémédiablement) double,
planation der Sprache insgesamt oder auch qu’on peut (à vrai dire) se demander s’il y a une
einzelner sprachlicher Phänomene fehlt die raison suffisante pour maintenir sous ce nom de
vor jeder Sprache gegebene Regel, unter die linguistique une unité (factice), génératrice (préci-
das Explanandum zu subsumieren wäre. Und sément) de toutes les erreurs, de tous les inextri-
wenn Saussure die vergleichende Kritik ver- cables pièges contre lesquels nous nous débattons
schiedener ›points de vue‹ als ›einzig zulässi- chaque jour [...]“ (Edition critique, fasc. 4, 23
gen‹ Ausgangspunk t linguistischer Theorie- (N 10)).
bildung bezeichnet (Edition critique al. 129 Er war davon ausgegangen, die Linguistik
(N 9.1)), so entspricht dies zweifellos dem als historische Disziplin zu begründen; dies
hermeneutischen Prinzip reflexiver Aufk lä- hatte zur Rehabilitierung der Morphologie als
rung der wirk ungsgeschichtlichen Prämissen eines genuinen Zweiges der Sprachwissen-
des je einzelnen Denk ens. Allerdings spricht schaft geführt, der jedoch den Begriff der
das ebenso zu k onstatierende axiomatische Synchronie impliziert. Saussure als derjenige,
36.  Ferdinand de Saussure (1857—1913) 519

der der Disziplin griffige Dichotomien — autorisé à dire ‘le mot et sa signification’, oubliant
langue-parole, Synchronie-Diachronie, signi- que le mot est entouré de (autres mots)“ (Edition
fiant-signifie etc. — bereitstellte, ist in seinem critique (fasc. 4) al. 3313.1 (N 15)).
Anliegen verk annt. Es geht ihm gerade In einer an Ludwig Wittgenstein (1889—
darum, das dichotomische Auseinanderfallen 1951) (s. Art. 39) erinnernden, sinnk ritisch zu
der Linguistik zu überwinden. Eine Bemer- nennenden Überlegung legt Saussure den
kung aus der Note 9 weist bereits den Weg: Grundirrtum des auf der Konventionsanalo-
„Parmi les choses qui peuvent être opposées au gie aufgebauten Begriffs vom sprachlichen
son matériel, nous nions [...] qu’il soit possible Zeichen frei: Weil nach dem Nomenk latur-
d’opposer l’idée. Ce qui est opposable au son ma- modell die — in moderner Terminologie zu
tériel, c’est le groupe son-idée, mais absolument pas sprechen — Extension eines Eigennamens als
l’idée“ (Edition critique al. 131 (N 9.2)). gegeben vorausgesetzt werden k ann, scheint
Dies wäre eine Lösung, denn der Begriff dies zu berechtigen, das Zeichen von seiner
‘die Gruppe ›son-idée‹’ impliziert den des Bedeutung zu unterscheiden. Doch ist diese
‘son’. Es handelte sich hier also nicht um eine nur dann verständlich, wenn der betreffende
Dichotomie — wenn eine nicht-dichotomi- Ausdruck in einen bestimmten Kontext an-
sche Interpretation des Begriffs ‘die Gruppe derer Ausdrück e eingebettet ist. Saussure um-
›son-idee‹’ gefunden werden k önnte. Im Den- spielt hier den Sachverhalt, der für die durch
k en Saussures präzisiert sich derart allmählich Wittgenstein beeinflußte Sprachphilosophie
die Idee, daß es einen systematischen Grund des 20. Jahrhunderts zu einer fundamentalen
in der sprachwissenschaftlichen Begrifflich- Einsicht geworden ist: die Extension eines Be-
k eit geben müsse, der die bek lagten Wider- griffs ist nur feststellbar, wenn zuvor seine
sprüche insgesamt erzeugt, und daß dieser in Intension verstanden wurde (vgl. Simon 1981,
einer falschen Auffassung vom ›signe lingui- 72 ff und 134 ff). Die Begründung dieser
stique‹ liegen müsse, denn philosophisch und These erfolgt in zweierlei Hinsicht: Einerseits
linguistisch bedeutsam ist die Sprache nicht ist die Betrachtung einer sprachlichen Form
unter dem Aspek t des Lautwandels, sondern wie z. B. ‘νοήσομεν’ unter dem Aspek t des
allein als System von Zeichen. Lautwandels oder im Zusammenhang eines
Flexionsparadigmas immer nur eine Abstrak -
3.3. Semiologische Skizzen: Die Notes item tion von der ›normalen‹ Verwendungsweise
der Form in der ›parole‹, in der sie immer
Ins Zentrum der Überlegungen Saussures eine bestimmte Sinnfunk tion erfüllt. Die for-
rück t damit der traditionelle Begriff des male Betrachtungsweise setzt ein Verständnis
sprachlichen Zeichens, die in Platons (427— der Form ›dans le discursif‹ voraus. Anderer-
347 v. Chr.) (s. Art. 14) Cratylus erstmals um- seits ist die Bedeutung (sens, signification)
schriebene Vorstellung, seine Grundfunk tion eines Terms immer nur durch Rek urs auf an-
bestehe darin, nichtsprachliche Objek te zu be- dere Terme zu beschreiben. Keine Beschrei-
zeichnen. Die vielzitierte Note onymique (Edi- bung k önnte jedoch jemals vollständige Syn-
tion critique (fasc. 4) al. 3312.1 (N 15)) aus onymie zwischen beschriebenem und be-
den Notes item beschreibt den Grund für die schreibendem Ausdruck erzielen. In immer
geradezu ›natürliche‹ Illusion, die mit der neuen Reflexionen legt Saussure in den Notes
Auffassung der Sprache als simpler Nomen- item den Sprache charak terisierenden ent-
k latur verbunden ist. Es gibt tatsächlich scheidenden Sachverhalt frei: Der Begriff
„dans l’ensemble de la sémiologie“ den be- einer sprachlichen Form impliziert stets den
sonderen Fall eines Objek te bezeichnenden der Bedeutung, umgek ehrt der der Bedeutung
Sprachgebrauchs, „où il y a un troisième élé- stets den der Form; folglich sind beide Be-
ment incontestable dans l’association psycho- griffe bezüglich der Kennzeichnung einer
logique du sème, la conscience qu’il s’applique sprachlichen Einheit äquivalent. Dies macht
à un être extérieur [...]“. Den ›Konstruk ti- die Unvergleichlichk eit des semiologischen
onsfehler‹ der Linguistik sieht Saussure darin, Systems Sprache aus. Der traditionelle Begriff
diesen Sonderfall verallgemeinert zu haben. des ›signe‹, der stets als Zeichen für etwas
So sk izziert er einen ›Katalog fundamentaler verstanden wurde, ist daher gänzlich ungeeig-
Irrtümer‹: net, ihren besonderen Charak ter zu k enn-
„1° Erreurs des signes pris chacun pour soi — zeichnen, er ist geradezu systematisch irrefüh-
Ou erreur de croire qu’une langue composée de rend. Saussure entwirft folglich in diesen Sk iz-
500 mots représente 500 signes + 500 significa- zen eine Terminologie, die die mit der tradi-
tions. — Ou erreur de croire qu’on représente en tionellen semiotischen Begrifflichk eit verbun-
rien le phénomène de la langue quand on se croit
520 II. Personen

denen Trugschlüsse vermeiden soll, indem sie (Edition critique (fasc. 4) al. 3316.2 ff (N 15))
in ihrem Grundbegriff die oben bezeichnete oder — wie es im Cours genannt wird — dem
Äquivalenz zum Ausdruck bringt; an die der Linearität des Signifik anten (vgl. Godel
Stelle des Terms ‘signe’ tritt der Term ‘sème’: 1969, 83; 85). Die moderne Sprachphilosophie
„[...] le mot de sème écarte, ou voudrait écarter wird die diesem Prinzip entsprechende Ein-
toute prépondérance et toute séparation initiale sicht in den Satz prägen, daß der Name nur
entre le coté vocal et le coté idéologique du signe. im Satzzusammenhang Bedeutung habe.
Il représente le tout du signe, c’est-à-dire signe et Wird ein ›sème‹ aus dem Kontext einer Pa-
signification unis en une sorte de personnalité“ rasemie isoliert, z. B. in morphologischer
(Edition critique (fasc. 4) al. 3310.12 (N 15)). Analyse, so verliert es damit per se seine Zei-
Keine sprachliche Einheit existiert anders chenqualität, wird zum Abstrak tum, zum
denn als ›sème‹, d. h. als eine Form, der wir ›aposème‹ (Edition critique (fasc. 4) al.
insofern Bedeutung zusprechen k önnen, als 3310.14 f; al. 3314.4 ff (N 15)). Damit ist die
wir sie zusammen mit anderen derartigen For- logische Struk tur des von Saussure sk izzierten
men zu sinnvollen, d. h. verstehbaren sprach- Zeichenbegriffs hinreichend offengelegt: der
lichen Ausdrück en im linearen Verband der Begriff des ›parasème‹ impliziert den des ›apo-
›parole‹ zusammensetzen. Eine Phonemfolge sème‹. Der Grund wäre so gelegt für einen
wie — /bd/ — dagegen ist weder im Franzö- Übergang zur Morphologie und Syntax, de-
sischen noch im Deutschen als ›sème‹ identi- ren Formen als notwendige Bedingungen zur
fizierbar, weil es in beiden Sprachen k eine Bildung interpretierbarer Parasemien zu ent-
Einheiten x und y gibt, so daß x + /bd/ (bzw. wickeln wären.
/bd/ + x) und x + y (y + x) interpretierbare
Formen wären. Jedes ›sème‹ ist jedoch ›signe
conventionnel‹ (Edition critique (fasc. 4) al. 4. Resultate: Die späten Vorlesungen
3310.11 (N 15)) — das Arbitraritätsprinzip
bleibt bis zur letzten Vorlesung von 1910/11 4.1.  Die Notes der 90er Jahre sind Fragmente
das Grundprinzip der saussureschen Semio- geblieben, Zeugnisse eines Denk ens, das sich
logie. Es hat jedoch einen rein negativen Sinn: k ein geringeres Ziel gesetzt hatte als die der
Angesichts der oben bezeichneten Äquivalenz Sprachwissenschaft seit Humboldt verloren-
k ann es in bezug auf ein beliebiges ›sème‹ nur gegangene Einheit von philosophischer und
besagen, daß in der Form ‘a’ k ein Grund empirischer Sprachbetrachtung wiederzuge-
dafür liegen k ann, daß sie als ‘a’ interpretiert winnen. Ihr fragmentarischer Charak ter ist
wird. Saussure k ommt so zu der scheinbar daher k ein Zufall; hier ging es um eine radi-
paradoxen Einsicht, daß ein ›sème‹ für sich k ale Neuorganisation der gesamten Disziplin.
allein k einerlei Bedeutung hat. Auf diesem für Saussures nie geschriebenes Buch über die
uns intuitiv uneinholbaren, nur logisch er- allgemeine Sprachwissenschaft indiziert den
schließbaren Sachverhalt beruht die eigen- sich ank ündigenden Paradigmenwechsel. Es
tümliche Qualität der Sprache: bedurfte eines äußeren Anlasses, seine Kon-
„Il y a défaut d’analogie entre la langue et toute zeption der ›linguistique générale‹ zu for-
autre chose humaine pour deux raisons: 1° La mulieren: die ihm 1906 aufgetragene Ver-
nullité interne des signes. — 2° La faculté de notre pflichtung, die von Joseph Wertheimer
esprit de s’attacher à un terme en soi nul“ (Edition (1833—1908) bis dahin gehaltene Vorlesung
critique (fasc. 4) al. 3316.1 (N 15)). über allgemeine Sprachwissenschaft fortzu-
Erst diese Einsicht lenk t den Blick auf den führen. Auf dieser, sozusagen nebenbei erle-
entscheidenden zweiten, das ›sème‹ k onstitu- digten Lehrverpflichtung beruht die wir-
ierenden Sachverhalt: es ist stets „signe faisant k ungsgeschichtliche Bedeutung Saussures.
partie d’un système“ (Edition critique (fasc. 4) Vorlesungsmitschriften der Schüler dok umen-
al 3310.11 (N 15)). Bedeutung gewinnt die tieren die Suche nach einer definitiven Form
sprachliche ›Form‹ erst dadurch, daß sie in seiner Lehre. Während der erste Cours noch
systematischen Korrelationen zu anderen weitgehend Problemstellungen der verglei-
steht. Jedes ›sème‹ ist bezüglich aller Einheiten chenden Indogermanistik disk utiert, vollzieht
desselben Sprachsystems ›parasème‹. Die Ver- sich der entscheidende Perspek tivwechsel mit
k nüpfung von sprachlichen Termen zu Para- der Konzeption des zweiten. Sie erinnert im
semien ist der entscheidende sinnk onstituie- Aufbau an die großen Schriften Humboldts:
rende Tatbestand, und diese Verk nüpfung Die Einleitung entwick elt die sprachphiloso-
wiederum unterliegt einem zweiten semiolo- phischen und theoretischen Grundlagen, im
gischen Grundprinzip, dem der ›unispatialité‹ Anschluß daran folgt ein ›Aperçu de la lin-
guistique indoeuropéenne comme introduc-
36.  Ferdinand de Saussure (1857—1913) 521

tion à la linguistique générale‹ (vgl. Godel ›signe linguistique‹ ist also eine „k omplexe
1969, 66 ff). Der dritte Cours wechselt noch mentale und physiologische Einheit“, die ih-
einmal die Reihenfolge dieser beiden Ele- rerseits von einer dritten impliziert wird, die
mente, um ausgehend von einer Darstellung im Dialog k onstituiert wird (Godel 1957, 8 f).
einzelner Sprachen zu einer die im zweiten Für diese — Saussure charak terisiert sie da-
Cours formulierten Prinzipien vertiefenden durch, daß sie eine individuelle und eine so-
Disk ussion der theoretischen Grundlagen der ziale Seite habe — hat John Langshaw Austin
Linguistik zu k ommen. — In diesen beiden (1911—1960) den Begriff des rhetischen Ak ts
Vorlesungen, insbesondere in der hochbe- geprägt. „La langue est faite pour commu-
deutsamen Introduction des zweiten Cours, niquer avec ses semblables. Enfin, ce n’est que
deren Nachschrift von Godel zu Recht sepa- par la vie sociale que la langue reçoit sa con-
rat publiziert worden ist (Godel 1957), wird sécration“ (Godel 1957, 8). Die ›langue‹ ist
man die Summe der Sprachphilosophie Saus- ein ›fait social‹, weil sie ein System von Zei-
sures erblick en k önnen. Unter dem Konzep- chen ist, die in intersubjek tiver Kommunik a-
tionszwang der Vorlesung organisieren sich tion artik uliert und verallgemeinert werden.
die in den Notes sk izzierten Einsichten zu Hieraus ergeben sich die zentralen Definitio-
einer logischen Grundlegung der Linguistik , nen von ‘langue’ und ‘parole’, die Saussure
die als solche bis heute k aum zur Kenntnis selbst für die ›première vérité‹ seines Systems
genommen worden ist — die Sprachwissen- (vgl. Godel 1969, 30) gehalten hat:
schaft nach Saussure bis hin zu Chomsk y ist (1) „[...] la langue est un ensemble de conven-
dezidiert andere Wege gegangen. Mit äußer- tions nécessaires adoptées par le corps social pour
ster Ök onomie werden die entscheidenden permettre l’usage de la faculté du langage chez les
Gesichtspunk te entwick elt: Das Objek t der individus“. (2) „Par la parole on désigne l’acte de
Linguistik ist dadurch definiert, daß es sich l’individu réalisant sa faculté au moyen de la con-
stets unter einem doppelten Aspek t präsen- vention sociale qui est la langue“ (Godel 1957, 10).
tiert, „dont une partie ne vaut que par l’autre“ Wie schon in der Note über Whitney greift
(Godel 1957, 7). Dies gilt für alle linguisti- Saussure dessen Idee der Sprache als mensch-
schen Ebenen. Das Phonem existiert nur als licher Institution auf, um sie jedoch sogleich
›unité complexe acoustico-vocale‹, d. h. als gegen gängige k onventionalistische Mißver-
Verbindung von Lauteindruck und Artik ula- ständnisse zu sichern. Als sozialer Tatbestand
tionsbewegung. Ist nun mit dem ›son vocal‹ ist die ›langue‹ vor allem ein System von Kon-
die Grundeinheit der Sprache gewonnen? ventionen, die den Spielraum individuellen,
Diese ist — so das Resultat der Notes, an k reativen Sprachgebrauchs absteck en. „Dans
dem Saussure festhält — nur als Zeichen la parole, il y a une idée de réalisation de ce
denk bar; der Laut existiert nur als ›instrument qui est permis par la convention sociale“ (Go-
de la pensée‹. Wie Humboldt, den Saussure del 1957, 10). Doch impliziert dieser Begriff
gelesen hatte, dessen unmittelbarer Einfluß eben nicht, wie etwa die These des platoni-
auf sein Denk en jedoch schwer zu belegen ist, schen Hermogenes, die Idee einer beliebigen
begreift er die Sprache als ›bildendes Organ Wahl des Zeichens. Denn weil dieses nur als
des Gedank en‹. Wie dieser, Herder oder spä- artik ulierter Laut existiert, muß das Spre-
ter Wittgenstein sieht er jedoch das philoso- cherbewußtsein die geringste Modifik ation
phische Problem der Wer k zeugmetapher: der Artik ulation als Zeichen einer Bedeu-
„[...] on risque de donner une indépendance tungsdifferenzierung interpretieren.
au son en l’appelant ainsi“ (Godel 1957, 8),
aber der Laut existiert nicht unabhängig vom 4.2.  So existiert als Einheit der ›langue‹
Gedank en. Der entscheidende Tatbestand ist nichts, sofern es nicht für das Bewußtsein der
die Artik ulation. „La pensée, de sa nature ›sujets parlants‹ eine Zeichenfunk tion hat,
chaotique, est forcée de se préciser [...] en des und mangels einer externen Zeichenbasis läßt
unités“ (Godel 1957, 37). Hier begegnet das sich jede Interpretation einer sprachlichen
berühmte, auch in der Textfassung des Cours Einheit auf den Grundtatbestand ihrer Un-
überlieferte Bild der beiden für sich amorphen terscheidung von anderen Einheiten desselben
Massen von Laut und Denk en, die — wie in Systems zurück führen. Als Identität ist die
der Vereinigung von Wind und Wasser in der ›unité complexe‹, von der Saussure eingangs
Welle — erst in ihrer Kombination eine deut- gesprochen hatte, stets ›parasème‹, in der Ter-
liche Form ergeben. Materialisation des Den- minologie der späten Vorlesungen ›Term, dem
k ens und Formalisierung des Lautes sind, an- ein bestimmter Wert (valeur) zuk ommt‹. „[...]
ders gesprochen, äquivalente Begriffe. Das dans tout système comme la langue, il n’y a
522 II. Personen

rien d’autre que des valeurs“ (Godel 1957, als Einheit natürlich der ›langue‹ angehört.
48). Die bek annte Konzeption der ›langue‹ als „La valeur, ce n’est pas la signification“
eines Systems sich differentiell, d. h. aufgrund (Godel 1957, 49). Dieser mit der traditionellen
von Oppositionen bestimmender Terme ist so Saussure-Deutung schwer vereinbare Satz
in die sprachphilosophische Idee dialogischer schließt systematisch ein ›struk turalistisches‹
Sprachk onstitution eingebettet, die in ihren Verständnis der in diesen Vorlesungen entwik -
Grundzügen unverk ennbar auf die humboldt- k elten Konzeption aus. Saussure ist in seinem
sche Dialek tik von Sprachorganismus und genuinen Anliegen, der Formulierung ei-
verbundener Rede zurück verweist, und wenn nes sprachphilosophischen Begründungspro-
Saussure in dieser Vorlesung das Wertesystem gramms der Linguistik , verk annt, wenn man
explizit — unter Zurück weisung biologisti- seine Lehre auf die Dok trin des Spiels der
scher Deutungen — als Organismus bezeich- Differenzen verk ürzt. „C’est la différence qui
net (Godel 1957, 42; 47), so wird man dies rend significatif, et c’est la signification qui
wohl als Anspielung auf Humboldt verstehen crée les différences aussi“ (Godel 1957, 76).
dürfen. Keinesfalls ist also die saussuresche Bedeutung (signification) gewinnt ein Term
Sprachphilosophie durch die Idee einer Auto- wie ‘honoris’ erst aufgrund seiner Funk tion
nomie der ›langue‹ geprägt, vielmehr durch im syntagmatischen Zusammenhang, in der
die der Komplementarität von ›langue‹ und ›parole‹, auf der Basis seiner Oppositionen zu
›parole‹. Nur entzieht sich die letztere, da ‘honor’, ‘honori’ usw. Was die Morphologie
individuell, dem generalisierenden Zugriff der an verschiedenen ›Formen‹ eines Flexionspa-
Sprachwissenschaft, während erstere als de- radigmas beschreibt, sind tatsächlich nichts
finierbares Objek t existiert: die ›consécration anderes als die Differenzen von Funk tionen.
sociale‹ macht aus sprachlichen Zeichen über- Es ist unschwer zu sehen, daß diese Konzep-
individuell existierende, damit intersubjek tiv tion den wittgensteinschen Grundsatz, daß
zugängliche Sachverhalte. Methodisch muß die Bedeutung eines Wortes eine Funk tion
die synchronische strik t von der diachroni- seines Gebrauchs in der Sprache sei (vgl. Tu-
schen Sprachbetrachtung unterschieden wer- gendhat 1976, 197 ff), im Zusammenhang des
den, weil erst durch die methodische Abstrak - ks izzierten Begründungsprogramms bereits
tion der sprachliche Sachverhalt in seiner vol- antizipiert, und tatsächlich ist eine vergleich-
len Komplexität darstellbar wird. Doch gilt bare Konzeption der sprachphilosophischen
ausnahmslos, daß ein Wert nur als Schnitt- Fundierung linguistischer Kategorien erst
punk t zweier Ordnungen, der synchronischen, wieder bei Austin (1975, 92 ff) entwick elt wor-
„équilibre déterminé des valeurs tel qu’il s’éta- den. Der Bedeutung erzeugende ›Sprachme-
blit de moment en moment“, und der dia- chanismus‹ (Godel 1957, 78) beruht auf der
chronischen, „déplacement des valeurs d’où Kombination zweier verschiedener Arten der
qu’il (l’ordre, Ch. St.) provienne“ (Godel Gruppierung von Termen, ihrer assoziativen
1957, 56), denk bar ist. Zwar ist es möglich, Verk nüpfung aufgrund einer Ähnlichk eit im
einen bestimmten Zustand einer ›langue‹ zu Gedächtnis und ihrer linearen Verk nüpfung
beschreiben, doch ist jeder beliebige Zustand in einem Syntagma. Das ganze Verfahren der
durch einen von diesem unterschiedenen vor- Gedank en erzeugenden Rede beruht darauf,
hergehenden k onditioniert, wenn auch nicht aus den assoziativ bereitgestellten Oppositio-
geschaffen (Godel 1957, 60). Dies ist vielmehr nen diejenige auszuwählen und in einen dis-
die k ontinuierliche Arbeit der ›faculté du k ursiven Zusammenhang einzuordnen, die
langage‹ in der Verfertigung der ›parole‹. Und den Gedank en am präzisesten ›zum Ausdruck
diese ist, da die Analogie das grundlegende bringt‹.
Verfahren ist, niemals durch Regeln vollstän-
dig determiniert. Die Idee einer generativen 4.3.  Eine ›rationale‹ Theorie der Grammatik ,
Syntax ist mit dieser Konzeption in der Tat insbesondere der Syntax, wäre so auf einer
schwer zu vereinbaren; soweit ist Chomsk y ›théorie de la syntagmatique‹ aufzubauen, die
zuzustimmen. Die ›parole‹, nicht die ›langue‹, sich strik t an dem Gesichtspunk t orientierte,
ist der Ort sprachlicher Kreativität. Zurecht nichts als linguistische Einheit bzw. Form an-
unterscheidet daher Saussure den Satz als zuerk ennen, dem nicht aufgrund seines syste-
nicht vollständig determinierte syntagmati- matischen Wertes eine signifik ative Funk tion
sche Einheit, semiotisch zu sprechen als ›to- zuk ommt. Nur dann k ann nämlich eine sol-
k en‹, das k ategorial der ›parole‹ zuzuordnen che Form, mit Austin zu sprechen, notwen-
ist, von der ›solidarité syntagmatique‹, dem dige Bedingung für das Gelingen eines
›type‹, etwa einer feststehenden Wendung, die
36.  Ferdinand de Saussure (1857—1913) 523

Sprechak ts, ›acte de la parole‹, sein. Zu mehr Sprachgebrauch impliziert eine fortwährende
als Sk izzen einer solchen Grundlegung der Interpretationsarbeit der sprechenden Sub-
Disziplin ist Saussure in den späten Vorlesun- jek te, in der alle Elemente des jeweiligen Sy-
gen nicht mehr gelangt (vgl. dazu Stetter stems, mithin auch morphologische, syntak -
1985). Wichtiger war ihm die Klärung der tische und semantische Struk turen, ausge-
theoretischen Fundamente. So führt er im prägt, tradiert und k ontinuierlich verändert
letzten Cours von 1910/11 die gesamte Syste- werden. Diese Quintessenz der Sprachphilo-
matik des Zusammenspiels von ›langue‹ und sophie Saussures ist bis heute allenfalls an-
›parole‹ auf die beiden k orrelativen Prinzipien satzweise in ihren systematischen Konsequen-
der Arbitrarität des ›signe linguistique‹ und zen rezipiert, geschweige denn verstanden
der Linearität des ›signifiant‹ zurück (vgl. Go- worden. Dabei wird erst durch die Beleuch-
del 1969, 82 ff). Die durch Emile Benveniste tung der Vermittlungsarbeit der ›masse par-
(1902—1976) initiierte Disk ussion des Arbi- lante‹ der Status des ›fait social‹ verständlich,
traritätsprinzips (vgl. Engler 1962) hat dieses den Saussure der ›langue‹ zuweist. — Mit
in der Regel im Sinne des traditionellen Kon- dieser Charak terisierung der Sprache ist eine
ventionalitätsprinzips mißverstanden und da- linguistische Konzeption angedeutet, in der
durch den ihm von Saussure zugemessenen der Struk turalismus seinem vermeintlichen
systematischen Sinn verfehlt. Daß das sprach- Gründervater nicht gefolgt ist, nämlich die
liche Zeichen ‘arbiträr’ genannt wird, besagt Konzeption einer historisch-sozialen, im
k eineswegs, daß es bezüglich einer bestimm- sprachphilosophischen Sinne pragmatischen
ten signifik ativen Funk tion beliebig wählbar Begründung sprachlicher Kategorien auf der
wäre. Diesen k ruden Mißverstand hatte Saus- Basis der bezeichneten semiologischen Prin-
sure schon zu Beginn des zweiten Cours ab- zipien. Theorien sprachlicher Universalien
zuwehren versucht (vgl. Godel 1957, 6). Es k önnen sich nicht auf Saussure berufen. Dort,
besagt eben nichts anderes, als daß der arti- wo sich — etwa im Syntax-Konzept Choms-
k ulierte Laut seinen Wert im System nicht k ys — innerhalb solcher Theorien sprachphi-
aufgrund einer internen phonemischen Qua- losophische und logische Aporien zeigen (vgl.
lität erhält, sondern ausschließlich aufgrund Simon 1981, 109 ff) k önnte das Wiederan-
seiner Oppositionen zu anderen Termen. k nüpfen an Saussures Überlegungen der
Diese aber werden im Sprachgebrauch eta- nachstru
k turalen Linguisti
k philosophisch
bliert. Die prinzipielle, radik ale Arbitrarität gangbare Wege weisen.
des sprachlichen Zeichens begründet somit
logisch die Einsicht, daß der einzige Grund,
einen bestimmten Term in bestimmter Weise 5. Literatur in Auswahl
zu verwenden, ihm also eine Bedeutung zu
Engler 1962, Théorie et critique d’un principe Saus-
geben, in dem traditionell vorgegeben Sprach-
surien: l’arbitraire du signe, in Cahiers Ferdinand
gebrauch liegt. Es verk nüpft also die Ebene
de Saussure 19.
der Synchronie mit der der Diachronie. In
diachronischer Hinsicht ist der Wert eines Godel 1957, F. de Saussure, Cours de linguistique
Terms, damit er selbst, stets ›relativ motiviert‹. générale (1908—1909). Introduction (d’après des
Andererseits ist maßgeblich für die Interpre- notes d’étudiants), in Cahiers Ferdinand de Saussure
tation eines Terms allein sein synchronischer 15.
Gebrauch, dieser aber unterliegt — das hat Godel 19692, Les sources manuscrites du Cours de
der Struk turalismus in seiner systematischen linguistique générale de F. de Saussure.
Bedeutung völlig verk annt — dem Prinzip der Jäger 1975, Zu einer historischen Rekonstruktion
Linearität des ›signifiant‹, ‘honoris’ ist ›in der authentischen Sprach-Idee F. de Saussures.
sich‹ nichts, völlig bedeutungslos; es charak - Saussure 1968, Mémoire sur le système primitif des
terisiert lediglich einen bestimmten Wert im voyelles dans les langues indo-européennes [1879].
Flexionssystem des Lateinischen (vgl. Godel Saussure 1967 ff, Cours de linguistique générale.
1957, 77). ›Signifik ativ‹ wird es erst innerhalb Edition critique par R. Engler [= Edition critique].
eines bestimmten syntagmatischen Zusam- Saussure 1972, Cours de linguistique générale. Edi-
menhangs. „Der Ausdruck hat nur im Satz tion critique préparée par T. de Mauro.
Bedeutung“, wird Wittgenstein im Tractatus
Scheerer 1980, Ferdinand de Saussure. Rezeption
formulieren (3.314). Erst der Blick auf die
und Kritik.
k orrelative Funk tion beider semiologischer
Prinzipien läßt das pragmatische Fundament Christian Stetter, Aachen (Deutschland)
der saussureschen Konzeption er k ennen:
524 II. Personen

37. Ernst Cassirer (1874—1945)

1. Von der kritischen Philosophie zur Sprach- Leibniz (1646—1716) (s. Art. 23) (vgl. Ferrari
philosophie 1988; Ranea 1986) und Johann Wolfgang von
2. Sprache als symbolische Form Goethe (1749—1832) (vgl. Bast 1991).
3. Literatur in Auswahl Jeder Versuch einer zusammenfassenden
Darstellung eines wesentlichen Aspek ts von
Cassirers Werk — hier seiner Sprachphiloso-
1. Von der kritischen Philosophie phie — ist vor verschiedene Darstellungspro-
zur Sprachphilosophie bleme gestellt. Bei Cassirer sind die Arbeit als
Wissenschaftshistorik er und die Arbeit an
1.1. Einleitung einem eigenständigen systematischen Pro-
gramm aufs engste miteinander verbunden
Ernst Cassirers Werk e sind Ergebnis der Ar- (Ferrari 1990, 114). „Die Geschichte wird zur
beit eines der wenigen Wissenschaftler, denen Ergänzung und zum Prüfstein der Ergebnisse,
es gelungen ist, auf dem Gebiet sowohl der die die inhaltliche Analyse und Reduk tion der
systematischen Philosophie als auch der Wis- Wissenschaften uns darbietet“, schreibt er
senschaftsgeschichte mit herausragenden Bei- schon früh (Cassirer 1974 a, 6) und k ommen-
trägen hervorzutreten. Wenn letztere heute tiert dementsprechend auch seine Arbeit zu
noch beifällig zur Kenntnis genommen wer- Anfang des dritten Bandes der Philosophie
den, so existiert jedoch k aum eine ernsthafte der Symbolischen Formen:
Auseinandersetzung mit Cassirers systemati- „Wie in meinen früheren Arbeiten, so habe ich auch
schem Ansatz, da dieser als ›neuk antianisch‹ in dieser die systematische Betrachtung nicht von
und damit grundsätzlich als veraltet gilt. der historischen abzulösen versucht, sondern nach
Je nach Blick wink el muß man dies als un- einem engen Zusammenschluß beider gestrebt. Nur
billige Reduzierung seiner theoretischen Lei- in einer solchen ständigen Rück beziehung aufein-
stung auf eine zeitweilige Schulzugehörigk eit ander k önnen beide sich wechselseitig erhellen und
bewerten (Krois 1987, 6; Bast 1991, XII) — wechselseitig fördern“ (Cassirer 1982, VIII).
in seinem Fall zum Marburger Neuk antianis- Demzufolge steht jeder Versuch, termino-
mus (Holzhey 1986; Bourel 1990; Ollig 1979) logische Zusammenhänge in Cassirers Texten
— oder aber als Verk ennung von Ak tualität darzustellen, vor dem Problem wechselnder
und Mannigfaltigk eit (Köhnk e 1986) der neu- Bezugnahme begrifflicher Zusammenhänge
k antianisch geprägten Richtungen ansehen, auf unterschiedliche Kotexte (vgl. Solmitz
zu denen man beispielsweise mit nur wenig 1966).
Mühe auch die Ansätze Gottlob Freges Beispielsweise verweist das Wort ‘Mythos’
(1848—1925 (s. Art. 34) (Gabriel 1986) und bei Cassirer auf den Gegenbegriff zu ‘Logos’
Edmund Husserls (1859—1938) (s. Art. 46) in der antik en Philosophie (Cassirer 1983 b,
(Kaufmann 1966) rechnen kann. 156), aber es k ann auch als Name einer sym-
Cassirer selbst versteht seine Etik ettierung bolischen Form und damit — deren dreifa-
als ‘Neuk antianer’ als Bek enntnis zu einer cher Aspek tierung gemäß — als Bezeichnung
methodischen Verpflichtung Immanuel Kant einer Den k form, einer Anschauungsform
(1724—1804) gegenüber: oder einer Lebensform auftreten.
„Ich selbst bin oft als ‘Neu-Kantianer’ bezeichnet
Insbesondere zeigt sich, daß Cassirer zum
worden, und ich nehme diese Bezeichnung in dem
Zweck der Erarbeitung einer eigenständigen
Sinne an, daß meine gesamte Arbeit im Gebiete der
systematischen Perspek tive stets auf seinerzeit
theoretischen Philosophie die methodische Grund-
ak tuelle Fragestellungen und Theoriebildun-
legung voraussetzt, die Kant in der Kritik der reinen
gen in den Einzelwissenschaften zurückgreift.
Vernunft gegeben hat“ (Cassirer 1939 b, 114).
Diese Einbindung seines Werk s in den ge-
Neben der Ank nüpfung an Kant prägt samtwissenschaftlichen Kontext k ann man als
Cassirers Gesamtwerk außerdem vor allem bewußte Fortsetzung eines der platonischen
der wiederholte Bezug auf Gottfried Wilhelm
37.  Ernst Cassirer (1874—1945) 525

dialogischen Tradition verpflichteten philo- ›Einheit des Wissens‹ verpflichteten Darstel-


sophischen Programms verstehen, schreibt lung sichtbar zu machen (vgl. Cassirer 1929,
Cassirer doch: „Die wissenschaftliche Philo- 31 ff): „What we demand and expect from
sophie ist ihrer Natur nach dialogisch, und philosophy is a synthesis of the various scien-
sie ist es schon seit ihren ersten Anfängen tific efforts“ (Cassirer 1942, 309). Das immer
gewesen. Platon erk lärt, daß es k einen ande- wieder geäußerte Ziel einer Übersicht über
ren Zugang zur Welt der ›Ideen‹gibt, als das Ganze der Erk enntnis (Cassirer 1982, 55)
dadurch, daß wir ›einander Rede stehen in soll jedoch ohne die Voraussetzung, „die man
Frage und Antwort‹ [...]“ (Cassirer 1939 a, 4). als die Voraussetzung der Homogeneität des
Darüber hinaus stellen sich bei der Dar- Denk raums bezeichnen k önnte“ erreicht wer-
stellung von Cassirers Sprachphilosophie na- den, Cassirer möchte „den Denk raum nicht
türlich auch die bek annten Probleme eines mehr als homogen, sondern als prinzipiell he-
Nachvollzugs ihrer wachsenden Ausdifferen- terogen ansehen“ (Cassirer 1929, 32).
zierung und ihrer sich zuweilen verändernden Die Einlösung dieser Absicht unternimmt
systematischen Akzentuierung. er mit einem theoretischen Programm, das
Im folgenden wird versucht, bereits vorlie- man aufgrund gewisser Analogien mit der
gende Teillösungen dieser Darstellungspro- Programmatik der zeitgleich zu Cassirers
bleme (Krois 1987; Neumann 1973) in der Hauptwer k en entstehenden Wissenssoziolo-
Hauptsache anhand einer k ommentierten Zu- gie (vgl. Berger/Luck mann 1989, 1—20) als
sammenstellung zentraler Textpassagen aus ‘Wissenssemiotik ’ (s. Art. 56) bezeichnen
Cassirers Werk en weiterzuführen, und zwar k önnte. Die folgende Feststellung Cassirers
mit der Absicht, auf diesem Wege insbeson- wäre dann als Grundthese dieser ›Wissensse-
dere die Einheit der sprachphilosophischen miotik ‹ zu verstehen: „der Gehalt, den eine
Bemühungen ihres Autors sichtbar zu ma- einzelne Erk enntnis besitzt, läßt sich nicht
chen. losgelöst von ihrer besonderen Stelle im Gan-
Begonnen wird dabei mit dem Versuch zen, von den spezifischen geistigen Funk tio-
Cassirers, der Entstehung der humboldtschen nen, die sie aufbauen, bestimmen und aus-
Sprachphilosophie durch Herleitung aus typi- sprechen. Alles Fak tische erhält seinen k lar
schen Fragestellungen der nachk antischen bestimmten Sinn erst durch die Bedeutungs-
philosophischen Theoriebildung eine syste- zusammenhänge, in denen es steht und durch
matische Motivation zu verleihen und von die Bedeutungs-Kategorien, die es formen“
daher ihre für ihn eine Vorbildfunk tion erfül- (Cassirer 1929, 32 f).
lenden Grundgedanken vorzustellen.
Eine Darstellung der Grundlagen und Ziele 1.2. Kants Vernunftkritik und das Problem
der ›Philosophie der Symbolischen Formen‹ ihrer systematischen Darstellung
sowie ein Überblick über Cassirers Wieder-
gabe der Behandlung der Sprache in der Wis- Cassirers maßgebliches Vorbild für dieses wis-
senschaftsgeschichte schließen sich an. Da- senssemiotische Programm der Darstellung
nach wird eine Zusammenfassung der Cassi- des Zusammenhangs zwischen ›Gehalt‹ einer
rerschen ›Phänomenologie der sprachlichen Erk enntnis und ›spezifischen geistigen Funk -
Form‹, eines mit Kriterien für Grade unter- tionen‹ ist die Vernunftk ritik Kants, die es
schiedlicher Leistungsfähig k eit arbeitenden unternommen habe, den ›Begriff des Gegen-
globalen Vergleichs sprachlicher Mittel, ge- standes‹ durch das ›Problem der Erk enntnis-
geben und seine Erörterung des Verhältnisses art‹ zu ersetzen, in der allein Objek tivität er-
der symbolischen Formen Sprache und My- reicht und begründet werden könne:
thos umrissen. „Lediglich in bestimmten Er k enntnisbedingungen
Der Artik el schließt mit der Zusammenfas- und vermöge ihrer — vermöge der Formen des
sung von Cassirers Bemühen, gegenstands- Raumes und der Zeit, der Größe und der Zahl, der
k onstitutive Aspek te der Sprachverwendung Beharrlichk eit und der k ausalen Folge — läßt sich
bei seiner Auseinandersetzung u. a. mit Apha- dasjenige definieren, was wir den Gegenstand nen-
sieforschung, Entwic k lungspsychologie und nen. Die Objek tivität bedeutet, als empirische Ob-
Dichtung sowie unter Zuhilfenahme dem jek tivität der ‘Erscheinung’, die Darstellbark eit in-
eigenen Spätwerk entnommener anthropolo- nerhalb dieser Grundordnungen, die, wie die Kritik
gischer Thesen hervorzuheben. weiterhin zu zeigen hat, nicht als unverbundene
Aufgabe der Philosophie ist es für Cassirer, Einzelheiten nebeneinanderstehen, sondern als ein-
die im ›Streit der Wissenschaften‹ verborge- heitliches System zu begreifen sind“ (Cassirer
nen jeweiligen Voraussetzungen in einer der 1974 c, 4).
526 II. Personen

Das auf diesem Wege entstehende ›System stung gebracht. Sie würde ein bloßes Beisammen
des Kritizismus‹ ist allerdings laut Cassirer von Elementen bedeuten, das durchaus den Cha-
„seiner Grundabsicht und Aufgabe nach ein an- rak ter der empiristischen ›Assoziation‹ trüge, nicht
deres, als die vorangehenden metaphysischen Sy- dagegen eine wahrhafte Einheit des Begriffes und
steme. Das Resultat der Vernunftk ritik k ann nicht des ›Grundes‹ darstellte. Die Einzelglieder würden
als ein fertiges Produk t in einer Mehrheit fester getrennten Sphären des Seins angehören und k önn-
Lehrsätze von Anfang an hingestellt werden: denn ten im ›Denk en‹ — das hierbei lediglich nach sei-
es ist, was es ist, nur vermittelst des Weges, auf nem psychologischen Begriff verstanden wäre —
dem es erreicht, und vermittelst der Methode, k raft nur eine zufällige Verbindung eingehen. Für die
deren es begründet wird. Dieses Verfahren der Be- k ritische Betrachtung der Grundgegensätze ent-
gründung geht im Ergebnis nicht unter: sondern es steht somit stets die Doppelaufgabe: eine unlösliche
bildet im bestimmten Sinne die Totalität dieses Er- Korrelation zwischen Bestimmungen zu schaffen,
gebnisses selbst“ (Cassirer 1974 c, 2). ohne sie ihrem Begriffe nach ineinander aufgehen
Darüber hinaus sei bei Kant zu lassen. Je nachdem die eine oder die andere Seite
„dieser Gesamtaufbau des Wissens in seiner Ganz- dieser Aufgabe betont wird, muß offenbar eine
heit und in seiner Besonderheit [...] freilich nur ein verschiedene Nuancierung des Gedank ens selbst
Ideal, das die k ritische Philosophie aufstellt. Die entstehen: und in dieser in der Sache selbst gegrün-
Ausführung und Durchführung, die k onk rete Er- deten Komplik ation liegt, wie sich im einzelnen
füllung dieses Ideals k ann sich nur im stetigen zeigen wird, eine wesentliche geschichtliche Ursa-
Fortgang der Wissenschaft selbst ergeben, nicht che der problematischen Lage, in der sich die Nach-
aber ein für alle Mal in einem abstrak ten Entwurf folger Kants gegenüber seiner Kritik befinden. Die
vorweggenommen und für immer festgestellt wer- Gegensätze von Form und Materie, von Erfahrung
den. Wo dennoch eine solche Feststellung versucht und Wahrnehmung, von a priori und a posteriori
wird, da trägt sie notwendig, neben ihren allge- lassen sich schließlich in einem gemeinsamen Aus-
meingültigen Bestimmungen, gewisse provisorische druck zusammenfassen, denn sie alle zielen auf eine
und hypothetische Züge. Es drück t sich in ihr auf neue Bestimmung des Verhältnisses des ›Allgemei-
der einen Seite die besondere geschichtliche Pro- nen‹ und ›Besonderen‹ ab“ (Cassirer 1974 c, 11).
blemlage der einzelnen Wissenschaften, auf der an- Von der verdinglichenden Sprache somit
deren Seite die besondere wissenschaftliche Inter- irregeführt begibt sich die ›nachk antische Spe-
essenrichtung des philosophischen Kritik ers aus“ k ulation‹ in Cassirers Darstellung (Cassirer
(Cassirer 1923 a, 105 f). 1914) auf die Suche nach einer Neubestim-
Der Argumentation Cassirers zufolge muß- mung des Verhältnisses von Allgemeinem und
ten Verfahrensbezogenheit und hypothetische Besonderem, auf die Suche nach dem ›Kon-
Idealität des systematischen Kerns der k an- k ret-Allgemeinen‹ und findet dieses, eher bei-
tischen Philosophie fast zwangsläufig mißver- läufig bei Georg Wilhelm Friedrich Hegel
standen werden. Jede Darstellung der tran- (1770—1831) (Cassirer 1974 c, 314 f), aber
szendentalen Grundgedank en nämlich sehe schließlich zentral bei Wilhelm von Humboldt
sich in einen inneren Konflik t und Widerstreit (1767—1835) (s. Art. 27) in der Sprache:
gesetzt, denn sie müsse „ihre Ausdruck smittel „In ihr wird die wahrhafte Synthesis und die echte
aus dem Umk reis der Sprache und aus der Versöhnung der großen metaphysischen Grundge-
Begriffswelt entnehmen, die ihr entspricht. gensätze erreicht. In ihr stellt sich der Geist in seiner
Das charak teristische Moment dieser Be- reinsten Besonderung und in seiner vollk ommen-
griffswelt aber liegt darin, daß sie in erster sten Allgemeinheit, als ein zugleich Begrenztes und
Linie für die Bezeichnung von Dingen und Unbegrenztes, als ein zugleich Freies und Notwen-
Dingverhältnissen geschaffen ist“ (Cassirer diges dar. Hier zeigt sich daher nach Humboldt
1974 c, 4). jenes Ideal eines Konk ret-Allgemeinen, mit wel-
Cassirer erläutert die nachteiligen Folgen chem die gesamte nachk antische Spek ulation ringt,
dieses ›Kampfes zwischen Denk - und Dar- wahrhaft erreicht: hier ist ein Allgemeines, das nicht
stellungsmotiven‹ innerhalb des ›k antischen willk ürlich in der begrifflichen Reflexion ersonnen
Stils‹ am Grundbegriff der Synthesis, die wird, sondern das sich in der individuellen geistigen
„ihrer Grundbedeutung nach die Einheit eines Ver- Entwick lung selbst als ihr immanentes Ziel und
schiedenen sein [soll]. Sie vollzieht eine notwendige zugleich als ihre treibende geistige Kraft darstellt“
Verk nüpfung von Momenten, die begrifflich nicht (Cassirer 1923 a, 116).
identisch und die somit nicht wechselseitig aufein-
ander reduzierbar sind. [...] Diese notwendige und 1.3. Grundgedanken
unaufhebliche Sonderung aber verliert auf der an- der Sprachphilosophie Humboldts
deren Seite sofort ihren eigentümlichen Wert, wenn
sie dazu führt, die getrennten Bedeutungsmomente 1.3.1.  Es sind laut Cassirer „drei große prin-
als isolierbare Teile zu behandeln, aus denen sich zipielle Gegensätze“, die das Denk en Hum-
das Erfahrungsganze ›zusammensetzt‹. Denn auch boldts bestimmen und für die er in der Be-
damit wäre die ›Synthesis‹ um ihre eigentliche Lei-
37.  Ernst Cassirer (1874—1945) 527

trachtung der Sprache einen k ritischen Aus- über Johann Gottfried Herder (1744—1803)
gleich und eine spek ulative Versöhnung zu (s. Art. 26) zu Humboldt gelangt sein (Cas-
finden hofft“ (Cassirer 1985 a, 100): der Ge- sirer 1985 a, 88). Auf das Auftreten von ›ge-
gensatz zwischen individuellem und objek ti- netischen‹ oder ›k ausalen‹ Definitionen als
vem Geist, der zwischen Sprache als Werk Vorläufer eines bei Kant im Schematismus-
(Ergon) und Sprache als Tätigk eit (Energeia) k apitel der Kritik der reinen Vernunft vorge-
und der Gegensatz zwischen Stoff und Form. führten k onstruk tiven Verfahrens in der Ma-
Was Humboldts Auffassung bezüglich des thematik (Cassirer 1974 b, 714 ff) verweist
ersten Gegensatzes betrifft, so durchdringen Cassirer in seinen historischen Darstellungen
sich dort für Cassirer k antische und schel- der philosophischen Positionen von Thomas
lingsche Elemente (Cassirer 1985 a, 101). Die Hobbes (1588—1679), von Baruch de Spi-
Sprache tritt überall als ›Vermittlerin‹ auf: noza (1632—1677) (Cassirer 1974 b, 48 ff;
„erst zwischen der unendlichen und endlichen 89 ff) und insbesondere von Leibniz (Cassirer
Natur, dann zwischen einem und dem ande- 1974 b, 127 ff; 1962, 260):
ren Individuum — zugleich und durch den- „Das Entscheidende des Gegensatzes von Synthesis
selben Ak t macht sie die Vereinigung möglich und Analysis liegt in der Hervorhebung einer Funk -
und entsteht aus derselben“, doch der Weg, tion der freien, k onstruk tiven Gestaltung des In-
den Humboldt „in der Aufweisung dieser letz- halts im Unterschied zur bloßen nachträglichen
ten Einheit nimmt, ist nicht der Weg der in- Zergliederung eines Gegebenen. Diesen Begriff des
tellek tuellen Anschauung“, denn Humboldt ›Synthetischen‹ aber hat Leibniz in seiner Lehre
ziehe die sprachphilosophische Konsequenz von der ›k ausalen‹ Definition als Bedingung der
aus Kants k ritischer Lehre, so daß die ›Sub- Möglichk eit des Gegenstandes für die Mathematik
jek tivität der Sprache‹ nicht mehr als entdeckt und gestaltet“ (Cassirer 1962, 534).
›Schrank e‹ erscheine, „die uns von der Erfas- Genetische Definitionen (vgl. Krämer
sung des gegenständlichen Seins trennt, son- 1991) treten für Cassirer zum ersten Mal bei
dern als ein Mittel der Formung, der ›Objek - Aristoteles (384—322 v. Chr.) (s. Art. 15)
tivierung‹ der sinnlichen Eindrück e“ (Cassirer (Cassirer 1982, 417) auf und sind das Para-
1985 a, 102). Bei der Erk lärung, wie die Spra- digma, anhand dessen er auf die Verfahrens-
che Individualität und Objek tivität versöhnt, bezogenheit oder den Prozeßcharak ter der
indem sie so dem Erk ennbaren als subjek tiv Synthesis, als dem ›Denk en und Tun‹ zugrun-
entgegensteht, aber auf der anderen Seite dem deliegenden ›bildenden Gestalten‹ (Cassirer
Menschen als objek tiv gegenübertritt, greife 1985 d, 52), ja der ›Tätigk eit‹ des ›Geistigen‹
Humboldt auf Prinzipien der Philosophie von schlechthin aufmerk sam machen k ann. Wie
Leibniz zurück: für seinen Lehrer Paul Natorp (1854—1924)
„Wie für Leibniz das Universum nur in der Spie- ist auch für ihn „alles Geistige [...] nur in
gelung durch die Monaden gegeben ist, wie jede seinem Werden [...], nur ›genetisch‹ zu erfassen
derselben die Gesamtheit der Phänomene unter und zu begreifen — aber mitten in diesem
einem individuellen ›Gesichtspunk t‹ darstellt — Werden enthüllt sich uns ein ›Urbildliches und
und wie doch andererseits eben die Gesamtheit Typisches‹, ein rein ideelles Sein“ (Cassirer
dieser perspek tivischen Ansichten und die Har- 1925 b, 276). Cassirer zeigt in verschiedenen
monie unter ihnen dasjenige ausmacht, was wir die Texten (Cassirer 1932 a; 1932 d; 1973, 145 ff;
Objek tivität der Erscheinungen, die Wirk lichk eit 1975 a, 71 ff; 1989 a; 1991 a) daß für ihn Goe-
der phänomenalen Welt nennen; — so wird auch the das große Vorbild ist, sich mit einer der-
hier jede einzelne Sprache zu einer solchen indivi- artigen Auffassung dem ›Geistigen‹ zu nä-
duellen Weltansicht, und erst die Totalität dieser hern:
Weltansichten macht den für uns erreichbaren Be- „Das Werden, das für Platon die Schrank e der
griff der Objektivität aus“ (Cassirer 1985 a, 104). Erk enntnis bedeutete, wandelt sich bei Goethe in
Mit „der bek annten Humboldtschen For- eine Voraussetzung und in eine Form der Erk ennt-
mulierung, daß die Sprache k ein Werk (Er- nis. Die Genesis hört auf, ein bloß negatives Mo-
gon), sondern eine Tätigk eit (Energeia) sei ment, eine bloße Grenze des Seins und des Wissens
und daß daher ihre wahre Definition immer zu bezeichnen: sie entfaltet ihre positive Kraft und
nur eine genetische sein k önne“ (Cassirer Fruchtbark eit, indem sie sich als genetische Me-
1985 a, 105), liegt für Cassirer der zweite thode versteht und bewährt“ (Cassirer 1932 b,
Grundgegensatz zugleich mit seiner Auflö- 114 f).
sung vor. Das sich beim Nachvollzug einer Genese
Die aristotelische Unterscheidung ἔργον/ enthüllende ›Urbildliche und Typische‹ be-
ἐνέργεια soll von John Harris (1666—1719) zeichnet Goethe mit dem Begriff des ›Urphä-
528 II. Personen

nomens‹, der sich für Cassirers Arbeiten — nen, hatte sich Kant selbst auf die Einheit des
hier liegt eine ihrer auffallenden ›Familien- Urteils und damit mittelbar auf die Einheit des
ähnlichk eiten‹ mit dem Werk Ludwig Witt- Satzes gestützt“ (Cassirer 1985 a, 106).
gensteins (1889—1951) (s. Art. 39) (vgl. Wie für Kant, so gehe auch für Humboldt
Schulte 1990 b) — als zentral erweisen wird: der Stoff auf die Rezeptivität der Sinne, die
„Für Goethe [...] bedeutet der Begriff des Urphä- Form auf die reine Spontaneität des Denk ens
nomens eine letzte Synthese, weil in ihm zugleich zurück, denn er verstehe die Form als
ein Inhalt des Schauens und eine Grenze des Schau- „dasjenige, was nicht im Objek t (als dem ›Ding an
ens bezeichnet ist“ (Cassirer 1932 b, 131). sich‹) vorgefunden wird, sondern vom ›Subjek t
Vor diesem Hintergrund muß Cassirers selbst verrichtet‹ werden muß — aber diese Ver-
Wiedergabe von Humboldts Forderung ge- richtung erfolgt selbst nach einer allgemein gültigen
lesen werden, daß jede Betrachtung der Spra- Regel und besitzt demgemäß in ihrer Idealität zu-
che als ein Prozeß der geistigen Formung, mit gleich realisierende Bedeutung. Indem der Einzel-
dem Objek tivität errungen (Energeia) und inhalt, k raft der sprachlichen Formgebung, nicht
nicht abgebildet (Ergon) werde, ›genetisch‹ als solcher bezeichnet, sondern auf das Ganze der
verfahren müsse, und zwar möglichen Inhalte bezogen und gemäß seiner Stel-
„nicht in dem Sinne, daß sie in ihrer zeitlichen lung in diesem Ganzen charak terisiert wird, wird
Entstehung verfolgt und daß sie ihr Werden aus er in dieser Beziehung auf die Einheit des denk en-
bestimmten empirisch-psychologischen ›Ursachen‹ den Selbstbewußtseins auch erst nach seinem ge-
zu erk lären versucht, sondern in dem Sinne, daß genständlichen Gehalt vollständig bestimmt“ (Cas-
sie das fertige Gefüge der Sprachbildung als ein sirer 1923 a, 123 f).
Abgeleitetes und Vermitteltes erk ennt, das erst ver- Wie diese ›Verrichtung‹ in einer bestimmten
standen wird, wenn es uns gelingt, es aus seinen Sprache erfolgt, bezeichne Humboldt als ›in-
Fak toren aufzubauen und die Art und Richtung nere Form‹ dieser Sprache (vgl. Cassirer
dieser Fak toren zu bestimmen. Das Zerschlagen 1985 a, 256).
der Sprache in Wörter und in Regeln bleibt immer Cassirer warnt vor dem Gebrauch dieses
nur ein totes Machwerk wissenschaftlicher Zerglie- Begriffs der ›inneren Form‹ in der Sprach-
derung — denn das Wesen der Sprache beruht philosophie, denn er scheine „statt eine be-
niemals auf diesen Elementen, die die Abstrak tion stimmte Lösung darzubieten, vielmehr zu ih-
und Analyse an ihr herausstellen, sondern aus- ren schwierigsten und meistumstrittenen Pro-
schließlich auf der sich ewig wiederholenden Arbeit blemen zu gehören“ (Cassirer 1985 a, 256).
des Geistes, den artik ulierten Laut zum Ausdruck Benutze man diesen Begriff beispielsweise als
des Gedank ens fähig zu machen“ (Cassirer 1985 a, Grundlage zur Aufweisung der ›geistigen
104). Weltansicht‹ einer Sprache, bewege man sich
in einem Zirkel:
1.3.2.  Die k leinste Einheit der Sprache, an der „Denn auf der einen Seite erscheint hier die Sprache
diese ›Arbeit des Geistes‹ sichtbar zu machen als das Vehik el für die Gewinnung jeglicher geisti-
ist, ist daher für Humboldt und Cassirer nicht gen Weltansicht, als das Medium, durch welches
das Wort, sondern der Satz, „denn in ihm erst der Gedank e hindurchgehen muß, ehe er sich selbst
enthüllt sich die ursprüngliche Kraft der Syn- finden, ehe er sich eine bestimmte theoretische
thesis, auf der alles Sprechen wie alles Verste- Form geben k ann — auf der anderen Seite aber
hen zuletzt beruht“ (Cassirer 1985 a, 105) (s. muß eben diese Form, muß eine bestimmte theo-
Art. 63). retische Weltansicht schon vorausgesetzt werden,
In seiner Erläuterung der Funk tion des um die Besonderheit einer bestimmten Sprache, um
dritten Gegensatzpaares bei Humboldt, der die Art ihres Bemerk ens und Benennens verständ-
Unterscheidung zwischen Stoff und Form, lich zu machen“ (Cassirer 1983 a, 101 f).
zeigt Cassirer, daß dieser Primat des Satzes Humboldts Unterfangen, eine Hierarchie
als ursprüngliche Spracheinheit schon bei der Sprachen mit den indoeuropäischen Spra-
Kant vorgeprägt sei: chen an ihrer Spitze zu erstellen, wird folge-
„So k önnen wir uns nichts als im Objek t verbunden richtig auch von Cassirer abgelehnt (Cassirer
vorstellen, ohne es vorher selbst verbunden zu 1942, 312 f), denn die Aufgabenstellung einer
haben, und unter allen Vorstellungen ist sie, die Philosophie der Sprache bestehe in der Er-
Verbindung, die einzige, die nicht durch Objek te hellung eines spezifischen Mediums der Er-
gegeben, sondern nur vom Subjek te selbst verrich- k enntnis und nicht in dem Vergleichen zwi-
tet werden k ann. Um diese im transzendentalen schen einer Vielfalt innerer Formen jeweiliger
Subjek t und seiner Spontaneität gegründete und Einzelsprachen:
doch streng ›objek tive‹, weil notwendige und all- „Aber wenn die philosophische Analyse niemals
gemeingültige, Form der Verbindung zu k ennzeich- den Anspruch erheben darf, die besondere Subjek -
tivität, die sich in den Sprachen ausdrück t, zu er-
37.  Ernst Cassirer (1874—1945) 529

fassen, so bleibt doch gleichsam die allgemeine bundenen mittelbaren Verhältnisses zur ›Welt
Subjek tivität der Sprache für sie ein Problem. Denn der Dinge‹ anstelle einer Philosophie des Seins
wie die Sprachen sich untereinander durch je einen liest Cassirer natürlich auch Kants k ritische
besonderen ›Standpunk t der Weltansicht‹ unter- Philosophie, deren auf den Gegenstand reiner
scheiden, so gibt es andererseits eine Weltansicht Er
k enntnisfunk tionen bezogene ›transzen-
der Sprache selbst, k raft deren sie sich aus dem dentale‹ Mittelbark eit er allerdings, wie er in
Ganzen der geistigen Formen heraushebt und in seinem programmatischen Aufsatz Goethe
der sie sich mit der Weltansicht der wissenschaft- und die mathematische Physik (Cassirer
lichen Erk enntnis, der Kunst, des Mythos teils be- 1989 a) erläutert, um bestimmte Formen der
rührt, teils sich gegen sie abgrenzt“ (Cassirer 1985 a, ›schöpferischen Tätigk eit des Geistes‹ erwei-
257). tern will:
Für Medien der Erk enntnis nun wie dem „Denn die ›Copernik anische Drehung‹, von der
der Sprache hat Cassirer sich einer mittler- Kant ausgeht, erstreck t sich ihrer wesentlichen
weile untrennbar mit seinem Namen ver- Grundabsicht nach nicht lediglich auf die Gesamt-
k nüpften terminologischen Wendung bedient. heit der reinen Erk enntnisfunk tionen, überall wo
Er nennt sie ‘symbolische Formen’. eine schöpferische Tätigk eit des Geistes vorliegt,
aus der eine bestimmte Seinsgestaltung hervorgeht,
läßt sich fragen, ob in der Untersuchung und Ana-
2. Sprache als symbolische Form lyse dieses Sachverhalts mit diesem ›Sein‹ begonnen
oder ob auf das Tun selbst, als das eigentlich Ur-
2.1. Grundlagen und Ziele einer sprüngliche, zurück gegangen werden soll. Für Kant
›Philosophie der Symbolischen Formen‹ sind es wesentlich drei große Grund- und Haupt-
formen, in denen er diese Spontaneität des Geisti-
2.1.1.  Cassirer hat seine eigene Philosophie gen im allgemeinen beschlossen und erschöpft sieht:
als ‘k ritischen Idealismus’ (Cassirer 1979 b, der Autonomie des Logischen, die sich zum Begriff
64 ff) bezeichnet. Damit stellt er sich in eine der Natur und der Naturerk enntnis entfaltet, steht
Tradition philosophischen Denk ens, deren die Autonomie des Sittlichen, die sich im Gedank en
Grundzug er wie folgt umschreibt: der Freiheit gründet, gegenüber, und beide vermit-
„Wo die realistische Weltansicht sich bei irgendeiner teln und versöhnen sich miteinander im Bereich der
letztgegebenen Beschaffenheit der Dinge, als der Kunst und der k ünstlerischen Selbsttätigk eit. Auch
Grundlage für alles Erk ennen beruhigt — da formt diese Dreiteilung erschöpft indessen nicht den ge-
der Idealismus eben diese Beschaffenheit selbst zu samten Inbegriff der geistigen Energien und enthält
einer Frage des Denkens um“ (Cassirer 1985 a, 4). nicht alle seine charak teristischen Gliederungen
Idealistisches Gedank engut in systemati- und Besonderungen. Wir brauchen, um dies zu
schem Zusammenhang tritt für Cassirer zum zeigen, nur auf die Welt der Sprache, als bezeich-
ersten Mal in der Philosophie Platons auf, da nendes und prägnantes Beispiel zu verweisen“ (Cas-
bei Platon (ca. 427—347 v. Chr.) (s. Art. 14) sirer 1989 b, 68).
das Sein, das bei den Vorsok ratik ern „in der Im selben Aufsatz erfaßt Cassirer diese
Form eines einzelnen Seienden als fester Aus- über Kant hinausweisenden ›geistigen Ener-
gangspunk t genommen wurde, zum erstenmal gien‹ auch zum ersten Mal mit der für sein
als Problem erk annt worden sei“ (Cassirer gesamtes folgendes Werk maßgeblichen ter-
1985 a, 4). Diese neue philosophische Frage- minologischen Prägung symbolische Formen
stellung führe Platon zur zentralen Beschäf- (zu früherem unterminologischen Auftreten
tigung mit dem Bedeutungsproblem: der Wendung vgl. Orth 1988, 45) und weist
„Man k ann sagen, daß der eigentliche Anfang der dort bereits darauf hin, wie er sich deren
originalen Platonischen Lehre darin besteht, daß systematische Erkundung vorstellt:
sich ihm das Verhältnis des Seinsproblems und des „Da das ›Wirk liche‹ für uns, gemäß der idealisti-
Bedeutungsproblems verschiebt: daß ihm das Be- schen Einsicht, nicht anders als in diesen Funk tio-
deutungsproblem zur eigentlichen ἀρχή, zum An- nen zu erfassen ist, da Sprache und Mythos, Kunst
fangspunk t des Philosophierens wird, während der und Religion, da mathematisch-exak te und empi-
Begriff des Seins nur als ein abgeleitetes Resultat, risch-beschreibende Erk enntnis für uns nur gleich-
als Folgerung aus diesem Anfang erscheint. Damit sam verschiedene symbolische Formen sind, in de-
tritt Platon von Beginn seiner Philosophie an zu nen wir die entscheidende Synthese von Geist und
der Welt der Dinge, zu dem Kosmos, auf den sich Welt vollziehen: so gibt es für uns ›Wahrheit‹ nur
die gesamte bisherige Spek ulation bezog und auf insofern, als wir jede dieser Formen in ihrer cha-
den sie sich immer wieder zurück zog, in ein eigen- rak teristischen Eigenart begreifen und uns zugleich
tümlich mittelbares Verhältnis“ (Cassirer 1925 c, die Wechselbezüglichk eit vergegenwärtigen, in wel-
86). cher sie mit allen anderen zusammenhängt. Will
Als Weiterführung der Aufdeck ung des mit man die Darstellung dieser Zusammenhänge noch
dem Bedeutungsproblem so zwingend ver- unter dem Begriff der ›Erk enntnistheorie‹ befassen,
530 II. Personen

so nimmt doch jetzt dieser Begriff einen weiteren — so wäre damit das notwendige Mittelglied für
und umfassenderen Sinn an. Denn jetzt handelt es eine Betrachtung gegeben, die dasjenige, was die
sich nicht nur um die Theorie und Methodik des transzendentale Kritik für die reine Erk enntnis lei-
wissenschaftlichen Denk ens, sondern um den Ver- stet, auf die Allheit der geistigen Formen überträgt“
such eines Überblick s über alle Mittel und Wege, (Cassirer 1985 a, 16 f).
vermöge deren sich uns die Wirk lichk eit überhaupt Ein zentrales Vorbild Cassirers für eine der-
zu einem bedeutungs- und sinnvollen Ganzen, zu artige ›transzendentale Kritik ‹ der ›Allheit der
einem geistigen Kosmos gestaltet“ (Cassirer 1989 b, geistigen Formen‹ ist die Philosophie von
69 f). Leibniz (Ferrari 1988, Ranea 1986), deren
Was die Arbeit an einem solchen Über- diesbezüglichen Plan einer universellen ›Cha-
blick , einer Art ›Grammatik der symbolischen rak teristik ‹, also einer Zeichenlehre, Cassirer
Funk tion als solcher‹ (Cassirer 1985 a, 19), so erläutert:
für die Aufgabenstellung der k ritischen Phi- „Denn das Zeichen ist k eine bloß zufällige Hülle
losophie bedeutet, k onstatiert Cassirer zu Be- des Gedank ens, sondern sein notwendiges und we-
ginn des ersten Bandes der Philosophie der sentliches Organ. Es dient nicht nur dem Zweck
Symbolischen Formen: „Die Kritik der Ver- der Mitteilung eines fertiggegebenen Gedank enin-
nunft wird damit zur Kritik der Kultur“ (Cas- halts, sondern ist ein Instrument, k raft dessen die-
sirer 1985 a, 11). ser Inhalt selbst sich herausbildet und k raft dessen
er erst seine volle Bestimmtheit gewinnt. Der Ak t
2.1.2.  Die systematische Fassung dieser ›Kri- der begrifflichen Bestimmung eines Inhalts geht mit
tik der Kultur‹, ein Problem, dessen Vorbild dem Ak t seiner Fixierung in irgendeinem charak -
sich ebenfalls schon bei Platon im Sophistes teristischen Zeichen Hand in Hand. So findet alles
unter dem Titel der κοινωνία τῶν γενῶν, „der wahrhaft strenge und exak te Denk en seinen Halt
systematischen ›Gemeinschaft‹ der reinen erst in der Symbolik und Semiotik , auf die es sich
Ideen und Formbegriffe“ (Cassirer 1985 a, 28) stützt“ (Cassirer 1985 a, 18).
findet, soll schließlich zu einem ›k omplexen Cassirer verweist daneben vor allem auf
System‹ führen: Friedrich Theodor Vischer (1807—1887) (Vi-
„Die verschiedenen Weisen der geistigen Formung scher 1887) und Heinrich Hertz (1857—1894)
werden als solche anerk annt, ohne daß der Versuch (Hertz 1894), um seine die Philosophie der
gemacht wird, sie einer einzigen, einfach-fortschrei- symbolischen Formen leitende zeichenphilo-
tenden Reihe einzuordnen. Und doch wird, gerade sophische These zu stützen, daß eben mit dem
in einer solchen Ansicht, auf einen Zusammenhang „allgemeinen Charak ter symbolischer Gestal-
der Einzelformen unter sich k eineswegs verzichtet, tung“ (Cassirer 1983 c, 174) ein „allumfassen-
sondern es wird vielmehr umgek ehrt der Gedank e des Medium gegeben“ sei, „in welchem alle
des Systems dadurch noch verschärft, daß an Stelle noch so verschiedenen geistigen Bildungen
des Begriffs eines einfachen Systems der Begriff sich begegnen“ (Cassirer 1985 a, 18 f), und
eines k omplexen Systems tritt. Jede Form wird gelangt so zu seiner Definition einer symbo-
sozusagen einer besonderen Ebene zugeteilt, inner- lischen Form:
halb welcher sie sich auswirk t und in der sie ihre „Unter einer ›symbolischen Form‹ soll jede Energie
spezifische Eigenart völlig unabhängig entfaltet — des Geistes verstanden werden, durch welche ein
aber gerade in der Gesamtheit dieser ideellen Wir- geistiger Bedeutungsgehalt an ein k onk retes sinn-
k ungsweisen treten nun zugleich bestimmte Ana- liches Zeichen gek nüpft und diesem Zeichen inner-
logien, bestimmte typische Verhaltensweisen her- lich zugeeignet wird. In diesem Sinne tritt uns die
vor, die sich als solche herausheben und beschrei- Sprache, tritt uns die mythisch-religiöse Welt und
ben lassen“ (Cassirer 1985 a, 29). die Kunst als je eine besondere symbolische Form
Den so durch eine auf dem Verfahren der entgegen. Denn in ihnen allen prägt sich das
Analogiebildungen beruhende ›épistémologie Grundphänomen aus, daß unser Bewußtsein sich
comparée‹ (Nadeau 1990) angestrebten ›Be- nicht damit begnügt, den Eindruck des Äußeren zu
griff eines k omplexen Systems‹ erörtert Cas- empfangen, sondern daß es jeden Eindruck mit
sirer nicht explizit, aber er stellt die Frage, einer freien Tätigk eit des Ausdruck s verk nüpft und
inwieweit sich ›der Inbegriff dieser Gestaltun- durchdringt“ (Cassirer 1983 c, 175).
gen‹ als ein ›geschlossener Kosmos‹ denk en Die erste ausführliche Bearbeitung einer
lasse: symbolischen Form erfolgt 1923 in dem Band
„Wenn sich ein Medium finden ließe, durch welches Die Sprache. Es folgen 1925 Das mythische
alle Gestaltung, wie sie sich in den einzelnen gei- Denken und 1929 Die Phänomenologie der
stigen Grundrichtungen vollzieht, hindurchgeht Erkenntnis. Wie Cassirer verschiedentlich er-
und in welchem sie nichtsdestoweniger ihre beson- wähnt und 1944 in An Essay on Man ausführt,
dere Natur, ihren spezifischen Charak ter bewahrt, hält er überdies Kunst und Geschichte für
symbolische Formen.
37.  Ernst Cassirer (1874—1945) 531

Seiner Auffassung von der Heterogeneität k önnen wir uns [...] nicht anders verdeutli-
des Denk raumes gemäß stellen sich für Cas- chen, als dadurch, daß wir sie gedank lich
sirer die symbolischen Formen als „Urphä- nacherzeugen, indem wir sie aus ihren einzel-
nomene des Geistes dar, die sich zwar als nen Bedingungen vor uns entstehen lassen“
solche aufweisen lassen, an denen sich aber (Cassirer 1980, 418), seine genetische (vgl.
nichts mehr ›erk lären‹, d. h. auf ein anderes 1.3.1.) Ansicht der Erkenntnis:
zurück führen läßt“ (Cassirer 1983 b, 82). Eine „Aber diese ›genetische‹ Ansicht der Erk enntnis
›passive Schau‹ dieser ›geistigen Wirk lichk ei- bildet jetzt k einen Gegensatz mehr zu der Forde-
ten‹ lehnt Cassirer jedoch ab, er fordert statt- rung eines dauernden Bestandes. Denn die Tätig-
dessen „sich mitten in ihre Ak tivität selbst“ k eit des Denk ens, auf die hier zurück gegangen
zu versetzen (Cassirer 1985 a, 51). Gelingt es wird, ist selbst nicht willk ürliche, sondern streng
„der Philosophie der Kultur, solche Grundzüge zu geregelte und gebundene Tätigk eit. Die funk tionale
erfassen und sichtbar zu machen, so hat sie damit Betätigung des Denk ens verlangt und findet ihren
ihre Aufgabe, gegenüber der Vielheit der Äuße- Halt in einer idealen Struk tur des Gedachten, die
rungen des Geistes die Einheit seines Wesens zu ihm unabhängig von jedem besonderen zeitlich be-
erweisen, in einem neuen Sinne erfüllt — denn diese grenzten Denk ak t ein für alle Mal zuk ommt. Beide
letztere erweist sich eben darin am deutlichsten, Momente bestimmen erst in ihrer Durchdringung
daß die Mannigfaltigk eit seiner Produk te der Ein- den vollständigen Begriff der Erk enntnis. Das
heit seines Produzierens k einen Eintrag tut, son- Ganze unserer intellek tuellen Operationen ist ge-
dern sie vielmehr erst bewährt und bestätigt“ (Cas- richtet und gespannt auf die Idee eines ›stehenden
sirer 1985 a, 51 f). und bleibenden‹ Geltungsbereichs objek tiv notwen-
Das schon erwähnte Ziel eines ›k omplexen diger Beziehungen. So zeigt sich, daß jedes Wissen
Systems‹ hat damit, wie die Forderung nach gleichsam ein statisches und ein dynamisches Motiv
der ›Einheit des Wissens‹, für Cassirer den in sich birgt und erst in dieser Vereinigung seinen
Status eines der Philosophie und insbesondere Begriff vollendet. Es verwirk licht sich nur in einer
der der Kultur notwendig zugrundeliegenden Aufeinanderfolge logischer Ak te, in einer Reihe,
›Postulats‹ (Cassirer 1985 a, 7). die successiv durchlaufen werden muß, damit wir
Zwischen diesem Postulat und dem An- uns der Regel ihres Fortschrittes bewußt werden“
spruch, sich unter Zuhilfenahme bestimmter (Cassirer 1980 a, 418 f).
›Analogien‹ (Cassirer 1985 a, 29) (s. Art. 85) Es hieße nun den Anspruch von Cassirers
in die einander heterogenen Formen des Gei- philosophischer Arbeit mißverstehen, redu-
stes versetzen zu k önnen, zwischen der phi- zierte man die theoretische Bedeutung seines
losophischen Annahme einer Einheit des Gei- Werk es nach Substanzbegriff und Funktions-
stes und dem Bemühen um die Mannigfaltig- begriff nur auf den Versuch, nach der Ausein-
k eit seiner Ausprägungen vollzieht sich die andersetzung mit den exak ten Wissenschaften
Cassirersche ›Bewegung der Erk enntnis‹ (Cas- auch Herr der Fülle des ihm vor allem durch
sirer 1974 a, 28), deren Verlauf zu einer Er- seine Kontak te zur Bibliothek Warburg zur
weiterung des Begriffs der Erk enntnis selbst Verfügung stehenden vorwiegend k ulturge-
führt. schichtlichen Materials zu werden (Jesinghau-
sen-Lauster 1985). Denn es ist deutlich, daß
2.2. Von genetischer Erkenntnistheorie zur es Cassirer auch bei der Bearbeitung der sym-
Phänomenologie der Erkenntnis bolischen Formen um Erk enntnisleistungen
geht, jetzt allerdings nicht mehr als nur Pro-
2.2.1.  Im 1910 erschienenen Buch Substanz- duk t erfolgreicher Wissenschaften, sondern
begriff und Funktionsbegriff (Cassirer 1980 a) als von geistigen Tätigk eiten hervorgerufenen
hatte Cassirer versucht, „die Grundverfas- ›Phänomenen‹:
sung der Erk enntnis und ihr k onstitutives Ge- „Die Philosophie der symbolischen Formen will
setz“ (Cassirer 1982 V), vor allem im Gebiet k eine Metaphysik der Erk enntnis, sondern eine
der Mathematik und der mathematischen Na- Phaenomenologie der Erk enntnis sein. Sie nimmt
turwissenschaft, aufzuweisen und mit einer dabei das Wort: ‘Erk enntnis’ im weitesten und um-
neuen, nicht auf der Abstrak tion und damit fassendsten Sinne. Sie versteht darunter nicht nur
letztlich auf dem Begriff der Substanz, son- den Ak t des wissenschaftlichen Begreifens und des
dern auf Verfahren der Reihenbildung und theoretischen Erk lärens, sondern jede geistige Tä-
damit auf dem Begriff der Funk tion beruhen- tigk eit, in der wir uns eine ›Welt‹ in ihrer charak -
den Begriffslehre zu begründen (Neumann teristischen Gestaltung, in ihrer Ordnung und in
1973, 131 ff; Ryck man 1991, 66 ff). Dort er- ihrem ›So-Sein‹, aufbauen“ (Cassirer 1983 b, 208).
läutert er auch, ausgehend von der Behaup- Bei dem Versuch, diese Welten gestaltenden
tung, „was eine bestimmte Wahrheit ›ist‹, geistigen Tätigk eiten zu bestimmten Typen
zusammenzufassen, treten nicht weiter aufein-
532 II. Personen

ander reduzierbare ›Urphänomene‹ hervor. insofern dort versucht wird, „diese Erk enntnis
Eben dies sind die symbolischen Formen. Die nicht sowohl in ihrem Ergebnis, in ihrem blo-
im Zuge ihres Gebrauchs hervorgebrachten ßen Produk t, sondern in ihrem reinen Prozeß-
›Welten‹, deren Gesamtheit Cassirer ‘Kultur’ Charak ter, in der Art und Form des ›Proce-
nennt (vgl. Orth 1989; 1990), existieren nur dere‹ selbst zu verstehen“ (Cassirer 1982, VII).
im gemeinsamen menschlichen Vollzug der Darüber hinaus k ommt die Verfahrensbe-
geistigen Tätigk eiten — verk ürzt gesprochen zogenheit in Cassirers Arbeitsweise auch da
als Produk te des ›Geistes‹. Denn die Kultur deutlich zum Vorschein, wo er seine Vorstel-
ist für Cassirer eine intersubjek tive Welt, eine lungen von dem der Philosophie angemesse-
Welt, nen Medium beschreibt. Der Philosophie ist
„die nicht in ›mir‹ besteht, sondern die allen Sub- „das Paradies der reinen Unmittelbark eit“
jek ten zugänglich sein und an der sie alle teilhaben verschlossen, und sie vollendet sich „erst in
sollen. Aber die Form dieser Teilhabe ist eine völlig der Schärfe des Begriffes und in der Helle und
andere als in der physischen Welt. Statt sich auf Klarheit des ›disk ursiven Denk ens‹“ (Cassirer
denselben raum-zeitlichen Kosmos von Dingen zu 1985 a, 51). Dabei ist, was auch Cassirers
beziehen, finden und vereinigen sich die Subjek te eigener Schreib- bzw. Denk stil verdeutlicht —
in einem gemeinsamen Tun. Indem sie dieses Tun er verfährt fast vollk ommen ohne Definitio-
miteinander vollziehen, erk ennen sie einander und nen — die Disk ursivität der Schärfe des Be-
wissen sie voneinander im Medium der verschie- griffs insoweit vorgeordnet, als jede philoso-
denen Formwelten, aus denen sich die Kultur auf- phische Bildung eines Begriffs im Vollzug der
baut“ (Cassirer 1980 b, 75). jeweiligen ihr entsprechenden ›Reihe‹ oder
Die hier oder bei Cassirers Erläuterung ›Richtung‹ notwendig diskursiv verfährt,
seiner ›genetischen Erk enntnistheorie‹ auffal- „d. h. sie geht vom besonderen Fall aus, aber nicht
lende Betonung des ›Tuns‹ oder der ›Tätig- um sich in ihn als solchen zu versenk en und in
k eit‹, deren Parallelen in Cassirers histori- seiner Anschauung stehen zu bleiben, sondern um
schen Arbeiten sich schon bei seiner Erörte- von ihm aus das Ganze des Seins in bestimmten
rung von ›genetischen Definitionen‹ oder Richtungen, die eben der empirische Begriff be-
Humboldts Begriff der ›Energie‹ fand, ist ein zeichnet und festlegt, zu durchlaufen. In diesem
Grundcharak terzug seiner Philosophie. Für Prozeß des Durchlaufens, des disk ursiven Denk ens
Cassirer bildet „nicht das bloße Betrachten, empfängt nun auch erst das Einzelne seinen theo-
sondern das Tun [...] den Mittelpunk t, von retisch fixierten ›Sinn‹ und seine Bestimmtheit“
dem für den Menschen die geistige Organi- (Cassirer 1983 b, 95).
sation der Wir k lich
k eit ihren Ausgang Wenn Cassirer die Philosophie der sym-
nimmt“ (Cassirer 1977, 187; vgl. Cassirer bolischen Formen als ‘Phänomenologie der
1947). Diese ›Tätigk eits‹- oder Verfahrensbe- Erk enntnis’ bezeichnet, so bezieht er sich da-
zogenheit seiner Philosophie, die sich von der mit ausdrück lich auf Hegels Projek t einer
k antischen ›Synthesis‹ (c. f. 1.2.) herleitet, ›Phänomenologie des Geistes‹, denn dort sei
aber vorwiegend mit dem Auftreten des Be- am schärfsten ausgesprochen, „daß das Ende,
griffs ‘Funk tion’ und weniger des Begriffs das ›Telos‹ des Geistes nicht erfaßt und nicht
‘Handlung’ verbunden ist, hat es sogar an- ausgesprochen werden k ann, wenn man das-
gemessen erscheinen lassen, sie den ›pragma- selbe als ein für sich bestehendes, wenn man
tischen Tendenzen‹ in der deutschen Philo- es losgelöst und abgesondert von Anfang und
sophie der ersten Jahrzehnte des Mitte nimmt“ (Cassirer 1982, VII).
20. Jahrhunderts zuzurechnen (vgl. Geth- Das für Cassirer offene ›Ende‹ des Geistes
mann 1987; Fellmann 1991, 16 ff). Außerdem ist die Wissenschaft seiner Zeitgenossen; den
bildet sie die Grundlage von Versuchen, Ähn- ›Anfang‹ exemplifiziert für ihn die Welt des
lichk eiten seiner Symboltheorie mit der Se- Mythos. Die philosophische Grundlage dieses
miotik von Charles Sanders Peirce (1839— rudimentären Entwick lungsmodells ist aller-
1914) (s. Art. 32) (vgl. Krois 1981; Paetzold dings k eine Geschichtsphilosophie wie die bei-
1981, 312 f) und seiner Wissenschaftstheorie spielsweise Hegels, die Cassirer unmißver-
mit derjenigen von John Dewey (1859—1952) ständlich k ritisiert (Cassirer 1974 b, 368 f;
(Kaufmann 1966, 140 ff) herauszuarbeiten. Cassirer 1985 g, 330 ff). Cassirer erachtet my-
thisches Denk en nicht als vom wissenschaft-
2.2.2.  Auch innerhalb der Phänomenologie der lichen Fortschritt überholt, er betrachtet es
Erkenntnis wird die Verfahrensbezogenheit vielmehr als einen ständigen und in gewissem
des Cassirerschen Denk ens aufrechterhalten, Sinne unwiderlegbaren Gegenpol philosophi-
schen Denkens (Cassirer 1985 g, 390).
37.  Ernst Cassirer (1874—1945) 533

Den rudimentären Entwic


k lungsbegriff, zugemessen ist. In ihr gelangt sie zu ihrer imma-
der es Cassirer dennoch ermöglicht, mythi- nenten Vollendung, wie auch zu ihrer immanenten
sches Denk en als ›Anfang‹ für immer wieder Begrenzung“ (Cassirer 1985 c, 11).
neu ansetzende Versuche wissenschaftlichen
Denk ens zu behandeln, erarbeitet er in einer 2.2.3.  Die idealtypische mythische Welt als
Art Entwick lungspsychologie bzw. -semiolo- Lebensform k ann, bezogen auf dieses Orien-
gie, die Ähnlichk eiten mit den Arbeiten Jean tierungssystem, systematisch ›früher‹ als die
Piagets (1896—1980) aufweist (Fetz 1981; wissenschaftliche Welt genannt werden, weil
1988). Die Erweiterung des Erk enntnisbe- der zu ihrem Aufbau bevorzugt verwendeten
griffs nach Substanzbegriff und Funktionsbe- Symbolfun k tion, nämlich der Ausdruc k s-
griff ist nämlich auch mit einer verstärk ten funk tion, entwick lungspsychologisch — also
Hinwendung Cassirers zur zeitgenössischen nach den Kriterien einer Wissenschaft wie-
Psychologie verbunden, denn, so Cassirer: derum — die früheste Fähigk eit, und zwar
„Die Systematik des ›objek tiven Geistes‹, de- die der vom Gegenstandsbegriff noch unge-
ren Entwick lung zu den Grund- und Haupt- zähmten Wahrnehmung, entspricht.
aufgaben der Philosophie gehört, verlangt Es ist vor allem diese der Beschäftigung
fort und fort den Hinblick auf jene Probleme Cassirers mit mythischem Denk en zugrunde-
des ›subjek tiven Geistes‹, von denen die Psy- liegende methodische Voraussetzung, die ein
chologie handelt“ (Cassirer 1985 f, 162 f). So halbes Jahrhundert später zu der mit seinem
setzt sich Cassirer außer mit Wundt (vgl. Pe- methodischen Vorgehen stark e Parallelen auf-
ters 1983; s. Art. 31.8) vor allem mit den gegen weisenden und in diesem Zusammenhang
den psychologischen Atomismus gerichteten nicht zufällig auf Piaget beruhenden (Fetz
Forschungen der zeitgenössischen Gestalt- 1981; 1988) Studie Foundations of primitive
psychologie und den entwick lungspsycholo- thought des Ethnologen Christopher Hallpik e
gischen Arbeiten seiner Hamburger Kollegen geführt hat (Hallpike 1979).
William Stern (1871—1938), Clara Stern Aber auch wenn Cassirer so den Mythos
(1877—1945) sowie Heinz Werner (1890— nicht nur historisch, sondern auch systema-
1964) auseinander. Daneben unterhält er tisch als ›gemeinsamen Mutterboden‹ (Cassi-
einen regen geistigen Austausch mit seinem rer 1983 b, 112) aller symbolischen Formen
Cousin, dem Psychiater Kurt Goldstein bezeichnen k ann, ist für ihn ein die Gesamt-
(1878—1965) und erweitert ab den späten heit dieser Formen umfassender Entwick -
zwanziger Jahren seine Beschäftigung mit lungszusammenhang nicht re k onstruierbar:
dem Sprachpsychologen Karl Bühler (1879— „Die Gesamtheit der möglichen Objek tiva-
1963) (s. Art. 38) (Toni Cassirer 1981, 254). tionsstufen des Geistes läßt sich nicht auf eine
Das Ergebnis dieser Kontak te ist unter an- einzige Gerade projizieren, ohne daß in dieser
derem Cassirers Hervorhebung einer Tricho- schematischen Abbildung wesentliche Züge
tomie von Fähigk eiten, denen eine Trichoto- verdunkelt werden“ (Cassirer 1982, 64).
mie von Symbolfunk tionen zugrunde liegt: Sogar innerhalb einer einzigen symboli-
der Wahrnehmung die Ausdruck sfunk tion, schen Form ist laut Cassirer jeder derartige
der Anschauung die Darstellungsfun k tion Versuch, wie er am Beispiel der Sprache k lar
und dem begrifflichen Erk ennen die Bedeu- herausstellt, unstatthaft:
tungsfunk tion. Damit glaubt Cassirer einen „Aber so wenig sich in der tatsächlichen Wirk lich-
allgemeinen Plan der ›ideellen Orientierung‹ k eit der Sprache der sinnliche Ausdruck scharak ter
zu besitzen, und das logische Bedeutungsmoment voneinander
„innerhalb dessen wir nun gewissermaßen die Stelle abtrennen lassen, so ist doch der rein funk tionelle
jeder symbolischen Form bezeichnen k önnen. Frei- Unterschied, der zwischen beiden besteht, unver-
lich nicht in dem Sinne, daß diese Stelle ein für alle k ennbar. Jeder Versuch, das zweite Moment in das
Mal fixiert, daß sie innerhalb dieses Grundplans erste aufzulösen oder es genetisch aus ihm ableiten
durch einen festen Punkt zu bezeichnen wäre. Viel- zu wollen, bleibt vergeblich. Auch rein entwick -
mehr ist es für jede Form bezeichnend, daß sie in lungspsychologisch betrachtet wächst die Funk tion
verschiedenen Phasen ihrer Entwick lung, in den der ›Darstellung‹ nicht stetig aus Bildungen, die der
verschiedenen Stadien ihres geistigen Aufbaues, bloßen Ausdruck ssphäre angehören, hervor, son-
sich zu den drei Grundpolen, die wir hier auszu- dern stellt ihnen gegenüber immer ein spezifisch
zeichnen versuchten, verschieden verhält. Sie rück t Neues, einen entscheidenden Wendepun k t dar“
in dieser Entwick lung von Ort zu Ort — und sie (Cassirer 1982, 130).
erfüllt erst in dieser Bewegung und k raft ihrer den Für Cassirer liegt eine der entscheidenden
Kreis des Seins und den Kreis des Sinnes, der ihr Leistungen der Philosophie der symbolischen
Formen eben darin, solche Wendepunk te und
534 II. Personen

damit die schon angesprochene ›Heterogeni- zuerst in mythischer Form k onzipiert: „Für
tät‹ des Denkraums sichtbar zu machen: die vedische Religion bildet die geistige Kraft
„Denn eben dies ist es, was die ‹Philosophie der des Wortes eines der Grundmotive, aus dem
symbolischen Formen‹ gezeigt und was sie von den sie erwächst; das heilige Wort ist es, das in
verschiedensten Seiten her immer aufs neue bestä- dem Gebrauch, den der Wissende, der Prie-
tigt hat, daß sich alles geistige Leben und alle ster, von ihm macht, zum Herrn über alles
geistige Entwick lung nicht anders als in solchen Sein, über Götter und Menschen wird“ (Cas-
Umbildungen, in derartigen intellek tuellen Meta- sirer 1985 a, 57). Auch der dann in der grie-
morphosen vollziehen kann“ (Cassirer 1985 a, 482). chischen Spek ulation auftauchende Begriff
Den Begriff der Metamorphose bezieht des ›Logos‹ scheine noch mythischen Ur-
Cassirer von Goethe (Cassirer 1973, 145 ff; sprungs zu sein, erweise sich dann aber bei
1991 b, 63 ff; 1991 c, 101 ff), zur Bezeichnung Herak lit (ca. 500 v. Chr.) als philosophisch-
des gleichen Sachverhalts benutzt er überdies spek ulative Grundlage der „einheitlichen und
häufig die Wendung ‘μετάβασις εἰς ἄλλο γέ- unverbrüchlichen Gesetzlich k eit des All“
νος’ (Orth 1985, 193 f), so zum Beispiel, wenn (Cassirer 1985 a, 58).
er betont, „[d]aß jede echte Entwick lung im Bei den Nachfolgern Herak lits falle diese
Grunde immer eine μετάβασις εἰς ἄλλο γένος metaphysische Intuition „in der disk ursiven
ist, die wir zwar aufweisen, aber nicht mehr Betrachtung und Behandlung des Sprachpro-
k ausal erk lären k önnen“ (Cassirer 1980 b, blems in heterogene Bestandteile, in einander
102). widerstreitende logische Einzelthesen ausein-
Cassirers Standardbeispiel für die der in- ander“ (Cassirer 1985 a, 60). Insbesondere
dividuellen Sprachfähigk eit zugrundeliegende stelle sich die vor allem in der Sophistik aus-
Metamorphose ist der Bericht, den die Leh- gefochtene Frage, ob „zwischen der Sprach-
rerin der taubblinden Hellen Keller über den form und der Seinsform, zwischen dem Wesen
ersten Durchbruch des ›Sprachverständnisses‹ der Worte und dem der Dinge, ein natürlicher
ihres Zöglings gegeben hat (vgl. Cassirer oder nur ein vermittelter und k onventioneller
1982, 131 f; 1990, 60 ff). Zusammenhang“ (Cassirer 1985 a, 61) be-
Von ihren primitivsten Gestaltungen bis stehe (s. Art. 62).
hinauf zu ihren höchsten Stufen ist die Spra- Sok rates (ca. 470—399 v. Chr.) schließlich
che nach Cassirer „im rein Ausdruck smäßi- erfasse am Wort „die Bestimmtheit und Ein-
gen gegründet“ (Cassirer 1985 c, 11 f). Doch deutigk eit, die freilich nicht als Tatsache in
als Ganzes k onstituiert und vollendet sie sich ihm gegeben ist, wohl aber als latente For-
erst, „indem sie über dieses Motiv hinaus- derung in ihm liegt. Die vermeinte Einheit der
schreitet“ (Cassirer 1985 c, 12). „So geht die Wortbedeutung wird ihm zum Ausgangs-
Sprache vom Ausdruck ssinn zum reinen Dar- punk t, an dem seine charak teristische Frage,
stellungssinn fort — und sie strebt von diesem die Frage nach dem τί ἔστι, nach dem iden-
beständig dem ›dritten Reich‹, dem Reich der tischen und in sich beharrenden Sein des Be-
reinen Bedeutung zu“ (Cassirer 1985 c, 13). griffs einsetzt“ (Cassirer 1985 a, 61 f).
Dieser Entwick lung der Sprache in ihrer Im Kratylos Platons und insbesondere in
Cassirerschen Beschreibung wird im folgen- seinem Siebten Brief werde dann zum ersten-
den nachgegangen, wobei wie bei Cassirer der mal in der Geschichte des Denk ens der Ver-
eigentlichen Phänomenologie der Sprache die such gemacht, den „Erk enntniswert der Spra-
Geschichte ihrer wissenschaftlichen Erfor- che in rein methodischem Sinne zu bestimmen
schung vorangestellt wird. und zu umgrenzen“ (Cassirer 1985 a, 64). Da-
bei werde die Sprache zwar nur als ein „erster
2.3. Die Sprache in der Geschichte ihrer Anfangspun k t der Er k enntnis“ aner k annt,
wissenschaftlichen Behandlung aber eines ihrer Grundmomente „zum ersten
Mal in seiner prinzipiellen Bestimmtheit“ er-
2.3.1.  Dem Einfluß der Sprache auf die Ge- k annt: „Alle Sprache ist als solche ›Repräsen-
schichte der Wissenschaft hat Cassirer einen tation‹; ist Darstellung einer bestimmten Be-
eigenen Aufsatz gewidmet (Cassirer 1942), die deutung durch ein sinnliches ›Zeichen‹“ (Cas-
Geschichte der wissenschaftlichen Auseinan- sirer 1985 a, 64).
dersetzungen mit der Sprache schildert er am In der Logik des Aristoteles berühren sich
umfassendsten in dem der Sprache gewid- „die Analyse der logischen und die der
meten ersten Band der Philosophie der sym- sprachlichen Formen“ eng (Cassirer 1985 a,
bolischen Formen. 66). „Die logische und die grammatische Spe-
Der ›Begriff der Sprache als Einheit‹ werde k ulation schienen daher hier einander durch-
gängig zu entsprechen und sich wechselseitig
37.  Ernst Cassirer (1874—1945) 535

zu bedingen — wie denn das Mittelalter im Universalsprache die Analyse aller Bewußtseinsin-
Anschluß an Aristoteles an dieser Entspre- halte in ihre letzten Elemente, in die einfachen
chung festgehalten hat“ (Cassirer 1985 a, 66 f) k onstitutiven ›Ideen‹ voraussetzen würde, so k ann
(s. Art. 4). sie mit Erfolg erst dann unternommen werden,
Die Sprachreflexion in der Renaissance be- wenn diese Analyse selbst an ihr Ende gelangt und
handelt Cassirer in dem Essay Die Bedeutung damit das Ziel der ›wahren Philosophie‹ erreicht
des Sprachproblems für die Entstehung der ist“ (Cassirer 1985 a, 68).
neueren Philosophie (1927), wo er drei dort Trotzdem versuchten sich George Dal-
anzutreffende Hauptrichtungen, sich in die garno (1627—1687), John Wilk ins (1614—
Welt der Sprache zu vertiefen, anführt: den 1672) und schließlich auch Leibniz an der
Humanismus, die Sicherung des Rechts der Schöpfung einer Universalsprache (s.
Volk ssprache und die Sprachtheorie des Ni- Art. 64). Leibniz’ Plan einer allgemeinen Cha-
colaus Cusanus (1401—1464). rak teristik erk läre jedoch die spezifische Ei-
Die ›universale Bedeutung‹ des Humanis- gentümlichk eit der Sprache als Laut- und
mus sucht Cassirer an der Tatsache, „daß ihm Wortsprache nicht, da er diese letzten Endes
die Beschäftigung mit der Sprache und mit vielmehr ausschalte:
den literarischen Denk mälern der Vorzeit „Wäre das Ziel der allgemeinen Charak teristik er-
nicht Selbstzweck bleibt, sondern daß aus sei- reicht, wäre jede einfache Idee durch ein einfaches
nem Schulbegriff heraus ein neuer Weltbegriff sinnliches Zeichen und jede k omplexe Vorstellung
und ein neuer Begriff vom Menschen“ er- durch eine entsprechende Kombination solcher Zei-
wachse (Cassirer 1927, 508), herauszustellen. chen ausgedrück t, so wäre alle Besonderheit und
An die von Francesco Petrarca (1304—1374) Zufälligk eit der Einzelsprachen wieder in eine ein-
und Lorenzo Valla (1407—1457) verfochtene zige allgemeine Grundsprache aufgelöst“ (Cassirer
Vorbildhaftigk eit des k lassischen Latein 1985 a, 73).
werde allerdings bald unter anderem von sei- Diese Grundsprache fasse Leibniz als „rei-
ten der empirisch-wissenschaftlichen Natu- nen Idealbegriff, dem sich unsere Erk enntnis
rerk enntnis der Renaissance die Frage ge- fortschreitend annähern muß, um das Ziel der
stellt, ob sich „die lebendige Entwick lung des Objek tivität und Allgemeingültigk eit zu er-
Denk ens in die Formen einer fertigen Sprache reichen“ (Cassirer 1985 a, 73).
einschnüren“ lasse. So drängten „die Empirie, Während für Leibniz und für den gesamten
die Mathematik und die Technik [...] zur Be- Rationalismus das ideelle Sein der Begriffe
freiung von jener Weltherrschaft des Latein und das reale der Dinge durch eine unlösliche
[...]. Sie schaffen sich jetzt geradezu für ihre Korrelation verk nüpft ist, sei diese ›prästa-
eigenen ideellen Aufgaben und Bedürfnisse bilierte Harmonie‹ für den Empirismus auf-
das neue Werk zeug der nationalen Sprachen“ gehoben:
(Cassirer 1927, 510). „Je schärfer er die Sprache nicht als Ausdruck der
Bei Cusanus werde durch die Sprachtheo- Dinge, sondern als Ausdruck der Begriffe nimmt,
rie der spek ulative und der mathematisch- um so bestimmter und gebieterischer muß sich da-
k osmologische Teil seines Werk s zusammen- her für ihn die Frage erheben, ob nicht das neue
gehalten: „Wo immer Cusanus die Beziehung geistige Medium, das hier anerk annt ist, die letzten
zwischen der Sinnenwelt und der intelligiblen ›wirk lichen‹ Elemente des Seins, statt sie zu bezeich-
Welt zu verdeutlichen sucht, greift er auf das nen, vielmehr verfälscht“ (Cassirer 1985 a, 77).
Urphänomen des Sprechens und Verstehens Schließlich vollziehe sich daher innerhalb
zurück , an dem sich nach ihm diese Beziehung des Empirismus eine ›dialek tische Entwick -
unmittelbar erhellt“ (Cassirer 1927, 513). lung‹ und eine ›dialek tische Umk ehr‹, die an
den beiden Extremen der empiristischen
2.3.2.  Nach Cassirer wird schon in der Re- Sprachphilosophie (s. Art. 11) am deutlich-
naissance innerhalb der reinen Sprachphilo- sten heraustrete:
sophie die Orientierung an der Grammatik „Wenn Berk eley den Wahrheits- und Erk enntnis-
von einer auf die Systematik der Mathematik gehalt der Sprache aufzuheben strebt, wenn er in
bezogenen Auffassung der Sprache bedrängt. ihr den Grund alles Irrtums und aller Selbsttäu-
In der Lehre von René Descartes (1596— schung des menschlichen Geistes sieht, so war bei
1650) trete dann der Forderung einer ›mathe- Hobbes der Sprache nicht nur Wahrheit, sondern
sis universalis‹ die Forderung einer ›lingua — alle Wahrheit zugesprochen worden“ (Cassirer
universalis‹ an die Seite. 1985 a, 79).
„Von der Ausführung dieses Planes nimmt freilich Erst in der letzten Phase seines Systems
Descartes Abstand: denn da die Schöpfung der gewinne auch bei George Berk eley (1685—
1753) mit dessen Abk ehr vom sensualistischen
536 II. Personen

Schema die Sprache wieder eine beherr- (1730—1788) (s. Art. 25) weitergeführt werde.
schende Stellung, denn dort habe sich dann Es ist schließlich Herder, dem es gelingt, diese
„die sinnliche Weltansicht selbst mehr und Auffassung der Sprache, „nach der ihr Ur-
mehr in eine rein symbolische umgestaltet“ sprung aller Reflexion des Verstandes ent-
(Cassirer 1985 a, 80). rück t und in das Dunk el des Gefühles und
Trotz des späten Wandels seiner Philoso- seiner unbewußten poetischen Schöpferk raft
phie steht Berk eley für Cassirer außerhalb der zurück verlegt wurde“ (Cassirer 1985 a, 95),
allgemeinen Entwick lung der Auseinanderset- mit der leibnizschen, „die in der Sprache die
zung mit Sprache, bei der „neben die Betrach- höchste Leistung analytischer Denk k raft [...]
tung dessen, was die Sprache als geistige Ge- sah“ (Cassirer 1985 a, 95), zu vereinen, und
samtform ist, immer entschiedener das Inter- zwar dadurch, daß unter dem Einfluß des
esse an der Individualität, an der geistigen englischen Platonismus „der allgemeine
Eigentümlichk eit der einzelnen Sprachen“ Formbegriff, unter dem die Sprache gefaßt
(Cassirer 1985 a, 81) trete. Denn der empi- wird [...] eine entscheidende Wendung da-
risch-psychologischen Beschreibung und Er- durch erfahre“ (Cassirer 1985 a, 97), daß er
k lärung geistiger Vorgänge im Empirismus in den „romantischen Begriff der ›organischen
stehe „eine andere Anschauung gegenüber, Form‹“ (Cassirer 1985 a, 97) übergeht. Somit
die auf die ›Form‹ dieser Vorgänge gerichtet werde für Herder „die Sprache ganz als ein
ist und die diese Form in ihrer ursprünglichen Erzeugnis der unmittelbaren Empfindung
und unzerlegbaren Ganzheit zu erfassen und zugleich ganz als ein Werk der Reflexion,
strebt“ (Cassirer 1985 a, 84). Diese neue An- der Besinnung gefaßt“ (Cassirer 1985 a, 96).
schauung, die ihren systematisch-philosophi- Den Kontext von Herders Begriff der ›Re-
schen Mittelpunk t im englischen Platonismus flexion‹ erläutert Cassirer wie folgt:
findet — Cassirer widmet ihm später ein eige- „Die Einheit des Bewußtseins ist nach Leibniz nur
nes Buch (Cassirer 1932 e) — liege dem Auf- durch die des geistigen Tuns, nur durch die Einheit
k ommen des Geniebegriffs zugrunde und er- der Verk nüpfung möglich, in der der Geist sich
reiche ihre vollendete literarische Darstellung selbst als beharrliche und identische Monas erfaßt
bei Anthony Ashley Cooper Shaftesbury und in der er ferner ein und denselben Inhalt, wenn
(1671—1713) (Cassirer 1985 a, 84 f). Hier er ihm zu verschiedenen Zeiten entgegentritt, als
wird für Cassirer die ›innere Form‹, der Zen- ein und dasselbe Wesen wiedererk ennt. Diese Form
tralbegriff Humboldts, entdeckt: des ›Wiedererk ennens‹ ist es, die bei Leibniz als
„In seinem Ich vermag jeder von uns unmittelbar ‘Apperzeption’, bei Herder als ‘Reflexion’, bei Kant
ein individuelles Formprinzip, vermag er seinen als ‘Synthesis der Rek ognition’ gefaßt wird“ (Cas-
eigentümlichen ›Genius‹ zu erfassen, den er sodann, sirer 1985 a, 96).
im besonderen wie im ganzen, als die stets verschie- Cassirers eigene systematische Arbeit hat
dene und doch mit sich identische formgebende von diesen Zusammenhängen, wie er sie zwi-
Macht, als den ›Genius des Universum‹ wiederfin- schen Leibniz, Kant und Herder gesehen hat,
det. Beide Gedank en entsprechen und bedingen entscheidende Anregungen erfahren. So ist
einander — die empirische Subjek tivität drängt, sein Begriff des ›Bewußtseins‹ wesentlich von
wahrhaft verstanden und gedeutet, notwendig über Leibniz beeinflußt (Cassirer 1962, 355 ff; Ka-
sich selbst hinaus und mündet in den Begriff des jon 1988, 255), und Herders Begriff der ›Re-
›allgemeinen Geistes‹ ein“ (Cassirer 1985 a, 85). flexion‹ wird im dritten Band der Philosophie
der symbolischen Formen in direk ten Zusam-
2.3.3.  Dem so bestimmten Begriff der ›Sub- menhang mit dem für Cassirer zeichen- und
jek tivität‹ erwächst nach Cassirer „eine neue wahrnehmungstheoretisch zentralen Begriff
wahrhaft universelle Auffassung der Sponta- der symbolischen Prägnanz (Cassirer 1982,
neität des Geistes“ (Cassirer 1985 a, 90). Der 222 ff) gebracht (vgl. Krois 1987, 52 ff). Durch
auf dieser Auffassung beruhenden Sprach- Herder wird schließlich der „Begriff der in-
theorie trete im 18. Jahrhundert aber auch dividuellen Form [...] über die ganze Weite
noch die auf Epik ur (ca. 341—270 v. Chr.) des geistigen Daseins ausgebreitet“, indem
und Luk rez (ca. 99—55 v. Chr.) zurück ge- jetzt überall ein ›Allgemeines‹ und zwar als
hende „Ableitung der Sprache aus dem Af- eine ›Einheit‹ gesucht wird, „die sich nur in
fek t“ (Cassirer 1985 a, 91) zur Seite. Diese der Allheit der Besonderungen darstellt“
Ableitung liege der Theorie der Urworte bei (Cassirer 1985 a, 99).
Giambattista Vico (1668—1744) (s. Art. 24) „Für die Sprachphilosophie bedeutet dies, daß sie
zugrunde, die von Jean-Jacques Rousseau auf das Bestreben, hinter der individuellen Man-
(1712—1778) und Johann Georg Hamann nigfaltigk eit und der historischen Zufälligk eit der
Einzelsprachen die allgemeine Stru
k tur einer
37.  Ernst Cassirer (1874—1945) 537

Grund- und Ursprache zu entdeck en ein für allemal heit wie diese zu finden, um den gleichen
verzichten lernt, daß auch sie die wahre Allgemein- Gehalt exak ter, unverbrüchlicher Gesetze zu
heit des ›Wesens‹ der Sprache nicht in der Abstrak - erwerben“ (Cassirer 1985 a, 120), ein Pro-
tion von den Besonderungen, sondern in der To- gramm, das allein dadurch beständig in Ge-
talität dieser Besonderungen sucht. In dieser Ver- fahr schwebte, daß der Begriff der Natur sich
bindung der Idee der organischen Form und der mehr und mehr als eine bloß scheinbare Ein-
Idee der Totalität ist der Weg bezeichnet, auf wel- heit erwies. Der Begriff des Lautgesetzes wan-
chem Wilhelm von Humboldt seine philosophische delt sich dementsprechend von der Bezeich-
Weltansicht gewinnt, die zugleich eine neue Grund- nung strenger und ausnahmloser Notwendig-
legung der Sprachphilosophie in sich schließt” keit zu einem ›bloßen Gesetz der Mode‹.
(Cassirer 1985 a, 99). Die völlige Sprengung des positivistischen
Den Verlauf der Sprachwissenschaft im Schemas der Betrachtung tritt laut Cassirer
19. Jahrhundert nach Humboldt betrachtet in den Schriften Karl Vosslers (1872—1949)
Cassirer unter dem Blick wink el der Ausein- zutage. Er stellte dem Begriff der ›Entwick -
andersetzung mit der Frage, inwieweit sich lung‹ der Sprache den Begriff der Sprache als
der auf dem „Gebiet der spek ulativen Sprach- Schöpfung gegenüber:
betrachtung“ erfolgreich angewandte Begriff „Was sich an ihr, als gegebene Gesetzlichk eit eines
des Organismus auch innerhalb der empiri- bestimmten Zustandes in der Form von Regeln
schen Forschung als brauchbar erweise (Cas- festhalten läßt, ist ein bloßes Petrefak t; aber hinter
sirer 1985 a, 108). Wenn dem Entwick lungs- diesem bloß Gewordenen stehen nun erst die ei-
begriff der romantischen Philosophie der bio- gentlichen k onstitutiven Ak te des Werdens, die
logische Entwick lungsbegriff der modernen ständig sich erneuernden geistigen Zeugungsak te.
Naturwissenschaft gegenübertrete und auch Und in ihnen, auf denen das Ganze der Sprache
in der Betrachtung der Lebensphänomene der wesentlich beruht, soll nun auch die wahrhafte Er-
spek ulative Begriff der organischen Form k lärung des Einzelnen der Spracherscheinungen ge-
mehr und mehr durch ihren reinen naturwis- funden werden“ (Cassirer 1985 a, 121).
senschaftlichen Begriff zurüc
k gedrängt Für die Sprachbetrachtung bestehe mit
werde, dann wirk e dies unmittelbar auf die dem Ansatz Vosslers, der sich dabei an Be-
Betrachtung der sprachlichen Phänomene zu- nedetto Croce (1866—1952) anschließe, die
rück (vgl. Cassirer 1985 a, 109). Gefahr, „in der Ästhetik , als allgemeine Wis-
senschaft des Ausdruck s, aufzugehen“ (Cas-
2.3.4.  Diesen geistigen Wandlungsprozeß sirer 1985 a, 122). Cassirer selbst glaubt, daß
sk izziert Cassirer anhand der wissenschaftli- Sprachphilosophie nur dann als ›Sonderfeld
chen Entwick lung August Schleichers (1821— der Ästhetik ‹ bezeichnet werden k önne,
1868), deren Ende der Versuch bildet, die Dar- „wenn man [...] die Aufgabe der Ästhetik der-
winsche Theorie der Evolution für die ›Or- art allgemein faßt, daß sie sich zu dem er-
ganismen der Sprache‹ geltend zu machen. weitert, was wir hier als die Aufgabe einer
Doch habe Schleicher „in seiner Wandlung universellen ›Philosophie der symbolischen
von Hegel zu Humboldt nur eine Form der Formen‹ zu bestimmen versucht haben“ (Cas-
Metaphysik gegen eine andere vertauscht“ sirer 1985 a, 122 f).
(Cassirer 1985 a, 113), und erst den Jung-
grammatik ern, die die Einheit der Mannig- 2.4. Zur Phänomenologie
faltigk eit sprachlicher Tatsachen im Begriff der sprachlichen Form
des sprachlichen Gesetzes gesucht hätten, sei
es gelungen, „das gelobte Land des Positivis- Nach Cassirer liegt die Aufgabe, „die ver-
mus auch wirk lich zu betreten“ (Cassirer schiedenen Formen der Begriffs- und Klas-
1985 a, 113 f). Cassirer hebt hervor, inwieweit senbildung, die in den Einzelsprachen wirk -
vom Standpunk t der allgemeinen Wissen- sam sind, zu beschreiben und sie in ihren
schaftsgeschichte den „verschiedenen Phasen, letzten geistigen Motiven zu verstehen, [...]
die der Begriff des Naturgesetzes durchläuft, jenseits des Gebiets und der methodischen
[...] mit fast lück enloser Vollständigk eit, eben- Möglichk eiten der Sprachphilosophie“ (Cas-
soviel verschiedene Auffassungen der sprach- sirer 1985 a, 269 f). Doch es hebten sich „auch
lichen Gesetze entsprechen“ (Cassirer 1985 a, hier in der Vergleichung der besonderen Phä-
114). So sollte im Sinne der Positivisten die nomene gewisse allgemeine Gesichtspunk te
Sprachwissenschaft „auf die Naturwissen- heraus, nach denen die Sprache in ihren Klas-
schaft bezogen, sollte an ihrem Aufbau ori- sifi
k ationen und Zuordnungen verfährt“
entiert werden, um in sich die gleiche Sicher- (Cassirer 1985 a, 270). Cassirers Sprachphi-
losophie zielt darauf ab
538 II. Personen

„diese Gesichtspunk te derart zu ordnen, daß man beschreiben und die demgemäß nur mit einem Ver-
dabei jenen ständigen Fortgang vom ›Konk reten‹ bum verbunden werden k önnen. Viele Verba besit-
zum ›Abstrak ten‹, der die Richtung der Sprachent- zen eine Fülle derartiger, ihnen allein zugehöriger
wick lung überhaupt bestimmt, als leitendes Prinzip qualifizierender Adverbia, von denen die meisten
benutzt; wobei man sich freilich gegenwärtig halten Lautbilder, lautliche Nachbildungen sinnlicher Ein-
muß, daß es sich hier nicht um eine zeitliche, son- drücke sind“ (Cassirer 1985 a, 139 f).
dern um eine methodische Schichtung handelt und Außerdem betrachtet Cassirer die überall
daß demnach in einer gegebenen historischen Ge- verbreiteten onomatopöetischen Ausdrüc k e
stalt der Sprache die Schichten, die wir hier ge- als Repräsentanten der mimischen Stufe. Er
dank lich zu sondern versuchen, neben — und mit- k ritisiert die historischen Versuche, aus ihnen
einander bestehen und sich in der mannigfachsten eine neue Ursprache zu rek onstruieren, hält
Weise übereinander lagern k önnen“ (Cassirer aber die Ansicht, mit dem Prinzip der Ono-
1985 a, 270). matopöie über einen Weg zu einer mittelbaren
Drei Stufen dieser Schichtung werden un- Vorstellung von den relativ ältesten Schichten
terschieden, die des mimischen, des analogi- der Sprachbildung zu gelangen, offensichtlich
schen und des symbolischen Ausdruck s (vgl. für plausibel. In fast allen Sprachgebieten
Cassirer 1985 a, 139). Die Parallelität dieser werden laut Cassirer
Trichotomie zu derjenigen von Ausdruck , „gewisse Konsonanten und Konsonantengruppen
Darstellung und Bedeutung ist offenk undig, als ›natürliche Lautmetaphern‹ verwendet, denen
handelt es sich doch um die Spezialisierung [...] eine gleichartige oder ähnliche Bedeutungs-
von Gebrauchsweisen nur eines Mediums. funk tion zuk ommt — wie z. B. die labialen Reso-
nanzlaute mit auffallender Regelmäßig k eit die
2.4.1.  Richtung zum Sprechenden hin, die explosiven
Die Stufen des mimischen und des Zungenlaute die Richtung vom Sprechenden fort
analogischen Ausdrucks bezeichnen, so daß die ersteren als ›natürlicher‹
Beispiele für die Stufe des mimischen Ge- Ausdruck des ›Ich‹, die letzteren als ›natürlicher‹
brauchs findet Cassirer vor allem in den Spra- Ausdruck des ›Du‹ erscheinen“ (Cassirer 1985 a,
chen der Naturvölker. Dort lasse sich 142 f).
Mit letzterem Phänomen ist nach Cassirer
„noch heute deutlich erk ennen, wie in ihnen die eigentlich schon die zweite Stufe des analo-
Gebärdensprache nicht nur neben der Lautsprache gischen Ausdrucks erreicht.
stehen bleibt, sondern wie sie diese selbst, ihrer „Denn jetzt handelt es sich nicht mehr darum, einen
Formung nach, noch entscheidend bestimmt. Über- einzelnen sinnlichen Gegenstand oder einen einzel-
all findet sich hier jene charak teristische Durch- nen sinnlichen Eindruck in einem nachahmenden
dringung, der gemäß die ›Wortbegriffe‹ dieser Spra- Laute festzuhalten, sondern die qualitative Abstu-
chen nur dann ganz erfaßt und verstanden werden fung in einer Gesamtreihe von Lauten dient dem
k önnen, wenn man sie zugleich als mimische und Ausdruck einer reinen Beziehung. Zwischen der
als ›Handbegriffe‹ (manual concepts) versteht. Die Form und Eigenart dieser Beziehung und den Lau-
Gebärde ist mit dem Wort, die Hände sind mit dem ten, in denen sie sich darstellt, besteht k ein Ver-
Intellek t derart verk nüpft, daß sie wahrhaft einen hältnis der direk ten materialen Ähnlichk eit mehr
Teil von ihm zu bilden scheinen. Auch in der Ent- — wie denn überhaupt die bloße Materie des Lau-
wick lung der Kindersprache trennt sich der Laut tes als solche nicht fähig ist, reine Verhältnisbestim-
nur ganz allmählich von der Gesamtheit der mi- mungen wiederzugeben“ (Cassirer 1985 a, 143).
mischen Bewegungen ab: selbst relativ hohe Stufen Daneben zeige sich „diese ›analogische
derselben zeigen ihn diesem mimischen Ganzen Entsprechung‹ zwischen Laut und Bedeutung
noch völlig eingebettet“ (Cassirer 1985 a, 132). in der Funk tion gewisser weitverbreiteter und
Ein Beispiel für diese mimische Stufe der typischer Grundmittel der Sprachbildung, wie
Sprache glaubt Cassirer in der von Diedrich z. B. in dem Gebrauch, der von dem lautli-
Westermann (1875—1956) beschriebenen chen Mittel der Reduplik ation für die Wort-
Grammatik der Ewe-Sprache zu finden: und Formenbildung, sowie für die Syntax ge-
„Die Sprache lehnt sich hier noch so eng an den macht wird“ (Cassirer 1985 a, 145).
k onk reten Einzelvorgang und sein sinnliches Bild
an, daß sie ihn mit dem Laut gleichsam auszu-
2.4.2. Die Stufe
schöpfen versucht, daß sie sich nicht an einer all-
des symbolischen Ausdrucks
gemeinen Bezeichnung genügen läßt, sondern jede
besondere Nuance des Vorgangs auch mit einer Die symbolische Stufe erreichten Sprachen
besonderen, eigens für diesen Fall bestimmten da, wo sie sich in allmählicher Ablösung von
Lautnuance begleitet. So gibt es z. B. im Ewe und der ›Sinnlichk eit‹ als Ausdruck smittel von
in einigen verwandten Sprachen Adverbien, die nur Anschauungsformen erwiesen:
eine Tätigk eit, einen Zustand oder eine Eigenschaft „Der Schritt von der Welt der Empfindung zu der
der ›reinen Anschauung‹, den die Erk enntnisk ritik
37.  Ernst Cassirer (1874—1945) 539

als ein notwendiges Moment im Aufbau der Er- 167).


k enntnis, als eine Bedingung des reinen Ichbegriffs, Cassirer zeigt, daß es in fast allen Sprachen
wie des reinen Gegenstandsbegriffs aufweist, hat die ›Raumdemonstrativa‹ gewesen seien, die
daher in der Sprache sein genaues Gegenbild. Es den Ausgangspunk t für die Bezeichnung der
sind auch hier die ›Formen der Anschauung‹, in Personalpronomina gebildet hätten. Auch
deren Aufbau sich die Art und Richtung der in der von den Relationen der Zeit gelte, daß ihr
Sprache waltenden geistigen Synthesis zunächst be- reiner Beziehungscharak ter „immer nur in der
k undet, und nur durch das Medium dieser Formen Verschmelzung und Verhüllung [...] insbeson-
hindurch, nur durch die Vermittlung der Anschau- dere mit Dingcharak teren und Eigenschafts-
ungen von Raum, Zeit und Zahl vermag die Spra- charak teren“ hervortrete (Cassirer 1985 a,
che ihre wesentlich logische Leistung: die Gestal- 174). Infolge des auch hier beobachtbaren
tung der Eindrück e zu Vorstellungen zu vollziehen. Abstrak tionsprozesses jedoch erreichten voll-
Vor allem ist es die räumliche Anschauung, an der entwick elte Sprachen die Möglichk eit, sich
sich dieses Ineinander des sinnlichen und des gei- zur Kennzeichnung eines Vorgangs oder eines
stigen Ausdruck s in der Sprache durchgehend be- Tuns anstelle aller Einzelheiten des Verlaufs
weist“ (Cassirer 1985 a, 149 f). nur des Anfangs- und Endpunk tes, des Sub-
Die besondere Bedeutung des Ausdruck s jek ts des Tuns und seines objek tiven Ziels
räumlicher Beziehungen sieht Cassirer darin, bedienen zu müssen (vgl. Cassirer 1985 a,
daß die Sprache mit ihnen ein ›Schema‹ be- 179).
sitze, auf das sie alle intellek tuellen Vorstel- Was die sprachliche Entwick lung des Zahl-
lungen beziehen müsse: „Es ist, als würden begriffs betrifft, spricht nach Cassirer einiges
alle gedank lichen und ideellen Beziehungen dafür, „daß es nicht sowohl das dingliche
dem Sprachbewußtsein erst dadurch faßbar, Neben- und Auseinander der Gegenstände
daß sie sie auf den Raum projiziert und in oder Vorgänge als vielmehr die Trennung des
ihm analogisch ›abbildet‹“ (Cassirer 1985 a, ›Ich‹ und ›Du‹ gewesen ist, an der sich das
152). Bewußtsein der Zahl zuerst entfaltet hat“
Cassirer beschreibt, wie mit der Gestaltung (Cassirer 1985 a, 203). Das ›k onk rete Denk en
der Demonstrativpronomina und der daraus der Zahl‹ beruhe sowohl auf den Leistungen
entstehenden Unterscheidung der räumlichen des Raum- als auch des Zeitbewußtseins.
Stellen und der räumlichen Entfernungen die „Von der Unterscheidung der räumlichen Objek te
ersten Ansatzpunk te für den Aufbau der ob- her gelangt die Sprache zu ihrem Begriff und ihrem
jek tiven Wirk lichk eit, zur Bestimmung der Ausdruck der k ollek tiven Vielheit — von der Un-
Gegenstände gegeben seien (vgl. Cassirer terscheidung der zeitlichen Ak te gelangt sie zu ih-
1985 a, 154 f). rem Ausdruck der Besonderung und Vereinzelung“
Dabei scheine die Richtung des Prozesses, (Cassirer 1985 a, 199).
den die Sprache nehme, um zu allgemeinen Cassirer erläutert, inwieweit sich aufgrund
Raumbestimmungen und Raumbezeichnun- unterschiedlicher Ak zentuierungen der Her-
gen zu gelangen, ›von innen nach außen‹ zu leitung des Zahlbegriffs aus Raum- oder Zeit-
gehen: vorstellungen beispielsweise unterschiedliche
„Nachdem sich für den Menschen das Bild des grammatische Möglichk eiten zur Pluralbil-
eigenen Körpers einmal scharf ausgeprägt hat, dung ergäben (vgl. Cassirer 1985 a, 199 f). Des
nachdem er ihn als einen in sich geschlossenen und weiteren erwägt er die Auswirk ungen von
in sich gegliederten Organismus erfaßt hat, dient rhythmischen Grunderlebnissen, die beim
er ihm gleichsam zum Modell, nach welchem er Tun des Menschen anfielen auf das sprachli-
sich das Ganze der Welt aufbaut. Hier besitzt er che „Bewußtsein der reinen Zeitform und der
eine ursprüngliche Koordinationsebene, auf die er reinen Zahlform“ (Cassirer 1985 a, 202), und
sich im weiteren Fortgang immer wieder zurück - er referiert Humboldts Theorie des Dual und
zieht und zurück bezieht — und der er demgemäß die selten anzutreffenden Bedingungen der
auch die Benennungen entnimmt, die dazu dienen, Steigerung von Adjek tiven (vgl. Cassirer
diesen Fortgang sprachlich zu bezeichnen“ (Cassi- 1985 a, 207 f).
rer 1985 a, 159).
Mit der wachsenden Bestimmtheit, die so 2.4.3. Die Erschließung
die äußere Anschauung gewinne, gelange der inneren Anschauung
auch die innere erst zur wahrhaften Entfal-
tung: „gerade die Gestaltung der Raumworte Zum Bereich der mit sprachlichen Mitteln
wird für die Sprache zum Medium für die erfaßten Anschauung zählt Cassirer auch das
Bezeichnung des Ich und für seine Abgren- Gebiet der ›inneren Anschauung‹. Dessen Er-
zung gegen andere Subjek te“ (Cassirer 1985 a, schließung erläutert er anhand der ›Phasen
des Ichbegriffs‹. Die Entwick lung des Ichbe-
540 II. Personen

griffs sei nicht nur an das Pronomen gebun- Diese Vermittlung des rein ›personalen‹ durch den
den, sondern erfolge ebensosehr durch andere ›possessiven‹ Ausdruck zeigt sich nach der psycho-
sprachliche ›Sphären‹, wie zum Beispiel logischen Seite hin in der Entwick lung der Kinder-
„durch das Medium des Nomen und durch sprache, in welcher die Bezeichnung des eigenen
das Medium des Verbum hindurch“ (Cassirer Ich weit früher durch possessive als durch personale
1985 a, 214) (s. Art. 79). Es zeige sich, Pronomina zu erfolgen scheint“ (Cassirer 1985 a,
„daß die Anschauung des Selbst, der Seele, der 226).
Person dort, wo sie in der Sprache aufzuleuchten Cassirer disk utiert des weiteren den Streit
beginnt, zunächst noch verhaftet an den Körpern innerhalb der Sprachwissenschaft, „ob die
k lebt — wie ja auch in der mythischen Anschauung Urworte, von denen die Sprache ihren Aus-
die Seele und das Selbst des Menschen anfangs als gang nahm, verbale oder nominale Natur be-
bloße Wiederholung, als ›Doppelgänger‹ des Leibes saßen, ob sie Dingbezeichnungen oder Tätig-
gedacht wird“ (Cassirer 1985 a, 216). k eitsbezeichnungen gewesen seien“ (Cassirer
Cassirer erörtert verschiedene Mittel der 1985 a, 233). Seiner Meinung nach zeigt die
Herausbildung der Ichvorstellung: den Ge- Erk enntnisk ritik , „daß sowohl der Begriff des
gensatz einer Personen- und einer Sa- Dings, wie der der Eigenschaft oder des Zu-
chenk lasse in den Sprachen, die ihre Nomina stands gleich berechtigte und gleich notwen-
untergliedern, oder in anderen Sprachen die dige Bedingungen im Aufbau der Erfahrungs-
Benennung persönlicher Wesen im Gegensatz welt sind“ (Cassirer 1985 a, 235), und er be-
von Sachbezeichnungen mit Hilfe eines be- tont ihre Korrelativität:
sonderen ›persönlichen Artik els‹ oder ver- „Nicht darum handelt es sich daher, ob der Ak t
schiedener Formen des Nominativs oder der Benennung zuerst Dinge oder Tätigk eiten als
durch besondere Präfixe. Bei den Verben führt an sich seiende Bestimmtheiten der Wirk lichk eit
er am Beispiel einiger Einzelsprachen die Aus- ergreift, sondern darum, ob er im Zeichen der einen
wirk ungen der verschiedenen Behandlungen oder der anderen sprachlich-gedank lichen Kate-
des Unterschieds zwischen Ak tiv und Passiv gorie steht, — ob er gleichsam sub specie nominis
auf den Ichbegriff vor. Er zeigt, inwiefern oder sub specie verbi erfolgt“ (Cassirer 1985 a, 237).
dessen Entwick lung auch durch eine Vielfalt Die Sprachvergleichung zeige, worauf
unterschiedlicher Verbalformen zur Differen- schon Humboldt hingewiesen habe, oft „statt
zierung eines Handlungsverlaufs, zum Bei- der scharfen Trennung des Verbums vom No-
spiel ›Stativ‹, ›Inchoativ‹, ›Cessativ‹ etc., be- men eine mittlere, eine gleichsam amorphe
günstigt wird. „Neben diesen Unterschieden, Form“ (Cassirer 1985 a, 239). Es sei vergeb-
die im wesentlichen die Handlung nach ihrem lich, ein allgemeines Schema der Herausbil-
objek tiven Charak ter betreffen, k ann sodann dung der Kategoriensysteme von Sprachen
in der Verbalform vor allem die eigene innere aufstellen zu wollen, es sei nur möglich, diese
Stellungnahme, die das Ich ihr gegenüber k onk reten Fälle der Ausdruck sformen auf be-
nimmt, zum Ausdruck gelangen“ (Cassirer stimmte ›Grundtypen‹ zu beziehen (vgl. Cas-
1985 a, 221). Beispiele dafür bilden der Kon- sirer 1985 a, 241). Als Beispiele für die von
junk tiv, ein ›Prek ativ‹ oder ein ›Imperativ‹ etc. der gegenständlichen Anschauung beherrsch-
Cassirer erwähnt Sprachen, in denen ›Koope- ten Typen nennt Cassirer die Sprachen des
rationsformen‹ des Verbums oder besondere altaischen Kreises und vor allem das Japani-
›Kollek tiv-Infixe‹ verwendet würden, „um da- sche (Cassirer 1985 a, 240 f); den von der Be-
mit anzudeuten, daß irgendeine Handlung stimmung des reinen, unpersönlichen Vor-
nicht von einem einzelnen, sondern in Ge- gangs ausgehenden Typ, bei dem das Verbum
meinschaft vorgenommen wird“ (Cassirer der eigentliche Mittelpunk t der Sprache sei,
1985 a, 223). findet er prinzipiell in den amerik anischen
Die Entwick lung der eigentlichen Prono- Sprachen verwirk licht, und Beispiele für Spra-
mina zur Bezeichnung des Personalen erfolge chen, „die zu einer rein personalen Gestaltung
von der in den Possessivpronomina festge- der verbalen Handlung übergegangen sind“,
haltenen ›Idee des Besitzes‹ her: liefern seiner Meinung nach einige semitische
„Was besessen wird, ist ein Ding oder Gegenstand: Sprachen (Cassirer 1985 a, 247 f).
ein Etwas, das sich schon durch die Tatsache, daß
es zum Besitzinhalt wird, als bloße Sache zu erk en- 2.4.4. Sprache
nen gibt. Aber indem nun diese Sache als Eigentum als Ausdruck begrifflichen Denkens
erk lärt wird, erhält sie damit selbst eine neue Ei-
genheit, rück t sie aus der Sphäre des bloß natürli- An Cassirers Überblick über die sprachlichen
chen in die des persönlich-geistigen Daseins. [...] Ausdruck smöglichk eiten zur Erfassung von
Zusammenhängen im Bereich der Anschau-
37.  Ernst Cassirer (1874—1945) 541

ung schließt sich die Behandlung der Sprache durch das Bestreben gek ennzeichnet, „Laut
als Ausdruck des begrifflichen Denk ens an. und Bedeutung dadurch in ein strenges Ver-
Das Problem der Begriffsbildung bezeichnet hältnis zueinander zu setzen, daß bestimmten
für Cassirer den Punk t, „an dem Logik und begrifflichen Bedeutungszeichen bestimmte
Sprachphilosophie sich aufs nächste berühren Lautreihen als ihre Entsprechung zugeordnet
[...]“ (Cassirer 1985 a, 249). Dabei zeichnet werden“ (Cassirer 1985 a, 266 f). So würden
sich die frühe sprachliche Begriffsbildung zum Beispiel indogermanische Verwandt-
durch ihre Nähe zum ›Tun‹ der Menschen schaftsnamen durch eine gemeinsame Endung
aus. zu einer in sich geschlossenen Reihe verbun-
„Von der im engeren Sinne logischen Form der den und damit zu Ausprägungen ein und des-
Begriffsbildung unterscheidet sich die sprachliche selben ›Begriffs‹ gestempelt, der jedoch nicht
Begriffsbildung vor allem dadurch, daß in ihr nie- als eine selbsttätige und ablösbare Einheit
mals ausschließlich die ruhende Betrachtung und außerhalb der Reihe selbst besteht, sondern
Vergleichung der Inhalte entscheidend ist, sondern dessen Bedeutung eben in dieser Funk tion der
daß die bloße Form der ›Reflexion‹ hier überall mit Zusammenfassung der Einzelglieder der
bestimmten dynamischen Motiven durchsetzt ist, Reihe aufgeht.
— daß sie ihre wesentlichen Antriebe niemals allein Insofern die Sprache auf diese Weise den
aus der Welt des Seins, sondern immer zugleich aus Umstand, daß bestimmte Inhalte generisch
der des Tuns empfängt. Die Sprachbegriffe stehen zusammengehören, zur Darstellung bringt,
noch überall auf der Grenze zwischen Ak tion und „so dient sie schon damit als ein Vehik el des intel-
Reflexion, zwischen Tun und Betrachten“ (Cassirer lek tuellen Fortschritts, gleichviel ob es ihr zu er-
1985 a, 257). fassen und zu bezeichnen gelingt, worin dieser Zu-
Die Wörter der Sprache samenhang besteht. Auch hierin bewährt sie sich
„sind nicht sowohl die Wiedergabe feststehender als Vorwegnahme einer Aufgabe, die ihre eigent-
Bestimmtheiten der Natur und der Vorstellungs- liche Lösung freilich erst in der wissenschaftlichen
welt, als sie vielmehr Richtungen und Richtlinien Erk enntnis finden k ann: sie wird gleichsam zur
des Bestimmens selbst bezeichnen [...]. Wenn man Präsumtion des logischen Begriffs“ (Cassirer
daher von den Begriffen überhaupt gesagt hat, daß 1985 a, 268 f).
das Prinzip ihrer Bildung statt als ein Prinzip der Die meisten Beispiele für Verfahren der Zu-
›Abstrak tion‹ vielmehr als ein Prinzip der Selek tion sammenhangsbildung in den Sprachen der
zu bezeichnen sei, — so gilt dies vor allem für die Naturvölk er zeigten sich zwar als „ganz von
Form der sprachlichen Begriffsbildung“ (Cassirer sinnlichen Motiven beherrscht“ (Cassirer
1985 a, 260 f). 1985 a, 270), doch bewahre die Sprache im-
Cassirers Ansichten über die sprachliche mer auch „die Kraft, das Ganze des Seins,
Begriffsbildung stehen somit in engem Zu- sofern es als räumliches Ganzes genommen
sammenhang mit seinen Ausführungen über wird, als einen Komplex von Beziehungen zu
die logischen Grundlagen der wissenschaftli- erfassen und es aus ihnen gewissermaßen her-
chen Begriffsbildung in Substanzbegriff und auswachsen zu lassen“ (Cassirer 1985 a, 272).
Funktionsbegriff. Laut Cassirer scheinen die Motive,
Denn auch im ersten Band der Philosophie „durch welche die Sprache in ihren Klassenbildun-
der symbolischen Formen weist Cassirer die gen geleitet wird, [...] durchweg [...] den primitiven
assoziative psychologische Erk lärung der Be- Begriffsformen und Klasseneinteilungen noch nahe
griffsbildung, wie sie z. B. von Wilhelm verwandt zu sein. Auch hier bewährt sich, daß die
Wundt (1832—1920) (s. Art. 31) vorgetragen Sprache als geistige Gesamtform auf der Grenze
wurde, zurück (Cassirer 1985 a, 267 f); seine zwischen Mythos und Logos steht, und daß sie
eigene Erk lärung der sprachlichen Begriffs- andererseits die Mitte und Vermittlung zwischen
bildung dagegen beruht auf der Beschreibung der theoretischen und der ästhetischen Weltbe-
des Fortschreitens der Sprache „von einer rein trachtung darstellt“ (Cassirer 1985 a, 273).
›qualifizierenden‹ Auffassung zur ›generalisie- Allerdings hebt Cassirer hervor, daß sich
renden‹ (Cassirer 1985 a, 262) oder auch k las- die theoretischen Züge der Sprache mit der
sifizierenden Begriffsbildung. Qualifizierende Zeit immer stärker bemerkbar machten:
Begriffsbildung liege vor allem in den Spra- „Aber die innere Logik der Sprache bek undet sich
chen der Naturvölk er vor. Sie besäßen so nichtsdestoweniger darin, daß die Unterscheidun-
„eine Ausdruck sfülle, die von unseren Kul- gen, die sie schafft, nicht alsbald wieder vergehen
tursprachen niemals auch nur annähernd er- und sich verflüchtigen, sondern daß sie eine Art
reicht wird“ (Cassirer 1985 a, 262). Der Fort- von Beharrungstendenz, eine eigentümliche logi-
gang von der rein qualifizierenden zur k las- sche Konsequenz und Notwendigk eit besitzen, ver-
sifizierenden sprachlichen Begriffsbildung sei möge deren sie sich nicht nur selbst behaupten,
542 II. Personen

sondern sich auch mehr und mehr von einzelnen Sprachen der Trieb zur Verk nüpfung bei wei-
Teilen der Sprachbildung über das Ganze derselben tem vorzuherrschen:
ausdehnen“ (Cassirer 1985 a, 278). „Das Ganze des Seins wird in ein einziges Satz-
Wort zusammengedrängt, in dem es nun gleichsam
2.4.5. Sprache als Ausdruck eingek apselt und wie von einer festen Schale um-
der logischen Beziehungsformen schlossen erscheint. Aber eben diese Einheit des
Sprachausdruck s ist insofern noch nicht echte ge-
Diese Tendenz der Sprache zum Logisch-All- dank liche Einheit, als sie nur auf Kosten der logi-
gemeinen „bei all ihrer Gebundenheit und schen Allgemeinheit eben dieses Ausdruck s gewon-
Verflochtenheit in die Welt des Sinnlichen und nen werden k ann“ (Cassirer 1985 a, 287) (s.
des Imaginativen“ (Cassirer 1985 a, 279) be- Art. 76).
stätigt auch Cassirers, den ersten Band der Demgegenüber stelle sich in den flek tieren-
Philosophie der symbolischen Formen abschlie- den Sprachen ein ganz anderes Verhältnis der
ßende Betrachtung der Beziehung der Spra- beiden Grundk räfte der Analysis und der
che zur Urteilssphäre und den Relationsbe- Synthesis, der Sonderung und Vereinigung,
griffen. Außerdem erläutert Cassirer dort den dar (vgl. Cassirer 1985 a, 287). Dort nämlich
Status, den seine Unterscheidung zwischen trete der Beziehungsindex, „k raft dessen das
sinnlicher Empfindung, Anschauung und be- einzelne Wort mit der Gesamtheit des Satzes
grifflichem Denk en im Rahmen seiner Er- verk nüpft wird, nicht mehr äußerlich an das
kenntniskritik besitzt: Wort heran, sondern er verschmilzt mit ihm
„Von der Sphäre der sinnlichen Empfindung zu der und wird zu einem seiner k onstitutiven Ele-
der Anschauung, von der Anschauung zum begriff- mente“ (Cassirer 1985 a, 287), womit Diffe-
lichen Denk en und von dieser wieder zum logischen rentiation zum Wort und Integration zum
Urteil führt für die erk enntnisk ritische Betrachtung Satz k orrelative Methoden bildeten. Cassirer
ein stetiger Weg. Die Erk enntnisk ritik ist sich, in- möchte sich zurück haltender und sk eptischer
dem sie diesen Weg durchmißt, bewußt, daß die als Humboldt und die ältere Sprachphiloso-
einzelnen Phasen desselben, so scharf sie in der phie verhalten, die die Flexionssprachen für
Reflexion voneinander geschieden werden müssen, den Gipfel der Sprachbildung überhaupt er-
doch niemals als voneinander unabhängige, losge- achtet hätten, hält es aber für „unverk ennbar,
löst existierende Gegebenheiten des Bewußtseins daß für die Ausbildung des rein beziehentli-
anzusehen sind. Vielmehr schließt hier nicht nur chen Denk ens in den Flexionssprachen in der
jedes k omplexere Moment das einfachere, nicht nur Tat ein außerordentlich wichtiges und wirk -
jedes ›spätere Moment‹ das ›frühere‹ ein — sondern sames Organ geschaffen ist“ (Cassirer 1985 a,
umgek ehrt, ist auch jenes in diesem vorbereitet und 288).
angelegt. Alle Bestandteile, die den Begriff der Er- Weitere Möglichk eiten sprachlicher Aus-
k enntnis k onstituieren, sind wechselseitig aufein- formungen ›beziehentlichen Denk ens‹ sieht
ander und auf das gemeinsame Ziel der Erk enntnis, Cassirer mit der Verk nüpfung von Einzelsät-
auf den ›Gegenstand‹ bezogen: die genauere Ana- zen gegeben. Sogar in den höchsten Kultur-
lyse vermag daher in jedem einzelnen von ihnen sprachen bilde sich die Fähigk eit zur Hypo-
schon den Hinweis auf alle übrigen zu entdeck en“ taxe nur ganz langsam heraus. Ebenso scheine
(Cassirer 1985 a, 280). das „Pronomen relativum [...] in der Entwick -
Auch in der Sprache bewährt sich nach lung der Sprache überall eine späte, und wenn
Cassirer „dieselbe unlösliche Korrelation der man die Gesamtheit der Sprachen überblick t,
geistigen Mittel“, und zwar darin, „daß nicht eine verhältnismäßig seltene Bildung darzu-
das einfache Wort, sondern erst der Satz das stellen“ (Cassirer 1985 a, 291).
eigentliche und ursprüngliche Element aller „In alledem bewährt sich, daß dasjenige, was Hum-
Sprachbildung ist“ (Cassirer 1985 a, 280) (s. boldt den Ak t des selbsttätigen, des synthetischen
Art. 63). Cassirer erachtet den ›Primat des Setzens in den Sprachen genannt hat, und was er,
Satzes vor dem Wort‹ als eines der wichtigsten außer im Verbum, besonders im Gebrauch der
und sichersten Ergebnisse auch der empirisch- Konjunk tionen und des Relativpronomens ausge-
psychologischen Analyse der Sprache (vgl. prägt sah, eines der letzten ideellen Ziele der
Cassirer 1985 a, 281). Cassirer erläutert, Sprachbildung ist, zu dem sie nur durch mannig-
warum auch die Struk tur der sogenannten faltige Vermittlungen gelangt. In besonderer
›isolierenden Sprachen‹ wie des Chinesischen Schärfe und Deutlichk eit stellt sich dies schließlich
nicht als Widerlegung des Primats des Satzes in der Ausgestaltung derjenigen Sprachform dar,
gelten k ann, und schildert mögliche Formen die sich ihrer Grundbedeutung nach von allem
der inneren Gliederung eines Satzes zwischen dinglich-substantiellen Ausdruck prinzipiell schei-
den beiden Grundk räften Analysis und Syn- det, um lediglich dem Ausdruck der Synthesis als
thesis. So scheine in den ›polysynthetischen‹
37.  Ernst Cassirer (1874—1945) 543

solcher, dem Ausdruck der reinen Verk nüpfung zu sentlichen von der symbolischen Form My-
dienen. Im Gebrauch der Kopula erst gewinnt die thos geprägt ist. Auch für die ›Ursprünge‹ der
logische Synthesis, die sich im Urteil vollzieht, ihre Sprache nämlich gilt wie für alle symbolischen
adäquate sprachliche Bezeichnung und Bestim- Formen:
mung. Schon die Kritik der reinen Vernunft hat sich „Sie alle treten nicht sogleich als gesonderte, für
in ihrer Analyse der reinen Urteilsfunk tion auf sich seiende und für sich erk ennbare Gestaltungen
diesen Zusammenhang hingewiesen gesehen. Das hervor, sondern sie lösen sich erst ganz allmählich
Urteil bedeutet für sie die ›Einheit der Handlung‹, von dem gemeinsamen Mutterboden des Mythos
durch welche das Prädik at auf das Subjek t bezogen los“ (Cassirer 1983 b, 112).
und mit ihm zu einem Sinnganzen, zur Einheit eines Cassirers Interesse an den ›Ursprüngen‹ der
objek tiv bestehenden und objek tiv gegründeten Zu- Sprache besteht also nicht in der Rek onstruk -
sammenhangs verk nüpft wird. Und diese intellek - tion einer innerhalb der rek onstruierten Le-
tuelle Einheit der Handlung ist es nun, die in der bensform Mythos entspringenden ›Urspra-
sprachlichen Verwendung der Kopula ihre Darstel- che‹, derartige Versuche k ritisiert er deutlich
lung und ihr Gegenbild findet“ (Cassirer 1985 a, (Cassirer 1983 b, 100 ff) (s. Art. 65), sondern
293). er bezieht sich auf die Art und Weise der
Cassirer weist darauf hin, daß in einer gro- Verflochtenheit zweier symbolischer Formen
ßen Zahl von Sprachen die Kopula in unse- in ihren frühen Ausprägungen.
rem logisch-grammatischen Sinne unbek annt „Ursprünglich“, stünden „Sprache und Mythos in
sei, und wenn sie auftrete, hafte ihr oft „eine einer unlöslichen Korrelation, aus der sie sich erst
örtliche oder zeitliche Nebenbedeutung an“ allmählich als selbständige Glieder herauslösen. Sie
(Cassirer 1985 a, 294). Schließlich umreißt er sind verschiedene Sprossen ein und desselben Triebs
die Auswirk ungen der Tatsache, daß „die der symbolischen Formung, die aus demselben
Sprache ein und dasselbe Wort benutzt, um Grundak t der geistigen Bearbeitung, der Konzen-
den Begriff der Existenz und um den der tration und Steigerung der einfachen Sinnesan-
prädi
k ativen Verbindung zu bezeichnen“ schauung hervorgehen“ (Cassirer 1983 b, 149).
(Cassirer 1985 a, 297), innerhalb der Ge- Cassirer gewinnt seine Ansichten über die
schichte der Philosophie. So lasse sich von Verfaßtheit dieser ursprünglichen Korrelation
„den Eleaten an das große Ringen verfolgen, in der Auseinandersetzung mit Hermann Use-
das der philosophische Idealismus mit der ners (1834—1905) Anspruch, allein auf dem
Sprache und mit der Vieldeutigk eit ihres Wege der Wortanalyse die Bildung der Göt-
Seinsbegriffs zu führen“ (Cassirer 1985 a, 296) terbegriffe rek onstruieren zu k önnen (Usener
habe. Cassirer nennt Parmenides (ca. 510— 1896). Useners Betrachtung, so Cassirer,
450 v. Chr.), Platons Sophistes und Johann „sucht bis zu einem Punk te vorzudringen, an
Gottlieb Fichte (1762—1814) als Repräsen- dem beides, der Gott wie sein Name, im Be-
tanten der Disk ussion um den Status der Ko- wußtsein zuerst entspringt“ (Cassirer 1983 b,
pula. Am Ende jedoch bewähre sich auch 90 f). Cassirer zeigt, daß Useners Arbeit sich
„an dem allgemeinen Beziehungsausdruck , der sich statt auf dem Boden der Sprachgeschichte
in der Kopula darstellt, die gleiche Grundrichtung vielmehr auf dem seiner eigenen ›Phänome-
der Sprache, die wir in aller sprachlichen Gestal- nologie des Geistes‹ befinde, denn „es wird
tung der besonderen Beziehungsbegriffe verfolgen aus der Grundstruk tur des sprachlichen und
k onnten. Es ist dieselbe Wechselbeziehung des mythischen Bewußtseins schlechthin, aus
Sinnlichen durch das Geistige, des Geistigen durch einem allgemeinen Gesetz der sprachlichen
das Sinnliche, die wir auch hier wiederfinden — und religiösen Begriffsbildung zu verstehen
wie wir sie zuvor in der sprachlichen Darstellung versucht“ (Cassirer 1983 b, 91).
der Raum- und Zeitbeziehung, der Zahlbeziehung Daß Useners Ergebnisse nach einem Ein-
und der Ich-Beziehung gefunden haben“ (Cassirer wand Wundts selber nur logische Postulate
1985 a, 299). seien, glaubt Cassirer mit dem Hinweis auf
zeitgenössische ethnologische Forschungen
2.5. Sprache und Mythos widerlegen zu k önnen, die auch Cassirers
eigene ›Phänomenologie‹ des mythischen
Cassirers Analyse der vielfältigen Wirk sam- Sprechens stützen sollen. Cassirer beschreibt
k eit sprachlicher Phänomene versucht sich das mythisch-religiöse ›Urphänomen‹ folgen-
natürlich auch an dem ›ersten‹ Auftreten von dermaßen:
Sprache innerhalb der idealtypischen, unter „Es ist, als ob dort, wo der Mensch im Banne
anderem mit den Mitteln der Entwick lungs- dieser mythisch-religiösen Anschauung steht, die
psychologie und der Völk erk unde rek onstru- ganze Welt für ihn versunk en wäre. Der augen-
ierten mythischen Welt, d. h. innerhalb der blick liche jeweilige Inhalt, auf den sich das religiöse
Lebensform Mythos, deren Gestalt im we-
544 II. Personen

Interesse spannt, füllt das Bewußtsein vollständig Kraft des Ganzen, seine Bedeutung und Wirk sam-
aus, so daß nichts mehr neben ihm oder außer ihm keit in sich“ (Cassirer 1983 b, 151).
besteht“ (Cassirer 1983 b, 103). Es ist diese den ›Grundsatz des pars pro
Den diesem Moment entsprechenden pri- toto‹ exemplifizierende Auffassung, die nach
mären mythischen Begriff nenne Usener ‘Au- Cassirer als das eigentliche Grundprinzip von
genblick sgott’. Cassirer stellt fest, daß auch sprachlicher und mythischer Metaphorik be-
der ›Genesis der Benennungen‹ ein solcher zeichnet werden k ann und dem gesamten ma-
Moment der ›Intensivierung der Sinnesan- gischen Denk en zugrundeliegt. Daß die Me-
schauung‹ zugrunde liege (vgl. Cassirer tapher als eine der k onstitutiven Bedingungen
1983 b, 149). Der Grund für diese Überein- der Sprache angesehen werden k ann, erläutert
stimmung bestehe darin, daß in Mythos und Cassirer damit, daß sich der mit Hilfe von
Sprache ein und dieselbe Form der geistigen Useners ›Augenblick sgöttern‹ bereits vorge-
Auffassung, nämlich „die Form des metapho- führte „Ak t der Konzentration [...], der schon
rischen Denk ens“ (Cassirer 1983 b, 145) wirk - für die Bildung jedes einzelnen Sprachbegrif-
sam sei, was zum Auftreten der ›radik alen fes die unerläßliche Voraussetzung“ (Cassirer
Metapher‹ als einer Bedingung der Sprach- 1983 b, 154) bilde, sich auch von verschiede-
bildung sowie der mythischen Begriffsbildung nen Inhalten aus und in verschiedenen Rich-
führe. Im Falle dieser ›radik alen Metapher‹, tungen vollziehen k önne, womit „an zwei
einer Formulierung, die sich schon bei Max k omplexen Anschauungen das gleiche Mo-
Müller (1823—1900) (Müller 1870, 386 f) fin- ment als das ›wesentliche‹ und bedeutsame,
det, liege „nicht nur eine Übertragung, son- als das bedeutunggebende erfaßt“ werde, die
dern eine echte μετάβασις εἰς ἄλλο γένος vor; „Gleichheit des im Wort festgehaltenen Mo-
ja es wird hierbei nicht nur in eine andere, ments [...] alle sonstige Heterogeneität der
bereits bestehende Gattung übergegangen, Anschauungsinhalte mehr und mehr zurück -
sondern die Gattung, in die der Übergang treten“ lasse und sich somit „der Teil an die
erfolgt, wird selbst erst erschaffen“ (Cassirer Stelle des Ganzen“ setze (Cassirer 1983 b,
1983 b, 148) (s. Art. 1, 91). 154).
Denn, so erläutert Cassirer diesen Vorgang, Im Verlauf dieser Erläuterungen, die alle
schon die primitivste sprachliche Äußerung dem Aufsatz Sprache und Mythos entstam-
erfordert men, gibt Cassirer auch aus ›phänomenolo-
„die Umsetzung eines bestimmten Anschauungs- gischer‹ Perspek tive Ausk unft über den Hin-
oder Gefühlsgehaltes in den Laut, also in ein diesem tergrund der frühesten sprachlichen Begriffs-
Inhalt selbst fremdes, ja disparates Medium: wie bildung im interessegeleiteten Tun, womit er
auch die einfachste mythische Gestalt erst k raft diesbezügliche Ausführungen aus Zur Phä-
einer Umformung entsteht, durch die ein bestimm- nomenologie der sprachlichen Form (Cassirer
ter Eindruck der Sphäre des Gewöhnlichen, des 1985 a, 257) noch einmal unterstreicht.
Alltäglichen und Profanen enthoben und in den Cassirers Bezeichnung für diese Abhängig-
Kreis des ›Heiligen‹ des mythisch-religiös ›Bedeut- k eit der ersten sprachlichen Begriffe von im
samen‹ gerückt wird“ (Cassirer 1983 b, 148). Handeln sichtbaren ›Bedeutsamk eiten‹ ist ihr
Die Frage, welche dieser beiden metapho- ›teleologischer Charak ter‹ (Cassirer 1983 b,
rischen Umsetzungen die frühere sei, hält 108; 1985 a, 260 ff), ein weiterer Ausdruck für
Cassirer für nicht mehr entscheidbar, statt- den Cassirers phänomenologische Rek on-
dessen betont er das ideelle Verhältnis, in dem struktionen leitenden Grundsatz:
die Sprachform zur mythischen Form steht: „Die Zuordnungen im Sein vollziehen sich nach
„[...] wie die eine in die andere eingreift und Maßgabe des Tuns, also nicht nach der ›objek tiven‹
sie in ihrem Gehalt bedingt“ (Cassirer 1983 b, Ähnlichk eit der Dinge, sondern nach der Art, wie
148). die Inhalte durch das Medium des Tuns erfaßt und
Im Gegensatz zum logischen Denk en walte miteinander in einen bestimmten Zweck zusammen-
im sprachlichen und im mythischen Denken hang eingeordnet werden“ (Cassirer 1983 b, 107 f).
„das Gesetz der Nivellierung und Auslöschung der
spezifischen Differenzen [...]. Jeder Teil eines Gan- 2.6. Funktionen der Sprachverwendung
zen erscheint dem Ganzen selbst, jedes Exemplar
einer Art oder einer Gattung erscheint der Gattung 2.6.1. Sprache als Mittel der
als solcher äquivalent. Der Teil repräsentiert nicht Gegenstandsbildung
etwa nur das Ganze, das Individuum oder die Art
Cassirer versteht seine an die Psychologie und
vertritt nicht nur die Gattung, sondern sie sind
die Theoriestandards der zeitgenössischen ex-
beides; sie stellen beides nicht nur für die mittelbare
ak ten Wissenschaften ank nüpfenden Bemer-
Reflexion dar, sondern sie fassen unmittelbar die
k ungen zum Medium Sprache jenseits der bis-
37.  Ernst Cassirer (1874—1945) 545

her referierten, die an Ergebnisse k ulturwis- führen zu ihm hin; sie sind k onstitutive Bedingun-
senschaftlicher Forschung anschließen, als gen seiner Möglichkeit“ (Cassirer 1985 e, 122).
Einlösung Humboldtscher Ansprüche an die Cassirer versucht nun, die urbildliche, k on-
Sprachphilosophie (Pariente 1969; Nadeau stitutive Funk tion der Sprache festzuhalten
1979; Mayer 1986): und ihre Leistungsfähigk eit nicht nur von ih-
„Nichts ist vielleicht so bezeichnend für die Erwei- ren ›Gebilden‹ her — unter Gefahr der Über-
terung und Vertiefung, die die Sprachphilosophie betonung abbildender Beziehungen mithin —
durch Wilhelm von Humboldt erfahren hat, als der sondern vom Sprachprozeß aus zu begreifen:
Umstand, daß Humboldt seine Frage von Anfang „Humboldt hat gesagt, daß die wahre Definition
an nicht lediglich an die Welt der Begriffe, sondern der Sprache nur eine genetische sein k önne. Wir
auch an die Wahrnehmungs- und Anschauungswelt müssen, um die Sprache zu verstehen, nicht bei
richtet. Auch hier findet er die Vorstellungsart, als ihren Gebilden stehen bleiben, sondern dem inne-
sei die Sprache nur dazu bestimmt, die schon an ren Gesetz des Bildens nachspüren — wir dürfen
sich wahrgenommenen Gegenstände im Laute zu sie nicht als ein Fertiges und Erzeugtes, sondern
bezeichnen, nirgends bestätigt. Durch eine solche wir müssen sie als eine Erzeugung, als eine sich
Auffassung läßt sich nach Humboldt der volle und ewig wiederholende Arbeit des Geistes betrachten“
tiefe Gehalt der Sprache niemals erschöpfen. Der (Cassirer 1985 e, 125).
Mensch denk t und begreift die Welt nicht nur durch Cassirers These ist es, mit der psychischen
das Medium der Sprache; sondern schon die Art, Funk tion des ›gegenständlichen Vorstellens‹
wie er sie anschaulich sieht und wie er in dieser über eine ›Provinz des Seelischen‹ zu verfügen,
Anschauung lebt, ist durch eben dies Medium be- an deren Struk tur sich „vielleicht indirek t ein
dingt. Seine Erfassung einer ›gegenständlichen‹ Zeugnis über das Werden und Wachsen der
Wirk lichk eit — die Art, wie er diese als Ganzes vor Sprache gewinnen“ ließe, an deren „Entwick -
sich hinstellt und wie er sie im einzelnen formt, wie lung vielleicht das Bildungs- und Gestaltungs-
er sie abteilt und gliedert; dies alles ist schon ein gesetz, dem sie untersteht“ ablesbar sei (Cas-
Werk , das sich ohne die Mitwirk ung, ohne die sirer 1985 e, 125 f):
lebendige ›Energie‹ der Sprache nicht vollziehen „›Gegenständliches‹ Vorstellen, so will ich darzu-
und nicht vollenden läßt. In diesen Grund- und legen suchen — ist nicht der Anfang, von dem der
Leitsätzen der Humboldtschen Sprachphilosophie Prozeß der Sprachbildung ausgeht, sondern das
war auch der Psychologie eine bedeutsame Aufgabe Ziel, zu dem dieser Prozeß hinführt; ist nicht sein
gestellt“ (Cassirer 1982, 240). terminus a quo, sondern sein terminus ad quem. Die
Der Erfüllung dieses Programms der Re- Sprache tritt nicht in eine Welt der fertigen gegen-
k onstruk tion von Gegenstandsk onstitutionen ständlichen Anschauung ein, um hier zu den ge-
dienen hauptsächlich Cassirers Vortrag Die gebenen und k lar gegeneinander abgegrenzten Ein-
Sprache und der Aufbau der Gegenstandswelt zeldingen nur noch ihre ›Namen‹ als rein äußerliche
(1985 e) sowie Auseinandersetzungen mit der und willk ürliche Zeichen hinzuzufügen — sondern
Aphasieforschung. Im genannten Vortrag sie ist selbst ein Mittel der Gegenstandsbildung, ja
wiederholt Cassirer zunächst seinen üblichen sie ist im gewissen Sinne das Mittel, das wichtigste
Einwand gegenüber der abbildtheoretischen und vorzüglichste Instrument für die Gewinnung
Auffassung geistiger Funk tionen. Diese sei und den Aufbau einer reinen ›Gegenstandswelt‹
spätestens seit Kants ›k opernik anischer Dre- (Cassirer 1985 e, 126).
hung‹ durch die auf der Synthesis, also Selbst- Diese Gegenstandswelt unterteilt sich für
tätigk eit beruhende urbildliche Auffassung er- Cassirer dreifach: in die ›Welt der äußeren
setzt worden. Die hier wie häufig in Cassirers Gegenstände‹, die ›Welt des eigenen Ich‹ und
Werk auftretende Unterscheidung zwischen die ›soziale Welt‹ (vgl. Cassirer 1985 e, 140).
abbildenden und urbildlichen Funk tionen ist Als Ziel, „dem alle gegenständliche Vorstel-
selber k antisch und geht zurück auf die Un- lung zustrebt und auf das sie gerichtet ist“,
terscheidung zwischen intellectus ectypus und bezeichnet er die ›geistige Einheitsbildung‹
intellectus archetypus in der Kritik der Urteils- (Cassirer 1985 e, 130). Diese Einheitsbildung
kraft, § 77 (Cassirer 1975 b, 375). Die urbild- vollzieht sich entwick lungspsychologisch in
lichen Funktionen, diese einer bestimmten Reihenfolge:
„geistigen Spiegelungen des Universums, die wir in „Der erste Schritt, den das Ich auf seinem Wege
der Erk enntnis, in der Kunst und in der Sprache zur Objek tivität vollzieht, führt es ja nicht in eine
besitzen [...], sind Taten des Geistes — und jede Welt der Gegenstände, der bloßen ›Dinge‹ hinaus;
dieser ursprünglichen Taten baut einen eigenen und sondern früher als diese Dingwelt, als die Welt des
neuen Umriß, einen bestimmten Horizont der Ge- ›Es‹, tritt die Welt als ›Du‹ in seinen Blick punk t
genständlichk eit für uns auf. Sie k ommen nicht ein“ (Cassirer 1985 e, 140).
einfach vom fertigen Gegenstand her, sondern sie
546 II. Personen

Diese Ansicht vertritt Cassirer schon im Lage, sich seinem Lebensraum „objek tiv ge-
dritten Band der Philosophie der symbolischen genüberzustellen, geschweige sich ihn als ein
Formen bei der Erörterung der Leistungen der einheitliches Ganzes von bestimmter Struk tur
Ausdruck sfunk tion. Die vom Kind als erstes zu vergegenwärtigen“ (Cassirer 1985 e, 127).
vollzogene, bei Tieren vorherrschende (vgl. Den typisierten Moment, in dem der Mensch
Cassirer 1985 a, 89) und das mythische Den- diese Fähigk eit erreicht, beschreibt Cassirer
k en prägende Ausdruck sfunk ion wird dort als folgendermaßen:
Voraussetzung des Wissen vom ›Fremdseeli- „Jetzt verändert sich, mit einem Schlag, der gesamte
schen‹ (Cassirer 1982, 92) und damit als ein Lebenshorizont. Der bloße Handlungsraum wird
Garant der andauernden Wirk samk eit my- zum Blick raum; der Ak tionsk reis wird zum Ge-
thischen Denk ens auch innerhalb einer von sichtsk reis. Und eben dieser Übergang, diese με-
Wissenschaft und Technik geprägten Welt be- τάβασις εἰς ἄλλο γένος ist es, an dem die Sprache
zeichnet. Cassirer hat die Ich-Du Beziehung wesentlich beteiligt ist. Es scheint eine Entwick -
außerdem in Zur Logik der Kulturwissenschaf- lungsphase der Sprache zu geben, in der dieser
ten k urz thematisiert (Cassirer 1980 b, 50 f; Durchbruch sich noch unmittelbar erfassen — in
110; Kajon 1988, 261 ff), wie er überhaupt in der er sich sozusagen mit Händen greifen läßt. Alle
seinem Spätwerk der gesellschaftlichen Ver- Beobachter und Darsteller der Kindersprache
ank erung des Menschen größere Aufmerk - haben bei diesem Punk t verweilt, haben die ent-
samkeit schenkt (Cassirer 1990, 338). scheidende ›Revolution der Denk art‹ hervorgeho-
In seinen Schriften nach der Philosophie ben, die für das Kind in dem Augenblick einsetzt,
der symbolischen Formen wendet sich Cassirer in dem zuerst das sprachliche Symbolbewußtsein
immer stärk er einer anthropologischen Fun- in ihm erwacht“ (Cassirer 1985 e, 128).
dierung seiner Philosophie zu. Sie erlaubt es
ihm, den Unterschied zwischen Mensch und 2.6.2. Sprache und das Reich des Möglichen
Tier präzise — nämlich auf der Unterschei-
dungsfähigk eit zwischen ‘wirk lich’ und ‘mög- Cassirer erläutert den hier geschilderten
lich’ beruhend — zu k ennzeichnen (Cassirer ›Durchbruch‹ als Übergang des ›Lebens‹ in
1930, 248): die ›Form der Darstellung‹. Den dabei ver-
„Einen Unterschied zwischen ‘wirk lich’ und ‘mög- wendeten Darstellungsbegriff übernimmt er
lich’ gibt es weder für die Wesen, die unter dem von Bühler (Cassirer 1982, 128):
Menschen stehen, noch für die, die über ihm stehen. „Das ›Ist‹ der Kopula ist die reinste und prägnan-
Die Wesen unterhalb des Menschen sind auf die teste Ausprägung für diese neue Dimension der
Welt ihrer Sinneswahrnehmungen beschränk t. Sie Sprache, die man — mit einem Terminus, den Büh-
sind empfänglich für tatsächliche physische Reize ler im Anschluß an Husserl eingeführt hat — als
und reagieren auf diese Reize, aber sie k önnen sich ihre Darstellungsfunk tion beschreiben k ann“ (Cas-
k eine Idee von ›möglichen‹ Dingen bilden. Ande- sirer 1985 c, 10).
rerseits k ennt der übermenschliche Verstand, der Cassirer verweist auf den ›Namenshunger‹
göttliche Geist, k einen Unterschied zwischen Wirk - eines sich am Anfang seines Verfügens über
lichk eit und Möglichk eit / A difference between die Darstellungsfunk tion befindenden Kin-
‘real’ and ‘possible’ exists neither for the being des, der sich in ständigem Fragen manife-
below man nor for those above him. The beings stiere. Es sei unzureichend, ihn bloß als Aus-
below man are confined within the world of their druck intellek tueller Neugier zu beschreiben,
sense perceptions. They are susceptible to actual entscheidend sei vielmehr die neue Möglich-
physical stimuli and react to these stimuli. But they k eit der Gewinnung und Fixierung bestimm-
can form no idea of ›possible‹ things. On the other ter gegenständlicher Vorstellungen (vgl. Cas-
hand the superhuman intellect, the divine mind, sirer 1985 e, 128 f).
k nows no distinction between reality and possibil- Cassirer hat sich zur Unterscheidung ver-
ity“ (Cassirer 1990, 92 / 1944, 56). schiedener Entwick lungsstufen auf dem Weg
Die wichtigste Voraussetzung für diese zum sprachlichen Symbolbewußtsein nicht
›Zwischenstellung des Menschen‹ (Lorenz nur der Beobachtung ihres Aufbaus in der
1990, 21 ff) zwischen Tier und Gott ist die Entwick lungspsychologie, sondern auch der
Fähigk eit, sich verschiedener symbolischer Beobachtung der Folgen ihres Abbaus in der
Formen zu bedienen. Cassirer definiert den Sprachpathologie bedient:
Menschen dementsprechend als animal sym- „Die Einheit des Namens dient zum Kristallisa-
bolicum (Cassirer 1990, 51). Das Tier, so tionspunk t für die Mannigfaltigk eit der Vorstellun-
schreibt Cassirer im Anschluß an Forschun- gen: die an sich heterogenen Phänomene werden
gen Jak ob von Uexk ülls (1864—1944), sei im dadurch homogen und gleichartig, daß sie sich auf
Gegensatz zum Menschen dabei weder in der einen gemeinsamen Mittelpun k t beziehen. Und
k raft dieser Beziehung erst werden sie nun auch als
37.  Ernst Cassirer (1874—1945) 547

Erscheinungen ein und desselben ›Gegenstandes‹ (Cassirer 1982, 324).


und als seine ›Abschattungen‹ gedeutet. Wo die Der Eroberung des mit dem Werk zeugge-
Kraft der ›Nennfunk tion‹ auf Grund pathologi- brauch eröffneten ›Reichs des Möglichen‹
scher Störungen erlahmt — da scheint alsbald auch (Cassirer 1985 d, 81) durch die Technik hat
das Band der gegenständlichen Einheit sich wieder Cassirer einen eigenen Aufsatz Form und
zu lock ern. An Stelle dieser Einheit tritt die Verein- Technik (1930) gewidmet. Die Bedeutung des
zelung; an Stelle der k ategorialen Ordnung und ›Reichs des Möglichen‹ beziehungsweise des
Geschlossenheit tritt die bunte, aber beziehungslose Verfügens über ›produk tive Einbildungsk raft‹
Fülle“ (Cassirer 1985 e, 130 f). (Cassirer 1982, 317) im Sprachgebrauch zeigt
Zugang zur Sprachpathologie und zur sich für ihn am auffälligen Unvermögen
Apraxieforschung bek am Cassirer vor allem aphasisch Krank er, sich sprachlicher Analo-
durch Goldstein. Ähnlich wie Roman Jak ob- gien und Metaphern zu bedienen, was an de-
son (1896—1982) (vgl. Jak obson 1969), den ren Unfähigk eit liege, einen spontanen Wech-
er 1941 k ennenlernte (T. Cassirer 1981, 282), sel des ›Gesichtspunk ts‹ vorzunehmen, bezie-
und wie der ihm darin folgende Maurice Mer- hungsweise außer Tatsächlichem, nur Vor-
leau-Ponty (1908—1961) (vgl. Merleau-Ponty handenem, auch bloß-Vorgestelltes oder
1974) erhoffte Cassirer von den wissenschaft- Mögliches ›aussagen‹ zu k önnen. Die Kran-
lichen Beobachtungen aphasischer und k en seien zu einer Einordnung ein und des-
aprak tischer Krank er gleichsam ex negativo selben Erfahrungselements in verschiedene,
Aufschluß über Aufbaugesetze des Geistes zu gleich mögliche, Relationszusammenhänge
erlangen. Im Bereich der damit befaßten Un- unfähig (vgl. Cassirer 1982, 299 f).
tersuchungen finden sich auch zum ersten Schon bei der Ausführung seiner ›geneti-
Mal Bemerk ungen über den Zusammenhang schen‹ Ansicht der Erk enntnis in Substanz-
von Handeln und Sprechen im ›mittelbaren‹ begriff und Funktionsbegriff betont Cassirer
Verhalten (Cassirer 1982, 324). Dort und zwar die Bezogenheit des „Ganze[n] unserer intel-
vor allem beim Sprach- und Werk zeugge- lek tuellen Operationen [...] auf die Idee eines
brauch zeigt sich für Cassirer das den Men- ›stehenden und bleibenden‹ Geltungsbereichs
schen als animal symbolicum auszeichnende objek tiv notwendiger Beziehungen“ (Cassirer
Verfügen über die Unterscheidung ‘wirk lich/ 1980 a, 418 f). Hier, bei seiner Auseinander-
möglich’ am deutlichsten und machen sich setzung mit den Aphasik ern liegt ihm daran
folgerichtig beeinträchtigte Symbolfun k tio- zu verdeutlichen, inwiefern die Behinderung
nen auch am ehesten bemerkbar: des Umgangs mit dieser Idee nicht nur zum
„Die Form des sprachlichen Denk ens und die Form Ausfall wissenschaftlicher Erk enntnisverfah-
des Werk zeug-Denk ens scheinen hier nahe mitein- ren, sondern zur Unfähigk eit des zusammen-
ander verk nüpft und aufeinander angewiesen zu hängenden Gebrauchs ›beziehentlichen Den-
sein. In der Sprache wie im Werk zeug erobert sich k ens‹ (vgl. Cassirer 1982, 300) überhaupt und
der Mensch die neue Grundrichtung des ›mittel- damit zur Unsichtbark eit von den Menschen
baren‹ Verhaltens, die ihm spezifisch-eigentümlich normalerweise auszeichnenden Möglichk eiten
ist. Er wird jetzt in seiner Vorstellung der Welt wie führt.
in seinem Wirk en auf sie von dem Zwang des Der gewöhnliche Sprachgebrauch verweist
sinnlichen Triebes und des nächsten Bedürfnisses nach Cassirer vorwiegend auf die Mittel der
frei. An Stelle des direk ten Zugreifens bilden sich Anschauung. Das gilt zum Beispiel für die
jetzt neue und andere Arten der Aneignung, der Raum, Zeit und Zahl repräsentierenden Re-
theoretischen und prak tischen Beherrschung aus: lationszusammenhänge, denen im Bereich des
der Weg vom ›Greifen‹ zum ›Begreifen‹ ist beschrit- ›natürlichen Weltbildes‹ (Cassirer 1982, V) al-
ten. Es scheint, als wäre der aphasische und aprak - lerdings noch die ›Farbe des Sinnlichen‹ (Cas-
tische Krank e auf diesem Wege, den die Menschheit sirer 1985 c, 13) anhaftet. Doch bleibt die
sich langsam und stetig bahnen mußte, um eine Sprache laut Cassirer „nicht im Kreise des
Stufe zurück geworfen. Alles bloß Mittelbare ist Anschaulich-Faßbaren stehen, sondern sie
ihm irgendwie unverständlich geworden; alles nicht wagt es, nach dem Letzten und Höchsten im
Handgreifliche, nicht dire
k t-Daseiende entzieht Reich des Gedank ens zu greifen“ (Cassirer
sich seinem Denk en wie seinem Wollen. Wenn er 1985 c, 13). Sie strebt nämlich, nachdem sie
das ›Wirk liche‹, das k onk ret-Vorliegende und das bereits in Cassirers Ausdruck sweise vom
augenblick lich ›Nötige‹ noch zu erfassen und im ›Ausdruck ssinn‹ zum ›Darstellungssinn‹ fort-
allgemeinen richtig zu behandeln vermag, so fehlt geschritten ist, „dem Reich der reinen Bedeu-
ihm doch der geistige Fernblick , die Sicht auf das tung zu“ (Cassirer 1985 c, 13), worunter Cas-
nicht vor Augen liegende, auf das bloß ›Mögliche‹“ sirer die vorwiegend zur Erzeugung des wis-
senschaftlichen Weltbildes verwendeten spe-
548 II. Personen

ziellen Zeichenbildungen der modernen Ma- mus zuzurechnenden Disziplin, bedient (vgl.
thematik und der symbolischen Logik ver- Cassirer 1946, 101; 1990, 190).
steht, mit deren Verwendung nicht mehr nur Um Möglichk eiten für eine systematische
die Sichtbark eit, sondern jetzt sogar die theo- Behandlung struk turaler Zusammenhänge zu
retische Konstruierbark eit des ›Möglichen‹ gewinnen, beschäftigt sich Cassirer, ähnlich
gewährleistet ist: wie Paul Valéry (1871—1945) (Robinson
„Aber in dem Maße als die wissenschaftliche Er- 1978) und Piaget (Piaget 1973), mit der ma-
k enntnis fortschreitet und als sie sich ihre eigenen thematischen Gruppentheorie (vgl. Cassirer
methodischen Werk zeuge schafft, lock ert sich mehr 1971). Wie Cassirer in seinem letzten öffent-
und mehr das Band, das den Begriff unmittelbar lichen Vortrag 1945 in New York unter dem
mit der Anschauung verbindet. Er bleibt nicht mehr Titel Structuralism in Modern Linguistics
an die ›Wirk lichk eit‹ der Dinge gebunden, sondern (Cassirer 1946 a) darstellt, ist die struk turali-
erhebt sich zur freien Konstruk tion des ›Mögli- stische Bewegung im 20. Jahrhundert ein zwi-
chen‹. Was sich nie und nirgend hat begeben — schen den traditionellen Natur- und Geistes-
gerade dies zieht er in den Kreis der Betrachtung wissenschaften angesiedelter Erbe der von
und stellt es als Norm und gedank lichen Maßstab Kant im Schematismusk apitel der Kritik der
auf. Eben dieser Zug ist es, der die Theorie, im reinen Vernunft und der von Goethe unter
strengen Sinne des Wortes, von der bloßen An- Verwendung des Terminus ‘Gestalt’ in seinen
schauung trennt. Sie vollendet sich als reine Theorie morphologischen Schriften behandelten Pro-
erst, indem sie die Schrank en der Anschauung blemstellungen.
durchbricht. Keine Theorie, insbesondere k eine ex-
ak te, k eine mathematische Theorie des Naturge- 2.6.3. Sprache und Dichtkunst
schehens ist möglich, ohne daß sich das reine Den-
k en vom Mutterboden der Anschauung loslöst, Nach Cassirer belegt gerade das Verhalten der
ohne daß es zu Gebilden fortgeht, die prinzipiell Aphasik er deutlich, „daß eine Wandlung der
unanschaulicher Natur sind“ (Cassirer 1982, 372). sprachlichen Fähigk eit immer zugleich eine
Cassirer benutzt diese mathematische Zu- bestimmte Änderung des ›Weltbildes‹ als
sammenhangsbildung in den exak ten Wissen- Ganzes in sich schließt“ (Cassirer 1985 e, 133).
schaften als exemplarischen Ausgangspunk t Diese Abhängigk eit beim Aufbau schon des
(Ritter 1930, 599), um auf entsprechende Ver- ›rein-theoretischen‹ Weltbildes bestehe dar-
fahren beziehentlichen Denk ens im Sprach- über hinaus zwischen Sprache und der Ge-
gebrauch, etwa beim Auftreten von Meta- staltung der ›Willenswelt‹ beziehungsweise
phern, aufmerk sam zu machen. Er bedient der ›Welt des eigenen Ich‹, denn
sich mit anderen Worten selbst eines Verfah- „die Sprache dient nicht nur sek undär dem Aus-
rens der Analogiebildung, dessen wiederholte druck und der Mitteilung von Gefühlen und Wil-
Anwendung es ihm ermöglicht, gleichzeitig lensregungen, sondern sie ist eine der wesentlichen
die prinzipielle Heterogenität des von unter- Funk tionen, k raft deren das Gefühls- und Willens-
schiedlichen symbolischen Formen durchmes- leben sich gestaltet und k raft derer es sich erst zu
senen Denk raumes und die Wirk samk eit des seiner spezifisch-menschlichen Form erhebt“ (Cas-
philosophischen Ideals der Einheit des Geistes sirer 1985 e, 134).
und seiner Erk enntnismöglichk eiten, des ›glo- Cassirers Beispiel für diese k onstitutive
bus intellectualis‹ (Cassirer 1946, 112; 1929, Leistung der Sprache ist die Sok ratische ›Mai-
345), sichtbar zu machen. Auf diese Weise eutik‹. Sie sei
k ann er die ›Metamorphosen‹ oder die Trans- „nichts anderes als die Methode, k raft deren das
formationen (vgl. Cassirer 1971) des mensch- Bewußtsein gleichsam ›zum Sprechen gebracht‹ und
lichen Zeichenhandelns (vgl. Langer 1984, eben hierin der in ihm selbst liegenden Macht, der
34 ff) vorführen. eigenen und der unverbrüchlichen Spontaneität,
Der in Cassirers Spätwerk aufglimmende versichert werden soll. So erringt der Mensch mit
Struk turalismus (vgl. Cassirer 1946) zeigt sich der Sprache nicht nur eine neue Macht über die
darin, daß er nun häufiger formale relationale Dinge, über die objek tive Wirk lichk eit, sondern
Zusammenhänge als Ausgangspun k t der auch eine neue Macht über sich selbst“ (Cassirer
Analogiebildung zwischen unterschiedlichen 1985 e, 138).
Ausprägungen symbolischer Formen nimmt Die Bedeutung der Sprache für die soziale
und sich bei der Erfassung der Entwick lung Welt erfaßt Cassirer vor allem anhand des
des individuellen Bewußtseins mit Vorliebe Fragenkönnens:
der Methoden der Gestaltpsychologie, also „Denn die Frage, die eine Antwort braucht und
einer nach eigener Aussage dem Struk turalis- die eine Antwort verlangt und erwartet ist vielleicht
die feinste Form des ›sozialen‹ Zusammenhangs,
37.  Ernst Cassirer (1874—1945) 549

als eines nicht bloß prak tischen, sondern als eines formula. We may say that what we find in myth is
geistig-seelischen Zusammenhangs“ (Cassirer imaginative objectification, that art is a process of
1985 e, 142). intuitive or contemplative objectification, that lan-
Die so herausgearbeitete, alles überragende guage and science are conceptual objectifications“
Rolle der Sprache für die Herausbildung je- (Cassirer 1979 a, 187).
den Aspek ts der Gegenstandswelt wurde nach Die Leistungsfähigk eit der symbolischen
Cassirers Darstellung immer wieder von der Funk tionen von Kunst bestimmt Cassirer vor
Sprachsk epsis k ritisiert, die behauptet habe, allem in Abhebung von derjenigen der Spra-
wenn es nicht gelinge, die ›Verstrick ung in die chen moderner Wissenschaften. Den Über-
Sprache‹ zu lösen, sei es nicht möglich, „zur gang vom Gebrauch der alltäglichen, sym-
Wahrheit des Seins, des ›äußeren‹ und des bolischen Ebene der Normalsprache zu den
›inneren‹ vorzudringen“ (Cassirer 1985 e, dort hauptsächlich üblichen arithmetischen,
148). Die Widerlegung dieser Sk epsis findet geometrischen und algebraischen Symbolen
Cassirer in der Dichtung: bezahle der Mensch mit einem Verlust der
„Denn in der Sprache des echten Dichters ist die Verfügbark eit über unmittelbare, k onk rete
höchste Synthese erreicht, ist die reinste Vermitt- Lebenserfahrung (experience of life). Die Auf-
lung und Versöhnung der Gegensätze gegeben. Hier rechterhaltung des Umgangs mit dieser Er-
geht das Besondere im Allgemeinen, das Allgemei- fahrung entsprechenden symbolischen Mit-
nen im Besonderen auf. Jede wahrhaft dichterische, teln vollführt die Kunst (vgl. Cassirer 1979 c,
insbesondere jede rein lyrische Sprachformung er- 154). Folgerichtig ist es ein Beispiel aus der
scheint wie eine Lösung des Mysteriums alles gei- Dichtk unst, das Cassirer dazu dient, die k on-
stigen Daseins — des Geheimnisses, daß eben das k rete menschliche Erfahrung der sprachlichen
Individuellste zum Ausdruc k eines schlechthin- Bildung eines Gedankens zu schildern:
Universellen werden, daß es seinen Gehalt adäquat „In einem k nappen, nur wenige Seiten umfassenden
ausdrück en und völlig erschließen k ann“ (Cassirer Aufsatz Über die allmähliche Verfertigung der Ge-
1985 e, 149). danken beim Reden hat Heinrich von Kleist das
Der Dichtung spricht er auch eine zentrale Problem, das hier vorliegt, in musterhafter Prä-
Rolle bei der Entwick lung und Umbildung gnanz bezeichnet. Er geht davon aus, daß die Lei-
der Sprache zu: stung der Rede sich k eineswegs darauf beschränk t,
„Was im Kreise des täglichen Ausdruck s bloße Ab- zuvor bestehende Gedank en mitzuteilen, sondern
weichung war, das wird hier zur Neugestaltung, die daß sie ein unentbehrliches Mittel für die Bildung
so weit gehen k ann, daß sie schließlich fast den des Gedank ens, für sein inneres Werden ist. Die
gesamten Sprachk örper, daß sie Wortschatz, Gram- Sprache ist k eine bloße Umsetzung des Gedank ens
matik , Stilistik umzuschaffen scheint. Die großen in die Form des Wortes; sie ist vielmehr wesentlich
Epochen der Dichtung haben in dieser Weise auf an seiner ursprünglichen Setzung beteiligt. Sie spie-
die Bildung der Sprache gewirk t“ (Cassirer 1980 b, gelt nicht nur die innere Bewegung des Denk ens
115). nach außen wieder; sondern sie ist ein Grundmotiv,
In Cassirers ursprünglichem Plan für die sie ist einer der wichtigsten Impulse und Beweg-
Philosophie der symbolischen Formen war gründe für sie. Die Idee ist nicht vor der Sprache;
noch ein Band vorgesehen, der vollk ommen sie wird in der Sprache und durch die Sprache“
der Kunst gewidmet sein sollte (Verene 1979, (Cassirer 1985 e, 149 f).
25 f), aber wohl aufgrund der Kriegswirren
nicht entstanden ist. So hat sich Cassirers 2.6.4. Epilog
theoretisches Interesse für die Kunst als sym-
bolischer Form nur in einem Kapitel des An Infolge einer Mißdeutung der k antischen
Essay on Man (dt. Cassirer 1990, 212 ff) und Quellen von Cassirers Philosophie hat es Ver-
in drei amerik anischen Vorträgen unter dem suche gegeben, in ihr eine „transzendentale
Titel Language and Art I/II (Cassirer 1979 c; Auszeichnung der Sprache“ (Göller 1988,
1979 d) und The Educational Value of Art 138) nachzuweisen, was im Widerspruch zu
(Cassirer 1979 e) niedergeschlagen. Im zwei- Cassirers Bemühen steht, nicht sprachliches
ten dieser Aufsätze schlägt Cassirer eine Un- Handeln, sondern Zeichenhandeln (Krois
tergliederung der in Mythos, Sprache und 1984) als Grundlage der „k onstitutionellen
Kunst vorliegenden Arten des Aufbaus von Medialität des Geistes“ (Orth 1991, 271) zu
Gegenstandswelten, in amerik anischer Ter- verstehen: „Linguistics is a part of semiotics“
minologie von ›objectifications‹, vor: (Cassirer 1946 b, 115) hält Cassirer noch in
„Look ing back at our general analysis of myth, seinem letzten Vortrag fest.
language and art, we may perhaps be tempted to Diese Versuche widersprechen auch k lar
condense the results of this analysis in a short der besten Eigencharak terisierung seines phi-
losophischen Vorgehens, die sich wiederum
550 II. Personen

im Anschluß an ein Kleistzitat findet. Cassirer stics, in Word 1.


schreibt: Cassirer 1979 a, Symbol, Myth and Culture.
„Das Paradies der Unmittelbark eit ist diesem Den- Cassirer 1979 c, Language and Art I, in: Cassirer
k en verschlossen: es muß — um es mit den Worten 1979 a.
Kleists aus dem Aufsatz Über das Marionettenthea- Cassirer 1979 d, Language and Art II, in: Cassirer
ter zu bezeichnen — ‘die Reise um die Welt machen, 1979 a.
und sehen, ob es vielleicht von hinten irgendwo
Cassirer 1982, Philosophie der symbolischen For-
wieder offen ist. Nur dies k ann gefordert werden,
men. Dritter Teil. Phänomenologie der Erkenntnis
daß diese ›Reise um die Welt‹ das wirk liche Ganze
[1929].
des ›globus intellectualis‹ umfaßt: daß die Bestim-
mung dessen, was die ›theoretische Form‹ als solche Cassirer 1983 a, Wesen und Wirkung des Symbol-
ist, nicht von einer ihrer Einzelleistungen herge- begriffs.
nommen wird, sondern die Gesamtheit ihrer Mög- Cassirer 1983 b, Sprache und Mythos. Ein Beitrag
lichk eiten ständig im Auge behält. So sehr jeder zum Problem der Götternamen, in: Cassirer 1983 a.
Versuch scheitert, das Gebiet der Form schlechthin Cassirer 1983 c, Der Begriff der symbolischen Form
zu transzendieren, so soll dies Gebiet doch nicht im Aufbau der Geisteswissenschaften, in: Cassirer
nur hier oder dort berührt, sondern vollständig 1983 a.
durchmessen werden. Wenn der Gedank e das Un- Cassirer 1985 a, Philosophie der symbolischen For-
endliche nicht direk t ergreifen k ann, so soll er doch men. Erster Teil. Die Sprache. [1923]
im Endlichen nach allen Seiten schreiten“ (Cassirer Cassirer 1985 b, Symbol, Technik, Sprache.
1982, 48). Cassirer 1990, Versuch über den Menschen [An Es-
say on Man, 1944].
Eggers/Mayer 1988, Cassirer. An Annotated Biblio-
3. Literatur in Auswahl graphy.
Braun/Holzhey/Orth (Hg.) 1988, Über Cassirers Krois 1984, Ernst Cassirers Semiotik der symboli-
Philosophie der symbolischen Formen. schen Formen, in Zeitschrift für Semiotik 6.
Cassirer 1923 a, Die k antischen Elemente in Wil- Krois 1987, Cassirer: Symbolic Forms and History.
helm von Humboldts Sprachphilosophie, in Fest- Orth 1991, Philosophische Anthropologie als Erste
schrift Paul Hensel. Philosophie. Ein Vergleich zwischen Ernst Cassirer
Cassirer 1927, Die Bedeutung des Sprachproblems und Helmuth Plessner, in Dilthey-Jahrbuch 7.
für die Entstehung der neueren Philosophie, in Schilpp (Hg.) 1966, Ernst Cassirer.
Festschrift für Carl Meinhof.
Seidengart (Hg.) 1990, Ernst Cassirer. De Marbourg
Cassirer 1942, The influence of language upon the à New York.
development of scientific thought, in The Journal
of Philosophy 39. Henning Kniesche, Saarbrücken
Cassirer 1946 b, Structuralism in modern lingui- (Deutschland)

38. Karl Bühler (1879—1963)

1. Introduction the University of Vienna. Described by Ro-


2. Semiotic axiomatization of language theory man Jak obson in 1970 as ›still for linguists
3. The two-field theory of language probably the most inspiring among all the
4. Between perception and metaphor contributions to the psychology of language‹
5. Language and other representational systems (s. art. 57), it has nevertheless, by reason of
6. Selected references its historically informed systematic fusion of
categories, concepts, and distinctions of di-
vers provenance, a remark able present rele-
1. Introduction vance and heuristic fertility for the philosophy
Karl Bühler’s language theory achieved its of language. — When this book appeared it
definitive expression in his 1934 masterwork , explicitly situated itself over against and
Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der within a long tradition of philosophical re-
Sprache, published when he was at the height flection on language beginning with Plato
of his powers and Professor of Psychology at (427—347 B.C.) (s. art. 14) and Aristotle
(384—322 B.C.) (s. art. 15) and proceeding
38.  Karl Bühler (1879—1963) 551

through the Scholastics (s. art. 4) to Thomas the same material. In these pages Bühler at-
Hobbes (1588—1679), Immanuel Kant tempted, by reflective derivation, not postu-
(1724—1804), Wilhelm von Humboldt lation, to uncover the pivotal theoretical con-
(1767—1835) (s. art. 27), John Stuart Mill cepts and distinctions that would inform his
(1806—1873) (s. art. 30), Edmund Husserl language theory as a whole. The axiom sys-
(1859—1938), and Ernst Cassirer (1874— tem emerged from a search for the presup-
1945) (s. art. 37) especially and it took full positions both of language and of language
cognizance of the revolutionary work of Fer- theory and is of methodological as well as
dinand de Saussure (1857—1913) (s. art. 36) substantive significance.
and Nik olaj Sergeevič Trubeck oj (1890—
1938) in founding structural linguistics and 2.1. The sign-character of language and the
systematic phonology. Not only does it ex- principle of abstractive relevance
ploit and apply k ey ideas from Husserl’s Logi-
sche Untersuchungen but it offers a differently The first axiom, developed in light of Saus-
focussed parallel to Cassirer’s first volume of sure’s structural linguistics and of Trubeck oj’s
the Philosophie der symbolischen Formen and revolutionary discoveries in phonology, dealt
anticipates, not perhaps accidentally, k ey with the k ey principle of the sign-character
themes in Ludwig Wittgenstein’s (1889— of language and with the implications for
1951) (s. art. 39) Philosophische Untersuchun- language theory and epistemology of the dif-
gen. Bühler’s work had a profound influence ferential, formal, abstract nature of the lin-
on the Prague School’s discussion of the po- guistic sign. Writing against the back ground
etic function’s relation to the other linguistic of Saussure’s theoretical achievement Bühler
functions, on the work of Karl Raimund Pop- accepted, indeed foregrounded, the essentially
per (* 1902), who studied with Bühler in social nature of language and of the linguistic
Vienna, and on Jak obson, whose classic essay sign and Saussure’s central contention that
(1960 a) explicitly builds upon and expands “les signes entièrement arbitraires réalisent
one of Bühler’s k ey insights, and on the phe- mieux que les autres l’idéal du procédé sé-
nomenologically inspired work of Roman In- miologique” [language, better than anything
garden (1893—1970). — The trajectories of else, offers a basis for understanding the se-
Bühler’s work led him from philosophically miological problem] (Saussure 1916, 101).
sophisticated empirical investigations into so- Saussure’s pivotal thesis here, which focuses
called imageless thought processes in the on the word rather than the utterance, is that
manner of the Würzburg school (1907, 1908 a, the sound-image, which constitutes the lin-
1908 b), through a systematization of mate- guistic signifier, is nothing more than “la
rials in the Gestalt theory of perception and somme d’un nombre limité d’éléments ou
studies in the theory of colors and pictorial phonèmes” [the sum of a limited number of
optics (1913, 1922), to a deep and prolonged elements or phonemes] (Saussure 1916, 32).
inquiry into the nature and scope of a com- — Bühler, while remaining on psychological
prehensive language theory, which occupied ground, saw in the notion of a limited number
him continually from 1919 on. The focal point of signifying elements within the linguistic
of our discussion will be on the mature pres- sign the k ey to linguistic representation, the
entation of Bühler’s language theory and its central category of his language theory. The
pivotal categories and distinctions as found essential nature of a sign in its representa-
principally in his (1933 b) and (1934). The tional function is its capacity to stand for
language theoretical studies leading up to something else — objects and states of affairs.
these are essentially forestudies and those that It is constituted as the locus of a systematic
followed explications, but in no way essential set of formal oppositions, which set it off
modifications, of the main lines laid down in from material objects on the one hand and
Sprachtheorie. from other signs on the other hand. The foun-
dation of this system of oppositions is the set
of phonemes the particular language uses to
2. Semiotic axiomatization articulate and constitute its discrete signs. The
of language theory phoneme, on this view, has no substantial
existence. It is fundamentally an identifiable
The theoretical heart of Bühler’s language place within a system of phonic differences,
theory is found in Die Axiomatik der Sprach- a cut within the phonic substance of the lan-
wissenschaften and in the first part of guage which has a purely formal relation to
Sprachtheorie, which are different versions of
552 II. Personen

the other cuts. The function of a phoneme is zudichten, immer aber zu setzen vermag” [It is
to signal a difference: a difference in meaning impossible to constitute the concept of sense with-
and its own difference from any other phonic out appeal to goals and to subject-relatedness. The
element. things and events in the world carry only so much
sense for the experiencing subject as he is able,
2.1.1.  The linguistic sign, fundamentally the- either rightly or wrongly, to extract from them or
matized as the word by Saussure, is a unit or to pour into them, but in either case we are dealing
systematic unity founded on a selection from with an operation of positing] (Bühler 1927, 132).
the strictly delimited phonic repertoire of the Consequently, language in its representa-
language in question. Bühler saw that these tional function calls out for and manifests
diacritical moments in the linguistic sign are fundamental mental powers of abstraction
the “abstrak te Momente, k raft derer und mit and of diacritical apprehension. Now, “in
denen das Konk retum ›als‹ Zeichen fungiert” Sachen der Diak rise sind Phoneme die Bäume
[abstract moments by reason of which and und die Klanggestalt des Wortes ist der Wald”
with which the concrete thing functions ›as‹ [in matters of diacrisis phonemes are the trees
a sign] (Bühler 1934, 40). They bear the rep- and the tonal form of the word is the forest]
resentational, as opposed to the expressive or (Bühler 1934, 278). Indeed,
conative (or appellative), sense functions of “Phoneme gehören zu der Klasse der Mark en,
the linguistic sign (see 2.4.). Being conven- Male, Kriterien, Notae; sie sind Lautmale am
tional they point to the irretrievably social Klangbild des Wortes und bilden das Pendant zu
context of the constitution of linguistic signs den Dingmalen, die man in der Logik von jeher
and sense. gek annt und als Merk male, lateinisch ‘notae’, cha-
“Der ›Sinn an sich‹, abgesehen von einer Sprach- rak terisiert hat” [phonemes belong to the class of
gemeinschaft, für die er gültig ist, das wäre ein mark s, properties, criteria, notes: they are sound
nicht minder unvollziehbarer Begriff wie etwa das properties on the tonal picture of the word and
›Geld an sich‹, abgesehen von einem Wirtschafts- constitute the correlate to the properties of things
bereich, in dem es Kurs hat” [›Sense in itself‹, which we have k nown from time immemorial in
abstracting from a language community for which logic and have characterized as mark s or, in Latin,
it is valid, would be a no less realizable concept as ‘notae’] (Bühler 1934, 278).
than, say, ›money in itself‹, in abstraction from an Bühler thematized the act of diacritical ap-
economic context in which it functions in exchange] prehension along primarily Husserlian lines:
(Bühler 1927, 126). the linguistic sign is a founded unity. The
Indeed, word is an ideal structure grasped by an act
“Dieser Sinn ist k eine Seinseigenschaft der sinntra- of abstraction which attends to the relevant
genden Gebilde, sondern ein Leistungs- oder Gel- signifying features of a sign while abstracting
tungsmoment ähnlich dem Wert des Papiergeldes” from its merely material characteristics that
[this sense is no essential characteristic of the sense- have no representational value. This act is the
bearing structures, but a moment resulting from intentional root of the representational func-
an operation of giving validity which is similar to tion of language. Abstraction and diacrisis go
the giving of value to paper currency] (Bühler 1927, together.
131).
This essential subject-relatedness of the 2.1.2. Nevertheless,
concept of sense functions on two levels: 1)
“Die Phonologie von heute löst die Aufgabe einer
on the social level of language as a system of
systematisch aufgebauten Diak risenlehre nur im
objective differences used by members of a
ersten Schritt und wird beim zweiten zur
speech community to communicate with one
Gestaltpsychologie in die Lehre gehen müssen”
another about objects and states of affairs, to
[phonology today accomplishes only the first step
express desires and wishes, and to steer and
of its task of a systematically constructed theory
coordinate behavior and 2) on the individual
of diacrisis and has to be instructed by Gestalt
level of the language user faced with the task
theory in order to tak e a second] (Bühler 1934,
of discerning linguistic units in the phonic
283).
flow.
“Die Dinge liegen [...] so, wie wir [...] erläutert
This is because the linguistic sign is also
haben, daß ohne Telos, ohne Subjek tbezogenheit
Gestalt-lik e, having a tonal face or aspect
der Sinnbegriff nicht k onstituiert werden k ann. Die
“das sich verändert wie ein menschliches Ge-
Dinge und Ereignisse der Welt sind für den Erle-
sicht im Wechsel des Ausdruck s und der Ap-
benden mit so viel Sinn geladen, als er mit Recht
pellfunk tion” [that also changes lik e a human
oder Unrecht ihnen abzulauschen oder ihnen an-
face in the changing course of the expressive
or appellative function] (Bühler 1934, 259).
38.  Karl Bühler (1879—1963) 553

The key theoretical point is the “merkwürdige arises from and manifests specific appercep-
Konstanz des phonematischen Signalelements tive powers of a qualitatively different order
der Wortbilder im Wechsel ihres Klangge- than those found in the rest of the animal
sichts” [remark able constancy of the phone- k ingdom. It involves our ability to focus only
matic signaling of word images in the course on those parts of the sense bearing structure
of their changing sound face] (Bühler 1934, that have representational value. This is the
259). While the grasp of this phonematic principle of abstractive relevance as exempli-
structure is dependent upon powers of ab- fied in the linguistic domain, though its im-
straction and diacrisis, the changing sound plications extend far beyond it.
face, Bühler thought, is grasped by Gestalt
powers of apprehension. The multiplex se- 2.2. Speech action and language structure
mantic function of the linguistic unit, there-
fore, relies both upon the ›Klanggesicht‹ and Bühler’s second axiom states that to use lan-
upon the ›phonematisches Signalement‹. They guage signs is, on the one hand, to perform
are two different structures and systems of actions and, on the other hand, to produce
relationship and rely upon different, though ideal structures. Bühler traces this pivotal dis-
interrelated, units and elements. — Phono- tinction principally back to von Humboldt
logical analysis became for Bühler a paradigm (1836, 49), for whom a speech event is an
of perceptual and intellectual abstraction and action, a display of energy, energeia, that gives
led to a new concept of signifying elements rise to a work , an ergon. Although Bühler’s
(Bühler 1934, 275; cf. also Bühler 1931, 22— approach is rather sober, he did, as his anal-
53). These elements are social and ideal, but ysis of metaphor made abundantly clear (cf.
unlik e Platonic forms they are neither eternal 4.), recognize the essential productivity of lan-
nor immutable. The language structures built guage, its origin in a radical drive toward
upon the phonematic base sense-giving that characterizes the human be-
“sind platonisch gesprochen ideenartige Gegen- ing. The constitution of sense which begins
stände, sie sind logistisch gesprochen Klassen von in the perceptual apprehension of the world
Klassen wie die Zahlen oder Gegenstände einer is potentiated and continued in the linguistic
höheren Formalisierungsstufe des wissenschaft- constitution of experience wherein a contin-
lichen Denk ens” [are, platonically, ideal objects; uous stream of utterances differentiate and
they are, logically, classes of classes, lik e numbers segment the world, including the social world
or objects of a higher level of formalization as in of the language users. This emphasis on en-
scientific thinking] (Bühler 1934, 60), ergy, on the dynamic factor in the genesis of
though appropriate modifications have to be language signs, continues the Aristotelian tra-
made in both cases. By turning the attention jectory in Bühler’s thought in which the cat-
of the theorist away from the things named egory of action or ›Handlung‹ is given a cen-
to the naming activity of words themselves, tral place. — Hence, on the subject-side, a
to the inner constitution of the tonal struc- speech-event can be analyzed into its illocu-
ture, we find that the intersubjective role of tionary aspects (as specific types of actions
the language structure can only be accom- pursuing a goal) or into its ultimate meaning-
plished or fulfilled if the various speech part- conferring aspects (as constitutive acts of con-
ners are able sciousness à la Husserl in the Logische Un-
“jedes richtig als dies und dies Lautgebilde wie- tersuchungen). The first aspect brings Bühler
derzuerk ennen und von anderen zu unterscheiden” into close proximity to Anglo-Saxon speech
[to recognize correctly each sound structure for act theory represented by John Langshaw
what it is and to distinguish it from others] (Bühler Austin (1911—1960), John Roger Searle
1934, 288). (* 1932), Herbert Paul Grice (1913—1988),
This is done principally by means of the and others (s. art. 54). Language arises within
phonemic structure of the words but also a matrix or field of shared action for Bühler,
through the previously mentioned Gestalt functioning as an intersubjectively utilizable
structures and the surrounding situations tool for guiding cooperation in common
within which the various language structures task s. The type of linguistic action is princi-
are embedded and used. — The epistemolog- pally definable by the situation and not by
ical upshot of Bühler’s foregrounding will the intentional consciousness of the language
become clearer when we examine his schema user. The language action is a social action,
of the organon-model of language (cf. 2.4.). subject to all the constraints o f other forms
The representational function of language of social action, of which it i s both a contin-
uation and a transformation. On the object
554 II. Personen

side, as a relatively permanent distillate of a he admitted the indispensability of subject-


speech action, language can be analyzed as a oriented language analyses and language the-
work , as a made thing existing in the cultural ory (cf. Innis 1986, 77—106), for Bühler the
world of objective meaning, or as structure, social calling of language always remained
depending on the level of abstraction of one’s the focal point and his theory leaned notice-
treatment. In the process of linguistic objec- ably toward the objective side of language,
tification acts of meaning become perma- toward the whole domain of language struc-
nently available, retrievable and interpretable tures, in the broad sense of that term. As
by multiple consciousnesses, the theme, inci- Bühler put the matter,
dentally, of Husserl’s great fragment, Der Ur- “Man k ennt das ergon des Sprechak tes deshalb so
sprung der Geometrie, which had such a great genau, weil die Gebildeforschung der Linguisten so
influence upon the projects of Maurice Mer- weit fortgeschritten ist“ [we k now the ergon of the
leau-Ponty (1908—1961) and, after him, of speech act so precisely for the very reason that the
Jacques Derrida (* 1930). These structures, structural research of the linguists has progressed
according to Bühler, are studied by all those so far] (Bühler 1933 b, 55).
parts of a comprehensive language theory What this structural research has uncov-
that tries to determine the objective systems ered is a set of abstracta and generalia which,
the language users participate in and avail differentiated into a great number of k inds
themselves of in order to communicate mean- and classes, constitutes, in Bühler’s view,
ings, express wishes, and steer and control every language (cf. Bühler 1933 b, 56). Now,
their and others’ behavior. — Action, act, in Platonic-Aristotelian terms, the relation of
work , and structure mak e up the components action to structures is indicated by the words
of Bühler’s four-field schema: ‘realize’ (realisieren) and ‘receive’ (aufneh-
men) (cf. Bühler 1933 b, 57). In a speech ac-
I II tion socially constituted linguistic εἴδη, that
1. action work are objects of theoretical and descriptive
2. act structure grammar, are utilized in goal-directed activi-
ties of intentional sense-constitution. Only by
Fig. 38.1: Bühler’s four-field schema ascribing specific powers of abstraction to
Bühler’s simultaneously praxeological and linguistic agents, both as speak ers and as
structural model of language consciously par- hearers, and seeing the inner connection of
allels, but with critical distance, Saussure’s the Scholastic problem of universals (s. art.
distinction of ›parole‹ and ›langue‹. Each of 61) with that of language structures can one
the four members of the schema opens up a see ›the imposing theoretical reach back ward
field of linguistic investigation. The more con- of Husserl‹, whom Bühler, albeit with reser-
crete level of action and work points, on the vations, admired for his purifying force.
one hand, in the direction of a phenomenol-
ogy of speech acts, of a thematization of the 2.3. The structural model of language
rhetorical dimension, of the multiple ways we The third axiom, dealing with the two-class
can do things with words and, on the other nature of language, details the specificity of
hand, toward a hermeneutic investigation of language as a system of signs composed of
the results of acts of speech, in Valentin Ni- units and codified rules for their combination
k olaevič Vološinov’s (Mixail Baxtin, 1985— into higher level unities (sentences and texts).
1975) sense. The laws of the work are ulti- The structure of language is regarded as a
mately located within the conceptual space of hierarchical set of functionally related levels:
a content-oriented interpretative rhetoric and phonemic, lexical, and syntactic. These
of a theory of texts as embodiments of the “unentbehrlichen Momente eines universellen Dar-
various rhetorical and semantic strategies at- stellungsinstrumentes [...], das sein Auslangen mit
tendant upon and resulting from linguistic den Grenzbedingungen der menschlichen Sprache
actions. The investigation of acts of meaning finden muß” [indispensable moments of a universal
proper, as opposed to language actions, instrument of representation, which has to be sat-
moves language theory to a higher level of isfied with the limit conditions of human language]
formalization, since it is by means of inten- (Bühler 1933 b, 64)
tional acts of ensouling sounds or mark s with account for language’s ›practically compre-
sense that articulate meaning arises, a process hensive productivity‹ and ›performative uni-
explicated with Husserlian means. — While
38.  Karl Bühler (1879—1963) 555

versality‹ (cf. Bühler 1933 b, 73). Each level 2.4. The schema of language functions and
builds upon the prior level as its condition of the organon-model of language
possibility and each is open to its own inde-
pendent thematization. — Words and sen- Bühler is perhaps k nown best for his orga-
tences are two radically different classes of non-model of language and for the famous
language structures. Language is primarily schema he constructed to illustrate the mul-
composed of signs — deictic as well as sym- tiple components and relations of a speech
bolic — situated within a syntactic, sentential event. It is his particular merit to have sys-
field. These two classes, which are distinguish- tematized distinctions already prevalent in the
able by abstraction, 1) cut the world up into literature by treating them as aspects or
particles, isolatable moments (the lexical com- phases of a complex intersubjective exchange
ponent) and 2) systematically construe the of meaning. Bühler represented the basic re-
world in terms of relations (the syntactic com- lations of a speech event in the following
ponent). Lexical signs are, as Bühler put it, schema:
essentially ›feldfähig‹, capable of being in-
serted into an ordering field as their over-
arching matrix. The relative independence of
signifying units over against their fields is
most visible in language, Bühler thought. For
Bühler a word is a ›feldfähig‹ und ›phone-
matisch geprägte‹ lexical unit. While oriented
toward insertion into a field by reason of its
being a tool used by the language user in an
intentional language action, as a tool it has
an independent identity in itself, unlik e, for
example, a system of flag signals such as that
used in communication on the high seas,
which illustrates a one class system as op-
posed to a two class system, such as language.
A one class system does not contain indepen-
dently signifying units. In the Bühler flag
example, three flags in the shape of a square, Fig. 38.2: Organon-model
a circle, and a triangle, out of whose combi-
nation into two or three member groupings
possible messages are constructed, have no The circle represents the concrete, sensibly
meaning in themselves. It is only their com- given sound phenomenon as an event in the
bination that means something and then only spatio-temporal world. The overlapping tri-
when supplemented by the surrounding situ- angle represents those parts of the circle that
ation in which the communication tak es carry the meaning qua tale, its differential
place. Language does not proceed in this way and Gestalt-lik e characteristics. The triangle
at all (cf. Bühler 1933 b, 67—70; Innis 1982, encompasses both less (the principle of ab-
137—140). — As an ›intersubjective means of stractive relevance) and more than the mate-
representation‹ language could have followed rial carrier, which undergoes an apperceptive
the path of sound-painting, of mimesis, which enlargement through coding or through the
is materially, technically possible, given the intentional ensouling of the material carriers
extraordinarily fine powers of the human ar- with meaning. The distinction between pho-
ticulatory and sensory apparatus. But the on- netics as a material science, concerned with
omatopoetic component in language is mar- speech sounds as subject to strictly physical
ginal. The ›global deictic call‹ (cf. Bühler parameters, and phonology as a formal sci-
1933 b, 71) is a much more powerful repre- ence, concerned only with those aspects of
sentational means for communicating when the physical structures that accomplish sig-
humans share a perceptual field. The fact is, nifying functions, is exemplified in the mutual
however, that language has progressed from relations of circle and triangle. While pho-
global signals to differentiated symbolism and netics studies the concrete sound phenome-
this involves a radical move to the thetic non as a thing, as a reality in the physical
dimension in the constitution of linguistic world, phonology focusses exclusively on the
signs. Bühler and Cassirer are in full agree- meaning-carrying properties of the physical
ment here. thing as a system of differences (cf. Bühler
556 II. Personen

1931, 22—53). — The organon-model shows Popper 1963, 293—304 and Popper 1972,
that the sign, as sign event, has a threefold 41 n, 120 n, 150, 160 n, 235 and n).
relation to its foundations which grounds
three autonomous, but interconnected, se-
mantic functions. As related to objects and 3. The two-field theory of language
states of affairs the sign is a symbol and Bühler built his language theory around a
performs a representational function, since it radical, structural distinction between deixis
is the bearer of information about the world. and symbolization (s. art. 78). They constitute
As related to the interiority or consciousness the two intertwined fields within which all
of the speak er the sign is a symptom or index, language signs (and not just language signs)
performing an expressive function, revealing, operate and by means of which all linguistic
whether intended or not, the conditions of interpretation is nourished (Bühler 1934,
the speak er’s consciousness or ›interiority‹ (cf. 149).
Baer 1988, 138—150). As related or directed
to the behavior of the receiver or addressee
the sign functions as a signal and performs 3.1. The deictic field
an appellative function. One and the same The deictic field is wedded to the operation
material carrier, functioning as a sign, per- of pointing, whether through the material fin-
forms all three functions. For Bühler the dis- ger or some other gesture or material sign,
tinction between types of linguistic signs is that pick s out or draws attention to an object
functional, not substantial. It all depends on in a common perceptual or imaginal situa-
the relational pattern one is attending to. — tion. This pointing gesture, which is a true
Bühler saw the organon-model as foreshad- act of signifying, is potentiated by the lin-
owed in Plato’s Cratylus where language is guistic sign in the form of demonstrative,
described as a tool whereby a speak er com- personal, and relative pronouns. The words
municates to a listener about things and states ‘I’, ‘you’, ‘here’, ‘there’ — discussed by Ja-
of affairs. The three autonomous semantic k obson as ›shifters‹ — are, Bühler contends,
functions are built into the very structure of devoid of rigid content since they apply in
language. What distinguishes Bühler’s devel- each situation to a different part of the per-
opment of the three functions is his resolute ceptual field. Any speak er can rightly say ‘I’,
embedding of them within a social matrix, which indeed applies uniquely to the person
within the framework of semiotic exchange, pointed to, just as any addressee is legiti-
and with his repudiation of any ›epistemolog- mately called ‘you’, and a third person ‘he’
ism‹, to which, in his opinion, both Husserl or ‘she’. Every speak er is lik ewise the point
and Cassirer inclined. In the framework of of origin of a coordinate system of spatial
establishing the sign-character of language as relations that define the space wherein the
such Bühler had pointed out that the point words ‘here’ and ‘there’ can be applied and
of origin of signs in social life, for both hu- understood. The same is true of ‘now’, which
mans and other living beings, is always an mark s off a present moment in the flux of
occasion when a diacriticon is needed to dis- time. Bühler speak s of an ›Ich-jetzt-hier‹ sys-
ambiguate a situation, steer a common action, tem which places a set of deictic coordinates
or express a desire, warning, reaction, or so over the deictic field and which he models in
forth. This picture of language was also found the following schema:
in Bühler’s important predecessor, Philipp
Wegener (1848—1916) (cf. Wegener 1885),
and his equally important contemporary,
Alan Henderson Gardiner (1879—1963) (cf.
Gardiner 1932; cf. Innis 1984, 116—155). Ja-
k obson expanded in his Closing Statement:
Linguistics and Poetics (1960) Bühler’s
schema of language functions to six, adding
the poetic, phatic, and metalingual functions,
while Popper thought that we also have to
posit an autonomous ›critical‹ or ›argumen-
tative‹ function which holds the k ey not just
to his critical rationalism and his conception
of scientific method but also to the philoso- Fig. 38.3: The deictic field
phy of society and politics that informs his
The Open Society and Its Enemies (cf. also
38.  Karl Bühler (1879—1963) 557

The word ‘here’ functions as a place gen‹. Bühler calls this demonstratio am Phan-
mark er, the word ‘now’ as a moment mark er, tasma. It relies upon the ability of the lan-
and the word ‘I’ as a sender mark er. These guage user to lead and be led by what is
words do not primarily characterize but perceptible, to be sure, but still perceptually
rather segment or differentiate the intuitive absent (Bühler 1934, 125). This dialectical
and perceptual field in which a speech event, relation between linguistic functions and
as an event of intersubjective interchange, imaginative powers is maximally potentiated
occurs. Bühler never relinquished this gestural in literature.
conception of deixis. The permanent truth of It is of no importance for Bühler whether
his position was, he argued, that we can now locate words which are purely
“es gibt k ein lautliches Zeigzeichen, das der Geste deictic in themselves. The issue is not deictic
oder eines der Geste äquivalenten sinnlichen Leit- words, but the deictic function. Although
fadens oder schließlich einer an deren Stelle treten- deictic words as such in linguistic intercourse
den Orientierungs
k onvention entbehren k önnte” are dead, ›deixis itself is alive‹ (cf. Bühler
[there is no linguistic deictic sign that could dis- 1934, 145), as an autonomous signifying
pense with a gesture or with some sensible cue mode (s. art. 79).
equivalent to a gesture or finally with some orien-
tational convention tak ing the place of a gesture] 3.2. The symbol field
(Bühler 1934, 93).
Indeed, The symbol field is the principal locus of the
“Man muß das deik tische Moment zum Merk mal representational function and the differentia
des Gattungsbegriffes erheben, dann wird eine specifica of human language for Bühler, as it
Reihe k lassifik atorischer Schiefheiten aus der Ter- was for Popper and Cassirer. As the matrix
minologie der Grammatik er verschwinden und das of those linguistic signs that bear conceptual
natürliche Gesamtsystem der Zeigwörter sichtbar content (Begriffszeichen) it is radically differ-
werden” [one has to raise the deictical moment to ent from the deictic field. A linguistic sign
the rank of a defining property of the genus. Then, functioning as a symbol is for Bühler a bearer
we will get rid of a whole series of sk ewed classi- of intelligible content independent of the im-
fications, and the natural system of the deictic mediate situational context in which it is
words will become visible in its entirety] (Bühler found. Nevertheless, it is precisely the ›em-
1934, 117). practical‹ use of language, which is still wed-
The forms of deixis specified so far belong ded to a situation, that reveals the contribu-
to the mode Bühler called demonstratio ad tion of the surrounding field to the determi-
oculos. They presuppose a common percep- nation of an utterance’s meaning. An isolated
tual field within which the semiotic exchange word such as ‘yes’ or ‘transfer’ is completed
tak es place. But there is also anaphora. by the surrounding social and actional field
Anaphora appears “in eminentem Maße ger- in such cases as an interrogation or the buying
ade dazu berufen [...], das Zeigen mit dem of a bus or tram tick et. The linguistic sign
eigentlichen Darstellen zu verk nüpfen” [to be here functions as a diacriticon that is intrin-
called in the highest degree to connect point- sically connected with a field of praxis rather
ing with authentic representing] (Bühler 1934, than a syntactic field of accompanying lan-
123). The psychological foundation of anaph- guage signs. A different field dependent sup-
ora is found in the fact that every anaphorical plementation of isolated symbols is the ›sym-
use of deictic words presupposes “daß Sender physical‹ use of names where the symbol is
und Empfänger den Redeabfluß als ein Ganzes physically connected with a thing, such as the
vor sich haben, auf dessen Teile man zurück - names of wares, titles on book s, inscriptions
und vorgreifen k ann” [that sender and re- on monuments, place names on road signs,
ceiver have before themselves the flow of dis- and so forth. This real bond between the
course as a whole and that it is possible to symbol and the object furnishes an analogon
refer back wards and forwards to its parts] to demonstratio ad oculos in the symbolic di-
(Bühler 1934, 121). This phenomenon of an- mension. But it is the ›synsemantical‹ field
aphorical deixis illustrates how the context of that leads directly to the notion of a proper
speech in the process of becoming is itself linguistic context or linguistic field. — Just as
raised to being a deictic field. A third mode material spots of paint or lines tak e on dif-
of deixis tak es place in the field constituted ferent image values (Bildwerte) within a
by memory (or remembrance) and construc- painting or drawing depending on their place-
tive imagination (or fantasy) and involves a ment within the surrounding field, so the syn-
complex play of transpositions, ›Versetzun- tactic field functions as an overarching frame-
558 II. Personen

work within which the various ›Begriffsz- to the perceptual field and to the sign user’s
eichen‹ perform their roles: to present the collateral experience and k nowledge or ›Sach-
conceptual foci by means of which objects wissen‹. While the original function of the
and states of affairs are articulated in struc- symbol is to perform an abstraction, its in-
tures and forms. It is in this sense that lan- telligible content is not first and foremost an
guage in its representational, symbolic func- idealization and formalization. This is rather
tion is an instrument for the mastery and the result of a long process, and the concep-
ordering of experience. This representational tual foci of most sign-symbols used in normal
function does not contravene Bühler’s essen- linguistic interchange do not have a Platonic
tially dialogical and social conception of the purity, a point also seen by Gardiner (cf.
point of origin of signs in social life, as de- Gardiner 1932, 44, Innis 1984, 129) and We-
veloped in his Die Axiomatik der Sprachwis- gener. Most linguistic concepts are ›synchytic‹
senschaften. But the steering function of lan- concepts (a term Bühler took from Johannes
guage involves not just the behavior of the von Kries). They have a soft focus, and the
addressee but the perceptual and conceptual meaning-spheres upon which they bear are
orientation of the language users, who rely joined together by multiple family resem-
on the system of linguistic signs as instru- blances. As Bühler put it:
ments for bringing the flow of experience to “Das Manifestwerden einer Sphärenordnung un-
a halt, segmenting it into relevant joints. seres Wissens deutet allgemein darauf hin, daß es
Bühler merits comparison in this respect with in vielen Fällen eines ak tuellen Wortgebrauches
Vygotskij and Piaget. genügt, wenn anstatt des Inhaltes der Umfang eines
Begriffes, d. h. der Verwendungsbereich des Ord-
3.2.1.  The symbol field is the achievement of nungszeichens irgendwie abgesteck t wird” [The ap-
the power of abstraction. Bühler schematizes pearing of an ordering sphere in our k nowing
the relation between word-sign and the con- points universally toward the fact that in many
ceptual or object domain upon which it bears cases of the actual use of a word it is enough if,
in the following way: instead of the content, the scope of the concept,
that is, the domain of application of the ordering
sign, be in some way mark ed out] (Bühler 1934,
221).
It is very lik ely that this is one of the
sources of Wittgenstein’s central notion of
family resemblances (cf. Innis 1984, 149 f;
Fig. 38.4: Schema of the relation between word- Eschbach 1984 b, 175—206 and 1988 b, 385—
sign and object domain 406).

3.2.2.  While the deictic field is first and fore-


The shaded part of both the sign and the most constituted by a shared perceptual sit-
meaning sphere point to the selective, diacrit- uation, the symbol field is linguistically con-
ical aspect of the apprehension and consti- stituted and has both a semantic and a syn-
tution of sign and meaning. The underlying tactic component. In addition to their con-
analytical cue is the principle of abstractive tents or meaning as lexical units, symbols
relevance. Only a part of the material sign have field values that define their function
has representational value. And lik ewise the and role within the sentential structure. These
meaning sphere which bears upon the world field values can be purely formal as in the
of experience is itself a result of abstraction. case of syntactic schemata that mak e up the
The focus is not on the material totality of system of empty slots (Leerstellen) into which
the object but on its significant and criterial the various lexical units fit and are combined
properties. Just as we have to ascribe powers (the paradigmatic and syntagmatic axes).
of selective, constitutive apprehension to the Bühler pointed out the importance of this fact
linguistic subject which mak es the use of signs already in 1908 when he spok e of the speak -
possible, so the meaning-spheres borne by the er’s
sign are themselves not attempts to capture “Wissen um die Satzform und das Verhältnis der
the whole object, but rather its immanent, Satzteile unter sich, etwas was als direk ter Aus-
defining structure. This abstractive apprehen- druck der grammatischen Regeln, die in uns leben-
sion of the world through signs is for Bühler dig sind, zu gelten hat” [k nowledge of the sentence’s
a motivated one, not one of mere theoretical form and the relation of the sentence’s parts to
contemplation. It is wedded at crucial places
38.  Karl Bühler (1879—1963) 559

each other, something that as the direct expression Indeed, “Sprache in ihren Gefügen [appel-
of the grammatical rules, which are active in us, liert] stets an das Sachwissen der Empfänger”
has to have validity] (Bühler 1908 b, 86). [language in its structures constantly appeals
In Sprachtheorie Bühler reformulated this to the material k nowledge of its receivers]
insight that (Bühler 1934, 65). This contention echoes Mi-
“das Sprachdenk en und mit ihm jedes andere im chael Polányi’s (1891—1976) thesis of the
Dienste des Erk ennens vollzogene Operieren mit tacit dimension (cf. Polányi 1958, 69—131;
Gegenstandssymbolen genau so eines Symbolfeldes Innis 1974, 47—67).
bedarf wie der Maler seiner Malfläche, der Kar-
tograph seines Liniennetzes von Längen- und Brei-
tengraden und der Notenschreiber seiner noch ein- 4. Between perception and metaphor
mal anders hergerichteten Papierfläche oder allge-
In a fertile section of Sprachtheorie (342—
mein gesagt wie jedes Zweik lassensystem darstel-
356) Bühler constructed a heuristic model for
lender Zeichen” [thought that is expressed in
understanding metaphor, specifying its con-
speech, and along with it every other operation
nection with perceptual issues and with the
with representational symbols in the service of
continuing problem of abstraction (s. art. 91).
k nowing, is in need of a symbol field in exactly the
Bühler contends that in every metaphorical
same way as the painter needs his painting surface,
utterance there are present at least two
the cartographer his coordinate system of latitu-
spheres of meaning, and this notion of a
dinal and longitudinal lines, and the composer his
sphere bears the burden of analysis. Bühler
still-otherwise-constructed surface, or put in gen-
correlated the compounding or fusion of
eral terms, just as every two-class system of rep-
spheres in the metaphorical process with what
resentational signs] (Bühler 1934, 254).
also happens in the experiential realm, which
The symbol field is applied to the percep- is also characterized by a ›Sphären-Zweiheit‹,
tual world by means of the ›Sachwissen‹ of as in binocular vision. Bühler once again
the speak er. For Bühler language did not float models his point, appealing to the ›Sk iopti-
above the world as a system of arbitrary cuts k on‹, which involves the superimposition of
in the experiential continuum. The guidance two filters over the lens of a projector.
of the thing-meant, in Gardiner’s sense, is
present whenever the linguistic subject had to
disambiguate such words as ‘Back stein’,
‘Back ofen’, or ‘Back pulver’. The element
‘Back-’ belongs to different fields in each case
and performs a different syntactic and se-
mantic function or role in each case. This
notion of a ›Sachwissen‹ is also important in Fig. 38.5: Scioptikon figure
Bühler’s account of metaphor. — While log-
ically distinguishable, the deictic and the sym-
bol fields do not go their way independent of This model shows
one another. “daß der k onstruierende Aufbau von Bedeutungs-
“Vielleicht überschätzen wir die Erlösung vom Zeig- gefügen einen projek tivischen Charak ter, eine pro-
feld, vielleicht unterschätzen wir das Fak tum der jek tivische Komponente enthält [...]. Die Frage ist,
prinzipiellen Offenheit und das Ergänzungsbedürf- ob ein Doppelgitter oder Doppelfilter im techni-
nis jeder sprachlichen Darstellung eines Sachver- schen Bereich Leistungen ermöglicht, die als Ana-
haltes vom Wissen her um diesen Sachverhalt. Oder loges zu den ungemein feinen Abstrak tionswirk un-
was dasselbe ist: vielleicht gibt es eine Ergänzung gen der metaphorischen Sphärendeck ung betrach-
alles sprachlich gefaßten Wissens aus einer Quelle, tet werden dürfen” [that the interpretive construc-
die sich nicht in die Kanäle des sprachlichen Sym- tion of meaning structures contains a projective
bolsystemes ergießt und trotzdem ein echtes Wissen character or projective component [...]. The ques-
erzeugt” [Perhaps we overestimate the freeing from tion is whether a double lattice or a double filter
the deictic field; perhaps we underestimate the fact mak es possible, in the technical domain, accom-
of the essential openness and the need, proper to plishments that can be treated as analogues to the
every linguistic representation of a state of affairs, uncommonly fine abstraction achievements of the
to be completed by our k nowledge of this state of metaphorical overlapping of spheres] (Bühler 1934,
affairs. Or, what is the same thing: perhaps there 348).
is an expansion of all linguistically constituted For Bühler metaphorical apprehension and
k nowledge from a source that does not run in the expression are examples of semantic emer-
channels of the linguistic symbol system and nev- gences, the production of novelties. But his
ertheless produces a genuine k nowledge] (Bühler position, paralleling Nelson Goodman’s
1934, 255).
560 II. Personen

(* 1906) work , is that metaphor is nevertheless attributiven Komplexionen in der Sprache vollstän-
not a special linguistic phenomenon. Rather dig zu beschreiben” [Screening, falling away, selec-
it permeates all language use and concept tion, the difference effect are expressions for one
formation and is exemplified quite universally and the same simple phenomenon, which it is nec-
in language in the formation of composites essary to place beside the criterion of ݆bersum-
as in ‘Hölzlek önig’ and ‘Hölzlek önigin’ to mativität‹, which alone has been emphasized in
denote two large trees in the Black Forest. In Gestalt theory since the time of von Ehrenfels, in
such an expression as ‘der Hölzlek önig’, order to describe completely the role of attributive
Bühler remarks, structures in language] (Bühler 1934, 349).
“[werden d]ie Begriffssphäre Wald und die Be- These two Gestalt characteristics proper to
griffssphäre König [...] vereinigt; dasselbe Gesamt- attributive structures
objek t soll beiden zugleich genügen. Ich denk e also “erhöhen in erstaunlichem Ausmaß die Produk ti-
Königliches einem Baum an” [the concept sphere vität der Sprache und machen lak onisches Nennen
forest and the concept sphere king are joined to- möglich. Wozu freilich gehört, daß im Systeme
gether; the same total object is supposed to satisfy selbst auch eine Korrek tur der Unbestimmtheiten
both spheres simultaneously. I ascribe therefore to und Mehrdeutigk eit dieser Komplexionen zuberei-
a tree something kingly] (Bühler 1934, 348 f). tet ist” [increase the productivity of language to an
Each concept sphere is defined and consti- astonishing degree and mak e possible a laconic
tuted by its semantic mark ers, and meta- form of naming. Admittedly, the system also has
phorical terms and predications involve the at its disposal a correction for the indefiniteness
fusing of two or more meaning-spheres into and ambiguities of these structures] (Bühler 1934,
a novel unity wherein only those parts of a 350).
meaning-sphere that are relevant are trans- This is, in addition to the lexical and syn-
ferred to another domain. — Calling someone tactical system, the ›Sachwissen‹ of the speak -
a ‘hammerhead’ or a ‘Salonlöwe’ creates a ers. — The universality of metaphorical ap-
novel unity in the expression and experiential prehension is rooted in perception itself.
field, a new ›Gesamtobjek t‹. In the case of “Schon die Wahrnehmung untersteht dem Zusatz-
‘hammerhead’ it is clear that only the prop- Ausfalls-Gesetz, weil schon die Wahrnehmung ein
erties of hardness, rigidity, potential battering Sinngefüge ist und uns vordemonstriert, was die
qualities, etc., are transferred from the ham- sprachliche Fügung auf höherer Stufe wiederholt”
mer sphere, not the properties of made out [Perception is already itself subject to the law of
of metal or stone, having a certain shape, supplementation-falling away, because it is already
with handle and head, and so forth. To call a meaning structure and demonstrates to us in an
someone a ›Salonlöwe’ or ‘parlor room lion’ anticipatory manner what linguistic structuring re-
is to foreground the semantic mark ers of pre- peats on a higher level] (Bühler 1934, 356).
dation, sleek ness, and so forth, but not those The genesis of sense in perception and lan-
of fourleggedness, tawny sk in, having a tail guage is a continuous process, with language
(as opposed to wearing tails), etc. To see one potentiating and not merely mirroring our
thing in terms of another is not for Bühler an prelinguistic powers. Bühler’s account of met-
achievement of comparison but rather one of aphor runs parallel to and intersects with the
fusion. The metaphor is an emergent result, work of Polányi and Goodman in interesting
not an additive sum of two or more semantic ways. With Polányi he shared the model of
spaces, as the lattice model might lead one to binocular vision and the extension of the Ge-
think . Bühler appeals explicitly to Christian stalt model of perception. With Goodman he
von Ehrenfels (1859—1932) and to the Ge- shared the notions of a migration of concepts,
stalt theoretical notions of ݆bersummativi- a transfer of schemata, an alienation of cat-
tät‹ and ›Untersummativität‹ to characterize egories, and the thesis that metaphor is not
the twin operations of falling away and sup- something rare but permeates language and
plementation that define the metaphorical ap- discourse as a whole. Indeed, by appealing to
prehension of the world and the consequent the ›Sachwissen‹ of the linguistic subject
creation of a system of interlock ed linguistic, Bühler was able to begin to pinpoint where
and nonlinguistic, metaphors. the semantic plus of a metaphor came from
“Abdeck en, Ausfall, Selek tion, Differenzeffek t sind and to resolve the problem, specified by Max
Ausdrück e für ein und dasselbe schlichte Phäno- Black (1909—1988), of just how the dialectic
men, welches man dem in der Gestalttheorie seit of identification and comparison of diverse
Ehrenfels allein hervorgehobenen Kriterium der realms in metaphor can be sustained. It is
Übersummativität an die Seite stellen muß, um die true, as Paul Ricœur (* 1913) pointed out
(1977, 105 f), that Bühler’s view of metaphor
38.  Karl Bühler (1879—1963) 561

tends to neglect the dimension of discourse k omplementären Gebilden der Sprache, zu Wort
and to focus on the lexical task of delimiting und Satz, k urz gesprochen” [The comparing eye
objects. But in light of his emphasis on lan- can look where it will, but there does not exist, for
guage actions and on the inescapable embed- example, either in music, or in the optic image, or
ding of lexical units into a syntactic, that is, in any of the manifold symbol systems that have
sentential or textual structure, Bühler’s ap- been invented in modern science and beyond for
proach would by no means exclude such an this or that representational end, an exact analogon
expansion or integration, though we should to the two complementary structures of language
not look in him for a full conceptual frame- — to, in short, word and sentence] (Bühler 1934,
work for thematizing metaphor. His thesis 75). (s. art. 76)
that metaphorical apprehension must be wed- Bühler is not saying that there is no anal-
ded to processes of abstraction, however, is a ogon, only that there is no exact one. In all
fundamental and permanent insight and the cases mentioned there is a common struc-
Bühler has a rightful place in the voluminous ture of a field and elements ordered in a field
literature on metaphor. — a sign field and sign elements — but the
inner constitution of these different fields and
different elements is not the same. Some ex-
5. Language and other tremely brief, but illuminating, pointers to-
representational systems ward a comparative analysis of representa-
For Bühler the main point of intersection tional sign systems is found in sections 12 and
between language and other representational 26 of Sprachtheorie, Symbolfelder in nicht-
systems is that they all need a field in order sprachlichen Darstellungsgeräten [Symbol
to do their work (s. art. 92). The various notes Fields in Nonlinguistic Representational In-
in a musical score and the cartographical struments] and Die Anaphora. In the latter
signs in a map, with their attendant expla- section Bühler analyzed the relations between
nation, have a field-foreign (feldfremd) rep- narration in film, drama, and epic. Film is
resentational value as signifying units, which closer to epic than to dramatic discourse “im
is enlarged by their being placed within a field Hinblick auf die Deixis am Phantasma” [with
in a certain way. Blotches of paint on a can- respect to imaginative deixis] (Bühler 1934,
vas, however, get their representational value 392). Rather than the mountain being
from being embedded in a common field with brought to Muhammad, Muhammad is
other blotches. In this sense the same blotch brought to the mountain by reason of a com-
can stand for different things depending on plex series of transpositions or ›Versetzungen‹.
the field in which it stands. The field defines Further, by being able to jump from the whole
and constitutes its representational value. to details, both film and epic narration have
Note field, map field, pictorial field — these in effect close-up, medium, and long shots,
mak e up the synsemantical and syntactical illustrated for example in the sequence of
contexts, situations, and framework s within scenes in the Odyssey. Moreover, just as a
which the various signifying units perform film progresses by k eeping the actors constant
their function. But while there may be mi- and changing their milieu, so in language we
metic elements and factors in the three pre- are given temporal indices through the repe-
viously mentioned fields, Bühler insists that tition of nouns and the chainlik e sequence,
language is fundamentally a case of mediating without explicit linguistic connectives, of sen-
coordinations that eschew material fidelity in tential structures. In this way a complex series
favor of relational fidelity. In this he agreed of events, affecting one and the same person
fully with Cassirer, who placed the purely or object, can be segmented into units in both
mediating or signifying function at the pin- film and epic narration in relatively simple
nacle of language’s accomplishments. Bühl- and analogous ways. Again, in the film it is
er’s main point is encapsulated in the follow- possible to interpolate events of memory or
ing text. imagination into the narration, but in the case
“Der vergleichende Blick mag suchen, wo er will,
of the silent film, with which Bühler at the
es gibt z. B. weder in der Musik , noch am optischen
time of writing was principally concerned, this
Bilde, noch an irgendeinem der vielfältigen, in der
was really quite hard and was better accom-
modernen Wissenschaft und darüber hinaus für
plished on the stage where linguistic means
diese und jene Darstellungszwec k e erfundenen
could be employed. Language, however, pos-
Symbolsysteme ein exak tes Analogon zu den zwei
sesses a fully developed system of means for
these interpolations and for this springing
562 II. Personen

back and forth between a basis situation and “Wer sein Leben lang mit nichts anderem als mit
another. der Sprache zu tun hat, verliert manchmal die Fä-
“Der Film mit seinen gleichfalls vollständigen Ver- higk eit, sich zu verwundern über das, was die Spra-
setzungen ist in diesem Punk te ungefähr auf gleich che zu leisten vermag; es ist ihm zu selbstverständ-
und gleich mit der Traumregie des Vorstellungsle- lich geworden. Dann ist es an der Zeit, daß er sich
bens, die sich der ›Wachregie‹ gegenüber als redu- vergleichend nach Außersprachlichem umsieht”
ziert erweist. Und die Wachregie des k omplexen [One who his whole life long has dealt with nothing
Denk ens und Vorstellens k ommt k unstgerecht zum other than language sometimes loses the ability to
Vorschein in den verwick elten Bauten der Haupt- wonder about what language can do; it has become
und Nebensätze, im Wechsel von erzählender, di- too obvious for him. Then the time is ripe for a
rek ter und indirek ter Rede” [The film with its comparative loo k at extralinguistic materials]
equally complete transpositions is, in this respect, (Bühler 1934, 390).
practically on the same level with the principle of Bühler’s focal point, however, was always
dreams in our representational life, which shows the specificity of language as a semiotic phe-
itself to be something reduced in comparison with nomenon, toward the illumination of which
›wak ing consciousness‹. And the ruling power of he made a substantial and permanently val-
wak ing consciousness in complex thought and rep- uable contribution whose scope and depth
resentation comes artfully to appearance in the reward the closest study, analysis, and con-
involved structures of principal and subordinate frontation with parallel projects.
sentences, in the alternation between narrating, di-
rect, and indirect discourse, and so forth] (Bühler
1934, 396). 6. Selected references
Bühler hammers his point home: Bühler 1927, Die Krise der Psychologie.
“Das Thema ›Film und Epos‹ ist sprachtheore-
tisch ungemein aufschlußreich. Wir betonen für Bühler 1931, Phonetik und Phonologie.
unseren Zweck noch einmal: beide versetzen den Bühler 1932, Das Ganze der Sprachtheorie, ihr Auf-
Seher oder Hörer ausgiebig; und dann fahren wir bau und ihre Teile.
fort: die Sprache aber ist dem Film bei weitem Bühler 1933 b, Die Axiomatik der Sprachwissen-
überlegen kraft ihrer Zeigzeichen allgemein, k raft schaften.
der Deixis am Phantasma und des anaphorischen Bühler 1934, Sprachtheorie.
Gebrauchs dieser Zeigzeichen im besonderen” [The Bühler 1936, Das Strukturmodell der Sprache.
theme ›Film and Epic‹ is of conclusive importance Bühler 1938, Der dritte Hauptsatz der Sprachtheo-
to language theory. We emphasize for our purposes rie. Anschauung und Begriff im Sprechverkehr.
once again: both transpose the seer or hearer ef- Eschbach (ed.) 1984, Bühler-Studien, 2 vols. Large
fectively. To continue: language is by far superior bibliography.
to film by reason of its index signs in general, by
Eschbach (ed.) 1988, Karl Bühler’s Theory of Lan-
reason of its imaginative deixis and its anaphorical
guage.
use of these index signs in particular] (Bühler 1934,
397). Innis 1982, Karl Bühler.
Thus, Bühler saw that language also has a Innis 1984, Bühler und Gardiner.
universal power of indexicality, which cou- Innis 1985, Articulation as Emendation.
pled with the human capacity for concept Innis 1988, The Thread of Subjectivity.
formation and symbolization gives it an ex-
traordinary flexibility. Robert E. Innis, Lowell, Mass. (USA)
39.  Ludwig Wittgenstein (1889—1951) 563

39. Ludwig Wittgenstein (1889—1951)

1. Wittgenstein but et que la philosophie du langage n’est pas


était-il un philosophe du langage? en elle-même plus importante que la philo-
2. La théorie du langage comme ›image‹ de la sophie de quoi que ce soit d’autre. Dans ses
réalité leçons des années 1932—1935, il rejette ex-
3. Le langage comme système et comme calcul plicitement l’idée que la signification constitue
4. L’autonomie de la grammaire et l’arbitraire l’objet propre de la philosophie et soutient
des règles que c’est uniquement l’origine linguistique des
5. Le ›paradoxe de Wittgenstein‹ et la mytholo- perplexités philosophiques qui fait que des
gie des règles mots comme ‘grammaire’, ‘proposition’, ‘si-
6. La signification, c’est l’usage gnification’ et d’autres du même genre ap-
7. L’avenir de la théorie de la signification est-il paraissent plus souvent que d’autres dans les
celui d’une illusion? recherches du philosophe (v. art. 118).
8. Bibliographie sélective Contrairement à une supposition erronée
qu’il attribue à Frege (et à lui-même dans le
Tractatus), les mots en question n’ont aucun
1. Wittgenstein caractère unique ou même simplement privi-
était-il un philosophe du langage? légié et ne sont pas à un niveau différent de
celui des autres:
1.1.  Comme l’a fait remarquer John Searle «‘Grammar’, ‘proposition’, ‘meaning’ [...] figure
(* 1932), nous vivons depuis un certain temps more often than other words, though investigation
une sorte d’âge d’or de la philosophie du concerning the word ‘meaning’ is on the same level
langage. Et Wittgenstein fait incontestable- as a grammatical investigation of the word ‘time’»
ment partie, avec Gottlob Frege (1848—1925) (Wittgenstein 1979, 31).
(v. art. 34) et Bertrand Russell (1872—1970), Cela semble signifier que, pas plus qu’elle
des ›géants‹ disparus qui ont été à l’origine ne se préoccupe, par exemple, de construire
de cet âge d’or. Si par ‘philosophie du lan- une théorie du temps, la philosophie ne se
gage’ on entend, comme le fait Searle, propose de construire quelque chose comme
«the attempt to give philosophically illuminating une théorie de la signification. Les problèmes
descriptions of certain general features of language, philosophiques que nous pose la signification
such as reference, truth, meaning, and necessity» sont, comme dans tous les autres cas, essen-
(1969, 4), tiellement ceux que pose l’usage mal compris
on pourra difficilement contester que Witt- ou incompris du mot ‘signification’. Des mots
genstein soit un philosophe du langage et un comme ‘signification’ ou ‘compréhension’
des plus grands du siècle, l’un de ceux dont eux-mêmes sont, comme les mots ‘langage’,
les idées et les suggestions sont au point de ‘expérience’ ou ‘monde’, des mots qui,
départ de la plupart des discussions actuelles «wenn sie eine Verwendung haben, eine so niedrige
ou, en tout cas, y interviennent de façon haben müssen, wie die Worte ‘Tisch’, ‘Lampe’,
constante. D’autre part, il semble évident que ‘Tür’» (Wittgenstein 1953, I § 97).
la philosophie du langage ne peut être consi- Et la compréhension de cette utilisation ne
dérée, chez lui, comme une partie ou un sec- saurait dépendre, aux yeux de Wittgenstein,
teur de la recherche philosophique parmi de la construction d’une théorie particulière,
d’autres. Elle doit nécessairement occuper une surtout pas d’une théorie ›scientifique‹ de la
position prioritaire et fondamentale si, signification et de la compréhension.
comme il en resté convaincu d’un bout à
l’autre de son itinéraire intellectuel, les pro- 1.2.  Il n’est pas surprenant, dans ces condi-
blèmes philosophiques ont toujours pour ori- tions, que la position de Wittgenstein puisse
gine une incompréhension de la ›logique de être considérée par certains comme consti-
notre langage‹ et ne peuvent être résolus que tuant une sorte de régression par rapport à
par le retour à une conception correcte de la celle de Frege, dans la mesure où, selon une
nature et du fonctionnement de celui-ci. Cette interprétation que les travaux de Michael
façon de présenter les choses montre cepen- Dummett (* 1925) ont rendue familière, le
dant déjà clairement que les considérations mérite principal de Frege serait, d’une part,
relevant de la philosophie du langage consti- d’avoir imposé la philosophie du langage et
tuent chez Wittgenstein un moyen et non un plus précisément la théorie de la signification
564 II. Personen

comme partie fondamentale de la philosophie mythe. Ce que Wittgenstein dit de la théorie


ou nouveau paradigme de la philosophie pre- des types de Russell s’applique en fait à n’im-
mière, d’autre part, d’avoir montré le chemin porte quelle théorie que l’on pourrait envi-
à suivre pour parvenir à la construction d’une sager de construire à propos de ce qui permet
théorie systématique de la signification dont ou interdit à des expressions en général
désormais la recherche «can tak e on a ge- d’avoir un sens: elle est intrinsèquement
nuinely scientific character» (Dummett condamnée à essayer de dire des choses qui
1978 a, 454). Dummett considère, pour sa peuvent seulement se montrer. Comme le dira
part, que la production d’une théorie de ce plus tard Wittgenstein, on est obligé de
genre constitue «the most urgent task that commencer quelque part avec la distinction
philosophers are now called upon to carry entre le sens et le non-sens sans avoir la pos-
out» (Dummett 1978 a, 454). Or non seule- sibilité de remonter en deçà d’elle pour essayer
ment Wittgenstein ne considère pas que la de la fonder ou de l’expliquer. Même s’il est
solution des problèmes philosophiques est su- couramment admis que Wittgenstein a pro-
bordonnée à la réalisation d’un projet théo- posé dans le Tractatus une théorie de la si-
rique de ce genre, mais encore il semble adop- gnification qu’il a par la suite sévèrement
ter, tout au moins dans les textes de sa critiquée et finalement abandonnée, il n’est
deuxième période, une attitude ouvertement certainement pas exagéré de dire que l’impos-
(et, selon Dummett, abusivement) défaitiste à sibilité de théoriser, au sens usuel du terme,
l’égard de la possibilité de le réaliser. Ceux sur le sens a constitué depuis le début l’un
qui, comme Dummett, estiment qu’une théo- des thèmes centraux et l’une des thèses fon-
rie de la signification présentant un caractère damentales de toute sa philosophie. Les phi-
systématique doit être possible ou que, en tout losophes qui, comme le font aujourd’hui, Pe-
cas, on ne voit pas, à l’heure qu’il est, pour ter Hack er (*1939) et Gordon Bak er (*1938),
quelle raison elle devrait être impossible soutiennent que «theories of meaning are not
peuvent être tentés d’en conclure que merely confused, but also lack any purpose»
«fundamentally important as it is, Wittgenstein’s (Bak er/Hack er 1984 b, 389) reprochent à la
work does not supply us with a foundation for philosophie du langage contemporaine
future work in the philosophy of language or in d’avoir ignoré précisément la leçon la plus
philosophy in general» (Dummett 1978 a, 453). importante que l’on peut tirer de l’œuvre de
Le Tractatus pourrait sembler, de ce point Wittgenstein.
de vue, encore très proche de la perspective
frégéenne, telle que la comprend Dummett,
alors que l’orientation adoptée ensuite par 2. La théorie du langage
Wittgenstein tourne résolument le dos à Frege comme ›image‹ de la réalité
et à l’idée du langage comme système ou
comme calcul dont nous devons nous efforcer 2.1.  La théorie du langage que Wittgenstein
d’exhiber les règles de fonctionnement impli- expose dans le Tractatus pourrait sans doute
cites. Mais, en réalité, le Tractatus lui-même être résumée dans la formule selon laquelle la
pourrait probablement déjà être considéré proposition est une image (Bild) de la réalité.
comme une sorte de dénonciation ironique de Selon une représentation courante, cette idée
l’idée même d’une théorie de la signification serait venue à Wittgenstein sous la forme
construite sur le modèle frégéen. Comme l’a d’une illumination soudaine qui lui a révélé
fait remarquer Brian McGuinness, l’ouvrage d’un coup la vraie nature et le mode de fonc-
donne l’impression de construire une théorie tionnement de la proposition. Un examen ap-
du langage appuyée sur une ontologie des profondi du contexte montre qu’en réalité,
objets et une conception véri-conditionnelle selon l’expression de David Pears
de la signification des propositions. Mais si «it was not so much the discovery of a new truth
l’on prend au sérieux le fait que les proposi- as the invention of a new way of presenting truths
tions du Tractatus doivent, selon Wittgens- that he had already discovered» (Pears 19—79,
tein, être elles-mêmes rejetées en fin de compte 101).
comme dénuées de sens, il est difficile Cette supposition est notamment confir-
d’échapper à la conclusion que la théorie de mée par le fait que certains points essentiels
la signification qui y est développée en ap- que l’assimilation de la proposition à une
parence constitue elle-même un mythe qui a image a pour but de faire ressortir avaient
été construit essentiellement dans le but de le déjà été soulignés par Wittgenstein avant que
faire reconnaître pour ce qu’il est, à savoir un l’analogie ne lui vienne tout à coup à l’esprit.
39.  Ludwig Wittgenstein (1889—1951) 565

Selon Pears, Wittgenstein a utilisé la théorie par le fait, complètement différentes des
de la proposition-image essentiellement noms. Si les objets de la réalité peuvent être
comme moyen de regrouper et de présenter représentés (vertreten) par des noms, c’est-à-
sous une forme éclairante quatre idées fon- dire sur le mode de ce qu’on pourrait appeler
damentales. La première d’entre elles est celle la ›lieutenance‹, ce qui constitue le principe
du caractère implicite de la forme, un point sur lequel repose en dernière analyse la pos-
sur lequel Wittgenstein s’oppose directement sibilité de la proposition, «la logique des faits
à une conception défendue à la même époque ne peut être représentée [...]. / die Logik der
par Russell. Pour celui-ci, la logique se pré- Tatsachen [läßt sich] nicht vertreten» (Witt-
sente comme une théorie construite à propos genstein 1971, 4.0312) en ce sens-là. Les objets
d’une certaine catégorie d’entités qui existent logiques ne peuvent avoir de représentants,
dans un monde à part: les formes logiques et au sens de la ›Vertretung‹, parce qu’il n’y a
les objets logiques. La logique est une sorte pas d’objets logiques; et les formes logiques
d’inventaire de ce que contient la réalité lo- ne peuvent être représentées, au sens de la
gique. Pour Wittgenstein, les formes logiques ›Darstellung‹, parce que ce que la proposition
sont immanentes à la réalité ordinaire (mais doit avoir en commun avec la réalité pour
également à la pensée et au langage) et ne pouvoir la représenter (la forme) ne peut être
sont appréhendées par aucun acte de connais- représenté dans aucune proposition.
sance spécial. La forme n’est pas un consti-
tuant particulier du fait ou de la proposition 2.2.  La deuxième idée que la théorie dite ›pic-
qui le représente: elle est simplement, pour turale‹ de la proposition sert à illustrer est
l’un et l’autre, la possibilité de la structure, celle de l’automatisme du sens, qui est d’ail-
c’est-à-dire la possibilité pour les éléments du leurs liée directement à la première. Elle si-
fait et de la proposition d’être combinés gnifie que, si les signes sont liés dans la pro-
comme ils le sont. Wittgenstein soutient que position d’une manière qui correspond réel-
la connaissance des objets inclut la connais- lement aux possibilités de combinaison des
sance de toutes les combinaisons dans les- objets qu’ils représentent, la proposition
quelles ils sont susceptibles d’apparaître, communique automatiquement un sens. La
c’est-à-dire, de toutes les formes logiques. De différence entre le cas d’une image propre-
même que l’on ne peut pas choisir une mé- ment dite, comme par exemple le plan d’une
thode de projection pour représenter des ob- ville, et celui de la proposition est que le plan
jets matériels sur un dessin ou un plan sans ne peut représenter un arrangement spatial
savoir que des objets de ce genre sont par impossible (et donc incompréhensible) des
nature susceptibles d’entrer dans des relations choses dont il traite, alors qu’une proposition
spatiales, on ne peut pas choisir des signes de la langue vernaculaire peut, semble-t-il,
pour représenter des objets en général sans parfaitement exprimer un non-sens. Mais cela
savoir dans quel type de relations il est logi- n’est vrai, justement, que d’un langage dans
quement possible pour eux d’entrer. Un objet, lequel ›les règles strictes et claires de la syntaxe
au sens du Tractatus, n’est précisément rien logique‹, comme les appellera plus tard Witt-
d’autre qu’un nœud de possibilités combina- genstein, ne sont pas immédiatement ou pas
toires de ce genre. Il n’y a pas de connaissance suffisamment apparentes. Dans un langage
séparée des objets, d’une part, de leurs mo- qui obéit réellement aux règles de la syntaxe
dalités d’occurrence dans des faits, d’autre ou de la grammaire logiques — le genre de
part. On pourrait, comme le fait Pears, qua- langage que Frege et Russell ont essayé de
lifier (avec certaines précautions) d’›aristo- construire — une combinaison de signes qui
télicienne‹ cette conception immanentiste des est simplement possible est également intrin-
formes logiques, alors que l’attitude de Rus- sèquement signifiante.
sell, qui les situe, pour sa part, dans un monde «Ein mögliches Zeichen muß auch bezeichnen k ön-
transcendant, est, au contraire, typiquement nen. Alles was in der Logik möglich ist, ist auch
platonicienne (cf. Pears 1987, 23). Quant aux erlaubt» (Wittgenstein 1971, 5.473).
objets logiques présumés que pourraient re- Dans la proposition ‘Socrate est identique’,
présenter les constantes logiques, Wittgens- nous avons combiné un nom avec quelque
tein soutient qu’il n’y a tout simplement pas chose qui ressemble extérieurement à une dés-
d’objets de ce genre et considère même comme ignation de propriété. Mais la proposition n’a
sa ›pensée fondamentale‹ (Grundgedank e) pas de sens, parce qu’il n’y a pas de propriété
l’idée que les constantes logiques ne repré- qui s’appelle ‘identique’ et que nous n’avons
sentent pas d’objets d’aucune sorte et sont, pas indiqué quelle pourrait être la propriété
566 II. Personen

(réelle) que nous choisissons conventionnel- qu’un qui est en train d’apprendre le langage
lement de désigner par le mot ‘identique’. S’il ou ne le maîtrise pas parfaitement qu’il peut
y a une faiblesse de la langue naturelle, c’est y avoir quelque chose comme une perception
en ce sens que des mots peuvent apparaître de la phrase distincte de la perception de sa
dans des combinaisons dans lesquelles ils ne signification. — La troisième idée est celle de
constituent plus des signes possibles, sans que l’indépendance du sens par rapport à la vérité.
les règles de la syntaxe logique soient pour Comprendre une proposition veut dire savoir
autant violées de façon évidente. Le principe ce qui est le cas (was der Fall ist), lorsqu’elle
de l’automatisme du sens permet d’expliquer est vraie, ce qui implique que l’on puisse la
qu’une fois en possession du vocabulaire et comprendre sans savoir qu’elle est vraie (ou
de la grammaire d’un langage nous soyons en fausse). De là découle immédiatement la qua-
mesure de comprendre sans aucune difficulté trième idée: il est impossible de formuler une
une infinité de phrases que, pour la plupart, théorie à propos du sens, puisque la théorie
nous n’avons jamais rencontrées auparavant, devrait contenir des vérités qui doivent elles-
c’est-à-dire, ce que Noam Chomsk y (* 1928) mêmes avoir un sens antérieur à leur vérité et
a appelé le phénomène de la ›créativité lin- donc garanti indépendamment de la théorie.
guistique‹. Des signes qui ont été utilisés dans Plus tard, Wittgenstein expliquera que les
une certaine combinaison pour représenter un règles de la grammaire ne peuvent être justi-
état de choses donné peuvent être utilisés dans fiées, parce que
une combinaison nouvelle, que nous devons «was in der zu rechtfertigenden Grammatik als
pouvoir comprendre, elle aussi, immédiate- Unsinn gilt, k ann in der Grammatik der rechtfer-
ment, pour représenter un état de choses tigenden Sätze auch nicht als Sinn gelten» (Witt-
complètement différent. Moritz Schlic
k genstein 1964, 55).
(1882—1936) (cf. Schlick 1932 a, 154 sq) ex- En d’autres termes, la grammaire de la
primera ce fait en disant que la caractéristique justification serait condamnée à donner elle-
essentielle de l’expression, par opposition à la même un sens aux expressions dont elle
simple représentation, est la possibilité de cherche à montrer que la grammaire à justifier
combiner des signes de différentes manières, les a exclues à bon droit comme ›réellement‹
en d’autres termes, l’ordre, non pas, bien en- dénuées de sens.
tendu, tel ou tel ordre (spatial, temporel, etc.)
particulier, mais l’ordre en général, ce qu’on 2.3.  C’est le postulat de l’indépendance du
pourrait appeler «Logical Order, or simply sens par rapport à la vérité qui implique l’exis-
Structure» (Schlick 1932 a, 158). Wittgenstein tence de propositions élémentaires, c’est-à-
constate qu’il est de l’essence de la proposition dire, de propositions qui constituent des
de pouvoir nous communiquer un sens nou- combinaisons de noms représentant directe-
veau: «Ein Satz muß mit alten Ausdrück en ment des objets dépourvus de toute
einen neuen Sinn mitteilen» (Wittgenstein complexité interne. Si l’analyse complète des
1971, 4.03). Ce qui prouve que la proposition propositions de la langue naturelle devait
doit être une image de la réalité est justement aboutir à des propositions mentionnant en-
le fait que je connais la situation représentée core des objets complexes, le sens de celles-ci
par la proposition, lorsque je comprends celle- dépendrait de la vérité d’autres propositions
ci et que je la comprends sans que son sens énonçant que les constituants des objets en
doive m’être expliqué (cf. Wittgenstein 1971, question sont arrangés d’une façon qui ga-
4.021). C’est un des sens auxquels la théorie rantit effectivement l’existence des complexes
de la proposition-image possède, aux yeux de concernés. Or le sens des propositions reste-
Wittgenstein, une sorte d’évidence: une pro- rait indéfiniment en suspens s’il devait dé-
position doit, dans tous les cas, montrer son pendre à chaque stade de leur analyse de faits
sens et ne peut le faire qu’en tant qu’elle est qui peuvent être ou ne pas être réalisés. On
une image de ce qu’elle décrit. Wittgenstein doit donc aboutir tôt ou tard à un niveau
continuera d’ailleurs à insister par la suite sur auquel la signification de la proposition n’est
l’analogie remarquable qui existe, de ce point plus subordonnée à la réalisation d’aucun fait.
de vue, entre la compréhension d’une image Les propositions élémentaires reflètent dans
et celle d’une proposition: tout comme nous leur structure des possibilités élémentaires qui
voyons immédiatement dans l’image l’objet sont réalisées ou ne le sont pas, mais qui
qu’elle représente, nous percevons immédia- existent en tout état de cause, en ce sens que
tement (dans le cas normal) la signification les objets dont il est question dans la propo-
de la proposition. C’est seulement pour quel- sition peuvent être ou non arrangés comme
39.  Ludwig Wittgenstein (1889—1951) 567

la proposition dit qu’ils le sont, mais ne sont position de la langue usuelle doit vouloir dire
pas eux-mêmes sujets à la question de l’exis- connaître l’analyse complète qui la ferait ap-
tence ou de la non-existence. Wittgenstein dit paraître comme une fonction de vérité déter-
que «die Forderung der Möglichk eit der ein- minée de certaines propositions élémentaires.
fachen Zeichen ist die Forderung der Be- En toute rigueur, les propositions qui ont
stimmtheit des Sinnes» (Wittgenstein 1971, besoin d’une analyse n’expriment pas elles-
3.23). Aucune proposition ne pourrait avoir mêmes directement leurs conditions de vérité.
un sens assuré et déterminé si le langage ne Et celles qui sont inanalysables n’ont pas de
représentait pas en dernière analyse un uni- conditions de vérité: les comprendre veut bien
vers de possibilités élémentaires déterminées, dire, comme dans le cas général, savoir ce qui
au sens indiqué. Lorsqu’il critique cette est le cas lorsqu’elles sont vraies; mais cette
conception dans les Philosophische Untersu- dernière notion ne peut évidemment plus être
chungen, Wittgenstein remarque qu’elle pro- expliquée en termes de concordance avec les
vient du sentiment que l’on doit pouvoir en possibilités de vérité de propositions élémen-
principe décrire l’état dans lequel tout ce qui taires. Si l’indication des conditions de vérité
peut être décomposé ou détruit le serait ef- d’une proposition complexe est susceptible de
fectivement et que l’on a besoin, pour ce faire, nous faire connaître son sens, c’est unique-
de signes qui représentent des choses indé- ment en la présentant comme le résultat de
composables et indestructibles. Sa solution de l’application des opérations de vérité à des
remplacement consistera alors à dire que ce propositions élémentaires dont nous connais-
qui, en apparence, doit exister pour que des sons déjà, d’une autre manière, le sens:
propositions puissent avoir un sens n’est pas «Der Sinn einer Wahrheitsfunk tion von p ist eine
un élément de la réalité, mais un élément de Funk tion des Sinnes von p» (Wittgenstein 1971,
représentation, par exemple un prototype ou 5.2341).
un paradigme qui est utilisé en liaison avec La thèse d’extensionalité affirme qu’en dé-
un mot et qui est lui-même un instrument de pit de l’existence de contre-exemples appa-
langage. rents comme les propositions du type ‘A croit
que p’ ou ‘A dit que p’, toutes les propositions
2.4.  Selon le Tractatus, «der Satz ist der Aus- douées de sens doivent être des combinaisons
druck seiner Wahrheitsbedingungen» (Witt- véri-fonctionnelles de propositions élémen-
genstein 1971, 4.431), qui sont donc identi- taires. Celles-ci sont composées de signes
fiées avec son sens. Mais Wittgenstein entend simples dont la signification est constituée par
par ›conditions de vérité‹ des propositions les objets auxquels ils sont coordonnés. Witt-
leur concordance ou non-concordance avec genstein soutient, contre Frege, que les noms
les possibilités de vérité des propositions élé- ont une dénotation (Bedeutung), mais pas de
mentaires. Cela semblerait vouloir dire que sens (Sinn), alors que les propositions ont un
les conditions de vérité d’une proposition sens, mais pas de dénotation (v. art. 81). La
complexe peuvent être données par quelque différence de catégorie qui existe entre les
chose comme sa table de vérité ou sous une propositions et les noms se manifeste dans le
forme du genre de celle que Wittgenstein pro- fait que la proposition est par essence arti-
pose d’utiliser (‘(VVFV)(p, q)’, par exemple culée (c’est le fait que les noms sont disposés
pour l’implication), mais que les propositions les uns par rapport aux autres comme ils le
élémentaires elles-mêmes, si elles ont des pos- sont dans le signe propositionnel qui repré-
sibilités de vérité (irréductibles et indépen- sente un arrangement possible des objets dans
dantes les unes des autres), n’ont pas de l’état de choses), alors que le nom est par
conditions de vérité proprement dites. Qui nature syntaxiquement simple, en ce sens
plus est, dans la mesure où Wittgenstein pro- qu’aucune espèce de complexité n’est essen-
pose, à l’époque du Tractatus, de traiter les tielle pour la dénomination. La signification
propositions quantifiées comme des conjonc- d’une proposition est une fonction composi-
tions ou des disjonctions (éventuellement in- tionnelle de celle de ses constituants (les noms,
finies) de propositions plus simples, on est en dans le cas des propositions élémentaires, et
droit de supposer que la table de vérité re- les propositions élémentaires, dans le cas des
présente la procédure standard pour l’indi- propositions complexes) et de leur mode de
cation des conditions de vérité de toutes les combinaison. Tout sens propositionnel pos-
propositions qui en ont. S’il en est ainsi, sible est prévisible et calculable, en ce sens
connaître les conditions de vérité d’une pro- qu’il peut être engendré à partir du sens de
propositions élémentaires données par l’ap-
568 II. Personen

plication répétée d’une seule et unique opé- points importants, il n’est pas douteux que le
ration: la négation simultanée, ce qui garantit Tractatus peut être considérée comme une
l’existence de ce que Wittgenstein appelle la étape cruciale dans l’évolution qui mène de
forme générale de la proposition, dont il dit Frege aux conceptions les plus récentes
qu’elle est l’essence de la proposition et qu’elle concernant la manière de construire une théo-
nous donne l’essence de toute description, rie de la signification systématique pour une
c’est-à-dire du monde. La difficulté est que langue naturelle quelconque. Wittgenstein ne
nous n’avons pour l’instant aucune idée de ce remet pas en cause dans le Tractatus l’idée
que peuvent être les propositions élémen- que le langage est une sorte de calcul et qu’un
taires, qui servent de point de départ à toute calcul logique du type de ceux que Frege et
la construction. Pour le savoir, nous devons Russell ont essayé de construire nous révèle
attendre d’avoir effectué l’analyse complète quelque chose comme l’essence de n’importe
des phénomènes, et donc identifié les consti- quel langage possible. L’élément le plus hé-
tuants ultimes de la réalité et leurs modes de térodoxe dans toute sa conception est certai-
composition possibles en faits élémentaires. nement l’idée qu’il est, à strictement parler,
Par la suite, Wittgenstein considérera comme impossible de construire une théorie de la
une faiblesse rédhibitoire de la théorie du signification sans être obligé de franchir la
langage du Tractatus l’impossibilité dans la- ligne de démarcation qui sépare le dicible et
quelle il s’est trouvé de donner un seul l’indicible, qui est considérée justement par
exemple concret de proposition élémentaire lui comme l’élément essentiel du dispositif
ou de nom. La conséquence fâcheuse qui ré- élaboré dans le Tractatus. Mais c’est un fait
sultait de cette situation est que, lorsque nous que ses successeurs immédiats, les membres
comprenons une phrase de la langue ordi- du Cercle de Vienne, ont généralement traité
naire, nous sommes supposés effectuer impli- la distinction entre ce qui se dit et ce qui peut
citement une analyse du genre de celle que seulement se voir plutôt comme une excentri-
décrit le Tractatus. Mais, en plus du fait que cité philosophique que l’on peut oublier que
la compréhension ordinaire ne semble impli- comme étant de nature à susciter une diffi-
quer aucune démarche de cette sorte, le calcul culté sérieuse pour toute tentative de
de la signification opère sur des éléments de construction d’une théorie du langage pro-
base dont nous ignorons complètement la na- prement dite. Rudolf Carnap (1891—1970)
ture et procède selon des règles logico-syn- est persuadé, dans Logische Syntax der
taxiques que nous n’avons pas conscience Sprache (1934) d’avoir trouvé la réponse qui
d’appliquer. Il est sans doute inexact de dire, convient au problème de Wittgenstein.
comme l’a fait Russell, que le Tractatus Schlick est plus proche des idées de Witt-
«is concerned with the conditions which would genstein et plus conscient de la nature réelle
have to be fulfilled by a logically perfect language» de la difficulté, lorsque, après avoir emprunté
(Wittgenstein 1971, IX). à Wittgenstein (qui l’a soutenue momenta-
Car Wittgenstein estime que la langue or- nément au début des années trente) la concep-
dinaire elle-même est déjà d’une certaine ma- tion selon laquelle le sens d’une proposition
nière logiquement parfaite: est sa méthode de vérification, il remarque
«Alle Sätze unserer Umgangssprache sind tatsäch- qu’il ne peut s’agir véritablement d’une théo-
lich, so wie sie sind, logisch vollk ommen geordnet. rie, dans la mesure où il n’est pas possible de
— Jenes Einfachste, was wir hier angeben sollen, construire une théorie à propos de ce qui
ist nicht ein Gleichnis der Wahrheit, sondern die précède inévitablement toute espèce de théo-
volle Wahrheit selbst» (Wittgenstein 1971, 5.563). rie. Quoi qu’il en soit, la situation de Frege,
L’idéal, l’ordre logique parfait, est bien là, si on le considère comme le véritable initiateur
déjà réalisé malgré les apparences. Mais la des recherches qui ont lieu actuellement sur
machinerie logique qui lui correspond a l’in- la façon correcte de construire une théorie de
convénient de n’être pas du tout perceptible la signification n’est, à certains égards, guère
en surface (v. art. 59). moins paradoxale que celle de Wittgenstein.
Car Frege lui-même avait déjà été en un cer-
tain sens forcé de conclure que les relations
3. Le langage comme système sémantiques ne peuvent, à strictement parler,
et comme calcul faire l’objet d’une formulation et d’une dis-
cussion explicites (v. art. 84). C’est ce qui a
3.1.  En dépit de la position tout à fait origi- permis à Jaak k o Hintik k a (* 1929) d’affirmer
nale et hétérodoxe qu’il adopte sur certains que
39.  Ludwig Wittgenstein (1889—1951) 569

«a systematic theoretical study of semantics is im- dire, il est compréhensible que Wittgenstein
possible in Frege’s view» (Hintikka 1981, 58). puisse affirmer:
Cela résulte de ce que Jean van Heijenoort «Offenbar ist, daß wir einen Satz von der Form
(*1912) a appelé la théorie de ›la logique ‘aRb’ als Bild empfinden. Hier ist das Zeichen of-
comme langage‹, par opposition à celle de ›la fenbar ein Gleichnis des Bezeichneten» (Wittgen-
logique comme calcul‹. Selon la conception stein 1971, 4.012).
de la logique comme langage, dont Frege et Wittgenstein a probablement été quelque
le Wittgenstein du Tractatus sont des repré- peu injuste envers sa théorie de l’image lors-
sentants tout à fait typiques, le langage consti- qu’il s’est reproché par la suite d’avoir postulé
tue le moyen d’expression universel de tout entre la proposition et le fait susceptible de
discours. Ce qui entraîne comme conséquence la vérifier une ressemblance plus précise et
que les relations sémantiques fondamentales plus concrète que celle qui vient d’être évo-
qui rattachent le langage à la réalité sont quée. En tout cas, la manière dont la séman-
présupposées dans tout ce que nous pouvons tique logique caractérise la vérité de la pro-
dire sur quoi que ce soit (entre autres, bien position atomique et détermine ensuite récur-
entendu, sur le langage lui-même) et ne sivement les conditions de vérité des propo-
peuvent, par le fait, faire l’objet d’un discours sitions complexes par des clauses correspon-
doué de sens. Selon la conception de la lo- dant à l’intervention des connecteurs propo-
gique comme calcul, qui traite le langage et sitionnels et des quantificateurs rappelle par
sa logique comme un calcul susceptible d’être certains côtés singulièrement la procédure que
interprété et réinterprété de différentes façons, Wittgenstein avait esquissée dans le Tractatus.
on peut, au contraire, ›sortir‹ du langage et
formuler des énoncés doués de sens et infor- 3.2.  Lorsque Chomsk y et ses disciples ont
matifs sur les liens qui unissent le langage à entrepris de démontrer qu’il était possible,
la réalité. Or, d’une part, comme le fait re- contrairement à ce qu’avaient estimé des au-
marquer Hintikka, teurs comme Alfred Tarsk i (1902—1983) et
«the development of all serious truth-conditional Carnap, de construire non seulement pour
semantics (model theory) obviously presupposes une langue formelle, mais également pour une
adopting the conception of language as calculus» langue naturelle donnée, une théorie syn-
(Hintikka 1981, 59). taxique et sémantique systématique, ils ont
Mais, d’un autre côté, plusieurs commen- évidemment combattu avec vigueur le présup-
tateurs et en particulier Hintik k a lui-même posé ou le préjugé de l’irrégularité constitutive
ont été en mesure de montrer qu’il existait du langage ordinaire, qui est caractéristique
des similitudes frappantes entre la théorie de l’approche des théoriciens du langage
›picturale‹ du langage et ce qu’on appelle la idéal. Mais, dans la mesure où il s’agissait
sémantique logique ou la théorie des modèles précisément de faire pour la langue naturelle
et essayé de la réinterpréter en conséquence. quelque chose d’équivalent ou tout au moins
Wittgenstein considère qu’un des avantages de comparable à ce qui avait été fait avec
principaux de sa théorie de l’›Abbildung‹ est succès dans le cas de langues artificielles
de nous fournir un éclaircissement essentiel obéissant à des règles formelles explicites et
sur la nature de la vérité comme ›correspon- exactes, la distance est, somme toute, beau-
dance‹ d’un certain type avec la réalité. Elle coup moins grande qu’il ne pourrait sembler
donne, en effet, un sens précis à l’idée que la au premier abord. Jerrold Katz a suggéré à
proposition est vraie lorsque les choses sont un moment donné que l’on pouvait, contrai-
dans la réalité comme la proposition dit rement à la manière dont Wittgenstein pro-
qu’elles sont. L’élément commun que l’on cède dans le Tractatus,
cherche entre la proposition vraie et le fait «retain the idea that language has an underlying
qu’elle représente est, selon le Tractatus, une conceptual reality and instead drop the assumption
identité de structure ou un isomorphisme. Or, that it is completely inaccessible» (Katz 1971, 11).
dans la théorie des modèles, une proposition Il s’agissait, en somme, de montrer que la
atomique de la forme ‘aRb’ (l’exemple de forme logique (en tant qu’elle se distingue de
Wittgenstein) sera dite vraie si la relation re- la forme grammaticale superficielle) et le cal-
présentée par ‘R’ existe entre les objets repré- cul logique sous-jacent à l’utilisation du lan-
sentés par ‘a’ et ‘b’. Mais la théorie wittgen- gage peuvent parfaitement être découverts et
steinienne ne dit en un sens rien de plus que rendus manifestes par la construction d’une
cela; et si c’est effectivement ce qu’elle veut théorie systématique de la langue concernée.
570 II. Personen

Par conséquent, si Wittgenstein a été accusé genstein a commencé à les reconsidérer sé-
par les linguistes chomsk yens d’être un repré- rieusement et les a pour finir complètement
sentant de la linguistique ›taxinomique-be- abandonnées. Il a, en particulier, rejeté défi-
havioriste‹, par opposition à la linguistique nitivement deux éléments essentiels que la
de l’avenir, qualifiée de ›démocritéenne‹, le théorie du langage proposée dans le Tractatus
reproche n’a pas du tout le même sens selon avait en commun avec celle de Frege: la
qu’il s’agit des conceptions développées dans conception que l’on peut appeler ›augusti-
le Tractatus ou de celles qui sont supposées nienne‹ du langage, en référence à la manière
être à l’origine de la philosophie du langage dont Wittgenstein la critique tout au début
ordinaire et de son anti-théoricisme implicite des Philosophische Untersuchungen, et la ten-
ou explicite. Le premier Wittgenstein peut dance à interpréter le langage sur le modèle
encore à la rigueur être considéré comme un d’un calcul obéissant à des règles qui agissent,
héritier direct de Frege et du programme fré- pour l’essentiel, en profondeur et à notre insu.
géen de construction d’une théorie de la si- Selon la conception augustinienne du langage,
gnification systématique pour le langage, tous les mots sont des noms dont il est naturel
même s’il commet l’erreur regrettable de si- de supposer que la signification a été acquise
tuer la ›réalité du langage‹, que la théorie par la procédure de la définition ostensive, et
s’efforce d’atteindre et de décrire, à une pro- toutes les propositions sont des combinaisons
fondeur inaccessible. Il en va tout autrement ou, comme dit le Tractatus, des concaténa-
du deuxième Wittgenstein, qui récuse le projet tions de noms. Wittgenstein montre que la
lui-même et semble manifester à l’égard de la thése selon laquelle tous les mots du langage
théorie en général et des prétentions théo- sont des noms est ou bien complètement vide
riques de la science linguistique en particulier ou bien manifestement fausse et que l’assi-
un scepticisme tout à fait radical (v. art. 10). milation de toutes les propositions à des
Comme il le dit dans le Blue Book nous combinaisons de noms ayant pour fonction
sommes tentés de croire qu’une phrase n’a de de montrer ›comment les choses sont‹ dans la
sens que comme élément d’un calcul et que le réalité ne rend pas du tout justice à l’extrême
calcul tout entier est d’une certaine façon diversité des choses que nous appelons ‘pro-
présent à l’arrière-plan de n’importe quelle positions’ et des usages qui peuvent être faits
utilisation du langage. La compréhension doit d’une proposition. La critique de la définition
être une activité mentale correspondant à l’ef- ostensive, que l’on a tendance à considérer à
fectuation du calcul, c’est-à-dire d’un proces- tort comme l’explication de sens par excel-
sus de dérivation complexe qui aboutit à la lence et celle qui assure la liaison du langage
production du sens et que la théorie linguis- avec la réalité, n’a pas pour but de montrer,
tique doit s’efforcer de reconstituer. Or, contrairement à ce que l’on croit souvent,
comme le dit Wittgenstein, qu’elle constitue une forme d’explication par-
«when the temptation to think that in some sense ticulièrement défectueuse, en ce sens qu’elle
the whole calculus must be present at the same time peut toujours être mésinterprétée, puisque
vanishes, there is no more point in postulating the c’est en fait le propre de n’importe quelle
existence of a particular k ind of mental act along- explication. Wittgenstein conteste simplement
side of our expression» (Wittgenstein 1958, 42). l’idée qu’elle nous fait en quelque sorte sortir
En abandonnant l’idée que parler consiste du langage à un endroit déterminé, puisqu’elle
à effectuer un calcul qui procède selon des constitue en fait simplement une règle de
règles déterminées que nous connaissons au substitution qui autorise à remplacer un sym-
moins inconsciemment et l’idée corrélative bole par un autre, et la position privilégiée
que la compréhension est une activité mentale que lui octroie la conception augustinienne.
qui accompagne la prononciation des mots, Il avait déjà soutenu auparavant, dans la Phi-
Wittgenstein semble adopter une conception losophische Grammatik, que le langage ne
de la signification et de la compréhension qui comporte pas deux espèces différentes de
est tout à fait à l’opposé de celle de la lin- règles, les unes ayant pour but d’établir en
guistique chomsk yenne et probablement de la des points déterminés le contact entre le lan-
linguistique ›théorique‹ en général. gage et la réalité et les autres, de déterminer
les relations qui existent entre expressions à
3.3.  C’est un fait qu’au moment même où ses l’intérieur du langage. Cette critique est im-
héritiers supposés, les positivistes logiques portante, parce qu’un des éléments essentiels
s’efforçaient de développer et d’exploiter cer- de la théorie (ou plutôt de la famille de théo-
taines des idées centrales du Tractatus, Witt- ries) que Wittgenstein rejette est l’illusion
39.  Ludwig Wittgenstein (1889—1951) 571

qu’une fois les signes affectés à la représen- signification d’un terme général n’est pas
tation d’une certaine catégorie d’objets (par constituée et n’a pas besoin d’être constituée
exemple, les nombres ou les couleurs, mais par un ensemble de conditions nécessaires et
aussi bien des choses comme la négation ou suffisantes pour que le terme puisse être ap-
l’identité) les règles de leur usage découlent pliqué légitimement à un objet. Nous expli-
de la nature des objets eux-mêmes et peuvent quons des termes comme ‘jeu’ ou ‘nombre’
être lues en quelque sorte directement sur eux. simplement en donnant des exemples signifi-
Après Frege, le Tractatus lui-même avait été catifs. Wittgenstein s’efforce de réhabiliter
une victime typique de ce genre d’illusion, systématiquement l’explication ordinaire, qui
puisque les noms étaient supposés être asso- se contente généralement de donner une liste
ciés à des objets d’une façon qui rend immé- d’exemples et autorise à étendre l’usage du
diatement évidentes les règles syntaxiques qui mot à tout ce qui ›ressemble‹ suffisamment à
gouvernent leur usage, à savoir d’une manière tel ou tel ou à plusieurs d’entre eux (mais pas
telle que leurs possibilités de combinaison nécessairement à tous) sans que la notion de
dans la proposition élémentaire reflètent sim- ressemblance dont il s’agit ait à être précisée
plement les possibilités d’occurrence des ob- davantage, contre l’explication ›réelle‹, qui est
jets dans des états de choses. Wittgenstein censée fournir un ensemble de propriétés
utilise pour critiquer ce genre de représenta- communes à toutes les choses concernées. Les
tion la métaphore du corps de signification théories sémantiques de l’espèce courante
(Bedeutungsk örper) que chaque signe est sup- commettent sur ce point l’erreur de supposer
posé avoir derrière lui et qui fait de la pro- qu’il s’agit de découvrir quelque chose comme
position la partie visible d’un arrangement de la signification réelle des mots, qui doit né-
volumes, les mots ne pouvant être agencés en cessairement aller au-delà de ce qui est
surface que de la façon qui est autorisée par contenu dans les explications de sens approxi-
la combinaison de leurs corps de signification matives et inexactes que nous sommes en me-
dans l’espace. sure de donner et est seule capable d’expliquer
véritablement l’usage que nous en faisons.
3.4.  La faiblesse principale de la conception Wittgenstein estime, pour sa part, que les
augustinienne réside finalement dans la sup- mots n’ont pas d’autre signification que celle
position que l’usage du signe peut être que nous leur donnons, c’est-à-dire qui peut
condensé en quelque sorte tout entier dans être contenue dans des explications que nous
une mystérieuse relation à un objet qu’il dés- sommes en principe capables de fournir. C’est
igne. Si l’on applique ce genre de conception le sens de la formule selon laquelle la signi-
au langage dont nous nous servons pour dé- fication est ce qu’explique l’explication de la
crire les états et les processus mentaux, on est signification, et rien d’autre (v. art. 68). Il en
tenté de croire que l’apprentissage d’un mot résulte qu’il ne peut y avoir de discipline
comme ‘douleur’ s’effectue par une sorte de consistant à formuler des hypothèses (scien-
définition ostensive privée consistant à mon- tifiques ou non) sur ce que les mots signifient
trer en soi-même et à soi-même la chose dont réellement (et à notre insu). Il ne peut donc
il s’agit, d’une façon qui est susceptible de y avoir une théorie de la signification dans
déterminer des régies d’usage appropriées un sens comparable à celui auquel il y a une
pour le mot. La réduction à l’absurde de l’idée théorie de la matière. Wittgenstein déplore
de langage privé consiste, chez Wittgenstein, que des théoriciens comme Russell et lui-
à montrer que la notion de définition osten- même aient été victimes de l’illusion que l’ana-
sive privée et plus généralement celle d’expli- lyse logique était comparable à l’analyse
cation de sens privée, de même que celle de chimique et devait, comme elle, mettre au jour
règle privée, sont dépourvues de sens. Witt- des constituants réels. Mais le reproche peut
genstein soutient que la distinction essentielle évidemment être adressé aussi bien à tous les
entre ce qui semble à chaque fois et ce qui est linguistes qui rêvent d’une théorie sémantique
une application correcte de la règle disparaît systématique de la langue naturelle exhibant
complètement dans le cas d’une règle privée, le sens profond des mots et ses constituants
ce qui vide de toute espèce de contenu l’idée ultimes. On n’explique pas l’usage que nous
même de correction, et donc de règle. — Le observons, lorsqu’on le considère comme dé-
cas des termes qui représentent des propriétés terminé par une compétence sémantique
ou des universaux amène Wittgenstein à for- consistant dans la possession de règles hy-
muler sa célèbre théorie des ›ressemblances pothétiques dont nous sommes censés avoir
familiales‹, qui a pour but d’établir que la une connaissance ›tacite‹.
572 II. Personen

3.5.  L’idée du langage comme calcul, à la- quelconque, n’apparaisse plus nulle part ex-
quelle Wittgenstein avait adhéré sans restric- plicitement dans les textes de Wittgenstein,
tion à l’époque du Tractatus, a encore été après que le modèle du calcul obéissant à des
exploitée assez largement par lui dans les règles strictes a été répudié comme une des
écrits du début des années trente. On voit sources principales de la confusion philoso-
revenir fréquemment dans les textes de cette phique qui règne généralement à propos du
période l’idée que la signification d’un mot langage. Il est compréhensible que les lin-
(mais aussi d’une proposition) est leur place guistes et les théoriciens du langage ne soient
dans un système ou le rôle qu’ils jouent dans pour l’instant nullement disposés à accepter
un calcul. Une fois devenue suspecte pour les la conception défendue par des wittgenstei-
raisons qui ont été indiquées plus haut, la niens comme Hack er et Bak er, selon laquelle
notion de ›système‹ ou de ›calcul‹ sera sup- on ne peut certainement pas reprocher,
plantée progressivement par celle de ›jeu de comme l’ont fait les générativistes, à la phi-
langage‹ et la caractérisation de la significa- losophie du langage de Wittgenstein de ne pas
tion en termes de position occupée par un expliquer le phénomène de la créativité lin-
signe dans un système de signes par la formule guistique, dans la mesure où il n’y a tout
selon laquelle la réponse correcte à la question simplement rien de clair et de déterminé à
de savoir ce qu’est au juste la signification expliquer et tout au plus une apparence de
d’un mot est, dans un bon nombre de cas, problème résultant elle-même de confusions
simplement: «Die Bedeutung eines Wortes ist philosophiques caractéristiques.
sein Gebrauch in der Sprache» (Wittgenstein
1953, I § 43). La notion de j eu de langage
introduit au moins deux éléments nouveaux 4. L’autonomie de la grammaire
par rapport à celle de système (v. art. 67). et l’arbitraire des règles
D’une part, il n’est plus question d’un système
unique et unifié du langage, mais de l’extrême 4.1.  A l’époque du Tractatus, Wittgenstein
diversité des jeux de langage et de la dyna- estimait que les coordinations établies entre
mique en vertu de laquelle de nouveaux jeux les noms et les objets qu’ils désignent jouent
de langage apparaissent constamment, pen- en quelque sorte le rôle d’antennes qui per-
dant que d’autres se transforment ou dispa- mettent au langage de ›toucher‹ la réalité. La
raissent. D’autre part, la notion de jeu de manière dont il s’exprime au début des années
langage a, entre autres choses, pour but de trente sur la nature de la définition ostensive,
souligner la relation essentielle qui existe, dont il dit que, contrairement à l’idée que l’on
dans l’usage du langage, entre les actes lin- s’en fait généralement, elle ne fait qu’étendre
guistiques proprement dits et des actions d’un le langage ou ajouter un élément à un calcul,
autre type, le fait que pourrait, au contraire, aisément donner l’im-
«das Sprechen der Sprache ein Teil ist einer Tätig- pression que le langage ou le calcul restent
k eit, oder einer Lebensform» (Wittgenstein 1953, pour ainsi dire suspendus au-dessus de la réa-
I § 23). lité sans jamais réussir à entrer en contact
Avec le déclin de la notion de système, on avec elle:
voit s’effectuer également une évolution que «Die Verbindung zwischen ›Sprache und Wirk lich-
l’on pourrait caractériser (de façon très sim- k eit‹ ist durch die Worterk lärungen gemacht, —
plifiée) comme le passage du langage comme welche zur Sprachlehre gehören, so daß die Sprache
(système de) représentation au langage in sich geschlossen, autonom, bleibt» (Wittgenstein
comme action. Le modèle du calcul avait 1969 a, 97).
l’avantage apparent d’expliquer de façon Bien loin que des corrélations préalable-
plausible que le langage puisse contenir un ment établies entre le langage et la réalité
nombre potentiellement infini de phrases qui rendent en quelque sorte la grammaire obli-
peuvent être comprises sans hésitation sur la gatoire, c’est, au contraire, dans la grammaire
base d’une connaissance de la signification de et elle seule que s’établissent le contact et la
leurs constituants et des règles du calcul. Il correspondance dont nous parlons avec la
est significatif que ce problème, qui est encore réalité. Wittgenstein note que «die Sprache
très présent dans le Tractatus et pour lequel, ist nicht etwas, dem eine Struk tur gegeben,
selon une opinion couramment admise, n’im- und das dann der Wirk lichk eit aufgepaßt
porte quelle théorie sémantique acceptable wird» (Wittgenstein 1969 a, 89). Mais le lan-
doit nécessairement proposer une solution gage n’est pas non plus une chose dont la
structure pourrait résulter de l’obligation de
39.  Ludwig Wittgenstein (1889—1951) 573

s’adapter à une réalité accessible indépendam- 4.2.  Il résulte de cela que les propositions de
ment d’elle. — La critique du paradigme ré- la grammaire, même si elles ont le plus sou-
férentiel et le fait que, comme le dit Witt- vent la forme de propositions descriptives, ne
genstein (1969 a, 143), «in der Sprache wird peuvent à leur tour être confrontées avec la
alles ausgetragen» semblent suggérer que la réalité, comme le sont les descriptions que
fonction représentative du langage est désor- nous pouvons produire de celle-ci, une fois
mais complètement ignorée ou, en tout cas, a donnée la grammaire. Hack er et Bak er ont
été rendue tout à fait problématique. En réa- appelé ›autonomie de la grammaire‹ la thèse
lité, il n’en est rien. Comme l’a souligné no- selon laquelle les règles de la grammaire ne
tamment Hintik k a, le fait que les connexions sont pas susceptibles d’être justifiées par la
instaurées entre le langage et la réalité soient réalité et pas davantage d’entrer en conflit
inexprimables et que, lorsqu’on s’efforce de avec elle. Wittgenstein l’exprime de la façon
les décrire, on ne parvienne jamais à formuler suivante dans la Philosophische Grammatik:
autre chose que des corrélations intra-linguis- «Die Grammatik ist k einer Wirk lichk eit Rechen-
tiques entre des éléments différents du sym- schaft schuldig. Die grammatischen Regeln bestim-
bolisme ne signifie pas du tout que les men erst die Bedeutung (k onstituieren sie) und sind
connexions en question n’existent pas ou ne darum k einer Bedeutung verantwortlich und inso-
sont pas essentielles: fern willkürlich» (Wittgenstein 1969 a, 184).
«Wittgenstein’s apparent emphasis on connections Il n’y a donc aucune possibilité de dire que
between different moves in language-games rather les règles que nous avons choisies, par
than on representative relations from language to exemple, pour le mot ‘non’ sont les bonnes
reality is merely a reflection of his belief in language en ce sens qu’elles correspondent bien à la
as the universal medium» (Hintikka 1981, 60). nature de la chose (la négation). Les règles
Il en va de même en ce qui concerne la grammaticales se distinguent des propositions
connexion qui est censée être établie entre la descriptives ordinaires comme le choix
proposition et le fait extra-linguistique qu’elle conventionnel d’une unité de mesure se dis-
représente. Cette connexion, pour être indi- tingue d’une indication de longueur. Toute-
cible, n’en est pas moins tout à fait réelle. fois, la comparaison avec le cas d’un système
«Die Grenze der Sprache zeigt sich in der Unmög- de mesure (l’analogie favorite des conventio-
lichk eit, die Tatsache zu beschreiben, die einem Satz nalistes, que Wittgenstein utilise lui-même ré-
entspricht (seine Übersetzung ist), ohne eben den gulièrement) et le choix du terme ‘conventio-
Satz zu wiederholen» (Wittgenstein 1980, 10). nalisme’ pour caractériser sa position risquent
Le fait que la concordance entre la pensée de donner une idée trompeuse de ce qu’elle
et la réalité soit établie, comme le dit Witt- est réellement. Si les règles de la grammaire
genstein, dans la grammaire et donc en un sont arbitraires, en ce sens qu’elles ne peuvent
certain sens elle-même intérieure au langage être elles-mêmes comparées avec la réalité
veut dire simplement que la correspondance dans la dimension du vrai et du faux ou de
métaphysique entre deux choses à première la correction et de l’incorrection, on ne doit
vue complètement hétérogènes se réduit, pas pour autant supposer que nous avons en
lorsque nous essayons d’en dire quelque un sens quelconque ›choisi‹ arbitrairement
chose, à une simple corrélation intra-gram- entre différentes possibilités. Ce qui est vrai
maticale. La correspondance qui doit exister est uniquement que nous ne pouvons pas
entre la proposition et ce qui la vérifie ne essayer de justifier les règles et les concepts
peut, semble-t-il, s’exprimer que dans des évi- que nous appliquons à la description de la
dences de nature purement grammaticale du réalité en disant qu’ils sont les seuls possibles,
type ‘ ‘p’ est vrai ↔ p’, ‘ ‘p’ est faux ↔ ~ p’ pour la raison que d’autres règles ou d’autres
ou ‘le fait que p = le fait qui rend vraie la concepts ne permettraient pas de représenter
proposition que p’.Mais il n’y a pas lieu d’en ›correctement‹ la réalité en question. On ne
conclure et Wittgenstein n’en conclut certai- peut pas tenter de légitimer la grammaire en
nement pas qu’une proposition n’est jamais invoquant une ›nature des choses‹ qui l’a ren-
comparée qu’avec une autre proposition, et due nécessaire, parce qu’il n’y a pas de nature
non avec la réalité elle-même. La grammaire des choses qui précède la grammaire et que
garantit la comparabilité de la proposition la première ne peut être en réalité qu’un reflet
avec le réel et détermine la manière dont elle ou une projection de la seconde. Wittgenstein
peut être comparée avec lui; elle ne nous dis- précise néanmoins que, si la possibilité de
pense évidemment pas d’effectuer réellement donner des raisons présuppose la grammaire,
la comparaison (v. art. 69). qui par conséquent n’a pas elle-même de rai-
574 II. Personen

sons, son adoption peut avoir, en revanche, pour nous. Il est vrai en un certain sens que
toutes sortes de causes déterminantes: nous ne pouvons pas appréhender le monde
«Ist der Kalk ül also willk ürlich von uns angenom- autrement que de la façon qui nous est im-
men? So wenig, wie die Furcht vor dem Feuer, oder posée par la grammaire que nous avons adop-
einem wütenden Menschen, der sich uns nähert» tée. Mais il s’agit justement d’une constata-
(Wittgenstein 1969 a, 110). tion transcendantale, et non d’une vérité em-
pirique qui décrirait une possibilité parmi
4.3.  La thèse de l’autonomie de la grammaire d’autres qui nous étaient également offertes.
semble impliquer celle de la relativité linguis- Wittgenstein semble avoir été lui-même
tique et conceptuelle (v. art. 74). Et Witt- conscient de la difficulté intrinsèque que
genstein a été régulièrement soupçonné de comporte sur ce point sa pratique de l’an-
défendre sur ce point une position très proche thropologie spéculative ou fictive, puisqu’il
de celle d’auteurs comme Edward Sapir remarque à un moment donné:
(1884—1939) et Benjamin Lee Whorf (1897— «Kann ich denn auch nur sagen: ‘Diese Leute nen-
1941). Les Bemerkungen über die Grundlagen nen dies (ein Braun etwa) rötlichgrün? Wäre es
der Mathematik manifestent indiscutablement dann eben ein anderes Wort für etwas, wofür auch
un certain penchant pour le relativisme, y ich eins habe? Wenn sie wirk lich einen anderen
compris justement en ce qui concerne le cas Begriff haben als ich, so muß sich das darin zeigen,
apparemment le moins favorable à ce genre daß ich mich in ihrem Wortgebrauch nicht ganz
de conception, à savoir la logique et les ma- ausk enne. Ich habe aber doch immer wieder gesagt,
thématiques. Puisque nous n’avons aucun man k önnte sich denk en, daß unsre Begriffe anders
moyen de montrer que nos concepts sont les wären, als sie sind. War das alles Unsinn?» (Witt-
bons, ne devons-nous pas nous attendre à genstein 1977, 32).
rencontrer des systèmes conceptuels tout à
fait différents et tout aussi (ou aussi peu)
justifiés que le nôtre? Hintik k a (1986, 21) 5. Le ›paradoxe de Wittgenstein‹
estime que le relativisme est directement sug- et la mythologie des règles
géré par la remarque selon laquelle «das Hin-
zunehmende, Gegebene — k önnte man sagen 5.1.  Wittgenstein ne rejette certainement pas
— seien Lebensformen» (Wittgenstein 1953, l’idée anodine et parfaitement correcte que le
II 226). Puisque la ›cour d’appel sémantique langage est une activité gouvernée par des
suprême‹ est constituée par des formes de vie, règles, mais une conception mythique de la
c’est-à-dire par quelque chose qui nous est manière dont nous pouvons, de façon géné-
donné et que nous acceptons, mais qui peut rale, être conduits par des règles. Cette cri-
très bien ne pas être donné à d’autres et tique comporte deux éléments essentiels.
accepté par eux, n’en résulte-t-il pas qu’il D’une part, il est difficile de comprendre
pourrait très bien y avoir des communautés comment des règles que nous ne connaissons
humaines dont nous ne comprenons pas du pas et sur lesquelles nous en sommes réduits,
tout la forme de vie ni, par conséquent, le tout comme le linguiste qui cherche à expli-
langage? Wittgenstein écrit dans un de ses quer notre comportement, à formuler des hy-
manuscrits: ›Eine Sprache, die ich nicht vers- pothèses, peuvent réellement exercer une
tehe, ist k eine Sprache‹. Mais là réside préci- fonction normative. Comme le disent Hack er
sément la difficulté: comment est-il possible, et Bak er, «there is no normative behaviour
dans ces conditions, de parler de langages que as long as the norms await discovery» (Bak er/
je ne serais pas en mesure de comprendre (et Hack er 1984 b, 313). Wittgenstein insiste, en
donc probablement aussi d’êtres qui, tout en tout cas, sur le fait qu’une règle de jeu à
étant incontestablement humains, me seraient laquelle je me réfère explicitement et qui entre
néanmoins complètement et définitivement dans l’action de jeu elle-même ne doit pas être
impénétrables)? Le relativisme conceptuel a confondue avec une règle dont l’apprentissage
malheureusement toutes les chances de se ré- a simplement pour effet que j’agis à présent
véler en fin de compte aussi inexprimable que de telle ou telle manière et qui appartient en
son contraire, puisque nous ne pouvons rien tant que cause à ce qu’on peut appeler la
dire de l’intérieur de notre langage sur les ›préhistoire‹ de l’action. Une règle impliquée
relations sémantiques fondamentales qui y réellement dans le jeu ne s’oppose pas à une
existent et pas davantage sur celles qui pour- règle invoquée á titre d’hypothèse explicative
raient exister dans un langage qui différerait simplement «wie der Ausdruck ‘ein Sessel den
du nôtre au point d’être incompréhensible ich sehe’ zu dem: ‘ein Sessel den ich nicht
sehe, weil er hinter mir steht’» (Wittgenstein
39.  Ludwig Wittgenstein (1889—1951) 575

1969 a, 49). Wittgenstein répète que la règle, n’ont rien d’hypothétique et qui sont parfai-
en tant qu’hypothèse causale, est dépourvue tement précises et explicites comme par
de pertinence pour ce que le philosophe exemple les règles du calcul arithmétique, les
cherche à comprendre, à la différence des choses ne se passent pas du tout de cette
explications de sens familières, qui sont sus- façon. Wittgenstein formule sur ce point un
ceptibles d’être utilisées réellement comme paradoxe dont la conclusion semble être que
normes auxquelles le locuteur peut confronter la règle n’a en fin de compte rien déterminé
son usage du langage. Mais c’est une chose pour aucun cas, puisque n’importe quelle ap-
de remarquer que l’idée de règles que nous plication déviante de la règle pourrait en prin-
consultons et appliquons inconsciemment cipe être présentée comme conforme à la ma-
joue sur une équivoque ou introduit une nière dont elle avait été comprise et appliquée
confusion sérieuse entre deux sens très diffé- antérieurement. C’est du moins ainsi que l’on
rents du mot ‘règle’, c’en est une autre de est forcé de voir les choses, si l’on suppose,
suggérer que la règle au deuxième sens est que la règle, qui est en elle-même muette, ne
une chose dont le linguiste et le théoricien du détermine son application que par le biais
langage eux-mêmes devraient se désintéresser. d’une interprétation et l’application correcte
Wittgenstein remarque que, si l’on appelle le que par le biais de la (seule et unique) inter-
savoir (dans le cas du langage, on pourrait prétation correcte. Celui qui a compris la règle
dire la ›compétence linguistique‹ du locuteur) est supposé avoir intériorisé quelque chose
un ›état‹, alors c’est (l’interprétation) qui excède définitivement les
«in dem Sinn, in welchem man vom Zustand eines exemples, aussi nombreux que l’on voudra,
Körpers, eines physik alischen Modells redet. Also d’application correcte qui sont supposés at-
auch im physiologischen Sinn, oder auch in dem tester qu’il a compris la règle comme elle
einer Psychologie, die von unbewußten Zuständen devait l’être. Aucun nombre fini d’applica-
eines Seelenmodells redet» (Wittgenstein 1969 a, tions conformes de la règle ne pourrait ga-
48). rantir que l’interprétation qui a été adoptée
Mais c’est bien ainsi que procède la lin- était la bonne ou, si l’on préfère, que la règle
guistique qui se fixe pour tâche la construc- qui a été suivie était bien celle dont il s’agit,
tion d’un modèle psychologique ou psycho- puisque tout ce qui a été fait jusqu’ici peut
physiologique de la compétence en termes être mis en conformité avec une infinité de
d’états mentaux ou neurocérébraux hypothé- règles différentes dont la divergence n’est sus-
tiques. Et Wittgenstein ne trouve apparem- ceptible de se manifester qu’à un stade ulté-
ment rien à redire à ce genre de démarche, en rieur par une bifurcation effective dans les
dehors du fait que l’on risque fortement d’ou- applications. Saul Kripk e (* 1940) interprète
blier que l’on est sorti du domaine gramma- la position de Wittgenstein comme consistant
tical des ›états conscients‹ pour entrer dans à soutenir qu’il n’y a finalement aucun fait
un autre. Il n’est évidemment pas facile de me concernant qui pourrait être identifié à la
comprendre comment les mécanismes ›sous- compréhension du signe ‘+’, par exemple,
jacents‹ que postule le linguiste pourraient comme signifiant l’addition plutôt que n’im-
expliquer à la fois l’aspect causal et l’aspect porte quelle autre opération dont les résultats
normatif du comportement linguistique; mais coïncident avec ceux de l’addition pour tous
il est plus difficile encore de condamner a les couples de nombres qui ont été considérés
priori comme futile ou dénuée de sens toute jusqu’ici. En d’autres termes, rien dans les
tentative de ce genre. applications passées ne détermine réellement
l’application future, ce qui signifie que je
5.2.  Le deuxième élément que Wittgenstein pourrais en principe continuer de n’importe
conteste dans ce que l’on peut appeler la quelle manière sans entrer en contradiction
mythologie des règles est l’idée que celles-ci avec ce que j’ai fait antérieurement. Appliqué
déterminent le comportement de l’utilisateur au langage usuel, cela signifie qu’il n’y a pas
à la façon d’une machine qui, indépendam- non plus de fait qui aurait consisté à donner
ment de ce que peut être la pratique concrète à un moment quelconque aux mots que nous
de l’application de la règle et sans que nous utilisons un sens déterminé capable de diriger
y soyons pour rien, produit inexorablement leur usage futur. (›There can be no such thing
et infailliblement toutes les applications cor- as meaning anything by any word.‹) Kripk e
rectes, ou encore de rails qui fixent une fois lui-même, considérant que la notion choms-
pour toutes et sur une distance infinie le che- k yenne de compétence ›est normative, et non
min à suivre. Même dans le cas de règles qui descriptive‹, souligne que les remarques de
576 II. Personen

Wittgenstein devraient poser un problème sé- propose semble contenu dans la remarque
rieux à ceux qui utilisent cette notion, dans selon laquelle › ‘suivre la règle’ est une pra-
la mesure où la ›compétence‹ ne peut être tique‹ et présuppose ›un usage constant, une
définie dans les termes d’un modèle disposi- coutume‹, c’est cette notion de pratique (subs-
tionnel ou mécanique idéalisé et utilisée en- tituée à l’idée que la règle opère à la façon
suite sans circularité pour expliquer ce qu’on d’une sorte de machine logique en action) qui
entend par suivre une règle: demanderait à être examinée de plus près et
«Only after the sceptical problem about rules has clarifiée davantage qu’elle ne l’a généralement
been resolved can we then define ‘competence’ in été. Quant à l’idée de la ›community view‹,
terms of rule-following» (Kripke 1982, 31). elle a l’inconvénient majeur de remplacer le
problème de la correction objective de l’ap-
5.3.  Selon Kripk e, Wittgenstein propose une plication par un problème quasiment statis-
solution sceptique à un paradoxe sceptique. tique de consensus dans la façon d’appliquer
La solution consiste à considérer la personne la règle. Ce que dit la règle pour un cas
qui utilise une règle non plus isolément, mais particulier est subordonné à la réalisation
en tant que membre d’une communauté d’uti- d’un accord, que l’on peut espérer voir se
lisateurs dans laquelle elle sera supposée avoir produire le moment venu, mais qui ne peut
compris la règle comme il se doit si et seule- pas être réellement anticipé, sur la façon cor-
ment si les réponses qu’elle considère comme recte de le traiter. Or Wittgenstein soutient
›correctes‹ simplement en ce sens que ce sont que la connexion entre la règle et ses appli-
celles qu’elle a une propension naturelle à cations n’est pas une connexion empirique
donner coïncident normalement avec celles causale du genre de celle qui existe entre un
que les autres utilisateurs sont également en- mécanisme réel et les mouvement auxquels on
clins à fournir. Le seul garant de la correction peut en principe s’attendre de sa part. Si la
›objective‹ dans l’application est la concor- connexion n’est pas de nature causale, ce n’est
dance entre les applications individuelles au pas parce qu’elle laisse subsister une marge
sein de la communauté, une conception que d’indétermination et d’imprévisibilité, mais
Hack er et Bak er (1984 a), qui la rejettent ca- au contraire parce qu’une connexion hyper-
tégoriquement, ont appelée la ‘community rigide du genre de celle qui existe en pareil
view’. Kripk e n’est ni le premier ni le seul à cas ne peut justement être qu’une connexion
avoir compris les remarques de Wittgenstein grammaticale. Il ne peut donc y avoir rien
comme signifiant que l’idée de continuer à d’hypothétique et rien qui puisse faire l’objet
appliquer un concept ou à utiliser une ex- d’une découverte dans le fait qu’une action
pression de la même manière qu’auparavant s’accorde ou ne s’accorde pas avec la règle.
n’a aucun contenu objectif. Cette interpréta- Corrélativement, il n’est pas question de nier
tion se heurte cependant à des difficultés évi- que le maître qui apprend à l’élève à continuer
dentes. D’une part, elle résulte directement de la suite ‘2, 4, 6, 8, ...’ veuille réellement dire
la supposition que la règle ne détermine ses qu’après ‘1000’ on doit écrire ‘1002, 1004, ...’,
applications que par l’intermédiaire d’une in- même s’il est vrai qu’il n’a probablement pas
terprétation, ce qui constitue justement l’idée envisagé ce cas particulier et que, comme le
que Wittgenstein remet en question lorsqu’il dit Wittgenstein, il n’en sait pas plus lui-même
discute le paradoxe. Il arrive que nous devions sur ce qui doit être fait que ce qui est contenu
effectivement interpréter une règle avant de dans les explications et les exemples qu’il peut
l’appliquer et que nous hésitions sur l’inter- donner. Il est parfaitement correct de dire que
prétation, mais il y a aussi celui qui a enseigné la règle ‘ + 2’ savait déjà
«eine Auffassung einer Regel [...], die nicht eine que l’on doit écrire, après ‘1000’, ‘1002, 1004,
Deutung ist; sondern sich, von Fall zu Fall der ...’. Il savait cela, observe Wittgenstein (1953,
Anwendung, in dem äußert, was wir ‘der Regel I § 187), avec le même genre de certitude totale
folgen’, und was wir ‘ihr entgegenhandeln’ nennen» (et pourtant impossible à justifier par des
(Wittgenstein 1953, I § 201). raisons précises) que quelqu’un qui dit: ‘S’il
Wittgenstein souligne explicitement que était tombé dans l’eau, alors j’aurais sauté à
l’interposition d’une interprétation entre la sa suite’. S’il y a une difficulté sérieuse, c’est
règle et son exécution ne supprimerait pas justement parce que, même si la règle (ou le
l’indétermination apparente, l’interprétation sens qu’on lui donne) n’agissent pas à distance
étant toujours elle-même, comme la règle, sus- dans un univers platonicien où toutes les tran-
pendue en l’air et incapable de soutenir celle- sitions sont pour ainsi dire déjà effectuées, ils
ci. Puisque le principe de la solution qu’il déterminent néanmoins bel et bien à l’avance
39.  Ludwig Wittgenstein (1889—1951) 577

ce qui doit être fait pour le cas particulier dans laquelle comprendre la proposition veut
considéré comme pour n’importe quel autre. dire savoir dans quel cas elle peut être légiti-
Enfin, Wittgenstein rejette catégoriquement mement assertée est justement celui que Witt-
toute tentation d’assimiler la proposition a genstein est supposé, selon une interprétation
priori ‘Le résultat (correct) du calcul est ...’ plus ou moins reçue, avoir effectué entre le
à une proposition anthropologique du type Tractatus et les écrits de sa deuxième période.
‘Tous les hommes (ou la plupart d’entre eux) Ce changement d’attitude semble être illustré
obtiennent comme résultat, lorsqu’ils font le de façon typique par sa philosophie des ma-
calcul, ...’. La même chose est vraie, bien thématiques, dont la thèse centrale est deve-
entendu, dans le cas des règles qui gouvernent nue depuis le début des années trente que le
l’usage des mots de la langue naturelle: qu’une sens de la proposition mathématique n’est pas
couleur s’accorde ou non avec un échantillon celui d’une assertion portant sur un univers
de vert fait partie, aux yeux de Wittgenstein, mathématique dans lequel ce qui est affirmé
de la grammaire du mot ‘vert’ et n’a rien à est ou n’est pas le cas, mais est donné par ce
voir avec une sorte de décision empirique que qui compte comme une justification pour elle,
traduirait le moment venu le comportement à savoir la démonstration. Transposée au lan-
de la collectivité ou de la majorité. La gage dans son ensemble, une telle conception
›community view‹ ne peut donc pas être la impliquerait que la signification d’une ex-
position intermédiaire stable et satisfaisante pression est la contribution qu’elle apporte à
que Wittgenstein a cherchée entre une concep- la détermination des conditions d’assertion (et
tion magique de la connexion établie a priori non des conditions de vérité) des phrases dans
dans la grammaire entre la signification et lesquelles elle est susceptible de figurer. Dum-
l’usage et l’idée qu’il n’y a pas de connexion mett a soutenu qu’une application consé-
du tout, ce qui signifierait que nous vivons quente du principe wittgensteinien (mais déjà
en réalité sans nous en apercevoir sous le présent implicitement chez Frege) selon lequel
règne de l’anarchie linguistique complète ou, ›la signification ne peut pas transcender
en tout cas, constamment menaçante. l’usage‹ obligeait à remettre sérieusement en
question l’idée de conditions de vérité qui
pourraient être réalisées sans que nous soyons
6. La signification, c’est l’usage en mesure de reconnaître qu’elles le sont,
puisque, si la compréhension d’une proposi-
6.1.  Le changement de perspective qui permet tion était constituée par la connaissance de
à Kripk e de formuler ce qu’il appelle la so- conditions de vérité de ce genre, elle contien-
lution sceptique du paradoxe sceptique attri- drait un élément qui est par nature incapable
bué à Wittgenstein est, pour une part essen- de se manifester dans l’usage que nous faisons
tielle le remplacement d’une conception réa- de la proposition. Lorsque Wittgenstein dit
liste de la signification, appuyée sur l’idée de que «was man als Begründung einer Behaup-
conditions de vérité objectives qui peuvent tung auffaßt, das k onstituiert den Sinn der
être ou ne pas être réalisées sans que nous Behauptung» (Wittgenstein 1969 a, 81), il
soyons dans tous les cas en mesure de déter- semble à première vue effectuer une conver-
miner si elles le sont ou non par une concep- sion explicite à l’anti-réalisme. Mais ce qu’il
tion anti-réaliste, appuyée sur l’idée de condi- veut dire est probablement exprimé de façon
tions d’assertabilité justifiée pour une pro- plus correcte, lorsqu’il remarque que la ques-
position. La position de Kripk e est que la tion ‘Comment vérifie-t-on la proposition?’
proposition problématique ‘A veut dire l’ad- contribue à déterminer le sens de la proposi-
dition par ‘plus’ (ou la couleur verte par le tion ou constitue une partie de sa grammaire,
mot ‘vert’)’ n’a pas de conditions de vérité, ce qui signifie simplement qu’il ne s’agit pas,
mais seulement des conditions d’assertion comme on a tendance à le croire, d’une ques-
correcte: la question n’est pas de savoir si tion ›épistémologique‹ annexe, sans rapport
quelqu’un veut dire réellement ceci ou cela avec la signification, mais non que la signifi-
par un mot quelconque, mais si lui-même et cation d’une proposition peut et doit être
les autres sont ou non justifiés à croire que donnée dans tous les cas entièrement en
c’est ce qu’ils veulent dire. Or le passage d’une termes de conditions d’assertion. Ne serait-ce
conception vériconditionnelle de la proposi- qu’en raison de l’usage limité et spécifique
tion, dans laquelle comprendre la proposition que Wittgenstein fait de la notion de ›condi-
veut dire savoir ce qui est le cas lorsqu’elle tions de vérité‹ dans le Tractatus, il est difficile
est vraie, à une conception vérificationniste, d’extraire de celui-ci l’idée que la signification
d’une proposition doit être construite, en
578 II. Personen

termes réalistes, comme étant constituée par cifications et les modifications introduites
ses conditions de vérité. Mais il est probable- dans la signification par l’utilisation effective
ment aussi excessif et hasardeux de prétendre de la phrase dans un contexte linguistique et
découvrir dans les textes postérieurs une pro- extra-linguistique déterminé.
position nouvelle et peut-être plus promet-
teuse pour la construction d’une théorie de la
signification, qui consisterait à mettre à la 7. L’avenir de la théorie
place de la notion de conditions de vérité celle de la signification
de simples conditions d’assertion. est-il celui d’une illusion?
Si Wittgenstein avait réellement voulu pro-
6.2.  Les théories de la signification de l’espèce poser une façon de construire la théorie de la
standard procèdent généralement de la façon signification qui soit opposée à celle que l’on
suivante. Chaque proposition est supposée peut tirer des idées de Frege et susceptible de
contenir, au moins implicitement, un élément la remplacer, il serait effectivement très diffi-
descriptif qui correspond à la représentation cile de dire à quoi pourrait bien ressembler
d’un fait et qui peut être commun à la pro- une théorie de la signification du genre de
position déclarative, la proposition interro- celle qu’il a en tête et de quelle manière elle
gative, la proposition impérative, etc. Cet élé- pourrait réussir à conserver un minimum de
ment, qui peut être représenté par quelque systématicité. Mais, comme on l’a déjà fait
chose comme ce que Wittgenstein appelle un remarquer, Wittgenstein s’efforce de résoudre
›radical propositionnel‹, est appelé le sens; et des problèmes philosophiques par une ap-
c’est à ce niveau qu’intervient la question de proche du langage qui, selon lui, ne peut pas
savoir si la théorie de la signification doit être systématique (même si le langage lui-
utiliser comme notions centrales celles de vé- même l’est), et non des problèmes de théorie
rité et de conditions de vérité ou, au contraire, du langage. Il n’en reste pas moins qu’il peut
celles de vérification et de conditions dans donner l’impression de procéder comme quel-
lesquelles une proposition peut être considé- qu’un qui accumule des objections sceptiques
rée comme vérifiée. La théorie du sens est contre la possibilité de construire une théorie
complétée ensuite par une théorie de la force, de la signification ou même une théorie du
qui spécifie le type d’acte linguistique (asser- langage quelconque, à moins qu’il ne consi-
tion, interrogation, ordre, etc.) qui peut être dère déjà toute entreprise de ce genre comme
effectué à l’aide d’une énonciation de la un non-sens intrinsèque. Wittgenstein rap-
phrase concernée. Il est généralement admis porte qu’au cours des discussions qu’ils ont
que, sous peine d’être d’une complexité into- eues avant la guerre sur la logique Russell
lérable, pour ne pas dire tout simplement s’écriait souvent: ‘Logic’s hell!’ Et il tente
impossible, une théorie de la signification doit d’expliquer cette réaction de la façon sui-
nécessairement admettre la distinction entre vante:
le sens et la force ou une distinction du même «Der Hauptgrund dieser Empfindung war, glaube
genre. Or, comme le remarque Dummett ich, das Fak tum: daß jede neue Erscheinung der
(1978 a, 450 sq), Wittgenstein semble précisé- Sprache, an die man nachträglich denk en mochte,
ment nier l’existence d’une distinction entre die frühere Erk lärung als unbrauchbar erweisen
le sens et la force et suggérer que l’explication k önnte. (Die Empfindung war, daß die Sprache
de la signification de la phrase doit être don- immer neue, und unmögliche, Forderungen heran-
née directement dans les termes de l’acte lin- bringen k onnte; und so jede Erk lärung vereitelt
guistique qu’elle permet d’effectuer (c’est une wurde.)» (Wittgenstein 1980, 30).
des choses que pourrait signifier le slogan Il est tentant de supposer que c’est la dis-
‘meaning is use’), sans que l’on puisse espérer cordance extrême qui lui est apparue entre les
simplifier la tâche en effectuant un détour prétentions et les promesses explicatives de la
préalable par une théorie du sens. Wittgen- logique et les exigences du langage, tel qu’il
stein donne, du reste, l’impression de rejeter est, qui a amené Wittgenstein à désespérer
également une autre distinction considérée gé- finalement de toute possibilité d’explication.
néralement comme indispensable: celle que C’est en tout cas probablement ainsi que ceux
l’on peut faire entre le contenu sémantique qui estiment qu’il n’y a aucune raison de
proprement dit, qui est constitué par la désespérer ou qu’il n’est pas nécessaire d’es-
combinaison du contenu propositionnel et de pérer pour entreprendre expliqueraient son
la force illocutionnaire, et le contenu prag- changement d’attitude.
matique, qui renferme les adjonctions, les spé-
39.  Ludwig Wittgenstein (1889—1951) 579

Hack er et Bak er estiment, pour leur part, ceux qui envisageraient de monter une ma-
que Wittgenstein non seulement n’a pas pro- chine de guerre wittgensteinienne contre les
posé de programme de rechange pour rem- ambitions et les prétentions de la théorie lin-
placer celui qu’il critiquait, mais encore a guistique contemporaine.
montré qu’il était parfaitement vain d’essayer
de nouvelles manières de réaliser un projet
qui, de Frege à Dummett, Donald Davidson 8. Bibliographie sélective
(* 1917) ou Chomsk y, est resté fondamenta- Anscombe 1959, An Introduction to Wittgenstein’s
lement le même et aussi confus et illusoire Tractatus.
qu’il l’était au début. Selon eux, un bon
nombre de distinctions considérées comme Ba
k er/Hack er 1980, Wittgenstein. Understanding
essentielles par la théorie linguistique, notam- and Meaning.
ment la distinction entre le sens et la force, Bak er/Hack er 1984 a, Scepticism, Rules & Lan-
ne sont pas seulement problématiques, mais guage.
dénuées de sens; et les problèmes qu’elles sont Baker/Hacker 1984 b, Language, Sense & Nonsense.
supposées résoudre sont déjà le produit de Bak er/Hack er 1985, Wittgenstein. Rules, Grammar
confusions conceptuelles concernant la nature and Necessity.
de choses comme la signification, la compré- Black 1964, A Companion to Wittgenstein’s «Trac-
hension, etc. On n’aurait pas inventé une dis- tatus».
tinction comme celle du sens et de la force si Bouveresse 1976, Le mythe de l’intériorité.
l’on n’avait pas été convaincu que la compré- Fogelin 1987, Wittgenstein [1976].
hension est une activité mentale qui suit les
Hacker 1986, Insight and Illusion [1972].
étapes de la construction de la phrase et de
sa signification, telle qu’elle résulte des ana- Hinti
kk a/Hinti
kk a 1986, Investigating Wittgen-
lyses du linguiste ou du théoricien des actes stein.
de langage. On a par moments l’impression, Holtzman/Leich (éd.) 1981, Wittgenstein: To Follow
en lisant des wittgensteiniens comme Hack er a Rule.
et Bak er dont la compétence est aussi inat- Kenny 1973, Wittgenstein.
taquable que leur engagement est total, que Kripk e 1982, Wittgenstein on Rules and Private
des analyses conceptuelles et des explications Language.
›grammaticales‹ à la Wittgenstein, qui n’ont de Mauro 1967, Ludwig Wittgenstein. His Place in
pas à exhiber autre chose que ce qui était là the Development of Semantics.
sous nos yeux depuis toujours et que, d’une McGinn 1984, Wittgenstein on Meaning.
certaine manière, nous connaissions déjà, Pears 1987, The False Prison.
pourraient résoudre tous les problèmes réels
que rencontre le théoricien du langage et qu’il Stenius 1960, Wittgenstein’s Tractatus.
croit devoir résoudre par la postulation d’en- Wittgenstein 1971, Tractatus logico-philosophicus
tités théoriques appropriées comme le [1921].
contenu propositionnel ou la force, tout en Cité d’après le numéro de la proposition.
éliminant les problèmes qui n’en sont pas. Wittgenstein 1967 a, Ludwig Wittgenstein und der
L’ambition de Hack er et Bak er est au fond Wiener Kreis.
de faire pour les théories du langage actuel- Wittgenstein 1964, Philosophische Bemerkungen.
lement en vogue quelque chose de comparable Wittgenstein 1969 a, Philosophische Grammatik.
à ce que Wittgenstein a cherché à faire pour Wittgenstein 1979, Wittgenstein’s Lectures. Cam-
la théorie de Georg Cantor (1845—1918): per- bridge, 1932—1935.
suader les gens qui se laissent séduire par elles Wittgenstein 1958, The Blue and Brown Books.
de les abandonner, non pas en les réfutant —
Wittgenstein 1953, Philosophische Untersuchungen.
car on ne réfute pas une image obsédante et
La première partie est citée d’après le numéro du
trompeuse — mais en montrant que le paradis
paragraphe, la deuxième d’après la page.
supposé n’en est pas un. Il est beaucoup trop
tôt pour dire si les choses tourneront ou non Wittgenstein 1967 b, Zettel.
sur ce point comme elles l’ont fait pour la Wittgenstein 1969 b, Über Gewißheit.
théorie des ensembles transfinis. Mais le Wittgenstein 1977, Bemerkungen über die Farben.
moins que l’on puisse dire est que ce précédent Wittgenstein 1980, Vermischte Bemerkungen.
n’est pas particulièrement encourageant pour
Jacques Bouveresse, Paris (France)
580

III. Positionen
Positions
Doctrines

40. Die Lehre der Terministen

1. ›Terminus est in quem resolvitur propositio‹ ‘Term’. — Die Theorie der logischen Eigen-
2. Der Platz des Traktats De proprietatibus ter- heiten der Terme, die mittelalterliche Logiker
minorum in den Logik-Kompendien entwickelt haben, ist Eigengut der Scholasti-
3. Die logisch relevanten Eigenheiten von Ter- ker (s. Art. 4). Diese unterscheiden systema-
men tisch zwischen einerseits einer Betrachtung
4. Unterscheidungen von Suppositionsarten I von Ausdrücken, sofern diese aus tatsäch-
5. Untersuchungen zum Analysebegriff ‘suppo- lichen Redekontexten losgelöst sind und so
nere’ Elemente für mögliche Verbindungen in Re-
6. Unterscheidungen von Suppositionsarten II den sind, und andererseits einer Betrachtung
7. Untersuchungen zu den Suppositionsunter- von Ausdrücken, sofern diese aus der Per-
scheidungen spektive ihres Gebrauchs im — vor allem
8. ›Suppositio‹ und ›copulatio‹ propositionalen — Kontext anvisiert werden.
9. ›Appellatio‹ In der erstgenannten Theorieeinstellung teilt
10. Zum Forschungsstand man z. B. bedeutungstragende Laute (voces
11. Literatur in Auswahl significativae) ein in Nomina und Verba; man
geht von diesen Elementen synthetisch zur
Betrachtung von Aussagen (enuntiatio, pro-
1. ›Terminus positio) über. In der zweitgenannten Theorie-
est in quem resolvitur propositio‹ einstellung geht man analytisch von der Aus-
sage zurück auf deren konstituierende Rede-
Die in der Überschrift zitierte Bestimmung teile (vgl. de Rijk 1967, Index C s. v. „contex-
von ‘terminus’ fanden die scholastischen Lo- tual [...] or propositional [...] approach“;
giker in Boethius’ (ca. 480—524) Übersetzung Pinborg 1979, bes. 21 f; 25; de Rijk 1982, 161;
der Analytica Priora des Aristoteles (384— Spade 1982, 188; 192). Man entdeckt hier,
322 v. Chr.) (s. Art. 15): daß wir denselben Ausdruck, wenn er in un-
„Term (ὅρος/Grenze) aber nenne ich, worein eine terschiedlicher syntaktischer Funktion, näm-
Aussage aufgelöst wird, nämlich das Prädikat lich entweder an Subjektstelle oder an Prä-
(κατηγορούμενον/das, was ausgesagt wird) und dikatstelle gebraucht wird, auch unterschied-
das, von dem es prädiziert wird“ (meine Übers. I lich verstehen. Man untersucht, für welche
1, 24b 16—17). Gegenstände der Ausdruck steht, je nachdem,
Diese Bemerkung hat lediglich die Funk- ob er als Subjekt oder als Prädikat gebraucht
tion, einem Ausdruck eine feste technische wird; ob im Kontext vorausgehend oder fol-
Bedeutung für die folgende Abhandlung über gend explizit oder implizit Negationen auftre-
den Schluß zu geben. Zum Schluß gehören ten oder nicht auftreten; ob die Aussage uni-
drei Begriffe (bzw. ihnen entsprechende Aus- versal oder partikulär ist; ob sie irgendeine
drücke): der im Schlußsatz an Subjektstelle Art von Modalbestimmung enthält oder nicht
stehende und der dort an Prädikatstelle ste- enthält usw. (vgl. Boh 1965, 31). Distributo-
hende Begriff sowie der nicht im Schlußsatz, ren, Negationsausdrücke oder Modalaus-
wohl aber in beiden Vordersätzen vorkom- drücke sind keine Terme im Sinne der Theo-
mende Mittelbegriff. Aristoteles wird Schluß- rie. Untersucht werden kategorematische Aus-
figuren danach unterscheiden, welche Posi- drücke, d. h. Ausdrücke, die für sich genom-
tion diese drei Begriffe in den Vordersätzen men einen Sinn haben, der explizierbar ist.
einnehmen; dazu führt er eine Benennung ein: Synkategorematische Ausdrücke bezeichnen
40.  Die Lehre der Terministen 581

für sich genommen nichts; ihr Sinn ist die es sich oft als nötig, genauer nachzuforschen,
logische Funktion, die sie im Satz haben (vgl. wie ein bestimmter Ausdruck im gegebenen
Spade 1982, 190 f). Allerdings werden die ka- Kontext verwendet wird. Die Theorie der
tegorematischen Ausdrücke als Terme unter- Termproprietäten zielt auf typische Unter-
sucht, d. h. sofern ihr Verständnis durch ihre scheidungen, von denen dann beim wirklichen
Umgebung im Satz bestimmt ist. Da die Un- Argumentieren Gebrauch gemacht werden
tersuchung den logischen Eigenheiten, die kann. Sie ist
Terme haben, gilt, müssen gerade diejenigen „eine Theorie der Interpretabilität des Terminus,
Ausdrücke im Satz, die eine rein logische d. h. eine Theorie über die vielfachen Bedeutungen
Funktion haben, in der Theorie der Termpro- des Terminus je nach seiner Verwendung in einem
prietäten eine wesentliche Rolle spielen. Satz (propositio)“ (de Rijk 1970, 3 f).
Bereits in den Summe Metenses, regelmäßig
aber in Logik-Kompendien der Spätschola-
2. Der Platz des Traktats stik — etwa ab Wilhelm von Ockham (ca.
De proprietatibus terminorum 1285—1347) (s. Art. 21) und Walter Burleigh
in den Logik-Kompendien (ca. 1275—1345) — rückt der Traktat über
die Termproprietäten (bzw. über die Suppo-
Lambertus M. de Rijk hat in seiner imponie- sition) in eine andere Position. Er folgt hier
renden, durch Ersteditionen reich dokumen- gleich nach dem Einführungstraktat oder
tierten Monographie über die Logica Moder- wird in diesen integriert. Im Einführungstrak-
norum (1962; 1967) erforscht, welche Frage- tat wird, ausgehend von Definitionen des No-
stellungen die Logiker des 12. Jahrhunderts mens und des Verbs, über die Aussage und
dazu brachten, schließlich eine Theorie der deren Bestimmungen der Quantität (univer-
›Eigenheiten der Terme‹ auszuarbeiten. Er nä- sal, partikulär, unbestimmt, singulär), der
hert sich der Theorie von zwei Ausgangs- Qualität (bejahend, verneinend) und der Mo-
punkten aus an: zum einen von dem Interesse dalität nach gehandelt, weiter auch über die
an der Klassifikation und Aufklärung von Unterscheidung zwischen einfacher Aussage
Fehlschlüssen, zum anderen von den Diskus- (enuntiatio categorica) und Aussagenverknü-
sionen über grammatisch-logische Fragen pfung (enuntiatio hypothetica). Nun folgt
aus. Die Richtigkeit dieses Ansatzes und der eine vertiefende Untersuchung der Terme der
erreichten Ergebnisse findet man bestätigt, Aussage in ihrer Subjekt- oder Prädikatfunk-
wenn man darauf achtet, wohin die Logiker tion. Die Anfangsstellung dieser Untersu-
ab dem späten 12. Jahrhundert den neu er- chung zeigt, daß die Logik systematisch auf-
arbeiteten Traktat in ihren Kompendien pla- gebaut werden soll. Argumentationen
zieren. In den meisten Kompendien des spä- (Schlüsse) bestehen aus Propositionen; die
ten 12. und des 13. Jahrhunderts, u. a. in den Proposition besteht aus Termen; deshalb muß
Introductiones in Logicam des Wilhelm von eine systematisch aufgebaute Logik zuerst
Shyreswood (gest. nach 1266, vor 1272) und klären, was ein Term ist und welche typischen
in den Tractatus ( Summule logicales) des Pe- Unterschiede zwischen Subjekt- und Prädi-
trus Hispanus (ca. 1220—1277), wird der katstelle eines Satzes bestehen. In der An-
Traktat über die Eigenheiten der Terme zwi- fangsstellung des Traktats kommt auch zum
schen die Traktate De locis und De fallaciis Ausdruck, daß die scholastischen Logiker
eingeschoben. Im Traktat De locis geht es, im ihre Lehre von den Termproprietäten keines-
Anschluß an Boethius’ Schrift De topicis dif- wegs nur als eine marginale Ergänzung der
ferentiis, um die Auflistung und Untersu- alten Logik sehen. Es geht hier um Grund-
chung zulässiger Argumentationsfiguren. Im lagen der Logik, sofern Logik als ›sermoci-
Traktat De fallaciis werden, im Anschluß an nalis scientia‹, als Wissenschaft von der ar-
Aristoteles’ Schrift De sophisticis elenchis, un- gumentativen Rede verstanden wird.
zulässige Argumentationsfiguren kritisiert.
Dazwischen tritt nun der Traktat mit der neu
entdeckten Thematik. Seine Stellung läßt er- 3. Die logisch relevanten Eigenheiten
kennen, daß die semantische Theorie, die Ge- von Termen
genstand des Traktats ist, aus der Reflexion
auf Verständigungsprobleme der argumenta- Welche Eigenheiten von Termen Gegenstand
tiven Rede entsteht. Wenn Streitfragen argu- der Theorie sein sollen und wie jede dieser
mentativ entschieden werden sollen, erweist Eigenheiten zu definieren ist, das ist unter den
terministischen Logikern umstritten. Eine Ge-
582 III. Positionen

samtdarstellung der unterschiedlichen Stand- (vgl. Walter Burleigh 1955, De Puritate Artis
punkte und der Entwicklung der Theoriebil- Logicae tr. I 1,8—9; pars I, c. I 1,24—2,13;
dung, eine Fortsetzung der von de Rijk ge- pars II, 47,25—29; pars III, 54,3—7; dazu
gebenen Ursprungsgeschichte also, ist noch Brown 1972). Wieder grundsätzlich anders
nicht geschrieben; sie kann wohl auch noch definiert Johannes Buridan, wenn er von ›ap-
nicht geschrieben werden, da noch zu viele pellativen Termen‹ handelt (vgl. King 1985,
Einzelheiten unklar sind. Hier genügt es, zwei 17—22).
Stadien zu markieren. Wilhelm von Shyres- (1) Significatio. Durch einen kategorema-
wood bemüht sich darum, verschiedene Term- tischen Ausdruck wird ein bestimmter Inhalt
proprietäten zu unterscheiden und die gege- präsentiert. Was der Ausdruck zu verstehen
benen Bestimmungen zu einer geschlossenen, gibt, ist stets ein Allgemeines — in der Spra-
aspektreichen semantischen Theorie zu inte- che der Scholastik: eine Form. Sinnhaftigkeit
grieren. (Zum Vergleich: Bei Petrus Hispanus (Bedeutsamkeit) ist, genau genommen, keine
stehen Traktate über Supposition, Appella- Termproprietät, sondern eine Eigenheit, die
tion, Ampliation, Restriktion und Distribu- dem Ausdruck als solchem, unabhängig von
tion unverbunden nebeneinander.) Etwa hun- seiner Verwendung im Satz, eignet. Daß die
dert Jahre später finden wir bei Wilhelm von ›significatio‹ dennoch im Traktat De proprie-
Ockham und Johannes Buridan (ca. 1295— tatibus terminorum erwähnt wird, ist darin
1358/60), daß die Suppositionslehre die Theo- begründet, daß Sinnhaftigkeit in den eigent-
rie der anderen Termproprietäten gewisser- lichen Termproprietäten vorausgesetzt ist.
maßen aufgesogen hat. Wie mir scheint, tre- Für in concreto bezeichnende Ausdrücke, wie
ten die Fragen, um die es den Terministen sie hier normalerweise im Blick sind (z. B.
grundsätzlich geht, im erstgenannten Stadium ‘Mensch’, ‘Großes’) gilt, daß sie die Form
deutlicher hervor. Im zweiten Stadium dage- nicht als isolierte bezeichnen — wie dies in
gen geht es zum einen um immer differen- abstracto bezeichnende Ausdrücke (‘Mensch-
ziertere und präzisere Analysen; zum anderen haftigkeit’, ‘Größe’) tun —, sondern sofern
werden die ›ontologischen Verpflichtungen‹ die Form „eine Substanz, die Träger der Form
diskutiert, die mit bestimmten Antworten auf ist, formt“; insofern „gibt das Nomen irgend-
die diskutierten semantischen Fragen verbun- wie auch die Substanz zu verstehen“ (Wilhelm
den sind. von Shyreswood 1983, Introductiones in Lo-
gicam 268, n. 5.1.11, ll. 113, meine Übers.).
3.1. Die Definition der Termproprietäten „Der Ausdruck ‘Mensch’ bedeutet Mensch-
nach Wilhelm von Shyreswood: haftigkeit als die Form von Individuen“ (ll.
significatio — suppositio — copulatio 119 f, meine Übers.). Der extensionale Aspekt
— appellatio der Bedeutsamkeit ist in der ›significatio‹ im-
mer, wenn auch unausdrücklich, mitgemeint.
Die Theoriebegriffe, die im folgenden erklärt Diesen Aspekt zu klären, ist wesentliches Ziel
werden sollen, werden von den Terministen der Suppositions- und Appellationsanalysen.
nicht geprägt. Sie alle sind bei Grammatikern — Wilhelm von Shyreswood unterscheidet:
und Logikern längst in Gebrauch (vgl. de Rijk Die allgemeine Form oder Natur kann (1a)
1962; 1967 Indices verborum et rerum s. v. als selbständig bestehend bezeichnet sein —
‘appellatio’, ‘copulatio’, ‘significatio’, ‘sup- ›significatio alicuius ut subsistentis‹ —, oder
positio’; für ‘appellatio’ und ‘copulatio’ Mai- sie kann (1b) als abhängig-anhaftend bezeich-
erù 1972; zu ‘suppositio’ Brown 1972, 19 ff). net sein — ›significatio alicuius ut adiacentis‹
In der folgenden Darstellung wird verein- (Wilhelm von Shyreswood 1983, 265, n.
facht. Die typisch terministischen Züge in den
von Wilhelm von Shyreswood gegebenen De- 5.0.1., ll. 14 ff, meine Übers.). Diese Unter-
finitionen werden hervorgehoben; Bezugnah- scheidung ist an der Grammatik orientiert.
men auf ältere grammatische oder logische Nomina — besser allgemeiner: substantivisti-
Theoriebildungen, die schwer auflösbar sind sche Ausdrücke — geben, noch unabhängig
und die Wilhelms Darlegungen gelegentlich von ihrer Verwendung im Aussagenkontext,
auch unstimmig erscheinen lassen, werden etwas als subsistierend zu verstehen. Adjek-
vernachlässigt. Zu beachten ist, daß Walter tive, Partizipien und Verben geben etwas als
Burleigh ‘suppositio’, ‘appellatio’ und ‘copu- beiliegend zu verstehen (vgl. Wilhelm von
latio’ anders definiert als Wilhelm von Shy- Shyreswood 1983, n. 5.0.3., ll. 21—25). Es ist
reswood. Er faßt suppositio als Proprietät des wichtig, die Funktion des ‘als’ (‘ut’) in den
Subjekts, appellatio als Proprietät des Prädi- Formulierungen zu beachten. Nomina be-
kats und copulatio als Proprietät der Kopula zeichnen nicht in jedem Fall Subsistierendes;
40.  Die Lehre der Terministen 583

Adjektive oder Verben bezeichnen nicht in mindest der andere Term, das Verständnis
jedem Fall Beiliegendes. Eine so naive Paral- mitbestimmt. Die einprägsame Formel des
lelisierung von grammatikalischen und onto- Wilhelm von Shyreswood lautet: „Talia sunt
logischen Unterscheidungen vermeidet Wil- subiecta, q ualia permiserint praedicata“ [Die
helm. Nomina, auch substantivierte Adjektive Subjekte sind derartig, wie die Prädikate es
wie ‘Weiße’ oder substantivierte Verben wie zulassen] (l. c., 268, n. 5.1.11, ll. 125 f, meine
‘Lachen’, geben etwas als subsistierend — Übers.; vgl. Spade 1974, 63 f). Konzentriert
oder auch: als ob es subsistierend wäre — zu man sich auf propositionale Kontexte, so läßt
verstehen, also so, daß andere Bestimmungen sich die Frage nach dem Verständnis des
attributiv oder prädikativ beigefügt werden Terms als Frage nach der Wahrheit der Aus-
können (‘leuchtende Weiße’, ‘helles Lachen’). sage umformulieren: Die Frage, wie ein Term
— Wenn diese Signifikationsunterscheidung supponiert (für was er steht), ist dann die
in einem Traktat über Termproprietäten ge- Frage, welche Einsetzungen für ihn, so wie er
troffen wird, dann deshalb, weil zwischen der in der jeweils vorliegenden Aussage als Sub-
grammatischen Form von Wörtern und deren jekt einem Prädikat untergeordnet wird, zu
Verwendung in einem Satz ein Zusammen- wahren Aussagen führen können — und wel-
hang aufgewiesen werden soll (vgl. de Rijk che nicht. Entsprechend ist die Frage, wie ein
1982, 162—164; 167—171; de Libera 1982, Term kopuliert, die Frage, welche Einsetzun-
178 ff). gen für ihn, so wie er in der jeweils vorliegen-
Ein Ausdruck, der (1a) etwas als subsistie- den Aussage als Prädikat einem Subjekt zu-
rend zu verstehen gibt, ist geeignet, einem geordnet ist, zu wahren Aussagen führen kön-
anderen Ausdruck subjiziert zu werden — nen — und welche nicht.
›suppositio secundum habitum‹. Ein Aus- (3) Appellatio.
druck, der (1b) etwas als beiliegend zu verste- „Appellation [...] ist die gegenwärtige korrekte An-
hen gibt, ist geeignet, einem anderen Aus- wendung eines Terms, d. h. diejenige Eigenheit, ver-
druck verknüpft zu werden — ›copulatio se- mittels derer das Bezeichnete eines Terms (also die
cundum habitum‹. Die Eignung kommt den allgemeine Form oder Natur) von etwas (nämlich
Ausdrücken als solchen zu. Wenn Ausdrücke einem Träger oder mehreren Trägern der allgemei-
als Terme verwendet werden, wird diese Eig- nen Natur) vermittels des (präsentischen) Verbs ‘ist’
nung aktualisiert. Die offene Möglichkeit (wahr) ausgesagt werden kann“ (Wilhelm von Shy-
wird auf je bestimmte Weise geschlossen — reswood, 1983, 265, n. 5.0.2., ll. 18 ff, meine
(2a) ›suppositio secundum actum‹ und (2b) Übers.).
›copulatio secundum actum‹ (vgl. de Rijk Die ›appellatio‹ ist nach dieser Definition
1971 und 1973; zu Wilhelms Versuch, die eine echte Termproprietät. Sie stellt den ex-
grammatische und die logische Rede von Sup- tensionalen Gegenpol zur ›significatio‹ dar.
position zusammenhängend zu lassen, vgl. Benannt werden nur Einzeldinge, und zwar
Lambert von Auxerre 1971, Summa Lamberti nur solche Einzeldinge, die gegenwärtig zum
206 f). Zeitpunkt der Verwendung eines Terms exi-
(2a) Suppositio, (2b) copulatio. Die Defi- stieren. Daß Termini Appellativfunktion
nitionen bei Wilhelm von Shyreswood lauten: haben, ist ein Spezialfall — der wichtigste —
„Supposition ist die Unterordnung eines Verständ- ihrer Suppositions- bzw. Kopulationsfunk-
nisgehalts unter einen anderen. Kopulation ist die tion: Der Denotationsbereich wird auf gegen-
Überordnung eines Verständnisgehalts über einen wärtig existierende Denotata eingeschränkt.
anderen“ (Wilhelm von Shyreswood 1983, 265, n. Die Frage nach der Appellation eines Terms
5.0.1., ll. 9 f, meine Übers.). ist die Frage nach seiner gegenwärtigen —
Dies sind blasse Formulierungen. Die De- was immer heißt: zum Redezeitpunkt gegen-
finitionen in anderen Kompendien sind nicht wärtigen — Erfüllung bzw. nach der Verifi-
aufschlußreicher (vgl. Brown 1972, 19 ff). Was zierbarkeit der präsentischen Aussage, in wel-
die Suppositionstheorie leistet, zeigt sich an cher der Term verwendet wird.
ihrer Ausarbeitung. Vorläufig kann festgehal-
ten werden: Wenn die offene Möglichkeit 3.2. Significatio: Kontroversen im
eines Ausdrucks, für selbständige Entitäten 14. Jahrhundert
zu stehen bzw. solche zu charakterisieren, in
jeder Aussage auf je bestimmte Weise ge- Im 14. Jahrhundert macht Wilhelm von Ock-
schlossen wird, wenn also diese Möglichkeit ham nachdrücklich darauf aufmerksam, daß
nicht stets auf dieselbe Weise realisiert wird, mit einer Theorie über Signifikation stets ganz
dann deshalb, weil der Aussagenkontext, zu- bestimmte ontologische Annahmen verbun-
den sind (s. Art. 21). Er will bekanntlich seine
584 III. Positionen

ontologischen Verpflichtungen so gering wie gen verlangt der Intensionalist Rechtferti-


möglich halten. Selbstverständlich ist nur, daß gung, die er seinerseits durch den Hinweis auf
es Einzeldinge gibt und daß wir mittels unse- die semantische Bestimmtheit erbringt (vgl.
rer kategorematischen Ausdrücke solche Ein- 4.2.). — Auch Ockham und Buridan vertreten
zeldinge benennen. Nicht nur diskrete Terme keinen uneingeschränkten Extensionalismus.
haben nach Ockham diese semantische Funk- Einzig für Terme, die direkt für selbständige
tion, sondern auch allgemeine (termini com- Einzeldinge (Substanzen) stehen können, soll
munes). Der Unterschied liegt für Ockham gelten, daß ihre Signifikation eben der Bereich
lediglich darin, daß wir mit einem diskreten von Einzeldingen ist, den sie denotieren. An-
Term — einem Eigennamen oder einem all- dere Terme wie Eigenschaftswörter, Rela-
gemeinen Term in Verbindung mit Demon- tionsausdrücke oder negative bzw. privative
strativpronomen oder Index — ein Einzelding Terme sind nicht rein-denotativ, sondern auch
als einzelnes bezeichnen, während wir es mit konnotativ (Buridans bevorzugte Terminolo-
einem allgemeinen Ausdruck nur im allge- gie ist ‘appellativ’; zu dieser Terminologie vgl.
meinen benennen: Der allgemeine Ausdruck Maierù 1972, cap. I, bes. 98—114). Ein Ei-
benennt nicht nur ein einziges Ding, sondern genschaftswort wie ‘weiß’ steht für ein Etwas,
viele ähnliche. Die Unterscheidung ‘einzeln das Weiße besitzt. Weiß zu sein aber ist eine
— allgemein’ ist demnach nur eine linguisti- Eigenschaft, die dieses Etwas normalerweise
sche oder konzeptionelle Unterscheidung. nicht auf unveränderliche Weise besitzt. Der
Ontologisch dagegen bezeichnen wir mit Ei- Term ‘weiß’ (oder: ‘Weißes’) denotiert also
gennamen wie mit allgemeinen Benennungen möglicherweise ein Einzelding so, daß er es
dasselbe extralinguistisch und extramental nur in einem bestimmten Zeitpunkt denotiert,
Seiende, eben Einzeldinge (vgl. Loux 1974, in einem anderen Zeitpunkt aber nicht. Darin
1—5; Adams 1987, 319 f; ähnlich Scott 1966, kann sich seine Signifikationsfunktion nicht
23 mit Bezug auf Johannes Buridan; Spade erschöpfen. Der Term konnotiert die Eigen-
1982, 191). — Vertreter der Gegenposition schaft (Weiße) unabhängig von deren mo-
wie Walter Burleigh machen geltend, daß der mentanen Trägern (vgl. Loux 1974, 5—19;
Funktion allgemeiner Terme mit Ockhams Henry 1981; Spade 1982, 192; King 1985,
Theorie nicht zureichend Rechnung getragen 17—22; Adams 1987, 319—327). Der Nomi-
werde. In wissenschaftlicher Rede machen wir nalist sieht seine ontologische Position ge-
Aussagen mit allgemeinen Termen an Sub- wahrt, solange zwischen Denotation und
jektstelle, so daß wir beanspruchen, daß diese Konnotation unterschieden wird: Eigenschaf-
Aussagen notwendig-wahr (im Sinne von: se- ten werden nicht denotiert, als ob es sie un-
mantisch bestimmt) sind: ‘Der Mensch ist ein abhängig von Einzeldingen gäbe, sondern sie
Sinnenwesen’ (‘homo est animal’). Solche werden konnotiert als Gemeintes, von dem
Aussagen, in denen charakteristischerweise eine Nominaldefinition gegeben werden kann
der Subjektterm im Singular (im Deutschen (vgl. Boh 1968).
mit bestimmtem Artikel) erscheint, sollen
nicht extensional als Aussage über eine Menge
faktisch existierender Individuen verstanden 4. Unterscheidungen
werden, sondern intensional als Aussagen von Suppositionsarten I
über den begrifflichen Gehalt einer absolut
— d. h. unabhängig von faktischen Realisie- Üblicherweise werden die Gliederungen und
rungen — betrachteten ›Natur‹ (vgl. Henry Untergliederungen, die ein Logiker vor-
1963, 206 f; Boh 1968, 257; für eine moderne nimmt, in der logikhistorischen Forschung in
Wiederaufnahme vgl. Heyer 1987). — Auf Form von Begriffsbäumen schematisiert.
diesen Einwand kann der Extensionalist re- Beim Vergleich solcher Schemazeichnungen
plizieren, indem er die kategorische Aussage sieht man rasch, daß die Einteilungen sich
in eine hypothetische Aussage umformt: zwar ähneln und daß gewisse Unterscheidun-
‘Wenn etwas Mensch ist, dann ist es Sinnen- gen kanonisch sind, daß aber auch fast jeder
wesen’. Er muß dann jedoch einräumen, daß Logiker in der Weise, wie er gliedert, seine
der Bereich, über den hier q uantifiziert wird Eigenheiten hat (vgl. z. B. de Rijk 1972,
(‘für alle x, wenn x ein Mensch ist, dann ist LXXVII ff; LXXXII; Kunze 1984, 144 f). Un-
x ein Sinnenwesen’), nicht nur der Bereich ter ‘Suppositionstheorie’ darf keine abge-
aller Menschen, auch nicht nur der aller wirk- schlossene Theorie verstanden werden; es
lichen Individuen, sondern der aller mögli- handelt sich um einen Ansatz, syntaktische
chen Individuen ist. Für derartige Allaussa- und semantische Probleme der Logik zu ana-
40.  Die Lehre der Terministen 585

lysieren. Die Frage, wie ein Term supponiert, führungszeichen setzt: ‘ ‘Mensch’ ist einsilbig’,
ist die Frage, für was der Term in der jewei- ‘ ‘Mensch’ ist ein Nomen’. Dies ist Zeichen
ligen Verwendung steht. Die Unterscheidung für eine tiefgehende Veränderung. Anfüh-
von Suppositionsarten stellt den Versuch dar, rungszeichen sind Zeichen der Schrift. Sie
Arten von Kontexten gegeneinander abzu- werden nicht gesprochen und gehört, sondern
grenzen (vgl. Spade 1982, 192 f). geschrieben und gelesen. Das primäre Me-
dium der scholastischen Philosophie und Wis-
4.1. Suppositio materialis — senschaft ist die gesprochene Sprache, wäh-
suppositio formalis rend das primäre Medium der modernen Wis-
senschaft die Schrift geworden ist. In scho-
Typische Beispielsätze für materiale Suppo- lastischen Logiktraktaten wird analysierend
sition sind (1) ‘homo est dissylabum’ und (2) und reflektierend über Sprache gesprochen,
‘homo est nomen’. Zur Diskussion steht, wie ohne die Möglichkeit, die Analysesprache als
der Subjektterm in diesen Sätzen verstanden Metasprache von der zu analysierenden Spra-
werden muß, wenn die Sätze als wahr einge- che graphisch abzusetzen. Der Logiker kon-
sehen werden sollen. In (1) steht der Ausdruck struiert nicht von außen, indem er Zeichen
‘homo’ offenbar nur für eine bestimmte und Regeln einführt, sondern er steht innen:
stimmliche Artikulation. Dem Prädikat ‘ist Er sucht nach der Struktur und logischen
zweisilbig’ können als Subjekt Äußerungen Form der Wissenschaftssprache, die er selbst
(Lautungen) zugeordnet werden. Dabei spielt verwendet. Er erfaßt diese Strukturen be-
der Sinngehalt der Ausdrücke keine Rolle. schreibend und unterscheidend, während der
„Der Ausdruck steht für die Äußerung ohne moderne Logiker Notationen erfindet, wenn
Hinsicht auf den Sinn“ (Wilhelm von Shyres- er an vergleichbaren Forschungen arbeitet
wood 1983, 266, n. 5.1.2, l.7, meine Übers.). (vgl. Perreiah 1984, 10; 17; 34 ff; 41; 45).
Anders verhält es sich bei (2). Um die Aus-
sagefunktion ‘x ist ein Nomen’ durch Einset- 4.2. Suppositio simplex —
zung eines Nomens anstelle des Platzhalters suppositio personalis
‘x’ zu einer wahren Aussage zu vervollstän-
digen, müssen wir den Sinngehalt des einzu- In formaler Supposition steht der Ausdruck
setzenden Ausdrucks kennen. Wir müssen nicht autonym für sich selbst als Zeichen,
diesen Ausdruck nicht nur hören, sondern sondern für das, was er bezeichnet. Dies ist
auch verstehen, um ihn grammatisch klassi- nach Wilhelm von Shyreswood nicht nur
fizieren zu können. Wir brauchen jedoch nicht dann der Fall, wenn der Ausdruck auf extra-
zu wissen, ob es wirklich Dinge gibt, die durch mentale Gegebenheiten referiert — ›supposi-
diesen Ausdruck bezeichnet werden können. tio personalis‹ —, sondern auch dann, wenn
Wir verwenden in (2) den Ausdruck ‘homo’ er einen Begriff bezeichnet, über dessen logi-
nicht für das von ihm Bezeichnete. (2) ist ein sche Eigenart gesprochen wird — ›suppositio
Beispielsatz für eine Art von Sprachzeichen. simplex‹. Das Standardbeispiel für ›suppositio
„Der Ausdruck steht für den Ausdruck selbst, simplex‹ ist der Satz (3) ‘homo est species’.
und dieser ist ein Komplex aus Äußerung und Der Satz gehört in die Logik, genauer: in die
Sinn“ (Wilhelm von Shyreswood 1983, 266, Theorie der Prädikabilien. ‘homo’ ist ein Bei-
n. 5.1.2, l.8, meine Übers.). — Unter dem spiel für einen bestimmten Typus von Begrif-
Titel ‘materiale Supposition’ sind Kontexte fen, nämlich für einen Artbegriff. Gesprochen
der (1) Phonologie und (2) der Grammatik wird also hier über den begrifflichen Gehalt.
ausgegrenzt. In allen übrigen Kontexten, Immer noch bleibt außer Betracht, ob es ex-
wenn also der untersuchte Ausdruck nicht als tramental eine Entität gibt, die unter den Be-
Beispiel für eine Äußerung oder ein Sprach- griff fällt. Dieser Aspekt der Signifikation
zeichen steht, supponiert der Ausdruck for- wird erst relevant, wenn der Ausdruck per-
mal. Er steht nicht als Name für sich selbst, sonal supponiert, etwa in ‘homo currit’. Wenn
sondern als Zeichen für das von ihm Bezeich- der Ausdruck in einfacher Supposition steht,
nete, also für seinen Sinn oder seine Bedeu- wird er „für die bezeichnete Form aufgefaßt“;
tung. — In der modernen Logik und Lingui- wenn er personal supponiert, „für die Sache,
stik hat man sich angewöhnt, Redekontexte die die Form trägt“ (Wilhelm von Shyres-
der Phonologie und der Grammatik wie auch wood, 1983, 206, n. 5.1.5, ll. 23 f, meine
der Logik dadurch von allen anderen Rede- Übers.). — Sätze vom Typ (3) sind nicht die
kontexten abzusetzen, daß man die Terme, einzigen, von denen gesagt wird, der Subjekt-
über die phonologische, grammatische oder term stehe in einfacher Supposition. Andere
logische Aussagen gemacht werden, in An- Beispielsätze, die für diese Suppositionsart
586 III. Positionen

angeführt werden, sind: (4) ‘homo est dignis- sein (vgl. 5.3.), daß andere Logiker die zitier-
sima creaturarum’ [‘Der Mensch ist das wür- ten Beispielsätze anders einordnen, als Wil-
digste unter den Geschöpfen’] und (5) ‘piper helm von Shyreswood dies tut. Die Zuord-
venditur hic et Rome’ [‘Pfeffer wird hier und nung zur ›suppositio simplex‹, die Wilhelm
auch in Rom verkauft’]; (6) ‘hic herba crescit vornimmt, hat den Nachteil, daß diese Sup-
hic et in hortu meo’ [‘Dieses Kraut wächst positionsart keinen einheitlichen Redebereich
hier und auch in meinem Garten’]. Dies sind mehr hat; sie umfaßt die Sprache der Logik
ersichtlich keine Sätze der Logik. Es wird in (3), die Sprache der Philosophie, für die die
ihnen auch — im Unterschied zu (3) — nicht Figur der ›reduplicatio‹ seit Aristoteles cha-
über Begriffe gesprochen, sondern über extra- rakteristisch ist (4), und auch die Alltagsspra-
mentale Entitäten; kennzeichnend ist, daß che (5, 6). Bemerkenswert ist andererseits, daß
man nicht auf den Einfall käme, den Sub- die Theorie sich überhaupt an solchen fak-
jektterm in Anführungszeichen zu setzen. Die tisch vorkommenden Redeweisen bewähren
Logiker, die Beispielsätze vom Typ (4) und muß, auch wenn sie nur selten vorkommen
vom Typ (5, 6) zusammen mit denen vom Typ und irgendwie als anomal empfunden werden.
(3) als Fälle von einfacher Supposition be-
trachten, sind sich über die Unterschiede zwi-
schen den Fallgruppen im klaren. Wenn alle 5. Untersuchungen
drei Fallgruppen trotz der grundsätzlichen zum Analysebegriff ‘supponere’
Unterschiede zusammengenommen werden, Bei näherer Betrachtung der Definitionen, die
dann hauptsächlich deswegen, weil der Ver- für einzelne Suppositionsarten gegeben wer-
such, die Subjektterme so zu interpretieren, den, fällt auf, daß das Verb ‘supponere’ gram-
daß personale Supposition angenommen matisch unterschiedlich konstruiert wird,
wird, zu unbefriedigenden Ergebnissen führt manchmal intransitiv (‘dictio supponit pro
(vgl. zur modernen Diskussion über generi- ipsa voce absoluta / pro ipsa dictione com-
sche Kennzeichnungen Heyer 1987, 71; 80, posita ex voce et significatione’), manchmal
der sich ausdrücklich auf die scholastische transitiv (‘dictio supponit suum significa-
Theorie bezieht). In (4) steht ‘Mensch’ nicht tum’). Zu fragen ist, ob diese unterschied-
unmittelbar für Individuen, sonst müßte ge- lichen Konstruktionsweisen als Anzeichen da-
fragt werden können, welche Menschen denn, für zu werten sind, daß hier, genau genom-
ob alle oder einige oder nur ein bestimmter, men, gar keine einheitliche Theorie vorliegt
als würdigstes unter den Geschöpfen bezeich- (vgl. M. and W. Kneale 1962, 249 f).
net würden. Auch in (5) und (6) wird nicht
über Individuen gesprochen, sogar auch dann
nicht, wenn dies durch das Demonstrativpro- 5.1. Dictio supponit aliquid pro aliquo
nomen angezeigt zu. werden scheint: Kein ein- Wenn Wilhelm von Shyreswood zwischen
ziges Pfefferkorn wird an zwei verschiedenen ›suppositio simplex‹ und ›suppositio perso-
Orten verkauft, und keine einzelne Pflanze nalis‹ unterscheidet, verbindet er die beiden
wächst an verschiedenen Plätzen. Den Unter- Konstruktionen: „Dictio supponit significa-
schied zwischen Typ (4) und Typ (5, 6) be- tum pro significato / pro re, q uae subest“
schreibt Wilhelm von Shyreswood folgender- (Wilhelm von Shyreswood 1983, 266, n. 5.1.3,
maßen: Bei Typ (4) ist es zulässig, das Prä- ll. 11—14). Wenn man davon ausgeht, daß
dikat auch von jedem einzelnen Individuum die Konstruktion ‘supponere aliq uid pro ali-
auszusagen, freilich nicht unmittelbar, son- q uo’ die eigentlich entsprechende ist, lassen
dern nur ›sofern dieses an der Natur der Art sich die anderen Konstruktionen als Abkür-
teilhat‹. Die entsprechende Sprachform ist die zungen, wie sie sich in einer technischen Spra-
Verdoppelung des Artbegriffs: „‘Dieser che leicht bilden, verstehen. ‘Dictio supponit
Mensch als Mensch ist das würdigste unter aliq uid’: Der Term ordnet etwas dem anderen
den Geschöpfen’ “ (Wilhelm von Shyreswood Term unter. Normalerweise ist das, was er
1983, 268, n. 5.1.10, ll. 92—95, meine Übers.). unterordnet, sein Sinngehalt: ‘dictio supponit
Bei den Sätzen vom Typ (5, 6) steht der Sub- significatum’. Gesprochen wird mittels des
jektterm „für seinen Sinngehalt so, daß dieser Ausdrucks über das, was der Ausdruck (in-
sich allgemein und vage zu seinen Erfüllungen tensional oder extensional) bedeutet. ‘Dictio
verhält“; es wird über Einzeldinge gespro- supponit aliq uid pro aliq uo’: Die Präposition
chen, aber über kein bestimmtes Einzelding leitet eine Spezifizierung ein. Im untersuchten
(Wilhelm von Shyreswood 1983, n. 5.1.11, ll. Fall von Rede, d. h. in der Zusammenstellung
101—104, meine Übers.). — Es wird zu zeigen mit diesem bestimmten zweiten Term, ordnet
40.  Die Lehre der Terministen 587

der Ausdruck sein Bedeutetes so unter, daß als Ausdruck also sei der Term mehrdeutig,
er für etwas ganz Bestimmtes steht. Intensio- sondern von einem Ausdruck werde, wenn er
naler und extensionaler Aspekt der Bedeu- als Term einem anderen Term zugeordnet
tung werden nun unterscheidbar. ‘Dictio sup- wird, unterschiedlicher Gebrauch gemacht.
ponit significatum pro significato’: Der Aus- Genau dies zu klären, wie das Verständnis
druck ordnet in diesem Redekontext sein Be- von Termen durch die im Kontext beigefügten
deutetes so unter, daß er für seinen Sinngehalt Terme verändert wird, sei Aufgabe der Sup-
selbst steht. Gesprochen wird über den Sinn positionstheorie (Wilhelm von Shyreswood
des Ausdrucks. ‘Dictio supponit significatum 1983, n. 5.1.7, ll. 53—59; vgl. Spade 1982,
pro re q uae subest’: Der Ausdruck steht in 193). — Kann aber nicht der Einwand ver-
diesem Redekontext für Erfüllungen seines stärkt werden? Vom modernen Standpunkt
Sinns; gesprochen wird über Denotata des aus liegt dies nahe (vgl. zum folgenden M.
Ausdrucks. Das in den Definitionen der ma- and W. Kneale 1962, 254 f). Man könnte fol-
terialen Supposition fehlende Akkusativ-Ob- gendermaßen argumentieren: Der Supposi-
jekt läßt sich leicht ergänzen. Der Ausdruck tionstheoretiker geht davon aus, daß in den
ordnet hier nicht sein Bedeutetes einem Prä- Sätzen ‘homo est dissylabum’, ‘homo est no-
dikat unter, sondern sich selbst; gesprochen men’, ‘homo est species’ und ‘homo currit’
wird über den Ausdruck selbst (vgl. Trent- jedesmal derselbe Ausdruck an Subjektstelle
mann 1977, 37 f). steht. Nach diesem Ansatz vertraut der Spre-
chende darauf, daß der Hörende aus dem,
5.2. Zum Verhältnis zwischen Signifikations- was im Satz folgt, aus dem Prädikat also,
und Suppositionsanalyse versteht, worüber gesprochen wird. Die Logik
schult diese Verständnisfähigkeit durch sup-
In der Phase, in der die Suppositionstheorie positionstheoretische Analysen. Nun soll die
schulmäßig ausgebildet wird, wird die Theorie Logik aber nicht nur dazu befähigen, Sprach-
gegen konkurrierende Ansätze verteidigt. In gebräuche so, wie sie faktisch-zufällig vorlie-
den Text der Introductiones in logicam des gen, zu analysieren. Sie kann, wo es notwen-
Wilhelm von Shyreswood sind solche Diskus- dig erscheint, auch Sprachgebräuche regeln
sionen eingegangen. Gegen die Unterschei- und präzisieren. Zu diesem Zweck sind in der
dung zwischen materialer und formaler Sup- modernen Schreibweise Anführungszeichen
position und erneut gegen die Unterscheidung als Unterscheidungskonvention eingeführt
zwischen einfacher und personaler Supposi- worden. Mit Anführungszeichen geschrieben
tion wird eingewandt, es handle sich hier gar ist ein Ausdruck seinem Sinn und seiner
nicht um verschiedene Suppositions-, sondern Funktion nach nicht mehr derselbe wie ohne
um verschiedene Signifikationsweisen. Der Anführungszeichen geschrieben. Man kann
Einwendende beruft sich auf die Definition und sollte diese Sinn- und Funktionsunter-
von ‘significatio’: ‘Signifikation ist die Prä- scheidung noch deutlicher machen. Die Bei-
sentation einer Form für das Verstehen’. In spielsätze wären dann umzuschreiben: ‘Die
den Beispielsätzen, so fährt er fort, werde Äußerung ‘homo’ ist zweisilbig’; ‘Das Wort
jeweils etwas Anderes dem Verstehen präsen- ‘homo’ ist ein Nomen’; ‘Der Begriff ‘homo’
tiert, eine Äußerung nämlich oder ein Sprach- ist ein Artbegriff’; ‘Ein Mensch läuft’. So ver-
zeichen oder ein Sinngehalt oder eine extra- vollständigt, wird deutlich, daß überhaupt
mentale Realität. Der Ausdruck Mensch be- nicht derselbe Terminus in den vier Sätzen an
zeichne also in den erörterten Beispielsätzen Subjektstelle steht, sondern jedesmal ein an-
je Unterschiedliches (Wilhelm von Shyres- derer. Was die Suppositionsanalyse leisten
wood 1983, 267, n. 5.1.7, ll. 47—52; 73—76). wollte, kann weit ökonomischer erreicht wer-
— Wilhelm findet es offensichtlich leicht, die- den, wenn man, unterstützt durch geeignete
sen Einwand abzuwehren. Der Term ist ja Schreibkonventionen, von vornherein und
nicht etwa als Ausdruck, als lexikalischer Ein- grundsätzlich zwischen Erwähnung (mention)
trag mehrdeutig. Wenn er Verschiedenes zu und Verwendung (use) von Zeichen oder zwi-
verstehen gibt, dann nur durch die Verwen- schen autonymer und signifikativer Verwen-
dung in ganz bestimmten Redekontexten. dung von Zeichen unterscheidet. Dem Mit-
›Für sich genommen präsentieren Ausdrücke teilenden (d. i. dem Sprecher — genauer: dem
immer ihr Signifikat.‹ Wenn ein Ausdruck Schreiber) wird beigebracht, klar zu machen,
etwas anderes als sein Signifikat zu verstehen worüber er spricht bzw. schreibt. Das ist ein-
gebe, etwa eine Äußerung, dann liege das facher, als die Verständnisfähigkeit des Emp-
einzig an einem Prädikat von ganz bestimmter fängers (d. i. des Lesers — genauer: des Hö-
Art, das dem Ausdruck beigefügt wird. Nicht
588 III. Positionen

rers) zu schulen. — Auf diesen erneuten Ein- tionsbereich erweitert oder verengt wird (de
wand soll hier nicht in der Weise geantwortet Rijk 1962, 562 f). Es fällt nun auf, daß in den
werden, daß die Probleme der Unterschei- Trugschlußtraktaten des 12. Jahrhunderts nur
dung zwischen ›mention‹ und ›use‹ oder zwi- die letztgenannte Art von Univokation als
schen autonymer und signifikativer Verwen- Irrtumsq uelle gründlich erörtert wird. Die er-
dung erörtert werden. Statt dessen wird phi- ste und die zweite Art von Univokation da-
losopiehistorisch verdeutlicht, was die Sup- gegen werden nur genannt. Es fehlt offenbar
positionstheorie leisten sollte. Dem in der noch der Ansatzpunkt, von dem aus das dia-
Vorgeschichte dieser Theorie Bewanderten gnostizierte Problem wirklich angegangen
fallt auf, daß die Unterscheidung zwischen werden könnte. Gerade hier wird von den
Erwähnung und Gebrauch, die als Ersatz für Logikern der folgenden Generation weiter-
suppositionstheoretische Unterscheidungen gearbeitet. Die Theorie muß so gefaßt wer-
angeboten wurde, frappierend Analysen äh- den, daß die Redeweisen des Grammatikers,
nelt, die sich in Trugschlußtraktaten des 12. des Logikers oder des Philosophen, der die
Jahrhunderts finden. Diese Analysen bilden Theorie aufbaut, durch die Theorie miterfaßt
eine Vorstufe der Suppositionstheorie; diese werden. — Die Auseinandersetzung, die Wil-
soll Probleme lösen, die in jenen Trugschluß- helm von Shyreswood führt, ist eine Ausein-
traktaten diagnostiziert wurden. Man war andersetzung mit einer zu seiner Zeit veral-
darauf aufmerksam geworden, daß nicht nur teten Theorie. Der Versuch, den von Wilhelm
mehrdeutige (ä q uivoke) Ausdrücke, also abgewiesenen Ansatz mit Hilfe moderner Un-
Wörter, die verschiedene Signifikationen terscheidungen zu stärken und theoriefähig
haben, in Argumentationen zu Verwirrung zu machen, bleibt grundsätzlichen Einwänden
und Fehlern führen können, sondern auch ausgesetzt. Auch die moderne Theorie inte-
univoke Ausdrücke, sofern sie in unterschied- griert die ›Erwähnung‹ nicht, sondern sie
lichen Kontexten unterschiedlich verwendet drängt sie ab — in die Metasprache. Sie trennt
werden. Definierend benannte man das Pro- ›mention‹-Fälle von ›use‹-Fällen. Aber sie hilft
blem: „Univocatio est manente eadem signi- nicht zu sehen, welche Zusammenhänge zwi-
ficatione variata nominis suppositio“ [Univo- schen diesen unterschiedlichen Fällen beste-
kation ist veränderte Supposition eines No- hen. Die Suppositionstheorie arbeitet daran,
mens, jedoch so, daß dessen Signifikation die- auch Zusammenhänge sichtbar zu machen,
selbe bleibt.] (Fallacie Parvipontane, in: de wenn sie zum Beispiel darlegt, für welche
Rijk 1962, 562, 11 f (meine Übersetzung); vgl. Fälle von ›autonymer‹ Verwendung die ›sig-
de Rijk 1982, 164 ff; de Libera 1982, 175 ff). nifikative‹ Verwendung des Ausdrucks ver-
Drei Arten von Univokation wurden aufge- standen sein muß und für welche Fälle nicht.
deckt: (I) ›Transsumptio grammaticorum‹
bzw. ›transsumptio dialecticorum‹. Ein Aus- 5.3. Suppositio simplex: Kontroversen
druck wird verwendet, um (a) etwas über
diesen Ausdruck selbst auszusagen (‘homo est Im 14. Jahrhundert liest man an der Art, wie
nomen’) oder um (b) über seine Bedeutung ein Logiker die ›suppositio simplex‹ traktiert,
(de suo significato) zu sprechen (‘homo est ab, welche ontologische Theorie er vertritt.
Wer — wie Walter Burleigh — im wesent-
species’). Der Übergang von diesen ›Übertra- lichen dieselben Definitionen und dieselben
gungen‹ zur Normalverwendung führt zu
Fehlschlüssen. (II) Ein Ausdruck wird einmal Fallunterscheidungen bringt wie Wilhelm von
verwendet, um über ein Charakteristikum zu Shyreswood, gilt als Realist im Universalien-
sprechen, das einer Art als solcher zukommt streit (vgl. Henry 1963; 1981; Brown 1972,
(‘homo est dignissima creaturarum’; ‘aurum 24 f; Adams 1987, 329, n. 42; Kunze 1988,
est preciosissimum metallum’; ‘piper venditur 198 ff, Anm. 26) (s. Art. 61). Die Nominali-
hic et Rome’), oder aber er wird verwendet, sten tendieren zu einer rein extensionalen Se-
um über Dinge zu sprechen, die dieser Art mantik (vgl. Inciarte 1974). Bedeutung und
zugehören. Wieder führt die Vermischung die- Referenz werden — so weit wie eben möglich
ser Verwendungsweisen zu Argumentations- — miteinander gleichgesetzt (s. Art. 81).
fehlern. (III) Ein Subjektterm steht je nach Wenn ein Term für sein Signifikat steht, so
der Zeitform des Prädikats für gegenwärtige, lehren Ockham und Buridan, dann steht er
für vergangene oder für künftige Erfüllungen — jedenfalls wenn es sich um einen substanz-
seines Sinngehalts. Fehlargumentationen anzeigenden Ausdruck handelt — in perso-
können entstehen, wenn innerhalb ein und naler Supposition, nicht in ›suppositio sim-
desselben Argumentationstextes der Denota- plex‹. Johannes Buridan streicht die ›suppo-
sitio simplex‹ kurzerhand und unterscheidet
40.  Die Lehre der Terministen 589

nur zwischen personaler und materialer Sup- dersartigen Geschöpfen; behauptet würde
position. Ein Term steht entweder für die also, der Mensch sei erhabener als jedes kör-
Dinge, die er bezeichnet, oder er steht für perliche Geschöpf, das kein Mensch ist. Diese
Zeichen; für einen von der Denotation unter- Behauptung aber gelte für jeden Einzelmen-
schiedenen Sinngehalt bleibt keine Stelle (vgl. schen. Auch wenn man die Interpretation mit
Scott 1966, 31 f; King 1985, 37—40). Wilhelm ›reduplicatio‹ des Subjektterms verteidigt (vgl.
von Ockham behält die ›suppositio simplex‹ 4.2.), wird man Ockhams Transformationen
noch bei, beschränkt ihr Gebiet aber auf Aus- zu Rate ziehen: Mögen sie zwar keine ad-
sagen logischer Art wie ‘homo est species’. äq uate Interpretation der Redeabsicht des
Der Term ‘homo’ ist hier nach Ockhams Auf- Sprechers liefern, so formulieren sie doch
fassung nicht signifikativ gebraucht, sondern einige Wahrheitsbedingungen des Satzes prä-
er steht „für eine Intention der Seele“ (Ock- zise. Um dies zu zeigen, soll eine weitere Ex-
ham 1974, Summa Logicae I c. 64, 196, ll. position Ockhams kurz vorgestellt werden. —
26 f; bzw. 1984, 31; vgl. 143/146, Anm. 40). In der aristotelischen Tradition sind Aussagen
‘Species’ ist ein Term ›zweiter Intention‹, von wie ‘Farbe ist das allererste Objekt des Seh-
Menschen gebildet, um über das Verhältnis, vermögens’ geläufig. Ockham formt den Satz,
das Begriffe ›erster Intention‹ zueinander den er ›wörtlich verstanden falsch‹ nennt, in
haben, zu reflektieren. Im Beispielsatz steht einem ersten Schritt in eine Aussage zweiter
demnach auch der Subjektterm für einen Be- Intention um, in der der Subjektterm in ›sup-
griff, nicht — wozu er primär bestimmt ist — positio simplex‹ steht: ‘Von Farbe wird zu
für ein extramental Seiendes (vgl. Swiniarski allererst prädiziert, vom Sehvermögen wahr-
1970, 188 f; 205; Brown 1972, 25; Adams nehmbar zu sein’. Die Autoren, die den Satz
1987, 338 f). — Ockham setzt sich mit der aufgestellt haben, wollten aber nicht über eine
alten Auffassung von ›suppositio simplex‹ logische Folge zwischen Begriffen handeln,
auseinander. Für die traditionell für Varian- sondern über reale Sachverhalte. Deshalb
ten der ›suppositio simplex‹ angeführten Bei- nimmt Ockham eine zweite Transformation
spielsätze gibt er Expositionen, die rechtfer- vor. Das ‘zu allererst’ fällt weg; es bedeutet
tigen sollen, daß auch in Sätzen dieser Art in extensionaler Sprache „allgemein von et-
der Subjektterm personal supponiert. Das ge- was ausgesagt werden und nur von dem aus-
lingt für den Beispielsatz ‘piper venditur hic gesagt werden, von dem es ausgesagt wird”
et Rome’; auch Walter Burleigh sieht hier (Wilhelm von Ockham 1974, I c. 66, 203, ll.
einen Fall von ›suppositio personalis‹ (Walter 92 ff, meine Übers.; vgl. 1984, 47). Die exten-
Burleigh 1955 I, pars I, c. IV, 20,37—21,10; sionale Exposition des strittigen Satzes lautet
bzw. 1988, 59/61). Ockham interpretiert den also: Alles Farbige kann mit dem Sehsinn
Satz als Konjunktion zweier Aussagen: ‘piper wahrgenommen werden, und nichts, was
venditur hic et piper venditur Rome’. Beide nicht farbig ist, kann mit dem Sehsinn wahr-
Teilsätze sind wahr für verschiedene einzelne genommen werden (Wilhelm von Ockham
Dinge derselben Art (Wilhelm von Ockham 1974, I c. 66, 199 f, ll. 16—22; 201—204, ll.
1974, I c. 66, 205, ll. 143—155, bzw. 1984, 51—111; 1984, 39—49).
51/53). Komplizierter und im Ergebnis weni-
ger klar ist die Diskussion des Beispielsatzes
‘homo est dignissima creaturarum’ (Wilhelm 6. Unterscheidungen
von Ockham 1974, I c. 66, 199 f, ll. 3—9; von Suppositionsarten II
200 f, ll. 26—50; bzw. 1984, 39/41/43). Ock-
hams Verfahren ist es — hier wie in vielen 6.1. Suppositio communis — suppositio
anderen Fällen —, den Satz ›dem strengen discreta
Sprachgebrauch nach falsch‹ zu nennen, ihn
aber so umzuformen, daß die Redeabsicht Wilhelm von Shyreswood gibt zur ›suppositio
derer, die ihn aufgestellt haben, getroffen wird formalis‹ zwei Einteilungen; einerseits unter-
und daß er als wahr anerkannt werden kann. gliedert er, wie erörtert, in ›suppositio sim-
Die von Ockham vorgeschlagene Transfor- plex‹ und ›suppositio personalis‹, andererseits
mation beruht in diesem Fall darin, zu unter- in ›suppositio communis‹ und ›suppositio dis-
stellen, daß nur ganz bestimmte Vergleichsob- creta‹. Die beiden Unterscheidungen sind lo-
jekte im Blick sind. Bezugspunkt des Ver- gisch unabhängig voneinander. Beide er-
gleichs seien nur körperliche Kreaturen; ver- schöpfen den Bereich der ›suppositio forma-
glichen werden sollen ferner nicht Menschen lis‹ (Wilhelm von Shyreswood 1983, 266, n.
untereinander, sondern Menschen mit an- 5.1.4., ll. 16—22). Ob ›suppositio communis‹
oder ›suppositio discreta‹ vorliegt, muß nicht
590 III. Positionen

durch Interpretation entschieden werden; Der Satz kann durch den Hinweis auf einen
man kann dies der Aussage ansehen bzw. einzigen Menschen, der zum Äußerungszeit-
abhören. Der Subjektterm ist in einem Fall punkt tatsächlich läuft, verifiziert werden.
allgemein (z. B. ‘Mensch’), im anderen Fall Der Subjektterm steht also hier für irgendeine
diskret. Diskrete Terme werden sprachlich seiner Erfüllungen. Sobald der Hinweis auf
ausgedrückt, indem zum allgemeinen Term irgend eine bestimmte, aber vom Sprecher
ein Demonstrativpronomen hinzugesetzt beliebig aus dem Denotationsbereich wähl-
(‘dieser Mensch’) oder indem ein Eigenname bare Erfüllung nicht genügt, eine Aussage, in
verwendet wird. Aus der zweifachen Eintei- der der fragliche Term vorkommt, wahr zu
lung ergeben sich kombinatorisch vier Fälle machen, steht dieser Term in ›suppositio con-
formaler Supposition. Strittig ist, ob diskrete fusa‹. — Wann immer ein allgemeiner Term
Terme einfach supponieren können. Wilhelm personal supponiert, ist es zulässig, von ihm
verteidigt seine Position gegen Logiker, die auf Aussagen überzugehen, in denen anstelle
die Untergliederung ›suppositio simplex‹ — des allgemeinen Terms entsprechende diskrete
›suppositio personalis‹ nur für die ›suppositio Terme stehen. Die einzelnen Arten personaler
communis‹ gelten lassen, während ihrer Auf- Supposition lassen sich danach voneinander
fassung nach ein diskreter Term immer nur unterscheiden, welcher ›descensus‹ genau zu-
personal supponiere. Der Beispielsatz aus lässig ist. Im Falle der ›suppositio determi-
dem Gebiet der Logik, der als Beleg für die nata‹ ist die Exposition durch eine Disjunk-
umstrittene Kombination ›suppositio discreta tion von Aussagen über Einzeldinge gültig.
simplex‹ zitiert wird, lautet ‘Socrates est prae- Wenn wir den allgemeinen Term durch große
dicabile de uno solo’. Wird der Eigenname Buchstaben und die diskreten Terme durch
hier so aufgefaßt, daß eine Form, die er be- entsprechende kleine Buchstaben mit Indices
zeichnet, verstanden wird (Wilhelm von Shy- symbolisieren, läßt sich die Exposition von
reswood 1983, 267, n. 5.1.7, ll. 60—71)? Man ‘homo currit’ ((H) C) folgendermaßen schrei-
kann verstehen, daß Wilhelms Einteilung ben: (h1) C ∨ (h2) C ∨ ... ∨ (hn) C. Umge-
keine Schule gemacht hat. Indes ist auch die kehrt ist auch von jedem Glied der Disjunk-
Gegenposition, diskrete Terme hätten stets tionsreihe der Übergang (ascensus) auf die
nur Referenzfunktion und keinen eigenstän- nicht-exponierte Aussage zulässig (vgl. Wil-
digen Sinngehalt, keineswegs unproblema- helm von Ockham 1974, I c. 70, 210, ll.
tisch. Das Problem ist bekanntlich auch in 19—31; bzw. 1984, 63; Scott 1966, 37; Swi-
der modernen Semantik seit Gottlob Freges niarski 1970, 191 f; Price 1970, 135 ff; Perreiah
(1848—1925) (s. Art. 34) und Bertrand Rus- 1984, 38; King 1985, 45—48).
sells (1872—1970) Stellungnahmen kontro-
vers. Daß es sich auch im theoretischen Rah- 6.3. Suppositio confusa tantum —
men der Suppositionstheorie stellt, ist ein suppositio confusa et distributiva
Faktum, das Interesse verdient (vgl. Brands
1989). Ein Term supponiert ›confuse‹, wenn er für
mehrere Erfüllungen steht. Wenn er für all
6.2. Suppositio determinata — seine Erfüllungen steht, supponiert er distri-
suppositio confusa butiv. Die Aussage, in der ein Term so ver-
wendet wird, kann in eine konjunktive Reihe
Im folgenden werden die Untergliederungen von Aussagen über Einzeldinge umgeformt
der personalen Supposition expliziert. Dis- werden. Wenn wir den Allq uantor durch ‘⋀’
krete Terme sind nicht weiter auslegungsbe- symbolisieren, läßt sich die Exposition von
dürftig. Wenn sie überhaupt einmal als in ‘omnis homo est animal’ ((⋀ H) A) folgen-
referentieller Funktion stehend erkannt sind, dermaßen schreiben: (h1) A ⋀ (h2) A ⋀ ...
dann variiert ihr Verständnis nicht mehr je ⋀ (hn) A. In derselben Beispielaussage steht
nach dem Aussagenkontext. Bei allgemeinen der Term ‘animal’ nicht für jede seiner Erfül-
Termen dagegen ist immer wieder durch In- lungen, aber auch nicht nur für mindestens
terpretation zu entscheiden, wie weit der De- eine, sondern für mehrere. Er supponiert zwar
notationsbereich ist, der in einer Aussage be- ›confuse‹, aber nicht ›distributive‹, also ›nur
ansprucht wird. Steht ein Term, so lautet die konfus‹. Auch hier ist eine Exposition zu-
Frage, für genau eine oder für mindestens lässig, aber nicht eine Exposition in eine Reihe
eine seiner Erfüllungen oder für einige oder von Aussagen, sondern nur eine in eine dis-
für alle gegenwärtigen oder für alle denkbaren junktive Reihe von Prädikaten: (⋀ H)
(vgl. King 1985, 36)? — Ein Beispielsatz für (a1 ∨ a2 ∨ ... ∨ an) (vgl. Wilhelm von Ock-
›suppositio determinata‹ ist ‘homo currit’.
40.  Die Lehre der Terministen 591

ham 1974, I c. 70, 211, ll. 44—68; bzw. 1984, nung zu machen, d. h. ineins mit der Unter-
65/67; Scott 1966, 37 f; Swiniarski 1970, 192; scheidung zugleich nachzuforschen, wie ver-
Price 1970, 137 f; King 1985, 48—51). schiedene Arten, Terme oder synkategore-
matische Ausdrücke oder Aussageformen zu
6.4. Suppositio (confusa et distributiva) verwenden, miteinander verbunden oder von-
mobilis — suppositio immobilis einander abhängig sind (vgl. Perreiah 1984,
10; 17; 34 ff; 41; 45; zur Frage, ob die Sup-
Die Inferenz auf jeden Einzelfall, deren Zu- positionsunterscheidungen (I) und (II) zusam-
lässigkeit durch ein All-Zeichen angezeigt ist, men eine einheitliche Theorie ergeben, vgl.
kann gehindert werden. Dies geschieht, wenn z. B. die entgegengesetzten Stellungnahmen
ein zweiter synkategorematischer Ausdruck von Scott 1966, 30; 35 f und von King 1985,
mit impliziter Negationsfunktion vor den All- 36). — Von einem anderen Standpunkt aus
ausdruck gesetzt wird. Aus ‘tantum omnis kann man die Leistungsfähigkeit der Suppo-
homo currit’ kann ‘tantum Sortes currit’ nicht sitionstheorie mit anderen Einwänden be-
gefolgert werden; die Folgerung auf ‘Sortes zweifeln: nicht weil sie zu viele Aufgaben auf
currit’ bleibt natürlich zulässig (vgl. Swi- einmal lösen solle, sondern weil ihr Untersu-
niarski 1970, 192 f; Jacobi 1980, 162—172). chungsfeld zu eng begrenzt sei, sei ihr Wert
gering. Es ist nicht so sehr die Beschränkung
auf die Wissenschaftssprache, als vielmehr die
7. Untersuchungen zu den Bindung ans Lateinische, die Argwohn erregt.
Suppositionsunterscheidungen Macht nicht allein die Verwendung von be-
stimmten und unbestimmten Artikeln im
7.1. Fragen nach der Leistungsfähigkeit der Deutschen oder Französischen oder Engli-
Theorie schen vieles klar, was im Lateinischen, das
Die Suppositionsunterscheidungen werden in solche Artikel nicht kennt, durch Interpreta-
den Handbüchern üblicherweise eingeführt, tion geklärt werden muß (‘der Mensch ist ein
indem an Beispielsätzen klargemacht wird, Sinnenwesen’, generisch; ‘ein Mensch läuft’;
welche Arten, Terme zu interpretieren, es gibt ‘Menschen laufen’; ‘alle Menschen in diesem
und wie diese Interpretationsweisen sich lo- Raum sind wach’; ‘jeder Mensch kann la-
gisch zueinander verhalten. Dies entspricht chen’)? Könnten nicht nötigenfalls weitere
der Lehrsituation; die Einführung eines theo- Präzisierungen sprachlich statt interpretie-
retischen Instrumentariums zu Analysezwek- rend vorgenommen werden (vgl. im Engli-
ken wird mit Analyse-Übungen verbunden. schen die unterschiedlichen Bestimmungen ‘a
Dem an der modernen Logik geschulten Leser man,’ ‘some man’, ‘any man’, ‘every man’)?
macht diese Darstellungsform Schwierigkei- Lösen also die Suppositionsunterscheidungen
ten. Er sucht zu bestimmen, zu welchen der nicht lediglich Verständnisschwierigkeiten, die
ihm geläufigen Theorie-Typen die Supposi- in einer hinreichend artikulierten Sprache gar
tionstheorie paßt. Gehört sie zur logischen nicht entstehen? — Auf diese Einwände kann
Syntax oder zur Semantik? Werden in ihr man mit einer Gegenfrage reagieren: Sind
nicht disparate Aufgaben auf undurchsichtige denn die spezifischen Verifikationsbedingun-
Weise verbunden, die besser getrennt würden, gen von Aussagen, in denen der bestimmte
nämlich einerseits (I) die Klärung des Ver- oder der unbestimmte Artikel oder gar kein
hältnisses von Objekt- und Metasprache und Artikel oder ganz bestimmte Distributoren
andererseits (II) die Quantifikations- und De- bei einem Term stehen, jederzeit ganz klar
duktionstheorie? Die Systematik der schola- (vgl. Heyer 1987, 76 ff)? Könnten nicht die
stischen Logik kann kaum dieselbe sein wie Suppositionsunterscheidungen helfen, Diffe-
die der modernen Logik; zu verschieden sind renzierungen, die im Deutschen oder im Eng-
Aufgabenstellung und Ansatz: Analyse der lischen gemacht werden können, in ihrer je
lateinischen Argumentations- und Wissen- spezifischen Funktion zu verdeutlichen? Wie
schaftssprache hier — axiomatisch aufge- das geschehen könnte, wird im folgenden
baute formale Theorie dort. Daß in der scho- skizziert, indem einige Regeln vorgestellt wer-
lastischen Logik die beschriebene und analy- den, durch die mittelalterliche Logiker fest-
sierte Sprache dieselbe ist wie die Beschrei- zulegen versuchen, wann ein Term ›determi-
bungssprache, führt zu gewissen Umständ- nate‹, ›confuse tantum‹ oder ›confuse et dis-
lichkeiten in der Darstellungsform. Derselbe tributive‹ supponiert und welche Übergänge
Tatbestand lädt aber auch dazu ein, aus der von einer Suppositionsart zu einer anderen
Sonderung von Aussageformen keine Tren- zulässig sind.
592 III. Positionen

7.2. Regeln zur Distributionstheorie — (R 28)). Scholastische Logiker untersuchen


auch, wie z. B. Vergleichsausdrücke, Redupli-
Beschränkt man sich zunächst auf einfache kationsausdrücke, Verben des Wissens und
Aussagen, in denen ein Subjektterm und ein Meinens, Modalausdrücke, Verben des Ver-
Prädikatterm bejahend miteinander verbun- sprechens und die Verben ‘fängt an zu’ (‘in-
den oder verneinend voneinander getrennt cipit’) und ‘hört auf mit’ (‘desinit’) die Sup-
werden, so ist leicht aufzuzeigen, welche Art position von Termen bestimmen (vgl. Paulus
personaler Supposition den Termen in den Venetus 1984, Logica Parva II 5, 152—156;
verschiedenen Aussageformen entspricht: In Perreiah 1984, 39 f; Bos 1978).
partikulär bejahenden Aussagen (‘mindestens
ein S ist P’, abgekürzt ‘SiP’) stehen beide
Terme in ›suppositio determinata‹. In univer- 7.3. Zur Suppositionsanalyse
sal verneinenden Aussagen (‘kein S ist P’ komplexer Aussagen
‘SeP’) stehen beide Terme in ›suppositio con- Auf die zitierte erste Regel läßt Wilhelm von
fusa et distributiva‹. In universal bejahenden Shyreswood vier weitere Regeln folgen. Ihre
Aussagen (‘jedes S ist P’, ‘SaP’) steht der gemeinsame Aufgabe ist, zu klären, welche
Subjektterm in ›suppositio confusa et distri- logischen Übergänge von einer Suppositions-
butiva‹, der Prädikatterm in ›suppositio con- art zu einer anderen zulässig und welche un-
fusa tantum‹. In partikulär verneinenden Aus- zulässig sind. Dabei beabsichtigt der mittel-
sagen (‘mindestens ein S ist nicht P’, ‘SoP’) alterliche Logiker offenbar kein vollständiges
steht der Subjektterm in ›suppositio determi- Regelsystem. Er analysiert vielmehr Fälle, in
nata‹, der Prädikatterm in ›suppositio confusa denen er Schwierigkeiten vermutet. Die dis-
et distributiva‹ (vgl. King 1985, 50). — Auf- kutierten Aussagen sind Relationsaussagen.
fallenderweise formulieren die scholastischen Diese reduziert Wilhelm auf ihre allgemeine
Logiker ihre Regeln ganz anders. Sie legen Struktur, indem er das Aussagenschema ‘A
nicht primär fest, wie die Terme in den un- sieht B’ durch Distributivzeichen und/oder
terschiedlichen Aussageformen supponieren Negationszeichen ergänzt, auch durch Um-
— obwohl die logischen Bezüge zwischen die- formung ins Passiv abwandelt. Die ersten bei-
sen Aussageformen, wie sie im logischen Qua- den Beispielanalysen und Regelformulierun-
drat aufgezeichnet werden, doch zweifellos gen seien hier referiert, um einen Eindruck
für die Syllogistik zentral wichtig sind —, von der Technik zu geben. (I) Aus ‘omnis
sondern sie erforschen, wie synkategorema- homo hominem non videt’ [‘jeder Mensch
tische Ausdrücke wie Distributoren oder Ne- sieht irgendeinen Menschen nicht’] folgt nicht
gatoren die Supposition der Terme beeinflus- ‘omnis homo non videt hominem’ [‘jeder
sen. Dies läßt ahnen, daß sie auf anderes Mensch sieht nicht irgendeinen Menschen’].
zielen als nur auf die Theorie einfacher ka- Angenommen nämlich, daß jeder Mensch nur
tegorischer Aussagen. Wilhelm von Shyres- sich selbst sieht, so ist der erste Satz wahr,
wood etwa formuliert die Regel, aus der ab- der zweite aber falsch. Im Ausgangssatz sup-
gelesen werden kann, wie die Terme in den poniert der Objektterm nur-konfus, im zwei-
vier Formen einfacher kategorischer Aussa- ten Satz jedoch konfus und distributiv. Von
gen supponieren, ohne Bezug auf diese Aus- ›suppositio confusa tantum‹ zu ›suppositio
sageformen: confusa et distributiva‹ gibt es keine logisch
„Jedes Distributivzeichen [‘jedes’, ‘alle’, ‘keiner’] gültige Inferenz. (II) Gesetzt, es gäbe abzähl-
gibt dem Term, bei dem es unmittelbar steht, kon- bar viele Menschen in einem Raum und man
fuse und distributive Supposition. Doch gibt das stellte von jedem einzelnen fest ‘homo videtur
bejahende Distributivzeichen dem entfernten Term a Socrate, et a Platone, et sic de singulis’, so
[P in SaP] nur-konfuse Supposition. Das vernei- könnte nicht gefolgert werden ‘homo videtur
nende Zeichen aber gibt auch dem entfernten Term ab omni homine’ [‘es gibt einen ganz bestimm-
konfuse und distributive Supposition“ (Wilhelm ten Menschen, der von jedem Menschen ge-
von Shyreswood 1983, 270, n. 5.1.14, ll. 185—189, sehen wird’]. Angenommen nämlich, jeder
meine Übers.). Mensch sähe nur sich selbst, dann wäre die
Im Laufe der Zeit werden weitere Regeln Konjunktionsreihe wahr, der letzte Satz aber
gefunden, aber immer in ganz ähnlicher Weise falsch. Wohl aber kann gefolgert werden ‘ab
formuliert. Schon Ockham erweitert die Sup- omni homine videtur homo’ [‘von jedem
positionsforschung, indem er u. a. Exklu- Menschen wird irgendein Mensch gesehen’].
sions-, Exzeptions- und Unterscheidungsaus- Wodurch unterscheidet sich der gültig gefol-
drücke einbezieht (Ockham 1984, I cc. gerte Satz von dem, der nicht gefolgert wer-
71—74; vgl. Adams 1987, 352—367, (R 16) den kann? Die Wortstellung ist im Lateini-
40.  Die Lehre der Terministen 593

schen nicht so streng reglementiert, daß die durch diskrete Terme ersetzbar zu behandeln
Unterscheidung auf sie gegründet werden (vgl. Kunze 1984, 138 f, n. 28. Zur genaueren
könnte. Die Übersetzung ins Deutsche enthält Ausarbeitung dieser These und zu ihrer Ver-
verdeutlichend bereits, was durch Supposi- teidigung gegen allzu rasche Einwände vgl.
tionsanalyse gefunden wurde. In der Kon- Scott 1966, 38—42). Die oben angegebenen
junktionsreihe steht ‘homo’ in ›suppositio de- Expositionen entsprechen dieser Forderung
terminata‹. Die Inferenz von mehreren Fällen noch nicht. Ockham geht vom gewonnenen
von ›suppositio determinata‹ zu einem einzi- Ausgangspunkt aus einen Schritt weiter: Die
gen Fall von ›suppositio determinata‹ ist un- partikulär affirmative Aussage ‘mindestens
gültig. Gültig dagegen ist die Inferenz von ein A ist B’ wird umgeformt in die Aussage
mehreren Fällen von ›suppositio determinata‹ mit Quantifikation beider Terme ‘mindestens
auf einen Fall von ›suppositio confusa tan- ein A ist (dasselbe wie) mindestens ein B’.
tum‹ (Wilhelm von Shyreswood 1983, 270, (Die prädikationstheoretischen Probleme, die
nn. 5.1.15 und 5.1.16, ll. 192—202; vgl. 270, in dieser Umformung stecken, können hier
nn. 5.1.17—5.1.18, ll. 203—214). Die Unter- nicht diskutiert werden, vgl. Trentman 1977,
suchungen, wie die Termini in Relationsaus- 29). Die Exposition der umgeformten Aus-
sagen supponieren, verdienen aus mindestens sage lautet:
zwei Gründen Interesse: als Beitrag zur Theo- ((a1 ist b1) ∨ (a1 ist b2) ∨ ...) ∨ ((a2 ist b1)
rie nicht-syllogistischer Inferenzen und als ∨ (a2 ist b2) ∨ ...) ∨ ... . Mindestens ein
Beitrag zur Theorie mehrfacher Quantifika- Glied aus der disjunktiven Reihe a1 ∨ a2 ∨
tion. — Ähnliches gilt für Untersuchungen ... und mindestens ein Glied aus der disjunk-
zur Supposition von Personal-, Reflexiv-, tiven Reihe b1 ∨ b2 ∨ ... haben diskrete
Possessiv- und Relativpronomina. Sie stellen Supposition für dasselbe Individuum. Ent-
einen Beitrag zur Theorie anaphorischer Re- sprechend sind Aussagen von anderer logi-
ferenz dar (vgl. Johannes Buridan 1985, Sum- scher Form zu exponieren. Dabei ist auf den
mulae de Dialectica, Tract. IV, c. 4, 148—158; Unterschied zwischen einer konjunktiven
King 1985, 41 ff; Rosier 1985/1986; Brown oder disjunktiven Reihe von Aussagen und
1972, 23; Paulus Venetus, 1984, II 6, 156— einer konjunktiven oder disjunktiven Reihe
161; Perreiah 1984, 42 ff). Auch zu den be- von Prädikaten zu achten. Die Exposition
sonderen Problemen referentieller Opakheit und ‘jedes A ist B’ lautet: (a1 ist (b1 ∨ b2 ∨
von Termen in Aussagen, die von Verben des ...)) ⋀ (a2 ist (b1 ∨ b2 ∨ ...)) ⋀ .... Man
Wissens, Meinens, Wollens usw. abhängen, kann zwar weiter reduzieren auf ((a1 ist b1)
gibt es suppositionstheoretische Untersu-
chungen (vgl. Scott 1966, 45—49). ∨ (a1 ist b2) ∨ ...) ⋀ ((a2 ist b1) ∨ (a2 ist b2)
∨ ...) ⋀ ...; aber daraus folgt nicht, daß
7.4. Wilhelm von Ockhams allgemein auf die ›suppositio confusa tantum‹
extensionalistische Expositionen zugunsten der ›suppositio determinata‹ ver-
zichtet werden dürfte. Betreffend ‘Ich schulde
Die gesamte Untersuchung von Arten per- dir ein Pferd’ ist die Frage unzulässig, welches
sonaler Supposition kann in der folgenden Pferd denn geschuldet wird. Die Exposition
Frage zentriert werden: In welcher Weise sind lautet nicht ‘Ich schulde dir Pferd1 ∨ ich
Aussagen, in denen Terme — eventuell q uan- schulde dir Pferd2 ∨ ...’, sondern ‘ich schulde
tifiziert — in ›suppositio communis‹ stehen, dir (Pferd1 ∨ Pferd2 ∨ ...)’ (vgl. Moody 1953,
logisch anderen Aussagen zugeordnet, in de- 48 ff; Matthews 1964; 1973; Swiniarski 1970,
nen statt dessen Terme in ›suppositio discreta‹ 206—217; Price 1970; Loux 1972, 23—44;
stehen? Je nachdem ob der Übergang von Weidemann 1979; Spade 1982, 194 f). Was
allgemeineren zu minder allgemeinen Termen Ockham zu seinen Expositionen geführt hat,
erfolgt oder umgekehrt, spricht man von lo- ist sicherlich sein extensionalistisches Pro-
gischem ‘descensus’ oder von ‘ascensus’ (vgl. gramm. Aber die Expositionen durch Kon-
King 1985, 51). Das Verfahren ist zunächst junktion oder Disjunktion von Aussagen oder
ontologisch neutral; es zeigt lediglich, welche von Prädikaten sind unabhängig von diesem
Verifikationsverpflichtung ein Sprecher ein- ontologischen Programm von logischem
geht, wenn er eine Aussage eines bestimmten Wert. Sie sind präziser als die Bestimmungen,
Typs behauptet, und welche Angriffsmöglich- ein allgemeiner Term stehe für alle seine Er-
keiten der Hörer hat (vgl. Pinborg 1979, 38). füllungen oder für viele oder für mindestens
Ockham aber entwickelt aus dem Verfahren eine von ihnen. Denn der allgemeine Term
das Programm, alle allgemeinen Terme nur steht, streng genommen, sowohl in ‘ein A ist
als Abkürzungen zu werten und als prinzipiell B’ als auch in ‘jedes A ist B’ für alle seine
594 III. Positionen

Erfüllungen; er denotiert diese. Der Unter- die Zeitform des Verbs eingeschränkt werden.
schied ist, daß der Sprecher zur Verifikation Die Einschränkung auf gegenwärtige Erfül-
der partikulären Aussage beliebig aus dem lungen durch das präsentische Verb unter-
Denotationsbereich wählen kann, während er sucht Wilhelm von Shyreswood unter dem
in der universalen Aussage beansprucht, den Titel ‘appellatio’.
ganzen Denotationsbereich des Subjektterms
zu erschöpfen. 9.1. Eine Regel zur Benennungsfunktion
eines Terms
8. ›Suppositio‹ und ›copulatio‹ Wilhelm von Shyreswood gibt an, unter wel-
chen Bedingungen ein Term etwas benennt:
Wilhelm von Shyreswood führt die ›copula- „Ein allgemeiner Term, der (a) nicht eingeschränkt
tio‹ zunächst gleichberechtigt neben der ›sup- ist und (b) hinreichend viele appellata besitzt und
positio‹ ein; doch handelt er hernach nur sehr (c) als Subjekt einer Aussage mit einem Verb im
kurz über sie. Petrus Hispanus führt sie eben- Präsens fungiert, und zwar so, daß dieses Verb (d)
falls ein, doch kommt er in seinen Ausfüh- keine erweiternde Kraft hat, ein solcher Term steht
rungen nicht mehr auf sie zurück. Spätere nur für die von den unter ihm begriffenen Dinge,
Logiker erwähnen die ›copulatio‹ als Term- die tatsächlich gegenwärtig existieren“ (Wilhelm
proprietät nicht mehr (vgl. Maierù 1972, von Shyreswood 1983, 272, n. 5.3.2, ll. 20—23,
192—215). Was denn auch bliebe hier zu be- meine Übers.).
handeln? Entsprechend der Theorie von den Was ist die Funktion der einzelnen Bedin-
zulässigen Konversionen in einfachen kate- gungen (vgl. Wilhelm von Shyreswood 1983,
gorischen Aussagen (Vertauschung von Sub- 272 ff, nn. 5.3.3—5.3.6, ll. 24—120; Jacobi
jekt und Prädikat ‘A i B’ — ‘B i A’; ‘A e B’ 1980, 174—179)? Wenn ein Term nur für Ge-
— ‘B e A’) und entsprechend der Möglichkeit, genwärtiges stehen soll, muß er zumindest
auch bei Relationsaussagen — eventuell auch für Gegenwärtiges stehen. Er darf (a)
durch grammatische Umformung vom Aktiv nicht durch Zusätze in seinem Geltungsbe-
ins Passiv — die Terme zu vertauschen, wurde reich so eingeschränkt sein, daß er etwa nur
nach der Supposition jedes in einer Aussage für Vergangenes stünde. Ausgeschlossen wer-
vorkommenden Terms gefragt. Die Untersu- den Fälle wie ‘ein Mensch, der früher einmal
chung, wie ein Term kopuliert, die Wilhelm gelebt hat’. Der Term darf (b) auch nicht
von Shyreswood noch durchführt, bringt gegenwärtig faktisch unerfüllt sein. Die Un-
keine neuen Ergebnisse gegenüber der Unter- tersuchung dieser Bedingung führt auf eine
suchung, wie ein Term supponiert. Dennoch systematisch bedeutsame Unterscheidung:
bedeutet der Verzicht meines Erachtens einen Wenn es für einen Begriff gegenwärtig keine
Verlust. Die Unterscheidung zwischen der Erfüllungen gibt, dann ist eine Tatsachenkon-
Rolle des Satzsubjekts, einen Gegenstand zu statierung mit diesem Begriff an Subjektstelle
benennen, und der Rolle des Prädikats, den und einem Prädikat im Präsens selbstver-
Gegenstand zu q ualifizieren, ist sinnvoll. ständlich falsch. Es gibt jedoch Aussagen, de-
Wenn in partikulär bejahenden oder in uni- ren Wahrheit unabhängig davon ist, ob der
versal verneinenden Aussagen Subjektterm Subjektterm gegenwärtig erfüllt ist oder nicht.
und Prädikatterm die Plätze tauschen, bleibt Die mittelalterlichen Logiker sprechen von
zwar der Wahrheitswert erhalten, aber die Aussagen ›in materia naturali sive necessaria‹,
Aufmerksamkeit des Hörers wird anders ge- moderne Semantiker von intensional-wahren
lenkt. Aussagen. Das präsentische Verb hat in ihnen
keinen strikt präsentischen, sondern omni-
temporalen oder atemporalen Sinn. Die Ko-
9. ›Appellatio‹ pula verknüpft Sinngehalte von Begriffen:
Der Bereich von Individuen, für die ein Term Der Sinngehalt des Prädikats ist Merkmal des
stehen kann, kann kontextuell auf unter- Sinngehalts des Subjekts. Aus der Konnota-
schiedliche Weise eingeschränkt werden: Er tionsanalyse ist sekundär eine Feststellung
kann kategorematisch durch einen genauer über die Denotation der Terme ableitbar, je-
bestimmenden, q ualifizierenden Term einge- doch nur hypothetisch: ‘F ist G’ — ‘Wenn
schränkt werden (‘Baum’ — ‘Nadelbaum’); er etwas ein F ist, dann ist es ein G’. Für die
kann synkategorematisch z. B. durch einen Appellationsanalyse dagegen ist die extensio-
Exzeptionsausdruck eingeschränkt werden nale Redeeinstellung maßgeblich. Eine prä-
(‘alle ... außer ...’); er kann schließlich durch sentische Aussage kann extensional-wahr nur
dann sein, wenn der Subjektterm zum Zeit-
40.  Die Lehre der Terministen 595

punkt der Aussage erfüllt ist. — Dafür, daß pula und die Normalreferenz der Terme mit-
ein Term nur für gegenwärtig Existierendes einander übereinstimmen. Für ihn spricht
steht, ist notwendige Bedingung, daß er (c) weiter, daß die erweiternden Beifügungen —
tatsächlich als Subjekt einem präsentischen außer den Verben des Meinens besonders
Verb untergeordnet wird. Bei der Erörterung Möglichkeitsausdrücke — elegant als aussa-
dieser Bedingung klärt Wilhelm andere Fälle gebestimmende Operatoren aufgefaßt werden
von Suppositionsrestriktion durch die Zeit- können (vgl. Scott 1966, 33 f; King 1985, 43 ff;
form des Verbs. Bei Verben im Präteritum ist 51—56).
zu unterscheiden, ob über vergangene Zu-
stände gegenwärtiger Individuen gesprochen
werden soll oder über vergangene Individuen. 10. Zum Forschungsstand
Nur im zweiten Fall wird die Supposition auf Seit gut 30 Jahren erst ist die Lehre der Ter-
Vergangenes beschränkt. Es gibt einige Ver- ministen Gegenstand der logik- und philoso-
ben, die präsentisch auch von Nicht-Existie- phiegeschichtlichen Forschung. Inzwischen
rendem ausgesagt werden können. Für ‘Ein
Mensch wird gelobt’ kann zur Verifikation liegen Editionen, Übersetzungen, Kommen-
ein Verstorbener genannt werden. Die Gegen- tare und Untersuchungen zu allen Perioden
wartsform solcher Verben des Meinens be- der Logica Modernorum, von der Vorge-
zieht sich auf den Meinenden, nicht auf das schichte bis in die Spätscholastik, vor. Was
Gemeinte. Durch Bedingung (d) soll gesichert alle, die an diesen Forschungen gearbeitet
werden, daß die Gegenwartsform des Prädi- haben, verbindet, ist, daß sie an ihrem Ge-
kats sich auf das bezieht, worüber prädiziert genstand ein Interesse nehmen, das nicht nur
wird. historisch ist; man will von den mittelalterli-
chen Logikern lernen (dies wird in Einfüh-
9.2. Restrictio — ampliatio rungs- und Übersichtsartikeln meist deutlich
ausgesprochen; vgl. W. and M. Kneale 1962,
Die Appellationstheorie wurde hier als Re- 246—274; Moody 1966, bes. 447b—450b;
striktionstheorie aufgebaut. Ausgangspunkt 451b—452b; Kretzmann 1967, 370b—373a;
war die Erfüllbarkeit eines Terms. Gefragt Perreiah 1971; Pinborg 1972, bes. 11—12;
wurde, wie der Denotationsbereich aus- 58—65; 92—100; 127—148; spürbar ist dieses
schließlich auf Gegenwärtiges eingeschränkt systematische Interesse allenthalben). Die
wird. In Bedingung (d) wird die umgekehrte Forschung ist im Fluß; viel bleibt zu tun. Das
Fragestellung erwähnt, nämlich die nach Er- Verhältnis zwischen den Theoriebildungen
weiterung. Man kann diese Fragestellung zum des Wilhelm von Ockham, des Walter Bur-
Angelpunkt des ganzen Theorieaufbaus ma- leigh und des Johannes Buridan ist trotz be-
chen. Dann geht man von der Appellation als achtlicher Arbeiten von Boh (1968), Paq ué
Normalfall aus: Von sich her steht ein Term (1970), Brown (1972) und Kunze (1980) noch
für Gegenwärtiges. Wenn in der Aussage oder längst nicht völlig geklärt. Unser Wissen über
im Kontext nicht ausdrücklich Anderes ver- Schulzusammenhänge und Problementwick-
merkt wird, ist davon auszugehen, daß nur lungen ist noch lückenhaft, besonders was die
gegenwärtig existierende Erfüllungen als De- Zeit der Spätscholastik anbelangt. — Ver-
notationsbereich gemeint sind. Durch be- gleiche zwischen scholastischen und moder-
stimmte Beifügungen freilich kann der De- nen Theoriebildungen haben sich, wo sie mit
notationsbereich erweitert werden. Die zi- der nötigen Behutsamkeit und Sorgfalt an-
tierte Regel behält ihre Gültigkeit; doch ist gestellt wurden, als fruchtbar erwiesen (vgl.
ihre Funktion verändert. Aufgezählt sind etwa Priest-Read 1977, Weidemann 1979). In
mögliche Denotationsverschiebungen und einigen Fällen haben primär systematisch in-
-erweiterungen, durch die ein Term von seiner teressierte Autoren zeigen können, wie viel
Normalbedeutung abgezogen werden kann. Problemlösungspotential in den terministi-
— Im Text der Introductiones in logicam des schen Theoriebildungen für relevante Fragen
Wilhelm von Shyreswood wird dieser Aufbau der Semantik (Heyer 1987) und der Sprach-
der Theorie kurz skizziert. Der Autor hält ihn philosophie (Barth 1974) liegt.
für besser als den zuvor dargelegten (1983,
274, n. 5.3.6, ll. 121—135; vgl. Jacobi 1980,
179—187; 345 ff; Jacobi 1981 a, 107—115; de 11. Literatur in Auswahl
Rijk 1982, 182; de Libera 1982, 177; Spade Heyer 1987, Generische Kennzeichnungen. Zur Lo-
1982, 194). Für ihn spricht zunächst, daß nun gik und Ontologie generischer Bedeutung.
die Normalfunktion der präsentischen Ko-
596 III. Positionen

[vermutlich ca. 1230]


Jacobi 1980, Die Modalbegriffe in den logischen de Rijk 1962, Logica Modernorum. A Contribution
Schriften des Wilhelm von Shyreswood und in an- to the History of Early Terminist Logic. Bd. I: On
deren Kompendien des 12. und 13. Jahrhunderts. the Twelfth Century Theories of Fallacy.
Funktionsbestimmung und Gebrauch in der logischen de Rijk 1967, Logica Modernorum. A Contribution
Analyse. to the History of Early Terminist Logic. Bd. II, 1/
Johannes Buridanus 1985, Jean Buridan’s Logic: 2: The Origin and Early Development of the Theory
The Treatise on Supposition. The Treatise of Con- of Supposition.
sequences. [vermutlich um 1335] Rosier 1985/1986, Relatifs et relatives dans les trai-
Kneale, M. und W. 1962, The Development of Lo- tés terministes de XIIe et XIIIe siècles, in VIVA-
gic. RIUM 23/24.
Kretzmann 1967, History of semantics, in Encyc- Spade 1982, The semantics of terms, in The Cam-
lopedia of Philosophy, Edwards (Hg.). bridge History of Later Medieval Philosophy, Kretz-
Kunze 1980, Satzwahrheit und sprachliche Verwei- mann et al. (Hg.).
sung. Walter Burleighs Lehre von der suppositio ter- Walter Burleigh 1955, De puritate Artis Logicae
mini in Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen Tractatus Longior, Boehner (Hg.). [ca. 1328]
Tradition und der Logik Wilhelm von Ockhams. Walter Burleigh 1988, Von der Reinheit der Kunst
Lamberto d’Auxerre 1971, Logica ( Summa Lam- der Logik. Erster Traktat: Von den Eigenschaften
berti), Alessio (Hg.). [vermutlich 1245—1255] der Termini, Kunze (Hg.). [ca. 1328]
Maierù 1972, Terminologia Logica della tarda sco- Wilhelm von Ockham 1974, Summa Logicae, Boeh-
lastica. ner/Gal/Brown (Hg.). [1324—1327]
Moody 1966, The Medieval contribution to logic, Wilhelm von Ockham 1984, Summe der Logik. Aus
in Studium Generale 19,8. Teil I: Über die Termini, Kunze (Hg.). [1324—1327]
Paulus Venetus 1984, Logica Parva, Perreiah (Hg.). Wilhelm von Shyreswood 1983, Introductiones in
[vermutlich um 1400] Logicam, Lohr/Kunze/Mussler (Hg.), in TRADI-
Petrus Hispanus Portugalensis 1972, Tractatus, cal- TIO 39. [vermutlich um 1230]
led afterwards Summule Logicales, de Rijk (Hg.).
Klaus Jacobi, Freiburg i. Br. (Deutschland)

41. Die Lehre der Modisten

1. Begriff und Geschichte dingte Bedeutungskomponenten der ›partes


1.1. Begriffsbestimmung orationis‹ [Wortklassen] verstehen lassen.
1.2. Historischer Hintergrund Vom Begriff modi significandi leitet sich auch
2. Die Lehre der Modisten die erstmals in der Renaissance verwendete
2.1. Logik und Grammatik (Rosier 1983, 9) Bezeichnung ‘Modisten’ her.
2.2. Die modi significandi und ihr philosophischer Die modistische Grammatiktheorie beginnt
Hintergrund um 1270 mit den Werken von Martin von
2.3. Probleme der modistischen Grammatik Dacien (= Dänemark) (gest. 1304) und Boe-
3. Literatur in Auswahl thius von Dacien (um 1275). Ihren Höhe-
punkt dürfte sie wohl in den Quaestiones super
Priscianum Minorem des Radulphus Brito
1. Begriff und Geschichte (um 1300) sowie in der zwischen 1300 und
1310 geschriebenen Grammatica Speculativa
1.1. Begriffsbestimmung des Thomas von Erfurt erreichen. Nachher,
insbesondere nach 1350, kann man eigentlich
Als Modisten bezeichnet man eine in sich nicht mehr von einer modistischen Gram-
heterogene Gruppe von Gelehrten des späten matik reden, da zum einmal erreichten Lehr-
Mittelalters, die darin übereinkommen, daß bestand nichts Neues mehr hinzutritt, obwohl
sie in ihrer Grammatiktheorie einen im we- noch bis in den Humanismus des 16. Jahr-
sentlichen identischen Problembestand mit hunderts hinein Elemente der Lehre der Mo-
den gleichen Schlüsselbegriffen zu lösen ver- disten tradiert werden. Hauptgrund für das
suchen (s. Art. 4). Der Zentralbegriff der mo- Ende der modistischen Grammatik dürfte die
distischen Grammatiktheorie sind die ›modi sprachphilosophische Attraktivität der neu-
significandi‹, die sich als grammatikalisch be- entstehenden nominalistischen Grammatik-
41.  Die Lehre der Modisten 597

theorie sein. Daneben tritt eine ›konservative‹, tiktheorie sprechen. Erst dem stark von Wil-
antinominalistische Kritik an den Modisten helm von Conches (ca. 1080—1154) abhän-
durch Averroisten wie Johannes von Jandun gigen (Fredborg 1973, 1 ff) Peter Helias (um
(ca. 1285—1328) und Johannes Aurifaber 1150 in Paris) gelingt in seiner Summa super
(um 1330). Diese bezieht sich ebenso wie die- Priscianum ansatzweise zweierlei: einerseits,
jenige der Nominalisten auf das modistische die aus den wiederentdeckten logischen
Verständnis des Verhältnisses von Sprache Schriften des Aristoteles sowie seiner arabi-
und Wirklichkeit. Eine eigentliche Auseinan- schen Kommentatoren resultierenden Anre-
dersetzung zwischen den (realistischen) mo- gungen für eine wissenschaftliche Grammatik
distischen und den nominalistischen Gram- fruchtbar zu machen, andererseits die Gram-
matikern scheint jedoch nicht stattgefunden matik als eine von der Logik unabhängige,
zu haben. Außer den schon Genannten wer- selbständige, erklärende und nicht bloß de-
den zu den Modisten noch die ebenso wie ihre skriptive Disziplin zu konzipieren. Die Selb-
Landsleute Martin und Boethius zwischen ständigkeit der Grammatik wird nicht da-
1260 und 1280 an der Pariser Artistenfakultät durch beeinträchtigt, daß ihre Theorie ge-
Lehrenden Johann und Simon von Dacien, stützt auf die Ergebnisse der zeitgenössischen
sowie unter anderem Peter von Auvergne Logik und Metaphysik erarbeitet und be-
(gest. 1303), Simon von Faversham (ca. gründet wird. Die Hochscholastik des 13.
1260—1306/07) und Siger von Courtrai Jahrhunderts — z. B. Robert Grosseteste
(gest. 1341) gerechnet. Außerdem existieren (gest. 1253), Robert Kilwardby (gest. 1279)
eine Anzahl anonymer modistischer Traktate. und besonders Jordan von Sachsen
Die Modisten wirkten im wesentlichen an der (gest. 1220) — führt die bei Wilhelm von Con-
Universität Paris und beeinflußten die Uni- ches und Peter Helias vorgezeichnete Konzep-
versitäten von Erfurt und Bologna. Die Er- tion einer erklärenden Grammatiktheorie wei-
forschung der modistischen Texte und Lehren ter in Richtung auf eine nur noch paradig-
steht noch in ihren Anfängen. Es steht aber matisch das Lateinische verwendende Uni-
schon fest, daß die Lehre der Modisten den versalgrammatik. Diese Entwicklung hin zu
Höhepunkt der mittelalterlichen Grammatik- einer von den Zufälligkeiten der Einzelspra-
theorie bildet. chen unabhängigen, nicht bloß deskriptiven,
sondern erklärend-theoretischen (›spekulati-
1.2. Historischer Hintergrund ven‹) sowie alle einschlägigen Phänomene um-
fassenden Grammatik findet für das Mittel-
Die Modisten schließen an die beiden großen alter ihren Höhepunkt und Abschluß bei den
grammatischen Traditionsstränge der griechi- Modisten als der zweiten Generation (Bursill-
schen Antike an: (1) die auf logisch-philoso- Hall 1971, 35) spekulativer Grammatiker
phischen Überlegungen aufbauende Gram- nach Wilhelm von Conches und den Hoch-
matik von Platon (427—347 v. Chr.) (s. Art. scholastikern. Dabei geht es den Modisten
14), Aristoteles (384—322 v. Chr.) (s. Art. 15) (wie heutigen Grammatikern auch) um Syn-
und den Stoikern (s. Art. 2) und (2) die an tax im Sinne einer Strukturanalyse von Sät-
der Literatur orientierte alexandrinische zen, was der antiken Grammatik (mit Aus-
Grammatik — Dionysios Thrax (um 100 v. nahme der stoischen) noch abging. Ferner
Chr.) und Apollonios Dyskolos (2. Jh.). Letz- bestehen interessante Ähnlichkeiten zur ge-
tere war dem lateinischen Mittelalter von Do- nerativen Grammatik (Kelly 1971, 225 ff).
natus (4. Jh.) und vor allem Priscian (um 500)
überliefert worden (Bursill-Hall 1972, 22). Die
antiken Grammatiker waren im wesentlichen 2. Die Lehre der Modisten
um eine deskriptive Erfassung der gramma-
tischen Bestände der griechischen Sprache be- 2.1. Logik und Grammatik
müht. Die dabei verwendeten Kategorien
wurden in der Folge umstandslos auf die la- Die mittelalterliche Idee einer für alle Spra-
teinische Sprache übertragen. Das frühe Mit- chen gültigen Grammatik ist eine Konseq uenz
telalter beschränkte sich in modellhafter Ori- des allgemein akzeptierten aristotelischen
entierung an Priscian auf die Bewahrung des Wissenschaftsbegriffs. Danach ist insbeson-
antiken Erbes. Neben Logik und Rhetorik dere für jede Wissenschaft ein allgemeiner und
gehörte die Grammatik zum Trivium, dem invarianter Gegenstandsbereich erforderlich.
sprachorientierten Teil der Freien Künste. Folglich können die von Sprache zu Sprache
Gleichwohl läßt sich nicht vor dem 12. Jahr- verschiedenen sprachlichen Ausdrücke der
hundert von einer eigenständigen Gramma- Einzelsprachen kein Gegenstand einer wissen-
598 III. Positionen

schaftlichen Logik oder Grammatik sein. seine ›species‹. Die Grammatik hingegen hat
Vielmehr sind für Wissenschaft invariante es mit den allgemeinen Bedeutungsmerkma-
sprachliche Phänomene erforderlich, „die für len zu tun, soweit sie sich aus der grammati-
Sprache als Sprache charakteristisch sind“ kalischen Form ergeben, in welcher ein Aus-
(Pinborg 1972, 103 f). Diese Phänomene kön- druck auftritt. So kann der gleiche Ausdruck
nen (a) logisch untersucht werden, d. h. hin- in verschiedenen Wortklassen (partes oratio-
sichtlich ihres Einflusses auf den Wahrheits- nis) realisiert sein; z. B. (Boethius Dacus 1969,
wert eines Satzes und (b) grammatikalisch, 56) als (1) Nomen (‘dolor’), und dies im Sin-
d. h. hinsichtlich Korrektheitsbedingungen gular oder Plural und in den verschiedenen
ihrer sprachlichen Zusammenfügung. Dem grammatikalischen Casus. Ferner als (2) Verb
entspricht die moderne Unterscheidung zwi- (‘doleo’), (3) Partizip (‘dolens’), (4) Adverb
schen logischer ›Tiefenstruktur‹ und linguisti- (‘dolenter’) und schließlich noch (5) als Inter-
scher ›Oberflächenstruktur‹ von Sätzen. Die jektion (‘heu’). Diese unterschiedlichen gram-
mittelalterliche Logik sah ihre Aufgabe in der matikalischen Bedeutungskomponenten einer
Transformation der Oberflächenform eines ›dictio‹ heißen ‘modi significandi’:
Satzes in seine wahrheitswertrelevante Tiefen- „the modi are a kind of semantical modifiers, fur-
form (cf. Pinborg 1972, 104 ff). Die gram- ther determining the lexical meaning of the dictio,
matikalische Analyse befaßt sich demgegen- thus preparing it for various syntactical functions“
über ausschließlich mit der Oberflächenform (Pinborg 1982, 258).
von Sätzen. Grammatik hat es dabei ebenso Das heißt, daß Wörter oder Lexeme, die
wie Logik mit Bedeutungen zu tun, unbe- für den Logiker synonym sind, für den Gram-
schadet der Tatsache, daß es ihr letztlich um matiker mittels ihrer modi significandi viele
(syntaktische) Strukturanalyse geht. Beide verschiedene Bedeutungen haben können.
Disziplinen interessieren sich aber nicht im
Sinne der bloßen Bezeichnungsfunktion eines 2.2. Die modi significandi und ihr
Prädikates erster Stufe (d. h. der intentione philosophischer Hintergrund
prima des Ausdrucks) für die Bezeichnungs-
relation (ratio significandi) zwischen dem Entsprechend dem „Hauptsatz einer vorkri-
Ausdruck (vox) und dem bezeichneten Ge- tischen Sprachphilosophie“ (Mittelstraß
genstand (significatum speciale) samt seinen 1970, 411) unterscheiden die Modisten (a) die
spezifischen Eigenschaften; d. h. Logik und Ebene der Dinge von (b) der Ebene ihrer
Grammatik interessieren sich nicht für die mentalen Repräsentationen und (c) der Ebene
Referenz oder Denotation von Ausdrücken. der Wörter, die diese mentalen Repräsentatio-
In der Terminologie der Modisten verwandelt nen bezeichnen. Grammatik ist einerseits ein
die ›ratio significandi‹ die ›vox‹ als das ›Roh- linguistisches Unternehmen; d. h. sie beginnt
material‹ (Kelly 1974, 210) der Zeichen in eine (›von unten‹) auf der Ebene der einzelnen
bedeutungstragende Einheit (dictio) im Sinne Wörter und untersucht, wie die als Formative
der Lexeme der modernen Linguistik. Gegen- verstandenen ›modi significandi‹ sich zu grö-
stand von Logik und Grammatik ist vielmehr ßeren sinnvollen sprachlichen Einheiten zu-
im Sinne der Bezeichnungsfunktion eines Prä- sammenfügen lassen. Dabei sind (z. B. bei
dikates zweiter Stufe (d. h. der intentione se- Radulphus Brito und Thomas von Erfurt) zu
cunda des Ausdrucks) der ›Sinn‹ von Lexe- unterscheiden: ›constructio‹ als die durch die
men. Dieser drückt sich in der Bezeichnungs- ›modi significandi‹ in ihren Abhängigkeiten
relation (ratio consignificandi) aus, die zwi- bestimmte Kombination der Konstruktions-
schen der ›vox‹ und den von ihr mitbezeich- glieder (constructibilia), ›congruitas‹ als deren
neten ›allgemeinen‹ oder kategorialen Eigen- auch kontextbezogene adäq uate Zusammen-
schaften eines Gegenstandes besteht. Die all- fügung und ›perfectio‹ als kommunikativer
gemeinen Eigenschaften ergeben sich aus dem Erfolg passend konstruierter Rede. Mit dieser
Vergleich mit anderen Gegenständen. Sie syntaktischen Funktion der Grammatik ist
„bestimmen die Kategorie (im weitesten Sinne) unauflösbar eine semantische Ebene verbun-
bzw. die Kategorisierung des Gegenstandes [...]. den,
Insofern sie im Ausdruck mitbezeichnet werden, „q uia constructibile dicit aggregatum ex voce, sig-
machen diese allgemeinen Eigenschaften (proprie- nificatum et modo significandi“ [weil das ›construc-
tates communes) das consignificatum des Aus- tibile‹ ein Aggregat aus Ausdruck, Bezeichnetem
drucks aus“ (Pinborg 1975 b, 47). und ›modus significandi‹ ist, meine Übers.] (Ra-
Für die Logik relevante ›consignificata‹ dulphus Brito 1980, I, 122).
eines Ausdrucks sind etwa sein ›genus‹ und Hier werden die philosophischen Überzeu-
gungen der Modisten wichtig. Diese äußern
41.  Die Lehre der Modisten 599

sich einmal durch die Einbettung von Begrif- und Partizip material in ihrem Bezug auf
fen der grammatikalischen Metasprache in einen Vorgang (modus esse) überein, unter-
metaphysische Begriffssysteme wie den Be- scheiden sich aber formal dadurch, daß das
griffspaaren ‘Materie/Form’, ‘Substanz/Ak- Verb separat von der Substanz bezeichnet und
zidenz’. Ferner vertreten die Modisten einen in einer Satzkonstruktion dem Prädikatglied
gemäßigten Realismus: Zwar sind Universa- zuzuschlagen ist, während das Partizip im
lien in den Einzeldingen verwirklicht, was die Rahmen der Substanz bezeichnet und zum
Zuordnung von Wortklassen zu einzelnen Subjektglied des Satzes gehört. Auf solche
Wörtern erlaubt. Diese Verbindung von Uni- Weise stellen alle Modisten ein elaboriertes
versale und sprachlichem Zeichen wird jedoch System von Unterscheidungen innerhalb der
notwendigerweise durch intellektuelle Ope- ›modi‹ und der anderen grammatikalischen
rationen gestiftet. Deswegen besteht zwar eine Termini auf, das die bis dahin theoretisch
indirekte Korrelation zwischen Welt und geschlossenste und umfassendste Darstellung
Sprache, ohne daß allerdings ein eigentliches der Grammatik liefert.
Korrespondenzverhältnis angenommen wer-
den darf. Die Struktur der Sprache ist so von 2.3. Probleme der modistischen Grammatik
der Struktur der Wirklichkeit abhängig. Da
die Wirklichkeit nur eine ist, gibt es eine allen Ein Grundproblem, das bereits im Ansatz der
Einzelsprachen voraufliegende, universelle modistischen Grammatik impliziert ist, be-
Grammatik, welche die Struktur dieser einen steht darin, daß die Modisten zwar einerseits
Wirklichkeit sprachlich ausdrückt. Entspre- die Strukturen der Sprache als von den Struk-
chend haben die grammatikalischen Bedeu- turen der Wirklichkeit abhängig auffassen,
tungsmodifikatoren (modi significandi) ihre andererseits aber sich in ihrer eigenen Analyse
Grundlage in den ›modi essendi‹ [kategorialen nur für die ›modi significandi‹, d. h. für die
Seinsweisen] der Dinge. Diese wiederum wer- sprachliche Ebene interessieren. Dies läßt sich
den in den ›modi intelligendi‹ [Auffassungs- aber nicht allgemein durchführen, wenn z. B.
weisen] des Intellekts repräsentiert. Die ge- einem Nomen wie ‘nihil’ [Nichts] keine Sub-
naue Analyse der Verhältnisse zwischen den stanz oder Qualität entspricht. Ein weiteres
verschiedenen ›modi‹ ist bei den einzelnen Manko der modistischen Konzeption bildet
Modisten verschieden. Thomas von Erfurt das ›Janus-Gesicht‹ (Pinborg 1972, 119) der
z. B. geht davon aus, daß bestimmte ›modi mentalen Ebene: ›modi intelligendi‹ sind „als
essendi‹ der Dinge (kategoriale Eigenschaften Inhalte der Formative sprachzugewandt, und
wie Substanz, Handeln, Qualitäten) vom Ver- als Zeichen der Gegenstände dingzugewandt“
stand mittels der ihm eigenen ›modi intelli- (Pinborg 1972, 119). Diese Durchgängigkeit
gendi activi‹ aufgenommen werden. Als nun- der Bezeichnung führt dazu, daß Morpheme
mehr mentale Entitäten sind die rezipierten in ihrem gesamten Anwendungsbereich als
Gegenstände ›modi intelligendi passivi‹. Diese bezeichnend verstanden werden, was prak-
wiederum werden von den Worten, insofern tisch zu einer Vermischung von Syntax und
sie Bezeichnungscharakter (modus signifi- Semantik führt. Diese Vermischung unter-
candi activus) haben, sprachlich repräsentiert. schiedlicher Bereiche zeigt sich auch ander-
Die so in der Sprache ebenfalls repräsentier- wärts, insbesondere in logischen oder onto-
ten Eigenschaften der Dinge werden als ‘modi logischen Rücksichtnahmen, die eine konse-
significandi passivis’ bezeichnet. Die ›modi q uente sprachimmanente Syntax und Seman-
significandi activi‹ sind für den Grammatiker tik behindern.
das eigentlich Interessante. Denn deren wich-
tigste Untergruppe sind die ›modi significandi
essentiales‹, die angeben, unter welche der 3. Literatur in Auswahl
acht fundamentalen Kategorien der lateini-
schen Grammatik (Nomen, Pronomen, Verb, 3.1. Texte
Partizip, Adverb, Konjunktion, Präposition, Boethius de Dacia 1969, Modi significandi sive que-
Interjektion) ein Wort einzuordnen ist. Dabei stiones super Priscianum maiorem. Corpus Philo-
sind Nomen und entsprechendes Pronomen sophorum Danicorum Medii Aevi (= CPDMA 6),
›material‹ identisch, weil sie die gleiche ›Ma- Pinborg/Roos (Hg.).
terie‹, nämlich einen ›modus entis‹, d. h. ein Textkritische Edition.
dauerhaftes Ding bezeichnen. Sie sind jedoch Martinus de Dacia 1961, Opera, Roos (Hg.).
›formal‹ verschieden, da das Nomen diesen Textkritische Edition.
Gegenstand distinkt bezeichnet, das Prono- Pseudo-Albertus Magnus 1977, Questiones Alberti
men dagegen nicht. Ähnlich kommen Verb de modis significandi, Kelly (Hg.).
600 III. Positionen

Textkritische Edition mit englischer Übersetzung Bursill-Hall 1972, Grammatica Speculativa of Tho-
auf der Basis zweier Inkunabeln (keine Handschrif- mas of Erfurt.
ten bekannt), Einführung und Anmerkungen. Fredborg 1973, The Dependence of Petrus Helias
Radulphus Brito 1980, Quaestiones super Priscia- Summa super Priscianum on William of Conches
num Minorem, Enders/Pinborg (Hg.). Glose super Priscianum (Cahiers de l’Institut du
Textkritische Edition mit biographischer und in- Moyen Age Grec et Latin 11).
haltlicher Einführung. Kelly 1971, De modis generandi: Points of contact
Siger de Courtrai 1913, Les Œuvres, Wallerand between N. Chomsky and Th. of Erfurt, in Folia
(Hg.). linguistica 5.
Textausgabe des Ms. Paris, Bibl. Nat., lat. 1622. Kelly 1974, Grammar and Meaning in the Late
Simon Dacus 1963, Opera (= CPDMA 3), Otto/ Middle Ages, Part 1 (Historiographia Linguistica
Roos (Hg.). 1).
Textkritische Edition. Mittelstraß 1970, Neuzeit und Aufklärung. Studien
Thomas of Erfurt 1972, De modis significandi sive zur Entstehung der neuzeitlichen Wissenschaft und
Grammatica speculativa, Bursill-Hall (Hg.). Philosophie.
Wiedergabe der (nicht textkritischen) Ausgabe von Pinborg 1972, Logik und Semantik im Mittelalter.
M. Fernandez Garcia (1902) in teilweise neuer An- Ein Überblick.
ordnung, mit englischer Übersetzung und einer um- Pinborg 1975 b, Die Logik der Modistae, in Studia
fassenden Einführung. Mediewistyczne 16.
Turot 1974, Notices et extraits de divers manuscrits Pinborg 1982, Speculative grammar, in The Cam-
latins pour servir à l’histoire des doctrines gramma- bridge History of Later Medieval Philosophy: from
ticales du moyen-âge. [1868] the Rediscovery of Aristotle to the Disintegration of
Sammlung von Auszügen aus grammatikalischen Scholasticism, 1100—1600, Kretzmann/Kenny/Pin-
Traktaten des Mittelalters, die immer noch von borg (Hg.).
Nutzen ist. Roos 1952, Die Modi significandi des Martinus de
Dacia. Forschungen zur Geschichte der Sprachlogik
3.2. Sekundärliteratur im Mittelalter.
Rosier 1983, La grammaire spéculative des Modi-
Bursill-Hall 1971, Speculative Grammar in the stes.
Middle Ages. The Doctrine of partes orationis of
the modistae. Gereon Wolters, Konstanz (Deutschland)

42. Apohavāda in Buddhist logic

1. The origin of the ›apoha‹-semantics: Dignāga The Pramāṇasamuccaya was conceived as a


and his sources systematic handbook on epistemology, logic,
2. The classical expression of the ›apoha‹-seman- dialectics and semantics. The fifth chapter
tics: Dharmakīrti’s revision of Dignāga’s epis- deals with the meaning of words (especially
temology and semantics nouns and adjectives as they are used in the
3. The period after Dharmakīrti’s classical for- formulation of logical proofs) and to what
mulation of the ›apoha‹-doctrine extent and how words refer to things. It is in
4. Selected references this chapter that Dignāga developed his so-
called ›apoha‹-theory, the theory of mental
removal, conceptual exclusion, as the mech-
1. The origin of the ›apoha‹- anism behind the process of arriving at the
semantics: Dignāga and his sources meaning of words.
The specifically Buddhist theory of philo-
sophical semantics was developed by the first 1.1. The two means of valid cognition
great logician in Buddhist tradition, Dignāga In Dignāga’s epistemology only two pra-
(ca. 480—540), in the fifth chapter of his main aṇas [means of valid cognition] are accepted
work, the Pramāṇasamuccaya [Comprehen- as sources of reliable knowledge about reality.
sive account of the means of valid cognition]. The two are: (1) pratyakṣa [perception], and
42.  Apohavāda in Buddhist logic 601

(2) anumāna [inference]. Perception is subdi- sion are thus always connected with classes
vided into four kinds: (1 a) sensory percep- possessing a wider extension, and can be used
tion, (1 b) mental perception of the images to prove the presence of a class with a wider
received by the senses, (1 c) mental awareness extension.
of emotions, (1 d) altered states of conscious-
ness as experienced by mystics. Inference is 1.2.2.  Unlike the old Nyāya school (to which
divided into two: (2 a) the inference one draws Buddhist epistemology is greatly indebted)
for oneself is called svārthānumāna [inference the Buddhists did not accept mere verbal
for oneself], (2 b) when this inference is ver- communication of non-inferential knowledge
bally communicated to others in the form of as a separate pramāṇa. Dignāga maintained
a logical proof, it is called parārthānumāna (in Pramāṇasamuccaya II.5) that a reliable
[inference for the sake of others]. The correct verbal statement — in so far as it communi-
inference is always drawn in the following cates real, verifiable knowledge — is to be
way: first one perceives an object, e. g. smoke regarded merely as a form of inference. This
on a mountain, then one remembers the fact would imply that Dignāga regarded the syl-
that wherever there is smoke there is fire, then logistic proof as the reliable statement per se
one comes to the conclusion that on the (such a doctrine had already been formulated
mountain there must be fire. All this happens by Pakṣilasvāmin Vātsyāyana, ca. 450 AD, in
in the mind of the perceiver, so that inference his Nyāya Bhāṣya, 10.4—5).
constitutes a judgment following sensory per-
ception which is regarded as the basis of all 1.3. Philosophical semantics as an integral
verifiable knowledge. part of the system of logic
1.2. The logical proof It seems clear that Dignāga developed his
theory of concept-making and semantics only
The logical proof by which a piece of infer- to the extent that both, but more especially
ential knowledge is communicated to others semantics, play a role in expressing logical
(the parārthānumāna taking the form of a proofs (Pramāṇasamuccaya V.1). With this
syllogism) ideally runs as follows: (1) the the- theory Dignāga proposes to answer the fol-
sis (pratijñā) in which the thing to be proved lowing q uestions: how does the mind produce
(sādhya) is announced, e. g. ‘there is fire on the notion of ‘class’ (sāmānya, jāti) indispen-
the mountain’; (2) the logical reason (hetu) sable to logical reasoning; what kind of ob-
for this statement, ‘because there is smoke on jects do words, specifically nouns (nāma) and
the mountain’; (3) a commonly perceived and adjectives (guṇaśabda) signifying individual
acknowledged fact (dŗşţānta) which shows things (artha) and classes (jāti), refer to, and
that the property acting as reason is always how do words communicate certain intended
connected (avinābhāvin) with the thing to be meanings to the hearer? Some philosophical
proved (e. g. that smoke is always accompa- q uestions on semantics were already raised in
nied by fire) and that the reason never occurs the old Sanskrit grammatical literature (Frau-
with other objects than the thing to be proved wallner 1960, 93—101) from before the Chris-
(e. g. that smoke never occurs with what is tian era, as well as later in the old Mīmāṃsā
not fire). and Nyāya texts from 1st—4th century (s.
art. 5). Dignāga’s philosophical semantics are,
1.2.1.  Dignāga was the first to introduce the on the one hand, a reaction on the Mīmāṃsā
concept of ‘class’ in Indian logic, as well as and the Nyāya, on the other, they stem from
the use of logical q uantifiers. He devised a from the specific ontology he inherited from
system of logic in which he maintained that the Abhidharmakośabhāṣya, an elaborate
classes of similar objects penetrate (vyāpti) compendium or rather encyclopedia of Bud-
other classes of similar objects. Thus the class dhist doctrine and dogma, written by Vasu-
of fiery objects is penetrated by, and thus has bandhu the Younger (ca. 400—480).
a wider extension than, the class of smoky
objects. Wherever there is smoke, there is the 1.3.1.  The central concept of apoha was not
invariably concomitant (avinābhāvin) class of invented by Dignāga. The term occurs in its
fiery objects, a class with a wider extension typical Buddhist meaning already in the
than smoke. Therefore the converse is not Abhidharmakośabhāṣya (334,3—11) in a
always true: whenever there is fire, there is place where a distinction is made between
not always the class with the smaller exten- things that exist by convention (saṃvṛtisat)
sion, smoke. The classes with a smaller exten-
602 III. Positionen

and therefore merely as a concept, and thereon it is maintained that everything that
things that exist in the real sense of the is produced (samskrta) lasts for one mo-
word (paramārthasat). An often-used ex- ment only, hence is momentary (kṣaṇika).
ample of a thing that exists only cenven-
tionally is a pot. If the pot is divided into 1.3.3.  In Dignāga’s ontology these different
its parts, i. e. broken to pieces, the concept strands are brought together and the follow-
of ‘pot’ disappears. All that is left is a heap ing picture emerges: all real, existent things
of potsherds. It is possible to analyze a (artha, vastu) are singulars (svalakṣaṇas),
given thing into its component parts to see uniq ue objects which exist only for one mo-
if the concept of the thing remains un- ment. The ›svalakṣaṇa‹ is the sole object of
changed. If a pot is analyzed by the mind, perception. The general characteristic fea-
then the mind perceives that the pot as a ture is a concept (vikalpa) projected by the
unity is a concept projected on a specific mind onto various perceived particulars.
configuration of clay. Another instance of The ›sāmānyalakṣaṇa‹ is the sole object of
this mental analysis is given in the same inference and therefore also of words that
Abhidharmakośabhāṣya-passage: if water are used in formulating a logical proof
which has colour, odour, shape etc. is ana- (Pramāṇasamuccaya I.2; V.1). From this it
lyzed into its component q ualities, the con- follows that words signifying things do not
cept of water as a homogeneous substance refer directly to the real, evanescent things,
with such and such a colour and such and but only to the concepts of these things,
such a taste, disappears, as soon as these ›concepts‹ which the conceiving ›mind‹
q ualities are abstracted from the as such makes through the process of ›apoha‹ [i. e.
colourless and tasteless water. The mental mentally excluding various properties from
analysis of these substances is called ‘apoha’ a thing]. ‘Apoha’ in Vasubandhu’s Abhidhar-
in the text, a term which according to its makośabhāṣya simply designated a specific
etymology means ‘removing something from function of the mind, without reference to
something’, or ‘excluding something from semantics. Dignāga, however, used the term
something’. In these two examples it is the in his logic to describe the process by which
mind (buddhi) which mentally removes the mind derives the concepts of classes sā-
properties from an observed object, or men- mānya, jāti from perceived objects, and the
tally divides the observed object into more process by which words get their meanings
basic units. An instance of something which and can be made to signify things. Since
exists in the real sense is matter (rūpa) be- perceivable reality to him consists only of
cause this cannot be further subdivided. uniq ue, ephemeral phenomena, but logical
Even if a thing would be divided into its reasoning req uires the notion of classes of
component atoms, every atom would still similar objects, he devised the ›apoha‹-the-
retain its materiality. ory in order to account for these classes
without having to resort to introducing ob-
1.3.2.  The terms ‘svalakşaṇa’ and ‘sāmānya- jective ›universals‹ inhering in an indefinite
lakṣaṇa’ which in Dignāga’s philosophical number of ›particulars‹.
work and the works of his successors came
to signify a ‘singular (object)’ and a ‘con- 1.3.4.  At present it is not possible to give a
ceptualized general (object)’ belonging to a very elaborate account of Dignāga’s
number of things respectively, already occur ›apoha‹-theory, because the original source,
in Vasubandhu’s Abhidharmakośabhāṣya Pramāṇasamuccaya (chap. 5), still awaits
(341,11—15) with a somewhat different more intensive scholarly attention which up
meaning. In this passage the term ‘svalak- till now has been very limited due to many
ṣaṇa’ signifies the characteristics proper to textual problems. Dignāga’s book has not
a thing, glossed as the ›svabhāva‹ [proper survived in the original Sanskrit text, it is
nature] of a thing. ‘Sāmānyalakṣaṇa’ signi- available only in two Tibetan translations
fies some general characteristic of many abounding in problematic and sometimes
things, like the non-eternity of all produced even totally divergent renderings of the orig-
(samskrta) things, and the emptiness, (śūn- inal. Quite a number of Sanskrit fragments
yatā) and the being-without-a-self (anāt- (mostly verses) of the Pramāṇasamuccaya as
matā) of all constituents (dharma) of reality. a whole have survived in the form of q uo-
In Abhidharmakośa (IV.2) and the Bhāṣya tations in later works, but the number of
42.  Apohavāda in Buddhist logic 603

original fragments of the ›apoha‹-chapter is 2. The classical expression of the


very small as can be seen from the first ›apoha‹-semantics: Dharmakīrti’s
critical edition of the Tibetan translations revision of Dignāga’s epistemology
along with the Sanskrit fragments in Hattori and semantics
(1982, 103—149). Two contemporaneous
works of rival Brahmanical schools of Although Dignāga was the first to introduce
thought contain polemics against Dignāga’s the concept of ‘apoha’ in Indian philosophical
›apoha‹-doctrine, namely Kumārila’s (ca. semantics, it was left to the great Buddhist
620—680) Ślokavārttika and Uddyotakara’s epistemologist Dharmakīrti (ca. 600—660) to
(ca. 550—620) Nyāyavarttika, but as unbi- give definite shape to the ›apoha‹-theory.
ased sources of information about this doc- Dharmakīrti can in fact be regarded as the
trine they are unreliable, since these two real creator of the Buddhist epistemological
works are refuting a deliberately distorted school, because his works (the most impor-
version of it. This kind of pseudo-polemics tant and earliest of which, the Pramāṇavārt-
which occurs also in Dignāga’s own work, tika, is a kind of extensive commentary on,
was an accepted part of philosophical de- and discussion of the Pramāṇasamuccaya)
bate and practice. have become the standard texts for centuries,
thus almost completely superseding Dignā-
ga’s writings. In his earliest work, Pramāṇa-
1.3.5.  The gist of Kumārila’s refutation is vārttika I, Dharmakīrti tried to give a sim-
that if a thing and a word for it is only plified version of Dignāga’s system of infer-
defined by what it is not, e. g. a cow is ence and logical proof. Dharmakīrti’s theory
defined as everything that is not a not-cow, of inference (he regards it like Dignāga as the
then the word for such a thing would have only other ›means of valid cognition‹ besides
endless denotations, as there are endless va- perception) is based on a revised and im-
rieties of the same thing: in this way the proved version of the old ontology taught in
word would loose its function of signifying the Abhidharmakośabhāṣya and the Pramāṇa-
a thing. Kumārila tries to point out that if samuccaya. The main features of Dharma-
one abolishes the concept of ‘class’ consti- kīrti’s logic are the three types of ›valid rea-
tuting an objective universal, as the ›apoha‹- son‹ (hetu) and a theory of interpenetrating
doctrine for Kumārila seems to do, one can- ›essences‹ (svabhāva), in order to account for
not meaningfully refer to any positive entity, the invariable concomitance (avinābhāva) be-
one is only referring to negative entities, i. e. tween reason and what is to be proved. Dhar-
entities defined by what they are not (Ku- makīrti wanted to give the invariable concom-
mārila’s discussion of Dignāga’s ›apoha‹- itance (the ground on which the validity of
theory occurs in section 14 of the Śloka- the process of reasoning rests) a firm foun-
vārttika). The Nyāyavārttika in the com- dation in reality. The three types of valid
mentary on Nyāya Sūtra 2.2.63 gives vari- reason are characterized as follows: (svabhā-
ous examples of absurdities which could vahetu, kāryahetu and anupalabdhihetu).
arise if ›apoha‹ gives a word its meaning by The reason which proves the presence of an
negating what is denoted by other words. If as yet unperceived object, is connected with
a word denotes a positive thing, the theory the thing to be proved when (1) the reason
of ›apoha‹ is not different from the theory has the same essence (svabhāva) as the thing
of meaning promulgated in the Nyāyavārt- to be proved, or (2) when the reason is the
tika; if a word denotes a negative thing, an effect (kārya) of the thing to be proved (more
absence, then all talk becomes meaningless. precisely: when the essence of the reason is
Neither Kumārila nor Uddyotakara seem to produced by the essence of the thing to be
do any justice to the conception-theory and proved). The first type of reason is called
the ontology which were at the basis of the ‘svabhāvahetu’ [i. e. the reason which is the
›apoha‹-semantics, nor the typically Bud- essence of the thing to be proved]; the second
dhist ontology which accepted only the mo- type ‘kāryahetu’ [i. e. the reason which is the
mentary singulars as real. Both Brahmanical invariably concomitant effect of the thing to
authors believe in the objective existence of be proved]. Dharmakīrti’s logic demands that
universals, and from that point of view crit- in order to prove the presence of an as yet
icized the ›apoha‹-doctrine, according to unperceived thing, the thing must be the cause
which universals exist only in the mind of of another thing that is perceived, or the thing
the perceiver.
604 III. Positionen

must have the same essence (with a smaller ical context the ›svabhāva‹ [essence] should
extension) as the other perceived thing. Dhar- be regarded as (1) the notion of ‘class’ as well
makīrti uses the traditional example of smoke as (2) a conceptualized essential property of
and fire to illustrate the way the ›kāryahetu‹ a thing, both of which are fundamental to the
works. Dharmakīrti regards the reason, process of logical reasoning.
namely smoke, as the effect of the essence of
fire, and therefore the essence of smoke is 2.1.1.  To the received ontology of Dignāga,
invariably concomitant with the essence of Dharmakīrti added a basic criterion of the
fire. With the help of the ›svabhāvahetu‹ the reality of a thing. Not only is the uniq ue
presence of an invariably concomitant essence singular the sole object of perception, but it
with a greater extension is established. The is also the only real entity which possesses a
example given by Dharmakīrti is the follow- special power to produce (Kriyā) certain (use-
ing: if one wishes to prove the presence of ful) material effects (artha): ›arthakriyā‹. The
›treeness in general‹ somewhere one can point ›arthakriyā‹ of fire is its heat which is useful
to the presence of a specific kind of tree, the for cooking food, and the production of
›śiṃśapā at a given spot‹. The proving essence smoke (by which the presence of fire can be
›śiṃśapā-ness‹ has a smaller extension than, inferred). If an object produces some notice-
and is invariably concomitant with, the es- able effect, it is really existent, whereas a
sence ›treeness‹. Thus śiṃśapā-ness proves the concept (vikalpa) of a thing does not produce
presence of treeness at a given place. The any perceivable effects. One can cook dinner
proving essence is the same essence (with a on a real fire, not on the concept of fire (cf.
smaller extension) as the one whose presence Pramāṇavārttika I.166).
one wishes to establish. The third type of valid
reason is the ›anupalabdhihetu‹, the reason 2.2. The manner in which the ›apoha‹-theory
consisting in non-perception; it proves the accounts for the notion of classes
absence of an essence by establishing the ab-
sence of an invariably concomitant essence Dharmakīrti regarded the logical operations
with a wider extension; e. g. there is no pitcher performed in an inference as a mental process
here on this spot, because there is no percep- of correctly combining certain concepts. The
tion of anything perceivable on this spot, or, superimposition of certain general properties
there is no perception of coldness here, be- and class-notions on perceived things creates
cause there is smoke here. In the first example the essential properties in the mind (buddhi,
the negation is based on the ›svabhāvahetu‹- manas, dhī) of the beholder, with the help of
reasoning in which a pot has the same essence which properties he can correctly draw infer-
of perceptibility as anything else that is per- ences which should reveal to him some useful
ceivable, the second example contains a ne- object. Dharmakīrti maintains that it is
gation based on a ›kāryahetu‹-reasoning: the through the ›apoha‹, the mental exclusion of
essence of smoke is an invariably concomitant things more unlike from things less unlike,
effect of the essence of fire, the presence of that the beholder is able to create in his mind
fire proves the absence of coldness, whose a more or less correct image of the previously
absence can also be proved by the presence perceived real thing. According to Dharma-
of the invariably concomitant smoke. Dhar- kīrti, every real object is in reality absolutely
makīrti developed his theory of the ›anupal- different from every other object. But in order
abdhihetu‹ into a system of refined, meaning- to create notions of classes and general prop-
ful negation (this sketch of his logic occurs in erties, the mind separates the less unlike ob-
Pramāṇavārttika I. 1—4). jects from the more unlike objects. In this
way the mind blurs to a certain extent the
2.1. Dharmakīrti’s ontological axiom distinctions among the less unlike objects, and
puts them in classes of similar or like objects,
Like Dignāga, Dharmakīrti regarded the thus the classes and similarities are mere con-
world as being built solely of singulars (sva- ceptual constructions made by the mind, their
lakṣaṇa) which are fully unlike each other content has no objective reality outside the
and change every moment so that they are mind of the beholder (Pramāṇavārttika
also unlike ›themselves‹ within a given period I.40 ff, 68 ff).
of time. In an ontological context, Dharma-
kīrti’s concept of the essence of a real thing 2.2.1.  Dharmakīrti further argues that
(artha, bhāva, vastu) more or less coincides through mental exclusion (apoha) not only
with the particular object itself, but in a log- the concepts of ›similarity‹ or ›class‹ are gen-
42.  Apohavāda in Buddhist logic 605

erated in the mind of the perceiver, but in fact many wrong imaginations as possible about
the concepts of every single property seem- a perceived singular with the help of ascer-
ingly to belong to the uniq ue singular are so taining concepts and significative words, one
generated. The whole mental process of an- is not left with the real essence of the singular,
alysing an object into ›dharmin‹ [substance] but merely with a useful delineation of, a
and its ›dharma-s‹ [properties] (necessary in negatively-defined boundary around, the sin-
logical reasoning) is performed through the gular. We can, for instance, use different
›apoha‹-function of the mind. Although an words and concepts like ‘sweet’, ‘heavy’,
object is fully cognized in the act of perception ‘cold’ etc. to refer to and circumscribe one
(pratyakṣa), there remain possible causes for singular, without these words and concepts
an erroneous judgement, so that further in- being identical in meaning, and, moreover,
vestigation with the help of the second ›pra- they are also used to refer to other singulars
māṇa‹, inference (anumāna), is at times nec- (Pramāṇavārttika-Svavṛtti, 37.23—27; Pra-
essary. One could, for example, observe a māṇavārttika I.50 f).
piece of material which looks like silver, but
a further ascertainment is needed to establish 2.3.1.  Dharmakīrti derived his view on words
whether it is silver or mother-of-pearl. The as signifying concepts and not things, from
perceiver has to make a good number of the obvious fact that a single word can and
corrective ascertainments with regard to an does refer to the same aspect observable in
object in order to remove false notions about many different objects, as well as the fact that
the object. These ascertainments are made many different words can and do refer to one
with the help of inferences. There are as many and the same single thing. Dharmakīrti re-
ascertainments regarding a perceived object jected the idea of an objective universal (sā-
as there are false notions about it in the mind mānya) inhering in many singulars (svalak-
of the beholder. An ascertainment can only ṣaṇa), so that for him words denoting general
remove (apoha) a false notion, but it cannot properties could not denote a real universal,
reveal a real aspect or property of a thing. but only a conceptualized class. And yet he
The corrective ascertainment itself is only a had to explain why certain words can refer
concept abstracted from the direct percep- to a similarity present in many objects. This
tions of objects with the help of the senses he did by saying that all notions of similarity
(Pramāṇavārttika I.43—49). are actually in the mind of the perceiver. The
mind blurs the fine distinctions in many ob-
2.3. Words are verbal symbols of concepts jects and thus creates the ultimately false but
often useful notion of similarity (Pramāṇa-
Words referring to things, i. e. through the vārttika I.87). For reality consists for him of
perceived singulars, are only meant to com- innumerable completely different uniq ue sin-
municate the concepts in the mind of the gular objects. Dharmakīrti, building on and
speaker to the hearer, and therefore words expanding the doctrines of Dignāga and the
are considered to be sound-symbols of con- Abhidharmakośabhāṣya, rejected in this way
cepts. Every word that is used to refer to a the existence of the objective universal to ac-
thing, does not really reveal or point out that count for perceivable similarity among things,
thing in one of its singular aspects, the word and the Mīmāṃsādoctrine that words (śabda)
merely communicates a concept which can mean something because they are materially
remove a false notion in the mind of the connected with the signified thing (artha)
hearer. The meaning of a word is not based (Mīmāṃsā Sūtra 1.1.5).
on a direct relation of the word with the thing
referred to, but on linguistic and philosophi-
cal-scientific convention (s. art. 62). The users 2.4. Theories on semantics of Dharmakīrti’s
of a language have agreed upon certain mean- main Brahmanical predecessor, the old
ings for certain words, in that way words can Nyāya
signify certain concepts (Pramāṇavārttika The notion that words acq uire their meaning
I.92 f). Since words and the concepts they only by convention is already found in the
signify derive their content from the mental Nyāya Sutra (2.1.54—56) and the Bhāṣya
exclusion of false ascertainments about a per- thereon. In a polemic against Mīmāṃsā Sūtra
ceived thing, but do not grasp a thing referred 1.1.5 which held that words signify things
to in its entirety, therefore words referring to because there is a natural material connection
the same particular object under different as- between signifying word and signified thing
pects are not synonymous. By removing as (artha) the Nyāya Sūtra maintains that a real
606 III. Positionen

connection between word and thing is impos- mental analysis ascribed to it by Vasubandhu
sible because otherwise with uttering the word the Younger as has been shown in 1.3.1., does
‘fire’ one ought to burn one’s mouth, which not occur in this Nyāya Bhāṣya-passage. The
as a fact perceivable to all, does not happen term and its meaning is, most probably, the
in reality. The fact that one does not burn creation of Buddhist Abhidharma-analysis of
one’s mouth at saying ‘fire’ disproves the ma- which Vasubandhu’s book gives a fairly com-
terial connection between word and thing as plete inventory. But the Nyāya Bhāṣya-pas-
taught in the Mīmāṃsā Sūtra. The Nyāya sage combined with what is taught in the
Sūtra goes on to say that the notion of a thing Abhidharmakośabhāṣya already contain the
by way of a word is merely based on mutual germ of the later ›apoha‹-philosophy of Dig-
agreement between the users of a language. nāga and Dharmakīrti.
As we have seen in 2.3., Dharmakīrti gave
the same explanation in his own semantics. 2.5. The extent to which statements other
than logical proofs are also a means of
2.4.1.  About the meaning of a word Nyāya valid cognition
Sūtra (2.2.65) says that a word can refer to
(1) an individual object (vyakti) (2) a form As has been shown in 1.3.3. and 2.2.1., Dig-
(ākṛti) which makes visible a class and its nāga and Dharmakīrti developed that
characteristics, and (3) a class (jāti) which is ›apoha‹-semantics only as a part of their epis-
that which makes things look similar. On the temology, more specifically, the theory of de-
last statement the Nyāya Bhāṣya gives an ductive inference and logical proofs in order
interesting elaboration in which some of the to account for the notion of ‘class’ on which
rudiments of Dharmakīrti’s ›apoha‹-theory their theory of reasoning is based. This does
can be recognized, especially the emphasis not mean that their thinking about the com-
Dharmakīrti lays on the idea that the mind municative aspect of language is strictly lim-
creates a concept by removing all unlike ited to its function in the logical proof. Dig-
things from a perceived object. The Nyāya nāga accepted the possibility of conveying
Bhāṣya in effect says (292.4 ff): correct knowledge by means of statements
“[›Class‹, i. e. the notion of class] which brings forth
other than logical proofs. In this he followed
a similar cognition (buddhi) [i. e. a cognition of
the Nyāya and the other Brahmanical schools
similarity] regarding [a given number of] separate
of thought, which all maintained that the
substrata, through which [class] many [separate
statements made by an expert person about
substrata] are not distinct from one another, which
real, observable or verifiable pieces of reality
things [‘moreover’] causes the continuity of the
do convey true knowledge about these pieces
cognition [of similarity in a given number of
of reality to the hearer of the statement. The
things], that [class and thing] constitutes similarity
Nyāya Sūtra calls such statements ‘āptopa-
[i. e. a universal (sāmānya)]. And ›class‹ is that
deśa’ [(useful) instruction (made) by an ex-
specific similarity [or universal] which creates a
pert] (Nyāya Sūtra 1.1.7). The Nyāya Sūtra
non-difference [from one another] for a certain
regards these statements as a separate means
[number of like objects] [and their] difference from
of valid cognition called ‘śabda’. The Bud-
some [other unlike objects]”.
dhist epistemological school headed by Va-
The first statement seems to come close to subandhu the Younger and Dignāga sub-
implying that similarity in things rests in the sumed reliable statements which do not take
cognition of the things, i. e. that similarity is the form of syllogistic reasoning under infer-
rather in the mind of the beholder than ex- ence. In so far as a reliable statement is trust-
clusively in the things themselves. The term worthy, it is a kind of inference (Pramāṇa-
which is used here to designate the locus of samuccaya II.5 ab).
cognition is the same word as Dharmakīrti
uses to describe the conceptualizing mind, 2.5.1.  Dharmakīrti inherited this somewhat
namely the word ‘buddhi’. The second sen- problematic thesis from Dignāga; in the Pra-
tence seems to foreshadow Dharmakīrti’s māṇavārttika I and II he tried to show to
doctrine about ›apoha‹ as excluding unlike what extent non-syllogistic statements can
objects from like objects, because the Bhāṣya convey true knowledge and would be a ›pra-
states here that the similarity creates a non- māṇa‹, without introducing a third separate
difference of like things with like things and ›pramāṇa‹. Dharmakīrti sticks to Dignāga’s
their difference from unlike things. The spe- scheme of two ›prāmaṇas‹, although he would
cific term ‘apoha’ and what it stands for in for religious reasons need a third one in his
Buddhist context, namely the function of theory on the spiritual authority of the Bud-
42.  Apohavāda in Buddhist logic 607

dha, because he saw clearly that a good deal ment describes (Pramāṇavārttika I.215—217).
of the teachings of the Buddha cannot be
interpreted as logical proofs. In Pramāṇa- 2.5.3.  In Pramāṇavārttika (II.1—6) Dhar-
vārttika I (Svavṛtti 108.2—5) Dharmakīrti ac- makīrti defines the concept of ‘means of valid
knowledges the usefulness of expert state- cognition’ (pramāṇa) in its generality as trust-
ments collected in a reliable tradition (agama) worthy knowledge about real objects cog-
as a provisional source of sound knowledge nized by perception (pratyakṣa) which contin-
about things that one ought to do and ought uously produce (to the perceiver) a useful or
not to do and whose results cannot be per- an unwanted effect (arthakriyā). Here in Pra-
ceived in this world. Similarly in Pramāṇa- māṇavārttika II (which came after Pramāṇa-
vārttika (II.132 cd) (Vetter 1984) Dharmakīrti vārttika I) Dharmakīrti proposes a new cri-
says that even the Buddha abided by certain terion of truthfulness regarding the validity
teachings coming from a reliable tradition. of the means of valid cognition: they are
trustworthy only in so far as their object, the
2.5.2.  In Pramāṇavārttika (I.214) Dharma- really existent singular (svalaksana) produces
kīrti mentions the three criteria a statement some noticeable effect (arthakriyā) (cf. 2.1.1.).
made by an expert (āptavāda) should fulfill In the case of a direct perceptual cognition
before its validity as a means of valid cogni- of an object, this effect is perceived immedi-
tion will be investigated: (1) the words of the ately if it is there, in the case of inferential
statement should be coherent, (2) the state- cognition and the information derived from
ment should only describe means that will be an expert statement (the latter is explicitly
suitable to a desirable end, (3) it should ex- covered by the ›pramāṇa‹-definition in Pra-
press a useful human purpose. Although māṇavārttika II.1), their trustworthiness as
Dharmakīrti gives three general criteria, it is means of valid cognition is established only
clear from the context that he had the doc- afterwards when the inferred or described ob-
trine of the Buddha (especially the four noble ject is actually perceived. Only perception can
truths) in mind as the ideal statement to which directly reveal an effect-producing singular
these three criteria could be applied. Dhar- (svalaksana), and perceptual cognition is a
makīrti further distinguishes (like Nyāya Sū- means of valid cognition only in so far as it
tra 1.1.8 had done earlier) between expert really reveals an effect produced by an exis-
statements on things that are at present po- tent object. The trustworthiness of perception
tentially perceptible to the hearer and state- thus rests on the undesirableness or desira-
ments about things that are at present not bleness of the real object it conveys to the
(yet) perceptible to the hearer. The first kind perceiver. Inference and reliable statement,
of statements refers to things in this world, which ought to be based on trustworthy per-
the second kind usually refers to either things ceptions of real objects to be trustworthy
in the hereafter or to mystical states of con- themselves, are reliable means of cognition
sciousness. Both kinds of statements, in order only in so far as the information they contain
to be trustworthy (avisaṃvādin), should not is afterwards corroborated by perception on
be contradicted by perception and inference. the part of the hearer.
An expert statement can be regarded as an
instance of correct inference for two reasons: 2.5.4.  Knowledge conveyed by means of a
(1) an inference reveals a real object only coherent meaningful sentence reveals to the
indirectly, i. e. it only conveys a concept of a hearer the concepts in the mind of the
real thing and the same happens in the case speaker, not the described thing itself. The
of an expert statement. The statement con- words are only a means of valid cognition
veys to the hearer a conceptual image of an with regard to the concepts which the speaker
object the speaker intends to speak about. As intends to communicate, not with regard to
long as the expert statement is not contra- the described object itself. The correct knowl-
dicted by subseq uent experience, it can be edge that can provisionally be conveyed
considered a provisional means of valid cog- through words and that is worthwhile to com-
nition. (2) The second reason is that if the municate is the knowledge the speaker has
main object (afterwards becoming perceptible acq uired for himself through perception of
to the hearer) which the statement is referring real objects. The speaker communicates his
to, turns out to be trustworthy, then one may knowledge by way of concepts which he
infer the trustworthiness also of an as yet formed in his mind about the perceived ob-
imperceptible object which the same state-
608 III. Positionen

jects. Only knowledge about useful or harm- phy in their (usually very extensive, scholas-
ful objects is worthwhile communicating by tic) commentaries on Dharmakīrti’s original
means of words. The knowledge which the writings. (In this respect they tried to emulate
hearer of these words wishes to gain is only their master whose Pramāṇavārttika was, af-
that knowledge on which the hearer can base ter all, meant to be a very elaborate commen-
activity regarding objects that he should tary on Dignāga’s Pramāṇasamuccaya). In
avoid (heya) and objects that he should ob- subseq uent Buddhist epistemological thought
tain (upādeya). The utility of a reliable tra- Dharmakīrti’s writings on ›apoha‹ remained
dition (āgama) or a scientific treatise (śāstra) the unq uestioned, classical formulation of the
(both being a set of trustworthy statements) theory. The commentators on Dharmakīrti
consists in their removing erroneous concepts added very little independent thinking on the
in the mind of the hearer, not in their directly ›apoha‹-semantics beyond the req uirements
showing an object (which by their very nature of exegesis. Within four hundred years after
they cannot). Dharmakīrti’s lifetime, at least four inde-
pendent treatises were written by various
2.5.5.  In the second general definition of ‘prā- Buddhist epistemologists on ›apoha‹: (1)
maṇa’ in Pramāṇavārttika (II.5 c) Dharma- Dharmottara (ca. 750): Apohaprakaraṇa (ed-
kīrti proposes that a means of valid cognition ited and translated into German by E. Frau-
should not only reveal a trustworthy effect- wallner); (2) Kalyāṇarakṣita (ca. 830): Any-
producing singular, but also a singular that āpoha-vicāra-kārikā; (3) Jñānaśrīmitra (ca.
was not hitherto cognized by any means of 1025): Apohaprakarana; (4) his pupil Ratna-
valid cognition. By stating this, Dharmakīrti kīrti (ca. 1050): Apohasiddhi (translated into
tries to account for the fact that human English by D. Sharma). In all these works
knowledge increases. The second definition there are discussions about ›apoha‹ and in
not only refers to perception and inference, some works there are also discussions on the
but includes reliable statements as a source refutations of ›apoha‹ by contemporary phi-
of new knowledge, provided these reliable losophers of rival schools. In essence the pro-
statements refer to really existent objects, i. e. ponents of the ›apoha‹-semantics do not go
singulars (svalakṣaṇa), that had previously much beyond what Dharmakīrti had taught,
been perceived by the speaker himself. For it while the refutations are largely based on
is only the effect-producing singular that one what Uddyotakara and Kumārila had
wishes to investigate with the help of means brought forward against the ›apoha‹-theory.
of valid cognition. Also in this context of In the period after Dharmakīrti, the main
Pramāṇavārttika (II.1—6) the ›apoha‹-theory features of the ›apoha‹-theory remain unal-
is brought forward by Dharmakīrti to explain tered, the main attacks on it are found in
the presence of correct concepts in the mind Nyāya-authors such as Jayantabhaṭṭa (ca.
of the speaker and how these concepts help 800) (s. art. 18), Bhāsarvajña (ca. 860—920),
to convey knowledge to a hearer of a reliable and Vācaspatimiśra (ca. 900). However, the
statement containing these concepts. In the further details of the philosophical debate on
rest of Pramāṇavārttika II it becomes clear semantics between the Buddhist defenders of
that the ›pramāṇa‹-definitions are intended to Dharmakīrti’s theory and the attempt at its
give the spiritual authority of the Buddha refutation conducted by adherents of various
(who for the Buddhist Dharmakīrti consti- rival schools of philosophy, are a topic of
tutes the ultimate means of valid cognition) further and thoroughgoing scholarly re-
a firm grounding on ›secular‹ epistemology. search.

3. The period after Dharmakīrti’s 4. Selected references


classical formulation of the Frauwallner 1933 ff, Beiträge zur Apohalehre, in
›apoha‹-doctrine Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes
With Dharmakīrti the most formative and 39, 40, 42, 44.
creative period of the Buddhist epistemolog- Hattori 1968, On Perception (being the Pratyak-
ical school and its ›apoha‹-doctrine has ended. ṣapariccheda).
The centuries following on Dharmakīrti’s Hattori 1977, The Sautrāntika Background of the
time see the emergence of a host of commen- Apoha Theory, in Buddhist Thought and Asian Civ-
tators who elaborately interpret his philoso- ilization.
43.  The sphoṭa doctrine of the Indian Grammarians 609

Steinkellner 1968, Die Entwicklung des Kṣaṇikat-


Hattori 1982 (ed.), The Pramāṇasamuccayavṛtti of vānumānam bei Dharmakīrti, in Festschrift Frau-
Dignāga (ch. 5: Anyāpoha-parīkṣā). wallner.
Sharma 1969, The Differentiation Theory of Mean- Vetter 1964, Erkenntnisprobleme bei Dharmakīrti.
ing in Indian Logic.
Victor van Bijlert, Leiden (Netherlands)

43. The sphoṭa doctrine of the Indian Grammarians

1. General characteristics of ›sphoṭa‹ prehend bits of a language we comprehend


2. Patañjali’s view the meaning they convey, but such compre-
3. Bhartṛhari’s view hension of the meaning can only arise through
4. The critics of the sphoṭa doctrine our comprehension of the ›sphoṭa‹. Sounds
5. Later grammarians: classification of ›sphoṭa‹ are as inessential as the black marks (writings)
6. Selected references on papers, although our understanding must
start from our recognising the sounds or the
black marks.
1. General characteristics of ›sphoṭa‹
1.1.3.  The etymological meaning of the term
1.1. What is language? ‘sphoṭa’ might have some significance. A later
writer, Nāgeśa (ca. 1670—1750), has derived
1.1.1.  The traditional answer of some of the it from the root ‘sphuṭ’ which means ‘to
Indian grammarians to this q uestion is that burst’. Nāgeśa has glossed ‘bursts’ as ‘is re-
it is sphoṭa, the real vehicle of meaning for vealed’, and the derivative meaning of
the general context (s. art. 5). The theory of ‘sphoṭa’ is ‘that from which the meaning
sphoṭa in its rudimentary form maintains that bursts forth’, that is, ‘is revealed’ (Nāgeśab-
a word or a sentence is not just a concate- haṭṭa 1956, 5). Mādhava (14. century) in his
nation made up of different sound units ar- Sarvadarśanasaṃgraha has given the follow-
ranged in a particular order, but a single ing explanation of the etymology: ‘bursts’
whole, a single symbol which bears a mean- means ‘is made explicit’; therefore ‘sphoṭa’
ing. I have used the words ‘just’ and ‘bears’ means ‘what is made explicit ( vyaj) by letters’
here purposefully since at this stage when I on the one hand and ‘what being made ex-
am trying to formulate a general idea of plicit makes the meaning explicit’ on the other
sphoṭa it is difficult to be more precise than hand. Thus, the ›sphoṭa‹ being what is itself
this. The idea of sphoṭa was variously for- revealed by letters or sounds, conveys the
mulated by different authors with different meaning to the hearer (Mādhava 1924, 300).
sorts of precision. A simple meaning-bearing A modern scholar, John Brough, has put it
symbol, which may be a word or a sentence, cryptically, “The Sphoṭa is simply the linguis-
is what is called a ‘sphoṭa’. It is either a word- tic sign in its aspect of meaning-bearer“
sphoṭa or a sentence-sphoṭa, depending on the (Brough 1951, 33). Some Indologists de-
units of linguistic sign that is accepted and scribed the ›sphoṭa‹ as a ›mysterious entity‹
assigned a whole meaning. (Keith 1928, 387; De 1925 II, 180). This must
be due to the fact that Bhartṛhari’s (ca. 450—
1.1.2.  The contrast of the ›sphoṭa‹ is with 510) general philosophy (s. art. 17) associated
what may be called the articulated, audible the concept of brahman, the ultimate being,
sounds that we use, as we must, in any given with the essence of speech (śabdatattva) and
linguistic discourse. The audible sounds, the sphoṭa. Bhartṛhari even used the term ‘śabda’
›noisy‹ realities, are regarded in this theory as [speech] as a synonym of ‘sphoṭa’. Influenced
the means by which the symbol, the relevant by Bhartṛhari, some modern scholars de-
›sphoṭa‹, is revealed or made public. The im- scribed it as “not a sound or a conglomerate
plication of this skeletal theory is that what of sound” but “unanalysable units which
is revealed or made public to another person make up the linguistic system a speaker has
by the noisy realities is what is language, not in his intellect and whereby he communi-
the ›noisy realities‹ themselves. When we com- cates” (Cardona 1976, 301).
610 III. Positionen

1.2. Early history invariant sound-pattern is what is called


‘sphoṭa’. The ›sphoṭa‹ is thus a unit of sound,
It is by no means clear whether Pāṇini (ca. a single letter or a letter-series. A sound-series
400 B. C.) knew about the theory of ›sphoṭa‹ can be analysed as a succession of sound-
in any admissible form. His Aṣṭādhyāyī bears units, and therefore it has a constant ›size‹ or
no evidence to it except an enigmatic refer- a fixed temporal dimension determined by the
ence to an early grammarian by the name of number of units. This notion of ›sphoṭa‹ is
Sphoṭāyana in rule 6.1.123 avaṅ sphoṭāyana- different from that of the later grammarians,
sya. Haradatta, one of the Pāṇiniyas belong- for whom ›sphoṭa‹ is a partless (whole) entity
ing probably to 10th century, speculated and hence unanalysable.
that this Sphoṭāyana was the propounder of Under Pāṇini’s rule 1.1.70, Patañjali gives
the sphoṭa doctrine. Haradatta made this an example to illustrate his distinction be-
comment in his Padamañjarī under Pāṇini’s tween the ›noise‹ (sound) and ›sphoṭa‹. When
rule 6.1.123. Even Nāgeśa followed Hara- a drum is being struck, one drum-beat may
datta in this regard and concluded in his travel twenty-feet, another thirty, another
Sphoṭavāda (Nageśabhaṭṭa 1956, 102) that the forty; but the ›sphoṭa‹ has a definite ›size‹
sphoṭa doctrine was held by sage Sphoṭāyana. (intensity). Its increase in length or intensity
Yāska (ca. 5th century B. C.) has q uoted an- is caused by the actualized noise. He says here
other cryptic sentence and ascribed it to a that the letters (even a single letter) have a
scholar called Audumbarāyaṇa (the relative fixed nature (avasthita) but the style of deliv-
chronology between Pāṇini and Yāska is how- ering them through speech-organ (vṛtti) de-
ever uncertain): “Indriya-nityam vacanam” pends upon the speech habits of the speaker.
[speech or language is eternal in the faculties] The sphoṭa theory of the later grammarians
(Yāska 1918, 1.1). It is explained as stating was however very different.
that a sentence is actually in the mental fac-
ulties of the language-users, the speaker and
the hearer. A similar view is supposed to have 2.2.  According to the Mīmaṃsakas, the let-
been held by Vārtākṣa, as Bhartṛhari informs ters (varṇas) or sound-units are permanent,
us (Bhartṛhari 1965, II. 347). Not much is and the permanent sound-units should be dis-
known about these two authors. Brough has tinguished from the actual instances of their
conjectured that the forerunner of utterance. When uttered, the q uality of being
Bhartṛhari’s ›sphoṭa‹ theory was probably fast, medium or slow will be perceived but
this view of Audumbarāyaṇa mentioned by such variations do not belong to the perma-
Yāska (Brough 1952, 73). In short, the evi- nent sound-units. The sounds that are pro-
dence of a primitive ›sphoṭa‹ theory is prac- duced and heard by agents are only means of
tically non-existent. Paṇini has given us a revealing the permanent sound-units. This
personal name and Yāska has given a succinct Mīmāṃsā view might also have influenced
quotation. But they do not take us very far. Patañjali’s view. The modern distinction be-
tween what is called the phonemes and the
›objective‹ or ›perceived‹ sounds may have
2. Pantañjali’s view some relevance with Patañjali’s theory of
›sphoṭa‹ and ›dhvani‹. The Naiyāyikas how-
2.1.  Patañjali (ca. 150 B. C.) at one place in ever held a different view. For them, sound-
his Great Commentary on Pāṇini, the Ma- units are not permanent, as the Mīmāṃsakas
hābhāṣya, says that sphoṭa is the speech or believed, but they are produced (kārya) and
language (śabda) while the noise or sound therefore impermanent. They are regarded as
(dhvani) is a q uality (a feature) of the speech particulars, i. e., particularized instances, for
(language). It is explained that the ›noisy‹ example, of sound-universals. Thus an in-
element in language, the audible part can be stance of sound-universal ‘k’ (or, ›ka-tva jāti‹,
soft or loud or long or short, but the ›sphoṭa‹ the genus of k-hood, because the suffix ‘tva’
is what remains constant or the same, i. e. is an ›abstractor‹, a kind of operator to gen-
unaffected by the peculiarities of individual erate second order singular terms; Matilal
speakers. For Patañjali, a single letter or 1968) is given in an utterance of ‘k’ by a
sound (varṇa) such as, ‘k’, ‘p’, or a fixed speaker. This was very much like a type-token
sound-series or letter-series, can be a ›sphoṭa‹. distinction. But the Naiyāyikas operated with
The idea is that the variability due to utter- a broader category of ‘jāti-vyakti’ [universal-
ance by different speakers with different tem- particular] distinction. Hence the almost vir-
pos belongs to the audible part while the tual identity of two or more uttered ‘k’s is
43.  The sphoṭa doctrine of the Indian Grammarians 611

explained away by the Naiyāyikas as being sounds and held a similar theory about the
excessive similarity of such instances in which meaning: it is conveyed by the last sound or
the universal sound ›ka-tva‹ inheres. One letter aided by the impressions produced in
might add that the refinement of type-token the mind by the utterance of preceding letters
distinction did not emerge as a clear alter- or sounds. The Mīmāṃsakas however had a
native from the rather ontological nature of different ontological theory about sound
the ‘universal-particular’ distinction of the which included ›linguistic‹ sounds. Unlike the
Naiyāyikas. In any case, since the ‘sphoṭa- Naiyāyikas, who believed sounds to be mo-
dhvani’ distinction of the grammarians is pre- mentary realities, i. e., those that are de-
sented as a rival theory, we should be well stroyed after being produced, the Mīmāṃ-
advised not to conflate it with the ‘type-token’ sakas held that the letters or sounds are per-
distinction with which we are familiar today. manent entities incapable of being produced
Coming back to the Nyāya view, we have to and destroyed; they are only revealed or made
say that according to it the meaning of a explicit when our vocal organ is active and
word, since it is only a combination of sound- one part strikes against the other. This again
atoms uttered at consecutive moments, is pre- does not invoke the ‘jāti-vyakti’ [universal-
sented to the mind of the listener by the last particular] distinction but appeals to a differ-
sound heard, aided by the memory-impres- ent causal notion, according to which a set
sions of the preceding sounds. Since isolated of (causal) factors may operate together so
sound-atoms cannot individually present the that a permanent entity, implicitly residing in
meaning, they must do it jointly, and for that the physical entities, will be made explicit,
purpose they must be ›perceived‹ or cognized i. e., amenable to human perceptions, only
together as a whole. Technically it is said that temporarily. When the factors cease to oper-
they must have ›togetherness‹ (sāmānādhi- ate, the entity becomes again implicit. This
karaṇya) in a single cognitive episode. The req uires that in our vocabulary of predicates,
req uirement is fulfilled when the perception ‘sound is produced’ should be replaced by
of the last sound is aided (q ualified) by the ‘sound is manifested’ all throughout. The Mī-
accumulated impression of the all the preced- māṃsakas further held that the memory im-
ing sounds heard previously in seq uence. pressions belonging to the hearer of the sound
Hence it is said that this ›q ualified‹ perception seq uence uttered by the speaker would also
(burdened with the memory impressions in possess a special power to convey the meaning
the described fashion) presents the meaning of the word or sentence. These memory im-
of the word. pressions are nothing but the traces left be-
This Nyāya view of language was admit- hind in the mind by the momentary percep-
tedly unsatisfactory. It did not explain why tual experience of sounds as they are uttered.
or how meaning is understood from a word We infer that such traces (saṃskāras) are left
or a sentence. For if these meaning-bearing behind, and this inference is based upon the
units were simply groups of seq uentially ut- fact of our recollection of these past experi-
tered sound-atoms, they would lack unity and ences. Such ›traces‹ are thus somewhat like
hence a unified meaning cannot be conveyed the dispositional properties of the mind which
by them. Neither does it explain how these have the power to generate our recollection.
units could be simultaneously grasped in our But the Mīmāṃsakas here attribute further
cognition. To talk about the perception of the power to such ›traces‹ — power to convey the
last uttered sound aided by the memory im- meaning of the word concerned. Critics would
pressions of the others is only to reveal the say that this would be an unnecessary redun-
poverty of this theory’s explanatory power. dancy, a repugnant conseq uence of the the-
The grammarians’ explanation assumes that ory. Another interesting distinction between
we have either the word or the sentence as the Naiyāyikas and the Mīmāṃsakas is this.
two separate, single meaning-bearing units. For the former, the relationship between word
One of the implications of the sphoṭa doctrine and meaning is established only by ›samaya‹
is to posit a set of new linguistic entities as [convention], i. e., the convention chosen by
single meaning-bearing units. the first language-users of the community, or
the original language-user, God at the begin-
2.3.  Both the Naiyāyikas and the Mīmāṃ- ning of Creation. For the Mīmāṃsakas, how-
sakas were ›anti-sphoṭa‹ theorists. The Mī- ever, the word-meaning relationship is ›given‹
māṃsakas along with the Naiyāyikas defined to us, it is ›autpattika‹ [natural and uncre-
a word as the aggregate of the letters or ated], ›apauruṣeya‹ [impersonal] — not cre-
612 III. Positionen

ated by any person (nor even by God) (s. art. self and other Grammarians. Brough (1951,
62). Convention discovers language, does not 34) and Kunjunni Raja (1969, 97—148) were
create it. In this regard, the Mīmāṃsakas right to emphasize the point that ›sphoṭa‹ was
were very closely related to the Grammarians. not a mysterious entity. There is another dis-
For Kātyāyana, who wrote Vārttika on Pāṇ- pute that is connected with it: whether the
ini’s grammar in 3rd century B. C. (contained ›sphoṭa‹ in Bhartṛhari was simply the linguis-
in Pāṇini’s Mahābhāṣya), stated that all three tic sign in its aspect of meaning-bearer
— the word, what is meant by it and their (Brough, Kunjunni Raja) or whether it rep-
relationship — are ›siddha‹ [natural or uncre- resents an abstract class of sound sorted out
ated]. But the Mīmāṃsakas did not accept a and extracted by the listener from gross mat-
word or a sentence as a single indivisible unit ter (Joshi 1967, 40). George Cardona (1976,
having no time seq uence as the later gram- 302) thinks that Brough’s thesis should be
marians did. The Mīmāṃsakas opposed the modified since Bhartṛhari talks about also
sphoṭa doctrine, and held that words are com- varṇa-sphoṭa which refers to a sound unit of
posite entities (not wholes), composed of let- the language system, not to any meaning-
ters or sounds. But they agreed with the Nai- bearing unit. Subramania Iyer (1969, 158 f)
yāyikas, that the meaning is conveyed by the has however refuted Shivram Dattatray Josh-
last sound or letter aided by the impressions i’s rather sweeping comment that Bhartṛhari’s
produced in the mind by the preceding letters. ›sphoṭa‹ had nothing to do with meaning-
bearing speech-unit. In Mahābhāṣya-dīpikā (s.
2.4.  The Grammarians found both the Mī- art. 17) Bhartṛhari reinterpreted Patañjali’s
māṃsā and the Nyāya theories of word or use of the word ‘śabda’. This was noted by
›speech‹ unsatisfactory. They believed that the Patañjali as the meaning-bearing element in
uttered word must be distinguished from the the Paspaśā section. Bhartṛhari glossed this
physical reality of the seq uential utterances as ›sphoṭa‹ and characterized it as eternal.
of letters or sounds. This distinction was cap-
tured by their ‘sphoṭa-dhvani’ distinction. But 3.2.  In Vākyapadīya Bhartṛhari clearly devel-
there were several theories in olden days ops the threefold doctrine of ›sphoṭa‹ related
about how this distinction is to be spelled out to letters or phonemes, words and sentences.
and what exactly would be the nature of This is explicitly mentioned in the Vṛtti.
›sphoṭa‹. Bhartṛhari discussed some of these Sometimes he uses ‘śabda’ and ‘sphoṭa’ inter-
earlier theories and in course of such discus- changeably, which might have been the source
sions he established his own view about the of confusion. The ›sphoṭa‹ is further described
distinction which became very influential as partless and indivisible and as devoid of
among the later grammarians. internal seq uence. A pada-sphoṭa, i. e. the
›sphoṭa‹ identified as a word, seems to be a
meaning-bearing unit. But, for Bhartṛhari,
3. Bhartṛhari’s view the vākya-sphoṭa, i. e. the ›sphoṭa‹ in the form
of a sentence, is the most important one. In
3.1.  The sphoṭa doctrine has most promi- the second kāṇḍa of Vākyapaḏīya, he deals
nently been associated with Bhartṛhari. But with various definitions of the sentence, and
scholars have held different views about the finally concludes that a sentence is a
exact significance of this concept in Bhar- seq uenceless, partless whole, a ›sphoṭa‹, that
tṛhari’s thought. The situation here is further gets ›expressed‹ or manifested in a seq uential
complicated by the attribution of a much and temporary utterance. This is also the
crystallised and ostensibly different doctrine primary meaning-bearing element. For Bhar-
of ›sphoṭa‹ by the later grammarians to not tṛhari, however, this is a bad metaphor:
only Bhartṛhari but also Patañjali. Earlier ‘meaning-bearing unit’. ›Sphoṭa‹ is the real
indologists (Keith 1928, 387; De 1925, 180) substratum, proper linguistic unit, which is
described ›sphoṭa‹ as a mysterious or mystical identical with its meaning. Language is not
entity, and this was probably due to its as- the vehicle of meaning or the conveyor-belt
sociation with Bhartṛhari’s notion of śabda- of thought. Thought anchors language and
brahman or the Eternal Verbum (Sastri 1980, language anchors thought. ›Śabdanā‹ [lan-
X). But this was a mistake. In spite of its guaging] is thinking, and thought ›vibrates‹
metaphysical underpinning which Madeleine through language. In this way of looking at
Biardeau rightly emphasized (Biardeau 1964, things, there cannot be any essential differ-
268), there is a linguistic treatment of the ence between linguistic unit and its meaning
concept well-documented by Bhartṛhari him-
43.  The sphoṭa doctrine of the Indian Grammarians 613

or the thought it conveys. ›Sphoṭa‹ refers to present in him will be the causal condition
this non-differentiated language-principle. for the ›nāda‹ or the seq uential word utter-
Thus I believe that it is sometimes even the ance, which will convey the ›sphoṭa‹ to the
wrong q uestion to ask whether ›sphoṭa‹ is or hearer.
is not the meaning-bearing speech unit in The metaphysical view of Bhartṛhari is that
Bhartṛhari’s system. whatever is called ‘śabda’ (‘language’) and
‘artha’ (‘meaning’, ‘thought’ or ‘things
3.3.  Bhartṛhari begins the discussion of his meant’) are one and undifferentiated in their
theory by a reference to the distinguishing of pre-verbal or potential state. Although in
the two aspects of language by his predeces- Bhartṛhari’s system thought and reality are
sors. In verse I.44 he says that the linguists indistinguishable both being referred to by
comprehend two types of ›śabda‹ among the ‘artha’, he did accomodate the views of other
›upādāna śabda‹ [linguistic sound]: one is the philosophers when he said that a word, being
causal root of its manifestation and the other uttered, refers to three distinct items: its own
is applied, being manifested, to convey mean- form, the idea in the intellect (buddhi), and
ing. Of these two, the second is the linguistic the external object. But in his own view, there
unit properly understood, it is the real lan- does not seem to be any reality beyond the
guage, while the first is what ›manifests‹ or ›things meant‹. Before the utterance, it is ar-
›expresses‹ it. Bhartṛhari and following him gued, the language along with whatever it
some later grammarians related this duality conveys or means is like the yolk of a pea-
to what I shall call the ‘sphoṭa-nāda’ distinc- hen’s egg. It is seen that all the variegated
tion of language. ›Nāda‹ [sound] manifests colours of a full-grown peacock lie dormant
›sphoṭa‹ and ›sphoṭa‹ conveys meaning. We in that state in potential form. Later these
need to explain such expressions as ‘mani- colours are actualized. Similarly in the self of
fests’ and ‘expresses’. The ›sphoṭa‹ is an in- the speaker or hearer, or whoever is gifted
divisible unit, a partless, seq uenceless whole, with linguistic capability, all the variety and
which is connected with the verbal disposi- differentiation of linguistic items and their
tional ability of the speaker or the hearer. For meanings exist as potentialities, and language
the sake of communication between lan- and thought are identical at that stage. Bhar-
guage-users, ›sphoṭa‹ needs to be made ex- tṛhari even believes that the nature of the self
plicit, potentiality must be actualized, so that is nothing but identical with the nature of
the hearer may receive it. This cannot be done language-thought. This state of complete
without ›nāda‹, the seq uential utterances of identity of language and thought is called the
sound-elements. This is how the ›nāda‹ be- ‘paśyanti stage’ of language. Before the
comes the causal factor for making ›sphoṭa‹ proper articulation of the sound-seq uence or
explicit. The speaker cannot but utter ›nāda‹ utterance, there is another ›intermediate‹
in a seq uence and ›nāda‹ therefore reveals the stage (called ‘madhyama vāk’) where the lan-
›sphoṭa‹ in this way, in seq uence, and part by guage and the thought it conveys are still one
part. It is argued that the ›sphoṭa‹ in this way and undifferentiated but at this pre-verbal
appears (falsely) to have parts and temporal stage the speaker sees them as differentiable.
seq uences just as the moon reflected in the In other words, he recognizes the verbal part,
wavy waters appears to be wavy and disin- which he is about to verbalize either to himself
tegrated. Since the ›nāda‹ is also identified or to another, as distinct and separable from
with the ›sphoṭa‹, certain spurious features the ›artha‹ [meaning or thought]. This percep-
are superimposed on the ›sphoṭa‹. tion impels him to speech which results in the
The sounds uttered by the speaker makes ‘nāda-sphoṭa’ differentiation.
the real linguistic units, primarily a sentence,
explicit, but this is the ›sphoṭa‹ of the speaker, 3.4.  How is the ‘sphoṭa-nāda’ distinction
which is also received by the hearer, and as a comprehended? Or, we may rephrase the
result the hearer’s ›sphoṭa‹ is ›awakened‹ by q uestion: how is ›language‹ comprehended?
the utterance of the speaker. This awakening We have seen that Bhartṛhari has posited
of the hearer’s ›sphoṭa‹ is what is called the three stages of language or speech. The first
understanding by the hearer of the sentence where there is complete identity of language
uttered. This is what is meant by the claim and thought, is the ›paśyanti‹ stage; we can
that the sentence uttered must ›already be call it ‘non-verbal’. The ›intermediate‹ stage,
present‹ in the hearer. From the point of view where, despite identity of thought and lan-
of the speaker, however, the ›sphoṭa‹ already guage, their difference is discernible, can be
614 III. Positionen

called the ‘pre-verbal’ stage. And the third, almost identical with the ›nāda‹ itself, just as
the ›vaikhari‹ stage, can be called the ‘verbal’ we grasp redness as presented by the piece of
stage. This is how the matter is viewed from crystal, not in any other way.
the speaker’s point of view. But how does the Bhartṛhari refers to a second view. Some
hearer comprehend it? Bhartṛhari states four held that the comprehension of the ›sphoṭa‹
different views of which I shall mention only does not req uire the comprehension of sounds
two. or ›nāda‹ as a condition. A tentative argument
According to some, ›sphoṭa‹ is cognized as is given in favour of this view. We know that
identical with the sound or ›nāda‹. One who when we cognize an object, say a pot, through
grasps the ›nāda‹ grasps the ›sphoṭa‹ at the visual perception, we do so through the in-
same time. Since basically the sound or ›nāda‹ strumentality of the faculty of vision, the eye,
is identical with the ›sphoṭa‹, both being two and it is an established fact that we do not
sides of the same coin, grasping of one cannot need to know the properties or features of
be distinguished from grasping of the other. the eye-organ itself. The fact that we have the
The commentator has supplied a beautiful eye-organ is enough, for this is only what is
analogy to elucidate the point. When a piece relevant for the knowledge of the object. Sim-
of crystal is placed near a red japā flower, the ilarly we comprehend the ›sphoṭa‹ through
piece (of crystal) cannot be grasped or per- the instrumentality of ›nāda‹, sounds. Patañ-
ceived without the colour red, for it now jali (cf. 2.1.) has contended that sound is the
certainly appears red because of the proximity attribute of the ›sphoṭa‹. Now, when the
of the red flower. The ›sphoṭa‹ is likewise ›sphoṭa‹ is presented through sounds, we com-
comprehended along with the ›nāda‹ that prehend it right away even prior to our cog-
manifests it, one grasps the bits of language nition of the sound-symbols, though the latter
as sound or utterance, i. e. the ›sphoṭa‹ as the is indicative of the former. In other words,
›nāda‹. It is not clear whether this analogy on this view cognition of sounds themselves
can be taken to imply that the ›nāda‹ is only is not needed prior to our cognition of the
a superimposed feature of the ›sphoṭa‹, the ›sphoṭa‹. Bhartṛhari has criticized this view
real language. For the piece of crystal is only saying that as long as the sounds are uttered
apparently red due to the conditional super- they are also directly perceived by our sense
imposition, in reality it is colourless. If the of hearing. Hence, it is impossible to compre-
implication is that the ›nāda‹ or sound is an hend the ›sphoṭa‹ without comprehending the
inessential, conditionally superimposed, fea- sounds. The view, as it stands, is indeed pe-
ture of the real language or the ›sphoṭa‹, then culiar. Perhaps the upholders of this view
I do not think this would be in exact accord were unconsciously arguing in favour of a
with the doctrine of Bhartṛhari, rather the distinction between sound-tokens and sound-
identification of the ›nāda‹ with the ›sphoṭa‹ types, and they accordingly wanted to say
is what is implied. And this may well be that we do not need to cognize the sound-
Bhartṛhari’s own view. The analogy between types over and above the sound-tokens prior
a piece of crystal and a bit of language was to our comprehension of the ›sphoṭa‹. Some-
again used by Bhartṛhari in kāṇḍa 3 of Vāk- times, it may be pointed out, we comprehend
yapadīya. But the purpose of that analogy the ›sphoṭa‹ even when only half or part of
was probably different. It was to illustrate a the relevant sound-tokens is heard.
point in Bhartṛhari’s semantics. Objects
meant by bits of language are only creations 3.5.  There is an obvious problem where we
of the language, for language is autonomous say that the seq uential and atomic ›nāda‹-
just as a piece of crystal is believed to be units in combination reveal or manifest the
autonomous in the sense that it ›reflects‹ its indivisible ›sphoṭa‹. The problem is similar to
objects by according an autonomous status the problem of perception: how do the parts
to them (the reflector modifies the object in present the whole? (s. art. 77) If they present
its own way). This analogy has been used it partially, then the whole will never be pre-
with great ingenuity by Radhika Herzberger sented in one sweep and this will cast doubt
in her exposition of Bhartṛhari’s semantics upon the contention about the reality of the
(Herzberger 1986, 50—53). However, in the whole over and above the constituents out of
context of our comprehension of the ›sphoṭa‹ which the whole is constructed. For the
through ›nāda‹, the crystal analogy might Grammarians, the ›sphoṭa‹ is a whole and it
serve a slightly different purpose. We grasp is a metaphysical entity, not an object of
the ›sphoṭa‹ as reflected in the ›nāda‹, and as construction, nor an abstraction. Hence the
43.  The sphoṭa doctrine of the Indian Grammarians 615

q uestion arises how do we perceive a unity the individual sound-units. To perceive some-
from the utterance of a plurality, namely a thing x as what it is not is to misperceive x.
divisible sound-stretch? Thus by stating that We call it error. It is somewhat unparsimon-
the sound-stretch manifests the ›sphoṭa‹ we ious to first postulate an entity like the
do not answer the crucial q uestion: how? For ›sphoṭa‹ of ‘gauḥ’ and then claim that it is
surely separate efforts are req uired to produce only misperceived in the first, second or third
different sounds and they are produced in letters, ‘g’, ‘a’, ‘u’. Besides each misperception
succession. At which point exactly the unity is based upon recognition of some similarity
that we called ‘sphoṭa’ is comprehended? If between the object present and the object
the unity is cognized at every instant from superimposed. In the present case, it is diffi-
the beginning, then there is the fault of rep- cult to obtain any satisfactory account of such
etition and redundancy. If it is by the last a series of misperception. Bhartṛhari gives a
(utterance of the) sound-unit then all the pre- bold reply to this criticism which also has the
ceding units (or their utterances) are superflu- metaphysical underpinnings of his sphoṭa
ous, for they have been destroyed at the time doctrine. He says that just as the cognition
of comprehension. of the lower numbers, one and two, is the
Bhartṛhari answers this objection as fol- means for understanding the higher numbers,
lows. For the sake of convenience, let us use say, three, although they are each distinct and
the illustration of a word-sphoṭa ‘gauḥ’ ([the] different, similarly comprehension of the
cow). There is a unity here, the word. But the ›sphoṭa‹, either a ›pada-sphoṭa‹ or a ›vākya-
four sound-units or letters, ‘g’, ‘a’, ‘u’, and sphoṭa‹, is invariably conditioned by the cog-
‘ḥ’, present the ›sphoṭa‹, each individually. nition of the so-called constituents, either the
Bhartṛhari says that each letter here is the sounds, ‘g’, ‘a’, ‘u’, ‘ḥ’, or the word-elements
medium of manifestation of the unity, the ‘Devadatta’ and ‘goes’ (in the ›sphoṭa‹ of the
whole ›sphoṭa‹. The problem of repetitiveness sentence ‘Devadatta goes’). This presupposes
or redundancy is avoided by postulating a an understanding of the Vaiśeṣika theory of
difference each time in the resulting awareness numbers. According to this theory, numbers
or comprehension. The first letter (or the first are distinct from one another and constitute
sound-unit) shows the whole but very indis- separate entities, and all numbers higher than
tinctly. It becomes gradually clearer and pro- one are produced by a sort of ›connective-
gressively better understood through succes- comparative‹ cognition called ‘apekṣābud-
sive stages until the last unit is uttered. Al- dhi’. This is the notion that brings many
though the earlier units disappear when the unities under one number or another. When
last unit is reached, the memory-impressions two things are present, one cognizes both as
left behind by those earlier units are in the ›this is one and that is one‹. This is the ›con-
hearer and each time there is q ualitative dif- nective-comparative‹ cognition that gives rise
ference in the memory-impression (saṃ- to the awareness of ›two‹ or duality, and
skāra). The ›sphoṭa‹ itself does not admit of similarly with each succeeding number. On
any q ualitative or q uantitative difference, ad- this theory, understanding of the previous
dition or subtraction, but the impression of numbers is the conditioning factor for the
it may be imperfect and different due to the awareness of the higher numbers. Similarly
imperfect nature of the human intellect. Our understanding of the distinct sounds or dis-
memory-impression may be dim or clear or tinct word-elements is the means for the
partial on various occasions but the object awareness of the combined unity, the ›sphoṭa‹.
›sphoṭa‹ may still shine in its undimmed glory Besides, Bhartṛhari claims that for the
all the time. ›sphoṭa‹, or what he would call the ‘real lan-
guage’, to convey some meaning to the hearer,
3.6.  It may be further argued that Bhartṛhari’s it is an essential and unavoidable condition
explanation of the comprehension of ›sphoṭa‹ that it be made explicit through the seq uential
is unsatisfactory. For certainly the letters or and transitory ›nāda‹ elements. Just as a piece
sounds ‘g’, ‘a’, ‘u’, and ‘ḥ’ reveal only them- of knowledge cannot be known or talked
selves individually. That is, we perceive each about without any reference to what it rep-
unit as it is produced, through our sense of resents or what is known by it, similarly the
hearing. If the ›sphoṭa‹ ‘gauh’ is also per- ›sphoṭa‹ cannot convey any meaning (or be
ceived when we perceive ‘g’ or ‘a’, it must be known) without its being manifested through
perceived as ‘g’ or ‘a’. But ‘gauḥ’ is not ‘g’ or the seq uential ›nāda‹ or speech. To have a
‘a’. The ›sphoṭa‹ is not identical with any of clear perception of a tree, for example, we
616 III. Positionen

must proceed from a distance step by step ›sphoṭa‹, according to this view. None of these
when the vague and indistinct blur gradually views would be acceptable to Bhartṛhari. His
gives way to a distinct shape of a tree, simi- idea of ›sphoṭa‹ is different, as already de-
larly the ›sphoṭa‹, through steps, or seq uences scribed.
is distinctly understood and identified. Bhar-
tṛhari claims that a man who has mastered 3.8.  Bhartṛhari’s philosophy of language is
the ›śabdayoga‹ or obtained the light of the ultimately grounded in a monistic and ideal-
Eternal Verbum can perceive or understand istic metaphysical theory. He speaks of a tran-
the ›sphoṭa‹ clearly where the first sound is scendental word-essence (śabdatattva) as the
heard, just as a man with a perfect vision or first principle of the universe. His sphoṭa doc-
unlimited power of the sight (if there is any trine is finally aligned with the ultimate reality
such man) can see the tree distinctly even called ‘śabda-brahman’. A self-realized per-
from a distance. Comprehension of the son attains unity with the word-principle —
›sphoṭa‹ is eq uivalent to such a vision of re- a man of perfect knowledge. There is no
ality. thought without language, no knowledge
without word in it. Consciousness vibrates
3.7.  Bhartṛhari has noted also that there is through words, and such vibrating conscious-
no unanimity among his predecessors regard- ness or a particular cognitive mode motivates
ing the real nature of the ›sphoṭa‹. He refers us to act and obtain results. Hence language
to several earlier views. According to one, the offers the substratum upon which human ac-
›sphoṭa‹ is the universal manifested by the tivity is based. Language and meaning are
individuals which are ›nāda‹ elements or not two separate realities such that one con-
sounds. The ›sphoṭa‹ is thus the class of which veys the other. They are in essence the two
sounds would be members. The commentary sides of the same coin. The ›sphoṭa‹ is this
q uotes a line from the Mahābhāṣya of Patañ- unitary principle where the symbol and what
jali, where the word ‘sphoṭa’ is used in the is signified are one. To understand each oth-
sense of the universal. It is the universal of er’s speech and to communicate, we do sep-
the word ‘gauḥ’, not the universal called arate the inseparable, the sound and its sense.
‘word-ness’. We may call it the ‘word-form’, This is only instrumental to our mutual un-
realized through the seq uential utterance of derstanding. At the ultimate level, they are
the sounds. Some later commentators (e. g. one. Bhartṛhari talks about three kinds of
Bhaṭṭojī Dīkṣita, around 1600) apparently ›sphoṭa‹: sound-sphoṭa (letter), word-sphoṭa
have taken the ›class-sphoṭa‹ theory as Bhar- and sentence-sphoṭa, but his primary interest
tṛhari’s own. But this is a mistake. Hence the lies with the sentence-sphoṭa. He underlines
claim of some modern scholars to the effect the importance and primacy of sentence (s.
that ›sphoṭa‹ is nothing but a postulation of art. 63) in the language analysis, in the second
a unitary word-universal, should be rejected. kāṇḍa of Vākyapadīya.
Another view mentioned by Bhartṛhari re-
gards ›sphoṭa‹ as an impermanent entity, pro-
duced by the initial sounds resulting from the 4. The critics of the sphoṭa doctrine
contacts and separations of the vocal organs.
The initial sounds themselves constitute the 4.1.  The sphoṭa doctrine of the Grammarians
›sphoṭa‹, they do not manifest it. But these was rejected by most other philosophical
sounds, despite being momentary, produce schools. I shall develop a critiq ue of the no-
further sounds which thus spread in all direc- tion of ›sphoṭa‹ as found in the writings of
tions in gradually decreasing intensity and the Mīmāṃsakas and the Naiyāyikas. In the
reach the hearer’s organ as ›nāda‹ or sounds. next section the views of the later grammar-
The sound produced initially is the ›sphoṭa‹, ians will be summarized. For the Mīmam-
other sounds produced in reverberation, are sakas, there is no separate entity called
›sound-produced‹ sounds (dhvani or nāda). ‘sphoṭa’ apart from the externally existent
Another view modifies this position in that it (but only contingently manifested) sound-
makes both ›sphoṭa‹ and ›nāda‹ produced si- units or ›phonemes‹. Śabara (ca. 5th century)
multaneously through contacts and discon- (Mīmāṃsāsūtra I 1.1.5) cites the view of Upa-
nection of vocal organs. They are like the varṣa (an ancient Mīmāṃsaka), who says that
flame and the light of a lamp. We produce the sound-units or the letters alone constitute
both the flame and the light at the same time, the word. The sound-units, on the Mīmāṃsā
the light ›travels‹, so does the reverberation. theory, are substantial entities — not prop-
The flame is fixed in one place, so is the
43.  The sphoṭa doctrine of the Indian Grammarians 617

erties of other substances. This means that at up his position against the ›sphoṭa‹ as follows.
any given time an aggregation of these per- The Grammarians in order to uphold the
manently present entities would be possible, sphoṭa doctrine make at least two unwar-
and this aggregate would constitute a word ranted assumptions. First, they have to posit
to convey a meaning. There are obvious dif- ›sphoṭa‹ as a separate entity. Besides, they
ficulties in this view. For one thing, since all must admit along with those who do not
sound-units of individual letters are always admit ›sphoṭa‹ that the ›relevant‹ memory im-
present, it would be rather impossible to de- pressions born out of direct hearing of letters
cide which of them would form an aggregate or sounds have to have the power to manifest
to convey a meaning. Besides, if the two ag- this ›sphoṭa‹. The Mīmāṃsakas can only ad-
gregates consisting of the same units or letters mit that the memory-impressions of the hear-
are supposed to convey the same idea, both ing of letters do have the req uired power to
‘nadī’ [river] and ‘dīna’ [poor] would be con- express the relevant sense.
veying the same import. Hence we have to
introduce the notion of seq uence or order of 4.3.  Kumārila (ca. 620—680), the Mīmāṃ-
arrangement to underline the distinction in saka, and Jayanta (ca. 840—900) (s. art. 18),
word-formation. But if the sound-units are the Naiyāyika, were perhaps the two most
eternal and omnipresent as the Mīmāṃsakas formidable critics of the ›sphoṭa‹ theory. It is
claim, how can we attribute either temporal refreshing to see how Maṇḍana Miśra (ca.
or spatial seq uence to their occurrences? To 660—720) who was supposed to be a disciple
avoid difficulty, therefore one has to postulate of Kumārila, wrote his Sphoṭasiddhi to refute
that such spatio-temporal seq uence belongs the counter-arguments of Kumārila found in
to the manifestations or articulation of the the Sphoṭa-vāda section of his Ślokavārttika,
sound-units. It seems that Bhartṛhari in his and establish the ›sphoṭa‹ theory. An analysis
first two definitions of the notion of the sen- of these arguments is given by Gaurinath
tence took notice of such Mīmāṃsā view: (1) Sastri (Sastri 1959, 103—32).
aggregate or collection, (2) sequence. Kumārila says, among other things, that
the so-called word ‘cow’ is taken by the
4.2.  One may point out at this stage that the ›sphoṭa‹ theorists to be a simple, unitary en-
original dialectical q uestion, in answer to tity (the ›sphoṭa‹) but indeed the word (or the
which the ›sphoṭa‹ was posited, may arise sentence) is a composite fact having different
again, for the manifestations of sound-units letters (and words) as its components. The
are momentary and non-simultaneous. It thus word (or the so-called ›sphoṭa‹) cannot be
becomes pertinent to ask whether the mani- different from the constituent letters. If it
fested sound-units convey the meaning con- were different, it would be felt or perceived
jointly or severally. If the first, the subseq uent to be a distinct entity without any reference
manifestations of sounds would be redun- to the letters as its constituents. But what
dant, and it cannot be the second, for the everybody perceives and universally feels is
conjoined presence of the manifested sounds the group of letters and not anything else that
would be impossible. The Mīmāṃsakas how- is distinct from them. The only difference is
ever argue that although the manifestations that when we hear an utterance each cogni-
are momentary, each of them leaves behind tion grasps a single letter or sound-unit, and
an impression (saṃskāra) and the last sound- the final cognition takes note of all of them
unit, when it is manifested, would be con- together. But this cannot justify the assump-
joined with the aroused memory of the pre- tion that the so-called word (or the sentence)
vious ones and then convey the meaning. If is a ›sphoṭa‹, that is, something numerically
we raise the q uestion about how and why and q ualitatively different from the group of
there will be a regular and simultaneous but letters. No cognition of the word is possible
synthetic recollection of all the previous without and independently of the cognition
sounds together in exactly the same order (for of letters. This only shows that the word (or
memory-recollection cannot be regularized in the sentence) is a multiple or composite entity,
this way), the Mīmāṃsakas’ answer is that not a simple unity. It is only our cognition of
such contingencies do arise. The Grammar- this composite entity, which is a single act.
ians might say with some justice that this is The cognitive act is one but its content is not
a tortuous supposition and may not be pref- so, that is, what we grasp by such a single
erable to the postulation of the additional cognitive act may be many. Hence we may
entity called the ‘sphoṭa’. Śabara has summed talk about an illusion or misperception here
618 III. Positionen

from a different point of view. The unity of arate from the combination of its parts (pot-
the word-sphoṭa or sentence-sphoṭa is only halves). We have already noted above, the
an appearance, a mere appearance. The mul- ›sphoṭa‹ may be admitted as a ›universal‹ or
tiple entity appears to be a unity (a case of jāti-sphoṭa, or a vyakti-sphoṭa [particularistic
cognizing something as what it is not — a sphoṭa] or even an ›internal‹ sphoṭa grasped
case of misperception), and the singularity of by one piece of cognitive awareness.
the cognition itself is responsible for the il-
lusion of unity of the content. What is grasped 4.4.  The Mīmāṃsakas admit each letter or
as a word (or a sentence) is felt to be a unity, sound-unit as eternal and each word as only
or an indivisible entity because we have finally a seq uence of such letters and each sentence
one indivisible cognitive episode to apprehend similarly a further seq uence. Now the se-
it. Hence it is a case of transference of a q uence cannot belong naturally to the eternal
characteristic of the cognition itself to the letters but has to be created by the effort of
content or what is cognized by it. sensient beings. Such efforts are volitional
This is a very ingenuous argument. The and hence the seq uences resulting from them
composite entity (word or a sentence) appears are also non-eternal. This would, however, go
as one and indivisible just as a rope appears against the usual Mīmāṃsaka claim that even
as a snake. The advocates of the sphoṭa the- the words and the sentences are eternal and
ory have tried to talk about another kind of only manifested by the contacts of the differ-
misperception or illusion (already discussed) ent parts of the vocal organ. Kumārila points
where the ›sphoṭa‹ (the whole) appears as a out that the seq uence cannot be an essential
letter or a group of letters or sound-units. We q ualifier of the letters, and hence ‘the se-
perceive the letters, which is a misperception, q uence of letters’ has to be interpreted as a
according to the ›sphoṭa‹ theorists, for we group of letters ›superficially indicated‹ by a
perceive the real word, the ›sphoṭa‹, the unity, particular seq uence. To use the Indian logical
appearing as letters or a group of letters (a terminology, the seq uence is not the ›viśeṣaṇa‹
composite entity). Kumārila turns the table but an ›upalakṣaṇa‹. The seq uence created by
against the ›sphoṭa‹ theorists by claiming the the human agency is only a ›pointer‹ to the
final cognition of the unity (for the feeling of word, not a part of it, for the word is uncre-
unity which may characterize our final per- ated. Therefore, Kumārila asserts, the se-
ception of the word) is actually an illusion — q uence which is non-eternal is not a property
a misperception of the composite entity con- of the word (padadharma), and hence the
sisting of letters appearing as a unity, as an word does not become impermanent thereby.
impartite whole. Maṇḍana Miśra in reply has Naiyāyikas like Jayanta followed Kumārila
said that it is a drawback of our finite intel- in their critiq ue of the sphoṭa doctrine. Vāt-
ligence that we cannot grasp the indivisible syāyana (ca. 350—425) has said (Nyāyasūtra
word (or the sentence) apart from and inde- 3.2.62) that a word is determined by a ›pra-
pendently of the letters or sound-units. This tisāndhāna‹ [connective-recollective cogni-
however cannot annul the intuition of the tion] of different heard letters (sound-units),
unity. The fact that the apprehension of mul- but these letters or sound-units are only mo-
tiplicity is invariably concomitant with the mentary realities. Jayanta clearly states that
apprehension of unity and that unity in such a word is only a cluster of letters and a sen-
cases is never apprehended in isolation, does tence is only a cluster of words. The Mīmām-
not prove that the unity is an illusion. For sakas regard the letter ‘g’ for example as one
philosophers like Kumārila and other realists eternal entity although it may be pronounced
do admit the reality (non-illusoriness) of such by many speakers loudly or mildly, strongly
entities as the cow-universal (or the whole), or weakly. But the Naiyāyikas believe that
although a cow-universal is always appre- each utterance of ‘g’ by different speakers
hended along with the individual cows and creates a distinct entity, but our recognition
never in isolation. Lest we misunderstand it, of all ‘g’s as the same g is due to the sound-
the point of the argument is not that the universal ‘g’ (g-ness), or due to similarity be-
›sphoṭa‹ is actually to be accepted as a uni- tween one utterance and another. The Nai-
versal, but that it is to be accepted as a sep- yāyikas take the Mīmāṃsakas to task by
arate entity apart from the plurality of letters, pointing out that if the letter ‘g’ is eternal and
just as a cow-universal is admitted as separate one and the difference in each of its utterances
from the individual cows, or even a pot as a is due to difference of manifestation, then it
›whole‹ is accepted by Nyāya as a entity sep- comes very close to the letter-sphoṭa which
43.  The sphoṭa doctrine of the Indian Grammarians 619

the Mīmāṃsakas are out to reject. The Nai- treatises. Nāgeśa however excelled others be-
yāyikas however accept the solution of Ku- cause of his new style and erudition. In his
mārila regarding the concurrence of different Sphoṭavāda he begins by mentioning a clas-
letters; impressions left behind by different sification of ›sphoṭa‹ into eight different types:
utterances of former letters can concur with (1) letter, (2) word, (3) sentence, (4) indivisible
the direct perception of the last letter whence word, (5) indivisible sentence, (6) letter-uni-
the meaning of the word would be revealed. versal, (7) word-universal, and (8) sentence-
Or, even a connective-recollective cognition universal. He defines ‘sphoṭa’ etymologically
of all letters together in a seq uence may gen- ‘that from which the meaning bursts forth’
erate the word-meaning. — the meaning-bearer. The commentator,
Krsnamācārya, explains that since the
›sphoṭa‹ is taken here in such a general sense,
5. Later grammarians: the above classification includes the views of
classification of ›sphoṭa‹ even the rival philosophers (cf. Kṛṣṇamācārya
The later grammarians have argued that those 1946). Nāgeśa, however, describes the classi-
who think that the word is constituted by fication as the Vaiyākaraṇa-siddhānta [tenets
letters only, would have to admit that each of the grammarians]. He explains that the
letter must have some significatory power for ›sphoṭa‹ as the meaning-bearer (vācaka) can
otherwise their combination (the word) can- be applied to the letters, the words and the
not be significant. But there is some absurdity sentence. The Mīmāṃsakas regard the letters
in the conception that each letter, ‘g’ for ex- in cluster to be expressive of meaning, while
ample, has some significatory power. The the Grammarians refute this view. But even
›sphoṭa‹ is posited to avoid this absurdity. according to the Grammarians, certain letters,
For otherwise the same letter ‘g’ occurring in e. g. ‘1’ (the verbal affixes expressive of tenses
thousand words would have to have thousand and moods), are meaning-bearers. Similarly,
implicit meanings. Even the advocates of the ›sphoṭa‹ (2) and (3) assign significatory power
Yoga system of Patañjali lend support to this to words and sentences. The first three ›spho-
view of the grammarians, as it was clearly ṭas‹ (1)—(3), are described as ›divisible spho-
stated in the Vyāsa-bhāṣya of Yoga-sūtra 3.17. ṭas‹. The Grammarians however prefer the
This agreement, however, does not throw any ›indivisible sphoṭas‹ mentioned in (4) and (5):
further light upon the q uestion of identity of indivisible word-sphoṭa and indivisible sen-
two Patañjalis — one the grammarian and tence-sphoṭa. But the two can be understood
author of the Mahābhāṣya and the other the as ›particularistic‹ or non-universals, i. e.
author of the Yoga-sūtras. Another simple ›vyakti-sphoṭa‹. Hence the other three, (6)—
argument is used in defence of the sphoṭa (8), are mentioned: the universals of letters as
doctrine. This is based upon the ambiguity of ›sphoṭa‹, the universals of words as ›sphoṭa‹
and the universals of sentences as ›sphoṭa‹.
the word ‘śabda’ in Sanskrit. ‘Śabda’ may Of all these eight, Nāgeśa clearly shows his
mean a blast of noise or a series of sound- preference for indivisible sentence-sphoṭa in
units. A person emits a blast of noise and we his Laghumañjuṣā. It is not clear whether he
understand a meaning. People say, ‘we un- means the ›non-universal indivisible sentence‹
derstand the meaning from the śabda’. Here or the ›universal indivisible sentence‹. Kauṇ-
it is argued that since the word ‘śabda’ is ḍabhaṭṭa (ca. 1610—1660) made it clear in
singular, it cannot stand for the plurality of
sound-units (or letters). This linguistic intui- his Śabdakaustubha: The preferred alternative
for the Grammarians is the ›universal indivis-
tion supports the unity of the word or of the ible sentence‹. Nāgeśa thought that in this
sentence. It is the ›sphoṭa‹ that contributes way Bhartṛhari’s view would be vindicated.
this unity to the cluster of sound-units. Hence
people unconsciously talk about the ›sphoṭa‹
when they use ‘śabda’. The reply of the Mī- 5.2.  It would be an incomplete account if we
māṃsakas and the Naiyāyikas would be ob- do not refer to the dominant metaphysical
vious. Hence we need not go into it here. aspect of the sphoṭa doctrine. The ›sphoṭa‹ is
ultimately said to be one in every sensient
being. It is the linguistic capability of man,
5.1.  Many single treatises on ›sphoṭa‹ were which is essentially intertwined with con-
written since Maṇḍana Miśra. We can men- sciousness. In fact language is the ›vibration‹
tion Bhārata Miśra (ca 1700), Śeṣakṛṣṇa (ca. of consciousness and it is argued that the
1700), and Nāgeśa among the authors of such ultimate speech-principle and the ultimate
620 III. Positionen

principle of consciousness are indistinguish- Those who used this concept of ›sphoṭa‹ in
able. The ultimate Reality for Bhartṛhari is Tantra correlated this stage with the Kuṇḍal-
the Absolute Consciousness which is identical inī or Mulādhāra Cakra. It is also called
with Śabda-Brahman, the Eternal Verbum. It ‘Nāda’ here (not to be confused with ‘nāda’
is only in this sense that Bhartṛhari asserted in the sense of audible sound). The paśyanti
in unmistakable language that the whole stage is also said to be the subtle Sphoṭa. The
world, the variety and diversity, emanated intermediate stage is described as the voice of
from this one supreme principle — the word, Silence. The fourth stage is the ›external‹
Śabda. Later grammarians were engaged in Sphoṭa, which is ordinarily called language
the well known dispute of Indian philosoph- by all concerned. It is rather mysterious to
ical cosmology: whether the world evolving see how the metaphysical aspect of the doc-
out of the Absolute is a real transformation trine of sphoṭa, first enunciated by the Gram-
(pariṇāma) which would accord a reality to marians, was elevated to the altar of the ›wor-
all diversities, or whether the diversity is a ship of Nāda‹ which brought together the
›mere appearance‹ (an apparent transforma- grammarians, the musicians, the artists, the
tion, vivarta) of the Absolute. Many modern poets, and the mantra-practitioners under one
scholars have disputed the issue between ›par- common mystical umbrella of the Nāda-
iṇāma‹ and ›vivarta‹ as applicable to the met- Sphoṭa reality. But perhaps this is ‘sphoṭa’ in
aphysical aspect of the sphoṭa doctrine. Bhar- a completely different sense.
tṛhari notes in the very first verse of his Vāk-
yapadīya that the indestructible essence of
Śabda is without a beginning or end; from 6. Selected references
this emanates the whole worldly activity — a Cardona 1976, Pāṇini. A Survey of Research.
process in the form of manifested objects. Biardeau 1958, Sphoṭasiddhi — La démonstration
The transition of the eternal Sphoṭa to the du sphoṭa.
form of the spoken or audible words and Biardeau 1964, Théorie de la connaissance et phi-
sentences at the lowest level is described as losophie de la parole dans le Brahmanisme classique.
occurring in four stages (Bhartṛhari talked Iyer 1969, Bhartṛhari.
about three stages, see 3.3.). They are tech- Joshi 1967, The Sphoṭanirṇaya of Kauṇḍabhaṭṭa.
nically called ‘parā’, the ›Ultimate‹: paśyanti, Matilal 1985, Logic, Language and Reality in Indian
the undifferentiated stage, madhyamā, the in- Philosophical Analysis.
termediate stage, and vaikhari, the spoken Sastri 1959, The Philosophy of Word and Meaning.
stage. This is how the later grammarians view Staal (ed.) 1972, A Reader on the Sanskrit Gram-
the matter. The language (Śabda) at the ›parā‹ marians.
stage is identified with the Ultimate Brahman.
Bimal K. Matilal, Oxford (Great Britain)

44. La position de la grammaire rationnelle

1. Situation des Grammaires rationnelles 1. Situation


1.1. Repères historiques des Grammaires rationnelles
1.2. Les concepts fondamentaux
1.3. Grammaire, logique et rhétorique 1.1. Repères historiques
2. Contenus grammaticaux
2.1. L’objet des Grammaires rationnelles: entre 1.1.1.  Une histoire exacte de l’origine de la
langage et pensée grammaire serait selon François Thurot
2.2. Les parties du discours (1970, 66) à la fois «le meilleur livre élémen-
2.3. Syntaxe et construction taire q ue l’on pût avoir sur la grammaire» et
3. Tensions internes dans la problématique des «un excellent traité de philosophie». Sans
Grammaires rationnelles prétendre atteindre ce double objectif dans les
3.1. Les formes de la rationalité pages q ui suivent, il faut reconnaître q ue le
3.2. Le traitement de la diversité traducteur d’Hermès a ici cerné avec netteté
4. Bibliographie sélective l’envergure et les ambiguïtés des Grammaires
44.  La position de la grammaire rationnelle 621

rationnelles. Les grammaires de ce type dère (1967, 106) q ue la période des Gram-
touchent en effet toujours à la philosophie maires rationnelles ne prend pas fin avant les
parce q u’elles sont inséparables d’une théorie Principes de grammaire générale de Pierre
de l’esprit ou, comme on disait plus couram- Burggraff (1803—1881) (1863). Choisir entre
ment à l’époq ue, des idées; il arrive même ces deux dernières dates ne paraît pas urgent:
souvent q ue deux Grammaires rationnelles se les mutations ne sont pas dans cet ordre de
différencient moins par leur contenu tech- choses assignables à l’année près, et, de toute
niq ue q ue par la théorie de l’esprit à laq uelle façon, c’est dès le premier tiers du XIXe siècle
elles se réfèrent l’une et l’autre, et les grands q u’ont été publiés les premiers grands travaux
noms à retenir sont ici ceux de René Descartes q ui inaugurent ce q u’on pourrait appeler l’ère
(1596—1650), John Locke (1632—1704) (v. allemande, celle de la grammaire historiq ue
art. 22) et Etienne Bonnot de Condillac ou comparée. En revanche, il n’est pas sans
(1714—1780), sans négliger Francis Bacon intérêt de s’interroger sur le début du mou-
(1561—1626). Ce serait toutefois une erreur vement des Grammaires rationnelles, car le
q ue de ne voir en elles q ue le commentaire choix de l’année 1660 n’est pas innocent.
grammatical de telle ou telle philosophie. Les André Joly et Jean Stéfanini ont tenu à sous-
auteurs de Grammaires rationnelles (q u’on ne titrer ‘des Modistes aux Idéologues’ le recueil
saurait appeler, pour des raisons q ui appa- q u’ils ont édité sur la Grammaire générale
raîtront plus bas, des grammairiens rationa- (1977), et ils précisent leurs intentions dans
listes) sont d’authentiq ues grammairiens: hé- l’Avant-propos: les Modistes (v. art. 41) ont
ritiers d’une déjà longue tradition, ils l’enri- joué un rôle capital dans l’élaboration de la
chissent à partir de leurs observations, en Grammaire générale q ui ›ne naît pas avec
analysant les composantes et notamment la Port-Royal‹. Il ne paraît pas contestable q ue
terminologie avec le souci d’en préciser les les Messieurs de Port-Royal soient, en ligne
éléments, et s’opposent les uns aux autres, au plus ou moins directe et de façon plus ou
cours d’une histoire d’approximativement moins consciente, les héritiers d’une longue
deux siècles, avec une vivacité q ui ne le cède tradition: la Grammaire rationnelle n’est, pas
en rien à d’autres polémiq ues plus célèbres. plus q u’aucun autre mouvement dans l’ordre
A cet égard, l’appréciation de Ferdinand de de la connaissance, le fruit d’une génération
Saussure (1857—1913) (v. art. 36) (1955, 13) spontanée. Mais on ne saurait pour autant la
paraît injuste: les Grammaires rationnelles ne dissoudre au sein d’une vague q ui aurait dé-
se fondent pas simplement sur la logiq ue, et ferlé depuis le XIIIe siècle.
ne se réduisent pas à un point de vue nor- Une des raisons de cette différence d’ap-
matif. Mais il est vrai q u’elles peuvent être préciation est sans aucun doute d’ordre ter-
présentées de cette façon par q ui se place au minologiq ue. Joly s’est à juste titre interrogé
point de vue de la linguistiq ue naissante. On à propos de l’œuvre de James Harris (1709—
voudrait donc ici essayer de reconstituer le 1780) (1972, 16—19), sur la multiplicité des
style d’analyse grammaticale propre aux adjectifs q ui accompagnent le terme de Gram-
Grammaires rationnelles, sans pouvoir bien maire dans les œuvres de l’âge classiq ue: on
entendu entrer dans le détail de leur histoire rencontre des grammaires générales et des
et abstraction faite des particularités mono- grammaires universelles, sans parler de celles
graphiques. q ui se disent raisonnées, analytiq ues ou phi-
Si la France a connu à l’âge classiq ue une losophiq ues, et il conclut q ue ces titres ›ne
floraison particulièrement vigoureuse de ces recouvrent pas exactement les mêmes réa-
grammaires, au point q u’ Antoine Louis lités‹. Cette diversité se vérifie aisément dans
Claude Destutt de Tracy (1754—1836) a pu la bibliographie, déjà citée, de Porset; on se
(1970, vol. II,10) parler de l’ère française, elles bornera ici à l’enregistrer, sans être en mesure
n’ont pas, loin de là, été ignorées des autres d’en tirer de conclusions plus précises q ue
nations européennes. La bibliographie dressée Joly. Ce q ui, en revanche, paraît certain, c’est
par Charles Porset (1977, 34—95) donnera au q ue l’ambition d’élaborer une grammaire gé-
lecteur une idée de l’extension géographiq ue nérale, c’est-à-dire valable pour toutes les
du mouvement. Et il ne s’agit là q ue des langues, est bien antérieure au XVIIe siècle.
principaux ouvrages, de certaines nations et Stéfanini (1977, 105, n. 10) relève chez Jean
d’une période délimitée par les deux dates de le Dace (env. 1270) cette affirmation nette:
1660 (Grammaire de Port-Royal) et de 1849 «Grammatica debet esse eadem apud omnes»
(John Stoddart, 1773—1856, The Philosophy [la grammaire doit être la même chez tous].
of Language) alors q ue Luigi Rosiello consi- Une autre ambition partagée par les Gram-
622 III. Positionen

maires rationnelles des XVIIe et XVIIIe porte les progrès de la réflexion aux signes
siècles, celle de constituer la grammaire artificiels q ui décomposent la représentation
comme une science, était également présente et se disposent selon un ordre linéaire; il rap-
chez les Modistes (cf. Kelly 1977, 107 f), et, pelle en outre (1977, 228) q ue le principe de
en général, chez ceux q ui se rattachent à la relativité linguistiq ue, (v. art. 74) générale-
Grammaire spéculative. Ce n’est donc pas de ment attribué à Humboldt, est préfiguré dans
ce côté q ue réside l’originalité des grammaires le chapitre (II, 1, 15) q ue l’Essai de Condillac
de l’âge classiq ue. Il n’est pas douteux q u’on consacre au génie des langues. — Autre
la trouvera plutôt du côté de la référence à la exemple, également dû à Aarsleff (1981;
raison, entendue au sens large comme réfé- 1982 b): la théorie saussurienne du signe doit
rence à l’esprit, et non pas, au sens étroit, beaucoup à Michel Bréal (1832—1915) et à
comme la garantie d’une inspiration ratio- Hippolyte Taine (1828—1893) et, par leur en-
naliste. Même si la détermination d’un titre tremise, à Condillac et à la Grammaire ra-
conserve toujours une certaine part d’arbi- tionnelle q ue pourtant, on l’a dit plus haut,
traire. Antoine Arnauld (1612—1694) et Saussure combat dans le Cours. — De son
Claude Lancelot (1615—1695) ne semblent côté, Joly insiste sur l’actualité de la problé-
pas avoir été mal inspirés q uand ils ont défini matiq ue des parties du discours et sur l’intérêt
leur Grammaire comme ›générale et raison- de certaines des solutions proposées par les
née‹, le second adjectif caractérisant le type et grammairiens classiq ues (1975, 410 ff). Ces
la source de la généralité q u’ils voulaient q uelq ues exemples suffisent à indiq uer q ue
conférer à leurs recherches. Une Grammaire sont aujourd’hui assez largement remises en
rationnelle est générale du fait même q u’elle cause les analyses discontinuistes de l’histoire
rapporte les faits de langage à une origine des théories, q u’elles recourent à la notion
spirituelle, conçue comme identiq ue chez tous d’‘épistémè’ (Foucault 1966) ou de ‘para-
les hommes. Mais une Grammaire générale digme’ (Kuhn 1962).
peut se fonder sur autre chose q ue sur l’esprit Dans le cas particulier des Grammaires
ou la raison, et c’est dans la théorie aristoté- rationnelles, il serait d’autant plus risq ué de
licienne du mouvement q ue Louis G. Kelly leur assigner une date d’extinction q u’un
trouve les notions fondamentales de l’analyse grand nombre de thèmes et de procédures
de la phrase simple chez les Modistes. Même d’analyse inspirés par ces Grammaires ont été
si certains contenus théoriq ues sont iden- transmis jusq u’à la période contemporaine
tiq ues dans toutes les Grammaires générales, par l’entremise des grammaires scolaires.
celles de l’âge classiq ue présentent une origi- André Chervel (1977) a mis en évidence le
nalité q ui suffit à les différencier des autres et rôle historiq ue considérable joué par la Gram-
q ui se manifeste mieux sous l’intitulé de maire scolaire au XIXe siècle et montré q ue,
Grammaires rationnelles. On essaiera dans les du fait des enjeux socio-politiq ues q ui étaient
pages qui suivent, de cerner cette originalité. les siens, elle ne se confondait pas avec la
Grammaire rationnelle. Elle a cependant lar-
1.1.2.  Auparavant toutefois, il convient d’at- gement contribué à assurer la postérité de
tirer l’attention sur la postérité de la Gram- celle-ci. Elle y a d’autant mieux réussi q ue la
maire rationnelle. On l’a dit plus haut, elle a Grammaire rationnelle elle-même s’inscrit
recueilli les résultats d’une longue tradition; dans une perspective pédagogiq ue, q ui est
mais, pas plus q u’elle n’est apparue brusq ue- expressément assumée par beaucoup de ses
ment, elle ne s’est engloutie totalement au principaux théoriciens. S’agissant de la
début du XIXe siècle. De récentes recherches France, il suffit de rappeler les liens d’Arnauld
ont provoq ué une réévaluation de son rôle et de Lancelot avec les Petites Ecoles de Port-
historiq ue en soulignant q ue, sur bien des Royal, de César Chesneau du Marsais
points, les contenus théoriq ues élaborés ou (1676—1756) et de Nicolas Beauzée (1717—
transmis par les Grammaires rationnelles, ou 1789) avec l’Ecole royale militaire, ou des
par telle d’entre elles, sont restés opératoires Idéologues avec les Ecoles normales. Mais,
dans les travaux ultérieurs. On a par exemple en Allemagne, Johann Werner Meiner
longtemps présenté la pensée de Wilhelm von (1723—1789) réclame parallèlement pour sa
Humboldt (1767—1835) (v. art. 27) comme le ›philosophische Sprachlehre‹ l’avantage de fa-
résultat d’une réaction contre le sensualisme ciliter grandement l’acq uisition des langues
ou le matérialisme de Condillac et de ses (1971, LXII sq q ), car l’élève instruit selon
disciples. Mais Hans Aarsleff souligne (1977, cette doctrine détient par avance un schéma
224) q ue, comme Condillac, Humboldt rap- général, applicable à toute langue, et reposant
44.  La position de la grammaire rationnelle 623

à la fois sur la nature et la raison (1971, XC). descriptions dispersées. — Port-Royal assi-
Par l’intermédiaire de l’école, la Grammaire mile grammaire particulière et art de parler
rationnelle a largement débordé le début du (cf. Pariente 1985, 106—111), mais ne sub-
XIXe siècle. sume pas explicitement la Grammaire géné-
rale sous le concept de science. Le XVIIIe
1.2. Les concepts fondamentaux siècle franchira le pas, en particulier avec
Beauzée, q ui définit (1974, I, X—XI) la
Il ne s’agit pas encore ici de donner une idée Grammaire générale comme une science
du contenu proprement grammatical des »parce q u’elle n’a pour objet q ue la spécu-
Grammaires rationnelles. On se propose au- lation raisonnée des principes immuables et
paravant d’examiner les concepts à l’aide des- généraux du Langage», et la considère
q uels elles définissent leur propre spécificité, comme «antérieure à toutes les langues»
soit en s’opposant à d’autres types d’analyse parce q ue ses principes sont de vérité éternelle.
grammaticale, soit en déterminant l’angle — Les Idéologues iront parfois encore plus
sous leq uel elles appréhendent les phéno- loin dans le sens de la généralité. Pour Destutt
mènes linguistiq ues. De ce point de vue, il de Tracy, la grammaire, plus encore q ue
semble utile de préciser d’une part le sens et science des signes, est «continuation de la
la portée des exigences de généralité et de science des idées» (1970, II, 1). Elle n’est pas
rationalité propres à ces Grammaires et, particulièrement liée aux signes des langues
d’autre part, de montrer comment elles se articulées, et les q uatre premiers chapitres de
différencient de la logique et de la rhétorique. la Grammaire prétendent valoir pour tous les
langages possibles, de q uelq ue nature q ue
1.2.1. Grammaire générale et grammaires soient les signes q ui les composent (Tracy
particulières 1970, II, 249), la principale différence entre
Les Grammaires rationnelles se veulent gé- les signes venant de leur caractère permanent
nérales; elles ne peuvent se constituer comme (langues naturelles) ou fugitif (communica-
telles q u’à condition de se dissocier des gram- tion par gestes, ou animale) (v. art. 116). On
maires particulières, mais le contenu des voit q uel degré élevé de généralité s’accorde
grammaires particulières ne cesse pas de les ici la grammaire. — Dans des perspectives
hanter. Entre le général et le particulier s’ins- différentes, on retrouve une opposition q ui a
taure dans les Grammaires rationnelles un la même fonction q ue celle de la Grammaire
éq uilibre toujours instable, dont on va tenter générale et de la grammaire particulière, chez
de décrire certaines formes. Meiner q ui différencie ›philosophische
En principe, les choses sont claires. Il re- Sprachlehre‹ et ›harmonische Sprachlehre‹
vient aux Grammaires rationnelles de définir (1971, III sq q ), la première ayant pour objec-
les principes de fonctionnement du langage, tif de définir les concepts indispensables à
q ui donnent la même structure à toutes les l’élaboration de toute grammaire, la seconde
langues, et aux grammaires particulières de visant à une étude comparative des diverses
décrire la façon dont une langue donnée met langues effectivement parlées. Quant à Harris,
ces principes en œuvre, compte tenu de ses sans se réclamer de la tradition philosophiq ue
›usages‹ et de son ›génie propre‹. La Gram- du rationalisme, il oppose aux grammaires
maire de Port-Royal présente ainsi, dans son particulières sa grammaire universelle, q ui ne
titre tripartite, les différents niveaux de l’ana- considère q ue les principes communs et essen-
lyse grammaticale. En tant q ue générale et tiels à toutes les langues (1972, 12; 1969, 11).
raisonnée, elle donne «les fondements de l’art Le geste inaugural des Grammaires philoso-
de parler»; elle peut alors définir «les raisons phiq ues est bien celui par leq uel elles se
de ce q ui est commun à toutes les langues, et coupent des grammaires particulières.
les principales différences q ui s’y ren- Mais ce geste peut-il être poussé jusq u’à
contrent»; enfin, à titre d’échantillon de la son terme? q uel contenu proprement gram-
méthode, elle propose «plusieurs remarq ues matical pourrait-il bien rester dans une Gram-
nouvelles sur la langue française». L’étage- maire générale q ui n’aurait aucun rapport
ment des différents niveaux est ainsi bien as- avec les grammaires particulières? Fût-elle
suré, et la spécificité de la Grammaire générale philosophiq ue, une grammaire ne saurait se
garantie par cet étagement même. La raison réduire à une philosophie du langage. Même
intervient comme capacité de s’élever aux fon- si l’on ne soutient pas avec Noël François de
dements, mais aussi de contrôler la diversité Wailly (1724—1801) que
empiriq ue en l’empêchant de s’éparpiller en «la plupart des traités q u’on offre au public sous
le titre fastueux de Grammaire générale ne sont
624 III. Positionen

q ue des Grammaires particulières à la fois enflées Grammaires générales ne reculent pas devant
et déguisées par q uelq ues lambeaux d’une méta- les comparaisons. Celle de Port-Royal est trop
physiq ue triviale [...]» (1763, cité par Joly, dans succincte pour les développer, en dehors de
Harris 1972, 21—22), q uelq ues cas particuliers. Mais Beauzée rap-
on voit les meilleurs s’attacher à recoudre pelle dans sa Préface q u’il a consulté les gram-
après avoir taillé. Beauzée reconnaît q ue »la maires de dix-sept langues, sémitiq ues comme
science et l’art se doivent des secours mu- indo-européennes, sans oublier le basq ue, le
tuels» (1974, I, XII), l’art n’ayant pas en lui- chinois et le péruvien (1974, I, XV), et, pour-
même les lumières q ue req uiert son efficacité, tant, sa grammaire n’est pas une grammaire
mais la science ne pouvant donner «aucune comparée parce q ue, comme il l’écrit plus loin,
consistance à la théorie» si ce n’est par l’ob- ses comparaisons lui ont enseigné q ue «les
servation et la confrontation des différents idiotismes ne sont q ue des aspects différents
usages: une épistémologie newtonienne vient des principes généraux». De telles comparai-
alors servir de garant à ce mouvement par sons ne font pas un comparatisme, parce
leq uel la grammaire reconq uiert sa gramma- q u’une Grammaire générale rapporte toutes
ticalité (1974, I, XIV). Mais alors les rapports les langues à un modèle commun, donné in-
du général et du particulier ne se modifient- dépendamment des particularités de chacune;
ils pas considérablement? Si le général est aussi la comparaison n’a-t-elle pas de valeur
atteint par la voie de l’abstraction, reste-t-il en elle-même, et ne prend-elle appui sur au-
possible de considérer la Grammaire générale cune méthodologie spécifiq ue. Christian Ja-
comme le fondement des grammaires parti- cob Kraus (1753—1807) a publié en 1787 une
culières? Un des plus grands au moins l’a mis Rezension du célèbre Dictionnaire commandé
en doute; c’est Du Marsais, q uand il a affirmé, par Catherine II à Pierre Simon Pallas
exactement à l’opposé de Beauzée, q ue «la (1741—1811), q ui contenait la traduction de
grammaire n’est pas avant les langues», et 285 mots dans près de 200 langues et dialectes
réduit les énoncés des grammairiens à des européens ou asiatiq ues; dans cette Rezension,
observations sur l’usage (1971, Œuvres choi- Kraus assigne deux objectifs à ce q u’il appelle
sies I, 128), ce q ui ne l’empêche pas de sou- des ‘philosophische Sprachvergleichungen’:
tenir q ue «les grammairiens q ui ne sont pas enrichir la connaissance de l’esprit et élargir
philosophes, ne sont pas même grammai- l’histoire des peuples (cf. Arens 1955, 118
riens» (68). Mais la philosophie chez Du sq q ). Aucun de ces objectifs, q ui débordent
Marsais est moins une source autonome de l’un et l’autre le strict domaine linguistiq ue,
concepts q u’une arme destinée à dissocier ce ne sera retenu comme primordial dans la
q ui relève du fond des choses et ce q ui relève grammaire comparée.
des tours de l’imagination; c’est avant tout à
ce titre q u’elle a sa place dans une grammaire 1.2.2. Rationalité et rationalisme
qui se veut fondée sur l’observation.
En s’en tenant au plan épistémologiq ue, on Si les Grammaires générales visent, comme
peut sans doute trouver dans cette difficulté l’a bien vu Jean-Claude Chevalier à propos
à situer l’un par rapport à l’autre le général de Port-Royal, à «établir des règles valables
et le particulier l’éclaircissement d’une énigme pour toutes les langues» et à déterminer «des
intéressante. Il s’agit de la différenciation voies de passage de l’une à l’autre» (1968,
entre Grammaire générale et grammaire 537), elles le font fréq uemment en se présen-
comparée (v. art. 9): comment expliq uer q ue tant comme rationnelles. Il convient cepen-
la deuxième ait pris naissance et se soit dé- dant ici aussi de manier avec prudence le
veloppée en opposition à la première, alors terme de raison ou ses dérivés, et d’abord de
q ue la généralité visée par l’une aurait pu se prémunir contre certaines confusions. En
apparemment s’établir par comparaison entre premier lieu, on constate q ue l’expression de
langues particulières? Pourq uoi, par exemple, Grammaire rationnelle est moins utilisée à
Meiner n’a-t-il pas fondé la grammaire l’âge classiq ue q ue celle de Grammaire rai-
comparée alors q ue son ›harmonische Sprach- sonnée. D’autre part, beaucoup de ces gram-
lehre‹ faisait place à la comparaison entre maires se réclament d’une philosophie empi-
langues particulières? C’est, disons-le d’un riste ou sensualiste, et non d’une philosophie
mot, q ue toute comparaison n’est pas compa- rationaliste: c’est à Bacon et Locke, ensuite à
ratiste, q u’il ne suffit pas q u’il y ait des Condillac, q ue font référence les grammai-
comparaisons dans une grammaire pour riens, plus souvent q u’à Descartes. Malgré
q u’elle soit grammaire comparée. Car les tout, ce n’est pas sans motifs, on essaiera de
44.  La position de la grammaire rationnelle 625

le montrer, q ue s’est créée la tradition de n’a pas méconnu q u’on ne pouvait pas tout
parler des Grammaires rationnelles. expliq uer par la référence aux opérations de
L’expression a d’abord des fins polémiq ues. la pensée ou, plus exactement peut-être, q ue
Une grammaire se considère comme référée à cette référence ne jouait pas toujours direc-
la raison q uand elle se propose plus q ue d’en- tement. D’abord parce q ue la langue est his-
registrer les usages constitutifs d’une langue toriq ue, et peut conserver dans un état présent
donnée. De cette ambition nouvelle, une il- des «restes du vieux style» q ui font obstacle
lustration très vigoureuse est donnée par les aux règles et à l’analogie (Port-Royal 1966,
critiq ues q ue la Grammaire de Port-Royal 87); ensuite parce q ue, pour être en mesure
adresse à Claude Favre de Vaugelas (1585— de véhiculer dans les meilleures conditions les
1650). On doit certes donner raison à William pensées, le discours se soumet à un certain
Keith Percival q uand il proteste (1976 b, 379 nombre de normes (Pariente 1985, 109 f;
sq q ) contre une présentation trop schéma- 125 f) q ui obscurcissent la référence fonda-
tiq ue de l’opposition entre Port-Royal et Vau- mentale à la pensée. Même dans la Grammaire
gelas. A propos de la règle selon laq uelle on de Port-Royal, pourtant considérée comme le
ne doit point mettre de relatif après un nom parangon du rationalisme, q uand ce n’est pas
sans article, Port-Royal (1966, 80 f) reproche du logicisme, se fait jour la reconnaissance
moins à Vaugelas de s’être contenté d’enre- d’une opacité du langage à la raison. C’est
gistrer l’usage q ue de l’avoir enregistré de cette opacité q ue rencontrent toutes les Gram-
façon partielle. Mais faut-il en conclure avec maires rationnelles sous le nom d’usage, et le
Percival (1976 b, 381) q ue, sur la primauté de problème pour elles est de déterminer q uelle
l’usage et la volonté d’explication, il y a ac- part, dans la langue et dans la grammaire,
cord complet entre Port-Royal et Vaugelas? revient à l’usage. D’un coté, il convient de le
On peut en douter, à condition de ne pas s’en reconnaître comme la source même de l’objet
tenir aux professions de foi de l’un et des des grammaires, du moins des grammaires
autres, mais d’examiner leur pratiq ue gram- particulières, car »une langue est la totalité
maticale. Dans le présent cas, Vaugelas avait des usages propres à une nation pour expri-
bien relevé une des exceptions à sa règle mer les pensées par la voix» (B. E. R. M. —
(q uand le nom est au vocatif, il peut être suivi sans doute: Beauzée Ecole Royale Militaire
d’une relative sans être précédé d’un article) — dans Auroux 1973 b, 95); Du Marsais voit
et soutenu q ue cette exception n’en était pas même dans cette priorité de l’usage la justi-
une car, devant le vocatif, est sous-entendu o, fication de la priorité pédagogiq ue q u’il ac-
baptisé ‘article du vocatif’; puis, revenant à corde à la ›routine‹ dans l’acq uisition des
son énoncé, il en avait esq uissé une justifica- langues: «c’est imiter la nature q ue de
tion en soutenant q ue l’usage s’y accordait commencer par l’usage» (1971, I, 26). Mais,
avec la raison, q ui ne peut accepter q u’un d’un autre côté, la Grammaire rationnelle ne
pronom relatif toujours défini ait pour anté- se limite pas à l’usage, car elle vise à le fonder,
cédent un nom q ue l’absence d’article rend c’est-à-dire à montrer comment le phénomène
indéfini. Après q uoi, il s’était excusé de ce considéré s’inscrit dans un ensemble de
«petit raisonnement» q u’on risq ue de trouver moyens destinés à assurer l’expression de la
«trop subtil et trop métaphysiq ue» (Vaugelas pensée.
1738, II, 429 f). La pratiq ue de Vaugelas ne
le porte pas, on le voit, à abuser de la spé- 1.2.3.  Dans cette recherche du fondement, la
culation. Le rationalisme en grammaire est raison se détourne de sa fonction polémiq ue
d’abord soutenu par un postulat absent chez pour se reconnaître une fonction positive.
Vaugelas, le postulat q ue les usages s’expli- C’est en effet ici q ue réside la thèse q ue par-
q uent et, corrélativement, q ue l’explication tagent toutes les Grammaires rationnelles: le
exige q u’on les prenne en compte dans leur langage doit être appréhendé dans son rap-
intégralité afin de découvrir ce q u’il y a de port à la pensée, ou à l’esprit. Pensée comme
commun aux formes particulières d’une même esprit peuvent être conçus différemment d’un
difficulté. Port-Royal met clairement en grammairien à l’autre; le rapport du langage
œuvre un postulat de ce genre. à la pensée peut ne pas être le même; mais
Quand on a poussé aussi loin q ue possible une grammaire fait partie des Grammaires
la recherche de l’explication, on peut se trou- rationnelles à condition de poser q ue l’analyse
ver en présence de résidus, de faits de langage du langage consiste à déterminer son rapport
q ui ne se rangent pas sous l’un ou l’autre des à la pensée. Port-Royal l’affirme le premier:
principes auxq uels on a fait appel. Port-Royal
626 III. Positionen

«on ne peut bien comprendre les diverses sortes de de développer les connaissances (Condillac
significations, q ui sont enfermées dans les mots, 1947—1951, Œuvres philos. I 403 f). Beauzée
q u’on n’ait bien compris auparavant ce q ui se passe s’appuie sur cette problématiq ue selon la-
dans nos pensées» (1966, 27). q uelle le langage n’est plus seulement moyen
A sa suite, et malgré la substitution du d’expression, mais d’analyse et d’élaboration
sensualisme condillacien au spiritualisme car- de la pensée; la grammaire conq uiert alors sa
tésien, les grammairiens français du XVIIIe rationalité en se faisant théorie de l’ordre
siècle répéteront q ue le langage est le ›tableau‹ analytiq ue, car cet ordre est «tout à la fois le
de la pensée ou de son analyse. Bien q u’il ne résultat de l’analyse de la pensée, et le fon-
relève pas de la même tradition, Meiner re- dement de l’analyse du discours dans toutes
prend la même idée: les langues» (Beauzée 1974, I, VII), le point
«Denn alle Sprachen sind in der That nichts an- suprême où la grammaire s’assure de la valeur
ders, als so viele von einem und eben demselben objective de ses concepts. On le voit sur ce
Originale, welches unser Denken ist, aufgenom- seul exemple, d’une grammaire à l’autre, la
mene Kopien» (1971, IV). rationalité ne s’entend pas de la même façon
Harris pose également q ue «(le) discours et la dénomination de Grammaire rationnelle
est l’exposé ou le développement des affec- peut recouvrir des interprétations variées.
tions ou des mouvements de (l’)âme» (1972, Il est en tout cas certain q ue ces gram-
14; 1969, 15). Il n’est pas utile de multiplier maires ne sauraient être, dans leur ensemble,
les références. Ces grammaires se pensent ra- présentées comme les produits d’une philo-
tionnelles parce q u’elles se donnent le moyen sophie rationaliste. Rationnelles ou, peut-être
d’expliq uer les faits linguistiq ues en les rap- mieux, raisonnées, parce q u’elles visent à
portant à autre chose q u’à eux-mêmes, à la rendre raison des faits linguistiq ues en les
pensée. On est ici aux antipodes de Saussure référant à la fonction q u’elles prêtent au lan-
pour q ui le recours à un principe logiq ue gage, elles ne se réclament pas toutes d’un
revient à appliq uer du dehors sur la gram- rationalisme. Rosiello (1967), Ulrich Ricken
maire une norme extra-linguistiq ue (1955, (1978) ont mis en évidence le poids de l’em-
152). — On ne peut, sur ce point, préciser pirisme ou du sensualisme sur la réflexion
davantage q u’en rappelant brièvement les di- grammaticale du XVIIIe siècle notamment.
vergences q ui séparent et parfois opposent les Du reste, le recours aux grandes oppositions
grammairiens classi
q ues. Contre Noam entre philosophies de la connaissance, comme
Chomsky (1966) et Michel Foucault (1966), rationalisme et empirisme, ne paraît guère
on ne peut ni placer tous ces grammairiens susceptible d’éclairer vraiment le détail du
sous l’étiq uette de cartésiens, ni leur prêter à contenu grammatical (v. art. 12). On se bat
tous des thèses q ui ne sont développées q u’au plus au XVIIIe siècle sur le terrain de l’in-
XVIIIe siècle. La divergence fondamentale néisme et du génétisme q ue sur celui du ratio-
paraît résider dans la représentation q u’ils se nalisme et de l’empirisme. A propos de
donnent du rapport entre langage et pensée l’œuvre de Du Marsais, Ricken remarq ue
(v. art. 71). A Port-Royal, le langage n’est avec raison q ue ses emprunts à Locke ne
q u’un moyen de communication de la pensée; l’empêchent pas d’intégrer à sa pensée la théo-
cette formule restrictive signifie q ue la pensée rie de l’ordre naturel (1978, 86; 199, n. 8).
est entièrement constituée indépendamment Françoise Soublin n’hésite pas à parler de Du
de son expression linguistiq ue, comme le Marsais comme d’un rationaliste, et aucun
corps existe indépendamment du vêtement des adjectifs par lesq uels elle s’efforce de pré-
q ui le dissimule et le révèle à la fois. C’est ciser la nature de ce rationalisme ›scienti-
pourq uoi, conformément au passage cité ci- fiq ue‹, ›pré-linguistiq ue‹ et ›militant‹ ne paraît
dessus, on rendra raison des faits de langage tendre à nuancer sa thèse (1976, 407 f). On
en établissant q u’ils représentent ce q ui se voit sur un exemple comme celui-là, q ue les
passe dans les pensées. — Cette anthropologie références philosophiq ues ne peuvent pas,
sera ébranlée au XVIIIe siècle, sous l’in- parce q u’elles restent prises dans un contexte
fluence de Locke, prolongée et renforcée en différent, permettre de définir la forme de
France par celle de Condillac. Celui-ci dis- rationalité q ui est mise en œuvre dans les
socie un niveau pré-linguistiq ue (cas des ani- grammaires de l’âge classique.
maux, ou des enfants) et un niveau linguis-
tiq ue de la pensée; au premier niveau, la pen- 1.3. Grammaire, logique et rhétorique
sée est globale, simultanée, confuse: le langage
l’analyse, c’est-à-dire la décompose et la re- Une des difficultés q ue ces grammaires af-
compose, lui permettant ainsi d’ordonner et frontent pour se constituer comme telles tient
à la nécessité de délimiter leur territoire et
44.  La position de la grammaire rationnelle 627

leur méthode par rapport aux autres disci- manifester leur originalité vis-à-vis de la lo-
plines auxq uelles la tradition reconnaît une giq ue. — Ces grammaires doivent d’autre
juridiction sur les phénomènes linguistiq ues: part se définir face à la rhétoriq ue (v.
il s’agit essentiellement de la logiq ue et de la art. 112). La Renaissance, en remettant en
rhétoriq ue. — Relativement à la logiq ue, il circulation les grandes œuvres de la littérature
est clair q u’une Grammaire rationnelle entre- de l’Antiq uité, avait mis l’accent, comme le
tient avec elle un rapport étroit: logiq ue et rappelle Robert Henry Robins (1967, 109) sur
grammaire prennent en effet leur départ dans le latin comme langue de Cicéron et de Vir-
l’analyse d’opérations de l’esprit. Thurot l’a gile, et orienté l’intérêt vers la rhétoriq ue plus
remarqué: q ue vers la grammaire proprement dite. Ge-
«les trois plus habiles grammairiens q ue nous neviève Clérico a récemment présenté une
ayons eus, Arnauld, Dumarsais et Condillac, ont synthèse des résultats des recherches récentes
donné successivement les trois meilleurs traités de sur ce débat en opposant
logique» (1970, 119, n. 44). «ceux pour q ui le but de la grammaire est l’intel-
Certes, il ne s’agit pas ici de la logiq ue lectus poetarum de la tradition romaine [...] et ceux
entendue sous sa forme actuelle de logiq ue q ui, en revanche, soutiennent q ue la grammaire, en
symboliq ue, mais de l’art de penser, ramené tant q ue telle, constitue en effet un savoir auto-
à ses q uatre composantes fondamentales, nome» (Clérico 1982, 120):
concevoir, juger, raisonner, ordonner; les d’un côté, Lorenzo Valla (1407—1457), De-
grammaires particulières s’en distinguent en siderius Erasmus (env. 1466—1536), Antonio
tant q u’elles sont autant d’arts de parler, et de Nebrija (1444—1522), de l’autre Julius
la grammaire générale en tant q ue fondement Caesar Scaliger (1484—1558) et Francisco
commun à tous ces arts. Naturellement, dans Sanchez de las Brozas (Sanctius, 1523—
la mesure où elle est art de raisonner ou 1600). Les Grammaires rationnelles s’ins-
d’ordonner, la logiq ue traite de q uestions q ui crivent évidemment dans la filiation des se-
échappent à la grammaire, ou plutôt q ui dé- conds. Lancelot reprend souvent la mise en
bordent la grammaire; cependant, même à ce garde de Quintilien: ›Aliud est grammatice,
niveau, il doit exister une cohérence entre aliud latine loq ui‹ [la grammaire est une
analyse grammaticale et théorie du raison- chose, parler le latin une autre], et réserve à
nement, car la logiq ue classiq ue, ne disposant la grammaire la définition de l’expression cor-
pas d’un langage formel standardisé, travaille recte; l’élégance est autre chose. Si Ricken a
sur les énoncés donnés dans la langue natu- bien montré q ue la Logique de Port-Royal
relle (Pariente 1985, 134—149). Mais le véri- donne des figures de rhétoriq ue, q uand elles
table point de friction se situe au niveau de sont judicieusement employées, une apprécia-
la phrase simple, q ui relève à la fois de la tion positive (1978, 34 ff), cela n’empêche pas
logiq ue et de la grammaire. Le partage se fait les Messieurs de définir strictement le do-
alors entre deux grandes attitudes, celle q ui maine de la grammaire, étant admis q u’à par-
consiste à assimiler et celle q ui consiste à tir du moment où elle est art de parler, il ne
dissocier les deux analyses de ce type de saurait y avoir de rupture entre parler et bien
phrase. Port-Royal adopte la première atti- parler. C’est donc avec raison q u’Elisabeth
tude en faisant de la proposition la formula- Schwartz dénonce ce q u’elle appelle «l’am-
tion linguistiq ue du jugement, principale biguïté du statut» d’une rhétoriq ue (1982, 2,
forme ou manière de notre pensée (1966, 28 f). 1061 sq q ), en soulignant q ue tous les auteurs
Mais Du Marsais ou Harris s’efforcent de (il s’agit des Idéologues) ont explicitement
dissocier: le premier introduit, dès la défini- exclu la rhétoriq ue de la grammaire comme
tion de ce q u’il appelle encore ‘proposition’, philosophie raisonnée des universaux du lan-
à côté du jugement l’idée de «considération gage, mais q ue les catégories rhétoriq ues sont
particulière de l’esprit, q ui regarde un objet omniprésentes (Schwartz 1982, 2, 1078) dans
comme tel» (Du Marsais 1971, Œuvres choi- les Grammaires rationnelles, et cela depuis
sies III, 41); le second réfère à Aristote (v. Port-Royal. Si ces observations sont faites sur
art. 15) pour définir l’énoncé (sentence) les œuvres q ui relèvent de la tradition fran-
comme «a compound Quantity of Sound si- çaise et ne sont pas automatiq uement géné-
gnificant, of which certain Parts are them- ralisables à toutes les Grammaires ration-
selves also significant» (Harris 1969, 19 f). nelles, elles indiq uent du moins l’existence
Les Grammaires rationnelles se divisent donc d’un problème dont les racines sont à la fois
sur la nature de la forme élémentaire du dis- historiq ues et théoriq ues: comment ces gram-
cours, selon q u’elles ont ou non le souci de maires q ui se veulent théories du discours
628 III. Positionen

peuvent-elles se distinguer des rhétoriq ues? viduel, et le jeu de ces deux instances est
Aussi longtemps q ue langue et discours ne indispensable pour articuler synchronie et
sont pas franchement isolés l’un de l’autre, diachronie; on ne voit pas en revanche q ue
est-il possible de couper nettement entre cette opposition joue un rôle assignable dans
grammaire et rhétoriq ue? Il est difficile dans les Grammaires rationnelles. — C’est pour
cette perspective de dissocier le logiq ue, le des raisons voisines q u’on évitera de rappro-
grammatical et le rhétorique. cher le couple langage-pensée du couple
compétence-performance. Du reste, Chomsky
lui-même (1966) a apparenté Grammaire ra-
2. Contenus grammaticaux tionnelle et Grammaire générative en faisant
Après avoir situé les Grammaires rationnelles, référence non pas au couple compétence/per-
il est temps d’examiner, en essayant de faire formance, mais au couple structure profonde/
abstraction des variations individuelles, les structure superficielle. Ce rapprochement a
contenus proprement grammaticaux q u’on été discuté dans une littérature abondante
rencontre dans la majorité de ces grammaires. dont on trouvera l’essentiel dans Porset (1977,
Il s’agit donc maintenant de déterminer la 41 ff). Il semble aujourd’hui abandonné.
nature des problèmes q u’elles étaient obligées L’originalité des Grammaires rationnelles ré-
d’affronter compte tenu de leurs postulats de side dans la référence de l’analyse linguistiq ue
base. On peut, semble-t-il, regrouper ces pro- à l’élément, toujours posé comme non-lin-
blèmes sous trois rubriq ues: l’objet des Gram- guistiq ue, de la pensée, q uelles q ue soient par
maires rationnelles, la théorie des parties du ailleurs les divergences des grammairiens sur
discours, et la question de la syntaxe. la nature de cet élément et de son rapport au
langage.
Si l’on avait pour objectif de situer ces
2.1. L’objet des Grammaires rationnelles: grammairiens par rapport aux linguistes
entre langage et pensée contemporains, c’est peut-être du côté de
Dire q ue ces grammaires analysent le dis- Gustave Guillaume (1883—1960) q u’il fau-
cours, ce n’est rien dire aussi longtemps q u’on drait se tourner de préférence. Joly l’a noté
n’a pas établi q ue cette notion de discours ne aussi bien à propos de Condillac (1982, 248)
se laisse pas interpréter dans le cadre des q ue de Harris (1976, 426; voir également son
distinctions contemporaines. Le discours n’est Introduction à Harris 1972). Mais revenons
ni la parole saussurienne ni la performance plutôt au contenu propre des Grammaires
chomskyenne, parce q ue la parole fait couple rationnelles en cherchant comment elles dé-
avec la langue, et la performance avec la terminent leur terrain d’investigation. La di-
compétence, alors q ue le discours se déter- vision idéale de la grammaire selon Du Mar-
mine comme expression verbale de la pensée. sais (1971, Œuvres choisies I, 128 sq q )
— On appréciera la divergence entre les comprend sept parties: la connaissance de la
Grammaires rationnelles et la linguistiq ue proposition et de la période, l’orthographe,
saussurienne en confrontant les métaphores la prosodie, l’étymologie, les préliminaires de
dont il est fait usage d’un côté et de l’autre. la syntaxe, la syntaxe et la connaissance des
Les grammairiens classiq ues répètent à satiété différents sens des mots — tout ce q ui est
q ue le discours constitue un tableau de la indispensable pour entendre la pensée q ui
pensée ou de son analyse. Saussure (1955, 36) s’exprime dans une phrase donnée. Le
oppose langue et parole comme une sympho- contenu du tableau dressé par Beauzée dans
nie et son exécution. Ces deux métaphores ne l’Encyclopédie (cf. Auroux 1973 b, 90) n’est
pointent pas dans la même direction. (v. pas substantiellement différent. Mais il n’est
art. 36, 66) Certes, toutes les deux assurent pas douteux q ue les Grammaires rationnelles
l’indépendance d’un des termes par rapport à ne fassent porter leur effort sur q uelq ues
l’autre: la réalité de la symphonie est indé- points particuliers de ce vaste ensemble, no-
pendante de l’exécution et de ses fautes éven- tamment sur la théorie des parties du discours
tuelles, comme l’original est indépendant de et sur la syntaxe. Phonétiq ue et prosodie sont
sa figuration. Mais, chez Saussure, les termes, renvoyées au ›matériel‹ des mots, à ›la méca-
langue et parole, sont tous les deux éléments niq ue de la voix‹ (Du Marsais 1971, Œuvres
du langage, alors q ue l’original des Gram- choisies II, 366). Elles peuvent faire l’objet
maires rationnelles n’est pas de nature lin- d’une analyse soignée, et q ui se veut exhaus-
guistiq ue. D’autre part, la distinction saus- tive: Beauzée s’efforce par exemple de présen-
surienne recoupe celle du social et de l’indi- ter une classification valable pour les sons
élémentaires de toutes les langues (1974, I,
44.  La position de la grammaire rationnelle 629

XVIII) et discute les analyses des autres gram- exemple de l’article, Port-Royal l’intègre dans
mairiens; Daniel Droixhe a pu établir l’im- la liste; le contre-exemple du latin est bien
portance des recherches de Charles de Brosses relevé, mais les Messieurs, se bornant à affir-
(1709—1777) (1978, 262 sq q ). De même, l’éty- mer la q uasi-universalité de l’article, n’en
mologie est-elle ranimée par les réflexions tirent pas les mêmes conséq uences q ue leurs
d’Anne Robert Jacq ues Turgot (1727—1781), successeurs (Port Royal 1966, 52). Autre di-
q ui réintroduit une rationalité dans ce do- vergence notable, celle q ui porte sur l’adjectif:
maine. Mais malgré ces efforts, théorie des selon Port-Royal, il forme, avec le substantif,
sons et étymologie restent entachées d’arbi- une des sous-catégories du nom; par la suite,
traire ou de facticité. La grammaire classiq ue il conq uiert son autonomie par rapport au
ne s’éprouve vraiment rationnelle q u’au ni- nom: c’est le cas, en France, chez Gabriel
veau de l’oraison ou de la proposition, car Girard (1680—1748) (1747, I, 219) ou Beau-
c’est à ce niveau q ue pensée et langage s’arti- zée (1974, I, 287 sq q ); en Angleterre, chez
culent directement l’un sur l’autre. Harris, q ui range l’adjectif avec le verbe dans
la classe des attributifs de premier ordre, op-
2.2. Les parties du discours posés aux substantifs (1972, 81 sq q ; 1969, 87
sq q ); en Allemagne, chez Meiner (1971,
Toute Grammaire rationnelle comporte une XXXVII sq q ), q ui le rapproche aussi du verbe
théorie des parties du discours, q ui peut af- tout en ménageant une distinction entre eux.
fecter ou non la forme d’une classification, Quant aux principes de structuration de la
mais q ui est indispensable pour garantir son liste des parties du discours, ils sont très va-
universalité. Cette théorie répartit les mots riables d’une grammaire à l’autre. Port-Royal
d’une langue en classes q ui permettent de se signale par la répartition en deux sous-
définir la contribution de chacun à l’organi- ensembles, celui des mots q ui signifient les
sation syntaxiq ue et sémantiq ue d’une pro- objets, et des mots q ui signifient les manières
position; ces classes sont considérées comme des pensées; inspirée de la division cartésienne
autant d’universaux du discours, et consti- entre entendement et volonté, cette structu-
tuent les bases d’une analyse q ui se situe à un ration restera sans postérité. En même temps,
degré très élevé d’abstraction. Les grammai- il est fait appel à des distinctions de nature
riens classiq ues n’ignorent pas en effet q ue ontologiq ue (le substantif signifie une subs-
toutes les langues ne recourent pas aux mêmes tance, l’adjectif un accident) dont les diffi-
instruments et q ue, par exemple, le latin n’a cultés sont reconnues (Port Royal 1966, 31
pas d’article. Quel statut reconnaître alors à sq q ). — Harris propose une théorie beaucoup
l’article français ou allemand? on ne peut en plus élaborée dans laq uelle se hiérarchisent
faire une partie d’oraison distincte de toute plusieurs principes de distinction. Les mots
autre; ce n’est q u’un élément non indispen- sont d’abord répartis selon la sémantiq ue en
sable d’une classe q ui est, elle, indispensable, deux classes, selon q u’ils signifient absolu-
celle des adjectifs q ui «désignent l’application ment (mots principaux) ou par relation (mots
actuelle du nom appellatif aux individus» accessoires). Les mots principaux se subdivi-
pour reprendre la terminologie de Beauzée sent conformément à l’ontologie en signifiants
(1974, I, 310 f; cf. Auroux 1979 a, 226). Du de substances (noms, pronoms personnels) et
Marsais avait du reste donné une analyse en signifiants d’attributs (attributs de noms:
comparable (1971, Œuvres choisies II, 166; verbe, participe, adjectif; ou attributs d’attri-
185), q ue Beauzée critiq ue sur le plan de la buts: adverbe). Les mots accessoires sont, eux,
terminologie plus q ue du contenu. Ainsi l’ab- subdivisés selon un principe syntaxiq ue, en
sence de l’article dans certaines langues exclut fonction du nombre de mots avec lesq uels ils
q u’on le traite comme une partie du discours sont en relation: ils font partie des définitifs
autonome; mais sa présence dans d’autres s’ils sont en relation avec un seul mot (article,
langues exige q ue figure parmi les parties du démonstratif, indéfini) et des connectifs s’ils
discours une catégorie où il puisse se ranger, sont en relation avec plusieurs mots (conjonc-
et q u’il incombe au grammairien d’élaborer tion, préposition). — Meiner accentue encore
adéq uatement. C’est au terme de ces transac- davantage la rupture entre théorie des parties
tions subtiles q ue sont mises en place les par- du discours et considérations ontologiq ues: la
ties du discours. Naturellement, d’un gram- proposition se définit selon lui comme union
mairien à l’autre, ces transactions autorisent ou séparation entre un élément plus dépen-
des différences aussi bien en ce q ui concerne dant (›etwas Unselbständigeres‹) et un élé-
la liste de ces parties q ue les principes de ment plus indépendant (›etwas Selbständi-
structuration de cette liste. S’agissant par
630 III. Positionen

geres‹), étant admis q ue la dépendance et l’in- de constituer une théorie autonome de la syn-
dépendance relèvent de la représentation du taxe. Chevalier a certes raison de souligner
locuteur (Meiner 1971, XXXVII). Il peut (1982, 60) q ue Port-Royal est à l’origine d’un
alors analyser la dépendance en dépendance mouvement q ui jettera au XVIIIe siècle les
unilatérale et dépendance bilatérale, ce q ui lui bases d’une syntaxe totalisante, mais il reste
donne une classification des prédicats (adjec- à s’entendre sur le contenu de cette syntaxe.
tifs ou verbes) en fonction du nombre de Or, à la notable exception de Beauzée, q ui lui
places d’arguments q u’ils admettent; il intro- consacre la moitié de sa Grammaire générale,
duit ultérieurement une dépendance trilaté- les autres grammairiens sont le plus souvent
rale (Meiner 1971, 143 sq q ) q ui concerne par rapides à propos de la syntaxe. Port-Royal
exemple les adjectifs relatifs employés au en traite en sept pages; vers la fin de l’ère des
comparatif (‘Cajus est Titio Cibi appetentior’, Grammaires rationnelles, Antoine-Isaac Sil-
144) ou les idées de relation causale double vestre de Sacy (1758—1838) la présente en
(‘A ist so wirksam gegen B, daß B umbringen une cinq uantaine de pages, moins du sixième
muß das C’, 144), et dont il compare les de ses Principes de Grammaire générale. Har-
réalisations linguistiq ues dans les différentes ris ne lui consacre aucun chapitre spécifiq ue.
langues de son corpus. Il produit ainsi une Comment expliq uer la situation ainsi faite à
théorie très originale du prédicat (considéré la syntaxe?
par lui comme la partie la plus éminente de D’abord en tenant compte de la répartition
la proposition, Meiner 1971, 127), q ui méri- des contenus grammaticaux dans l’architec-
terait sans doute une étude approfondie. — ture des Grammaires rationnelles. Une grande
D’un tout autre point de vue, il convient enfin partie de ce q ue nous considérons comme des
de rappeler q ue certains grammairiens (Con- problèmes de syntaxe est résolue au sein de
dillac, les Idéologues) présentent des parties la théorie des parties du discours. C’est à elle
du discours une analyse génétiq ue. Dans son q u’il revient de définir le substantif et l’adjec-
refus des idées innées (v. art. 71), Condillac tif, par exemple, de telle sorte q ue leur conve-
fait reposer tout l’édifice de la pensée sur la nance en genre et en nombre soit garantie; ou
sensation; les parties du discours résultent de encore, c’est elle q ui détermine les cas, acci-
la décomposition du langage d’action, décom- dents du nom, et les personnes, accidents du
position dont on trouve deux présentations verbe, de façon à rendre compréhensible la
parfois divergentes dans l’Essai de 1754 et construction du verbe avec son sujet et avec
dans la Grammaire (voir également Tracy son régime. De là, la minceur affichée des
1970, II, 51 sqq). considérations syntaxiq ues de Port-Royal: «il
La richesse des analyses des Grammaires ne sera pas difficile de donner des notions
rationnelles sur les parties du discours de- générales, suivant les principes q ue nous
mande à être reconnue. Les divergences avons établis» (1966, 153). — D’autre part,
mêmes des résultats obtenus témoignent de la la division en grammaire générale et gram-
rigueur et de la finesse avec laq uelle elles ont maire particulière joue également contre le
observé le donné linguistiq ue. Ces résultats développement d’une théorie syntaxiq ue au-
rassemblent les thèmes fondamentaux des tonome. Port-Royal rapporte presq ue com-
Grammaires rationnelles; c’est pourq uoi il plètement la syntaxe d’accord à la grammaire
était utile d’insister un peu sur eux, alors générale et la syntaxe de régime aux gram-
q u’on peut passer plus rapidement sur maires particulières et à leur arbitraire: on
d’autres thèmes. doit donc se contenter ici de «q uelq ues
maximes générales» (1966, 155). Avec Sil-
2.3. Syntaxe et construction vestre de Sacy l’arbitraire l’emporte, chaq ue
langue suivant dans les règles de Concordance
Tout discours est composé d’éléments em- et de Dépendance une marche q ui lui est
pruntés à ses parties. L’attention des Gram- particulière (1975, 234). On voit ici clairement
maires rationnelles devait se tourner vers les q ue la catégorie du particulier, associée à celle
modes de combinaisons des parties du dis- de l’arbitraire, entrave la recherche d’une ra-
cours au sein de la proposition, d’où le souci tionalité proprement syntaxiq ue. — Enfin,
de classer les diverses combinaisons correctes l’objectif même d’une syntaxe est malaisé à
et de déterminer les principes ou règles sur cerner dans des grammaires q ui présentent le
lesq uelles elles reposent. Pourtant l’intérêt langage par référence à la pensée: la norme
pour les problèmes de syntaxe n’émerge q ue ultime de constitution des entités linguistiq ues
peu à peu, et on peut même se demander si se définit en termes de nature sémantiq ue; la
les Grammaires rationnelles sont en mesure
44.  La position de la grammaire rationnelle 631

proposition exprime une pensée, ou un sens turelle‹ (Port-Royal), ›simple‹, ›directe‹ (Du
complet, chacun des syntagmes q ui la Marsais) ou ›analytiq ue‹ (Beauzée); la justi-
composent correspondant à un sens partiel. fication de ces adjectifs est extra-linguistiq ue,
C’est pourq uoi Sylvain Auroux parle juste- car elle résulte de la comparaison de l’ordre
ment ici de syntaxe sémantiq ue (1979 a, 159 des mots avec celui q u’imposent des principes
sqq). de nature logiq ue — par exemple, le sujet
précède le verbe, car il faut être avant q ue
2.3.1.  Malgré ces obstacles de principe, les d’opérer —. L’ordre simple étant ainsi fixé,
Grammaires rationnelles mettent en place des on peut alors définir par rapport à lui l’in-
éléments de doctrine syntaxiq ue, dont bon version et les autres figures de construction,
nombre ont survécu jusq u’à notre époq ue. syllepse, ellipse, ou pléonasme, et s’interroger
Tout d’abord s’impose progressivement une sur leurs fonctions. — Mais la théorie de la
distinction ignorée de Port-Royal entre syn- construction naturelle ne se borne pas à as-
taxe et construction; elle paraît prendre nais- surer la jonction de la pensée et de son ex-
sance chez Du Marsais q ui montre, sur un pression; elle joue également un rôle propre-
exemple latin, comment se distinguent la ment grammatical. On en donnera deux
construction — ordre effectif dans leq uel sont exemples, choisis dans des secteurs très dif-
rangés les mots — et la syntaxe — ensemble férents afin de faire ressortir l’influence q u’elle
des rapports q ue les mots entretiennent —: exerce. Tout d’abord, elle est indispensable
une même phrase n’a q u’une syntaxe, mais pour l’analyse de la phrase, du moins dans
peut avoir plusieurs constructions (Du Mar- certains cas. Distinguons en effet avec Girard
sais 1971, Œuvres choisies III, 2). S’attachant (1747, I, 23) les langues analogues et les
alors à repenser, dans le cadre des Gram- langues transpositives. Toutes sont soumises
maires rationnelles, les contenus théoriq ues à l’ordre analytiq ue, mais, dans les premières,
du passé, Du Marsais va lier la distinction les mots sont rangés dans la proposition
entre syntaxe d’accord et syntaxe de régime conformément à cet ordre, dans les secondes,
à celle de l’identité et de la détermination les mots reçoivent des inflexions q ui déter-
comme opérations de la pensée (1971, Œuvres minent leurs relations à cet ordre. On voit
choisies II, 323 sq q ; III, 63 sq q ). Beauzée alors q ue, dans une langue analogue, c’est
approfondira sur certains points les indica- l’ordre dans leq uel les mots sont rangés q ui
tions de Du Marsais, et parviendra à élaborer sert de marq ue linguistiq ue de la fonction
la catégorie de complément (Beauzée 1974, q u’ils exercent: la définition sémantiq ue q ui a
II, 18; 44 sq q ) q u’il définit comme «addition été donnée du sujet (ce dont on affirme) ne
faite à un mot afin d’en changer ou d’en permettrait pas à elle seule de déterminer le
compléter la signification»; le travail exhaus- sujet d’une proposition. Ici, la théorie de la
tif de Chevalier sur ce point (Chevalier 1968) construction naturelle comble une lacune q ui
permet de suivre la difficile genèse de cette tient à ce q ue la définition sémantiq ue n’est
notion. — Sur cette première ligne de force, pas associée à une marq ue appropriée. —
s’en greffe une seconde, dont l’avenir était D’un autre côté, en revanche, la même théorie
peut-être moins riche, mais q ui a suscité au a pour résultat de dissimuler ou d’estomper
XVIIIe siècle des discussions passionnées du certains problèmes. Lorsq ue Silvestre de Sacy
fait en particulier des enjeux multiples q ui lui fait la construction naturelle de «le seul q ui
sont associés. Cette seconde ligne conduit au se glorifie de faire la loi aux rois, et de leur
problème de l’ordre des mots, et à la q uerelle donner, q uand il lui plaît, de grandes et ter-
de l’ordre naturel et des inversions (voir ribles leçons», il obtient «le seul q ui glorifie
Ricken 1978). Cette q uerelle concerne la soi de faire la loi aux rois, et de donner des
construction proprement dite. En s’appuyant leçons grandes et terribles à eux, q uand il
sur la définition des parties du discours et sur plaît à lui» (de Sacy 1975, 216); sa réécriture
les marq ues présentes dans la proposition fait évanouir le problème de la place des pro-
considérée, la syntaxe détermine l’ordre de noms et en entrave le traitement, puisq ue la
dépendance des mots q ui composent cette version canoniq ue se permet de violer les
proposition. Mais cet ordre peut ou non se règles de placement.
confondre avec celui selon leq uel les mots
figurent dans la proposition, et la théorie de 2.3.2.  Cet édifice théoriq ue se lézarde cepen-
la construction étudie les problèmes liés à la dant sous les coups de grammairiens q ui
coïncidence ou à la divergence de ces ordres. refusent de définir à aussi bon compte l’ordre
S’ils coïncident, la construction est dite ›na- naturel. Parmi ces opposants, retenons plus
632 III. Positionen

particulièrement Condillac q ui s’efforce de approfondie. — C’est à la même probléma-


donner de l’ordre naturel une analyse moins tiq ue fondamentale: comment définir le lan-
philosophiq ue q ue linguistiq ue, et moins lo- gage par son rapport à la pensée si nous
giq ue q ue génétiq ue: si l’ordre le plus naturel n’avons accès à la pensée q ue par l’intermé-
dans le langage primitif est ›fruit vouloir‹, diaire du langage?, c’est à la même problé-
c’est parce q ue cet ordre reflète celui de l’ap- matiq ue q u’on peut rattacher l’intérêt des
parition du nom et du verbe et va du plus Grammaires rationnelles pour l’ellipse. Pro-
facile au moins facile à communiq uer. L’ordre longeant un mouvement plus ancien, elles ont
naturel est donc déterminé par des impératifs soustrait l’ellipse à son statut purement rhé-
liés à la communication; il ne reflète pas un toriq ue pour en faire un instrument de l’ana-
ordre des choses ou des idées; il suffit q u’il lyse grammaticale; et cette transformation du
respecte la liaison des idées entre elles statut de l’ellipse s’éclaire si on la replace dans
(Condillac 1947—1951, Œuvres philos. I, 92 le contexte théoriq ue des Grammaires ration-
sq q ). En s’appuyant sur Condillac (et sur nelles. A partir du moment en effet où ces
Locke, cf. Ricken 1978, 117), Charles Batteux grammaires disposent d’une théorie des par-
(1713—1780) oppose à l’ancien ordre naturel, ties du discours et d’un schéma de structure
malicieusement rebaptisé ›ordre métaphy- de la proposition, elles sont amenées à consta-
siq ue‹, l’ordre dit par lui ›naturel‹ ou ›pra- ter q ue les productions linguistiq ues effectives
tiq ue‹, q ui est déterminé par l’intérêt: le lo- présentent des distorsions par rapport à ces
cuteur place en tête celui des mots q ui cor- données de base; l’ellipse est alors l’instru-
respond à l’idée la plus importante à ses yeux; ment q ui permet de décrire au moins, sinon
il construit selon l’ordre métaphysiq ue s’il se d’expliq uer certaines de ces distorsions. Beau-
place à un point de vue purement spéculatif. zée donne par exemple de l’adjectif une défi-
— Meiner édicte, lui, une règle conforme à nition dont une des conséq uences est q u’un
ses principes généraux, mais q u’il rapporte adjectif ne peut s’ajouter q u’à un nom appel-
seulement au grec et au latin: «alles das, was latif (1974, I, 291). Pour analyser un énoncé
von andern regiert wird, vor- und das, wovon comme ‘Socrate était sage’, il faut donc ad-
es regiert wird, nachzusetzen» (Meiner 1971, mettre q u’il s’expliq ue par l’ellipse du mot
355): c’est pour lui le moyen de provoq uer et ‘homme’ (Beauzée 1974, II, 17): l’ellipse ré-
de maintenir l’attention de l’auditeur. Il re- concilie la structure de l’énoncé considéré
court ainsi à un principe fondé sur l’intérêt, avec la théorie des parties du discours. Qu’elle
mais sur l’intérêt de la communication. — On s’expliq ue elle-même par des considérations
voit clairement ce q ue sont les enjeux de cette psycho-linguistiq ues — abréger l’analyse de
q uerelle des inversions sur le plan philoso- la pensée (Beauzée 1974, II, 396) — est une
phi
q ue (rationalisme-sensualisme), idéolo- autre affaire; ce q ui importe est de marq uer
giq ue (émancipation des langues modernes q u’elle assume une fonction proprement
par rapport aux modèles classiq ues), rhéto- grammaticale. Il en va de même q uand Beau-
riq ue (les altérations de l’ordre naturel sont zée réduit ‘combien coûte ce livre?’ à ‘dites-
liées aux vertus expressives de la proposition), moi le prix à l’égal duq uel prix coûte ce livre’
politiq ue également. On voit moins bien ce (Beauzée 1974, II, 415): le mot ‘combien’
q u’en sont les enjeux proprement linguis- ayant été caractérisé comme conjonctif, il
tiq ues. La vigueur des discussions atteste ce- exige un antécédent, donc une principale et
pendant le caractère nodal du problème q ui, une incidente, etc. L’art de suppléer, corrélatif
dans les Grammaires rationnelles, touche au de l’ellipse, est ainsi soumis à des règles q ui
cœur de la théorie en mettant en cause un doivent éviter l’arbitraire: on ne supplée q u’en
caractère du langage et de l’expression q u’il se fondant sur la présence du mot sous-en-
est difficile d’associer à un caractère corres- tendu dans d’autres expressions de même sens
pondant de la pensée: l’ordre linéaire. L’étude (et, en principe, empruntées aux meilleurs au-
de l’ordre des mots représente-t-elle une teurs) ou sur la logiq ue grammaticale, pour
«contribution (de la linguistiq ue) au projet reprendre avec Beauzée une expression de
anthropologiq ue», comme l’écrit un de ses Sanctius (Beauzée 1974, II, 445). Selon Beau-
derniers commentateurs (Hagège 1985, 187)? zée donc (et aussi selon Du Marsais 1971,
Ou faut-il y voir «un moment capital dans le Œuvres choisies I, 16 sq q ), l’ellipse joue tantôt
développement de la syntaxe», comme l’af- entre des structures attestées et dont l’une est
firme Marc Dominicy (1982, 318)? Quelle q ue plus développée q ue l’autre, tantôt entre un
soit l’hypothèse adoptée, la q uerelle des in- énoncé attesté et une réécriture de sens éq ui-
versions mériterait une analyse linguistiq ue valent et cautionnée en dernier ressort au
44.  La position de la grammaire rationnelle 633

niveau de la théorie des parties du discours. duction. La grammaire s’assure ainsi de son
Elle occupe un terrain q ui, dans la termino- emprise sur toute proposition; si longue soit-
logie de Catherine Fuchs (1983, 7), semble elle, elle se décomposera toujours en d’autres
aller de la paraphrase à la glose interprétative. propositions plus simples, jusq u’à ce q u’on
atteigne le niveau élémentaire. On comprend
2.3.3.  C’est également aux Grammaires ra- alors la terminologie à laq uelle recourt Du
tionnelles q ue nous devons une distinction q ui Marsais. Point de vue grammatical et point
était appelée à une longue carrière, la distinc- de vue logiq ue s’opposent comme point de
tion entre analyse logiq ue et analyse gram- vue de l’élocution et point de vue de l’enten-
maticale. Cette distinction permet de ré- dement; l’analyse grammaticale prend en
pondre au défi q ue constitue pour les Gram- charge les rapports syntaxiq ues entre les mots,
maires rationnelles l’introduction de la caté- l’analyse logiq ue se déploie sur le plan du
gorie des propositions complexes entre les sens, et la distinction-corrélation des deux
propositions simples et les propositions analyses figure, à l’intérieur même de la gram-
composées. C’est dans la deuxième édition de maire, la distinction-corrélation du langage et
la Grammaire de Port-Royal (1966, II, 20) de la pensée, sans laq uelle il n’y aurait pas de
q u’on voit apparaître cette catégorie. Elle est grammaire, de grammaire rationnelle en tout
indispensable pour appliq uer les définitions cas (v. art. 71).
sémantiq ues du sujet et de l’attribut (ce dont Un des sous-produits de la division en ana-
on affirme, ce q u’on affirme) à une proposi- lyse logiq ue et analyse grammaticale est dû à
tion comme ‘un habile magistrat est un Condillac: il s’agit de la tentative de mettre
homme utile à la Républiq ue’ (Port-Royal au point la catégorie de proposition subor-
1966, I, 68), dans laq uelle le sujet et l’attribut donnée (tentative, car cette catégorie, ne sera
ne sont pas représentés par des termes vraiment reçue dans les grammaires q ue vers
simples. Du Marsais proposera ensuite de dis- le milieu du XIXe siècle, cf. Chervel 1977, 80
socier la proposition considérée grammatica- sq q ). Il est intéressant d’y revenir afin de
lement de la proposition considérée logiq ue- montrer comment la grammaire a progressi-
ment sans parler encore d’analyse logiq ue et vement conq uis son territoire. A Port-Royal,
grammaticale (1971, Œuvres choisies III, 57 sans q ue la théorie en soit explicitée, on
sq q ). Beauzée appliq uera la même distinction constate de fait q ue la grammaire se limite à
au complément, au sujet et à l’attribut (1974, l’analyse des propositions simples et com-
II, 55 sq q ), et l’on verra apparaître l’expres- plexes (Pariente 1985, 129 sq q ); c’est à la
sion d’Analyse grammaticale chez Silvestre de logiq ue q u’il revient de traiter des proposi-
Sacy (1975, 258). Ces q uelq ues jalons tions composées. Beauzée, sur ce point, ne va
scandent la pénétration de notre distinction pas, malgré les apparences, beaucoup plus
dans le lexiq ue des grammairiens: il s’agit, loin q uand il se contente d’opposer proposi-
comme l’écrit Chevalier (1979, 20 sq q ) de la tions détachées et périodes, les propositions
mise en place d’un ›dispositif scolaire‹ de pre- détachées pouvant comporter des incidentes
mière importance. Parmi les diverses fonc- alors q ue les membres des périodes sont in-
tions q u’assume ce dispositif, retenons sa dépendants grammaticalement les uns des
fonction architectoniq ue au sein des Gram- autres (Beauzée 1971, II, 40 sq q ): certes la
maires rationnelles: la distinction entre ana- période est intégrée à la grammaire, mais ses
lyse logiq ue et analyse grammaticale permet membres ont la curieuse particularité de ne
d’étendre à l’ensemble des productions du pas entretenir de rapports grammaticaux,
discours les définitions et les procédures éla- tout en étant tous indispensables à la for-
borées pour la proposition simple. Si l’on mation d’un sens total. En introduisant la
reprend l’exemple donné par Du Marsais (‘ce- notion de subordination, Condillac se donne
lui q ui me suit, dit Jésus-Christ, ne marche (cf. Branca 1982, 289) un mode de structu-
point dans les ténèbres’), l’analyse gramma- ration commun pour la proposition et pour
ticale y fait apparaître trois propositions do- la période: de même q ue les idées sont subor-
tées chacune d’un sujet et d’un attribut, ce- données entre elles dans la proposition simple,
pendant q ue l’analyse logiq ue, une fois q u’elle de même y a-t-il une relation de subordination
a isolé l’incise, met en évidence une proposi- entre la proposition principale et les autres,
tion uniq ue avec un sujet complexe et un q ui forment les accessoires de son verbe
attribut complexe également; aux deux ni- (Condillac 1947—1951, Œuvres philos. I,
veaux de l’analyse, on retrouve les mêmes 501). Condillac doit, de ce fait, dissocier pro-
fonctions et les mêmes mécanismes de pro- positions subordonnées et propositions inci-
634 III. Positionen

dentes: il relève q ue l’incidente est rattachée 3.1. Les formes de la rationalité


à un mot de la principale et doit être placée
après lui (Condillac 1947—1951, Œuvres phi- En q uoi les Grammaires rationnelles rendent-
los. I, 532), tandis q ue la subordonnée est elles raison des faits linguistiq ues? On peut
rattachée tantôt au verbe, tantôt à l’ensemble constater q u’à côté d’une version officielle de
de la principale, ce q ui expliq ue q ue sa place la rationalité, intervient souvent une forme
ne soit pas fixe. Par son rattachement à un dont la théorie n’est pas faite, mais q ui est
mot, l’incidente se définit en termes gram- peut-être plus féconde q ue la précédente. Of-
maticaux; la subordination relève, elle, de ficiellement, en effet, rendre raison d’un fait
l’analyse logiq ue. Sicard (Roch Ambroise linguistiq ue, c’est montrer selon une dé-
Cucurron, 1742—1822) reprendra cette doc- marche de nature sémantiq ue comment il
trine dans 1799 (II, 159). Les développements contribue à l’expression de la pensée. Mais,
q ui précèdent donnent une idée des difficultés dès le début, c’est-à-dire la Grammaire de
q u’ont affrontées les Grammaires rationnelles Port-Royal, on s’aperçoit q ue ce principe gé-
et du type de solutions q u’elles ont cherché à néral ne suffit pas, car il y a des faits auxq uels
leur apporter pour rester cohérentes avec il est malaisé sinon impossible d’associer une
leurs principes. caractéristiq ue de la pensée. C’est, par
exemple, le cas avec la théorie du genre des
noms (Pariente 1985, 125; voir aussi 109 f).
3. Tensions internes Autre exemple: pour expliq uer la construction
dans la problématique ‘il est accusé de grands crimes’, alors q ue
des Grammaires rationnelles l’analogie exigerait ‘il est accusé de de grands
crimes’, les Messieurs invoq uent le souci
Il est toujours difficile de comprendre pour- d’éviter la cacophonie, empruntant ainsi le
q uoi une formation épistémiq ue disparaît; il principe d’explication à un ordre de phéno-
est du reste difficile de savoir ce q ui disparaît mènes q ui n’a rien à voir avec la pensée (cf.
et ce q ui subsiste lorsq u’une de ces formations le commentaire de Gross 1967, 108). Les
est remplacée par une autre. Dans le cas des Grammaires rationnelles se heurtent ici à une
Grammaires rationnelles, il serait excessif de espèce d’autonomie du langage dont tous les
penser q u’elles ont été totalement enterrées aspects ne se laissent pas réduire aussi aisé-
après l’apparition des grammaires historiq ues ment à la seule finalité d’exprimer la pensée.
et comparées: bon nombre des catégories syn- Les exemples précédents relevaient de la
taxiq ues q u’elles ont élaborées ont en fait été morphologie ou de la phonétiq ue. Mais on
transmises jusq u’à l’époq ue contemporaine. rencontre le même genre de difficultés là où
C’est q ue, à l’intérieur du cadre systématiq ue on ne l’attend pas, c’est-à-dire dans la syn-
dans leq uel elles se sont constituées, les gram- taxe. La discussion par Silvestre de Sacy d’une
mairiens ont d’un côté amassé un trésor d’ob- analyse de Sicard est révélatrice à cet égard.
servations portant sur des faits de morpho- Dans son Cours d’instruction d’un sourd-muet
logie et de syntaxe notamment, et ils ont d’un de naissance, Sicard, connu par ailleurs pour
autre côté affiné l’analyse des grands concepts ses Eléments de grammaire générale, avait es-
grammaticaux: ce double effort n’a pas été sayé d’expliq uer la construction de l’interro-
perdu. Il l’a été d’autant moins q ue, dans leur gative à sujet nominal: le sujet est placé avant
ambition d’universalité, les Grammaires ra- le verbe, puis repris après le verbe par un
tionnelles ont été conduites à briser la pri- pronom de la troisième personne. Pourq uoi
mauté antérieurement reconnue aux langues deux sujets, l’un avant, l’autre après le verbe?
classiq ues, et à affronter les problèmes posés S’il y a deux sujets, c’est, selon Sicard, q u’il
par des langues disparates, même si en fait y a deux verbes, donc deux propositions dans
l’intérêt pour les langues classiq ues est resté toute interrogation. Pour reprendre son
très grand. Cette confrontation entre prin- exemple ‘le Ciel est-il serein?’, il l’engendre à
cipes généraux et données empiriq ues se tra- partir de ‘le Ciel n’est pas serein; le Ciel est
duit à l’intérieur des Grammaires rationnelles serein’, la négative transmettant seulement
par une série de tensions conceptuelles q ui son sujet à l’interrogative, alors q ue le sujet
sont peut-être responsables, au moins par- de l’affirmative y est pronominalisé et déplacé
tiellement, de l’épuisement de leur élan pri- après le verbe (Sicard 1803, 137 sq q ). Sicard,
mitif. C’est à deux de ces tensions q ue seront on le voit, ne redoute pas les ellipses — ses
consacrées les remarques qui suivent. Eléments en donnent beaucoup de preuves —
ni les transformations; mais s’il propose ici
44.  La position de la grammaire rationnelle 635

cette analyse, c’est au nom d’un argument savoir si toute inversion relève de la même
purement sémantiq ue: celui q ui pose une régularité (de Sacy 1975, 229). Bien q u’il ne
q uestion énonce deux jugements contradic- justifie pas sa réponse négative à cette der-
toires entre lesq uels il donne le choix à son nière q uestion, il entrevoit ici un nouveau
interlocuteur; l’interrogation est la forme territoire de recherche. Reste q u’il ne s’y aven-
dans laq uelle l’émetteur met le récepteur de- ture pas. Pourq uoi? C’est difficile à dire, mais
vant la nécessité de choisir, et la réponse on peut soupçonner une fois de plus q ue sa
consiste à découvrir les deux propositions démarche est entravée par le caractère parti-
contenues dans la q uestion et à écrire (il s’agit culier du problème devant leq uel il s’est lui-
d’un sourd-muet) la proposition préférée sous même placé. Il rédige en effet des Principes
forme déclarative. On voit comment cette de Grammaire générale, mis à la portée des
analyse rend raison de la présence des deux enfants, et propres à servir d’introduction à
sujets en s’appuyant pour l’essentiel sur une l’étude de toutes les langues; même en laissant
interprétation de l’acte d’interrogation q ui de côté la visée pédagogiq ue de son texte,
commande la mise en œuvre d’un dispositif l’ambition de généralité fait obstacle au dé-
syntaxiq ue. C’est la sémantiq ue q ui com- veloppement d’une analyse q ui porte sur une
mande les manœuvres syntaxiques. construction dont il a relevé q u’elle n’est pas
Après avoir discuté l’interprétation donnée commune à toutes les langues (de Sacy 1975,
par Sicard de l’interrogation, Silvestre de Sacy 227).
(1975, 226 sq q ) fait observer q ue le double
sujet et l’inversion se rencontrent dans 3.2. Le traitement de la diversité
d’autres constructions, dont il donne plu-
sieurs exemples, tels q ue ‘je ne crois pas q ue Tout reconduit, on le voit, aux problèmes q ue
la vertu demeurât jamais sans récompense, la diversité linguistiq ue pose aux Grammaires
Dieu fût-il aussi injuste q u’il est juste’, et il rationnelles. Même si ces grammaires recon-
met le phénomène en rapport avec l’ellipse naissent, on l’a dit plus haut (cf. 1.2.1), les
d’un conjonctif et de son antécédent (‘en sup- particularités des langues effectivement par-
posant même q ue Dieu soit aussi injuste q u’il lées, même si elles admettent entre les langues
est juste’). Il remarq ue ensuite q ue la forme naturelles l’existence de différences attribuées
interrogative peut être réduite à une forme au génie des peuples (voir Beauzée 1973, 136)
affirmative ou hypothétiq ue par le rétablis- et pour chaq ue langue l’existence d’un prin-
sement d’un conjonctif et de son antécédent cipe de variation et d’altération analysé dans
(‘est-il sujet à l’erreur?’ éq uivaut à ‘dites-moi l’article Etymologie de l’Encyclopédie, cette
s’il est sujet à l’erreur’). L’inversion du sujet reconnaissance ne définit pas à elle seule le
dans l’interrogation est donc la trace laissée traitement de la particularité dans les Gram-
par une ellipse. Simplement, q uand le sujet maires rationnelles. Il importe, pour conclure,
de la proposition avec conjonctif était un pro- de caractériser les problèmes q ue leur pose la
nom, on se contente de le déplacer; q uand diversité du donné linguistiq ue, et le style des
c’était un nom, on le laisse avant le verbe et solutions q u’elles adoptent. — Compte tenu
on conserve le pronom après le verbe. Quelle des postulats de ces grammaires, q uand elles
q ue soit la valeur des remarq ues de Silvestre se trouvent en présence de deux langues dif-
de Sacy, on voit q u’elles cherchent la raison férentes, l’issue théoriq uement la plus satis-
du phénomène considéré dans une direction faisante consiste à montrer q ue ces langues
bien différente de celle de Sicard. Rendre rai- résolvent les mêmes problèmes par des
son, ce n’est plus découvrir dans la syntaxe moyens différents; la diversité est alors loca-
de l’interrogation une trace de sa nature lisée au plan des moyens et n’affecte pas l’ap-
d’opération spirituelle (le double sujet et l’in- partenance des langues considérées au même
version comme marq ues des deux proposi- ensemble: il n’y aurait au fond q u’une langue,
tions contradictoires entre lesq uelles l’émet- q ui se réaliserait sous des espèces diverses.
teur ne choisit pas), c’est insérer le phénomène Mais on va voir q ue, si cette solution inspire
à étudier dans un réseau de phénomènes de la stratégie de certaines grammaires, sa mise
même structure, mettre en évidence une ré- en œuvre se heurte à de nombreux obstacles.
gularité syntaxiq ue dont il apparaisse comme Considérons le problème des cas; c’est un de
un produit. C’est une tout autre idée de la ceux q ui révèlent le mieux la présente diffi-
raison grammaticale q ui se fait jour chez Sil- culté, car la présence ou l’absence de cas peut
vestre de Sacy. Elle le contraint du reste à servir de principe de distinction entre langues,
poser des problèmes neufs, comme celui de et a effectivement conduit Girard à opposer
636 III. Positionen

langues analogues et langues transpositives des personnes verbales, q uand le prédicat est
(pour ne pas parler des langues mixtes). lui-même un verbe.
Il reste alors à la grammaire à définir les
3.2.1.  Le traitement des cas chez Meiner offre marq ues linguistiq ues associées à ces fonc-
un exemple pratiq uement pur de la solution tions, appelées ‘cas’. Meiner le fait en divisant
esq uissée ci-dessus, selon laq uelle toute les langues en deux sous-ensembles, celles q ui
langue résout les mêmes problèmes par des font correspondre à chaq ue cas des terminai-
moyens différents. Meiner, on le sait (cf. 2.2.), sons différentes données aux noms, et celles
fait du prédicat le centre de la proposition. Il q ui, comme l’allemand, le français ou l’hé-
est cohérent avec ce principe q uand il rattache breu, se sont facilité les choses (1975, 171) en
le problème de la déclinaison à celui des dé- plaçant devant les noms à décliner certains
terminations nécessaires q u’un prédicat doit signes (›Casuszeichen‹) ou en utilisant une
recevoir pour être complètement expliq ué. Il combinaison des deux procédés. On déter-
ne s’agit pas ici de la simple saturation lo- mine par exemple de la façon suivante la
giq ue, mais plutôt de la détermination déclinaison du français (Meiner 1975, 179
complète de son sens. Meiner définit alors sq q ): il ne faut q ue deux signes de cas (‘de’
successivement des ensembles de q uatre, puis pour le génitif, ‘à’ pour le datif); le vocatif est
cinq , puis six déterminations q ui doivent confondu avec le nominatif, sauf à employer
s’ajouter au prédicat pour l’expliq uer, et s’es- la particule ‘o!’, le nominatif et l’accusatif sont
time satisfait q uand il obtient le troisième définis par leur place par rapport au prédicat.
ensemble, q ui se trouve précisément composé La Grammaire rationnelle a fait ainsi son
d’autant d’éléments q u’il y a de cas en latin. œuvre: toutes les langues sont des réalisations
Meiner classe donc d’abord les prédicats selon d’un même modèle; l’analyse consiste à définir
le nombre d’objets dont ils dépendent, un, ce modèle et à utiliser diverses stratégies pour
deux ou trois. En analysant cette dépendance, montrer que toute langue s’y réduit.
il découvre q ue le prédicat a toujours besoin
d’un sujet; s’il correspond à une action, cette 3.2.2.  Du même problème des cas, Beauzée
action s’exerce sur un objet passif («leidender donne un traitement très différent. Les déve-
Gegenstand», Meiner 1975, 133 sq q ); elle loppements de Meiner reposent, on l’a noté,
s’exerce de plus à l’aide d’un instrument sur une assimilation de la notion de cas et de
(«Instrument und Werkzeug», Meiner 1975, celle de fonction: le cas n’est pas pour lui une
148); le prédicat peut enfin convenir au sujet entité morphologiq ue, mais un moyen de dé-
en raison d’une certaine personne ou chose terminer complètement un prédicat, et l’uti-
(«um einer gewissen Person oder Sache wil- lisation de la morphologie à cette fin est fa-
len», Meiner 1975, 149) q ui forme alors son cultative. Beauzée, toujours soucieux de dé-
objet personnel. On obtient ainsi les fonctions finitions rigoureuses, part, lui, d’une carac-
auxq uelles correspondent les q uatre cas: no- térisation morphologiq ue (1974, II, 101), ce
minatif, accusatif, ablatif, datif. On introduit q ui l’amène tout de suite à conclure, comme
le cinq uième cas, le génitif, en notant q ue les Du Marsais ou Harris, q ue «la distinction
noms q ui désignent les objets assumant l’une des Cas n’est pas d’un usage universel dans
des fonctions précédentes peuvent demander toutes les langues». Sur cette base, la théorie
à être précisés en étant mis en rapport avec des cas va prendre chez lui une tout autre
d’autres noms: ces autres noms se mettront tournure q ue chez Meiner. Il n’est plus q ues-
au génitif (Meiner 1975, 153 sq q ). Comment tion de reconnaître les mêmes cas partout et,
passer maintenant au sixième cas? en dédou- par exemple, Beauzée montrera q u’on ren-
blant le cas du sujet en nominatif (pour les contre aussi bien des langues à trois cas
première et troisième personnes) et en vocatif (arabe) q u’à q uatorze cas (lapon): on ne peut
(pour la deuxième personne); ce sixième cas pas poser le problème des cas dans les mêmes
n’est donc pas indispensable, mais sa possi- termes q ue chez Meiner. Que peut alors faire
bilité doit être ménagée (Meiner 1975, 162 le grammairien? mettre en évidence la diver-
sq q ). On voit donc q ue Meiner obtient les six sité des procédés utilisés dans les différentes
cas recherchés au terme d’une analyse q ui met langues pour obtenir les résultats q ue le latin
en jeu une théorie de la détermination obtient par les cas: indiq uer le rapport de
complète du prédicat prolongée par la théorie chaq ue mot d’une proposition à l’ordre ana-
de la détermination du nom, pour le génitif, lytiq ue de l’énonciation. On déterminera donc
et, éventuellement, par un emprunt à la liste le champ des possibles q ui va des langues
dépourvues de prépositions (basq ue et péru-
44.  La position de la grammaire rationnelle 637

vien, Beauzée 1974, II, 162) aux langues dé- chaq ue langue étudiée; il ne s’agit plus d’an-
pourvues de cas (langues modernes du midi nuler les particularités de chacune pour les
de l’Europe, Beauzée 1974, II, 161): il restera analyser, mais de mettre en évidence ces par-
aux grammaires particulières à situer chaq ue ticularités et d’en ressaisir si possible la co-
langue dans ce champ. On raffinera encore la hérence. Ce q ui empêche peut-être Beauzée
théorie générale en rappelant q ue les langues de pousser ce mouvement à son terme, c’est
dépourvues de cas pour les substantifs en q u’il partage avec les grammairiens de son
admettent pour les pronoms (Beauzée 1974, temps une idée de la particularité linguistiq ue
II, 152 sq q ). En ce q ui concerne les langues q u’on peut q ualifier de babélienne. Il faudra
q ui déclinent les substantifs, on insistera sur attendre Saussure pour q ue l’arbitraire du
la nécessité de ne pas confondre la valeur signe cesse d’être un obstacle à la rationalité
(Beauzée 1974, II, 162 sq q ) des cas dans deux de la langue et en devienne l’un des fonde-
langues différentes, et on établira, pour ments. Mais ceci est une autre histoire.
conclure, une relation entre théorie des cas et
théorie des nombres (Beauzée 1974, II, 172
sq q ). L’essentiel paraît être ici pour la Gram- 4. Bibliographie sélective
maire rationnelle de définir a priori les pos-
sibilités ouvertes aux langues, et de faire ap- 4.1. Textes originaux
paraître les cas comme une des solutions au
Arnauld/Lancelot 1660, Grammaire générale et rai-
problème commun q ui consiste à savoir q uel
sonnée.
rang un mot occupe dans l’ordre analytiq ue
Bref mais essentiel, ce livre inaugure le mouvement
de la proposition. La notion de cas ne fait
des Grammaires rationnelles.
donc plus partie de la Grammaire générale en
Beauzée 1767, Grammaire générale.
ce sens q u’elle ne s’impose plus comme chez
Important par son contenu propre et par la dis-
Meiner à la description de toute langue; mais
cussion toujours lucide de la littérature relative aux
elle en fait toujours partie en ce sens q ue la
questions traitées.
Grammaire générale doit ménager la possi-
Harris 1751, Hermes.
bilité q ue certaines langues particulières se
Texte capital, q ui a exercé une influence considé-
caractérisent par la présence des cas.
rable dans toute l’Europe.
Comment analyser les différences entre le
Meiner 1781, Philosophische und allgemeine Sprach-
style de Meiner et celui de Beauzée? On peut
lehre.
être tenté de les rapprocher en argumentant
Cette version de la Grammaire générale est plus
de la façon suivante: au fond Meiner et Beau-
originale qu’il ne semble à première vue.
zée traitent la diversité linguistiq ue de la
même manière, mais à des niveaux différents.
Meiner fait de la présence des cas un universel 4.2. Etudes
linguistiq ue, Beauzée définit l’universel au ni- Aarsleff 1975, The Eighteenth Century, including
veau de la fonction q ue les cas assurent ici, Leibniz, in: Sebeok 1975.
mais q ue d’autres instruments linguistiq ues Auroux 1979 a, La sémiotique des Encyclopédistes.
assurent là: les deux grammairiens visent donc Brekle 1975, The Seventeenth Century, in: Sebeok
à réduire toute langue à un schéma préétabli, 1975.
et c’est en cela q u’ils sont tous les deux des Chevalier 1968, Histoire de la syntaxe: Naissance
auteurs de Grammaires rationnelles. Cette de la notion de complément dans la grammaire fran-
présentation néglige néanmoins une nuance çaise.
épistémologiq ue importante. On peut l’expri- Coseriu 1969, Die Geschichte der Sprachphilosophie
mer en recourant à une distinction proposée von der Antike bis zur Gegenwart.
dans un travail antérieur (Pariente 1973, 180 Dominicy 1984, La naissance de la grammaire mo-
sq q ), celle des systèmes et des modèles. Mei- derne.
ner construit un système linguistiq ue: sa doc- Gusdorf 1973, L’avènement des sciences humaines
trine du langage détermine les traits q ue toute au Siècle des Lumières.
langue doit présenter pour être une langue et Robins 1967, A Short History of Linguistics.
réduit les langues particulières à cet ensemble Sebeok 1975, Current Trends in Linguistics XIII, 1.
de traits. La Grammaire générale de Beauzée
vise, q uant à elle, à permettre aux grammaires Jean-Claude Pariente, Clermont-Ferrand
particulières de constituer des modèles pour (France)
638 III. Positionen

45. Die hermeneutische Position

1. Einleitung: Die philosophische Hermeneutik schen Sinne (Martin Heidegger, Hans-Georg


als sprachphilosophische Position Gadamer). Die Universalisierungstendenzen
2. Formen der philosophischen Hermeneutik innerhalb der Hermeneutik traten erst in der
2.1. Die ›traditionelle Hermeneutik‹ als Kunst- neueren Philosophie in Erscheinung und er-
lehre der Interpretation langten ihren Höhepunkt innerhalb der so-
2.2. Die ›moderne Hermeneutik‹ in der Ausein- genannten ›sprachlichen Wende‹ (linguistic
andersetzung mit dem Methodenproblem turn) der Gegenwartsphilosophie. Diese Tat-
2.3. Die ›neue Hermeneutik‹ als Modell der sache legt zunächst eine historisch-systema-
Sprachlichkeit menschlichen Selbstverhaltens tische Problementfaltung nahe, die sich auf
3. Zur gegenwärtigen Hermeneutik-Diskussion den Übergang der Hermeneutik als Kunst-
3. Die Auseinandersetzung um die Autonomie lehre zur Hermeneutik als philosophische Dis-
Die Auseinandersetzung um die Autonomie ziplin (2.1.), sodann auf die beiden Hauptfor-
der hermeneutischen Methode men der philosophischen Hermeneutik als
3.2. Die Struktur hermeneutischer Argumentation geisteswissenschaftliche Methodenlehre (2.2.)
4. Literatur in Auswahl und als existenzialontologische Verstehens-
lehre (2.3.) beschränkt. Nach der Skizze ver-
schiedener Kritiken an der Hermeneutik (3.1.)
1. Einleitung: wird abschließend die Struktur der Herme-
Die philosophische Hermeneutik neutik präzisiert und damit auf den heutigen
als sprachphilosophische Position Diskussionsstand gebracht (3.2.).
Hermeneutik ist die Kunstlehre der Interpre-
tation, das heißt die Lehre, welche die Me-
thoden und Regeln zum Verstehen von sinn- 2. Formen
haltigen Formen (Betti 1967, 60) untersucht der philosophischen Hermeneutik
und für einzelne Wissenschaften bereitstellt.
Wird der Interpretationsprozeß nicht nur als 2.1. Die ›traditionelle Hermeneutik‹ als
Praxisanleitung für bestimmte Wissenschaf- Kunstlehre der Interpretation
ten verstanden, sondern zugleich auf seine
Möglichkeiten zur Sinnstiftung reflektiert, so 2.1.1.  Der Ursprung der Hermeneutik liegt in
weitet sich die Hermeneutik zur universellen der Theologie. Die Theologie übt als Wort
Methode oder — alternativ — zur allgemei- vom Göttlichen eine Vermittlerfunktion aus.
nen Lehre des menschlichen Verhaltens aus. Sie erschließt das Fremdartige, Jenseitige und
Man spricht dann besser von philosophischer ganz Andere der religiösen Transzendenz in
Hermeneutik. Weil Interpretationen sich stets seiner Bedeutsamkeit und macht es damit
in sprachlichen Akten vollziehen, erscheint dem Menschen zugänglich. Das damit ver-
sowohl die hermeneutische Universalmethode bundene ›zum Verstehen bringen‹ (ἑρμηνεύ-
als auch die anthropologische Charakterisie- ειν) umfaßt die Transformation des göttlichen
rung der Hermeneutik als Teil der Sprach- Geschehens und der geheimnisvollen Zeichen
philosophie. Diese versteht sich dann aller- in Worte einer dem Gläubigen zugänglichen
dings nicht als spezielle Disziplin innerhalb Sprachwelt. Das Erklären des nicht unmittel-
des Kanons philosophischer Einzelbereiche, bar verständlichen oder in einer anderen
sondern stellt als Fundamentaldisziplin den Sprache abgefaßten Textes kann zum existen-
Kern philosophischer Bemühungen über- tiellen Anliegen werden. Besonders in der jü-
haupt dar. In einer solchen Sprachphilosophie disch-christlichen Tradition hängt das Heil
werden die letzten Gründe des Seins und die des einzelnen Gläubigen und die Existenzfä-
allgemeinen Sinnzusammenhänge reflektiert; higkeit der Gemeinschaft (Volk Gottes, Kir-
sie ersetzen ältere Formen der Vernunftkritik che) weitgehend von der richtigen Interpre-
und der Metaphysik durch Sprachkritik (Lo- tation der ›Heiligen Schriften‹ ab. Zur Be-
renz 1970, 23). Hermeneutik als sprachphi- wältigung dieser folgenreichen Aufgabe ent-
losophische Position ist daher stets philoso- wickelten Schriftgelehrte umfangreiche Me-
phische Hermeneutik. Sie stellt alle sprach- thoden der Auslegung, die später für andere
philosophisch bedeutsamen Aspekte unter Bereiche vorbildlich wurden. Die so entstan-
den Leitbegriff des Verstehens, — sei es in dene Interpretationskunst hatte nicht nur den
einem mehr methodologischen (Wilhelm Zweck, die Kluft zwischen der göttlichen Of-
Dilthey), sei es in einem existenzialontologi- fenbarung und dem menschlichen Auffas-
sungsvermögen zu überbrücken, sondern sie
45.  Die hermeneutische Position 639

mußte zugleich das Problem des historischen des Neuen Testaments. Durch die Kanonisie-
Zeitenabstands lösen. Darunter versteht man rung bestimmter Schriften und durch die Pra-
die Tatsache, daß die Texte aus alten Zeiten xis endgültiger kirchlicher Lehrentscheidun-
in geschichtlich veränderten Verhältnissen gen wurde jedoch die Einheit des Schriftsinnes
entschlüsselt werden mußten. Die Lösung des gewahrt, obwohl sich ein Prozeß vollzogen
Problems war durch das Wissen bestimmt, hatte, der die zentrale Problematik jeder Her-
daß die Texte und Zeichen Offenbarungsin- meneutik hätte vor Augen stellen können: ein
halte vermittelten, deren Wahrheitskern im Text, nämlich das Alte Testament, wurde in
Gegensatz zu weltlichem Wissen weiter be- seinem vollen Wortlaut als Legitimationsin-
stand und auch durch die Zeiten hindurch stanz beibehalten, obwohl sich der Standort
den Menschen prinzipiell zugänglich geblie- des Interpreten radikal verändert hatte; wäh-
ben ist. Es ging nur darum, den richtigen Weg rend der Text zuerst das Gesetz Gottes un-
fortzusetzen, der durch die geheiligte Tradi- mittelbar vermittelt hatte, bedeutete er jetzt
tion vorgezeichnet war. Die Überzeugung von Wegbereitung und Verheißung dessen, was
der im Text enthaltenen letzten Wahrheit als sich in Christus vollenden sollte. Auch die
Offenbarungsinhalt garantierte die Möglich- bedeutsamen hermeneutischen Reflexionen
keit einer sinnvollen Auslegung im Wandel des Origenes (185—254) und Aurelius Au-
der Zeiten. Die Hermeneutik als allgemeine gustinus (354—430) (s. Art. 16), die für ein
Auslegungskunst erhielt ihre Legitimation Jahrtausend die Kunstlehre der kirchlichen
und ihre perennierende Einheit allein aus dem Interpretation bestimmten, betrachteten dies
Glauben an die Heiligkeit des Ausgelegten. als historische Selbstverständlichkeit, die ganz
Trotzdem setzten Reflexionen über die im Dienste der einheitlichen Glaubensver-
praktizierte Auslegung ein, welche die ver- mittlung stand.
wendeten Regeln vor allem in grammatische Jedes Ereignis, das in der Auseinanderset-
Kontexte stellten. Durch die Einbeziehung zung mit heidnischen Interpretationen die
der antiken Kulturleistungen wurden außer- Einheit des Glaubens bedrohte oder gar zer-
theologische Gesichtspunkte fruchtbar. Nach- störte, bedeutete einen Schritt hin zur Idee
dem in Griechenland die homerischen Epen einer autonomen philosophischen Hermeneu-
zum Bildungsgut geworden waren, entwickel- tik, deren Deutungen nicht mehr innerhalb
ten sich in den Zeitaltern der Sophistik, der eines institutionell vorgegebenen Rahmens er-
Stoa und des Hellenismus die Anfänge einer folgten, sondern eben dessen Legitimation re-
Sprachwissenschaft, die Grammatik, Exegese flektierten. Der folgenreichste Einschnitt auf
und Textkritik mit den Bedürfnissen der Rhe- diesem Wege war zweifellos die Reformation.
torik und Poetik verband (s. Art. 2). Streng Es ist kein Zufall, daß in ihr der katholische
grammatische Interpretationen konkurrierten Leitbegriff der institutionalisierten Tradition
mit allegorischen Umdeutungen. Letztere durch den neuen Leitbegriff der Selbstausle-
mußten besonders im Bereich der fremd ge- gung der Heiligen Schrift ersetzt wurde. Die
wordenen Mythologie die hermeneutische Bedeutsamkeit der Sprache, die durch die Er-
Differenz zwischen Text und Interpretation rungenschaften der humanistischen Sprach-
überwinden. Diese in der Antike geschaffenen studien und Übersetzungen jener Zeit unter-
Bausteine einer allgemeinen Hermeneutik mit strichen wurde, konkretisierte sich im luthe-
ihren ad-hoc Regeln unterschieden sich je- rischen Prinzip der Schrift als sui ipsius inter-
doch prinzipiell von dem Kanon der jüdisch- pres. Trotz dieser Wende verharrte aber Mar-
christlichen Auslegungspraxis. Durch den tin Luther (1483—1546) als Christ weiter im
strengen Gesetzesbegriff und durch das klare Umfeld der theologischen Hermeneutik. Die
Bewußtsein von den Heilstaten Jahwes war Überzeugung, daß die Klarheit der Schrift aus
hier alle Interpretationskunst auf einen festen der Klarheit der Sache Christi folgt und jedem
Kern hin konzentriert. Weil im Gegensatz zur in der Gnade Gottes Stehendem notwendig
Auseinandersetzung mit der Welt der antiken einsichtig werden muß, zeigt die Grenzen des
Mythologie der Gesamtsinn nicht in Frage hermeneutischen Prinzips Luthers. So blieb
gestellt wurde, erfolgte keine Problematisie- die Praxis der Bibelauslegung auch hier als
rung der Methode. Selbst die radikale Rela- Kunstlehre der Auserwählten vorherrschend.
tivierung der Gesetzesauffassung durch Jesus
änderte an dieser Selbstsicherheit nichts. Der 2.1.2.  Der Einfluß der Aufklärung und der
Glaubensinhalt verlagerte sich zwar von den Fortschritt der Wissenschaften verdrängten
Gesetzesaussagen des Alten Testaments auf im Laufe der Jahrhunderte die alten Autori-
die Taten Jesu und später auf die Aussagen täten. Sowohl das kirchliche Traditionsprin-
640 III. Positionen

zip als auch die Lehre von der Verbalinspi- tik als ›Kunstlehre‹ spricht. Sein Ziel war zwar
ration und der Selbstauslegung der Heiligen eine universelle Lehre des Verstehens; er be-
Schrift verloren an Überzeugungskraft. Es zog sich aber außer auf die traditionellen her-
entstand eine eigenständige Bibelwissen- meneutischen Disziplinen vorwiegend auf
schaft, welche die Heiligen Schriften selbst- Kunstwerke, Briefe, Gespräche und journa-
kritisch auf die gleiche Stufe stellte, auf der listische Produkte. Die folgenreiche Anwen-
die profane Literatur stand. Die neuen Au- dung auf die Geschichte war der historischen
toritäten erhielten ihre Legitimation durch Schule vorbehalten. Bei Schleiermacher dien-
eine allgemeine menschliche Vernunft (s. Art. ten die Einsichten in geschichtliche Zusam-
8). Man war überzeugt, daß alle Menschen menhänge eher als Hilfsmittel für psycholo-
wegen ihrer gleich bleibenden Natur Zugang gische und biographische Erkenntnisse. Denn
zur gleichen ewigen Vernunftwahrheit hätten der Andere war für Schleiermacher der
oder durch geeignete pädagogische Prozesse Fremde, nicht nur in der Vergangenheit, son-
im Lauf der Zeit dorthin erzogen werden dern auch in der Gegenwart. Diese Fremdheit
könnten. So verdrängte das „natürliche Licht galt es zu überwinden. Die Hermeneutik
der Vernunft“ als neue hermeneutische Norm wurde so zur universellen „Kunst, Mißver-
(Spinoza 1670, C.7) die alten Prinzipien. Da ständnisse zu vermeiden“ (Schleiermacher
aber die Vernunft auch und vor allem Selbst- 1910—13, Werke IV, 145), die sich aus der
reflexion ist, war damit der Weg frei für eine Fremdheit ergeben. Damit ist das Ziel für die
philosophische Hermeneutik, welche die Ver- philosophische Hermeneutik Schleiermachers
nunft nicht nur als Instrument der Interpre- vorgezeichnet: Es gilt, das Individuum zu ver-
tation verwendete, sondern diese zugleich le- stehen. Dazu ist es notwendig, den Lebens-
gitimierte. Dabei ging es um eine ›vernünftige‹ zusammenhang zu durchleuchten, in dem das
Erklärung der Tatsache, daß in den Schrifter- Individuum steht. Beim eigentlichen Nach-
zeugnissen nicht nur bestimmte Personen ihre vollzug muß man nach Schleiermacher zwei
individuellen Sinnvorstellungen und Absich- Verstehensweisen unterscheiden, die divina-
ten ausgedrückt haben, sondern daß in der torische und die komparative. Divinatori-
Sinnmanifestation ein Überschuß an objek- sches Verstehen ereignet sich dort, wo eine
tiver Bedeutung erscheint, der von den Auto- innere Wesensverwandtschaft besteht, sich
ren so nicht bewußt hineingelegt worden sein der Interpret also ganz in den anderen hin-
konnte. Was in den heiligen Schriften durch einversetzen kann. Die weniger exklusive Me-
das Wirken göttlichen Geistes garantiert war, thode, die auch wissenschaftlich weiterentwik-
wird nun zum Problem: Das Verstehen des kelt werden kann, betrifft das komparative
objektiven Sinnes von Texten über die Zeiten Verstehen. Hier werden vor allem grammati-
hinweg. Zur Bewältigung dieser Aufgabe be- sche, aber auch historische und sachliche Ge-
durfte es einer universellen Betrachtung des sichtspunkte wirksam. In der grammatischen
Interpretationsprozesses, wie sie von Fried- Interpretation wird der Text in die Geschichte
rich Daniel Schleiermacher (1768—1834) in der Literaturgattung eingeordnet; die Ziele
der romantischen Hermeneutik realisiert der Gattung erlauben dann den Schluß auf
wurde. den Sinn des Einzeltextes. Die kleineren Text-
einheiten müssen daher in ihrer Redaktions-
2.1.3.  Nach Georg Wilhelm Friedrich Hegel geschichte analysiert werden. Verschiedene
(1770—1831) (1927—40, Sämtl. Werke XII, Einordnungen in die Textzusammenhänge be-
122 f) definieren Seele, Innerlichkeit und Sub- dingen Sinnverschiebungen, die es zu be-
jektivität den Kern der Romantik (s. Art. 13). schreiben gilt. Von der grammatischen Inter-
Die damit verbundene Hinwendung zur In- pretation Schleiermachers sind wichtige Im-
nerlichkeit der Individuen verschärfte noch pulse auf die formgeschichtliche Forschung
die Frage nach der Möglichkeit der Sinnver- der Theologie des 19. Jahrhunderts ausgegan-
mittlung, die in der Aufklärung durch die gen, die dann bald durch sozialgeschichtliche
Allgemeinheit der Vernunft ermöglicht schien. Aspekte ergänzt wurden. Für die philosophi-
Schleiermacher, der die romantische Herme- sche Hermeneutik wirkungsvoller dagegen
neutik prägte, versuchte eine Lösung, welche wurde die psychologische Interpretation, die
die Psychologie des Einzelnen mit der Allge- sich später nahezu verselbständigte. Gleich-
meinheit der Grammatik vermittelte. Seine zeitig mit Schleiermacher entwickelte 1808
Hermeneutik ist nicht mehr mit der Praxis der Friedrich Ast (1778—1841) in seinem Grund-
Theologen, Philologen und Juristen identisch, riß der Philosophie eine Verstehenslehre, die
wenn er auch weiterhin von seiner Hermeneu- historisches, grammatisches und geistiges Ver-
45.  Die hermeneutische Position 641

stehen unterscheidet. Das geistige Verstehen der Gedanken Gottes. Nicolaus Cusanus
meint das Eindringen in den Geist des Autors (1401—1464) hatte noch vom Menschen als
und entspricht dem Bemühen Schleierma- Deus alter gesprochen, der in seiner Tätigkeit
chers um die Biographie des Verfassers. Wird als Mathematiker die Gedanken Gottes nach-
die Entstehung des Gedankens im Indivi- konstruiert (1565, 70). So war den Forschern
duum rekonstruiert, dann ist auch der Sinn, die Natur nichts Fremdes, und die Verbin-
der vermittelt werden soll, offenkundig. Ver- dung zum Schöpfer des Kosmos, der in ihrem
stehen ist nichts anderes als die Umkehrung Leben auch sonst eine entscheidende Rolle
des Produktionsvorgangs. Dabei scheint der spielte, war nicht abgerissen. Jetzt dagegen
objektive Überschuß im bloß subjektiv Ge- bedeutete Naturwissenschaft das von Person-
wollten verloren zu gehen. Aber Produktion bezügen befreite Aufsuchen allgemeiner Ge-
und Reproduktion können nie identisch sein, setzmäßigkeiten, das auf ein Subsumieren von
weil der Reproduzierende zugleich die Bedin- Erscheinungen unter fremde Abstraktheiten
gungen kennt, die der Produzierende unbe- hinauslief. Und eben diese Methode sollte
wußt und unmittelbar erfüllt hat. Deshalb auch in der Geschichte, in der Interpretations-
konnte Schleiermacher immer wieder beto- kunst und in der Philosophie angewandt wer-
nen, daß der Interpret den Autor besser ver- den, damit sie in den Rang von Wissenschaf-
stehen muß, als dieser sich selber verstanden ten erhoben werden können. Nachdem so
hat. Hier wird deutlich, daß in den romanti- auch für die Hermeneutik einerseits Methode
schen Verstehenslehren die Idee einer geisti- und Wissenschaftlichkeit als selbstverständli-
gen Kommunikationsmöglichkeit zwischen che Merkmale betrachtet wurden, anderer-
allen Menschen mitgedacht wird, die pan- seits aber die naturwissenschaftliche Methode
theistisch oder panpsychistisch ausgedeutet das Eigentliche im Interpretationsprozeß
werden kann. Man glaubt in jedem Falle, nicht erfassen zu können schien, war es nur
durch Verstehen zum eigentlichen allgemeinen folgerichtig, eine autonome Methode neben
Geist, der häufig als neue Humanität gedacht den erklärenden Naturwissenschaften zu pro-
wurde, vordringen zu können. pagieren. Genau dies versuchte Dilthey. Sein
Die Entstehung der philosophischen Her- Name ist verbunden mit der Etablierung der
meneutik als universelle Verstehenslehre bei philosophischen Hermeneutik als autonome
Schleiermacher lebt aus dem Geist der Me- Methode der sogenannten ›Geisteswissen-
taphysik. Durch sie erhält die Lehre ihre Ein- schaften‹; ein Ausdruck, der mit dieser be-
heit. Aber wie ist eine philosophische Her- grifflichen Rolle 1849 erstmals in einer von J.
meneutik denkbar, die bewußt auf die Beru- Schiel besorgten Übersetzung des System of
fung auf Metaphysik verzichtet? Wilhelm Dil- Logic von John Stuart Mill (1806—1873) (s.
they (1833—1911) glaubte, die Frage dadurch Art. 30) auftritt und für ‘moral science’ steht.
beantworten zu können, daß er das Verstehen Dilthey stellt dem Begriff des Erklärens den
als wissenschaftliche Methode deutete und da- Begriff des Verstehens entgegen: „Die Natur
mit die philosophische Hermeneutik in die erklären wir, das Seelenleben verstehen wir“
Grundlagendisziplin der sogenannten Gei- (Dilthey 1914—1936, Ges. Schr. V, 144). Die
steswissenschaften verwandelte. Präzisierung des Verstehensbegriffs fällt mit
der Explikation der neuen Methode zusam-
2.2. Die ›moderne Hermeneutik‹ in der men (s. Art. 94). Verstehen befaßt sich mit
Auseinandersetzung mit dem Sinn, d. h. mit geistigen Manifestationen. Das
Methodenproblem Fundament des Geistes aber bilden für Dil-
they ›Erlebnisse‹. Diese sind Glieder eines Le-
2.2.1.  Nach der Romantik hatte der Siegeszug bensvorgangs, also Elemente eines geglieder-
der Naturwissenschaften alle geistigen Berei- ten Ganzen, in dem sowohl der Interpret als
che, insbesondere auch die Philosophie, nach- auch der Interpretierte stehen. Deshalb bedarf
haltig beeinflußt. Folgenschwer war dabei der der Geisteswissenschaftler keiner allgemeinen
Umstand, daß die naturwissenschaftliche Me- hypothetischen Gesetze. Das Eingebunden-
thode als rein mathematisch-experimentelle sein in den Lebensstrom ermöglicht die Er-
Methode mit einer radikalen Entzauberung fassung der von Menschen geschaffenen Zu-
des Erkenntnisvorgangs einherging. Die Vor- sammenhänge von innen her, eben durch
läufer und Begründer der Naturwissenschaft ›Verstehen‹. Geisteswissenschaftler „denken
verstanden die Gesetzeserkenntnis noch als nur weiter, was in der Lebenserfahrung schon
ein Lesen im Buche der Natur und das Er- gedacht wird“ (Gadamer 19723, 208). Da-
klären war ihnen zugleich ein Nachdenken durch versuchen sie, innerhalb eines Ganzen,
in dem sie schon stehen, Einzelnes zu erfassen,
642 III. Positionen

das umgekehrt dieses Ganze besser verständ- Welt nur als Gegenstände, in denen der Geist sich
lich macht (›hermeneutischer Zirkel‹). Dieses selbst tiefer erkennt. Sofern er sie als Objektivation
Ganze ist die geschichtliche Welt. Wie schon des Geistes versteht, übersetzt er sie zurück ‘in die
Giambattista Vico (1668—1744) (s. Art. 24) geistige Lebendigkeit, aus der sie hervorgegangen
erkannte, verstehen wir Geschichtliches des- sind‘. Die Gestaltungen der Selbsterkenntnis des
halb am besten, weil wir es selbst bewirkt Geistes sind für das historische Bewußtsein also
haben (1965, 125). Der bei Dilthey im Zen- Gegenstände der Selbsterkenntnis des Geistes. In-
trum stehende Begriff des Lebens wird später sofern wird die gesamte Überlieferung für das hi-
mehr und mehr im Sinne eines durch die storische Bewußtsein zur Selbstbegegnung des
Zeiten vermittelten Geistes umgedeutet, der menschlichen Geistes” (19723, 216).
an Hegels Weltgeist erinnert. Die letzte In- Auch im Gegensatz zu Hegels spekulati-
stanz für die Möglichkeit einer Hermeneutik vem Wissen, das die Einheit von Allgemein-
ist so die Geschichte, welche die alte meta- heit und Besonderheit garantiert, zerfällt hier
physische Legitimationsinstanz ablöst. die Geschichte in einzelne Manifestationen
Die geisteswissenschaftliche Methode im und Modifikationen des Geistes. So verweist
Sinne Diltheys baut demnach auf drei Prä- Gadamer mit Recht auf die crux dieser Ge-
missen auf: schichtlichkeit:
(1) Fundament ist das Vertraute einer Le- „Die Welt der Geschichte hat man durchaus nicht
bensform. Diese stellt das Vorverständnis be- immer unter dem Aspekt der weltgeschichtlichen
reit, ordnet ihre Erscheinungen in einen histo- Einheit gedacht [...] Was ist denn der Generalnen-
rischen Kontext ein und repräsentiert das ner, der ein Zusammenzählen erlaubt, wenn ein
Ganze. (solches) Ziel und ein (solcher) Plan in der Ge-
(2) Entscheidende Voraussetzung ist ferner schichte nicht angenommen wird?“ (19723, 195).
die Annahme eines Geistprinzips als Quelle Eine Antwort auf diese Frage gibt Martin
von Sinn. Die Wissenchaft kommt nicht ohne Heidegger (1889—1976) in seiner neuen Her-
Begriffe wie Person, Subjektivität, Leben oder meneutik-Konzeption.
Intentionalität aus.
(3) Verstehen schließlich bedeutet die Einver- 2.3. Die ›neue Hermeneutik‹ als Modell der
leibung eines fremden Sinnes. Das Fremde Sprachlichkeit menschlichen
wird zum Mittel der Selbsterkenntnis des Gei- Selbstverhaltens
stes. In späterer, von Gadamer stammender
Terminologie: Verstehen ist stets ›Verschmel- 2.3.1.  Mit Heidegger setzt sich eine neue
zung‹ von Fremd- und Eigenhorizont. Form der philosophischen Hermeneutik
durch. Man spricht in diesem Zusammenhang
2.2.2.  Die Einwände gegen die Konzeption von der ›neuen Hermeneutik‹ (Zur Einteilung
einer geisteswissenschaftlichen Methode zie- der Hermeneutik in die traditionelle, moderne
len in zwei ganz verschiedene Richtungen. und neue Hermeneutik siehe Hilberath 1978,
Einige Kritiker glauben weiterhin an einen 65). Für Heidegger ist das Verstehen kein
Methodenmonismus, der sich allerdings nicht Bewußtseinsvorgang, der methodisch ausge-
auf die erklärende Methode im engsten Sinne deutet werden könnte, kein Spezialfall „einer
beruft, sondern diese durch q uasi-hermeneu- möglichen Erkenntnisart unter anderen, etwa
tische Voraussetzungen erweitert. Demgegen- unterschieden vom ‘Erklären’“ (1957, 143).
über reservieren andere das Verstehen einem Verstehen ist das existenziale Weltverhalten
nicht-methodischen und damit auch jenseits des Menschen; denn
jeder Wissenschaft stehendem Vorgehen, das „Dasein ist Seiendes, dem es als In-der-Welt-sein
vor allem in der Kunst und in der Philosophie um es selbst geht [...] Im Verstehen liegt existenzial
zu einer spezifischen Wahrheit führt (cf. 2.3.). die Seinsart des Daseins als Sein-können“ (Heideg-
Auf den Umstand, daß die Diltheysche ger 1957, 143).
Hermeneutik Aporien enthält, hat ausführlich Da das Weltverhalten zugleich als Fakti-
Hans-Georg Gadamer (*1900) verwiesen zität charakterisierbar ist, finden wir in Sein
(19723, 205—228). Die neue Instanz, die bei und Zeit eine ›Hermeneutik der Faktizität‹:
Dilthey die wissenschaftliche Objektivität und die Auslegung als Befindlichkeit des Daseins,
die spezifische Individualität der Geisteswis- als endlich-geschichtliches In-der-Welt-sein
senschaften vermitteln sollte, war die Ge- und als Entwurfcharakter des Selbst. — Ver-
schichte. Nach Gadamer sieht dieses ge- stehen betrifft zusammen mit der Befindlich-
schichtliche Bewußtsein bei Dilthey keit die ursprüngliche Erschlossenheit des In-
„alle Erscheinungen der menschlich-geschichtlichen der-Welt-seins, das zunächst noch unsprach-
45.  Die hermeneutische Position 643

lich gedeutet werden kann. Erst nachdem der jektbezogene Fundamentalontologie wird die
Begriff des Sinnes als das „durch Vorhabe, Berufung auf Tradition und Autorität zum
Vorsicht und Vorgriff strukturierte Woraufhin Ausgangspunkt für das hermeneutische Ge-
des Entwurfs, aus dem her etwas als etwas spräch mit der Vergangenheit. Damit rückt
verständlich wird“ (Heidegger 1957, 151), ge- das Verstehensproblem in den Blickpunkt der
deutet wird, betont Heidegger die Gleichur- allgemeinen sprachphilosophischen Diskus-
sprünglichkeit der Rede mit der Befindlichkeit sion. War in Sein und Zeit Sprache eher eine
und dem Verstehen (161). Nicht nur, daß die notwendige Voraussetzung für das Verstehen,
Befindlichkeit immer zuerst genannt wird, also ein Element des Existenzials unter vielen,
auch der Hinweis, daß die Sprache die Rede so wird nun deutlich, daß Sprachlichkeit die
zum existenzial-ontologischen Fundament eigentliche Bedingung der Möglichkeit von
hat, macht die primär fundamentalontolo- Verstehen selbst ist. Erschlossenheit ist letzt-
gisch orientierte Grundhaltung in Sein und lich nur sprachlich möglich. Nicht mehr die
Zeit deutlich. Sprache als „Hinausgespro- Zeit (und damit die Geschichtlichkeit), son-
chenheit der Rede“ (Heidegger 1957, 161) be- dern die Sprache ist das Zentralwort des
stätigt diesen Vorrang ebenso wie die folgen- Seinsgeschehens. Die lapidaren Hinweise und
den Formulierungen: inhaltsschweren Metaphern vom „Haus des
„Die Rede ist die bedeutungsmäßige Gliederung Seins“ (Heidegger 1947, 21) und von der
der befindlichen Verständlichkeit des In-der-Welt- „Schicklichkeit des Sagens vom Sein als dem
seins“ (161). Geschick der Wahrheit“ (47) werden bei Hei-
„Weil für das Sein des Daseins die Rede konstitutiv degger selbst nicht zur Sprachphilosophie
ist [...], hat das Dasein als redendes In-Sein sich ausgeweitet. Ja, man kann vermuten, daß
schon ausgesprochen. Das Dasein hat (!) Sprache“ Heidegger eine explizite Lehre im Sinne einer
(165). sprachphilosophischen Doktrin für unmög-
Heidegger geht es hier lediglich um den lich angesehen hat. Der Bezug des Menschen
„ontologischen ›Ort‹ für dieses Phänomen in- zum Sein ist eher Inhalt der Dichtung als
nerhalb der Seinsverfassung des Daseins“ Gegenstand einer philosophischen Disziplin.
(Heidegger 1957, 166) und nicht um sprach- Wir be-greifen nicht, sondern wir werden er-
philosophische Reflexionen über die Seinsart griffen. Es ist Gadamers Verdienst, diese An-
der Sprache. Die weiteren Ausführungen kon- sätze Heideggers weiter ausgebaut zu haben,
zentrieren sich auf das Gerede als Modus des so daß das Verharren im ›Haus des Seins‹
Verfallen-seins und führen weitab vom Thema nicht mehr nur als viel sagendes Schweigen,
einer philosophischen Hermeneutik. Auch die sondern als hermeneutische Bemühung um
Wiederaufnahme des Themas ›Verstehen‹ in philosophische Wahrheit gedeutet werden
der Analyse der Zeitlichkeit (Heidegger 1957, kann.
§ 38) bringt keine Änderung der Blickrich-
tung. Verstehen ist „primär zukünftig“ (Hei- 2.3.2.  Am Anfang der hermeneutischen Be-
degger 1957, 337). Sehr schnell geht die The- wegung, die sich in Verstehen, Auslegung und
matik über in die Zeitlichkeit der Befindlich- Applikation entfaltet, steht bei Gadamer das
keit und speziell in die Zeitlichkeit des Ver- Bewußtsein von der hermeneutischen Situa-
fallens. Selbst die Zeitlichkeit der Rede ori- tion (19723, 285). Damit ist gemeint, daß wir
entiert sich an der zeitlichen Konstitution der von unserer Geschichtlichkeit wissen, und
Erschlossenheit und wird so Element der on- „Geschichtlichsein heißt, nie im Sichwissen
tologischen Bedingung der Möglichkeit dafür, aufzugehen“ (Gadamer 19723, 285). Die her-
daß Seiendes sein kann. meneutische Situation stellt damit einen
Wenn auch entscheidende Aspekte einer Standort dar, der die Möglichkeiten des Se-
›existenzialen Hermeneutik‹ in Sein und Zeit hens beschränkt. Zu ihr gehört wesenhaft der
auftauchen, insbesondere in Bezug auf die Horizont, „der Gesichtskreis, der all das um-
Zirkelstruktur von Verstehen und Auslegen, faßt und umschließt, was von einem Punkte
so fehlt doch die fundamentale Stellung der aus sichtbar ist“ (286). Horizont verweist aber
Sprache, wie wir sie in späteren Ausführungen zugleich auch positiv auf das „Nicht-auf-das-
Heideggers finden und wie sie von Gadamer Nächste-Eingeschränktsein, sondern über es
für eine philosophische Hermeneutik weiter Hinaussehenkönnen“ (286). Im wirkungsge-
ausgebaut wurde. Vor allem die Rede vom schichtlichen Bewußtsein, das einerseits sein
‘Seinsgeschick’ (Heidegger) verdeutlicht, was Erwirktsein als endliche Instanz hinnehmen
hier gemeint ist. Unter Verzicht auf eine re- muß, andererseits sein Handeln vom Wissen
flexive Selbstbegründung oder auf eine sub- eben dieses Erwirktseins bestimmen lassen
644 III. Positionen

kann (Gadamer 19723, XXI), vollzieht sich fischen philosophischen Position erlangt, die
eine ›Horizontverschmelzung‹. In ihr bringt zwar noch sprachphilosophische Bezüge auf-
sich der Interpret in den Verstehensvorgang weist, aber inhaltlich unbestimmt bleibt und
selbst ein. sich als existenzphilosophische Verhaltens-
„Solches Sich-versetzen ist weder Einfühlung einer weise methodologischen und wissenschaftli-
Individualität in eine andere, noch auch Unterwer- chen Auseinandersetzungen entzieht. Diese
fung des anderen unter die eigenen Maßstäbe, son- bewußte Distanzierung von methodologi-
dern bedeutet immer die Erhebung zu einer höhe- schen Intentionen wird von Gadamer immer
ren Allgemeinheit, die nicht nur die eigene Parti- wieder betont. ‘Wahrheit’ und ‘Methode’ sind
kularität, sondern auch die des anderen überwin- keine gleichwertigen Begriffe, sondern Gegen-
det“ (Gadamer 19723, 288). begriffe. Philosophische Wahrheit kann nach
Die Vermittlung in diesem Prozeß vollzie- Gadamer nie methodisch gefunden werden;
hen Autorität und Tradition. Die Endlichkeit Philosophie steht jenseits jeder Methode. Es
des Menschen läßt die Möglichkeit des Von- war nicht Gadamers Absicht, „den alten Me-
vorne-Anfangens nicht zu. Tradition und Au- thodenstreit zwischen Natur- und Geisteswis-
torität sind die notwendigen Voraussetzungen senschaft zu erneuern. Um einen Gegensatz
des ›Gesprächs‹, das sich in dieser Horizont- der Methoden handelt es sich schwerlich“,
verschmelzung vollzieht. So offenbart sich der bemerkt Gadamer (19723, XVII) und erläu-
eigentliche Vorgang, der hinter dieser Reha- tert den Grund dieses Standpunktes: „Nicht,
bilitierung von Autorität, Tradition und ›Vor- was wir tun, nicht, was wir tun sollten, son-
urteil‹ steht, als Wirklichkeit konstituierendes dern was über Wollen und Tun hinaus mit
Gespräch. Verstehen ist Gespräch. Die Vor- uns geschieht, steht zur Frage“ (XVI). Ver-
gängigkeit der Sprache und ihre Unhintergeh- stehen ist kein methodisches Handeln, son-
barkeit sind die Basis der Wirkungsge- dern ein Element der Wirkungsgeschichte, der
schichte. Sprache ist nicht Informationsin- wir angehören; Verstehen gehört zum Sein
stanz, sondern Vollzugsform des geschichtli- dessen, was verstanden wird (Gadamer 19723,
chen Lebens. Ihre Universalität, ihre wesen- XIX).
hafte Selbstvergessenheit und ihre Ichlosigkeit Entgegen Gadamers Absichten hat sich die
(Gadamer 1967, 97—100) leisten die Kon- neuere Hermeneutik-Diskussion trotzdem
struktion des Allgemeinen, die bei Hegel spe- vorwiegend auf das Methodenproblem kon-
kulativ und bei Dilthey psychologisch ver- zentriert. Das Erstaunliche ist dabei, daß die
kürzt erfolgt war. Wenn so die Sprache den entscheidenden Anregungen für eine Ausge-
Zugang zur Welt eröffnet (Gadamer 19723, staltung der hermeneutischen Methode ge-
415), dann gelingt auch der gesuchte Sach- rade aus Wahrheit und Methode stammen,
bezug. Denn Gadamer geht es in seiner Her- diesem „klassischen Grundbuch der moder-
meneutik um „Erfahrung von Wahrheit, die nen Hermeneutik“ (Schulz 1970, 306).
den Kontrollbezirk wissenschaftlicher Metho-
dik übersteigt“ (19723, XXVII). Diese im Ge-
spräch gemachte Erfahrung wird durch die 3. Zur gegenwärtigen
Kunsterfahrung verdeutlicht, welcher der ge- Hermeneutik-Diskussion
samte erste Hauptteil von Wahrheit und Me-
thode gewidmet ist. Bereits hier wird deutlich, 3.1. Die Auseinandersetzung um die
daß die mens auctoritas „kein möglicher Maß- Autonomie der hermeneutischen
stab für die Bedeutung des Kunstwerks“ sein Methode
kann (Gadamer 19723, XIX). Das Schlüssel-
wort ist vielmehr das Spiel, das den Primat 3.1.1.  Die meisten Universalisierungsversuche
über das Bewußtsein des Spielenden ausübt gehen von den Ergebnissen der an den Na-
(Gadamer 19723, 100). „Der Spielende erfährt turwissenschaften orientierten Wissenschafts-
das Spiel als eine ihn übertreffende Wirklich- theorie aus. Danach können die Natur- und
keit“ (19723, 104), und nur im Gespieltwerden Geisteswissenschaften durchaus unter dem
erfährt man das volle Sein (112) (s. Art. 96). gleichen Methodenbegriff stehen. Die soge-
So zeigen sich hier Strukturen, welche die nannte naturwissenschaftliche Methode hat
durch das Gespräch vermittelte Wirkungsge- ihre Einseitigkeiten revidiert und ist weit über
schichte charakterisieren und in den nächsten den Diskussionsstand hinausgegangen, den
Abschnitten von Wahrheit und Methode ent- Gadamer beim Abfassen seines Werkes Wahr-
faltet werden. Bei Gadamer hat die philoso- heit und Methode in den Fünfzigerjahren vor-
phische Hermeneutik den Status einer spezi- fand. Die wichtigsten Stationen auf dem Wege
zu einem umfassenden und damit zugleich
45.  Die hermeneutische Position 645

toleranten Methodenbegriff werden durch küle usf. Sie alle sind, wenn nicht selbst vage Axio-
Karl Raimund Popper (*1902), durch den mensysteme, so doch als solche beschreibbar“
späten Ludwig Wittgenstein (1889—1951) (s. (Hübner 1978, 195).
Art. 39), durch Paul Lorenzen (*1915), Paul Die Entwicklungen der Wissenschaften
Karl Feyerabend (*1924), Thomas Samuel sind dann nichts anderes als „Selbstbewegun-
Kuhn (*1922) und durch Kurt Hübner gen von Systemmengen“ (Hübner 1978, 202),
(*1921) repräsentiert. In deren Deutung ist in denen Regelmannigfaltigkeiten festgestellt
das Vorgehen der Naturwissenschaftler kei- und beschrieben werden können. Diese Re-
neswegs durch die statische Begrifflichkeit gelsysteme können relativ konstant sein; an-
und die durchgängige Logizität der Argu- dere dagegen sind variabel und von bestimm-
mente charakterisierbar, wie das von den Dia- ten historischen Situationen abhängig. Nur
lektikern immer wieder unterstellt und kriti- diese Gradunterschiede sind es, die verschie-
siert wurde. Schon der angeblich so starre dene Methoden vermuten lassen, obwohl es
Gesetzesbegriff wird durch Hypothesen er- sich in Wirklichkeit nur um eine einzige Me-
setzt, die sowohl in ihrer Genese als auch in thode der Anwendung und Beschreibung von
ihrem Bewährungsvorgang Elemente enthal- Regelsystemen handelt. Hübner betont, daß
ten, die man ohne weiteres als lebensweltliche durch die Selbstbewegung der Systemmengen
Vorgaben im Sinne der Hermeneutik verste- durchaus Wahrheit möglich ist (1978, 358),
hen kann. Auch die Rolle der Experten- oder sich also Wahrheit im Sinne Gadamers kon-
Forschergemeinschaft wird realistischer ein- stituiert. Der übliche Relativismusvorwurf be-
geschätzt und im Zusammenhang mit dem trifft nur das Festhalten an einer absoluten,
hermeneutischen Traditionsbegriff gesehen. das heißt an einer bedingungslosen Wahrheit.
War man früher selbstsicher von naiven Emp- Denn die Bedingungen sind in den System-
irie- und Verifikationsvorstellungen ausge- mengen vorgegeben. Die Wahrheit bezieht
gangen, die für das Verstehen keinen Platz sich also auf die adäq uate Antwort in jener
ließen, so hat das Scheitern positivistischer Situation, die durchaus apriorische Elemente
Grundlegungen, insbesondere die Undurch- als Bedingungen der Möglichkeit einer sol-
führbarkeit des Konstitutionsprogramms in chen hypothetischen, geschichtlich vermittel-
Rudolf Carnaps (1891—1970) Der logische ten Wahrheit enthält (Hübner 1978, 356 f).
Aufbau der Welt (1928) zu größerer Toleranz
geführt. Ereignisse, welche das Auffinden und 3.1.3.  Eine Universalisierung der hermeneu-
insbesondere das Bestätigen von Hypothesen tischen Position erfolgt auch innerhalb der
betreffen, können nicht durch den Erklä- hermeneutischen Tradition. In der transzen-
rungsbegriff allein erfaßt werden, sondern be- dental-pragmatischen Hermeneutik von Karl-
dürfen lebensweltlicher Absicherungen, die Otto Apel (*1922) und Jürgen Habermas
sowohl mit dem Diltheyschen Erlebnisbegriff (*1929) ist man überzeugt, daß ein praxis-
als auch mit Gadamers wirkungsgeschichtli- orientierter Verstehensbegriff allen natur- und
chem Bewußtsein vereinbart werden können. geisteswissenschaftlichen Prozessen vorgeord-
Auch der Vorwurf, in der Hermeneutik einem net ist (s. Art. 53). Im transzendental-prag-
logischen Zirkel verfallen zu sein, verliert sei- matischen Sprachspiel realisiert sich die Idee
nen Sinn, sobald man die Unmöglichkeit von der Hermeneutik als fundamentales philoso-
rein positivistischen Alternativen erkannt hat. phisches Verfahren, das sogar Letztbegrün-
Aus dem logischen Zirkel wird eine notwen- dungen ermöglicht. Der in den Vordergrund
dige Struktur, der ›hermeneutische Zirkel‹. gerückte Begriff des Gesprächs setzt durch
seine jeweilige Konkretisierung ein Ensemble
3.1.2.  Besonders deutlich wird der Wandel in von Prämissen, das in jeder Kommunika-
Hübners Kritik der wissenschaftlichen Ver- tionsgemeinschaft schon immer akzeptiert ist.
nunft. Unter Berufung auf Entdeckungen, die Gegnern der Letztbegründung, wie beispiels-
im Anschluß an Kuhn und Feyerabend er- weise Vertretern des kritischen Rationalismus,
folgten und den strengen Methodenbegriff als werden gewisse nicht-bezweifelbare Bedin-
starres Regelsystem von Tatsachen in Frage gungen des systematischen Zweifels vorge-
stellten, spricht Hübner dort von „geschicht- halten, die in der ›strikt reflexiven Einstellung‹
lichen Systemen“ (1978, 193 ff). Dazu gehö- der Hermeneutiker zum Vorschein kommen
ren sowohl die naturwissenschaftlichen Sy- können und explizierbar sind. So etwa bei
steme als auch die Wolfgang Kuhlmann (1980, 307 f); zur Zu-
„Systeme des praktischen wie kulturellen Lebens, rückweisung durch die kritischen Rationali-
ferner Wertsysteme, Rechtssysteme, politische Kal- sten siehe Hans Albert (1982 b, 71 ff).
646 III. Positionen

3.1.4.  Neben den meisten monistisch argu- versalien ontogenetisch in ihrer begründenden
mentierenden Kritikern findert man heute Funktion anerkannt, phylogenetisch aber re-
auch einige Vertreter des Diltheyschen Me- lativiert.
thodendualismus. Hans Lipps (Johann Hein- „Die Spaltung entspricht nicht der Struktur der
rich L., 1889—1941) hat versucht, aus der Welt, vielmehr dem Dilemma der menschlichen
allgemeinen hermeneutischen ›Methode‹ eine Seele. Oder [...] der Schwierigkeit, unsere Verstan-
alternative hermeneutische ›Logik‹ zu entwik- des
q ualitäten, jene erblichen Anschauungsformen
keln, die sich inhaltlich an der Thematik der von den Ursachen, zusammenzufügen“ (Riedl
formalen Logik orientiert und von Schlüssen, 1985, 287).
Urteilen und Begriffen handelt. ›Schließen‹ Die vorgebrachten Argumente sind für die
wird dabei aus dem ›Entschluß‹ innerhalb Philosophie von eingeschränkter Überzeu-
konkreter Situationen hergeleitet und eher als gungskraft, weil sie sich vor allem an den
verbindliches Gespräch denn als Sachvermitt- Denkweisen der biologischen Praktiker ori-
lung gedacht (Lipps 1959, 10). Thema ist dort entieren. Riedl beruft sich hier auf die soge-
vorzüglich die Existenz des Sprechenden, nannte ‘evolutionäre Erkenntnistheorie’, die
nicht das Gesprochene. Auch in der Urteils- sich in der ersten Begeisterung für eine neue
und Begriffslehre wird versucht, das formal ›kopernikanische Wendung‹ in der modernen
Gegebene in situationsbedingte Zugangswei- Philosophie gehalten hat (Vollmer 1981, 170);
sen spontan handelnder Subjekte aufzulösen. inzwischen wurde immer deutlicher, daß die
Anstelle der Allgemeinheit treten konkrete Si- Praxis der Naturforscher zur Rechtfertigung
tuationstypen: „Man ›steht‹ in einer Situa- ihres Anspruchs, entscheidende philosophi-
tion“ (Lipps 1959, 25) und „Situation ist keine sche Probleme lösen zu können, nicht aus-
sachliche Konstellation; sie kann nicht in For- reicht (Löw 1983, 331 f) und weitere Grund-
men des Allgemeinen entwickelt werden“ lagenreflexionen notwendig sind, in welchen
(23). Gewisse Unterscheidungen, die bei der spezifische Wissenschaftsbezug deutlicher
Lipps eine Rolle spielen, findet man später in wird (Wuketits 1983, 361).
analytischen Sprechakttheorien wieder (s.
Art. 54). Ansonsten ist Lipps stark der hei- 3.1.6.  Während die bisher angeführten Dis-
deggerschen Tradition verbunden, die Ver- kussionsbeiträge stets methodologische Ent-
haltensweisen aus existentiellen Grunderfah- scheidungen betreffen, versuchen Anhänger
rungen rechtfertigt, welche sich nicht ohne der ›neuen Hermeneutik‹ in der Nachfolge
weiteres verallgemeinern lassen. Insofern ist von Heidegger und Gadamer, den Methoden-
der Versuch, neben der formalen Logik der gedanken aus der Hermeneutik zu eliminie-
nicht-hermeneutischen Wissenschaften eine ren. Richard Rorty (*1931) (1981, 349) defi-
alternative hermeneutische Logik zu etablie- niert die Hermeneutik als Studium nicht-nor-
ren, welche die Denkweisen der hermeneuti- maler Diskurse. Normale Diskurse beziehen
schen Wissenschaften intersubjektiv erklärt, sich auf
weiter problematisch geblieben. „die Praktik, Probleme auf dem Hintergrund eines
Konsenses darüber zu lösen, was als gute Erklärung
3.1.5.  Weniger dem Dualismus innerhalb der des Phänomens gelten würde und was zur Lösung
Logik, sondern dem der Methode wendet sich eines Problems zu unterscheiden wäre / the practice
Rupert Riedl (*1925) zu, der aus einer ganz of solving problems against the background of a
anderen Tradition stammt. Bei ihm wird die consensus about what counts as a good explanation
›Spaltung des Weltbilds‹ im Zusammenhang and about what it would take for a problem to be
mit anderen Dualismen gesehen, die letztlich solved“ (Rorty 1981, 348).
alle Wirklichkeitsbereiche umfassen. Die Søren Kierkegaard (1813—1855), Fried-
Dualismen Leib und Seele, Gestalt und Funk- rich Nietzsche (1844—1900), der späte Witt-
tion, Struktur und Reaktion bis hin zu Kor- genstein und der späte Heidegger dagegen
puskel und Welle prägen dieses „Schisma lehren keine philosophischen Inhalte, in de-
unserer Kultur“ (Riedl 1985, 40). Zugleich nen ein solcher methodischer Konsens er-
versucht Riedl zu zeigen, daß sich diese Kluft reicht wurde, sondern sie vermitteln in nicht-
durch die moderne biologische Systemtheorie normalen Diskursen ›Bildung‹, das heißt, sie
(synthetische Evolutionstheorie) schließen leisten keinen Forschungsbeitrag, sondern
läßt. Dabei erscheint die Entwicklung der partizipieren an einem Gespräch. Hermeneu-
Kommunikation selbst als Prozeß der Evo- tik ist das Residuum, das uns verbleibt, wenn
lution; in Analogie zum allgemeinen Problem wir aus der Philosophie alle objektiven in-
des Apriori werden die hermeneutischen Uni- haltlichen Aussagen im Sinne letzter Wahr-
45.  Die hermeneutische Position 647

heiten ausmerzen (Rorty 1981, 401). Obwohl digmen (Kuhn), idealen Kommunikationsge-
sich Rorty ausdrücklich auf Gadamer beruft meinschaften (Apel), repressionsfreien und
und Parallelen zu dessen Intentionen sieht nicht-normalen Diskursen (Rorty) triumphie-
(1981, 387; 395), widerspricht seine Objekti- ren hermeneutische Gedanken. Andererseits
vitätskritik offensichtlich der Lehre von der wehrt man sich wegen der damit bedingten
Wahrheit. Objektivität bedeutet ihm nur zu- Einschränkung der kritischen Rationalität ge-
fälligen Konsens von Forschergemeinschaften gen die Annahme solcher unbedingten Vor-
(Rorty 1981, 365), nicht Offenbarwerden gaben. Die Annahme eines Vorverständnisses
(›Wahrheit‹) des vom Sein Geschickten. Für muß nicht notwendig zur hermeneutischen
Rorty ist die Bezeichnung ‘Hermeneutik’ ein Immunisierung führen. Auch im kritischen
„polemischer Terminus / polemical term“ Rationalismus werden in bestimmten Ent-
(1981, 387) und kein Titel für eine fundamen- scheidungen unbewiesene Voraussetzungen
talontologische Disziplin. So bleibt der Her- gemacht und plausible Annahmen akzeptiert.
meneutik — ganz im Sinne der analytischen Jede Korrektur eines Hypothesen-Vorschlags
Tradition, der Rorty entstammt — nur noch und jede Realisierung einer Falsifikation setzt
aufzuzeigen, „wie die andere Seite aus dem je das Vorwissen einer Expertengemeinschaft
eigenen Blickwinkel aussieht / how the other voraus. Die Bereitschaft, zu späterer Zeit und
side looks from our own point of view“ (1981, aus gegebenem Anlaß auch diese Prämissen
395). einer Kritik zu unterziehen, beseitigt den Zir-
Die Methode reduziert sich auf eine „›exi- kelverdacht.
stenzialistische‹ Intuition / ›existentialist‹ in- Das Dilemma löst sich auf, wenn man die
tuition“; die wichtigste Aufgabe ist, „uns im- Argumentation eines endlichen Bewußtseins
mer wieder auf neue Weisen zu beschreiben / von bestimmten Fixpunkten aus vom Erfas-
redescribing ourselves“ (Rorty 1981, 389). Die sen des Ganzen und der Unendlichkeit der
moralische Hauptaufgabe des Philosophen Bedingungen unterscheidet. Nennt man das
sollte die „Fortsetzung des abendländischen Bewußtwerden dieses Strukturfaktums her-
Gesprächs / continuing the conversation of meneutisch, so ist die Hermeneutik eine sinn-
the West“ sein, nicht das Pochen auf die Son- volle Reflexionstheorie, welche falsche Ab-
derrolle der traditionellen philosophischen solutheitsansprüche und obskure Letztbe-
Antworten in dieser Tradition (Rorty 1981, gründungen entlarvt. Der eigentliche Streit-
426), die bei Gadamer als Wirkungsgeschichte punkt beginnt erst dort, wo bestimmte Prä-
ontologische Relevanz erhalten hat. — Phi- missen aus der allgemeinen Kritik herausge-
losophische Hermeneutik degeneriert hier halten werden sollen. Der Glaube, solche Ele-
und in ähnlichen Konzeptionen zur unkon- mente identifizieren und beispielsweise als
trollierbaren Praxis des zwar traditionsbe- transzendentale Universalien einer idealen
wußten, aber zugleich intuitiv offenen Ge- Kommunikationsgemeinschaft vorstellen zu
sprächs in nicht auswechselbaren Existenzsi- können, ist Glaube im wörtlichen Sinn. Eine
tuationen. kontingente Setzung wird als absolute Not-
wendigkeit mißverstanden und damit Glau-
3.2. Die Struktur hermeneutischer ben als Wissen ausgegeben. Hermeneutik be-
Argumentation ginnt mit der Bedingtheit der menschlichen
Vernunft. Diese darf nicht so mißverstanden
3.2.1. Hermeneutik als Lehre von den werden, als ob man sich immer auf eine klar
Rahmenbedingungen der Vernunft umschreibbare Prämissenmenge bezöge, die
man der Reihe nach der Kritik unterziehen
Der Streit um die Hermeneutik ist bis heute könnte. Wie beispielsweise sprachliche Rah-
nicht ausgefochten. Das Bewußtsein von der menvorgaben wirken, ist ohne genauere Ver-
Bedeutung gewisser Rahmenbedingungen für gleichsanalysen mit fremden Sprachen nur
jede philosophische Aussage und damit die schwer durchschaubar. Wittgenstein, der sol-
Voraussetzung eines Vorverständnisses lassen che Fälle öfters erwähnt, betont, daß sich
den hermeneutischen Ansatz als Selbstver- Sprachspiele strukturell nicht vollständig be-
ständlichkeit erscheinen. Autoritäten und schreiben lassen (1960, 23; 81; 100). Die Re-
Standards der Methodologie, transzendentale geln werden im Nachvollzug bewußt, nicht in
Bedingungen, frameworks, Paradigmen und der Betrachtung von außen. Auch historische
Lebenswelten scheinen sich als unhintergeh- Horizontverschmelzungen sind nicht so zu
bare Instanzen jeder Kritik zu entziehen. In verstehen, daß eine Synthese aus den unhin-
den Konzeptionen von Proto-Theorien (Lo- tergehbaren Prämissen der fremden und der
renzen), Sprachspielen (Wittgenstein), Para-
648 III. Positionen

eigenen Situation vollzogen werden würde. gen mit allgemeinen Sätzen, die selbst schon
Rahmenvorgaben und Lebensformen sind schwerwiegende Entscheidungsgehalte des
häufig so komplex, daß einzelne Prämissen gleichen frameworks aufweisen. Die Verknüp-
erst nach längerer Auseinandersetzung mit fungen werden nur vereinzelt realisiert. Im
Gegenpositionen bewußt werden. Trotzdem allgemeinen denkt man sich ein Netz von
bleibt es eine vordringliche Aufgabe, diese möglichen Begründungen, die prinzipiell
Strukturen ins Bewußtsein zu heben und dann durchgeführt werden können. Die Leitbe-
als Leitfaden wirken zu lassen. griffe werden nicht bewußt gesetzt. Im Gegen-
teil: man wird den Vorwurf, solche Begriffe
3.2.2. Die Strukturierung der Hermeneutik zu verwenden, von sich weisen. Es handelt
durch Leitbegriffe sich um eine ›Erfahrung‹, die unhintergehbar
ist. Gadamers Beschreibung des Vorurteils
Die vage Berufung auf Lebensformen, ›frame- hat die Verleugnung von Leitbegriffen völlig
works‹, Vorverständnis, Vorurteil und auf den übersehen. Dadurch entstand der Eindruck,
hermeneutischen Zirkel hat die Hermeneutik die repressionsfreie Diskussion müsse solche
in Verruf gebracht, Pseudo-Begründungen, Vorurteile aufdecken und könne zu einer Be-
Manipulationen und ideologischen Täu- urteilung ihrer Berechtigung oder ihrer Un-
schungen Tür und Tor zu öffnen. Da die angemessenheit führen. Die Idee einer repres-
skizzierten hermeneutischen Mechanismen sionsfreien Kommunikation konnte sich
prinzipiell unvermeidbar sind, ist es notwen- selbst aber nur unter der Wirkung bestimmter
dig, deren Struktur genauer zu durchschauen. neuer Leitbegriffe einstellen, war also das Er-
Das folgende Phänomen verdient besondere gebnis eines alternativen Leitbegriffsensem-
Aufmerksamkeit. Durch die Wirkung von so- bles. Auch die ›neue Rhetorik‹ (Chaim Perel-
genannten Leitbegriffen organisieren sich Ar- man, Stephen E. Toulmin), die sich bewußt
gumentationsfelder in einem Ausmaß, so daß von der formalen Logik distanziert und sich
oft weite Problembereiche durchsichtig wer- am Gerichtsprozeß orientiert, ignoriert Leit-
den. Ihre Wirkungsweise läßt sich am besten begriffe. In Toulmins Argumentationsschema
im religiösen Bereich studieren (Wuchterl (1958, 101) müssen Schlußregelstützungen in
1982, 111 f). Das christliche Selbstverständnis substanziellen Argumentationen weitgehend
knüpft alle Argumentationen und vernünf- durch Leitbegriffe organisiert gedacht wer-
tigen Stützungen, wie sie in der allgemei- den, wenn der Argumentationscharakter
nen Argumentationstheorie (Toulmin 1958, nicht ganz und gar vom Willen zur Überre-
103 ff) beschrieben werden, an den Gottes- dung verdrängt werden soll. Aufgabe einer
begriff. Dazu bedarf es bestimmter charak- philosophischen Hermeneutik ist es, solche
teristischer Eigenschaften, wie die unendliche Verdrängungen zu vermeiden und die Argu-
Liebe oder die absolute Gerechtigkeit, die eine mentationsstruktur im Hinblick auf die Wirk-
Verbindung der göttlichen Welt mit unserer samkeit der Leitbegriffe zu analysieren. Dabei
Alltagswelt ermöglichen. Wenn Ereignisse im kann es nicht um deren Beseitigung gehen; es
religiösen Kontext als sinnvoll q ualifiziert wurde in 3.2.1. betont, daß Vernunft ohne
werden, dann wirken Liebe und Gerechtigkeit organisierende Prämissen nicht realisierbar
als Leitbegriffe. Sinn wird möglich, weil die ist. Im philosophischen Diskurs sollte Kon-
Leitbegriffe jene Ereignisse in einen — wenn sens über Leitbegriffe angestrebt werden. Das
auch nicht in allen Einzelheiten nachvollzieh- bedeutet nicht, daß es in der Philosophie letzte
baren — deduktiven Zusammenhang stellen. Leitbegriffe gäbe, die prinzipiell nicht mehr
Solche Leitbegriffe bestimmen auch unser kritisiert werden dürften. Aber ein weitgehen-
weltliches Denken. Feind- und Freundbilder der Konsens über Leitbegriffe wird der Kritik
sind eindrucksvolle Beispiele. Bestimmte weniger Chancen geben, so daß sie program-
komplexe Bewertungssituationen, die für die matisch — nicht prinzipiell! — ignoriert wer-
meisten Beteiligten eben wegen der Komple- den kann. — Leitbegriffe sind notwendig, um
xität nur schwer zu beurteilen sind, werden Gedankenzusammenhänge zu ermöglichen.
durch die Wirksamkeit von Leitbildern sehr In ihnen sind einerseits letzte Erfahrungen
schnell und mit vehementem Engagement ent- aufbewahrt, andererseits ermöglichen sie das
schieden. Man billigt die Urteile und Begrün- sinnvolle Ganze. So zeigt sich, daß das her-
dungen, die von gleichen Leitbegriffen gesteu- meneutische Gespräch durchaus logisch faß-
ert sind. Häufig konkretisieren sich die Ent- bar und kontrollierbar ist; die argumentative
scheidungen in Leitfiguren und Leitparteien. Begründung endet allerdings bei den Leitbe-
Nachträglich erfolgen dann rationale Recht- griffen. In der experimentellen Offenheit für
fertigungen. Dies sind logische Verknüpfun-
46.  Phenomenological approaches 649

neue Leitbegriffe unterscheidet sich die phi- trachtet wird, die sich nicht in die grenzenlose
losophische Hermeneutik von der Religions- Fraglichkeit hineinziehen läßt, dann werden
philosophie. In der Religionsphilosophie er- hier wieder Leitbegriffe wirksam, deren letzte
folgt die Beschreibung der kontingenten Leit- Berechtigung jede Begründung transzendiert.
begriffsetzungen und Leitbegriffnormierun- Es handelt sich um kontingente Setzungen,
gen, welche die betreffende Religion konsti- die sowohl unsere Endlichkeit als auch unsere
tuieren. Das hermeneutische Gespräch dage- Offenheit für das Unendliche manifestieren.
gen ist unendlich, seine Kritik der Leitbegriffe
unbegrenzt. Während die Philosophie bei den
entdeckten Leitbegriffen nicht stehen zu blei- 4. Literatur in Auswahl
ben braucht, — allerdings oft stehen bleiben Apel 1955 b, Das Verstehen, in Archiv für Begriffs-
muß, weil sie keine neuen Perspektiven an- geschichte 1.
zubieten hat — ist in der Religion der Leit- Apel et al. 1973, Hermeneutik und Ideologiekritik
begriff die letzte Schranke der Kritik. Gläu- (Theorie-Diskussion).
bige verdrängen deshalb selten Leitbegriffe, Betti 1967, Allgemeine Auslegungslehre als Metho-
sondern präsentieren sie offen in Bildern, My- dik der Geisteswissenschaften.
then und Metaphern, um ihre Gewichtigkeit Bubner (Hg.) 1970, Hermeneutik und Dialektik I.
und Immunität zu demonstrieren. Insbeson- Coreth 1969, Grundfragen der Hermeneutik.
dere in der Idee der Offenbarungsreligion
steckt der Gedanke einer transzendenten Set- Gadamer 19723, Wahrheit und Methode. [1960]
Hilberath 1978, Theologie zwischen Tradition und
zung von Leitbegriffen, die eben dadurch der
Kritik.
weltlichen Kritik entzogen sind. Wenn diese
Hufnagel 1976, Einführung in die Hermeneutik.
Haltung einerseits als kritiklose Immunisie-
Pöggeler (Hg.) 1972, Hermeneutische Philosophie.
rungsstrategie, andererseits als eine legitime
Möglichkeit der Kontingenzbewältigung be- Kurt Wuchterl, Stuttgart (Deutschland)

46. Phenomenological approaches

1. Phenomenology and philosophy of language language. In this opening section we shall


2. Phenomenological theories of meaning clarify general issues about phenomenology
2.1. Searle’s theory of meaning and intentionalityand its and its place in philosophy of language. In
critique section 2. we shall discuss three phenomeno-
2.2. Husserl’s early theory of meaning and refer-ence logical theories of meaning: John R. Searle’s
and its critique> (*1932) mature speech-act theory; Edmund
2.3. Husserl’s later theory of meaning as noemaand its Husserl’s (1859—1938) early theory of mean-
critique ing as intentional act species; and Husserl’s
3. Phenomenological theories of indexicality later theory of meaning as noema. In section
3.1. The problem of indexicals 3. we shall discuss four theories of meaning
3.2. Searle’s theory of indexicality as self-referen- for indexical expressions: Searle’s, the early
tiality and its critique Husserl’s, Kevin Mulligan (*1951) and Barry
3. Phenomenological theories of indexicality Smith’s (*1952), and my own — theories that
3.3. The early Husserl’s theory of meaning for extend those discussed in section 2.
indexicals and its critique
3.4. Mulligan and B. Smith’s dependence theory 1.1. The subject matter of phenomenology
of indexicality and its critique
3.5. The author’s theory of indexical content Phenomenology is the study of structures of
3.6. Critique of the indexical-content theory experience, or consciousness: for instance,
4. Selected references structures of perception, judgment, desire,
and indeed the experience of speaking — de-
scribed ›as lived‹, from the first-person point
1. Phenomenology of view. We shall be asking about the role
and philosophy of language those structures of experience play in lan-
guage. — One of the main things studied in
We shall be discussing the systematic contri- phenomenology is the intentionality of con-
butions of phenomenology to philosophy of
650 III. Positionen

sciousness: the property of an experience that the referent of the term ‘the morning star’ (=
consists in its being ›of‹ or ›about‹ something. Venus) is a member of the referent of the
We must distinguish, however, two properties predicate ‘is a planet’ (= {planets}): such are
of aboutness or ofness. On the one hand, a the truth-conditions for that form of sentence.
judgment may be ›about‹ something even if But Gottlob Frege (1848—1925) (s. art. 34)
no such thing exists: when George judges that distinguished the sense of an expression from
the (present) king of France is bald, his mis- its referent. The terms ‘the morning star’ and
guided judgment has the structure or content ‘the evening star’, for instance, have the same
of judging about ‘the king of France’, even referent (Venus) but express different senses.
though nothing satisfies that content. On the For Frege, the sense of an expression includes
other hand, a judgment may be about, and the mode of presentation of the referent, and
so intentionally related to, something that these terms express different senses reflecting
does exist: when Heidi judges that the presi- different modes of presentation. Importantly,
dent of France is bald, her judgment is suc- for Frege, the referent of an expression is
cessfully related to Mitterand, because Mit- determined by its sense: thus, the sense ex-
terand satisfies the content ‘the president of pressed by ‘the morning star’ picks out Venus.
France’. The description of intentional con- If you will, Frege assumed two levels of mean-
tent — including mode of presentation — is ing for each expression: its sense and its ref-
a central task of phenomenology, and may erent. (The referent of a declarative sentence,
include specifying the conditions of satisfac- Frege assumed, is its truth-value, i. e., either
tion for an experience or its content. How- Truth or Falsity.) — Where semantic theory
ever, it is a further, empirical task to note focusses on meaning (sense, reference, and
what satisfies the content. — A phenomeno- truth) for expressions, speech act theory ad-
logical approach to the philosophy of lan- dresses meaning for speech acts. Following
guage will focus on those aspects of language Searle (cf. Searle 1969, ch. 2), we may distin-
that involve consciousness, especially inten- guish the following kinds or aspects of speech
tionality and its contribution to speech, mean- acts: ›illocutionary‹ acts, e. g., stating, q ues-
ing, and reference. tioning, commanding, promising, etc.; ›prop-
ositional‹ acts, e. g., referring and predicating;
1.2. Phenomenology in philosophy of and utterance acts, or uttering expressions of
language various types. Now, the theory of mental acts
involved in speech focusses on the intentional
The philosophy of language is traditionally experiences or attitudes connected with
divided into syntax, semantics, and pragmat- speech acts. For instance, an act of assertion
ics: syntax being the theory of linguistic form presupposes and indeed ›expresses‹ the speak-
(including logical form); semantics, the theory er’s belief in what she or he is asserting, an
of meaning (and reference and truth); and act of q uestioning presupposes the speaker’s
pragmatics, the theory of language use. I desire to know what she is asking to be told,
would like to consider a different partitioning, and so on. Plausibly, these three domains of
including: the theory of meaning, i. e., seman- theory — semantic theory, speech act theory,
tics (presupposing syntax); the theory of and mental act theory — are interrelated.
speech acts; and the theory of mental acts Thus: in performing a speech act one utters
involved in speech. The last two areas are a sentence whose meaning is the intentional
parts of pragmatics, but their true homes are content of the relevant mental act presup-
action theory and intentionality theory — posed by the speech act. For instance, in
disciplines whose concerns are wider than the- making an assertion one believes or judges
ory of language. — Semantic theory studies what one asserts (on pain of insincerity); that
various aspects of meaning, including sense, is, the sense of the sentence uttered is the
reference, and truth-conditions for appropri- content of one’s belief. Theories to this effect
ate forms of expression. Take the sentence will be detailed in section 2.
‘The morning star is a planet’. In a Fregean How does phenomenology contribute to
semantics (cf. Frege 1892), the term ‘the the above domains of theory in philosophy
morning star’ refers to Venus, and the predi- of language? It contributes directly in the
cate ‘is a planet’ refers to the range, or set, phenomenological description of our experi-
of things that are planets. The truth of the ence of speech: including our experience of
sentence depends on the reference of the rel- speaking and our perception and understand-
evant expressions contained in the sentence. ing of speech. But it also contributes indi-
Thus, the given sentence is true if and only if
46.  Phenomenological approaches 651

rectly, and perhaps more importantly, morning star is a planet, and in performing
through the analysis of mental acts underly- the speech act he intends to communicate this
ing speech, especially their intentionality and belief to his hearer. This intention (whose
how their intentional content contributes to exact content will be specified below) Searle
meaning. calls the ‘meaning intention’ in the speech act;
the belief expressed by the act he calls the
‘sincerity condition’ of the act, as the speaker
2. Phenomenological theories cannot sincerely assert what he does unless
of meaning he holds this belief. Both the intention in
We shall consider three specific theories of speaking and the belief expressed are inten-
meaning, found in Searle, the early Husserl, tional mental states: these are the two levels
and the middle to late Husserl. Each is de- of intentionality involved in the speech act.
veloped within a theory of intentionality that As intentional action, the speech act inherits
is fundamentally phenomenological (though its intentionality from the meaning intention;
Searle rarely speaks of phenomenology by consisting of bodily movement together with
name). intention, it is an intentional action because
it is caused by the constituent intention (an
instance of what Searle calls ‘intentional cau-
2.1. Searle’s theory of meaning and sation’). — Searle’s general theory of inten-
intentionality and its critique tionality focusses on the notions of inten-
tional content, psychological mode, condi-
2.1.1.  Searle’s earlier theory of speech acts — tions of satisfaction, and direction of fit (cf.
in Speech Acts (1969) — follows Herbert Paul Searle 1983, chs. 1 ff) (s. art. 93). In the case
Grice (1913—1988) in reducing meaning to of Frege’s belief, the psychological mode of
speaker’s intention. Thus, a speaker’s mean- the intentional state is that of belief (as op-
ing is what he means, or intends, to achieve posed, say, to desire or intention), and the
in communication. The meaning of an asser- intentional content of the state is the propo-
tion, for instance, is the speaker’s intention sition that the morning star is a planet. As a
to make the hearer aware of what is asserted, belief, its direction-of-fit is mind-to-world: it
specifically by recognizing the speaker’s in- will ›fit‹ the world if it is true (whereas in
tending just that (cf. Searle 1969, 49 f, for desire the world must fit the desire if it is
exact details). But that theory is flawed. For fulfilled). And the conditions of satisfaction
we want to say the meaning of an assertion of the belief are that: one and only one object
— as in Frege’s notion of ‘sense’ — is not is a celestial body still visible at dawn and it
what the speaker intends to achieve, but what is a planet.
the speaker believes and expresses in his as- On Searle’s account, a speech act also has
sertion: the proposition or thought that is the conditions of satisfaction, and they are the
content of the belief he expresses. This aspect same as those of the psychological state ex-
of meaning is eclipsed in the Gricean reduc- pressed. In the case at hand, Frege asserts
tion. However, Searle’s later theory of mean- that the morning star is a planet. His assertion
ing in Intentionality (1983) is sensitive to this is true if and only if: one and only one object
further aspect of meaning. We shall consider is a celestial body still visible at dawn and it
only the later theory, which is developed is a planet. And these truth-conditions, or
within a proper theory of intentionality (cf. conditions of satisfaction, are those of the
Searle 1983, ch. 6). — For Searle, meaning belief presupposed and expressed by the as-
— a speaker’s meaning something — is a sertion, his belief that the morning star is a
special kind of intentionality. For a speech planet. Why are the conditions of satisfaction
act is a kind of intentional action, a bodily for the assertion those of the belief it ex-
behavior brought about by the actor’s inten- presses? Because what the speaker asserts is
tion in acting. But Searle notes two levels of what he believes, and that is what carries the
intentionality in the performance of a speech truth of the assertion (trying to be neutral
act: that of the intention with which the about what entities are the ›bearers‹ of truth
speech act is performed, and that of the psy- — acts of assertion, sentences, propositions,
chological state expressed by the speech act. or what have you). — On Searle’s account,
Consider Frege’s saying, ‘The morning star is the meaning intention in a speech act has a
a planet’. In uttering these words he performs fairly complicated structure (cf. Searle 1983,
a speech act of assertion. His speech act pre- 165—168; I shall simplify Searle’s formula-
supposes and expresses his belief that the
652 III. Positionen

tion and apply it to the case of assertion). reference analyzed in Searle’s theory? I take
Generally, a speaker’s intention is to perform it his analysis, though not explicit, would run
a certain speech act. Specifically, the speaker like so: Reference (and predication too) is a
intends to utter certain words and thereby speech act, a part of the speaker’s meaning.
both to represent something and to commu- When Frege says, ‘The morning star is a
nicate this representation to his hearer. Thus, planet’, part of his speech act is his referring
we must distinguish the speaker’s intention to to Venus by uttering the phrase ‘the morning
represent (›Sachbezug‹) and his intention to star’. In Fregean fashion, I think Searle would
communicate (›Personenbezug‹) (s. art. 77). agree, this reference is determined by the in-
(The earlier Gricean approach, Searle notes, tentional content of the belief expressed, spe-
failed to make this distinction.) For instance, cifically, by that part of the content that is
when Frege says, ‘The morning star is a expressed (if we may say so) by uttering the
planet’, his intention in speaking has three words ‘the morning star’.
parts. Spelled out in the first person, his in-
tention is that: ›this intention causes me to 2.1.2.  The strength of Searle’s theory is its
utter the sentence ‘The morning star is a detailed story of the intentionality of speech
planet’, my uttering that sentence represents acts. His earlier, Gricean theory accounted
(or has as conditions of satisfaction) the state only for the communciative intentions in
of affairs that the morning star is a planet, speaking. But his mature theory appraises
and my audience recognizes both that I utter also the intentionality of the psychological
that sentence and that my utterance repre- state expressed by the speech act, particularly
sents that state of affairs‹. Of course, Frege’s the representation therein of what the speaker
belief that the morning star is a planet — the is talking about (s. art. 57). This story is, I
belief expressed by his speech act — also think, phenomenologically sound, though we
represents, or has as conditions of satisfac- might q uibble over details in Searle’s analysis
tion, the state of affairs that the morning star of the structure of meaning intention. A la-
is a planet. For it is what he believes that he cuna in Searle’s theory, however, is his failure
aims to express in speech and so to commu- to declare what is ›the meaning‹ of an ex-
nicate to his hearers. Accordingly, Searle pression. — Searle’s theory is assiduously
holds that the part of meaning concerned with neutral in ontology. This is both a virtue and
representation is “the core of meaning” a limitation. On the one hand, it is important
(Searle 1983, 168). — What then, on Searle’s to tell the story of intentionality — for both
theory, is ›the meaning‹ of an expression or mental acts and speech acts — with as little
utterance? The natural answer would be: the ontological commitment as possible. As
intentional content of the psychological state Searle’s work shows, the basic story line needs
expressed by the speech act — in the Frege no special commitment to a ›third realm‹ of
example, the thought or proposition that the Fregean ›Sinne‹, much less a Cartesian dual-
morning star is a planet. (This would be the ism or an idealism. Indeed, ontological com-
meaning of the utterance-token produced in mitments, it is said, lie beyond phenomeno-
a speech act of saying, ‘The morning star is logical analysis per se. On the other hand,
a planet’; the meaning of the utterance-type, sooner or later the piper must be paid. The
the expression per se, would be the intentional neutral story of intentionality must be given
content of the type of psychological state a proper ontological foundation, including an
normally expressed in uttering that expres- ontology of mental acts, actions (intentional
sion.) Searle would no doubt accept this an- bodily movements), intentional contents, etc.
swer with the proviso that no special meta- (s. art. 119). In fact, Husserl’s work offers a
physics be built into the notion of meanings detailed phenomenological analysis of inten-
as intentional contents. Indeed, he acknowl- tionality together with a couple of alternative
edges that his theory of meaning and refer- ontologies, in terms of which he develops a
ence is essentially like Frege’s theory of ›Sinn‹ detailed theory of meaning.
and ›Bedeutung‹, but he rejects the need to
postulate with Frege a ›third realm‹ of ab- 2.2. Husserl’s early theory of meaning and
stract entities called ‘Sinne’ (1983, 197). In reference and its critique
fact, Searle steadfastly avoids talking of
‘meanings’, or of ‘the meaning’ of an expres- 2.2.1.  In his monumental Logische Untersu-
sion or utterance; instead, he talks only of chungen (1900/01), Husserl gave a detailed
‘meaning’, i. e., speaker’s meaning taken as an analysis of meaning and reference in terms of
intentional act or state. — Finally, how is
46.  Phenomenological approaches 653

intentionality in speech acts (cf. 1970, I and such-and-such. Rather, we ›live‹ in the under-
V). For Husserl an ›act of expression‹ — a lying mental acts that lend their meaning to
speech act or ›expressive act‹ — has both a the speech; for in speaking we are attending
physical side and a mental side. The physical to what is presented in those acts (1970 V,
side is the production of speech sounds (to- 584). Thus, as Frege utters the sentence ‘The
gether perhaps with gestures), while the men- morning star is a planet’, his consciousness is
tal side is the mental activity that ›gives mean- focussed not on the words coming from his
ing‹ to the act. The pattern of sound becomes mouth, nor on the response he seeks from his
speech or expression only hearers, but on the state of affairs that the
“when the speaker produces it with the purpose of morning star is a planet — the object of his
›expressing himself about something‹ by its means, underlying judgment. The speech act itself is
in other words, when in certain mental acts he thus a complex act whose ›object‹, or inten-
lends it a meaning which he wants to communicate tional focus, is the object of the underlying
with the hearers / dadurch, daß der Redende sie in act it expresses. That is, Frege’s utterance of
der Absicht erzeugt, sich ›dadurch über etwas zu the sentence refers, or is semantically related,
äußern‹, mit anderen Worten, daß er ihr in gewissen to the state of affairs that the morning star is
psychischen Akten einen Sinn verleiht, den er dem a planet. And when in uttering the sentence
Hörenden mitteilen will” (Husserl 1970 I, section he says ‘the morning star’, his words refer to
7, 276). the planet Venus. Notice that in Husserl’s
Thus, the speaker’s intention is to express semantics a sentence refers to a state of af-
himself about something and to communicate fairs, whereas in Frege’s semantics a sentence
a meaning to his hearer. But the meaning to refers to a truth-value.
be communicated is not itself the speaker’s Husserl gives a close analysis of the relation
intent, the intentional content of this inten- between the expressive act and the underlying
tion, or purpose. Rather, the speech act serves act, its content, and its object. An expressive
to communicate a meaning drawn form an- act, he allows, ›expresses‹ the underlying act;
other mental act, an ›underlying‹ act that is but he seeks a finer analysis. An act of ex-
›expressed‹ or ›intimated‹ by the speech act pression ›indicates‹ the underlying act, in the
— a judgment in the case of assertion. Con- same sense that a flag is a sign that conven-
sider again Frege’s saying, ‘The morning star tionally indicates a nation. But language in-
is a planet’. This expressive act of assertion volves a special kind of indication, an indi-
is founded upon Frege’s act of judging that cation of an intentional act. Husserl says the
the morning star is a planet. This underlying expressive act ›intimates‹ the underlying act.
judgment has an intentional content consist- Further, the ›object‹ of the speech act — its
ing of two components: the ›q uality‹ of judg- referent (though Husserl does not use the
ing (as opposed to desiring, etc.); and the term) — is the object of the underlying act.
›matter‹, or ›sense‹ (Sinn), which is the prop- That object is presented in the underlying act
ositional content that the morning star is a through the act’s content. Accordingly, what
planet. That ›sense‹ is the ›meaning‹ (Bedeu- the speech act properly ›expresses‹ is that con-
tung) expressed by Frege in uttering the sen- tent. Thus, the ›meaning‹ (Bedeutung) of an
tence. Since the speaker utters this sentence expressive act is the content (what he would
with the purpose of communicating to the later call the Sinn) of the underlying act in-
hearer precisely that content, the speaker’s timated by the expressive act. And the mean-
intention both depends on and is about the ing of the expression-type, the words uttered,
underlying judgment whose content is ex- is the content that would normally be ex-
pressed in speaking. Note that Husserl and pressed by uttering those words. On Husserl’s
Frege used the technical terms ‘Sinn’ and theory, then, the meaning and reference of an
‘Bedeutung’ differently: for Frege the ›Sinn‹ expression, or its utterance, derive directly
of an expression is its meaning, and the ›Be- from the intentionality of the speaker’s un-
deutung‹ its referent; whereas for Husserl the derlying mental act. The object, or referent,
›Bedeutung‹ of an expression is its meaning, of the expressive act is the object of the un-
which is the ›Sinn‹ — part of the content — derlying act; and the meaning of the expres-
of the underlying act, and the object of the sive act is the content (the ›matter‹) of the
expression is its referent (s. art. 81). — In underlying act. The expression (type or token)
speaking, Husserl says, we do not ›live‹ in our expresses the content and refers to the object
perception of the sounds uttered, or even, of the underlying act. Furthermore, the object
presumably, in our intention to communicate is determined by the content of the underlying
654 III. Positionen

act; hence, the referent is determined by the of meaning is its discerning analysis of the
meaning of the expressive act, and similarly relations among meanings, intentional con-
for the expression-type. Conseq uently, there tents, speech acts, and underlying acts of
is a parallel between linguistic reference and judgment, desire, etc. However, the proposed
mental reference, or intentionality: as linguis- ontology of meanings is debatable. As we saw,
tic reference is mediated by meaning, so is Husserl identifies meanings with intentional
intentional reference mediated by intentional contents of underlying mental acts. This is a
content: precisely because linguistic reference plausible explication of the traditional idea
is founded on intentional reference, the that language expresses thought. But he fur-
speech act borrowing its meaning and referent ther identifies intentional contents with ›ideal‹
from the underlying mental act (s. art. 78). — species of mental acts. This is problematic,
Husserl offers a very specific ontology of for there are things we want to say about
meanings. Meanings are ›ideal‹ — today we meanings that we don’t want to say about
say abstract — entities, in that they are shared act-species, and vice versa. — In particular,
by different utterances at different times and meanings include things like thoughts and
places and so they themselves are not tied to concepts, and these entities have specifically
spatiotemporal locations. Being intentional semantic properties. For instance, a concept
contents, however, they are instantiated in may be ›satisfied‹ by an object, and a thought
particular mental acts (those underlying may be ›true‹. But act-species per se do not
speech acts), which have specific temporal (if have such semantic properties. We can say a
not spatial) locations. This theory of mean- particular mental act of judging is true, or we
ings is an application of Husserl’s ontology can say a mental act of conceiving is satisfied.
of contents of mental acts, which is set within But we cannot say the given species of judging
an Aristotelian theory of species and instan- or conceiving — the abstract entity itself —
tiation joined with Husserl’s own theory of is true or satisfied. Again, one thought or
dependence and part-whole relations (cf. proposition may entail another, but judg-
1970, I, III, V). — Husserl distinguishes ›real‹ ment-species do not properly entail one an-
and ›ideal‹ contents of mental acts. The ideal other. Furthermore, species come in hierar-
content of an act he identifies with the species chies, but concepts and thoughts do not form
of the act, e. g., that of being a judgment-that- hierarchies in that way. To be sure, there are
the-morning-star-is-a-planet. The real content concepts and meta-concepts, and thoughts
is that part of the act which instantiates, or about thoughts, and species of concepts and
is a particular instance of, the species: e. g., thoughts, and indeed the concepts of cat and
that part of an act that consists in judging mammal can be stacked up in parallel with
that the morning star is a planet. That part the species Cat and the genus Mammal; but
of the act is a ›moment‹, or dependent part, concepts and thoughts do not themselves
of the act: it necessarily could not exist unless stack up in a species-to-genus way. Moreover,
the act as a whole exists. It is ›real‹ because things of a species instantiate the species, but
it has a temporal location, which is presum- mental acts do not instantiate — they ›have‹
ably that of the whole act. Thus, when Frege — their contents. Of course, ontological re-
says, ‘The morning star is a planet’, the mean- duction always brings surprises, so the early
ing of his utterance is the ideal species of his Husserlian might accept these ›surprises‹ as
underlying act of judging that the morning the price of the reduction.
star is a planet, a species that is instantiated
in the ›real‹ part of content (specifically, the 2.3. Husserl’s later theory of meaning as
›matter‹) of that act of judging, the real con- noema and its critique
tent being a dependent part of the act itself.
That same meaning will be shared by Rudolf 2.3.1.  Husserl continued to develop his theory
Lotze’s (1817—1881) saying, ‘The morning of intentionality and meaning in his middle
star is a planet’, though in that case the mean- and later works, including Ideen zu einer rei-
ing will be instantiated by the relevant part nen Phänomenologie und phänomenologischen
of Lotze’s act of judging that the morning Philosophie I (1913) and Formale und tran-
star is a planet (for a more extensive exposi- szendentale Logik (1929), but with a change
tion of these views of Husserl, see D. Smith/ in the ontology of intentional contents. No
McIntyre 1982, chs. III, IV, and Mulligan/B. longer does he identify contents with species
Smith 1986). of mental acts; he assumes instead that they
are a different kind of ›ideal‹, or abstract,
2.2.2.  The strength of Husserl’s early theory
46.  Phenomenological approaches 655

entities called ‘noemata’. With the ›transcen- What of meaning and reference in lan-
dental‹ phenomenology of Ideen some schol- guage? As in Husserl’s early theory, the mean-
ars see a change from realism to idealism, but ing of an expressive act is the sense (Sinn) in
we shall assume here that Husserl remained the content, or noema, of the underlying act;
a realist, distinguishing objects like trees and and the object, or referent, of the expressive
people from mental acts and their contents. act is the object of the underlying act, the
In Ideen Husserl says the act of expression object determined by the sense of that act.
›adapts‹ itself to an underlying intentional act Then the meaning and referent of an expres-
so that the ›meaning‹ (Bedeutung) expressed sion-type, as opposed to token, are the mean-
in speech is, without alteration, the ›sense‹ ing and referent that an utterance of that type
(Sinn) of the underlying act (cf. Husserl 1967, would normally have. And so meaning (=
section 124). The full intentional content of sense) determines reference. Husserl’s mature
a mental act he calls a ‘noema’, and the ›nu- semantics is thus very similar to Frege’s (for
cleus‹ of the noema he calls a ‘sense’ (Sinn) a more detailed exposition of Husserl’s middle
(cf. Husserl 1967 sections 88, 90, 128—132). theory of meaning and intentionality, see D.
For instance, the noema of Frege’s judging Smith/McIntyre 1982; on the historical con-
that the morning star is a planet would in- nections between Husserl and Frege, see
clude two components: the sense ‘the morning Dreyfus 1982 and Mohanty 1982).
star is a planet’, and the ›thetic‹ content of
judgment (as opposed to desire, etc.). Inter- 2.3.2.  The advantage of Husserl’s later theory
estingly, he says the combination of sense and is that it avoids the problems we raised about
thetic content form a ›proposition‹ (Satz), a his early theory of meaning as act-species.
›posited sense‹ (1967, section 133); most phi- For noemata, or their sense-components
losophers would take ›propositions‹ to be just (Sinne), are precisely the semantic entities
the ›Sinn‹ components of acts like judging. — normally evoked by terms like ‘concept’ and
The intentional content, or noema, of an act ‘thought’, and their work is not left mysteri-
is ›ideal‹ in that different acts of the same ously to act-species per se. We naturally think
type or species share the same noema. But of such things as the meanings of our words.
noemata, Husserl assumes, are not act-spe- The disadvantage of Husserl’s later theory is
cies: they are their own kind of abstract en- the additional ontological commitment: the
tities, similar to Fregean senses (Sinne). Thus, Platonism of entities like Fregean Sinne. Noe-
an act ›has‹ but does not instantiate a noema, mata are a kind of abstract entities, along
and the sense in a noema has the semantic with species, numbers, sets, and what have
property of pointing towards a certain object you. But what can be said of their existence?
(cf. Husserl 1967, sections 129—131). On And of their relations and interdependence
Husserl’s mature theory of intentionality, with concrete things, including mental acts
then, an act is intentionally related to — ›of‹ and physical objects? An intentional relation
or ›about‹ — a given object if and only if the between act and object — say, between
act has a certain noema and the sense in that Frege’s thinking and the planet Venus —
noema semantically prescribes, or is satisfied takes place in the concrete world: it relates a
by, that object. The intentional relation be- temporal mental act to a spatiotemporal
tween act and object is thus the composition physical object. But on Husserl’s mature view,
of these two relations. In Ideen, then, Husserl that relation is mediated by a noema or noe-
shifts from an ontology of contents as Aris- matic ›Sinn‹, which is an abstract entity out-
totelian species to an ontology of contents as side of space and time. So a successful inten-
Fregean abstract particulars. In the Aristo- tional relationship relates one concrete entity
telian scheme, species exist only insofar as to another by way of an abstract entity. Such
they are instantiated; but in the Fregean a theory Mulligan and B. Smith (1986, 153)
scheme, senses (including ›thoughts‹) form an brand “incoherent”. That it is not, but the
eternal realm of abstracta whose existence is ontology is strong. For that matter, species-
independent of both mental acts and physical instantiation already relates an abstract entity
objects. Husserl seems to assume that noe- to a concrete entity, so even the weaker on-
mata are eternal and autonomous like Fre- tology of Husserl’s early theory (where con-
gean senses, yet occasionally he implies that tents are act-species) connects abstracta with
they exist only when acts occur that bear them concreta (s. art. 82).
as contents.
656 III. Positionen

our total mental states are identical in kind


and so have the same intentional content
3. Phenomenological theories (whatever exactly that is). And similarly for
of indexicality our utterances of any indexical word. Now,
Indexical words pose special problems for the if the meaning expressed by an indexical word
philosophy of language, particularly for phe- (‘this’, ‘I’, etc.) is the intentional content of
nomenological theories. We shall discuss three an appropriate mental state of the speaker in
phenomenologically based theories of mean- uttering it, then my ›Doppelgänger‹ and I
ing and reference for indexicals: Searle’s the- express the same meaning, the same inten-
ory; the early Husserl’s theory, and its exten- tional content, when we both utter that word.
sion by Mulligan and B. Smith; and the au- Yet we refer to different things. Thus, for
thor’s own theory, which ramifies a Husser- indexical words, meaning cannot determine
lian theory of meaning so as to deal with reference. It should be said that we shall draw
indexicals. very different conclusions from the Twin
Earth case than have Putnam and others;
where Putnam concluded that meaning can-
3.1. The problem of indexicals not be ›in the head‹, we shall not. — The
Words like ‘this’, ‘I’, ‘now’, ‘here’, ‘you’, etc. same argument can be run in a more mundane
are special because their reference depends on scenario, without assuming a Twin Earth. For
the context of utterance. When a speaker instance, when you and I each say ‘I’, we refer
utters ‘this’, for instance, she refers to the to different people even though our utter-
object she is pointing at; when a person utters ances express the same meaning, the same
‘I’ she refers to herself; ‘now’ refers to the form of experience or intentional content. In
time at which it is uttered; and so on. Such such a scenario, however, there is a tempta-
words Charles Sanders Peirce (1839—1914) tion to get lost in the phenomenological de-
(s. art. 32) called ‘indexical’, and so shall we. tails, wondering whether we really express the
The problem of indexicals is to explain the same form of self-awareness in saying ‘I’, or
context-dependence of the way they refer: in whether two people ever really have the same
particular, to explain the role of meaning in form of self-experience — and similarly for
such reference (s. art. 79). other indexicals. The Twin Earth case sets the
On a Fregean or Husserlian theory of ref- scene with precision, eliminating such possi-
erence, the referent of an expression is deter- bilities and forcing the clean conclusion that
mined by its meaning, that is, the referent is meaning (= intentional content) does not
a function of the meaning. But this Fregean determine reference. A phenomenological, in-
principle breaks down for indexical words, tentionalist theory of meaning for indexicals
given the Husserlian theory of meaning as must come to terms with context-dependence
intentional content. For different speakers in the dramatic Twin Earth case (s. art. 92).
can utter the same indexical word (‘this’, ‘I’, Frege was already aware that his theory of
etc.) in different contexts and express the reference via sense was in need of revision for
same intentional content though they refer to indexicals. In Der Gedanke. Eine logische Un-
different things. The most dramatic way to tersuchung (1918) he proposed that when an
make this point is by way of Hilary Putnam’s indexical (or even tense) is used to express a
(*1926) famous ›Twin Earth‹ thought exper- thought, the context of utterance is in fact
iment (cf. Putnam 1975, 223—234.) Suppose part of the expression of the thought. More-
there is a planet in a distant corner of the over, Frege assumed that the word ‘I’ cannot
universe that is exactly similar to our own express the same mode of presentation for
planet Earth — call it ‘Twin Earth’. When I different speakers because, he conjectured,
say ‘this’ here on Earth, I refer to the object “everyone is presented to himself in a particular
I am pointing at here; but on Twin Earth and primitive way, in which he is presented to no
there is an exact duplicate of this scene in one else / jeder [ist] sich selbst in einer besonderen
which my ›Doppelgänger‹ there says ‘this’ and und ursprünglichen Weise gegeben, wie er keinem
refers to the object he is pointing at there. anderen gegeben ist” (Frege 1967, 25 f).
Since his circumstance duplicates mine, his Husserl too in his Logische Untersuchungen
mental state and mine are exactly the same (1900/01), as we shall see, was aware of the
in type, and so they have the same intentional context-dependence of indexicals and the
content (whatever that is in detail). Similarly, problem it posed for his theory of meaning.
when I say ‘I’ here I refer to myself, whereas Let us consider, then, some phenomenological
when he says ‘I’ there he refers to himself, yet theories of indexical meaning and reference.
46.  Phenomenological approaches 657

3.2. Searle’s theory of indexicality as self- the content of the speaker’s and hearer’s
referentiality and its critique awareness of the context of utterance. When
a person says, ‘That man is drunk’, for in-
3.2.1.  Hans Reichenbach (1891—1953) called stance, Searle says
indexical expressions “token reflexive” (1947, “the utterance is only meant and understood in the
section 50). Similarly, on Searle’s account context of an accompanying visual perception of
(1983, ch. 8, 218—230), an utterance of an which man is meant, and the proposition expressed
indexical word involves a type of self-refer- has to contain the [i]ntentional content of the per-
ence, and that is the key to its indexicality. It ceptual experience that accompanies the utterance”
is not that the speaker refers to the utterance (1983, 226).
(as in saying, ‘This statement is false’); it is The full conditions of satisfaction of that
rather that a specification of the conditions utterance Searle would thus formulate as fol-
of satisfaction of the utterance includes an lows (if we may simplify a bit): “there is a
essential reference to the utterance itself. For man x there, and the fact that x is there is
instance, when a person says, ‘I am hungry’, causing this visual experience, and x is the
the conditions of satisfaction of the assertion man visually experienced at the time of this
can be stated as follows (Searle 1983, 223): utterance, and x is drunk” (cf. 1983, 227).
“The person making this utterance, ‘I’, is hun- The speaker, and the hearer too, sees the man
gry at the time of this utterance, ‘now’”. referred to, and the content of his visual ex-
Searle wants to defend a Fregean theory of perience has the conditions of satisfaction, on
indexicals against Putnam’s Twin-Earth ar- Searle’s analysis, that ›there is a man x there,
gument, while disavowing Frege’s ontology. and the fact that x is there is causing this
Thus, for Searle, the ›Fregean sense‹ ex- visual experience‹. This content supplements
pressed by uttering an indexical expression the self-referential content ‘x is the man vi-
will be an intentional content that determines sually experienced at the time of this utter-
the conditions of satisfaction for the utter- ance’, which involves the descriptive content
ance. What sort of content? Searle posits three ‘x is the object being visually experienced at
elements in the sense expressed by uttering an the time of the utterance’, which indicates the
indexical expression (1983, 222—226): a self- contextual relation between the referent and
referential content, a nonindexical descriptive the utterance. — A Fregean or Husserlian
content, and in some cases a supplementary theory of reference is ›internalist‹ in the sense
awareness of context. When a person says, ‘I that reference is determined by an intentional
am hungry’, for instance, the conditions of content ›in the speaker’s head‹. Searle says
satisfaction of the utterance, as formulated his theory of meaning and reference is “inter-
above, include reference to the utterance it- nalist” (1983, 198), and this includes his the-
self. The referent of the utterance of ‘I’ is ory of indexicals. But how can indexical ref-
determined by ›the person making this utter- erence be determined by ›internal‹ content if
ance‹, i. e., by that part of the conditions of it depends on the ›external‹ context of utter-
satisfaction which is formulated thereby. In ance, which is not ›in the speaker’s head‹?
this way the utterance of ‘I’ involves the ut- Because, he says, “the ›contextual‹ elements
terance’s reference to itself, even though the are indeed present, but they are fully inter-
speaker is referring not to the utterance but nalized in the sense that they are part of the
to himself. Searle says the self-referentiality [i]ntentional content” (1983, 212). More pre-
is “shown but not stated” (1983, 223) — what- cisely, the contextual elements are part of the
ever that Wittgensteinian phrase means. — conditions of satisfaction of the relevant ex-
Now, Searle holds that uttering an indexical perience: for instance, when someone says, ‘I
further expresses a ›nonindexical descriptive am hungry’, part of the conditions of satis-
content‹ which ›indicates‹ the appropriate re- faction are that the referent of ‘I’ be uttering
lation between the object referred to and the ‘I’. But Searle in effect identifies intentional
utterance. Uttering ‘I’, for instance, further content with conditions of satisfaction (1983,
expresses the content ‘the person uttering’, 10—13 ff; 48—51), so he can then say the
which indicates the relation between utterance context is part of the content of an indexical
and referent: the utterance is being uttered by utterance. — How does Searle handle the
the referent. Furthermore, Searle holds, an Twin Earth argument? He says there simply
utterance of an indexical may not have a is no problem (1983, 227):
proper Fregean sense (which by itself deter- “I, on this earth, and my ›Doppelgänger‹, on twin
mines reference) until it is supplemented by earth, will express different Fregean senses in our
658 III. Positionen

use of the demonstrative ‘That man’, even though reference.


our utterances and our experiences are q ualitatively In Searle’s account of indexical meaning,
type identical. His perception and his utterance are it is not yet clear what the relations are among
both self-referential, as are mine”. the three kinds of content expressed by an
Thus, when I and my ›Doppelgänger‹ utter indexical: the properly indexical content (in-
the same indexical, Searle holds, we express volving self-referentiality), the nonindexical
different intentional contents and refer to dif- descriptive content, and the supplementary
ferent objects: hence, reference is still a func- perceptual content for demonstratives. A de-
tion of sense, or intentional content. Why are tailed account of just these matters is begun
the contents expressed by myself and my dou- in Husserl’s account of indexicals.
ble different? Because, Searle holds, the con-
ditions of satisfaction of my saying, ‘That 3.3. The early Husserl’s theory of meaning
man is drunk’, are that the man being visually for indexicals and its critique
experienced by the utterer of my statement is
drunk, while the conditions of satisfaction of 3.3.1.  In Logische Untersuchungen Husserl of-
my double’s saying the same are that the man fered an astute if brief account of indexicals,
being visually experienced by the utterer of set within his general theory of meaning and
his statement is drunk. Again, the context is reference (which we outlined in 3.2.; cf. Hus-
in this way part of the conditions of satisfac- serl 1970 I, section 26, and VI, sections 4—
tion, for Searle. 5; for details of interpretation, see D. Smith
1982). Husserl called indexicals ›essentially
3.2.2.  As Searle finds, an indexical utterance occasional expressions / wesentlich okkasio-
involves a kind of self-reference, in its satis- nelle Ausdrücke‹. An occasional expression,
faction-conditions. However, the essence of he held (1970 I, section 26, 315—317), has
indexical meaning lies elsewhere, as we shall two levels of meaning: a generic meaning,
see in section 3.5. In any event, Searle is right which is the same for all utterances; and a
in arguing, against Putnam and others, that specific meaning, which varies with the oc-
an internalist theory of indexicals can accom- casion of utterance. The generic meaning is a
modate context-dependence and the Twin- concept reflecting the “universal semantic
Earth thought-experiment; but his account of function / allgemeine Bedeutungsfunktion”
the Twin Earth case is incorrect. — Searle (Husserl 1970, 315) of the expression. For the
holds that in a Twin Earth scenario the two word ‘I’ this meaning is the concept “whoever
speakers uttering an indexical, on Earth and speaks is designating himself / der jeweilig
Twin Earth, express different senses, i. e., in- Redende, der sich selbst bezeichnet” (Husserl
tentional contents, though their underlying 1970, 315), or perhaps “the speaker uttering
experiences are q ualitatively type identical. ‘I’”. But this “conceptual meaning / begrif-
But surely that is mistaken. Fregean senses fliche Vorstellung”, Husserl says, “is not what
are defined by modes, or types, of presenta- the word ‘I’ means / ist nicht die Bedeutung
tion; so type identical experiences, or pres- des Wortes ‘ich’” (1970, 315). What ‘I’ means
entations, must have the same content, or on a particular occasion of utterance — the
sense. Searle’s error springs from his tendency specific meaning expressed on that occasion
to identify contents with conditions of satis- — depends on “the intuitive circumstances
faction — seeking thereby to defuse the on- which surround it / den zu ihr gehörenden,
tology of content, or sense. If we clearly dis- anschaulichen Umständen” (Husserl 1970,
tinguish contents from satisfaction-condi- 315), i. e., the speaker’s intuitive awareness of
tions, however, we can easily describe Twin himself.
Earth cases correctly. The Earthling and her “[T]he meaning of ‘I’ / die Bedeutung des ‘ich’”,
Twin Earth double express the same content Husserl says, “is essentially realized in the imme-
by uttering an indexical, and their utterances diate presentation of one’s own personality [...].
have the same type of satisfaction-conditions, Each man has his own I-representation (and with
but the particular objects in virtue of which it his individual concept of I) and this is why the
their utterances are satisfied are different in word’s meaning differs from person to person /
the two cases. Everything Searle says about vollzieht sich [...] wesentlich in der unmittelbaren
such a case is correct (given his account of Vorstellung der eigenen Persönlichkeit [...]. Jeder
indexicality), except that the intentional con- Redende hat seine Ichvorstellung (und damit seinen
tents expressed are the same. But then Searle Individualbegriff von ‘ich’), und darum ist bei je-
has not answered Putnam’s charge against dem die Bedeutung des Wortes eine andere” (1970,
the Fregean principle that sense determines 316).
46.  Phenomenological approaches 659

On Husserl’s account, then, not only does proper names in that they refer to an object
the referent of an indexical word vary with ›directly‹, i. e.
the occasion of utterance, but so does the “not in the attributive way as the bearer of these
specific meaning expressed, which is the con- or those properties, but [...] as that which it ›itself‹
tent of the speaker’s ›intuitive‹ presentation is, just as perception might set it before the eyes /
of the referent. Husserl can thus accommo- nicht in attributiver Weise als Träger dieser oder
date the Fregean principle that meaning de- jener Merkmale, sondern [...] als denjenigen, der
termines reference: provided the object of an er ›selbst‹ ist, so wie ihn die Wahrnehmung vor
›intuitive‹ presentation is a function of the Augen stellen würde” (Husserl 1970, 684).
content of the presentation. Accordingly, The resonance is clear with Bertrand Rus-
Husserl’s theory of indexical meaning, like sell’s (1872—1970) distinction between ›logi-
Searle’s, would dismiss the Twin Earth sce- cally proper names‹ (indexicals) and definite
nario on grounds that the two speakers’ in- descriptions (›the so-and-so‹), which express
tentional contents would be different, as are respectively knowledge by acq uaintance and
their referents. — How are the generic and knowledge by description.
specific meanings of an indexical expression
related? Husserl says the generic meaning ›in- 3.3.2.  The distinctions Husserl draws exactly
dicates‹ to the hearer the speaker’s specific parallel those in David B. Kaplan’s (*1933)
meaning on the occasion of utterance (1970, definitive logic of demonstratives (for details
316). That is, in virtue of the generic meaning see D. Smith 1982). But unlike Kaplan, Hus-
of the word, the speaker’s utterance indicates serl identifies the two levels of indexical mean-
the specific meaning to the hearer, calling ing with two types of intentional contents and
upon the hearer’s familiarity with that sort of thereby preserves an internalist theory of
intuitive presentation. In the case of the de- meaning for indexicals. The success of Hus-
monstrative pronoun ‘this’ or ‘that’, Husserl serl’s theory of indexicals will depend, how-
gives more details. Demonstrative reference, ever, on the details of the accompanying anal-
Husserl holds (1970 VI, sections 4—5), is ysis of intuition, and that theory remained
founded on the speaker’s perception of the inadeq uate in Husserl’s writings. Like Ber-
referent, perception being the paradigm form nard Bolzano (1781—1848) (s. art. 28) Hus-
of ›intuition‹ (Anschauung), or direct aware- serl took intuition to be a singular presenta-
ness. When a speaker says ‘this is a blackbird’, tion of a particular object ›itself‹. By Husserl’s
for instance, general theory of intentionality, the object of
“[t]he perceived object, as it is given in perception, an intuition is supposed to be determined by
is what the word ‘this’ means / [so ist d]as wahr- the content, or sense, of the intuitive presen-
genommene Objekt [...], so wie es in der Wahrneh- tation. But what is an ›intuition-sense‹ (An-
mung gegeben ist, mit dem ‘dies’ gemeint” (Husserl schauungssinn)? And how does it work se-
1970, 682). mantically to determine — in an internalist
That is, the specific meaning expressed by way — the object of intuition on a given
saying ‘this’ is the content of the speaker’s occasion? Husserl’s story does not answer
perception of the referent on that occasion. these q uestions. — For Husserl as for Searle,
“The intuition [...] gives determinateness of the Twin Earth problem lingers. On Husserl’s
objective reference / die Anschauung gibt [...] account, two speakers uttering the same in-
die Bestimmtheit der gegenständlichen Rich- dexical, on Earth and Twin Earth, would ex-
tung” (Husserl 1970, 683) to the generic press different specific meanings: different ›in-
meaning of ‘this’, which is the ›indeterminate‹ tuitive‹ contents that determine the referents
concept ›what the speaker is pointing at‹, or in the two contexts of utterance. But that is
better ›what the speaker is seeing and pointing incorrect: the two speaker’s experiences are
at‹. The generic meaning then indicates the type identical and therefore must have the
specific meaning to the hearer, but only in- same content — indeed, the early Husserl
sofar as the hearer, like the speaker, has a explicitly identified an act’s content with its
perception — an intuitive presentation — of ideal species. Furthermore, to make good on
the object the speaker is pointing at. For the Fregean principle that meaning deter-
Husserl, then, the key to indexical reference mines reference, Husserl would have to as-
is intuition: an indexical utterance expresses sume that intuitive contents are indexed by
the content of the speaker’s intuition, or di- the objects they determine in the context of
rect awareness, of the referent. Accordingly, awareness, so that different objects of intui-
Husserl says occasional expressions are like tion would always be determined by different
660 III. Positionen

intuitive contents. But that indexing would nicht entfalten. [...] Die Anschauung gibt [dem
take Husserl beyond the internalist theory of Unbestimmten der Bedeutung] nämlich die Be-
meaning. stimmtheit der gegenständlichen Richtung und da-
There is an apparent inconsistency in Hus- mit seine letzte Differenz. Diese Leistung erfordert
serl’s account of demonstratives. On the one es nicht, daß ein Teil der Bedeutung selbst in der
hand Husserl says, “The perceived object, as Anschauung liegen müsse” (Husserl 1970 VI, sec-
it is given in perception”, — which in Hus- tion 5, 683).
serl’s jargon means the content or sense of The relations among these three acts, on
the perceptual experience — “is what the Mulligan and B. Smith’s interpretation, are
word ‘this’ means”. But on the other hand relations of dependence. For Husserl, one ob-
Husserl says ject (or event or state of affairs) depends, or
“perception is an act that determines but does not is founded on, another if the first necessarily
contain meaning since [...] ‘this’ can often be used could not exist (or occur or obtain) unless the
and understood without an appropriate foundation second did. Thus, a speech act of saying,
in intuition / daß es Wahrnehmung [...] als Bedeu- ‘That is a blackbird’, depends on the speaker’s
tung bestimmenden, aber nicht als Bedeutung ent- perceptual judgment that ›that is a blackbird‹:
haltenden Akt gibt, weil [...] dies vielfach ohne that meaningful utterance could not occur
angemessene Anschauungsunterlage gebraucht und unless the perceptual judgment occurred. But
verstanden wird” (1970, 684). the perceptual judgment in turn depends on
The interpretation above has followed out the speaker’s perception of a blackbird, with-
the first claim, whereas Mulligan and B. out which the perceptual judgment could not
Smith, as we shall see, have followed out the occur. Furthermore, the judgment is ›indeter-
second. minate‹, and the perception gives it ›deter-
minateness‹, adding the ›lowest specific dif-
3.4. Mulligan and B. Smith’s dependence ference‹. The perception, Mulligan and B.
theory of indexicality and its critique Smith propose, ›fills‹ the ›slots‹ of meaning
left open in the judgment. Of course, there is
3.4.1.  Mulligan and B. Smith (1986) develop yet another dependence relation involved in
the early Husserl’s theory of indexicals as an indexical reference. The speaker’s saying
application of Husserl’s theory of dependence ‘that’ cannot refer to an object (successfully)
relations and his theory of parts and wholes, unless the object is appropriately located be-
which they have championed elsewhere. They fore the speaker on the occasion of utterance.
focus on demonstratives and their relation to This is the familiar sort of context-depend-
perception. — Mulligan and B. Smith (1986, ence everyone notes in indexical reference.
137—142) distinguish, to begin with, two The two sorts of dependence above, however,
kinds of ›act‹ involved in an indexical utter- relate the speech act to an underlying judg-
ance such as ‘that is a blackbird’: a ›meaning ment and a perception. — What, then, is the
act‹ and a perceptual act. The meaning act is meaning expressed by saying ‘that’, or ‘that
the speech act of meaningfully saying, ‘that is a blackbird’? On Mulligan and B. Smith’s
is a blackbird’. The perceptual act is the development of Husserl’s theory (1986,
speaker’s perception of the referent, and it is 138 ff), the meaning of that statement is the
this perception that determines the reference. meaning, or content, of the perceptual judg-
But there is a third act involved too: the ment it expresses. But that meaning, they
speaker’s perceptual judgment that ›that is a argue, cannot be simply the content of that
blackbird‹. It is not the perception but this judgment, which is the species of the judg-
judgment, founded on the perception, whose ment. For the judgment is itself indeterminate
content is the meaning expressed in the speech and only rendered determinate by the percep-
act. As Mulligan and B. Smith quote Husserl tion on which it is founded. Mulligan and B.
“[T]he meaning of a perceptual statement [...] could Smith do not spell out the Husserlian distinc-
not acq uire a determinate relation to the object it tion between generic and specific, or ›indicat-
means without some intuitive aid. [...] Intuition in ing‹ and ›indicated‹, meaning for an indexical,
fact gives [the meaning ...] determinateness of ob- but I take it their story should run as follows.
jective reference, and thereby its last difference. The generic meaning of a person’s saying,
And this achievement does not req uire that a part ‘that is a blackbird’, the meaning common to
of the meaning must itself lie in the intuition / [die] all occasions of utterance, is the content (=
Bedeutung der Wahrnehmungsaussage [könnte sich species) of the judgment. That content is itself
...] ohne Sukkurs der Anschauung in ihrer bestimm- indeterminate, and so can be grasped by a
ten Beziehung auf die gemeinte Gegenständlichkeit hearer without any perceptual knowledge of
46.  Phenomenological approaches 661

the circumstance of utterance. The specific 3.5. The author’s theory of indexical


meaning of the utterance, on the given occa- content
sion of utterance, is the content (= species)
of the speaker’s perception of the referent, The author has proposed a theory of meaning
which ›determines‹, or ›fills in‹, the generic and reference for indexicals which we may
meaning down to the ›least specific difference‹ call the ‘indexical-content theory’ (cf. D.
on the occasion of utterance. That meaning Smith 1981, and a supporting story for per-
is ›indicated‹ to the hearer only in the circum- ception in D. Smith 1984). On that theory,
stance of utterance, given the hearer’s percep- indexical reference is context-dependent yet
tion of the referent from his point of view. mediated by an essentially indexical meaning,
which is identified with the content of the
speaker’s acq uaintance (= ›intuition‹) of the
3.4.2.  By stressing the theory of dependence, referent. That theory preserves the ›internal-
Mulligan and B. Smith explicate two kinds ist‹ thrust of Husserl’s analysis but rejects the
of context-dependence in demonstrative ut- Fregean-Husserlian principle that reference is
terances: the dependence of indexical refer- a function of sense. — Assume a broadly
ence on the ›external‹ context of utterance, Husserlian or Searlean account of speech acts
e. g., the spatiotemporal (and causal) relation and their meaning, where the meaning of an
between speaker or utterance and referent; expression is the content of the expressed
and the dependence of the speech act itself underlying mental act (s. art. 54). An indexi-
on its ›internal‹ context, including the speak- cal expression, then, expresses the content of
er’s judgment and the perception it depends the speaker’s experience of acquaintance with
on. All this is an important part of the story the referent, which is an essentially indexical
of indexicality, and req uires a proper ontol- content. In particular, saying ‘this’ expresses
ogy of dependence relations. There are prob- the content of one’s perceptual awareness of
lems, however, with Mulligan and B. Smith’s the object one is referring to; saying ‘here’
analysis of indexical meaning (beyond the expresses the content of one’s perceptual
general issue of whether to identify meanings awareness of one’s location; saying ‘I’ ex-
with act-species). What precisely are the rel- presses the content of one’s immediate aware-
evant judgment content and perceptual con- ness of oneself; and so on. What precisely are
tent? In what way is the former ›indetermi- those contents? We specify them in everyday
nate‹ and the latter ›determinate‹, and how language by the indexical words that express
does the latter ›fill in‹ the former? If the judg- them; to specify them further is a matter of
ment content is something like the nonsin- detailed phenomenological analysis. How-
gular proposition ‘the object being pointed at ever, we can specify their semantic force, by
by the speaker is a blackbird’, how is that formulating their conditions of satisfaction,
proposition ›filled in‹ by the singular content and thereby appreciate their essentially index-
of seeing a blackbird? Husserl does not an- ical character. Thus, the content This in a
swer these q uestions, nor do Mulligan and B. person’s visual experience (say, of seeing ›this
Smith. — In any event, ›determinateness‹ of dog‹) on a given occasion prescribes, or is
content is not the key to indexical meaning, satisfied by, the object visually before the
as Mulligan and B. Smith assume. For deter- person, i. e., at a certain location before the
minateness may define singular presentation, person and causally affecting her eyes on that
and so insure that indexical reference is sin- occasion. And accordingly, when a person
gular, but it will not distinguish indexical ref- says ‘this’ while seeing (and perhaps pointing
erence from other kinds of singular reference, at) a given object, she expresses the content
e. g., by proper names. Moreover, Mulligan This in her visual experience of the object and
and B. Smith’s account has nothing to say thereby refers to that object. Similarly, the
about the semantic role of content or meaning content I in a person’s experience, say, of
in indexical reference. What does the ex- thinking that ›I am hungry‹, prescribes, or is
pressed content do in relation to the referent? satisfied by, the person having the experience.
In particular, does sense determine reference, And when a person says ‘I’ while having such
on Mulligan and B. Smith’s account of in- an experience, she expresses the content I in
dexicals? How would they address the Twin the experience and thereby refers to herself,
Earth case? They reject an ontology of Fre- the person saying ‘I’ while immediately aware
gean senses as abstract particulars, but that of herself. The contents This, I, etc., are in-
still leaves the Fregean principle, whatever dexical contents in that they prescribe, or are
the ontology of sense may be (s. art. 78).
662 III. Positionen

satisfied by, an appropriate object in the con- and the essence of indexical meaning is its
text of awareness. Indeed, it is only in a semantic appeal to features of context. Index-
particular experience in a particular context ical content is not defined merely as singular
on a particular occasion that they prescribe content, reflecting a singular mode of pres-
or ›mean‹ anything at all. They are thus ›oc- entation, or, as Mulligan and B. Smith as-
casional‹ contents, and not ›eternal‹ contents, sume, ›determinateness‹ of presentation and
like the concept ‘the inventor of bifocals’, hence reference. Nor is indexical content de-
which arguably prescribes an object indepen- fined in terms of self-referentiality per se,
dently of any context of awareness. The though, as Searle rightly notes, the conditions
meaning expressed by ‘this’, ‘I’, etc., on a of satisfaction will always involve reference
given occasion of utterance is the indexical to the experience itself. What is characteristic
content This, I, etc. This meaning is keyed to of indexical content is rather a sense of per-
the speaker’s point of view, which the hearer spective on the object presented, which is part
does not share, but the hearer is familiar with of the subject’s contextual relation to the ob-
that form of experience that carries the con- ject. Thus, the word ‘this’ expresses a spatial
tent expressed, and so the hearer understands perspective on the referent, ‘I’ expresses a
the speaker’s meaning, as it were, by trian- ›first-person‹ perspective on oneself, and so
gulation with respect to the relevant point of on. This perspectival character entails con-
view. There is not a second level of meaning, text-dependence, but it outruns singularity
shared by utterances on different occasions; and is not the same as self-referentiality. —
there is only this one content, realized in The indexical-content theory is formulated so
different experiences on different occasions. as to accommodate a Fregean or later-Hus-
What Husserl sought as the second, generic serlian ontology of senses as abstract partic-
meaning was a different but co-referential ulars. However, the main results in the theory
meaning. For instance, the concept ‘the person are ›semantic‹ rather than ontological, so the
uttering ‘I’’ embodies a different mode of basic results — indexical content determining
presentation than the content I itself, yet they an object in the relevant context — can be
prescribe the same object on a given occasion. grounded in various ontologies of content,
— In a certain sense, the referent of an in- including the early Husserlian scheme of con-
dexical utterance is ›determined‹ by the sense tent as act-species.
expressed: for the referent is the object pre-
scribed by the indexical content in the speak- 3.6. Critique of the indexical-content theory
er’s underlying acq uaintance with the refer-
ent. In that sense the theory is ›internalist‹. The chief problems for the indexical-content
But while that principle is Husserlian and theory concern the phenomenology and on-
Fregean in spirit, it departs from the familiar tology assumed. The details of indexical con-
Fregean principle that the referent is a func- tent remain to be specified by detailed phe-
tion of the sense. For the same indexical con- nomenological analyses of different kinds of
tent will prescribe different objects in different acq uaintance. And the general problem re-
contexts. And so, crucially, indexical refer- mains of what their ontological category
ence is essentially context-dependent. should be. If a ›third realm‹ of Fregean senses
This indexical-content theory readily ac- is assumed, then indexical contents will be a
counts for Twin Earth cases. For instance, special kind of sense, different from any de-
when I on Earth and my ›Doppelgänger‹ on scribed by Frege or Husserl. However, though
Twin Earth both say, ‘I am hungry’, we ex- abstract particulars, they will do their work
press the same content I but through it refer only in concrete contexts in the concrete
respectively to ourselves. For in my experi- world: where entertained in particular expe-
ence of thinking ‘I am hungry’, here on Earth, riences on particular occasions, prescribing
the content I prescribes me, while in my dou- concrete objects in those circumstances. In
ble’s experience of thinking the same, there this respect indexical contents are very differ-
on Twin Earth, the same content I prescribes ent from Fregean senses, which form eternal
him. And similarly for other indexical ex- thoughts wholly independent of minds. More-
pressions. Notice that, contra Putnam, the over, since most or all of our empirical
meaning of ‘I’, ‘this’, etc., remains ›in the thoughts and statements contain indexical el-
speaker’s head‹. — On this theory, the essence ements (including tense), their contents will
of indexical reference is context-dependence, rarely if ever be bona fide Fregean senses.
47.  Dialogical approaches 663

4. Selected references Mulligan/Smith 1986, A Husserlian theory of in-


dexicality, in Grazer Philosophische Studien 28.
Dreyfus (ed.) 1982, Husserl, Intentionality, and Cog-
Searle 1983, Intentionality.
nitive Science.
Smith 1981, Indexical sense and reference, in
Frege 1966, On sense and reference, in Translations
Synthese 49.
from the Philosophical Writings of Gottlob Frege.
Smith 1984, Content and context of perception, in
[1892]
Synthese 61.
Frege 1967, The thought: a logical inq uiry, in Phil-
Smith 1982, Husserl on demonstrative reference
osophical Logic. [1918]
and perception, in: Dreyfus (ed.) 1982.
Husserl 1970, Logical Investigations. [1900—1901]
Smith/McIntyre 1982, Husserl and Intentionality: a
Husserl 1967, Ideas. [1913]
Study of Mind, Meaning, and Language.
Husserl 1969, Formal and Transcendental Logic.
[1929] David Woodruff Smith, Irvine, Cal. (USA)
Mohanty 1982, Husserl and Frege.

47. Dialogical approaches

1. Connections with systems of value tools for: de-escalation in theatres of violence;


2. Glimpses from non-dialogical philosophy empowerment and self defense; analysis.
3. Two irreducible phases in human activity
4. Controversy and dialectical fields 1.2. The ideal of anonymity/neutrality in
5. Mental, intensional, argumentai science
6. Selected references
If the basic relations of communication and
dialogue are taken, as in traditional philoso-
1. Connections with systems of value phy, to be those between individual human
beings and God, then in a monotheistic cul-
1.1. Dominant interests ture the second relatum, God, is a constant
which may be — and was — left out in
The dialogical approaches in the philosophy descriptions of semiotical relations. The result
of language seem to be linked to one or more is either: ›objective‹ realism (as in two-valued
of the following values or dominant interests deductive and inductive logic); a predilection
(as displayed in the authors’ integral produc- for transcendental foundations (e. g., as in def-
tion): (a) fascination with the existence of initions of ‘Truth’ in terms of ›the‹ ideal (or
other minds; (b) a desire, sometimes religious ultimate) discussion); or some sort of subjec-
in its strength, for acq uaintance with other tivism (e. g., intuitionist mathematics). The
minds; (c) the possibility of enhancing own former ideal, that of ›objective realism‹, leads,
and other persons’ access to participation in as far as semiotics is concerned, to the ideal
human affairs; (d) a general pragmatic/prag- of anonymity in science. At the moment the
matistic outlook; (e) the possibility of conflict favoured representational form is that of an-
resolution by linguistic means. — When is a onymity, although people with an operation-
philosophical position really dialogical? Per- alist type of mind, whether they are given to
haps the following answer will do: When sol- philosophical dialogue or not, claim not to
itary mental activity is no longer primarily understand anonymous objectivist theory. —
valued for its potential for interchange with Does this ideal encourage dialogue? Many
God or gods, nor as a philosophical alpha or thinkers seem to have cherished the ideal of
omega, but in essential part (also) as prepa- anonymity precisely because they held it to
ration for interchange with other human be the best guarantee for intersubjective un-
minds (cf. 3.1.), interchange with one’s own derstandability and validity. The situation is
mind now being seen as a borderline case. — somewhat similar to the function of mono-
If we define ‘dialectical’ as in 2.9., then we theism in religion. If the world population at
can say that dialogical philosophy is working large could be brought to believe that there
at the development of procedural-dialectical is, in an objective sense, one and only one
frameworks for linguistic interchange that god, then the chances for tolerance, oecu-
may be recommended for their potential as
664 III. Positionen

menical understanding and co-operation This is vital to the goal of peacefully pro-
seem much greater than when individual men moting social and cultural (including scien-
and women believe in many gods. It might tific) change. Power systems rest upon beliefs
seem, analogously, that to leave the ideal of and attitudes which those in power are not
anonymity and open up for a diversity of usually willing to submit to critical discussion.
›worlds‹ is counterproductive for whoever Spokesmen for the oppressed are not given
wants to contribute to greater intersubjective the chance to triumph over their oppressors
understanding. However, the ideal of anonym- in — at the end of — a critical discussion
ity can be misused. It can be exploited for quite (›Streitgespräch‹). The reasons for this are
other ends; for psychologically it favours in- many and varied. One reason is highly un-
dividuals with a liking for exclusivity to no derestimated: the influence from traditional
smaller degree than it favours the dialogically philosophy, and from the theological and po-
inclined ones. It is also well suited to individ- litical doctrines that rest upon it.
uals with a situational need to keep the outer
world and its inhabitants at a distance.
It should be added that the subjectivist 2. Glimpses
ideal seems to favour the a- or anti-dialogical from non-dialogical philosophy
mentalities mentioned above to an even much
stronger degree. 2.1. The rise of Reason
(i) Walter J. Ong (*1912) describes how the
1.3. Conflicts and critical discussions spirit and practice of debate disappeared from
(i) The theory of ›rational‹ discussions does European philosophy and its logic after the
not aim at revealing how conflicts of opinion Middle Ages (Ong 1958) (s. art. 4). The down-
come into being but when and how they can fall of discussion-oriented logic was a conse-
be resolved by verbal means. Compared to q uence of — or at least concomitant with —
most other modes of conflict resolution the the rise of Reason (ratio) and of a metaphys-
verbal means elaborated in the dialectical the- icized monological logic deriving partly from
ory of argumentation are very irenic indeed. Neoplatonic philosophy, partly from rhetoric
Compared to other uses of language, how- and its doctrine of topics, the topics now
ever, even ›regimented‹ critical discussions are being represented as existing in a rational
often ›more aggressive‹ in the sense that they space: from the 13th century onwards, start-
involve systematic ›attacks‹ on statements — ing with Peter of Spain (Petrus Hispanus, ca.
though not on characteristics of the persons 1205—1277), a metaphysical dimension — a
involved — as well as systematic challenges ›dialectical continuum‹ — became the focus
to persons with respect to their statements as of theoretical logic (Ong 1958, 205). Here
made in the discussion. One way of promot- ‘dialectical’ has entirely lost its semantic con-
ing more irenic attitudes in society is to try nections with ‘dialogical’. In the 16th century
to enhance interest in conflicts of opinions the rhetorical teachings of Marcus Tullius
rather than in conflicts of other kinds. — Our Cicero (106—43 B. C.) were often combined
terminology here is as follows. A mere ›dif- with those of Plato (427—347 B. C.) (s.
ference of opinion‹ simply consists in a triple art. 14). Responsibility for the further decay
〈Op, A, B〉 where A and B are different of logic in these directions rests especially with
(groups of) users of language and Op an opin- Petrus Ramus (1515—1572), who spoke of
ion of A’s that is not shared by B. The dif- the dialectical art as ›ars disserendi‹, the art
ference is ›avowed‹ if A has stated Op and of exposition to an audience that may remain
has not withdrawn the statement. In a (full, passive. In the 1587 German translation of
mature, overt) ›conflict of avowed opinion‹ his Dialectique, ‘disserere’ is translated as ‘die
A’s statement (which we may call T) has been Vernunft zu gebrauchen’ [to use Reason]. In
communicated to B, and B has thereupon the 17th and 18th centuries the name ‘Ver-
›challenged‹ A with respect to T and with nunftlehre’ or ‘Vernunftkunst’ [the art of Rea-
respect to B’s own concessions ›in this matter‹ son] became the usual name in Germany for
by communicating disagreement (non-accep- that complex of problems that we now call
tance of 7). Hence a conflict in this sense is ‘Logic’. (ii) It is well known that the impact
a q uadruple 〈T, A, B, Con〉 satisfying certain of Renaissance logicians was greatest in Ger-
conditions of communication. — A dynamic many (s. art. 7). The Frenchman Ramus had
theory of how to solve conflicts of opinion his greatest following there, as had the Ger-
by verbal means becomes an instrument for man Philipp Melanchthon (1497—1560) and
speeding up the flux of opinions in society. others. Strangely enough, it was Georg Wil-
47.  Dialogical approaches 665

helm Friedrich Hegel (1770—1831) who a well-defined political party — another


brought about the rehabilitation of the word whole — which has ›natural‹, ›religious‹, ›his-
‘Logik’ in Germany by choosing that word torical‹ or ›material rights‹ to all political
rather than ‘Vernunftlehre’ or ‘Dialektik’ for power in the society in q uestion. This may be
his influential and non-dialogical essay Wis- contrasted with the analytical methods and
senschaft der Logik (cf. Scholz 1967, 10 f). results exhibited in Simonsson 1969, du Preez
1980, Roig 1980, Smit 1987, and the essays
2.2. The rise of inductivism in Barth/Krabbe (eds.) 1992 and in Barth/
Van Dormael/Vandamme (eds.) 1992.
Since scholasticism did not know empirical
induction as a method for arriving at knowl- 2.4. Dr. Faustus
edge, in empiricist circles the scholastic pen-
chant for debate came to be associated with Thomas Mann (1875—1955) offers a forceful
deductive logic (cf. Howell 1956, 23—28, example of the effect wrought in German
147—165, 293—317, 346—365; Jardine 1974, culture by monological idealist philosophy. In
10). Empiricism therefore did not provide a his Dr. Faustus we read about his composer
counterbalance to the monological orienta- hero, Adrian Leverkühn:
tion of rationalism (s. art. 11, 12). In our “Wenn ich vom Hören höre! sagte Adrian. Nach
century British analytical philosophy has, meiner Meinung genügt es völlig, wenn etwas ein-
however, contributed to an outlook on dis- mal gehört worden ist, nämlich, als der Komponist
course in general that comes close to an ex- es erdachte” (Mann 1947, 404).
plicit recommendation of a dialogical outlook Confronted with him, an opponent has lost
on language and its logic, and there can be the game in advance.
no doubt that we owe that development to
the impact of empiricism. 2.5. The apotheosis of subjectivism:
negationless logic
2.3. Privileged positions
The Dutch mathematician Luitzen E. J. Brou-
Jean-Jacq ues Rousseau (1712—1778) wrote wer (1881—1966) is a representative of Ger-
for the liberator of Corsica, general Paoli, a man monological idealist philosophy. For the
speech that began as follows: “Corsicans be assessment of what we shall call ‘dialectical
silent: I am going to speak in the name of Brouwer fields’ (cf. 4.3., 4.4.) and of their
all” (O’Brien 1985, 29). Though Rousseau in connections with logic and semiotics gener-
all likelihood was ingrained, like all other ally, a discussion that sprang up in the wake
people, with cognitive structures that clerical of Brouwer’s intuitionist movement is of con-
powers had made commonplace, he did not siderable interest. This is the discussion in the
base the privileged position he attributed to nineteen-fourties about the possibility and de-
the general on theological grounds but on his sirability of a completely negationless (logic
presumed rights and his ability to represent of) mathematics. Going beyond Brouwer’s
the population as a ›whole‹: a metaphysical avowed tenets on mathematics it brings the
political entity. In many cultures one finds semiotic basis of his solipsist idealism to the
this claim, that one or more persons, or a fore by seeking to systematize its implications.
certain well-defined group, are to be trusted The discussion began with certain writings of
as Keepers of the Word with god-given pre- former students and colleagues of Brouwer’s
rogatives. No dialogue of these persons with (cf. van Dantzig 1942; 1947, Griss 1944;
outsiders is then encouraged; attempts to en- 1946); it is reviewed by Arend Heyting
ter into critical discussion with persons hold- (1898—1980) (Heyting 1958). In connection
ing such semiotical prerogatives, or to chal- with dialogical philosophy it is worthwhile to
lenge the prerogatives themselves, are fre- observe that at the end of his survey Heyting
q uently answered with physical violence (s. slights the philosophical importance of the
art. 49). In Western philosophy and culture discussion as a whole and seems thereby to
the claim usually takes one of three forms: have prevented it from taking root. According
one claims (i) Papal infallibility ex cathedra, to him the divergencies among intuitionists
(ii) a ›natural‹ right for one or more individ- as to what is ›permitted‹ in mathematics con-
uals to verbally represent a certain socio-po- cern ›minor points‹, which amounts to saying
litical whole, (iii) semiotical rights and infal- that the q uestion of the role of negation in
libility for the Party (as in Marxism-Lenin- mathematics and its logic is a minor point.
ism). The difference between (ii) and (iii) lies This is to some extent understandable on the
in the difference between individuals as verbal basis of Brouwer’s definition of ‘not p’ as:
representatives of the Will of the whole and ‘The assumption p mathematically leads to
666 III. Positionen

an absurdity’. One then says: ‘From a lan- “Die wahre Dialektik ist kein Monolog des
guage that contains a symbol for absurdity, einsamen Denkers mit sich selbst, sie ist ein
say ⋀, the word ‘not’ can be omitted’. This Dialog zwischen Ich und Du”. The Dane
is true but overpasses the variety of tasks that Søren Aabye Kierkegaard (1813—1855) de-
are thereby loaded upon the one symbol ‘ ⋀’ serves considerable credit in this respect (Vil-
in critical dialogue. In other words, in a lan- laneix 1979). The systematic inauguration of
guage with such a symbol (word) a further dialogical philosophy in Germany Heinrichs
›negationless‹ logic is feasible, but the idea is takes to be the work of Hermann Cohen
not likely to evoke the spirit of critical dia- (1842—1918) (Religion der Vernunft aus den
logue in the minds of users of language. Evert Quellen des Judentums, 1919), Ferdinand Eb-
Willem Beth (1908—1964) offers a q uite dif- ner (1882—1931) (Das Wort und die geistigen
ferent discussion of this debate (cf. Beth 1959, Realitäten, 1921), Franz Rosenzweig (1886—
436—442; Barth 1990). In general, philoso- 1929) (Der Stern der Erlösung, 1921) and
phers who are interested in human dialogue Buber (Ich und Du, 1923), the clearest of them
are seen to pay particular attention to nega- all.
tion (cf. Apostel 1974). A surprising dislike or incapacity for dis-
cussion is brought to light and given consid-
2.6. I—it and I—you erable emphasis in a number of recent studies
of some of Buber’s most influential European
The American pragmatist Charles Sanders contemporaries: the mathematician Brouwer
Peirce (1839—1914) (s. art. 32) wrote about (cf. van Stigt 1990, 115, 195, 204), Ludwig
Hegel that he had usually overlooked “exter- Wittgenstein (1889—1951) (s. art. 39) (cf.
nal Secondness” (CP 1.193, 1.278 f). The same Monk 1990), ›decisionist‹ philosopher Carl
can be said of Brouwer who rejects the true- Schmitt (1888—1985) (Sombart 1991), and
false distinction without replacing it by any- World War II traitor and amateur philosoph-
thing else (cf. 3.8.). This considerable over- ical system builder Vidkun Quisling (1887—
sight, as Peirce called it, can be explained by 1945) (cf. Vogt 1965, 175, Langfeldt 1969, 79,
reference to Johann Gottlieb Fichte (1762— Dahl 1991, 169; 339). Brouwer, Quisling and
1814) who gave the Neoplatonist trend in Schmitt were deeply influenced by Arthur
Germany a strong new impetus by re-intro- Schopenhauer (1788—1860). Brouwer and
ducing its ›logic‹ (Nelson 1962, 513 ff). One Schmitt held debate in great contempt also in
of Hegel’s admirers writes that in Hegel’s their published writings. Nicolaus Sombart
system ›das Du‹ [the You] does not occur at (*1923) conclusively analyses this feature as
all, whether as a logical principle or as a point a component of a certain ideology of mas-
of departure for reflection (Günther 1959, culinity; this analysis covers the two other
102). Gotthard Günther (1900—1984) seems men as well, as their published or unpublished
to realize that the total absence of the You writings and other recorded utterances show.
as a category amounts to a serious flaw, in
any philosophical system. Not so Theodor W. 2.7. The philosophical status of other minds
Adorno (1903—1969), well-known member
of the Frankfurt school, who sees nothing to Neither subjectivist nor objectivist philoso-
criticize: Hegel is right, he says, in deeply phies that claim the existence of privileged
distrusting argumentation, the ideal being positions pay much attention to the existence
non-argumentative thinking, in the medium of other minds. The problem of the philo-
of relaxed thought (Adorno 1963, 158). — It sophical status of other minds is often simply
is against this background that one must try neglected — they have no status. Some earlier
to asses the independence of thought revealed philosophers have dealt with the q uestion of
in Martin Buber’s (1878—1965) Ich und Du how ›the (one and only) knowing subject‹ can
[I and Thou]. Its distance from the then pre- ›infer‹ that other minds exist, but even this
vailing philosophical fashion is enormous. dubious proto-dialogical problem is a non-
This is not to say that no one else from the q uestion in many philosophical schools.
same or an earlier period deserves mention. There are genuine and half-genuine excep-
Wilhelm von Humboldt (1767—1835) (s. art. tions to this rule among German and French
27), adressing the Prussian Academy Über den existentialists (see for a thorough discussion
Dualis (Von Humboldt 1827), mentions ›Ich‹ Theunissen 1977) — but by and large the
und ›Du‹, though with sexist overtones. More theme has had more freq uent attention in
significantly, in his lexicon article (Heinrichs modern British philosophy, most extensively
1972) Johannes Heinrichs q uotes Ludwig from John Wisdom (1904—1974) (Wisdom
Feuerbach’s (1804—1872) criticism of Hegel: 1952). This is not surprising. A philosophical
respect for other minds is a prereq uisite for
47.  Dialogical approaches 667

linguistic philosophy since languages are cre- laws they come up with in a deductive system.
ated as means of communication with other The second req uirement is justified by the
persons (s. art. 94). It was precisely in his false assumption that only in that way will
influential paper called, as Wisdom’s papers the theory yield to logical scrutiny. When this
were, Other minds (Austin 1946), that John is applied to logic itself the justification be-
Langshaw Austin (1911—1960) first launched comes circular and completely unconvincing.
his concept of ‘performatives’ — now a The only way in which one could justify the
household word among philosophers. The belief that logic is and should remain a ›de-
most radical position in the philosophy of ductive‹ science is by claiming, first, that
other minds may well be that taken by Gilbert mathematics itself necessarily is a deductive
Ryle (1900—1976) who, on the basis of Witt- science and, second, that logic is a part of
genstein’s later writings defended that other mathematics. The latter is of course nothing
minds can be understood in the same way in but a dogma issued in a certain interest. There
which one understands ones own (Ryle 1949, is therefore no contradiction implied in say-
53; 90; 171). Wittgenstein was, however, ing: For political purposes (in the widest
proud not to have studied other thinkers (cf. sense), formal logic is essentially a set or sets
Monk 1990). Corradi Fiumara (*1939) gives of rules for the assignment of rights and duties
the discussion of other minds a new dialogical in discussions that take place under conflicts
twist: the philosophy of listening (Corradi of opinion, and in no way is it fundamentally
Fiumara 1990) — a theme completely foreign a science of deduction, to say nothing of: a
to European philosophy so far (cf. 2.4.). deductive science. — The DNP is associated
either with an objectivist epistemology of
2.8. Deductivism in logic and the notion of anonymous rationality or else with a subjec-
proof tivist epistemology of constructivist mental-
ism. Under this paradigm one says of a se-
Beth has characterized mathematics as resting q uence of mathematical statements that it
on three basic ideas or cognitive atoms: the does or does not constitute a proof (of the
idea of algorithm, the idea of the infinite, last statement from the n first), in an absolute
and, last but not least, the idea of deductive sense: ‘S is a Proof-of-something-from-some-
method (Beth 1963, 236). When mathemati- thing’. One textbook writer, the Russian lo-
cians took over the science of logic a hundred gician Yurij Manin (*1937), deviates from this
years ago it was a blessing, but with a negative tradition: “A proof only becomes a proof
side to it inasmuch as the deductive-nomo- after the social act of ›accepting it as a proof‹”
logical style was emphasized and carried to (Manin 1977, 48). The meta-mathematical
its extreme. A Deductive-Nomological Para- statement form corresponding to this outlook
digm for all science including theoretical phi- clearly is: ‘S is a Proof-of-something-from-
losophy resulted (the DNP, for short). Logic something according to N’, where N is a var-
was to be the science that should serve math- iable for an individual or group of individu-
ematicians in the analysis of the strengths and als. The eeriness of the old notion of mathe-
weaknesses of deductive-nomological sys- matical ›knowledge‹, the importance of the
tems. Now logic can, in principle and in prac- notion of acts of acceptation in mathematical
tice, do this without being itself a deductive- uses of language, and the view that pure
nomological theory, or set of theories. But it mathematics has fallen into a trap are dis-
is still tacitly regarded as falling under the cussed in (Stolzenberg 1978; cf. also Lakatos
same methodological and stylistic claims as 1963—4).
those deductive systems which it should help
us to evaluate. Surely that is a non sequitur, 2.9. The theory of argumentation —
even were we to agree that the evaluation of systematic developments
deductive theories is its only task (which we
don’t). — More recently the whole conception In its modern beginnings, after World War
of deductive-nomological science has been II, the theory of argumentation, which was
under fire from various q uarters, including intended as a supplement to deductive-nom-
philosophers of physics (Cartwright 1983, 17; ological mathematical logic, was itself sub-
94 ff) as well as of language. From its name jected to the req uirements and representa-
it is clear that the DNP combines at least two tional style of the DNP. One can easily dis-
ideas, both of which are conceived as absolute tinguish three post-fundamentalist philosoph-
norms. The first is that theories should dis- ical steps and three corresponding stages of
play ›laws‹, the second that they should dis- argumentation theory. Only its second and
play the interrelationships among whatever third stages fall under dialogical philosophy.
668 III. Positionen

First step: From Fundament to Justification. materialist overtones. One represents the cat-
Here we encounter the following conception: egory of interaction theoretically by focussing
›To argue‹ is to try to verbally justify an on ordered couples or ›seq uents‹ of this type:
opinion or a statement. — When the justifi- 〈(local) Concessions, (local) Thesis〉 as the
cation is not absolute, it is seen as relative to fundamental elements of the analysis (‘local’
the prevailing norms in a certain ›field‹ of refers to a given stage of the discussion). —
investigation and discourse and to certain One topic in the theory of argumentation is
›data‹, as in (Toulmin 1958). Stephen E. Toul- the study of fallacy. In the opinion of the
min (* 1922) characterizes the function of jus- present author this should be undertaken as
tification (warrant) as a ›bridge‹ between data a part of dialogical philosophy, in the dialect-
and claim. Nothing is yet being said about ical stage of theory formation. A fallacy is a
an audience — argumentation is analysed in violation of the rules distributing linguistic
a strictly monological manner, possible inten- rights and duties over the participants in a
tions to the contrary notwithstanding. In this dialogue. A σ-fallacy is then any argument
first stage the analysis of argumentation con- (seq uence of dialogical moves) that cannot be
sists, at best, in surveys of arguments pro, generated by means of a closed set σ of dia-
arguments pro-pro, and hedges. In Toulmin’s lectical rules (Barth/Martens 1977). This pro-
model the term is not ‘argument pro’ but gram has been taken up in (van Eemeren/
‘warrant’, and not ‘argument pro-pro’ but Grootendorst 1987), where speech acts are
‘backing’. The difference between warrant also taken into consideration.
and backing seems to be none other than that
of distance from the initial thesis, called 2.10. Semantics of natural languages
‘claim’ in Toulmin’s model. — Second step:
The justification is related to the specific con- The introduction of two-party linguistic se-
cessions of an audience. That is, ›to argue‹ is q uents of some kind or other as the focus of
to try to verbally justify an opinion or state- theoretical attention, and the discussion of
ment to a — specific or universal — audience, one’s chosen theoretical feature: syntactic
that may or may not remain passive (cf. Per- constructions, interpretations, verbal rights
elman/Olbrechts-Tyteca 1958). Audiences are and duties, or whatever, as functions of those
now mentioned and distinguished. The data seq uents, may well be taken as part of the
have here become ›concessions‹ made by the definition of a dialogical linguistic philosophy
audience, but its verbal reactions are not dealt with systematic intentions. If this is accepted
with analytically. — Third step: The justifi- it follows that many approaches to ›discourse
cation itself essentially contains also the ver- representation‹ today, e. g., by Jon Barwise,
bal reactions of the audience; these reactions Hans Kamp and John Perry (cf. Barwise/
or counter-arguments are studied in relation Perry 1983), cannot as yet be regarded as
to earlier justificatory moves. That is, ›to ar- belonging to dialogical philosophy of lan-
gue‹ is to try to justify an opinion or statement guage (cf. 3.3., 5.2.). Certainly fusions of ap-
towards a verbally active audience or to try proaches are called for. The concept of func-
to refute it against a verbally active opponent tional sentence perspective of the Prague
(Naess 1953; Popper 1934; Crawshay-Wil- school of linguistics (cf. Firbas 1968) seems
liams 1957; Lorenzen/Lorenz 1978; Albert dialogically very promising.
1975; Hamblin 1970, and others). The basic
notion can now be defined as that of a conflict
of avowed opinion, in other words: the no- 3. Two irreducible phases
tions of ‘opposition’, ‘conflict’ and ‘Wechsel- in human activity
wirkung’ have now become ›externalized‹
(Barth/Krabbe 1982, 56; 60). — In other 3.1. Preparation (the Laboratory, social
words, theoreticians have payed attention to solipsism) and communication (the
the existence of an audience in two manners: Forum, the Arena)
accounting only for the audience’s conces- The phases to be distinguished here are in
sions, or else accounting also for its reactions, fact types of phases in human activity. The
or counter-arguments. The development from distinction nicely corresponds to Buber’s dis-
the second to the third theoretical stage may tinction of I—It and I—You but is inspired
be characterized as that of making the theory by writings of Arne Naess (* 1912) combined
›dialectical‹, where this concept retains its with reflections on philosophical styles.
main classical and medieval components, as Phases of different type but pertaining to the
well as the Kantian category of ›Wechselwir- same problem or conflict may overlap in time.
kung‹ [interaction], but without idealist or
47.  Dialogical approaches 669

A synonym for ‘phase’ would be ‘activity tion of the two phases, although, as Leo
type’; we choose ‘phase’ to indicate that the Apostel (* 1925) points out (1984, 131 f), nei-
distinction also concerns the philosophy of ther Buber is mentioned, nor Emmanuel Lev-
science and not only the sciences themselves; inas (* 1905), nor Naess, who preceded him.
the same applies to other fields of activity —
art, literature, law, politics, religion. Logic 3.2. The corresponding kinds of theory
may be classified as a science, epistemology formation and of representational forms
is taken to include the analysis of the modes
of scientific representation. — PHASE I: Classical ontology and truth-valued seman-
Preparation. This is the socially solipsistic tics pertain to Phase I, together with all epis-
phase in which I am operating alone in the temology commonly so called. Studies of
physical, historical world, in as much as I am truth and verisimilitude, corroboration, ob-
not yet involved in the use of language for jective and subjective probability are all con-
communicatory or critical purposes, though cerned with the human orientation in Phase
I am perhaps not alone in the laboratory. In I. Knowledge, belief and intentionality are
this phase a distinction between Truth and Phase-I features of human organisms, hence
Falsity is of value to me and so, indirectly, to the study of knowledge, belief etc. may be
society; and it is only with respect to this called Phase-I based philosophy, or Phase-I
phase that criteriological definitions of ‘true theory, for short. The same holds for possible-
judgement’ are req uired. Hence classical epis- worlds semantics (cf. 3.9.). Michael Theunis-
temology as a whole, being veridical, pertains sen (* 1932) takes (the earlier continental) dia-
exclusively to this phase, as does non-veridical logical philosophy to be a deconstruction of
constructive mathematics and its intuitionistic the ›transcendental philosophical model of
philosophy. — PHASE II: Communication. intentionality‹ by introducing Buber’s cate-
This expression covers all activity that de- gory ‘between’ instead; language provides a
pends on the use of language in such a manner basis for the departure from intentionality
that more than one living being is involved (Theunissen 1977, 278 ff). — There are sig-
(including communication by computer with nificant differences between the representa-
so-called expert systems). Clearly, in this tional forms pertaining to the two phases.
phase Buber’s I—You relation is ontologi- Phase-I theory: (a) An anonymous (role-free)
cally basic. Here we shall concentrate on com- object-oriented representational form: objec-
munication in philosophy and science. For tive description. Subject terms are names or
this purpose phase II could be called ‘the descriptions of ›objects‹. Verbs are freq uently
Forum’, or, more adeq uately, ‘the Arena’ in the passive voice: ‘be seen (to)’, ‘be found’,
(Naess 1937; 1956, 39). The latter term brings ‘be proved’, ‘be used’, often used in combi-
out the origins of many philosophical and nation with modalities (‘can be seen/found/
scientific discussions in feuds and the scien- proved/used’), or else preceded by the imper-
tific norm that feuds be dealt with by debate. sonal ‘it’: ‘It is (im)possible to ...’. Logicians
In phase II the q uestion of the ›Hintergeh- take logical q uantifiers to refer to a pre-ex-
barkeit der Sprache‹ (can one really go behind istent domain of objects (‘There is ...’) and
language?) has a definite answer (one cannot). define them accordingly. (b) A one-role rep-
Hence the only logically relevant sentence val- resentational form ›with a knowing subject‹:
ues here are ‘Agreed’ and ‘Not-agreed’. ‘True’ subjective description. Terms freq uently are
and ‘False’ are of no use. We may call this names or descriptions of mental constructs.
the ‘Replacement Theory of (the notion of) Verbs more often occur in the active voice.
Truth’. — This is not the view of transcen- Logicians take q uantifiers to refer to con-
dental philosophers whose philosophy of structions or to other activities of the social
Truth indicates an interest in the ultimate and solipsist. Gottlob Frege’s (1848—1925) (s.
req uires a notion of an ›ideal discussion art. 34) q uestion: “Ich frage: In wessen Gei-
group‹. That one debates in order to arrive ste?” [I ask: in whose mind?] (Frege 1962, I,
at Truth seems an unrealistic assumption. It 2) is a rejection of this philosophy. — Phase-
can be done and it is noble, but uncommon. II theory: A many-roles representational
It is another thing that the outcome of a form. As in the one-role case: with a less rich
dialogue usually is fed into an instance of set of less rich domains of presumably pre-
phase-I activity, as material for the prepara- existent objects. Grammatical and logical
tion of future verbal exchange. — Jürgen subject terms are often descriptions of actors’
Habermas (*1929) (1981, 28) uses a distinc- roles, and uses of the passive voice are less
tion which is somehow related to our distinc- freq uent. Rules are now related to roles. Lo-
670 III. Positionen

gicians take ›q uantification‹ to indicate role- ematics. — With exception of the philosophy
dependent rights and duties of investigators of mathematics itself one may say that ana-
and their critics. lytical philosophy in Scandinavia, Great Brit-
ain and on the European continent has been
3.3. Intra-phase pragmatization: vastly more attuned to the importance of
Kant Transformations Phase II than American analytical philoso-
phers have been since the overthrow of Amer-
Not all pragmatization falls under dialogical ican pragmatism in the nineteen-fourties (with
philosophy. It is convenient to distinguish some exceptions in American philosophy of
between ›intra-phase‹ and ›inter-phase‹ prag- science, e. g. by Thomas S. Kuhn, Paul K.
matization; only the latter satisfies our defi- Feyerabend, Joseph Agassi). Some European
nition of ‘dialogical philosophy’ (cf. 1.1., analytical philosophers did their main work
2.10.). If one starts from a Phase-I theory about Phase II. For a long time such work
TI,m, an intra-phase transformation (including had little or no chance of being absorbed into
revised representation of data and results) American analytical philosophy and its as-
may consist in bringing to the fore the beliefs, sociated schools (cf. 4.1.). The restriction to
attitudes, problems or activities of the social Phase-I philosophy, its problems and its
solipsist in so far as these are connected with modes of representation, which has excluded
the phenomena dealt with in TI,m and in so any attention to human dialogue from the
far as the basic terminology (lexicon) of TI,m centers of academic high fashion, is identified
does not yet contain names or descriptions of as a professionalization of philosophy. Quite
them. One can bring them to the fore by wrongly; for it has other roots, one of them
means of additions to or other complications being the prevailing outlook on a certain phil-
of the statements of TI,mor by systematic osophical discipline. This is the outlook that
replacements of crucial terms, or both. Let us social solipsism is the alpha and omega of
call such theory transformations ‘Kant trans- logic, if of nothing else. For this reason it is
formations’ and denote them as follows: necessary to devote relatively much attention
TI,m → TI,n. A Kant transformation is ›com- to academic logic and its philosophy.
pleted‹ only if the one and only role (the social
solipsist) is explicitly mentioned in the state- 3.4. Inter-phase pragmatization:
ments of the resulting theory TI,n or in its Naess Transformations; or, dialogical
metatheory (e. g., as ‘the creative subject’ or philosophy as a continuous process
‘Myself’), so that all verbs occur in the active From a systematic point of view dialogical
voice, or can so occur. Examples: Brouwer’s philosophy as a process consists in inter-phase
transformation of objectivist mathematics pragmatizations in the sense of complete
into intuitionist mathematics; Saul Kripke’s transformations starting from some specimen
(* 1940) evidential-situation semantics with of Phase-I philosophy, with emphasis on the
sentence values in {K, U} (Known, Unknown) verbal activities and possibilities of the per-
— the result of an incomplete Kant transfor- sons whose roles are now highlighted. Such a
mation of veridical semantics; Jaakko Hintik- ‘Naess transformation’, as we may call it, of
ka’s (* 1929) transformation of referential se-
mantics into game-theoretical semantics, the a given theory TI,m may consist in bringing to
the fore the problems, conflicts, roles, con-
games being played by Myself against Nature. ventions and rules for verbal and other inter-
— The philosophical fashion in the United subjective behaviour, as well as intersubjective
States has dictated that one restricts one’s attitudes, of and in “the company” (Craw-
activities to the study of Phase I, to the extent
that the existence of a Phase II is denied (by shay-Williams 1957, 10), in so far as these are
connected with the phenomena that are dealt
implication) or else relegated to Pragmatics,
the not so respectable brother of Semantics with in TI,m, and in so far as the basic ter-
— and similarly for other fields (cf. Barth minology of TI,mdoes not yet contain names
1991). Part of the explanation for this is found or descriptions for them. As in the case of
in the old rationalist philosophy of mathe- intra-phase pragmatization one can bring
matics according to which mathematical ac- them to the fore by means of additions or
tivity, the proof of one’s being created in other complications in the statements of TI,m
God’s image, was taken — with insufficient or by systematic replacement of terms by
justification — to be rooted in the no-role or other terms, or both. A Naess transformation
one-role Phase I. No-role philosophy of may be denoted as follows: TI,m → TII,n. It is
mathematics includes realism and formalism. completed when all relevant social (and the-
Intuitionism is a one-role philosophy of math- oretical) roles are explicitly mentioned in the
47.  Dialogical approaches 671

statements of the resulting theory TII,n (e. g., examples is that of the Calculus. In its initial
Proponent and Opponent). Verbs will more garb it was called the ‘infinitesimal calculus’
often be in the active voice. The impact of and was a particularly clear case of Phase-I
human dialogue on the subject matter will theory, presumably presupposing the exis-
now have been brought out, and the relations tence of so-called (fixed) ‘infinitesimals’, ›in-
both of theoreticians and theory consumers finitely small‹ (ex)-magnitudes, for its incep-
to the subject matter, accounted for. tion. Today its so-called standard form is
entirely free from reference to these mysteri-
3.5. Examples: classical ontology; the ous entities and is at the same time much
Vienna-circle criterion of more precise than the original theory. Its nu-
meaningfulness; the notion of precision cleus is Karl Theodor Wilhelm Weierstrass’
(1815—1897) explanation of statements in-
Buber’s philosophy can now be characterized volving the concept of limit. Let the bone of
as a Naess transformation of classical philo- contention be some statement of this form
sophical ontology as a whole. — An early (where S abbreviates ‘sum’, this time):
example in epistemology is Naess’ transfor-
mation of the Vienna-circle criterion for (i) Sn = S
meaningfulness of sentences, into a norm (ad- The Cauchy-Weierstrass definition of this
vice to participants) for conducting “effective statement form is well-known from school
discussions” (Naess 1956, 15; 25; 35). — A textbooks:
second example is his transformation of the (ii) (⋀ ε) (∨ N) (⋀ n) [n > N → /S — Sn/< ε]
concept of ‘precision’, formerly construed in This is usually read as follows: ‘For all ε there
the light of a correspondence theory of Truth, is an N such that, for all n greater than N,
into a concept defined directly in terms of the (etc.)’. On this reading the definition is usually
req uirements of effective dialogue (cf. Naess not felt to be intuitively clear. Two American
1953; 1966). Whereas the former was essen- writers on the philosophy of mathematics re-
tially absolute and called for sentences of gard it as little more than an irritant, a mere
subject-predicate form, with the possibility of ›tongue-twister‹ that we accept “for the sake
gradation (‘Statement/theory S is (not) (very) of consistency” (Davis/Hersh 1981, 245 f).
precise’), the new concept is essentially com- They do not realize that when (ii) is combined
parative: ‘Statement/theory S1 is (not) more with Paul Lorenzen’s (* 1915) Phase-II defi-
precise than S2, meaning: S1 does (not) ex- nitions of the ›q uantifiers‹ we are in the pos-
clude certain reasonable interpretations of S2 session of a completed Naess transformation
without adding new ones. of the ›infinitesimal calculus‹. For (ii) can now
be read: ‘If you choose an error (ε) that you
3.6. Example: from deductive to dialogical will tolerate, as to the difference between Sn
formal logic and the magnitude or number S that I just
mentioned, then I am prepared to provide an
An example of a Naess transformation of a integer N such that, whichever integer n you
whole theory is the transformation into Arena may subseq uently choose, I am prepared to
form of modern formal logic (cf. Lorenzen, defend that the difference /S — Sn/ is smaller
Lorenz 1978) (s. art. 96). Clear Phase-II def- than the ε you say you will tolerate, provided
initions of all logical symbols of first-order n > N’. This interpretation ought to be made
predicate logic were given. The ›q uantifiers‹ clear in the symbolism. A mathematician or
were defined as operators that indicate which any other thinking person can, even when
of the discussing parties has the right to alone, revert to Phase II by functioning as
choose a value for the variable in q uestion. his/her own opponent — in fact this is what
That even dialogue logicians still call these thinking logically consists in. Hence we
operators ‘q uantifiers’ is merely a sign of lin- change the symbols. Instead of the seq uence
guistic inertia. — It is unfortunate that this of quantifiers in (ii), we decide to write:
transformation of logic into Phase-II form is εcNsnc ...
still seen by some (e. g. Felscher 1985) as where superscript c stands for the critic’s right
mainly a ›foundation‹ of intuitionist, hence of and superscript s for the speaker’s right to
solipsistic logic (cf. Lorenz 1982). choose a value for the variable in q uestion.
These operators and the natural-language
3.7. Example: the Infinitesimal calculus. words they emulate (‘every’ and ‘some’) are
Rightors ›rightors‹ rather than ›q uantifiers‹. We may
One of the most interesting and significant call them ‘the critical rightor’ and ‘the state-
mental rightor’, respectively. This dissolves
672 III. Positionen

the old riddle of the ›arbitrary generic indi- understand any reference-introducing ›projec-
vidual‹ discussed by Otto Jespersen (1860— tion‹ of the sentences of TII,n onto a ›refer-
1943) (cf. Barth 1974, 22 f; 52 ff; 199 f). — In ential screen‹, an as yet undefined mathemat-
order to bring out the connection with Bu- ical space. Examples: (1) Formal dialogue
ber’s philosophy we could also write: logic can be so transformed. Any closed di-
εyouNInyou ... alogical tableau can be algorithmically trans-
formed into a closed ›deductive tableau‹
3.8. Example: models for formal dialogue (Barth/Krabbe 1982, 180 ff), via the latter into
logic a Gentzen-like ›natural deduction‹ and from
there into an ›axiomatic deduction‹ (Beth
Can one ›do model theory‹ in an enlightening 1962, 5 ff). — (2) The (slow) pragmatization
way concerning Phase-II formal logic? We of the ›infinitesimal calculus‹ resulting in the
mentioned in 3.3. Kripke’s epistemic model elimination of the notion of infinitesimals
structure for constructive logic. With that as whereby a dialogical interpretation became
point of departure we may describe the struc- natural was followed (one is inclined to say:
ture of models for the sentential basis of di- was answered) by a successful converse Naess
alogue logic as follows: A logical structure  transformation, fully in agreement with the
= 〈A, N, D, R〉 is a ›normal‹ model structure ideal of scientific anonymity, and with that
for dialogue logic if and only if A (Agreed) of the knowing subject as well. This is Abra-
and N (Not-agreed) are dialectical sentence ham Robinson’s celebrated Non-standard
values, D a set of dialectical situations ( D ≠ 0), Analysis (Robinson 1966), which (re)-
R a reflexive and transitive relation (R ⊆ D2). introduces a concept ‘infinitesimals’, though
We determine constructive (and minimal) this time in a manner that is demonstrably
mathematical logic as a logic (logics) of free from contradiction, which the originally
›growth of agreement‹, i. e., of growing bodies vague foundations of the infinitesimal calcu-
of sentences upon which positive agreement lus were not. — (3) A third example is the
has been reached, in (or by) ›the dialectical philosophy expounded in (Fine 1985) which
subject‹ in q uestion — a set of users of lan- reverts to an anonymous-neutral ontology of
guage. Let us call an interpretation function ›generic arbitrary objects‹.
I ‘cumulative’, if it everywhere satisfies the
norm: if dRd′ and I (U,d) = A then I (U,d′) 3.10. From a Phase-I point of view:
= A for all atoms U. Then a constructive Representational dualism
dialectical model for a language L is a couple
〈, I〉 where  is normal and I is defined Given a completed Naess transformation
for all pairs 〈U,d〉 and is cumulative. The TI,m → TII,nlet us call TII,na Phase-II dual of
only values of I are ‘Agreed’, ‘Not-agreed’, or TI,m, and TI,m a Phase-I dual of TII,n. We do
A and N. Proofs of the adeq uacy of this model not speak of the Phase-N′ dual of a given
type for various dialogue logics are given in Phase-N theory but merely of a dual. The
(Barth/Krabbe 1982, 305 f). The principle of latter theory may have (dia)logically accept-
cumulation of agreement is relatively well able as well as unacceptable (e. g., contradic-
suited to companies of mathematicians but tory) Phase-N′ duals. Are Naess transforma-
not for other companies of users of language, tions always possible? Given a Phase-I theory,
whose logic therefore will deviate in some can one always create a consistent Phase-II
measure from that of the former (Barth/ dual with the same ›strength‹? And are con-
Krabbe 1982, 243 ff; Krabbe 1985). — A sec- verse Naess transformations always possible?
ond change in model-theoretic semantics con- Given a Phase-II theory, can one always con-
cerns possible-worlds semantics. M. Mar- ceptually and linguistically ›compress‹ or ›re-
činko introduced the notion of ‘levels of dis- duce‹ it so as to obtain a consistent Phase-I
course’ as better reflecting what is really at dual with the same proof-theoretical
stake in modal Phase-II discourse (cf. Inhet- ›strength‹, i. e. a Phase-I eq uivalent as seen
veen 1982). The most recent discussion is the from the point of view of Phase-I theorists?
one written by Erik C. W. Krabbe (*1943) (cf. The hypothesis that one can always do this
Krabbe 1986). in both directions may be called the (Phase-
I) ‘thesis of representational duality’. It may
3.9. From dialogical back to become possible to defend this thesis gener-
anonymous theory — ally, though at this moment the nature of the
Converse Naess Transformations general projection rules, if there are such, is
not yet clear to us.
By a converse Naess transformation we shall
47.  Dialogical approaches 673

3.11. The Phase-II point of view: ing analytical philosophy, for its lack of dia-
irreducibility of the two phases logical seriousness both in theory and in prac-
tice. L. Jonathan Cohen (*1923) on the other
The proof-theoretical reducibility of closed hand holds that “the history of analytical
dialogical tableaux to axiomatic deductions philosophy is peculiarly the history of dia-
(cf. 3.10.) does not imply an over-all philo- logue, not of a succession of monologues”
sophical reducibility of Phase-II to Phase-I (Cohen 1986, 114). The emphasis that ana-
theory. On the contrary, by transforming the- lytical philosophers put on clarity (›cogency‹)
ories into dialogical form we reduce our may explain this. Cohen and Rorty are both
chances of running into epistemological and right. Analytical philosophers do discuss
metaphysical misunderstandings as to what more systematically and more often than
formal logic is for and about. Pseudo-names other Western philosophers but like their phil-
and pseudo-descriptions, many of which are osophical competitors they do it on the basis
remnants of “corpuscular epistemology” of some epistemological dogma that is not
(Ong 1958, 203 f) — often grounded in ›infin- universally shared and that therefore prevents
itesimals‹ expressed by means of generics — discussion with thinkers whose epistemology
are eliminated. The links with philosophy of is radically different. Naess’ 1937 essay (Naess
science become transformed. The new theo- 1992) was the first paper in history to offer a
retical garb suggests new developments. Links correct diagnosis of this situation as well as
with new fields (e. g. economics, political sci- recommendations for a change from an epis-
ence) come within reach. Similar things could temological to a communicational basis for
be said about the outcomes of other Naess philosophical understanding (in the widest
transformations. sense); its publication was discouraged by
Otto Neurath (1882—1945) (personal com-
4. Controversy and dialectical fields munication from its author).

4.1. Science and philosophy as dialogue 4.2. Controversy


This ideal is sometimes superimposed on the In many appeals to bring about a more dia-
ideal of anonymous Phase-I oriented scientific logue-oriented philosophy the kind of dia-
representation, so as to yield the notion of a logues that issue from controversy are often
universal scientific community and forum disregarded. The meaning of ‘dialogue’ is too
that allows everyone who is capable — as often restricted to conversation among
judged for instance by blind refereeing pro- friends. As a result, the concept becomes un-
cedures — to take part in the process of suited for most political uses and conditions
building the one, anonymous-neutral Grand (conflict resolution under deep disagreement;
Theory, exposing his/her contribution to rea- self defense). Even Rorty sometimes gives this
soned criticism in the going. In operational impression. Important early exceptions are
terms this ideal obliges each author to ac- Naess, Karl R. Popper (*1902), Rupert
knowledge the existence of predecessors; to Crawshay-Williams, Lorenzen/Lorenz, Hans
adress them; to admit non-originality and in- Albert (* 1921). — Francis Bacon (1561—
debtedness when that is appropriate (cf. 3.1.). 1626) is often hailed as the man who first
The principle that judgement as to eligibility emphasized the importance of negative cases
to the forum should be ›blind‹ distinguishes in inductive thinking. In this sense he may be
scientific procedures from procedures associ- seen as a forerunner of Popper’s fallibilism
ated with claims to privileged position. In (Popper 1934), which again is a forerunner of
practice there are difficulties; e. g., women the growing focus on controversy, an aspect
have until recently been kept at a distance of human life that traditional philosophy has
from philosophy and science and in q uanti- neglected. Albert has strongly emphasized the
tative terms still are. Institutional as well as importance of the ›strategic perspective‹ in
theoretical instruments of exclusion have been the analysis of dialogues. One must learn to
used for this and similar purposes. It is now see the strategic function of locutions, not
largely recognized that old boys’ networks only of specific tropes and figures but also of
with their mutualcitation habits sometimes philosophical assumptions. Locutions of any
have anti-dialogical effects. The ideal of phi- length may have a ›shielding function‹ (Ab-
losophy as dialogue is effectively advocated schirmungsfunktion), ensuring a theory’s im-
by Richard Rorty (*1931) (1980, passim). He munity against any possibility of criticism
blames the epistemology-based foundation- (Kritikimmunität). The idea of ultimate and
alist European philosophy as a whole, includ- self-evident principles has this function, in-
674 III. Positionen

tended or not. The same holds of (meta)- negative phenomenon (Brouwer 1905, 42);
philosophical statements that imply limitation (iii) the parties in a controversy are not in the
of theoretical accessibility or philosophical possession of positive and agreed rights and
competence. Example: John Henry Newman’s obligations, linguistic or other, and this is
(1801—1890) meta-philosophical thesis that regarded as a the desirable state of affairs
theology and science are Two Worlds, unable (Brouwer 1905, 97); (iv) philosophical and
ever to collide because no communication be- scientific products of individuals belonging to
tween them is possible (Albert 1975, 95; 106 f; certain classes of the population are to be
129). Intended or not, in practice very many excluded from serious philosophical and sci-
philosophies function so as to ward groups of entific consideration (Brouwer 1905, 38 f; 71);
potential critics off from the Arena (cf. 4.6., (v) logic is of no avail (anywhere, a fortiori
4.7.). — Albert takes critical discussion as the in conflict resolution) (1905, 27); (vi) real
pattern par excellence of (irenic) social inter- truth is self-evident (1905, 16; 72). Brouwer
action. Maurice A. Finocchiaro (*1942) re- published this book two years before finishing
commends the study of actual scientific de- his much-debated dissertation on intuitionis-
bates as one way to give theoretical logic a tic mathematics. — Definition (b): A weak
more empirical basis (Finocchiaro 1980). dialectical Brouwer field is one in which (i)
the use of language in pursuit of agreement
4.3. Dialectical fields is not encouraged; (ii) the parties in a contro-
versy are not in the possession of positive and
By a ›dialectical field‹ we shall understand a agreed (recognized) rights and obligations;
milieu-with-neighbourhood of users of lan- (iii) the addition to clause (iii) and the clauses
guage who are subjected to norms that influ- (iv)—(vi) in Definition (a) are not satisfied.
ence the freq uency and efficacy of dialogue. — Notice that according to this philosophy
This concept may be developed as an ana- anything goes, verbally and otherwise, even
logue to the concept of a physical field, hence when Definition (a) is weakened to Definition
as a field of force. A field is generated by a (b).
set of users of language and by their texts.
The space on which it is defined is itself 4.5. Example: Beth fields
determined by some pragmatical n-tuple
〈a1,...,an〉, where each ai is a Phase-II varia- The next example is based on writings, in-
ble. This is an adaptation to dialogical phi- cluding correspondence, found in the Beth
losophy of Kurt Lewin’s (1890—1947) field archives, on published work such as (Beth
theory in social psychology (Lewin 1976). A 1968, Ch. XII) and (Beth 1970 b, Introd.),
language user m who is introduced into the and on a study of Beth’s own habits concern-
field at a point j = 〈alj,...,anj〉 is thereby ing research and citation. — Definition (c):
subjected to a number of categorially different A deontic dialectical Beth field is one in which
field forces Dlj,...,Dkj. The set of the Dijmay (i) the use of language in pursuit of agreement
or may not have one resultant field force. is strongly encouraged; (ii) to train young
This set of forces is processed by m either as persons in the skills of uses of language and
an inviting/encouraging or as an excluding/ intellect is seen as a high-level activity with
intimidating force Fj. Clearly, Fj = Fj(m, far-reaching effects; (iii) to lose a discussion
D1j,...,Dkj) = {Dlj,...,Dkj}  m. To describe the is not dishonourable, to admit loss is posi-
tively honourable; (iv) participants in scien-
compositions Dhj  x for each h (1 < h < k) is tific and philosophical discussions are not
a task for empirical psychology. To describe obliged to disclose their political ideology,
the field forces Dhjis a future task for the religious beliefs or general philosophy; (v)
general logician. everyone who has authored a thematically
relevant contribution is to be studied, q uoted,
4.4. Example: Brouwer fields referred to, and met with arguments; (vi) no
It is possible to distinguish between types of ideological, theological or philosophical state-
dialectical fields. The following definition is ment is everywhere relevant; (vii) the feelings
based on Brouwer’s ideas (Brouwer 1905). of all persons referred to and argued with are
Nothing in Brouwer’s later publications con- to be spared as far as possible (barring the
tradicts the statements referred to. — Defi- embarrassment of having to face criticism of
nition (a): A deontic dialectical Brouwer field ones assertions).
is one in which (i) the use of language in
pursuit of agreement is discouraged (Brouwer 4.6. Olga and the Pope —
1905, 38; 71); (ii) public (intersubjective) un- Logical Self Defense
derstanding is considered to req uire a type of The title Logical Self Defense (Johnson/Blair
enforced training that is to be regarded as a 1983), firmly places the topic of the book,
47.  Dialogical approaches 675

informal logic, in a Phase-II perspective. This Wilhelm Leibniz (1646—1716) (s. art. 23) is a
invites comparison with the ›Opponent-Pro- logic for Mental; but not necessarily the only
ponent‹ (O-P) set-up of formal logic. The one. A related logic for Mental, with a deep
necessity of a fusion of the two approaches traditional impact, holding cultural and po-
to controversial communication may become litical cognitive sway even today, is the his-
clearer if we indicate the political potential of torical logic of infinites and especially of in-
the latter by suitable metaphors for ‘Oppo- tensive, powerful ›infinitesimal entities‹ whose
nent’ and ‘Proponent’: clearest testimony probably is an early work
by Hermann Cohen (1883; for an historical
Olga Pope exposition see Boyer 1959). The exact system-
concessions thesis atic connections between the latter and Ego-
We can now reformulate Naess’ transforma- centric deserve close scrutiny.
tion of the meaning criterion of the Vienna
Circle: 5.2. Intensional
Definition: Any statement (thesis or conces- Mental and its logics should not be identified
sion) is grammatically and logically Phase-II with the post-Fregean development in so-
meaningful, if and only if an interlocutor can called intensional logic. Let ‘Intensional’ be
know in advance (or is informed ad hoc our name for the ›deep‹ language defined by
about) how to take account of it in a critical Richard Montague (1930—1971) for the pur-
discussion. — This definition rules out a num- pose of describing and analysing overt ›nat-
ber of common types of locution as dialogi- ural‹ languages (Montague 1970). Intensional
cally meaningless. Examples are: all philo- is not Mental, its logic resembles neither the
sophical (cf. Aebi 1947) and other uses of Leibnizian Egocentric nor the metaphysical
generic statements ‘the/an/a A is B’ unless logic based on infinitesimal genera. Rather it
accompanied by a recipe, definition or theory resembles in its principles the overt languages
acceptable to one’s interlocutors and implying of physical theory (classical mechanics). It
that every A is B; also locutions such as ‘as does not encourage “dialectical fideism” (Ong
such’, ‘q ua’, ‘in q uantum’, which occur in 1958, 56). But it certainly is not a dialogical
“reduplicative propositions” (Barth 1974, theory either. Montague issued it in a role-
133 ff; 427 ff). In our time these old locutions free, strictly anonymous form (cf. 3.2.). In a
have mainly a shielding function (cf. 4.2.). more recent publication (Barth/Wiche 1986)
Even if she does gain access to verbal inter- the many-role perspective is applied to his
change on a par with the Pope, Olga has lost theory.
in advance if the Pope resorts to generic or
reduplicative language. It represents concep-
tual ambiguity and cannot be interpreted for 5.3. Argumental
dialogical use, whatever uses it may have (on Let ‘Argumental’ be our name for a language
this ambiguity in political philosophy and with such properties that it will encourage
practice cf. Rose 1990). As Frege put it: and sustain discussion, due to its q ualities as
“Dieses ‘als solches’ ist eine vortreffliche Erfindung an instrument for the resolution of conflicts
für unklare Schriftsteller, die weder ja noch nein of opinion. We do not yet know today how
sagen wollen. Aber dieses Schweben zwischen bei- Argumental may look when it is fully grown.
den lasse ich mir nicht gefallen [...]” (Frege 1962, It will have to enable us to construct effective
XXIII f). and globally acceptable systems of rules for
But then such language was not construed dialogical argumentation. Clearly it will have
with an eye to dialogue with other mortals. to grow out of suitable parts of the historical
(›natural‹) languages. It will have to incor-
porate Fregean or post-Fregean logic, for
5. Mental, intensional, argumental which systems of formal dialectics are already
available. It will be free from traces of past
5.1. Mental contra- or anti-argumentational attitudes and
To the inner language that earlier philoso- assumptions. We cannot avoid, however, that
phers presumed and took as semiotically ba- it will, at any given time, contain precipita-
sic, Peter Thomas Geach (* 1916) has given tions of very general contemporary assump-
the name ‘Mental’. What Arthur Norman tions as to the ingredients and structure of
Prior (1914—1969) called ‘Egocentric’ (Prior/ the world, i. e. reflect a style of representation
Fine 1977, 28 ff) and attributed to Gottfried typical of that time. Hence it cannot be a
permanent language but will undergo revision
676 III. Positionen

as the ontological outlook and representa-


tional habits change. Similarly it will proba- 6.1. Further important contributions
bly never be one language but a number of
languages with a relatively simple common Apel 1972, From Kant to Peirce, in Proc. of the
nucleus, at most. (The nucleus may be com- Third Internat. Kant Congress, Beck (ed.).
pared to a computer’s DOS.) — Argumental Apel 1973 a, Transformation der Philosophie.
is not Mental, but it is not Intensional either. Crable 1976, Argumentation as Communication.
At the moment (1992) the relation of Argu- Eames 1989, Bertrand Russell’s Dialogue with his
mental to Intensional is not clear. In fact the Contemporaries.
precise purpose of the latter is itself not too Ehninger/Brockriede 1978, Decision by Debate.
clear. However, Argumental will have to in- Gadamer 1979, Truth and Method [21965, Wahrheit
corporate a great many elements and figures und Methode].
which are analysed semantically today on an Levinas 1968, Totalité et infini.
›intensional‹ but anonymous-neutral basis. Levinas 1982, Le dialogue, in De Dieu qui vient à
Hence some influence from the one field of l’idée.
research upon the other is unavoidable. In Levy-Valensi 1967, La communication.
any case, Argumentai will be free from all Lorenzen 1969, Normative Logic and Ethics.
tropes and figures and all linguistic or logical Mittelstaedt 1976, Philosophical Problems of Mod-
assumptions that do not permit the construc- ern Physics.
tion of systems of “formal dialectic” (Ham- Mittelstaedt 1978, Quantum Logic.
blin 1970, 253 ff). In all probability generics, Olbrechts-Tyteca 1974, Le comique du discours.
so freq uently employed in older philosophy, Rescher 1977, Dialectics. A Controversy-Oriented
will be uncommon as terms of well-formed Approach to the Theory of Knowledge.
sentences of Argumental. They do not in a Shimanoff 1980, Communication Rules: Theory and
natural manner pass the test — satisfy the Research.
definition — described in 4.6.; their linguistic Sperber/Wilson 1986, Relevance: Communication
problem history testifies to their deep roots and Cognition.
in Phase-I semiotics and its logics and makes Sutter 1972, Wirklichkeit als Verhältnis. Der dialo-
it clear that there is no logical need for such gische Aufstieg bei Martin Buber.
linguistic constructions between users of lan- Tannen 1990, You Just Don’t Understand. Women
guage who have learned to think and to ex- and Men in Conversation.
press themselves in terms of (logical and non- Todorov 1981, Michail Bakhtine. Le principe dialo-
logical) ›functions‹ and related modern de- gique suivi de Ecrits du cercle de Bakhtine.
vices, as based on a more adeq uate under- Volochinov (M. Bakhtin) 1973, Marxism and the
standing of the ›q uantifiers‹ and other semi- Philosophy of Language.
otical features — more adeq uate, that is, than
that which accompanied the evolution of tra- 6.2. Collections of papers
ditional thought and traditional language. In Apostel 1974, Negation.
modern thought a general ›lateralization‹ has Barth/Martens (eds.) 1982, Argumentation:
taken place, not only of the ›world picture‹ Approaches to Theory Formation. Contrib. to the
(cf. Maier 1938; Dijksterhuis 1969) but also Groningen Conf. 1978.
of the very apparatus that we employ for van Bendegem (ed.) 1985, Recent Developments in
representing things, without reference to ›the Dialogue Logics. (Philosophica 35/1).
absolute‹. ›Natural‹ (uses of) language has Brutian et al. (eds.) 1986, Filosofskije Problemi
not kept up with this development. Argumentatsii.
Bubner et al. 1972, Dialog als Methode. (Neue
5.4. Commensurability and translatability Hefte für Philosophie 2/3).
In the interest of inter-cultural dialogue the Dascal (ed.) 1985, Dialogue: An Interdisciplinary
problems of commensurability of conceptual Approach.
structures/schemes and of (machine) translat- van Eemeren et al. (eds.) 1987, Argumentation.
ability must be given a firmer footing. This Proc. of the Conf. on Argumentation 1986, 3 vols.
req uires that empiricists and dialecticians now Gethmann (ed.) 1980, Theorie des wissenschaft-
join forces: all systems of human logic, good lichen Argumentierens.
or bad, should be studied in a systematical Gethmann (ed.) 1982, Logik und Pragmatik.
manner and carefully mapped. In other Grize 1977, Recherches sur le discours et l’argumen-
words, it is imperative that the science of logic tation.
be enriched with an empirical component. Heidrich 1977, Konstituenten dialogischer Kommu-
nikation.
Walton 1985 (ed.), The Logic of Dialogue. (Synthese
6. Selected references 63/3).

Else M. Barth, Groningen (Netherlands)


48.  Die marxistische Lehre 677

48. Die marxistische Lehre

1. Sprache bei Marx Basis für historisch-spezifische politische und


2. Dialog und Leben im Bachtin-Kreis. Zur Le- kulturelle Aufbauten wie Staat, Recht, Moral,
ningrader Sprachphilosophie bürgerliches Leben, etc. — so formuliert es
3. Einfluß auf Wittgenstein? Marx in der Vorrede zu den (posthum er-
4. Die Homologie des materiellen und sprachli- schienenen) Pariser Ökonomisch-philosophi-
chen Produzierens bei Rossi-Landi schen Manuskripten von 1844 (Werke-Schrif-
5. Literatur in Auswahl ten I, 506). In inhaltlichem Bezug darauf heißt
es in dem 1859 publizierten Text Zur Kritik
der politischen Ökonomie:
1. Sprache bei Marx „Meine Untersuchung mündete in dem Ergebnis,
daß Rechtsverhältnisse wie Staatsformen weder aus
1.1.  Gibt es eine eindeutig charakterisierbare sich selbst zu begreifen sind noch aus der soge-
marxistische Lehre in der Sprachphilosophie nannten allgemeinen Entwicklung des menschli-
oder ist dies eine Pseudokennzeichnung? Mit chen Geistes, sondern vielmehr in den materiellen
dem Namen von Karl Marx (1818—1883) ist Lebensverhältnissen wurzeln, deren Gesamtheit
doch ein ›social turn‹ und nicht ein ›linguistic Hegel [...] unter dem Namen ‘bürgerliche Gesell-
turn‹ in der Philosophie verbunden. Warum schaft’ zusammenfaßt, daß aber die Anatomie der
soll ein Essay über die marxistische Lehre in bürgerlichen Gesellschaft in der Ökonomie zu su-
einem Handbuch der Sprachphilosophie er- chen sei“ (MEW 13, 8 bzw. Werke-Schriften VI,
scheinen? Die folgenden Überlegungen sind 838).
als Antwort auf diese Frage zu lesen. Unmittelbar anschließend formuliert Marx
dies in der klassischen Basis-Überbau-These
1.2.  Unterschieden wurde in der orthodoxen auch so:
post-marxschen Literatur zwischen ›histori- „In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens
schem‹ und ›dialektischem‹ Materialismus gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von
sowie ›wissenschaftlichem Kommunismus‹ ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Pro-
(Vorwort zu Marx-Engels-Werke [MEW] 16, duktionsverhältnisse, die einer bestimmten Ent-
1971). Da der historische Materialismus von wicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte
Marx durchaus als dialektisch (MEW 23, 27) entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktions-
und als wissenschaftliche Vorbereitung der verhältnisse bildet die ökonomische Struktur der
praktischen Kritik sozialer Verhältnisse kon- Gesellschaft, die reale Basis worauf sich ein juri-
zipiert worden ist, zeigt diese späte Nomen- stischer und politischer Überbau erhebt und welcher
klatur den Verlust des inneren Bandes. Nun bestimmte Bewußtseinsformen entsprechen. Die
müssen zwar Richtungen des Denkens, die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt
über einen längeren Zeitraum anregend wir- den sozialen, politischen und geistigen Lebenspro-
ken, Raum für wiederholte Interpretation bie- zeß überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der
ten. Hierin liegt aber neben dem Vorzug zu- Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr
gleich ein Hinweis auf Unfertigkeit. Im Fall gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein be-
des Marxschen System(fragment)s hat die stimmt“ (MEW 13, 8 f bzw. Werke-Schriften VI,
Leugnung des fragmentarischen Charakters 838 f; Hervorhebungen von V. M. R.).
zusammen mit einer mangelnden Unterschei- Andere Formen der Vergesellschaftung zu
dung vor allem zweier Argumentations- betrachten, unterstreicht die Züge der zu ana-
stränge innerhalb des Kernbereichs der Theo- lysierenden Vergesellschaftungsform nur via
rie, die ich mit ‘Histomat1’ und ‘Histomat2’ negationis, frühere Formen des Eigentums ge-
zu unterscheiden (Roth 1977, 583 ff) vor- hören in die Kritik der politischen Ökonomie
schlage, schon seit Friedrich Engels (1820— nur, soweit sie im modernen Eigentum ›wie-
1895) zu beinahe beliebigen ›schöpferischen dererscheinen‹. ‘Form’ hat in diesem Zusam-
Weiterentwicklungen‹ geführt. Daher wäre es menhang verschiedene, sorgfältig zu differen-
einfältig, Karl Marx und den Marxismus, zierende Bedeutungen. Histomat2ist dagegen
›Marx und Mels‹ (die Abkürzung für eine geschichtsphilosophische Spekulation
MarxEngelsLeninStalin als revolutionärer über die Aufeinanderfolge verschiedener Ge-
Kindername, Jewtuschenko 1990) nicht zu un- sellschaftsformen oder ›Gesellschaftsforma-
terscheiden. Histomat1ist der Versuch einer tionen‹ in Abhängigkeit von der Steigerung
grundlegenden (sozialphilosophischen) Ana- der Arbeitsproduktivität. Marx bezieht sich
lyse der kapitalistischen Gesellschaftsform als zustimmend 1873 im Nachwort zur zweiten
678 III. Positionen

Auflage des Kapital auf eine Petersburger Re- render Sozialismus’ fort in der aktualisierten
zension der, von Marx als ‘trefflich’ einge- Fassung der Gleichsetzung mit dem nicht
schätzten, russischen Übersetzung der ersten mehr existierenden Sozialismus und das
Auflage, Petersburg 1872. Marx schreibt, daß macht es gegenwärtig schwer, etwas Faszinie-
eine Kernstelle zur ›materialistischen Grund- rendes und Anregendes in marxistischen Leh-
lage meiner Methode‹ laute (in der Darstel- ren zu sehen, es ernstlich für möglich zu hal-
lung des Rezensenten, V. M. R.): ten, daß der Marxismus und die Sowjetunion
„Mit der verschiedenen Entwicklung der Produk- Intellektuelle, etwa Ludwig Wittgenstein
tivkraft ändern sich die Verhältnisse und die sie (1889—1951) (s. Art. 39) einmal begeistern
regelnden Gesetze [...] Marx verfolgt das Ziel [...], konnten.
von diesem Gesichtspunkt aus die kapitalistische Doch in bezug auf den historischen Ma-
Wirtschaftsordnung zu erforschen und zu erklären terialismus als ›Formanalyse‹ der Gegen-
[...] Entstehung, Existenz, Entwicklung, Tod eines wartsgesellschaft (Holt 1974, 192 ff) im Welt-
gegebenen gesellschaftlichen Organismus und sei- maßstab, in bezug auf Histomat1, findet mit
nen Ersatz durch einen anderen, höheren“ (MEW der ›Öffnung‹ und dem versuchten Anschluß
23, 26 f bzw. Werke-Schriften IV, XXX). an das westliche Weltwirtschaftssystem die
Hierin ist die Ambivalenz und die beson- Konstituierung des von der Marxschen Theo-
ders mit der Etappensicht Histomat2verbun- rie vorweggenommenen, einheitlichen Gegen-
dene Fortschrittsverheißung bemerkenswert. stands statt. Vielleicht kann die Eule der Mi-
Der Marx des Kapital bestätigt so die frühere, nerva auch in der Morgendämmerung fliegen?
problematische Ausführung, eine materiali- Der Marxismus entstand, als die ›kapitalisti-
stische Variante hegelscher Geschichtsteleo- sche Weltgesellschaft‹ erst ansatzweise exi-
logie: stierte. Heute sind wir ihr näher.
„Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor
alle Produktionskräfte entwickelt sind, für die sie 1.3.  „Für die Philosophen ist es eine der
weit genug ist, und neue höhere Produktionsver- schwierigsten Aufgaben, aus der Welt des Ge-
hältnisse treten nie an die Stelle, bevor die mate- dankens in die wirkliche Welt herabzusteigen.
riellen Existenzbedingungen derselben im Schoß Die unmittelbare Wirklichkeit des Gedankens
der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden ist die Sprache. Wie die Philosophen das Den-
sind. Daher stellt sich die Menschheit immer nur ken verselbständigt haben, so mußten sie die
Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer be- Sprache zu einem eigenen Reich verselbstän-
trachtet wird sich stets finden, daß die Aufgabe digen [...] Das Problem, aus der Welt der
selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingun- Gedanken in die wirkliche Welt herabzustei-
gen ihrer Lösung schon vorhanden [...] sind. In gen, verwandelt sich in das Problem, aus der
großen Umrissen können asiatische, antike, feudale Sprache ins Leben herabzusteigen [...] Die
und modern bürgerliche Produktionsweisen als Philosophen hätten ihre Sprache nur in die
progressive Epochen der ökonomischen Gesell- gewöhnliche Sprache, aus der sie abstrahiert
schaftsformation bezeichnet werden. Die bürgerli- ist, aufzulösen, um sie als die verdrehte Spra-
chen Produktionsverhältnisse sind die letzte ant- che der wirklichen Welt zu erkennen und ein-
agonistische Form des gesellschaftlichen Produk- zusehen, daß weder die Gedanken, noch die
tionsprozesses“ (MEW 13, 9 bzw. Werke-Schriften Sprache für sich ein eigenes Reich bilden; daß
VI, 839 f). sie nur Äußerungen des wirklichen Lebens sind
Indem wir von der letzten Position in die (Marx, Werke-Schriften II, 542 f).
vorletzte gerückt werden, ist Georg Wilhelm „Wenn die Philosophen ein Wort gebrau-
Friedrich Hegels (1770—1831) Verklärung chen — ‘Wissen’, ‘Sein’, ‘Gegenstand’, ‘Ich’,
der Gegenwart zum Endziel der Geschichte ‘Satz’, ‘Name’ — und das Wesen des Dings
wohl in zu schwacher Form kritisiert. In wi- zu erfassen trachten, muß man sich immer
dersprüchlicher Koexistenz mit der Parole fragen: Wird denn dieses Wort in der Sprache,
›Einholen und Überholen‹ vertraten die Län- in der es seine Heimat hat, je tatsächlich so
der des ›real existierenden Sozialismus/Kom- gebraucht? Wir führen die Wörter von ihrer
munismus‹ später offiziell die letztere Auffas- metaphysischen wieder auf ihre alltägliche
sung. Der eklatante Widerspruch der ›feiern- Verwendung zurück“ (Wittgenstein, PU
den‹ Staatsideologie mit dem ›Werktag‹ der § 116).
wirtschaftlichen Misere wird gegenwärtig Zwischen den beiden Formulierungen lie-
durch Loslösung vom Sozialismus gelöst. gen hundert Jahre. Die zweite schrieb Witt-
Rückwirkend wird jener ›Sozialismus zurück- genstein wohl 1945; die erste verfaßten Marx
gebliebener Länder‹ irreal. Gleichwohl wirkt und Engels 1845/46, zu Beginn ihrer Zusam-
die Gleichsetzung ‘Marxismus = real existie-
48.  Die marxistische Lehre 679

menarbeit, als eine Bemerkung im Rahmen rung: ein ›Unding‹ sind beide.
der Stirner-Kritik in der — erst 1932 veröf- „In dem Akt der Reproduktion selbst ändern sich
fentlichten — Deutschen Ideologie. Am be- nicht nur die objektiven Bedingungen, z. B. aus
kanntesten ist aus dieser Schaffensperiode die dem Dorf wird Stadt, aus der Wildnis gelichteter
durch Engels’ Veröffentlichung im Anhang Acker etc., sondern die Produzenten ändern sich,
der Streitschrift Ludwig Feuerbach und der indem sie neue Qualitäten aus sich heraus setzen,
Ausgang der klassischen deutschen Philosophie sich selbst durch die Produktion entwickeln, um-
(1888) zum geflügelten Wort gewordene gestalten, neue Kräfte und neue Vorstellungen bil-
11. These über Feuerbach: den, neue Verkehrsweisen, neue Bedürfnisse und
„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden neue Sprache“ (Marx 1857/58, 394).
interpretiert, es kömmt drauf an sie zu verändern“ Marx verallgemeinert den hier zitierten Zu-
(MEW 3, 4 bzw. Werke-Schriften II, 4). sammenhang und faßt ihn als Verdopplung
Weniger einseitig, weil mißverständlich, im Rekurs auf einen theoretisch hier nicht
und in deutlicher Korrespondenz zur Lösung weiter reflektierten ›ursprünglichen‹ Zustand.
von verdrehten Problemen der abgehobenen Er verwendet das eindringliche Bild, daß die
Sprache ist die auf die praktische Veranke- ›mit seinem eigenen Dasein vorausgesetzten
rung theoretischer Fragen und ›praktische natürlichen Produktionsbedingungen‹ des
Lösungen‹ zielende 8. These über Feuerbach: Menschen als Eigentum „sozusagen nur sei-
„Alles gesellschaftliche Leben ist wesentlich prak- nen verlängerten Leib bilden“ (Marx 1957/58,
tisch. Alle Mysterien, welche die Theorie zum My- 391). Mit der darauf folgenden Wendung: „Er
stizism veranlassen, finden ihre rationelle Lösung verhält sich eigentlich nicht zu seinen Pro-
in der menschlichen Praxis und in dem Begreifen duktionsmitteln; sondern ist doppelt da, so-
dieser Praxis“ (Werke-Schriften II, 3) (letzte Her- wohl subjektiv als er selbst, wie objektiv in
vorhebung von V. M. R.). [...] den Bedingungen seiner Existenz“ for-
Marx bemerkt später en passant: muliert Marx eine Einsicht mit Bezug auf das
„Sein [des geborenen römischen Bürgers/Bauern, Verhältnis von Menschen zu ihren Produk-
V. M. R.] Eigentum, d. h. die Beziehung auf die tionsmitteln. Läßt sich so — zu einem be-
natürlichen Voraussetzungen seiner Produktion als stimmten Zeitpunkt — auch das Verhältnis
ihm zugehörige, als die seinigen, ist dadurch ver- von Mensch und Sprachmitteln fassen? Spra-
mittelt, daß er selbst natürliches Mitglied eines che und Eigentum als ›verlängerter‹ sozialer
Gemeinwesens. (Die Abstraktion eines Gemein- Leib? Die kritische Pointe mit Bezug auf das
wesens, worin die Mitglieder nichts gemein haben, Eigentum ist die spätere Darstellung des Ver-
als etwa Sprache etc. und kaum diese, ist offenbar lustes dieser Verlängerung für die Mehrzahl,
das Produkt viel späterer historischer Zustände.) die ›einfachen Menschen‹ durch Expropria-
In bezug auf den Einzelnen ist z. B. klar, daß er tion, ›ursprüngliche‹ Akkumulation des Ka-
selbst zur Sprache als seiner eignen sich nur verhält pitals und damit ›Verwandlung‹ der Produk-
als natürliches Mitglied eines menschlichen Ge- tionsmittel, i. e. ›Natur‹ und ›konstantes Ka-
meinwesens. Sprache als das Produkt eines Einzel- pital‹ in fremdes Eigentum. Die oben ge-
nen ist ein Unding. Aber ebensosehr ist es [das] dachte Einheit von Leib und verlängertem
Eigentum“ (Marx 1857/58, 389 f). Leib kehrte sich gegen die Lohn-Arbeiter in
Privateigentum ist eine Form des gesell- spezieller Weise. Auch die Körper der Arbei-
schaftlichen Verhältnisses von Menschen zu ter und Arbeiterinnen sind — in einem er-
den (Re-)Produktions-Mitteln: Natur, verge- weiterten Sinn — ›Mittel‹ für die Produktion
genständlichte Arbeit, lebendige Arbeit. und werden ›variables‹ Kapital. Von gebilde-
Sprecher/Hörer/Schreiber/Leser, die Sprach- ten Marxisten wird gern die Marxsche Sen-
benutzerinnen und Sprachbenutzer werden tenz zitiert: „Die Sprache selbst ist ebenso das
als Mitglieder einer Sprachgemeinschaft the- Produkt eines Gemeinwesens, wie sie in an-
matisiert, umgekehrt wird Sprache gefaßt als derer Hinsicht selbst das Dasein des Gemein-
Gemeinschaft und Kooperation ermögli- wesens, und das selbstredende Dasein dessel-
chend. Marx greift hier ein Thema auf, das ben“ (Marx 1857/58, 390).
in der Zeit vor der deutschen Einigung des Wie wäre — so möchte ich einwerfen —
letzten Jahrhunderts, in der Zeit der Klassik die Verdopplungsüberlegung von den Pro-
und Nachklassik besondere ›ideelle‹, auch duktionsmitteln auf die Sprachmittel zu über-
stellvertretende ›politische‹ Bedeutung hatte, tragen, und hat sie auch eine spezifisch-histo-
und läßt den Vergleich von Privatsprache und rische Pointe? Wir kommen hierauf in 4. zu-
Privateigentum nur aufblitzen in der Folge- rück.
680 III. Positionen

2. Dialog und Leben duzenten — „constant participants in the


im Bachtin-Kreis. event of creation“ (Shukman 1983, 19) — von
Zur Leningrader Sprachphilosophie sprachlicher Form und Bedeutung. Sprachli-
che Kommunikation sei ›dreidimensional‹
2.1.  Mitte der zwanziger Jahre gab es eine (Voloshinov 1975, 230) aufzufassen:
intellektuell sehr kreative Phase in der jungen „every actually spoken word (or comprehensibly
Sowjet-Union. Der programmatische Zeit- written one) [...] is an expression and product of
schriftenartikel Slovo v zhizni i slovo v poezii the social interaction of three components: — the
(Discourse in life and discourse in poetry: que- speaker (author), the listener (reader), and the one
stions of sociological poetics) wird zu einem of whom (or of which) they speak (the hero)“
großen Teil — so die Herausgeberin der eng- (Shukman 1983, 17).
lischen Übersetzung (Shukman 1983, 2; Durch das Interagieren dieser drei Kom-
ebenso Clark/Holq uist 1984, 146—170; cf. ponenten komme der ›social spirit‹ der Rede
Holq uist in: Bakhtin 1990, xl) — Michail M. zustande:
Bachtin (1895—1975) zugeschrieben. Auch „A concrete utterance (and not a linguistic abstrac-
die Gegenposition wird bis heute vertreten tion) is born, lives and dies in the process of the
(Morson/Emerson 1990, 102 ff). Der Text er- social interaction of the participants in the utte-
schien in der Zeitschrift Zvesda 1926 sowie rance [...] When the utterance is uprooted from this
als Kapitel des Buchs Frejdizm (Freudianism: real, sustaining medium, we loose the key both to
A critical sketch, Leningrad 1927) unter dem its form and its meaning“ (Shukman 1983, 17).
Namen Valentin Nikolaevič Vološinov, eben-
so das Buch Marksizm i filosofija jazyka, Le- 2.2.  Die beiden Neuerungen in der skizzierten
ningrad 1929 (Marxismus und Sprachphilo- Konzeption sprachlichen Ko-Produzierens im
sophie, Frankfurt 1975). Dabei handelt es sich Bachtin-Kreis sind Aktivierungen ruhender
wohl um den wichtigsten Beitrag mit marxi- Argumentstellen des mehrstelligen Prädikats
stischem Hintergrund zur Sprachphilosophie. ‘sprechen’, die mit der eingangs umrissenen
Ann Shukman merkt an, daß Texte, die Bach- Marxschen Betrachtung von materieller und
tin (teilweise zur gleichen Zeit) unter seinem sprachlicher Produktion in Verbindung ste-
eigenen Namen veröffentlichte, nicht mit der hen, jedenfalls so gesehen werden können.
an Marx angelehnten Begrifflichkeit operier- Kooperativität ist ein markantes Merkmal
ten. Doch das Verhältnis zum Marxismus ist der Arbeit. Ebenso ins Auge springend an
auch in dieser Schrift, die ‘Marxismus’ im Arbeits- wie an Kommunikationshandlungen
Titel führt, sehr frei. Michael Holq uist sieht ist das Hinausweisen über die lebendig koo-
gleichwohl zu keiner Denkerin, keinem Den- perierenden Arbeitskräfte oder Sprecher, ihre
ker größere Beziehung als zu Marx (Bakhtin Verbindung mit ›einem Dritten‹, dem ›Pro-
1990, Introduction). Die vorhandenen Bezüge dukt fremder Arbeit‹, Produktionsmitteln
und die Eigenständigkeit sollen hier knapp oder Ausdrucksmitteln. Dies mag Anregun-
charakterisiert werden. gen gegeben haben, es ist aber festzuhalten,
Zentral für die Argumentationsrichtung in daß die Fabriksanalogie (im Unterschied zu
Marxismus und Sprachphilosophie ist eine Rossi-Landi, cf. 4.) von Vološinov/Bachtin
Thematisierung des ›sozialen Aspekts‹ neben nicht als Argument für ihre ›marxistische‹
dem ›lingualen Aspekt‹ (Roth 1978, 76) von Sprachbetrachtung benutzt wird.
Sprachhandlungen, sei es im Alltagsleben, sei Muß jedes Rede-Genre Helden haben?
es in der Kunst — mit der besonderen Zu- Und was wird mit der Konzeption der ›Drei-
spitzung, daß „sociological method in its dimensionalität der Rede‹ erreicht? Oder han-
Marxist interpretation“ (Shukman 1983, 7) delt es sich gar um vier relevante Dimensio-
jedes wirklich gesprochene ›Wort‹, also nen, spricht nicht die Sprachgemeinschaft
›Rede‹, als ein Produkt der sozialen Interak- (Marx: ›selbstredend‹) mit?
tion aufzuweisen hat. Die Rede hat drei dra- Bei Vološinov findet sich die folgende wich-
matis personae: Sprecher, Hörer, Besprochene tige Abgrenzung von dem für Sprachtheorien
(personalisiertes Thema, ›Protagonisten‹, des ›individualistischen Subjektivismus‹ cha-
›Helden‹). Es ist angesichts dieser für Sprach- rakteristischen Ausdrucks-Paradigma:
akte konstitutiven Triade von der ›doppelten „das organisierende und gestaltende Zentrum be-
sozialen Orientierung‹ des Sprechers/Autors findet sich nicht innen (d. h. nicht im Material
die Rede (cf. Shukman 1983, 17). Der Hörer/ innerer Zeichen), sondern außen. Nicht das Erleb-
Leser und der Held (Thema) seien Ko-Pro- nis organisiert den Ausdruck, sondern umgekehrt,
der Ausdruck organisiert das Erlebnis, gibt ihm
48.  Die marxistische Lehre 681

zum ersten Mal Form und bestimmt seine Rich- die englische Übersetzung ins Deutsche:
tung“ (Voloshinov 1975, 145). „Ein Paar sitzt in der Stube. Es ist still. Sie sagt:
Wie aktuell diese Position ist, zeigt sich ‘Na!’, er gibt nichts zur Antwort. (Auch umgekehrt
durch Heranziehen zentraler Passagen einer denkbar) Für uns, die ja nicht in jenem Raum (at
Darstellung des ›Systembilds des Lebens‹ the time of the exchange) sind, ist diese ›Unterhal-
durch eine reflektierende ›konstruktiv syste- tung‹ völlig unerklärlich. Denn isoliert genommen
mische‹ Therapeutin. Der Natur der Sache ist die Äußerung ‘Na!’ ganz leer und ohne Sinn [...]
nach stehen hier insbesondere problematische Wieviel wir den verbalen Teil der Äußerung auch
Erlebnisse im Vordergrund: drehn und wenden, wie genau wir phonetische,
„Probleme existieren nicht an sich, sondern werden morphologische und semantische Merkmale des
erzeugt, gelöst oder festgeschrieben durch die Art, Worts ‘na’ bestimmen, wir werden kaum einen
wie sie durch Sprache mit Bedeutung versehen wer- Schritt näher kommen zum Verstehen des Sinns [...]
den. Das Denken in statischen Zuschreibungen von Was fehlt? Der non-verbale Kontext, in dem das
Merkmalen wird abgelöst durch den Begriff der gesprochene Wort ‘Na!’ verständlich für eine Hö-
gemeinsamen Wirklichkeitskonstruktion oder der rerin oder einen Hörer war [...] Wir brauchen nur
Problemdefinition zwischen Therapeutin bzw. The- hinzuzunehmen: Zum Zeitpunkt ihrer Unterhal-
rapeut und Klienten. Willst Du erkennen, lerne zu tung schauten die beiden aus dem Fenster und
handeln und zu verhandeln [...]“ (Welter-Enderlin sahen, daß es schneite! Beide wußten, daß es bereits
1991, 187). Mai war und längst Zeit für den Frühling“ (cf.
Schon das Konzept kooperativen Zustan- Shukman 1983, 10 f).
dekommens von Sprachakten (Roth 1984, ‘NA!’ läßt sich nun etwa so im Zwiege-
25 ff) statt der verbreiteten Meinung, Spre- spräch des alten Paares entfalten:
chen oder Schreiben, ›Sich-Ausdrücken‹ sei „NA, Du bist dieses Jahr aber hartnäckig,
eine individuelle, ›monologische‹ Handlung Winter ...
hat innovativen Charakter und verdient Be- ... willst nicht weichen, doch es ist Zeit!“
achtung. Es bewirkt die Verschiebung des Fo- (Shukman 1983, 10 f und 15).
kus der Aufmerksamkeit vom Sprechen zum Im Kommentar dieses ‘Na!’-Sprachspiels
Miteinander-Sprechen. Eine ›Tilgung‹ wird durch Vološinov/Bachtin wird besonderer
aufgelöst. Aus Aktion wird soziale Interak- Wert auf etwas ›Suprasegmentales‹, die Into-
tion. Dies nimmt Gedankenvorgänge vorweg, nation, gelegt. Die Anregung dazu stammt
wie sie sich etwa in einer nachgelassenen von Fedor Michajlovič Dostoevskij (1821—
Schrift Gerold Ungeheuers (1935—1982) zur 1881) mit dem sich Bachtin sehr intensiv be-
›Eindrucks-Kommunikation‹ im Gegensatz schäftigte. Zum Beleg füge ich aus der spä-
zum vorherrschenden Modell der ›Ausdrucks- teren Schrift Sprachphilosophie (1929) das pa-
Kommunikation‹ finden: rallele ‘Shit’-Sprachspiel an:
„Im Modell der Eindrucks-Kommunikation rückt Hier ist ein klassisches Beispiel der Anwen-
der Hörer in den Vordergrund, der [...] in seiner dung der Intonation in einer aus dem Leben
kommunikativen Tätigkeit gleichrangig mit dem gegriffenen Rede. Dostoevskij erzählte im Ta-
Sprecher behandelt werden muß. [...] So bleibt gebuch eines Schriftstellers (1873—1881):
schon im Ansatz die kommunikative Sozialhand- „An einem Sonntag ging ich einmal am späten
lung erhalten und zerfällt nicht wie von selbst in Abend an die fünfzehn Schritte neben einer Ge-
individuelle Partialhandlungen. Freilich gibt es Er- sellschaft von sechs betrunkenen Handwerkern,
fahrungen genug, die, wie das Herstellen von und ich gewann plötzlich die Überzeugung, daß es
schriftlichen Texten, das Ausdrucks-Schema nahe- möglich ist, alle seine Gedanken, Gefühle und sogar
legen“ (Ungeheuer 1987, 295). ganz tiefe Betrachtungen mittels dieses einen
Hauptwortes, das zudem aus außerordentlich we-
2.3.  In dem Text von 1926, woraus ich eine nig Silben besteht, auszudrücken.
Kernstelle in der (unautorisierten) englischen Da sagt ein Bursche scharf und energisch dieses
Übersetzung zitiere, heißt es: „Discourse in Hauptwort, um etwas, worüber sie vorhin alle spra-
Life is obviously not self-sufficient. It arises chen, in der verächtlichsten Weise abzulehnen. Der
from the non-verbal real-life situation and andere antwortet ihm mit dem gleichen Hauptwort,
maintains a very intimate connection with it. das aber schon ganz anders klingt und einen an-
Moreover, discourse is directly filled with that deren Sinn macht: es drückt nämlich seinen Zweifel
life and may not be detached from it without an der Wahrhaftigkeit der vom ersten Burschen
losing its sense“ (Shukman 1983, 10). Volo- geäußerten Ablehnung aus. Der dritte empört sich
šinov/Bachtin führen das ‘Na!’-Sprachspiel gegen den ersten Burschen; er fällt mit großer Hitze
ein, durchaus in Parallele zu dem, was später ins Gespräch ein und ruft ihm das gleiche Haupt-
bei Wittgenstein so heißen wird. Ich übertrage wort zu, doch im Sinne eines Fluches und Schimpf-
wortes. Nun mischt sich wieder der zweite Bursche
682 III. Positionen

ein; er ist über den dritten, der den ersten beleidigt Verwirklichung nicht von ihrem ideologischen und
hat, empört und stellt ihn zur Rede: ‘Was fällt Dir das tägliche Leben betreffenden Inhalt zu trennen“
ein, mein Bester? Wir haben doch ganz ruhig ge- (Voloshinov 1975, 126).
sprochen, und Du fängst plötzlich auf den Filka So zutreffend dies auch ist: Ideologiekritik,
zu schimpfen an!’ Diesen ganzen Gedanken äußert Aufweis epochal-›ver-kehrten‹ Bewußtseins
er mit Hilfe dieses gleichen geheiligten Wörtchens, ist mit dieser Einsicht aber (noch) nicht ver-
nur, daß er dabei die Hände hebt und den dritten bunden. Streng genommen steht hiermit auch
Burschen an der Achsel packt [...] [Sie] wiederholten der erklärte, aber wohl kaum vollinhaltlich
das beliebte Wort sechsmal hintereinander, einer eingelöste Anspruch infrage, „Problemen der
nach dem anderen, und sie verstanden sich voll- Sprachphilosophie innerhalb der Einheit der
kommen“ (Voloshinov 1975, 168 f). marxistischen Weltanschauung ihren Platz zu-
zuweisen“ (Voloshinov 1975, 51). Katerina
2.4.  In dem 1929, in zweiter Auflage 1930 in Clark und Michael Holq uist hatten in ihrer
Leningrad erschienenen Buch Marksizm i fi- Bachtin-Biographie 1984 solchen Formulie-
losofija jazyka, aus dessen deutscher Überset- rungen zunächst die Funktion ›window dres-
zung ich gerade zitiert habe, wird der darge- sing‹ im Hinblick auf die Druckerlaubnis zu-
stellte Ansatz des Essays Slovo v zhizni i slovo geschrieben. In der Einleitung zu Bachtins
v poezii (1926) beibehalten und insbesondere Frühschriften Art and Answerability argu-
die Bedeutung der Sprachphilosophie für die mentiert Holq uist nun nachdrücklich für
projektierte, aber im Marxschen Systemfrag- „Bakhtin’s more fundamental relation to
ment ja nur in einigen Zügen umrissene mar- Marxist thought independent of Bolshevik
xistische Theorie der Ideologie behandelt. Der practice, especially in light of these early es-
Marxismus als Philosophie der sozialen Pra- says“ (Bakhtin 1990, XI).
xis (Schmied-Kowarzik 1981) verbindet sich Angeboten wird eine durchaus eigenstän-
mit dem von Wilhelm von Humboldt (1767— dige Konzeption, in der es auch eine Identi-
1835) (s. Art. 27) so genannten Energeia- fikationsmöglichkeit von ›Held‹ und ›Ideolo-
Aspekt in der Sprachbetrachtung. Dabei er- gie‹ gibt:
fährt auch die performative Seite der Sprach- „Die Ganzheit der alltäglichen Erlebnisse und der
handlungen eine frühe Betrachtung, termi- mit ihnen unmittelbar verbundenen äußeren Aus-
nologisch gefaßt als ›Wertung‹. Der junge drücke wollen wir, zum Unterschied von den ge-
Bachtin stand unter dem philosophischen formten ideologischen Systemen — der Kunst, der
Einfluß des Neukantianismus. Dies wurde Moral, des Rechts — Ideologie-des-Alltagslebens
1918 durch intensiven Gedankenaustausch nennen. Die Ideologie des Alltagslebens ist das
mit Matvej Isaevič Kagan (1889—1937) nach Element der unregulierten unfixierten inneren und
dessen Rückkehr vom Studium bei Hermann äußeren Rede, welche jede Handlung und jede Tat
Cohen (1842—1918) in Marburg aufgefrischt sowie unseren ganzen ›bewußten‹ Zustand begreift
(cf. Holquist 1990, 5). [...] Die gestalteten ideologischen Systeme der ge-
Das neukantianische Motiv der Wertung sellschaftlichen Moral, der Wissenschaft, der Kunst
wird weiterentwickelt zu einer pointiert for- und der Religion kristallisieren sich aus der Ideo-
mulierten These, die eine später in der Ana- logie des Alltagslebens heraus und haben ihrerseits
lytischen Philosophie (seit Ryle 1961, 223 ff) eine starke Rückwirkung auf sie“ (Voloshinov
geläufige Unterscheidung von Sprache und 1975, 152 f).
Sprechen brilliant antizipiert, wohl angeregt Die Ideologie des Alltagslebens zieht ein
vom damals aktuellen ›Primat der Ideologie‹: aktuelles Werk, zum Beispiel ein Kunstwerk,
„Das sprachliche Bewußtsein der Sprechenden hat in eine soziale Situation hinein. Dies er-
im Grunde weder mit der Sprachform als solcher, schließt auch den Zugang zum Phänomen
noch mit der Sprache als solcher [dem Ergon im ›mehrerer Leben hintereinander‹ der klassi-
Sinne Humboldts, V. M. R.] zu tun. schen Werke.
[...] Wir sprechen in Wirklichkeit keine Wörter „Darin liegt das Leben eines ideologischen Werkes:
aus und hören keine Wörter, sondern hören Wahr- In jeder Epoche seiner historischen Existenz muß
heit und Lüge, Gutes oder Schlechtes, Wichtiges das Werk eine enge Verbindung mit der wechseln-
oder Unwichtiges, Angenehmes oder Unangeneh- den Ideologie des Alltagslebens eingehen, sie in sich
mes usw. Das Wort ist immer mit ideologischem eindringen lassen und sich mit ihren neuen Säften
oder aus dem Leben genommenem Inhalt und Be- vollsaugen [...] Außerhalb dieser Verbindung hört
deutung erfüllt. Als solches verstehen wir es, und es auf zu existieren, denn es wird nicht mehr als
nur, wenn es uns ideologisch oder im Zusammen- ideologisch relevant erlebt“ (Voloshinov 1975, 153).
hang mit unserem Leben berührt, beantworten wir Es werden verschiedene Schichten in der
es [...] Die Sprache ist im Prozeß ihrer praktischen Ideologie des Alltagslebens unterschieden.
„Neu auftretende gesellschaftliche Kräfte fin-
48.  Die marxistische Lehre 683

den ihren ideologischen Ausdruck und ihre sprache‹, bestehend aus ›inneren Zeichen‹, zu
Gestalt zuerst in [...] höheren Schichten der verwechseln ist:
Alltagsideologie, noch bevor es ihnen gelingt, „Die äußerlich aktualisierte Äußerung ist eine In-
den Kampfplatz der organisierten, offiziellen sel, die aus dem uferlosen Ozean der inneren Rede
Ideologie für sich zu gewinnen“ (Voloshinov ragt; die Dimensionen und Formen dieser Insel
1975, 154 f), wobei sie in ›ideologischen Or- werden durch die jeweilige Situation der Äußerung
ganisationen‹ wie Presse, Literatur, Kino, bil- und durch ihr Auditorium bestimmt. Die Situation
dende Kunst, Wissenschaft — unter den Ein- und das Auditorium zwingen die innere Rede, sich
fluß ›gestalteter ideologischer Systeme‹ und in einem bestimmten äußeren Ausdruck zu aktua-
den darin angesammelten Formen sowie lisieren, der in den nicht sich äußernden Kontext
›ideologischer Gewohnheiten‹ geraten. In frei- des Lebens unmittelbar eingeschlossen ist und wo
mütig kritischem Bezug auf die Marxsche Ba- er sich zu einer Handlung, einer Tat oder einer
sis-Überbau-These heißt es: gesprochenen Antwort anderer Kommunikations-
„Das Sein, das sich im Zeichen widerspiegelt, wird teilnehmer vervollständigt. Die abgeschlossene
dort nicht einfach widergespiegelt, sondern gebro- Frage, der Ausruf, der Befehl, die Bitte, — das sind
chen“ (Voloshinov 1975, 71). sehr typische ganze Äußerungen aus dem Alltags-
In Verbindung mit dieser modernen Kern- leben. Sie alle [...] fordern eine außersprachliche
these der ›im sprachlichen Zeichen gebroche- Vervollständigung, ja sogar einen außersprachlichen
nen Widerspiegelung‹ und in Kontrast zu dem Beginn“ (Voloshinov 1975, 160).
partei-offiziellen ›sozialistischen Realismus‹ Das Stichwort der ›inneren Rede‹ hat spä-
steht die Konzeption ›gesellschaftlicher Mul- ter beim sowjetischen Neuropsychologen
tiakzentuierung‹: Aleksandr Romanovič Lurija (1902—1977)
„Ein Zeichen, das aus der Spannung des sozialen besondere Bedeutung im Zusammenhang mit
Kampfes ausgesondert wird und sich sozusagen ›Aphasie‹, Verlust/Störung der (äußeren)
außerhalb des Klassenkampfes befindet, muß not- Rede, des Schreibens, Lesens und Verstehens.
wendigerweise verkümmern [...] Indessen verwan- Er bezieht sich nicht auf die Sprachphiloso-
delt der gleiche Faktor, der das ideologische Zei- phie Vološinov/Bachtins, sondern auf die
chen lebendig und veränderbar macht, es auch in Sprachtheorie seines Lehrers Lev Semenovič
ein Medium, welches das Sein bricht und sucht. Vygotskij (1896—1934), dessen Hauptwerk
Die herrschende Klasse ist bemüht, dem ideologi- Denken und Sprechen einige Jahre später,
schen Zeichen einen über den Klassen stehenden, 1934, in Moskau veröffentlicht, aber erst nach
ewigen Charakter zu verleihen, den in ihm stattfin- Stalins Tod, in der Neuauflage 1956 rezipiert
denden Kampf der gesellschaftlichen Wertungen zu wurde.
unterdrücken oder nach innen zu verlagern, es ein- Treffend, so läßt sich im Abstand von sech-
deutig zu machen [...] Jede lebendige Schmähung zig Jahren erkennen, ist die in der Einleitung
kann sich in ein Lob verwandeln, jede lebendige von Marxismus und Sprachphilosophie gege-
Wahrheit kann in den Ohren vieler klingen, wie die bene Einschätzung: „Man kann sagen, daß
größte Lüge. Diese innere Dialektik des Zeichens die gegenwärtige bürgerliche Philosophie sich
wird bis zur letzten Konseq uenz nur in Zeiten so- unter dem Zeichen des Wortes zu entwickeln
zialer Krisen oder revolutionärer Veränderungen beginnt, wobei diese neue Richtung im phi-
offenbar. Am Material des Wortzeichens kann die losophischen Denken des Westens noch in
Kontinuität des von der Basis zum Überbau ver- ihren Anfängen liegt“ (Voloshinov 175, 51;
laufenden dialektischen Wandlungsprozesses am meine Hervorhebung V. M. R.). Sie nimmt
besten und vollständigsten verfolgt werden. Die bei Wittgenstein einen Weg, der es schwer
Kategorie der mechanistischen Kausalität bei der machen wird, die Sprachphilosophie als ›bür-
Erklärung ideologischer Erscheinungen kann am gerlich‹ von der im Selbstverständnis ›marxi-
leichtesten auf der Grundlage der Sprachphiloso- stisch-soziologischen‹ Position des Bakhtin-
phie überwunden werden“ (Voloshinov 1975, 72 f). Kreises abzutrennen.

2.5.  Vološinovs ›gedruckte sprachliche Hand-


lung‹ hat zu seiner Zeit kaum Resonanz ge- 3. Einfluß auf Wittgenstein?
habt und dies wäre wohl so geblieben, wenn
nicht unabhängig davon im Westen in man- 3.1.  In Marxismus und Sprachphilosophie wer-
cher Hinsicht ähnliche Gedanken zur Ver- den der erste Band von Ernst Cassirers
schränkung von Leben und Sprechen entstan- (1874—1945) (s. Art. 37) Philosophie der sym-
den wären. Wir gehen hierauf in den folgen- bolischen Formen (1923) sowie Karl Bühlers
den Abschnitten näher ein. (1879—1963) (s. Art. 38) Unterscheidung zwi-
Zuvor aber noch ein Exkurs zur ›inneren schen der Kombination von Signalen und der
Rede‹, die nicht mit einer internen ›Privat- Kombination von Sprachformen im Satz aus
684 III. Positionen

seinem Beitrag Vom Wesen der Syntax für die der nach Teilnahme am Krieg als Ulane und
Festschrift für Karl Vossler (1922) als inter- am Bürgerkrieg in den Reihen der Weißen
essant und geistreich kommentiert, kritisch Armee bei der französischen Fremdenlegion
hingegen wird Ferdinand de Saussures (daher die Namensänderung) gelandet war.
(1857—1913) (s. Art. 36) Konstitution des Nach schwerer Verwundung setzte er seine
Gegenstands der Sprachtheorie rezipiert und ›classical studies‹ an der Sorbonne und ab
als ›abstrakter Objektivismus‹ attackiert: 1932 in Cambridge fort. Der Briefkontakt zur
„Über den Kadavern geschriebener Spra- Familie sei 1926 — „when it became too
chen ist dieses Denken entstanden“ (Voloshi- dangerous to write“ — abgerissen. Und dann
nov 1975, 127). folgt die für die aufgeworfene Frage interes-
Immer noch gehe die Linguistik, wenn sie sante Mitteilung: „Nikolai did not find out
über das Sprachsystem forsche, wie vor ihr about Mikhail’s Dostoevsky book until 1930
die ›Priester-Philologen‹ mit Bezug auf die when he discovered it by chance in a Paris
jeweilige ›Heilige Schrift‹, gleichsam von toten bookshop“ (Clark/Holq uist 1984, 19 f). Es ist
Sprachen aus und blende damit systematisch also nicht ausschließlich ein Dumassches Phä-
aus, was lebendiges Sprechen auszeichne. nomen ›korsischer Zwillinge‹, die sich trotz
Wittgensteins Tractatus wird nicht erwähnt. Trennung ›strikingly similar‹ (Clark/Holq uist
Er ist zwar 1921 unter dem Titel Logisch- 1984, 18; Eagleton 1982, 76) entwickeln. Witt-
philosophische Abhandlung erschienen, aber genstein stand, wenn er mit Bakhtin sprach,
erst in der deutsch-englischen Ausgabe Trac- mittelbar mit dem Dostoevskij-Buch Bach-
tatus logico-philosophicus (1922), die auf Be- tins, Problemy tvorchestva Dostoevskogo, Le-
treiben Bertrand Russells (1872—1970) zu- ningrad 1929, im Gespräch. Dieses zeitgleich
stande kam, bekannt geworden und hat be- mit Marxismus und Sprachphilosophie und im
reits 1927 in einer chinesischen Ausgabe Ming gleichen Verlag, Priboi, erschienene Buch
Li-lun [Theorie der Namen], wiederum ange- markiert im Schaffen Bachtins nach Meinung
regt durch Russell, vorgelegen. Über eine rus- seiner Biographen den Durchbruch zur Po-
sische Ausgabe dieser Zeit ist mir nichts be- sition des ›Dialogismus‹ (s. Art. 47), gekenn-
kannt. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, zeichnet durch eine ›Übersetzung‹ seiner noch
daß der junge Wittgenstein im Bachtin-Kreis in ›abstrakter philosophischer Sprache‹ ge-
wahrgenommen wurde. Die zitierte zutref- haltenen Behandlung der Phänomenologie
fende Voraussage, wonach sich das philoso- des Bewußtseins in den Frühschriften „into
phische Denken des Westens seit den zwan- the language of social relations, into interin-
ziger Jahren ›unter dem Zeichen des Wortes‹ dividual relations in everyday life (i. e., into
entwickele, zielt auf den in Deutschland und plot relations in the broad sense of the word)“
Rußland damals tonangebenden Neukantia- (Clark/Holq uist 1984, 243; cf. Emerson 1984,
nismus, auch wenn zwei Generationen später 292).
jener ›linguistic turn‹ eher mit Wittgenstein
als mit Cassirer verbunden wird. Ist es um- 3.2.  Schon 1935 ist Wittgenstein Fachkollegen
gekehrt denkbar, daß Wittgenstein mit Ge- in der Sowjetunion bekannt. Man muß ja
danken des Bachtin-Kreises in Berührung berücksichtigen, daß Deutsch in dieser Zeit
kam und danach sich von eigenen Positionen noch Sprache der Gebildeten in Osteuropa
im Tractatus distanzierte? Da beim heutigen war. Als er bei seinem Besuch in Moskau sich
Leser der Eindruck entsteht, daß manches bei einer Logikerin anmelden läßt, scherzt sie:
dessen, was Wittgensteins späte Sprachphi- ‘Was, doch nicht der große Wittgenstein?’ (cf.
losophie mit ihrer ›Auflösung philosophischer Wittgenstein 1990, 424). Für Wittgenstein
Probleme‹ berühmt machte, in Leningrad (drei seiner Brüder brachten sich um) war das
schon vor-gedacht war, steigt die Spannung, Thema ‘Aussteigen’, ‘Ausbruch aus dem bür-
wenn unter ›Wittgenstein’s friends‹ (Eagleton gerlichen Leben’ mehrmals in seinem Leben
1982, 74—81; Monk 1990, 647) ein Nicholas aktuell. Peter Philipp verweist auf den Brief
Bakhtin (1894—1950) aufgeführt wird: vom 14. 9. 1922 an den Wiener Freund Paul
„His conversations with Wittgenstein were Engelmann (1891—1965), den Ko-Architek-
one of the factors influencing the philoso- ten des ›Wittgenstein-Hauses‹: „Was wir da-
pher’s shift from the [...] Tractatus to the [...] mals (einige Tage vorher beim Besuch Engel-
Philosophical Investigations“ (Clark/Holq uist manns in Wien oder früher?, V. M. R.) von
1984, 20). Sie konstatieren: „He was clearly einer eventuellen Flucht nach Rußland spra-
an extraordinary thinker“. Nicholas Bakhtin chen, das spukt noch immer in meinem Kopf
ist Bachtins fast gleichaltriger Bruder Nikolaj, herum“ (Wittgenstein 1980, 125). Am
48.  Die marxistische Lehre 685

30. 6. 1935 (inzwischen sind schon die Philo- Ferruccio Rossi-Landi fragt nach dem
sophische Grammatik, The Blue Book, The „möglichen Einfluß des Marxismus“ auf die
Brown Book entstanden) schreibt Wittgen- Veränderung der Sprachphilosophie Wittgen-
stein an John Maynard Keynes (1883—1946): steins, „unmittelbar über bestimmte klassi-
„Ich habe nun mehr oder weniger beschlossen, im sche Texte“ oder als „nicht bewußten Ein-
September als Tourist nach Rußland zu fahren und fluß“ (Rossi-Landi 1972, 107) der Marxschen
herauszubekommen, ob ich dort eine passende Philosophie der Praxis. Rossi-Landi kann auf
Stelle finden kann. Falls ich feststelle (was, wie ich die Gleichzeitigkeit mit dem endlich erfolgten
befürchte, recht wahrscheinlich ist), daß ich eine Erscheinen der Marxschen Frühschriften hin-
solche Stelle nicht finden oder keine Arbeitserlaub- weisen: hierin gebe es
nis in Rußland bekommen kann, so würde ich gern „viele Seiten, die Wittgenstein, wie ich vermute, mit
nach England zurückkehren und, wenn möglich, Begeisterung gelesen hätte (oder gelesen hat?) —
Medizin studieren. Nun, als Du mir sagtest, Du die [...] Deutsche Ideologie erschien [...] 1932 in
würdest mich während meiner medizinischen Aus- Berlin, als Wittgenstein jenen ›radikalen Wandel‹
bildung unterstützen, wußtest Du vermutlich nicht, vollzog [...] es ist schwer vorstellbar, daß die Mar-
daß ich nach Rußland gehen möchte und versuchen xisten von Cambridge, sogar die des Trinity College
würde, die Erlaubnis zu erhalten, in Rußland Me- (zu dem Wittgenstein seit 1912 wechselvollen, en-
dizin zu praktizieren“ (Wittgenstein 1980, 189). gen Kontakt hat, V. M. R.) darüber nicht diskutiert
Er beschreibt sich selbst als „politisch kei- hätten [...] In den Philosophischen Untersuchungen
neswegs gefährlich“ (Brief an Keynes gibt es Gedanken, die sogar in den sprachlichen
6. 7. 1935; Wittgenstein 1980, 191). Drei Tage Formulierungen an Gedanken der Deutschen Ideo-
später setzt Keynes dies im Brief an den ihm logie erinnern“ (Rossi-Landi 1972, 108—110).
gut bekannten sowjetischen Botschafter in Doch Rossi-Landi fügt hinzu: „Gewiß ist
London wie folgt um: die Beziehung zum Marxismus nicht die ein-
„Dr. Wittgenstein ist als Philosoph sehr bekannt zige aufspürbare Beziehung [...] Die gesamte
und durch eine sehr alte und enge Freundschaft Behandlung der ›Kategorien des Lebens‹ bei
mit mir verbunden [...] Ich muß es ihm selbst über- Dilthey hat auf weite Strecken einen prä-Witt-
lassen, Ihnen mitzuteilen, weshalb er nach Rußland gensteinianischen Geschmack“ (Rossi-Landi
gehen möchte. Er gehört nicht der Kommunisti- 1972, 110).
schen Partei an, doch er empfindet sehr viel Sym- ‘Ein Ausdruck hat nur im Strom des Le-
pathie für die Lebensform, für die die neue russi- bens Bedeutung’ wird später Wittgenstein no-
sche Regierung seiner Überzeugung nach einsteht“ tieren. „Nur der Strom der sprachlichen
(Brief 10. 7. 1935 an Botschafter Maiski; Wittgen- Kommunikation gibt dem Wort Licht und
stein 1980, 192). Bedeutung“ heißt es bei Vološinov (1975,
Wittgenstein hatte zur Vorbereitung schon 168). Im Bachtin-Kreis hätte sich Wittgen-
etwas Russisch gelernt. Seine Bemühung um stein gut unterhalten.
eine Einreiseerlaubnis war erfolgreich. Im Wittgensteins Erklärung: „Wieweit meine
September 1935 ist er am Institut des Nordens Bestrebungen mit denen anderer Philosophen
der Universität Leningrad, danach an der zusammenfallen, will ich nicht beurteilen [...]
Akademie der Wissenschaften in Moskau. Es darum gebe ich auch keine Quellen an, weil
wird ihm ein Lehrstuhl an der Universität es mir gleichgültig ist, ob das, was ich gedacht
Kasan angeboten! Im Brief vom 6. 7. 1935 an habe, vor mir schon ein anderer gedacht hat“
Keynes hatte Wittgenstein die folgende Ab- aus dem Vorwort zum Tractatus klingt an-
sicht formuliert und anscheinend durchge- gesichts des Geschilderten vielleicht manchen
setzt: „An zwei Instituten möchte ich mit den Lesern in den Ohren. In den Gesprächen mit
Offiziellen sprechen; das eine ist das Institut Nicholas Bakhtin fiel auch die Entscheidung,
des Nordens in Leningrad, das andere das Tractatus und Philosophische Untersuchungen
Institut für nationale Minderheiten in Moskau. in einem Buch zu veröffentlichen (von Wright
Es heißt, diese Institute befaßten sich mit 1982, 53).
Leuten, die in die ›Kolonien‹ gehen wollen,
das heißt, in die kürzlich kolonisierten Teile
am Rande der UdSSR“ (Wittgenstein 1980, 4. Homologie des materiellen
191). „Ich bin jetzt auf kurze Zeit in England, und sprachlichen Produzierens
fahre vielleicht nach Rußland“, doch dies bei Rossi-Landi
schreibt Wittgenstein am 21. 6. 1937, wie-
derum an Engelmann. Zu der Zeit hat er keine Es wurde eingangs (cf. 1.3.) die durch Be-
Anstellung. Zwei Jahre später ist er Professor merkungen von Marx nahegelegte Parallele
in Cambridge. in der Betrachtung von Produktionsmitteln
686 III. Positionen

und Sprachmitteln angesprochen. Produkti- pital’ im Sinne der Grundform des Kapitals,
onsmittel sind ja ebenso ein zusammenwir- also industrielles Kapital führt?
kendes System wie die Sprachmittel in der Rossi-Landi vergleicht die Sprache mit
menschlichen Gesellschaft. dem konstanten Kapital und die Sprecher mit
Wenn individuell in der kapitalistischen dem variablen Kapital. Dies soll nicht nur
Gesellschaft produziert wird, geschieht dies, eine Analogie sein, sondern eine ›Homologie‹.
damit das Produkt als Ware gesellschaftliche Die sprachliche Produktion gilt als ›sprach-
Anerkennung findet, also verkauft werden lich-kommunikative Arbeit‹, die Sprache als
kann. Marx analysiert den Preis in seiner ›Produkt vorausgehender sprachlicher Ar-
›Wertformanalyse‹ (Holt/Pasero/Roth 1974, beit‹. Karl Steinbach kommentiert dies im
192 ff), auf deren wichtigste Darstellungen Nachwort zur deutschen Ausgabe mit einem
Rossi-Landi sehr früh verweist, als Manife- Zitat aus Grundrisse der Kritik der politischen
stationsform ›gesellschaftlicher Arbeit‹, die es Ökonomie: „Wenn gesagt wird, daß das Ka-
direkt, ›lebendig‹ und unabhängig von der pital ‘aufgehäufte Arbeit ist, die als Mittel zu
Wertform in unserer Gesellschaft nicht gibt. neuer Arbeit dient’, so wird die einfache Ma-
Der Zyklus des Kapitals als ›Verwertung‹ hat terie des Kapitals betrachtet, abgesehen von
mit jenem Wertbildungsprozeß zu tun. Eine der Formbestimmung, ohne die es nicht Ka-
Betrachtung, die von dieser konstitutiven pital ist“ (Marx 1857/58, 168 f). Nehmen wir
Wertseite abstrahiert, analysiert den gleichen die in diesem Abschnitt anfangs skizzierte Un-
Prozeß als ›einfachen Arbeitsprozeß‹. „Wie terscheidung zwischen Arbeits- und Verwer-
sich das Kapital zum Handel (trade) verhält, tungsprozeß auf: Rossi-Landi bleibt mit sei-
so verhält sich die Sprache zum Sprechen“ ner Argumentation innerhalb des Arbeitspro-
zitiert Rossi-Landi in Sprache als Arbeit und zesses und seiner ›einfachen Momente‹, Tätig-
als Markt (1972, 14) den Oxforder Sprach- keit und Mittel/Material. Zum Verwertungs-
philosophen Gilbert Ryle (1900—1976). Man prozeß wird der Arbeitsprozeß ›als Konsum-
kann nur sagen, was sich in der verwendeten tionsprozeß der Arbeitskraft durch den Ka-
Sprache sagen läßt. Alles, was im Handel ist, pitalisten‹. Arbeiter und Arbeiterinnen
wurde (in der Regel) vom industriellen Ka- arbeiten unter der Direktion eines Kapitals
pital geliefert. Doch gehört etwas noch zum und das Ergebnis der Arbeit ist Eigentum des
aktuellen Stand der Sprache, wenn es nicht Kapitals. Möchte Rossi-Landi Entsprechen-
mehr verwendet wird? Wird etwas immer wei- des hinsichtlich der sprachlichen Arbeit be-
ter produziert, auch wenn es nicht mehr ver- haupten? Und wo sind die verschiedenen, mit-
kauft wird? Nicht nur ist ›trade‹ von ›capital‹ einander konkurrierenden ›Kapitale‹ in die-
abhängig, Kapital selbst ist Wertformwechsel sem Bild von Sprache und Sprechern? Rossi-
mit dem Ziel der Wertgrößendifferenz: Landi kritisiert den ›sprachlichen Merkanti-
Geld—Ware—mehr Geld ist der Kreislauf so- lismus‹ in der Auffassung von Ryle. Indem er
wohl des Handels- wie des industriellen Ka- anstelle des (sprachlichen) Geldausgebens das
pitals. gemeinschaftliche Arbeiten mit (sprachlichen)
Bei Ryle ist ‘capital of expressions’, so im Produktionsmitteln setzt, was hat er gewon-
Co-Referat John Niemeyer Findlays (Ryle nen? Und ist auch etwas verloren gegangen?
1961, 231), gleichbedeutend mit ‘stock’, Der Wechsel von der Zirkulations- in die
‘fund’, ‘deposit’, ‘hoard’, ‘a purseful’, — also Produktionssphäre bewirkt, was schon im
eher Geldsumme als Kapital: „a set of mo- (Rossi-Landi nicht bekannten) Bachtin-Kreis
derately permanent possibilities of making ein Anliegen war: Kritik am verbreiteten ›in-
particular momentary transactions“ (Ryle dividualistischen Subjektivismus‹ und gleich-
1961, 224). Bei Rossi-Landi nimmt jenes zeitig am ›abstrakten Objektivismus‹ in unse-
„Roughly, as Capital stands to Trade, so rer Sprachauffassung. Sprache ist kein ›Ab-
Language stands to Speech“ eine anspruchs- reißblöckchen‹ von Wörtern, kein Notenbün-
vollere Bedeutung an. Als Hegel-Marxist gibt del. Die Vorstellung ist so bildhaft anschau-
er sich nicht mit der (einfachen) Zirkulation, lich, daß sie von Wittgenstein stammen
den ›transactions of a moneyed man‹ zufrie- könnte. Sie ist zugleich so reduziert, daß sie
den. Ist es mehr als die Assoziation eines ›non- Einwände geradezu provoziert. Ryles Punkt
native speakers‹ und bikulturellen Grenzgän- ist, daß wir, selbst wenn wir uns die ›words
gers, daß Ryles exoterischer Gebrauch von (constructions, etc.)‹ wie vom Abreißblock
‘Capital’ im Sinne einer Geldsumme Rossi- aus der Sprache entnommen denken, zum
Landi zum esoterischen Gebrauch von ‘ca- Verstehen der sentences unserer Sprachhand-
lungen nicht genug zur Verfügung haben. Ryle
48.  Die marxistische Lehre 687

verwendet nicht die Saussureschen Unter- meine Begriff der sprachlichen Arbeit“. Er
scheidungen, doch ›speech‹ hat bei ihm durch- diagnostiziert die „fehlenden oder unklaren
aus Züge der Sprachfähigkeit (langage) und Unterscheidungen zwischen Produkt, Bedeu-
der performative Aspekt unterscheidet das tung des Produkts und Gebrauch des Pro-
Sprechen vom Sprachsystem. dukts [...] auch zwischen den Teilen, die in ein
Rossi-Landi läßt sich auf diese Rede von Ganzes einzurechnen sind, je nachdem ob
den unendlich vielen Möglichkeiten der ›sen- man es vor, während oder nach seinem fak-
tences‹ (Sprachhandlungen) nicht ein, son- tischen Funktionieren betrachtet“ (Rossi-
dern versucht wenig glücklich ein ›catch-all‹ Landi 1976, 44).
mit dem Term ‘Nachrichten’, entnommen aus Und er gesteht freimütig ein:
der technischen Kommunikationstheorie. Es „Eine an Hegel und Marx orientierte Wissenschaft
besteht dadurch die Gefahr, Zeigehandlungen von der Sprache gibt es [...] noch nicht. Doch
mit ihren ›Marken‹ (Kamlah/Lorenzen 1967, vielleicht wird sie sich entfalten lassen am Modell
60), die technisch konservierbar und repro- der Marxschen Wissenschaft von der materiellen
duzierbar sind, zu verwechseln. Hierdurch ist Produktion, von ihren Produkten und von den
an der philosophischen Reflexion in Peters- Verhältnissen zwischen ihnen und den produzieren-
burg und Oxbridge darauf, was wir tun, wenn den Menschen“ (Rossi-Landi 1976, 44).
wir miteinander sprechen, vielleicht das Wich- Es bleibt der Anspruch der marxistischen
tigste verloren gegangen. (Kritik der) Sprachphilosophie, das von Witt-
Allem Anschein nach kann man die Hand- genstein nur konstatierte ›Leerlaufen‹ der
lung Geldausgeben individuell ausführen, es Sprache auch ›systemisch‹ aufzuklären: „Witt-
bedarf nur einer Hand, um passende Wörter genstein fragt niemals danach, warum die
der eignen Sprache von Ryles Block zu reißen. Sprache feiert und leerläuft, welche geschicht-
Industrielles Arbeiten hingegen ist keine In- lich-gesellschaftliche Genesis die geistigen
dividualhandlung. Bei näherem Zuschauen ist Krämpfe und Verwirrungen aufweisen“
der sich aufdrängende Unterschied ein aus (Rossi-Landi 1972, 113 f).
den Verhältnissen entspringender Schein. Nie-
mand kann kaufen, ohne daß etwas von je-
mand anderem ›Gemachtes‹ verkauft wird. 5. Literatur in Auswahl
Rossi-Landi erspürt den ›Geldfetisch‹ in der Bachtin 1985 a, Literatur und Karneval. Zur Ro-
Argumentation Ryles. Wenn aber Geld die mantheorie und Lachkultur.
Form der gesellschaftlichen Arbeit der Waren, Die Thesen werden entwickelt in der Auseinander-
die verkauft werden, ausdrückt, warum dann setzung mit Dostoevskij und Rabelais. Starker Ein-
nicht gleich die gesellschaftliche sprachliche fluß der ›Volkskultur‹, Erleben der ›Butterwoche‹
Arbeit statt Ryles Scheckheft in den Blick (= Karneval).
nehmen? In seiner Überlegung zur ›Homolo- Bachtin 1985 b, Probleme der Poetik Dostoevskijs.
gie des Produzierens‹ plädiert Rossi-Landi da- Gleichzeitig entstanden mit der Sprachphilosophie
für, daß Materialität des Produkts keine not- (s. u. Voloshinov) und durch Bachtins Bruder in
wendige Bedingung dafür sein soll, den Her- Wittgensteins Umkreis präsent.
stellungszusammenhang als gesellschaftliche Eldred/Hanlon/Kleiber/Roth 1984, La forma va-
Arbeit zu fassen. Es ist freilich nicht der ma- lore.
terielle oder immaterielle Charakter, sondern Ergebnisse eines Forschungsprojekts zur Rekon-
die Form der gesellschaftlichen Arbeit, auf struktion des Marxschen Systemfragments aufge-
die es hier ankommt. Doch führt Rossi-Landi faßt als ›Form-Analyse‹.
wirklich Argumente für eine ›Homologie‹, die Holt/Pasero/Roth 1974, Zur Wertformanalyse.
die Formseite betreffen, an? Die Antwort Eine Vorarbeit zu La forma valore, angeregt durch
könnte verborgen sein in der programmati- Rudolf Hickel und inhaltlich beeinflußt durch vor-
schen Titel-Formulierung Sprache als Arbeit ausgegangene Arbeiten in Frankfurt von Hans-
und als Markt (Il linguaggio come lavoro e Georg Backhaus und Helmut Reichelt. Ein Do-
come mercato). Doch hier erfahren wir: kument der Zeit der Kapital-Studiengruppen nach
„Mein Aufsatz von 1965 [...] beinhaltete einen der Studentenbewegung.
Abschnitt über die Sprache als sprachliches Lurija 1982, Sprache und Bewußtsein.
Kapital und einen anderen über die sprach- Zusammenhängende Darstellung der Entwicklung
liche Gemeinschaft als Markt“ (Rossi-Landi der sowjetischen Neuropsychologie (Vorlesungen
1972, 121). Der Unterschied zu Ryle erscheint an der Universität Moskau) mit Berücksichtigung
hier ›roughly‹ als ›very fine‹. Rossi-Landi kri- des durch Hirnschädigung ausgelösten Zerfalls der
tisiert an Ryle und generell an der bisherigen Sprechtätigkeit und ihrer Rehabilitation.
Sprachtheorie: „Was [...] fehlt, ist der allge-
688 III. Positionen

Kamlah/Lorenzen 1967, Logische Propädeutik. und Histomat2.


Hauptwerk der ›Erlanger Schule‹. Spiegelt selbst- Ich habe in diesem Vortrag versucht, zwei Fassun-
denkend ›gebrochen‹ das Ankommen des ›linguistic gen des historischen Materialismus zu unterschei-
turns‹ in Deutschland. den und darauf hinzuweisen, daß Habermas seine
Marx 1962—64, Werke-Schriften, Bd. I—VI. Rekonstruktion auf die zweite bezieht. Ich plädiere
Marx 1845/46, Die deutsche Ideologie, = MEW 3. für die Auseinandersetzung mit der ersten.
Eine Fundgrube anregender Bemerkungen. Roth 1978, Vier Stufen der Spracheinführung.
Marx 1857/58, Grundrisse der Kritik der politischen Ein radikal pragmatisches Fundierungsstück logi-
Ökonomie. scher Propädeutik.
Erster Anlauf in einem nicht zu Ende gekommenen Roth (Hg.) 1984, Sprachtherapie.
Ringen mit dem Stoff. Deutlichere Bezüge zur Phi- Eine Sammlung von Texten zur Patholinguistik, die
losophie als in späteren (publizierten) Fassungen. sich mit therapeutischen Rekonstruktionen gestör-
Marx 1859, Zur Kritik der politischen Ökonomie, ten Sprachvermögens beschäftigt. Bei Kommuni-
in MEW 13. kation trotz gestörter Sprache kommt dem gemein-
Erster von einer Reihe (nicht erschienener) Hefte. samen Ausführen der Sprachhandlungen besondere
Im Vorwort die knappe Skizze der materialistischen Bedeutung zu. Dies ist auch ›im Normalfall‹ von
Geschichtsauffassung. Belang und in den Ansätzen zur marxistischen
Marx-Engels-Werke I—XXXIX 1956—1968 Sprachphilosophie ein Punkt.
[MEW]. Ryle 1961, Use, usage and meaning, repr. in Col-
Eine der russischen folgende, noch nicht textkriti- lected Papers II.
sche und nicht vollständige Ausgabe der Schriften Schlußvortrag der Joint session of the Aristotelian
von Marx und Engels, es ist jedoch die mit Brei- Society and the Mind Association. Ein Musterbei-
tenwirkung. Die exklusivere MEGA (Marx-Engels- spiel der Ordinary Language Philosophy. Kernsatz
Gesamtausgabe) wurde bereits in den Dreißigerjah- für unser Thema: „Roughly, as Capital stands to
ren einmal abgebrochen. Die Fortführung der Trade, so Language stands to Speech“.
neuen MEGA, von der seit 1975 45 Bände erschie- Schmied-Kowarzik 1981, Die Dialektik der gesell-
nen sind, ist 1992 durch eine MEGA-Arbeitsstelle schaftlichen Praxis.
der Konferenz der deutschen Akademien der Wis- Eine Monographie, die Ergebnisse der neuen west-
senschaften gesichert worden, die mit der MEGA- deutschen Marxrezeption als ›praxisphilosophische
Herausgeberin, der Internationalen Marx-Engels- Kritik‹ vorträgt. Bezüge zu Hegel, Schilling, Alt-
Stiftung (IMES) Amsterdam — unter Beteiligung husser.
des Internationalen Instituts für Sozialgeschichte Shukman 1983, Bakhtin school papers.
(IISG), der königlich Niederländischen Akademie Enthält den programmatischen Artikel Rede im
der Wissenschaften, des Instituts für Theorie und Alltagsleben und das in der Kunst verwendete Wort,
Geschichte des Sozialismus (vormals Institut für eine Vorstudie zu Marxismus und Sprachphiloso-
Marxismus-Leninismus) Moskau, u. a. — einen phie.
entsprechenden Vertrag geschlossen hat. Voloshinov 1975, Marxismus und Sprachphiloso-
Rossi-Landi 1972, Sprache als Arbeit und als phie.
Markt. Das wohl wichtigste Werk zum Thema.
Eine Sammlung von sechs Texten, die sich teilweise Wittgenstein 1990, Tractatus logico-philosophicus
inhaltlich überschneiden, darunter Plädoyer für eine [1922] Philosophische Untersuchungen [1953].
marxistische Verwendung Wittgensteins. Die Über- Ludwig Wittgenstein hatte sich etwa 70 Jahre frü-
legungen sind eng an die Terminologie der ›klassi- her schon um die Veröffentlichung seiner Logisch-
schen Ökonomie‹ — einschließlich Marx — ange- philosophischen Abhandlung bei Reclam in Leipzig
lehnt. Rossi-Landi plädiert dafür, sie nicht auf den bemüht. Ich empfehle diese Ausgabe auch wegen
Bereich der materiellen Produktion zu beschrän- ihres in unserem thematischen Zusammenhang in-
ken. Der Autor empfiehlt die zweite Ausgabe 1974. teressanten Nachworts von Peter Philipp.
Rossi-Landi 1973, Dialektik und Entfremdung in Wygotski 1971, Denken und Sprechen.
der Sprache. Die Moskauer Sprachpsychologie Vygotskijs kann
Teil 1 dieses Buches bietet einen guten Überblick. als Gegenstück zu Vološinov/Bachtins Leningrader
Rossi-Landi 1976, Semiotik, Ästhetik und Ideologie. Sprachphilosophie angesehen werden. Es gibt keine
Der Autor nennt im Vorwort von 1975 rückblik- Anzeichen dafür, daß man voneinander Kenntnis
kend seine Bemühungen um eine fruchtbare Ver- gehabt hat. Inhaltlich gibt es manche Überschnei-
bindung von ›klassischem deutschen Denken, das dung. Gemeinsam haben sie die Kritik an mecha-
in Marx kulminiert‹ und späteren ›Entwicklungen nistisch-materialistischen Positionen, denen sie
in der angelsächsischen Sprachphilosophie und Se- beide für eine gewisse Zeit das Feld überlassen
miotik‹ bescheiden: „allenfalls ganz vorläufige Re- mußten. Übrigens enthält auch Wygotski (cf. 335 f)
sultate“. das ‘shit’-Sprachspiel.
Roth 1977, Mit Marx an Marx vorbei? Histomat1
Volkbert M. Roth, Konstanz (Deutschland)
49.  Critique of ideologies 689

49. Critique of ideologies

1. Ideology, language, and society their actions may be ideological, then it is


2. The semantics of ideology plausible to believe that the reasons they give
3. The pragmatics of ideology may not be the actual causes of the action,
4. The pragmatics of social criticism and that these causes are not available to mere
5. Selected references self-reflection. The critiq ue of ideology must
then accept the explanatory burden of pro-
viding an account of the action in terms other
1. Ideology, language, and society than those actors themselves may use; it must
identify the real cause, whether it be some
1.1.  The critiq ue of ideology is as old as the interest which the agent cannot avow or some
marriage of modernity and social science. So- social influence like power or social structure
cial science emerged in the Enlightenment of which the agent is not aware. If the theory
through criticism of tradition and religion, as of ideology is to fulfill these two tasks it must
part of the intellectual endeavor to remake solve its fourth, and most central, problem:
society anew. But as the critiq ue of ideology it must ground its criticisms and explanations
developed into a generalized sociology of all in a complete social theory that includes a
knowledge, it became a radical challenge to developed account of the inner workings of
all our beliefs and practices. In its philosoph- social practices, the constitution of society,
ical implications, the critiq ue of ideology en- and the process of forming beliefs. If any
tails a sceptical meta-induction about the pos- critiq ue of ideology tries to unmask false self-
sible falsehood of all our beliefs, raising understandings, it can do so ultimately only
doubts about their rational bases and their by reference to a social theory which must
irrational origins. Once beliefs and attitudes explain how societies are constituted in vari-
are seen as the effects of social structures and ous human activities, and then why error and
of influences as imperceptible as they are per- lack of reflection play a crucial role in their
vasive, it is hard not to suspect that at least constitution and reproduction.
some of what we hold to be true or right is The original, and most fruitful — but
actually ideological. Our beliefs are often self- deeply flawed — theory of ideology, as it is
deceptions and errors, particularly insidious understood today, is that of Karl Marx’s
when they guide and constitute social prac- (1818—1883) historical materialism. Its criti-
tices. cisms were grounded in a theory of society
With a little reflection, however, it becomes and history which made the hidden workings
clear that this form of social criticism presents of ›production‹ or material economic praxis
a number of distinct problems. First, there the basic constitutive activity of the history
are methodological problems for the critical and structure of societies. As confidence in
social sciences: as Charles Sanders Peirce its historical explanations waned, a critical
(1839—1914) (s. art. 32) pointed out, it is social theory had to clarify the workings and
always the doubter who bears the burden of structure of diverse constitutive social activi-
proof. Thus the critiq ue of ideology must be ties, a role which many theorists saw in lan-
not only accurate in its explanations and de- guage and communication rather than pro-
scriptions, but also justified and well- duction. Certainly, all ideas and beliefs,
grounded in its criticisms. This leads to the whether ideological or not, pass through the
second problem. If the critiq ue of ideology medium of language as the mode of expres-
can cast doubts on some claims to reflective sion and communication among people in a
knowledge, why is social science itself not society. What is more, in this century social
ideological? How can it avoid the same sort theory has increasingly insisted that human
of unconscious assumptions, causal influ- relationships are established and maintained
ences, and normative biases which might lead primarily in linguistic interaction. More than
to the paradoxical conclusion that the critiq ue any other discipline, social anthropology has
of ideology is itself ideological, that Enlight- pointed out that many domains of culture are
enment is itself mystifying? Third, the critiq ue integrated and reproduced not just through
of ideology calls into doubt not just our be- language but through other systems of sym-
liefs but also our reasons for acting. If indi- bolic meanings. In both ways, social theory,
viduals’ own descriptions and ascriptions of and with it the critiq ue of ideology, came to
take a new ›linguistic turn‹ of its own in a
690 III. Positionen

variety of approaches which emphasize the ity to formulate and understand true asser-
symbolic and linguistic dimensions of action tions? Even if the claim that these influences
and cognition (McLellan 1986, ch. 6; Thomp- enter into every level of linguistic structure,
son 1984, ch. 1). from grammar and syntax on up, is too
strong, it is surely at least the case that the
1.2.  At the same time, a shift in the philos- critiq ue of ideology can help us to see that in
ophy of language and in linguistics also laid its social uses, language is not merely a neu-
the groundwork for these new approaches: tral medium, that speech is not always trans-
the syntactic and semantic analysis of well- parent and inviolate in its structure and ef-
formed individual sentences was replaced by fects; and that like every other aspect of cul-
the conception of language as a medium of ture, both speech and language can only be
communication. Both John Langshaw Aus- fully understood by recognizing the extent to
tin’s (1911—1960) idea that we can do things which they may be permeated by effects of
with words in utterances and Ludwig Witt- power and practices of domination. The cri-
genstein’s (1889—1951) (s. art. 39) notion tiq ue of ideology also shows that our theo-
that to speak a language is to engage in a retical account of the ability to understand
form of life indicated the active and social and speak a language must take into consid-
nature of language as the main focus of what eration the social conditions and relationships
had been called the theory of meaning. This in which expressions have a meaning and are
new conception of language raised the central uttered for a purpose, which is not always
q uestions of the theory of ideology in a new apparent to speakers or hearers.
and fruitful way: the theory of ideology now Interpreted linguistically, the critiq ue of
inq uires into the ways in which language and ideology has special relevance in those do-
meanings are used in the social world to pro- mains of social life in which language is not
duce, encode and reproduce relations of merely a product of some other social prac-
power and domination. Because the answer tice, but rather must be attributed an active
to these q uestions now depends on concepts role. In them, language does not serve merely
of meaning and language, the competing par- as a means to describe or represent things or
adigms in the philosophy of language have objects, but in effect brings social objects and
elaborated a variety of new, sometimes con- circumstances into existence, as in the way
flicting linguistic theories of ideology. Thus, that our desires are shaped by their expression
the philosophy of language has become a and articulation and our relationships are
fruitful source of ideas for the critiq ue of generated by speech. In one sense, language
ideology. But their interchange has not been is socially significant as an institution, in that
one-sided. The considerations raised by the it is a social fact whose structure is shared by
critiq ue of ideology enrich our conception of all speakers and yet exists independently of
what it means to speak a language, by pro- any one of them. But it is also a ›meta-insti-
viding an account of aspects of language use tution‹, and speaking is a ›meta-practice‹, in
which “have been neglected and suppressed two different ways. First, most social prac-
in linguistics and the philosophy of language” tices and practical knowledge presuppose lin-
(Thompson 1984, 2). At the very least, these guistic or linguistically encoded competences.
disciplines themselves give a distorted and Given this fact, the capacity for linguistic
even ideological picture of language to the understanding and expression is a condition
extent that they ignore such phenomena. Such for participating in any social practice suffi-
gaps in self-reflection on so important a prac- cently complex to req uire interaction with
tice are especially problematic if linguistic others. Language is therefore the medium
concepts are then used to justify cognitive which helps structure action and interaction;
practices and moral beliefs, as is often the competence to communicate is the ability to
case in philosophy. From its side, the critiq ue generate contexts of social life. Second, it is
of ideology raises two perplexing, sceptical only in acts of speaking that practices of this
q uestions for the philosophy of language and sort are learned, performed, and changed. In
the theory of meaning: how pervasive are such practices the whole complex background
ideological influences like power, social struc- of social knowledge, of other institutions, and
ture, gender, particular institutions, and cul- of cognitive abilities enter into the employ-
tural beliefs, for linguistic practice? How ex- ment of language, so that linguistic compe-
tensive are their effects on our activities of tence comprises a kind of cognitive map of
speaking and understanding, such as our abil- the implicit, unarticulated knowledge neces-
49.  Critique of ideologies 691

sary for getting along in society. Ordinary, anisms and activities. Both these steps in re-
everyday speech is always presupposed as an interpreting the critiq ue of ideology have al-
ultimate practice; it is the touchstone of all ready been done, to some extent, in the recent
socially acq uired abilities. The competence linguistic definitions of ideology which fall
needed for a speaker to engage in different into two general groups: those dealing with
types of speech and to understand utterances communication on the one hand and those
in a variety of contexts may rightly be called dealing with meaning on the other. Jürgen
the basis of social cognition. If society, too, Habermas (*1929) calls ideological any act of
is seen as the network of such acts of com- communication whose structure is distorted
munication, then formal patterns and func- by power; hence, ideology is a species of so-
tions of communication are the fundamental cially caused “distorted communication”, or
components of social structure as a whole. any process of communication under circum-
Thus, in light of the crucial cognitive and stances which violate conditions of possibility
constitutive role of speech and language, the of success (Habermas 1970, 212). For John
theory of ideology examines the ways in Thompson (*1949) the study of ideology is
which this institution and activity may influ- concerned with “the ways in which meaning
ence the course and structure of society as (or signification) seems to sustain relations of
speakers come to participate in a range of domination” (Thompson 1984, 4). These two
cultural practices and share a common, some- definitions show the general range of possible
times pre-reflective understanding of them. approaches to a critiq ue of ideology informed
The critiq ue of ideology is the critiq ue of the by the philosophy of language: whereas Ha-
social uses of language in speech, of its often bermas’s definition refers to communication
inaccessible but effective structures and pre- and sees ideology as essentially a matter of
suppositions, which enter into everyday acts pragmatics, Thompson’s definition refers to
of expression, cognition and communication. meaning and signification and thus takes se-
mantics to be fundamental. With the proper
1.3.  Traditional theories of ideology from demarcation of semantics and pragmatics, the
Marx’s historical materialism to Karl Mann- two approaches could be unified in a com-
heim’s (1893—1947) sociology of knowledge prehensive linguistic theory of ideology. Yet,
have focused almost exclusively on ideology just as in the philosophy of language itself,
understood as false beliefs about action and few theorists have attempted such an inte-
cognitive orientations. When ideology on this grated approach. Most contemporary linguis-
exclusively cognitivist view is interpreted pe- tic theories of ideology argue explicitly or
joratively, it consists of false beliefs or illu- implicitly for the primacy of either semantic
sions that serve some social purpose or func- or pragmatic aspects or mechanisms of ide-
tion in the reproduction of society. The cri- ological distortions of meaning or speech,
tiq ue of ideology formulated in terms of the usually due not only to older conceptions of
philosophy of language must employ a defi- meaning, but also to adherence to or rejection
nition different from the old Marxist-cogni- of the cognitivist orientation of previous def-
tivist ones of ›false consciousness‹ or ›socially initions of ideology. But both semantic and
necessary illusion‹. If it is to be critical, it pragmatic phenomena have characterized ide-
must reject the neutral, descriptive sense of ological contexts of language use historically,
ideology in cultural anthropology or in the so that both ought to be accounted for by
sociology of knowledge, as any social system the theory. Indeed, language itself has at least
of knowledge or “ordered system of cultural two social dimensions: (1) as an institutional
symbols” which produce meaning for mem- structure or a social fact (semantics) and (2)
bers of that culture (Geertz 1973, 196). A new as constitutive social activity (pragmatics).
linguistic, yet critical, theory of ideology must Neither aspect could be ignored in any critical
do two things at once: it must first retain attempt to understand all the social uses of
something of the original Marxian emphasis language, as well as the full range of internal,
on the lack of cognitive justification in ide- constitutive relationships between language
ologies, while at the same time avoiding the and the social world.
explanatory pitfalls of economic and socio- The highly touted ›linguistic turn‹ taking
logical determinism. Second, it must replace place today in many areas of philosophical
them with new forms of explanation and new and social inq uiry has certainly given the con-
ways of uncovering interests and illusions as nection of ideology and language a new cur-
they occur through primarily linguistic mech- rency. However, it is not really new or inno-
692 III. Positionen

vative. The nominalism of the early modern “designativism,” for its central proposition
reformers of discourse, from Francis Bacon’s about the determinacy of sense which contem-
(1561—1626) ›great insaturation‹ to David porary semantics has not yet fully overcome:
Hume’s (1711—1776) recommendation that “the meaning of a word is what it designates”
we burn most of our libraries, reveals that the (Taylor 1985, 250). These designativist as-
connection is as old as modern social criticism sumptions about meaning found their way
itself. One of the basic thrusts of the early into most cognitivist and ›semantic‹ theories
modern Enlightenment was a new conception of ideology, theories which understood ide-
of language, defined precisely in order to limit ology as a set of false beliefs traceable to
the possibilities of the construction of world some faulty process of signification. Among
views in terms of metaphoric, semiological, such theories must be included Marx’s basi-
and Scriptural connections, particularly the cally designativist semantics of ideological
view of nature as a ›book‹ or text structured representations; a term in social discourse is
by a single intelligible pattern of meaning. As ideological for Marx if it falsely refers to
Michel Foucault (1926—1984) and others ›imaginary‹ rather than to ›real‹ objects.
have pointed out, the new conception of
meaning as representation replaced the old
idea of textual meaning. As part of the proc- 2. The semantics of ideology
ess of modern disenchantment, symbols were
separated from things: since the meaning of 2.1.  While Marx is not often regarded as a
a sign is what it denoted, language was no- philosopher of language, his critiq ue of ide-
menclature, and words the names for things. ology nonetheless compelled him to formulate
This conception of meaning was particularly a general theory of symbolic and linguistic
significant for the new organization of sci- representations which could make apparent
entific knowledge. In his Novum Organum, their social uses and misuses. For better or
Bacon argued that language was one of the worse, he derived his views on language for
major, abiding sources of human errors, or his theory of ideology from the Enlighten-
›idols‹, which deeply mislead all previous hu- ment’s early attempts at a sociology of knowl-
man understanding and knowledge. Among edge and from contemporary social scientists
the idols were “the idols of the market place”, like the economists and anthropologists
formed through human association and in- whom he read with such avid interest. Lan-
teraction mediated by words and language: guages, he thought, could develop historically
“for it is by discourse that men associate” like other social institutions. As a good He-
(Bacon 1960, 49). In good nominalist fashion, gelian, he opposed the linear evolutionary
Bacon focused his criticism of language on theories of his time in his belief that the least
the deceptive power of words that do not developed languages were the most universal,
denote anything, of those words which, as the not the most simple (cf. MEW XLII, 56) (s.
source of error and prejudices, do ›violence‹ art. 48). However, his most famous and am-
to the ›mirror‹ of nature, viz., healthy human biguous remark on language is, appropriately
understanding. The only way to overcome the enough, from Die Deutsche Ideologie, which
webs spun by linguistic illusion was through req uired his most developed theoretical treat-
the determinate denotation of words in the ment of ideology: ›language is practical con-
new science, whose method of induction en- sciousness‹ (MEW III, 90). Language is ›prac-
abled modern knowledge to arrive at the true tical‹ in the sense that it is expressive human
propositions which accurately represent the activity which realizes human intentions in
objects and things of the world. Thus, part physical objects, in sounds and marks. But
of Bacon’s theory of the ›idols‹ was a radical for Marx language is also ›practical‹ in that
critiq ue of representation using a denotative it is a basic feature and type of social action.
theory of meaning; this central idea of En- Along with labor and exchange, it is the par-
lightenment criticism and science became an adigm case of a social activity. Analogies be-
assumption not only of theories of ideology tween these activities were based on the fact
from Paul Henri Thiry d’Holbach (1723— that Marx, like Wittgenstein in the private
1789) onward but also, unfortunately, of the- language argument, thinks that language and
ories of meaning until Ferdinand de Saussure all social activities, including production, are
(1857—1913) (s. art. 36) and Gottlob Frege only derivatively private. Moreover, their real
(1848—1925) (s. art. 34). Charles Taylor significance is that they are ›practical‹ in the
(*1931) has called this set of assumptions sense not only that they all relate human
consciousness to the physical objects in the
49.  Critique of ideologies 693

world, but that they establish the basis for consciousness and representation. From the
human society and social relationships. Fi- moment of separation onward, Marx sees a
nally, Marx views language as ›practical‹ also superstructure, a cloud of ›phantoms‹ or ›re-
because it is a tool or an instrument to be flexes‹, emerging as utterly distinct and un-
used in other purposeful social activities. related to the basic social institutions that
Thus, although Marx q uite ›pragmatically‹ comprise the reality of material life. As Marx
views language as essentially social and re- describes them, such phantoms are ghostly
lated to material practice and externalizing marks without history or reference. Their dis-
activities, he still thinks of meaning ›seman- tance from reality can be explained both in
tically‹ in terms of a system of signs deter- terms of consciousness and in terms of sig-
mined by the way in which words refer to or nification: ›consciousness‹ can flatter itself
denote objects in the world. Even though his that it is something other than ›consciousness
remarks on language remain unsystematic, his of existing practice‹ and that its signs and
attempts to formulate a theory of ideology symbols ›represent something without repre-
cannot avoid making commitments to an un- senting anything real‹ (MEW III, 31). False
derlying philosophy of language and even to reference is a basic semantic mechanism of
a theory of meaning. As Marx understood it, illusion in ideological signification, insidious
the critiq ue of ideology deals with the social because those affected by it cannot tell that
uses of signs, primarily words, where ideology their words do not refer, that their ideas are
is a special, pathological case of failed deno- separated from action, their consciousness
tation. He consistently analyzed ideologies in from practice. But in his theory of meaning,
terms of their representational content, so Marx uses ›designativist‹ assumptions as a
that his criticism developed the semantics of way of spotting non-referential signification;
individual ideological terms like ‘god’, on the designativist account, ideology is the
‘rights’, or ‘utility’. It is the use of these terms use of a signification to establish a set of
that implies that they have a real reference to meanings useful for social reproduction of the
the existing social world and leads to false conflictual organization of society, yet which
understandings and justifications of conflic- leaves undetected their lack of relatedness to
tual social relationships. the world, their failure to refer across the
distance between sign and reality. This gap in
2.2.  This systematic and linguistic theory of denotation creates the possibility of expres-
ideology must be inferred from Marx’s his- sions and representations that have a certain
torically developed causal explanations, ›meaning‹ and acq uire a social use without
which employ a basic distinction between the denoting anything real or determinate in the
historically dynamic base (Basis) of economic social world. Ideological terms establish a
institutions and structures and the passive nonreferential discourse about society and be-
reflection of it in the superstructure (Über- come Marx’s idols in the marketplace of the
bau), a free floating ›cloud‹ of ideas and signs. commerce of ideas.
As a rough first approximation, it can be said In the semantic mechanisms of ideological
that for Marx ideology is primarily defined denotation, Marx sees two different processes
as ›thought distorted by the division of labor‹ of signification at work. First, ideology can
in its representation of the world. For Marx, be considered from the actor’s point of view
the division of labor had a variety of harmful and spelled out in terms of participants’ own
effects, including the differential distribution acts of denotation and interpretation, in what
of labor and of its products, as well as the may be called a ›de dicto‹ account. By ob-
stifling of human activity and the develop- serving everyday practices, the critic can un-
ment of natural species powers. But the most cover the illusory or false reference to some
fundamental effect, and the mark of what he imaginary object. At the same time, behind
calls the ›real‹ division of labor, is the intro- the backs of the interpreters, there is a second,
duction of a separation between mental and ›de re‹ referent of the term in the actual social
material labor, which in turn separates men- world, as is often the case in intentional dis-
tal, or representational, practices from ma- course. Ideology does actually signify some-
terial, or productive, practices. What results thing, but not as a semantic representation of
is a ›distorting distance‹ between the two — it, but rather like an index or symptom. This
between thought and social reality, between referent becomes accessible through the
signs and social reality — which makes pos- causal, objective descriptions of historical ma-
sible ideological illusions and distortions of terialism, which is the rigorous science of true
694 III. Positionen

propositions about social reality. Ideologies semantics of ‘utility’. Thus, exploitative rela-
use the semantic mechanisms of representa- tionships can be falsely construed as relations
tion in order to create their own referents and of mutual benefit, occluding their actual re-
people their own world of imaginary objects ality. The critic must then retranslate these
which they appear to denote rather than cre- ideological expressions back into the language
ate, a ›phantom‹ whose reality is accepted by of everyday life, revealing that ‘utility’ has
anyone who asserts the truth of sentences q uite a different meaning, namely, ‘that I de-
containing ideological terms. The job of the rive benefit for myself by doing harm to oth-
social critic is to lay bare the opposition be- ers’ (Marx MEW III, 394). In Zur Judenfrage
tween real and illusory denotation at the heart Marx gives a similar translation for the so-
of all ideological representation. For despite called ›Rights of Man‹, deciphering them as
being illusory in its putative reference, ideol- rights of ›property‹ rather than taking ›man‹
ogy cannot help but refer to social practice. as their literal real referent. Similarly, in Das
Marx calls ideology ‘the ideal expression Kapital Marx attempts to analyze the seman-
(Ausdruck) of material relationships’. Even tic substitutions in the discourse of classical
after the failure to refer is pointed out, the political economy, especially in the ahistorical
critic still must decipher ideology as a sign or use of the term ‘labor’ in Adam Smith (1723—
an index for the conflictual social relation- 1790) and David Ricardo (1772—1823). By
ships which may be uncovered in objective, contrast to the term ‘labor’, ‘labor power’ in
theoretical descriptions. Ideologies are indi- the materialist analysis of production in cap-
ces, or ›hieroglyphs‹ in Marx’s phrase for italism does rigorously refer to the social
commodities, filled with undecoded cryptic process of the creation of value under con-
meanings of the social relationships which temporary conditions. Here ideology is a kind
caused them, much in the way a sympton is of verbal masq uerade in science, using a se-
the sign of an underlying physiological dis- mantic mask of false reference to individual
order. The critic can set denotation aright, activity in order to hide social relations of
through something like a semantic process of class antagonism.
translation: the social theorist criticizes ide- While these examples show that Marx’s
ology by translating the false representations operative conception of representation is in-
of social actors into the rigorously denotative deed designativist, it would still be false to
language of the science of historical materi- say that Marx’s theory is entirely cast in terms
alism. Such translation fixes reference, so that of a semantics of denotation and reference.
illusions are no longer possible. The semantics of ideology works to create
false beliefs which are difficult to correct,
2.3.  A few examples may clarify how the since assertions containing ideological terms
designativist theory of ideology works in crit- cannot be true and yet may seem to be self-
ical practice. In Die Deutsche Ideologie Marx justifying by virtue of the mechanism of false
continues the Enlightenment project of se- reference. Such terms create their own world,
miotic disenchantment by criticizing meta- so that they have no independent truth con-
physics and religion for their creation of fan- ditions or reflective tests. But in his expla-
tastic referents and a world of imaginary ob- nations of the causal origin of ideology, Marx
jects. However, the main objects of his criti- also deals with the various uses of these false
cism are really philosophers, political econo- beliefs, usually by giving them a second level
mists and social scientists. This list says some- functional explanation concerning the actual
thing about which false beliefs and which use of the expressions as a whole in hiding
significations may become ideological, indeed social relations of conflict or in justifying
about how ideology is still possible in a de- relations of domination and ineq uality. Thus,
sacralized social world. Physiocratic and util- the representational and semantic description
itarian theories of society, which are partic- of ideology only yields necessary but not suf-
ular objects of Marx’s sarcasm, depend for ficient linguistic conditions for ideology: nei-
their credibility on the distorted signification ther failure of reference nor causal origin in
of the ideological term ‘utility’. In such the- the division of labor is enough. To be ideo-
ories, all activity is represented again and logical, a term must also have a certain func-
again as a matter of utility. From this fact, tion in effectively reproducing relations of
Marx then tries to show that numerous se- domination and in successfully integrating a
mantic displacements result, so that all social society fragmented by conflict due to the class
relationships are falsely paraphrased in the structure inherent in the ›real‹ division of la-
49.  Critique of ideologies 695

bor. What is important with regard to these fine ideology in the first instance on the prag-
functional explanations is that Marx casts matic level of functions and only then return
them as well in linguistic terms, by reference to the cognitive-semantic level of the con-
to the linguistic process of understanding ide- struction of false beliefs. There are certainly
ological terms, the social conditions for inter- critiq ues of ideology in Marx’s corpus, such
preting and understanding them. The condi- as Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte in
tions of accepting ideologies as true or correct which Marx did not give primacy to semantic
are entirely different from those involved in analysis. These are also the writings in which
understanding a discourse whose sentences he turned away from ideology to consider
have terms which refer. Not only are ideolog- positive symbolic phenomena of social soli-
ical beliefs false by an independent standard darity and consensus, like the formation of
(materialist social science), but their false- class consciousness. Marx’s analyses of the
hood gives them a social function in justifying use of language and symbols for creating and
relations of power and domination; such maintaining collective action and identities
meanings are characteristically understood in could be taken as a paradigm for a pragmatics
a non-voluntary and non-reflective way. of ideology.
Given that the division of labor constitutes
an underlying conflictual foundation for so- 2.4.  While the extension of Marx’s analysis
ciety, ideology must create some entirely un- using pragmatics seems a fruitful direction
real linguistic basis for a shared social life for the development of the critiq ue of ideol-
with enough unity and consensus for cultural ogy, some theorists have also attempted to
integration, or, to use Marx’s term, a ›general refine his semantics, particularly by using
interest‹. It is in describing ideology’s function Saussure’s structuralist concepts. Saussure is
of creating this interest based on the meanings the major source of inspiration for new lin-
of certain terms that Marx touches upon what guistic theories of ideology in France, includ-
might be called ›pragmatic‹ considerations. ing those of Louis Althusser (1918—1990),
But unlike his conception of ideological de- Roland Barthes (1915—1980), and Jean
notation, Marx does not connect his prag- Baudrillard (*1929). Along with Frege’s dis-
matics of ideology to any systematic reflection tinction of sense and reference, Saussure’s
on linguistic structure or the proper meaning notion of the arbitrary nature of the sign
of units at this level, utterances. Such reflec- undermined designativist assumptions about
tion would have to wait until the development meaning and language. After beginning his
of pragmatics in this century under the influ- Cours de linguistique générale with his famous
ence of Austin and Wittgenstein. At most criticism of naming as the sole linguistic pro-
Marx develops ad hoc, non-systematic func- cess, Saussure goes on to develop a theory of
tional explanations of the uses of ideological language as an autonomous structural entity
expressions in relations of power and class based on the formal concept of ›linguistic
domination. These analyses hardly make ref- value‹. On the one hand, Baudrillard and
erence to a systematic theory of ideology, and Barthes attempt to apply this formal theory
Marx’s theory suffers from a lack of any of linguistic signs to ideology and develop a
counterfactual description of the possibilities new conception of ideological signification.
of different uses of ideological expressions in On the other hand, Althusser uses structur-
speech, of distortion on the pragmatic rather alist concepts purely methodologically as a
than semantic level. Indeed, Marx’s overem- basis for new deterministic mechanisms in the
phasis on the semantics of ideology has had symbolic dimension, through concepts like
a detrimental effect on the development of ‘structural causality’; but language does not
the critical theory of ideology, particularly figure prominently in his account of ideology
given the inability of such theories to deal as the process of ›subjectification‹, as a proc-
with their versions of the semantic paradoxes. ess of creating social subjects to inhabit dif-
As developed in orthodox Marxism, the cri- ferent positions in the social structure. As
tiq ue of ideology has relied on an untenable opposed to Althusser, Barthes and Baudril-
Eleatic distinction between the truth of rig- lard renew the attempt to make the structure
orous science and the falsity of everyday con- of signification the core of the theory of ide-
sciousness. Such methodological problems ology. The q uestion is, however, whether or
show the limits of a purely semantic disen- not structuralist categories can capture the
chantment; they can be resolved only if we semantic properties of ideology, and if these
reverse the order of Marx’s analysis and de-
696 III. Positionen

new concepts do not merely repeat Marx’s cultural systems are only realized socially in
same old mistakes. acts of interpretation and speech, however
In his important early works, Système de distorted they may be. Such social mecha-
la mode and Mythologies, Barthes tries to nisms are not merely like a collective uncon-
formulate a theory of ideology in structural- scious, but are instead really pragmatic, con-
semiological terms, through a depth analysis cerning the way agents interpret, understand
of various cultural systems whose underlying and employ their own cultural resources of
internal relationships of meaning are not al- meaning. Ultimately for both Barthes and
ways available to speakers and actors. His Baudrillard, the critiq ue of ideology is gen-
analyses claim to be formal and ›internal‹, as eralized into a critiq ue of representation as
opposed to ›external‹, ›merely sociological‹ such. Such broad criticism of representation
concepts like ‘role’, ‘status’, ‘function’ or as a whole cannot do the basic job of a
‘class’. Similarly, Baudrillard excludes any semantics of ideology: it cannot be the basis
reference to content and actors’ beliefs in his for the critical, normative distinction between
analysis of ideology, and instead focuses ex- true and false representations; without this
clusively on the process and structure of sig- distinction, the critiq ue of ideology is impos-
nification itself. For both, ideology is to be sible. Indeed, in his later writings Barthes says
found on a latent, structural-semiotic level of that what is needed is not criticism, but an
internal relations that are operative in the end to the process of signification itself
culture as a set of symbolic connections (of (Barthes 1957, 128; 1972, 215).
signification or connotation) not immediately Many of these same sort of phenomena of
available without formal analysis, in the same extra-linguistic cultural meaning systems can
way that the reference of ideological terms be dealt with in a critiq ue of ideologies di-
was not available without a causal analysis rected to all forms of communication in a
for Marx. For Barthes, ideology is never to society. Economic exchange and consumption
be found on the level of the explicit utterance; may have its own ›language‹ in that they
this is merely “rhetoric” (Barthes 1967, 152; establish networks of social relationships and
1983, 167). Rather, ideology has to do with communication, and also erect barriers to so-
the uncontrollable effects of connotation over cial relationships and communication. While
denotation, which is the surplus of semantic Barthes fails to make any of these sorts of
meanings in a cultural performance. In the criticisms, Mary Douglas and Baron Isher-
›fashion system‹, ideology enters into the ad- wood show in The World of Goods that con-
vertisements Barthes analyzes through the sumption can be fruitfully analyzed in terms
connotations of wealth and leisure in written of social systems of communication and in-
descriptions like ‘perfect for those weekends formation; the lower classes who lack social
in the country’. Thus, ideology critiq ue can goods are also excluded from communication
limit the effects of connotation by making it about them and from public life in general,
explicit through constant explication of cul- since they lack control over a medium and
tural meaning systems. For Baudrillard, ide- source of social information, power and in-
ology also has to do with the field of meaning, telligibility (Douglas/Isherwood 1978, 56—
but not in terms of the surplus of meaning; 70).
rather, ideology is the reduction of multiple
possibilities of signification to one semantic 2.5.  What emerges from the examination of
›code‹ just as capitalism reduces all meanings various ›semantic‹ theories of ideology is that
in a consumer society to the economic code they remain incomplete, since they do not
or system of significance (Baudrillard 1972; refer to acts of interpretation and contexts of
1974, ch. 8). It is odd that in these very similar speech in which expressions are used. What
theories ideology occurs by the opposite se- is the place, then, of a semantics of ideology
miological process; it does not seem to be the in a theory that is based on a less nominalist,
case that ideologies can be reduced to one or and less structuralist, theory of meaning? The
another semiological process, to either con- best approach is to fulfill the intention rather
notation or reduction. Nor have either than the letter of Marx’s theory. It seems clear
Barthes or Baudrillard uncovered anything that what Marx wanted from the denotative
like the rigorous formal structure a Saussur- theory of meaning was an analysis of the
ian theory demands. Both theorists also seem semantic structure of true and false beliefs,
to ignore the fact that, even if the symbolic so that he could distinguish them critically.
dimension is given explanatory autonomy, On his view, a necessary condition for a true
49.  Critique of ideologies 697

belief is that the sentence which expresses it critical analysis would be better served by a
contain only referring terms. This character- broader epistemic rather than designativist
ization certainly would not yield an exhaus- conception of the connection of truth and
tive list of all true sentences, since a sentence meaning. Sentences implying reflective
might still be true even if some of its terms knowledge do not so much refer to an inde-
do not refer (for example, intensional contexts pendent reality as to the discursive procedures
and indirect speech such as ‘Jones thinks that by which they are justified. In these contexts,
x’, which may be true while ‘x’ is false). None- an objective conception of truth conditions
theless, the real q uestion is whether or not or reference is inappropriate, since, unlike the
the determination of truth or falsity alone is natural sciences, here there is an internal con-
sufficient for the primary description of a nection between language and beliefs on the
belief as ideological. Some false beliefs surely one hand and social reality on the other. Such
are not ideological such as those about the a conception of truth needs to be replaced by
atmosphere of Jupiter; and even some true the notion of justification; Marx already saw
beliefs may have an ideological function, as that determining social meaning is not a mat-
in the racist uses of the fact that blacks score ter of finding what in the world makes the
lower on I. Q. tests. Only for a specific, clearly sentence true, but rather what makes a mem-
delineated set of beliefs does falsity seem to ber of some society or a participant in some
be a necessary condition of ideology. For practice able to know, or think that he knows,
Marx, these were beliefs about society, or that the sentence is true. As Wittgenstein put
beliefs that have social processes themselves it in Philosophische Grammatik: “It is what is
as their object, which are then used either as regarded as the justification of the assertion
explanations or justifications of existing social that constitutes its sense/Was man als Be-
relationships. Indeed, Marx’s own list for gründung einer Behauptung auffaßt, das kon-
what counts as ideological bears out the fact stituiert den Sinn der Behauptung” (Wittgen-
that he seems to have held this more limited stein 1969 Teil I, § 40). Whether this is in fact
view: Marx lists only self-reflective forms of the case for all assertions is not at stake here;
directly social knowledge, those that are con- but it is illuminating for claims to social
tained in reflective or justificatory uses of knowledge of the sort Marx analyzed in ide-
language. At one point in Die Deutsche Ideo- ological social science. The definition of ide-
logie he includes ›politics, morality, religion, ology is then cast in pragmatic rather than
and metaphysics‹, a list which emphasizes the semantic terms, because it is concerned with
distance, independence and ›purity‹ of ideol- the role that true or false beliefs play in prac-
ogy. A second list is more informative: ›pure tices of power and domination. Unlike any
theory, theology, ethics, and philosophy‹ other semantic domain, the beliefs which are
(MEW III, 31). In Marx’s mature writings, criticized are constitutive of social practices
the critiq ue of ideology was directed not so themselves, of the way we engage in speaking
much against religion and tradition as against and acting in society. Semantic analysis thus
political economy and nascent social science has a place in the critiq ue of ideology, as the
and theory. Thus, Marx’s critical practice in- critiq ue of ideological assertions made about
dicates that the semantic critiq ue of ideology society itself. But the analysis of such contexts
ought to be restricted to false beliefs in re- of communication and language use cannot
flective forms of social knowledge, in knowl- be derived from semantic structure by itself,
edge about knowledge and the status of epi- no matter how rich the concept is made. The
stemic and justificatory claims, or to knowl- critiq ue of ideology can go beyond the limits
edge about society, particularly with regard of valid semantic analysis and become a cri-
to confusions between the conflictual rather tiq ue of all acts of communication related to
than consensual organization of certain prac- power and domination only if it takes as its
tices. This makes beliefs about ›the invisible model a pragmatics of speech.
hand‹ in economics or ›the general interest‹
in politics particularly subject to such critiq ue,
since the conditions under which sentences 3. The pragmatics of ideology
containing such expressions might be true can
be shown actually not to obtain. But such a 3.1.  Apart from such an analysis of the truth
restriction of semantic analysis raises q ues- conditions of self-reflective beliefs about so-
tions about Marx’s own designativist as- ciety, the semantic analysis and critiq ue of
sumptions. For reflective forms of knowledge, ideology (in terms of concepts like reference
or signification) is too narrow and demands
698 III. Positionen

extension into pragmatics (using concepts ics‹ and a social theory of communication can
concerned with the uses and functions of lan- fill the lacuna left by Marx and become the
guage). Semantics can provide an account of basis for a critical, yet systematic, theory of
understanding sentences through knowledge ideological speech and communication (Boh-
of their truth conditions; but when even un- man 1986, 333—344). Such a theory of ide-
derstood truth conditionally, such a theory of ology could develop a systematic account of
meaning could not, in Michael Dummett’s the pragmatic mechanisms by which relations
(*1925) phrase, “explain the entire practice of of domination and power are constituted and
our language” (Dummett 1976 a, 133). Se- maintained through ›distortions‹ of the basic
mantics can only explain certain aspects of structure of speech acts and reciprocal com-
the institutional structure which gives it the municative interaction. At the outset, two
status of a social fact. But other than giving doubts could be raised against this project. A
an account of aspects of representation and ›formal‹ theory seems hardly critical or nec-
the information conveyed in sentences, se- essary, nor does it seem that a reconstruction
mantics cannot go very far in explaining lan- of the competence and anonymous system of
guage as an activity performed in speech, rules governing speech has anything at all to
writing and other acts of communication. do with social criticism. Yet, as Marx’s first
Hence a theory of ideology restricted to se- attempts at the critiq ue of ideology show, a
mantic mechanisms related to true and false general theory of meaning is req uired to re-
beliefs would only go so far in explaining veal the various possible uses and mechanisms
ideological practices in language, which ex- of meaning in social settings. A formal theory
tend across every possible linguistic dimen- can do this by providing a model of processes
sion, use, and type of structure. Moreover, of reaching understanding and of the mani-
the usual task of the critiq ue of ideology is fest, conventional structure necessary for
not that of a theory of truth, i. e., to show speech, which can then become the basis of
that actors do in fact have false beliefs about distortions, misuses and concealments. In any
their society. Rather, it must show how these case, a theory of ideology can be constructed
beliefs are used in constituting social relation- by showing how it employs a shared compe-
ships of power, domination and conflict. This tence and a full range of acts of communi-
task req uires a pragmatic analysis of ideolog- cation across the entire practice of a language,
ical speech acts, which understands ideology somewhat as ordinary language analysis
through the processes and structure of com- could examine how lying works. Above all,
municative action. such a formal theory could bolster and specify
An adeq uate pragmatic theory must be Marx’s vague functionalist explanations of
able to account for two aspects of language ideology by specifying how ideology affects
relevant to the critiq ue of ideology. First, processes and structures of communication
since speech is a rule-governed activity, it has responsible for social integration and repro-
a shared structure and competence, and this duction.
same structure and competence can be used
to express and manifest meanings as much as 3.2.  As an institution, language is governed
it can be used to conceal and distort them. by a set of often implicit rules and levels of
Second, as an activity, speech has certain structure, which, though themselves the prod-
functions or irreducible uses related to the uct of historical development and subject to
employment of various distinct types of ut- change, put conventional constraints upon
terances. For every use of language there is a the way speakers can use the language to
corresponding ideological function of lan- communicate. One level of structure particu-
guage which employs the same type of speech larly important to the communication of
act. Uses of language in ordinary speech, such meaning is that of the internal organization
as making promises and apologies, have been of utterances; competent speakers possess im-
dealt with by Austin in his description of plicit, intuitive knowledge of this pragmatic
speech acts. But it was Habermas who devel- ›deep structure‹ of utterances; ›pragmatic
oped pragmatics into a theory of communi- competence‹ consists of the ability to produce
cative action, and showed how ideology well-formed utterances according to condi-
forms a distinct type of communication. After tions of successful communication. The pri-
a long silence and recent doubts about the mary task of a formal pragmatics, in Haber-
continued significance of the theory of ide- mas’s view, is to represent this intuitive speak-
ology, his development of a ›formal pragmat- ers’ knowledge in an explicit, universal struc-
49.  Critique of ideologies 699

ture for ›the internal organization of speech‹; verb) that p (propositional content) to H
this deep structure can be represented in the (hearer) (Habermas 1985, 354). The propo-
›standard‹ or ›normal‹ form of the speech act, sitional component of a speech act contains
i. e., a form in which the meaning of any the specific semantic information and may be
speech act can be captured even if it does not explicated by putting the utterance in a mean-
itself manifestly exhibit this structure. The ing-preserving assertoric sentence. The per-
analytic purpose of this form is to reveal rules formative verb represents the illocutionary
for connecting the component parts of the component, specifying semantically what type
utterance, so that it may effectively engage of speech act it is as well as containing in its
the hearer to accept its intelligible claim to grammatical form a systematic structure of
validity; formal semantics would do the same communication roles and perspectives, link-
thing for the form of the sentence, which, as ing the verb to the entire system of pronouns.
Frege thought, shows how the component The intentional component has to do with
words together make up its truth conditions. the speaker’s meaning in the utterance, which
As a speech act, an ideological utterance will in the case of an illocution coincides with
have the same form. However, what is dis- linguistic meaning, and in the case of a per-
tinctive about ideology as a type of commu- locution it must be redescribed through the
nication is the way in which it violates this meaning of some other first person sentence.
structure even as it uses its internal connec- All three components are logically independ-
tions to communicate something without ent, constitutive features of social acts of
communicating anything mutually recognized reaching understanding in language.
as valid. This distortion of structure will occur
in different ways, depending on the type of 3.3.  Given this internal structure of speech,
speech act involved and the social function it these components can be connected up in
fulfills. On the pragmatic level, ideological various ways in order to fulfill different func-
speech does not so much violate truth or any tions or uses of language in different types of
other validity claim as much as it violates the speech acts. Each type of speech act repre-
internal conditions of successful communi- sents one possibility contained in this prag-
cation of a claim. Violations of the claim itself matic structure for connecting the component
may be due to lying (in the case of truth) or parts of a meaningful utterance. There are
pretending (as in the case of truthfulness) three such general types (Habermas 1982 I,
rather than to ideology. In this way, the pur- 439). Assertions have a particular semantic
pose of formal pragmatics in a theory of role, since it is by use of such expressions that
ideology is to supply a set of necessary and truth-conditional semantics has demonstrated
sufficient pragmatic conditions, as well as an ›the internal connection of meaning and valid-
exhaustive, formal typology of different types ity‹ for this type of speech act. By virtue of
of ideological speech. The critic can then also their manifest relation between meaning and
discover the potential locations of ideology validity, assertions play a uniq ue role in ar-
in linguistic practice, which may vary accord- gumentative discourse in general and in the
ing to the prominent institutional develop- cognitive use of language to formulate true
ment of structures and competences of com- sentences to represent states of affairs in the
munication in a society. world. But this is not the only internal con-
For Habermas, following John Searle nection of meaning made by utterances, nor
(*1932), a speech act has three structural com- the only type of validity claim; the full range
ponents, the unity of which is a necessary of types of utterances make use of different
condition for propositionally differentiated, types of ›illocutionary force‹, of different con-
grammatical speech (Habermas 1982 II, 97). ditions under which the hearer will accept the
As evidenced by complex, differentiated offer contained in the speech act. Some ut-
speech, speech acts may be reconstructed as terances, like commands or promises, are nei-
having an intentional component, an illocu- ther true nor false. But such ›regulative utter-
tionary component, and a propositional com- ances‹ accomplish something in their per-
ponent, although one or another may remain formance; they do something in saying some-
implicit and presupposed. This reconstruction thing, by establishing a relationship between
gives speech acts the following structure, re- speaker and hearer that is binding for sub-
flecting their basic communicative function: seq uent interaction. They employ the struc-
that someone says something to someone. Or ture of speech acts to connect meaning and
more formally: S (speaker) says (illocutionary action, usually through fulfilling conditions
700 III. Positionen

of correctness or normative rightness. Finally, it; they may also lead to the pragmatic failure
expressive utterances, like expressions of de- to correct problems of interaction, in the case
sires, manifest an internal relation of meaning of practices in which the self-understanding
and intention by fulfilling conditions of sin- of speakers is constitutive for such processes.
cerity. In each case, ideology only appears to On the whole, an exclusively semantic defi-
make these connections, and in so doing em- nition of ideology overemphasizes the cogni-
ploys linguistic meaning and competence to tive function, as has most philosophy of lan-
maintain relations of domination; to put it guage in this century.
somewhat metaphorically, it ›disconnects‹ On the basis of these formal pragmatic
these structural components by misusing the categories of speech as institution (internal
social binding force of meaning and validity. structure) and activity (linguistic function), it
The different types of ›disconnections‹ com- is possible to develop descriptions of distor-
prise the structural description of ideological tions and misuses across the whole range of
uses of meaning conventions. A promise, say everyday acts of communication. As a first
of eq uality, is not ideological when it is simply approximation, we can follow Marx and put
violated, as much as when it is left standing the general definition of ideology in causal
and yet does not bind those with power in terms through its effects on the social condi-
their subseq uent interaction. In the opposite tions of speaking and understanding: ideol-
direction, an expression of desire becomes ogy is communication distorted by domina-
ideological when it cannot effectively bring tion; its communicative activity is to consti-
into public discourse the needs and desires of tute patterns and styles of interaction whose
the poor, the oppressed, and the colonized. conditions violate the internal structure of
The theory of ideology identifies such prag- speech in the various functions of language.
matic mechanisms for distorting the structure Thus, from the point of view of a social theory
of meaningful speech in the service of power. of communicative action, domination and
As is evident in these different types of power influence how meaning is used to con-
speech acts, formal pragmatics uncovers three stitute and reproduce social relations. As Ha-
basic functions of language according to the bermas puts it, the key to understanding the
way meaning is employed. As Gilbert Ryle emergence of pathological communication is
(1900—1976) pointed out, the uses to which the ›overburdening‹ of ›the external organi-
words may be put are potentially infinite. zation of speech‹ which then affects its ›inter-
Nonetheless the structure of the speech act nal organization‹ (Habermas 1985, 244). That
makes it such that utterance meaning offers is, power and domination affect the inner
three basic types of linguistic performance: structure of the meaning components of ut-
utterances express desires and intentions, es- terances, in different ways in different types
tablish and generate interaction, and repre- of speech acts. The description of ideology
sent the world cognitively in assertions or varies from function to function; its prag-
metalinguistically in claims about the validity matics is not reducible to one sort of effect
of other acts of speech. Thus, there are three or mechanism. If this is indeed the case, then
basic modes for the employment of language, Habermas’s own description of ideology as
to which there correspond three types of ide- ›latent strategic action‹, i. e., the strategic ac-
ological uses: expressive, interactive and cog- tion of the powerful which only parades as
nitive functions. The truth-like claims to va- communicative action, overtly particularizes
lidity serve as a guide to the analysis of the ideology to one type of distortion in the in-
›illocutionary force‹ in each function, now teractive function. That function is indeed
generalized pragmatically as the ›acceptability crucial to the conflictual organization of so-
conditions‹ of an utterance of each type: truth ciety along class, strata or gender lines. But
for cognitive uses, rightness for interactive power can influence other functions of speech
uses, and authenticity for expressive uses. in analogous ways, not so much in terms of
Whatever other possible linguistic mecha- latent forms of strategic action but rather the
nisms exist in ideology, perhaps in the seman- ›structural restrictions in communication‹
tic distortions of connotation or false refer- which constitute and express relations of
ence, they too can only become effective and domination (Habermas 1982 II, 287). Ideo-
circulate in society in an act of communica- logical speech acts impose such restrictions
tion corresponding to one of the functions of on acts of expression and understanding by
language. False beliefs about society must undermining their own conditions of success,
become effective in cognitive discourse about by using consensual means to establish, justify
49.  Critique of ideologies 701

and reproduce relations of power and conflict terns of communicative interaction are estab-
in a communicative manner. Ideology re- lished which undermine the structural basis
stricts communication in order to produce its of the intersubjective bond between speaker
primary pragmatic effect of forced consensus; and hearer in normal speech acts; speaking
ideology is therefore communication aimed at and acting are no longer integrated through
reaching understanding under conditions in agreements based on the mutual recognition
which agreement is not possible, yet realized of intersubjectively shared meanings and
by means of the pragmatic effects of certain binding validity claims. Typically, restricted
utterances. These effects could be achieved in communication in the interactive function in-
a variety of ways, by force or violence or by volves violations of reciprocity conditions,
communicative means where force lies below leading to the forced recognition of certain
the surface. claims implicit in the dominating structure of
asymmetrical interaction. For example, one
3.4.  Despite the appearances of the formal way the domination of women is reproduced
model just described, most effective ideologies is not so much on the basis of explicit norms
operate in all three functions at once. Two or conventions, as it is on the pragmatic level
examples of contemporary ideologies may il- in the hidden difficulties women have in as-
lustrate the usefulness of structural and func- suming certain speaker roles in interaction.
tional descriptions of distorted communica- Not only are they interrupted by men with
tion. In contemporary society, two locations astounding freq uency, but also men assume
of ideological communication are especially wide powers as speakers in changing topic
apparent: in politics in democratic institutions and ignoring changes offered by women. In
and in interaction surrounding gender roles order to sustain cross-gender interaction,
in the family. Such ideologies today are no women must do much more meta-communi-
longer concerned so much with grand con- cative work merely to accomplish any of these
tents and metaphysical themes, as they were typical speaker functions (Fishman 1978,
in early modernity; to this extent the critics 399). Thus, domination in this case affects
of the classical Marxian concept of ideology the norms of speaking itself, the way in which
are correct. Nonetheless, ideology has not interaction occurs in the nonexplicit rituals
therefore come to an ›end‹, as Daniel Bell and everyday talk like turn-taking. Interrup-
(*1919) and Raymond Aron (1905—1983) tion and topic changes, when they become
have claimed, but has only become more hid- patterned into speaker codes which distribute
den and perhaps more insidious, as it slips opportunies to speak according to gender,
into the interstices of everyday communica- become means of fashioning socially appro-
tion. priate interactions of male domination and
In the interactive function, utterances es- abuse. Women listen and men speak; they are,
tablish social relationships. In contexts of re- in effect, treated as subordinates or children.
flective practices and post-traditional cultural Seen but not heard, their efforts at expression
domains, communicative interaction is ac- do not have the same ›seriousness‹ as men,
complished on the basis of recognizable va- and like those of children, they are not bind-
lidity claims which are interpreted by the ac- ing for the subseq uent course of interaction
tors themselves. Certainly, some relationships (West/Zimmerman 1977, 524). Power thus
of power and domination could be established can be analyzed as the result of what people
on the basis of lies and violence, or as Thomas do with words in the communicative situa-
Hobbes (1588—1679) put it, mere ›force and tion; other causal and structural forces are
fraud‹. But these means could not be the basis also at work here, but such interactions are
of continuing patterns of interaction in an essential to the maintenance of gender ›codes‹
integrated, reproducible social structure (Par- in language in socialization, particularly as
sons 1937, 89). Force and fraud are only explicit moral and scientific discourse about
contingently related to language use and their sexual differences fades. The critiq ue of ide-
q uite manifest workings do not need to be ology in the interactive function is also useful
unmasked by the critiq ue of ideology. Such in criticizing similar patterns of interaction
is not the case in the normative contexts of which limit participation in democratic insti-
the ideological constructions of gender iden- tutions. In situations of distorted communi-
tities in communication and of ideological cation, enormous ineq ualities existing prior
restrictions of communication in supposedly to political participation in public discourse
democratic institutions. In both cases, pat- can become encoded in communicative re-
702 III. Positionen

strictions on the process of collective delib- in democratic institutions contradict the very
eration and decision making, which favors norms implied in them. Such institutions are
speakers from strata and groups which know open to all yet not for all. Thus, the para-
what they want and can more effectively ex- doxical structure of ideology in the interactive
press themselves. In class-based societies, function is responsible for the inhibiting cor-
these structural asymmetries are expressed in rective criticism and assures its reproduction.
barriers traceable to differences in compe- In ideology, speech becomes a paradoxical
tence and to class specific linguistic codes, or means of reproducing conflicts through false
styles of speaking and vocabulary. The public consensus.
discourse of political institutions req uires the Such interactive pathologies lead directly
›elaborated‹ codes of the upper classes, dis- to ideological communication in the expres-
advantaging the ›restricted‹ codes of the lower sive function, as exchanges of speaker and
classes (Bernstein 1964, 56). Whether or not hearer roles are inhibited by domination. This
the lower class codes are really restricted or restriction in communication affects the ex-
differently elaborated is an open q uestion; but pressive positions of speaking, to the point
such differences do influence public domains that language becomes an ineffective means
of social interaction, such as politics, the pub- of self-expression for the dominated; their
lic media, and the educational system. Even needs and desires are increasingly desymbol-
simply as differences they can thereby encode ized and privatized, non-linguistic and non-
and reproduce asymmetries of advantage in public. Speech becomes ›empty‹, repetitive,
these institutions. A similar, more manifest and inauthentic, the speech of others whose
process is at work in the creation of stan- self-expressions are the dominant discourse
dardized, national languages to solidify the and whose meanings inhibit authentic speech.
power of the nation state or an ethnic group, Agents in such situations become like incom-
usually at the expense of peripheral regions petent speakers, confined to non-public,
and lower classes, as is the case in modern sometimes inarticulate, non-verbal modes of
France (Bourdieu 1977 a, 152—166). expression. In democratic institutions, such
distorted communication can effect decisions
3.5.  In any of these cases, ideological speech which are otherwise procedurally correct,
can be analyzed as the social eq uivalent of since all are not heard; moreover, by not
›paradoxical communication‹, that is, com- having the opportunity to participate in pub-
munication resulting from what may be lic self-expression, certain groups do not de-
termed ‘pragmatic paradoxes’. Such com- velop competence in public interaction, par-
munication resembles successful speech, while ticularly since a high degree of competence
at the same time undermining the conditions and linguistic work would be necessary to
of success. Its structure is essentially that of achieve adeq uate self-expression in circum-
a repetitive, vicious circle, since it affects the stances of domination. In societies with eco-
communicative ability of those dominated in nomic ineq ualities, as in the case of capital-
interaction to correct the meaning of the ut- ism, the lack of the social goods and resources
terance or to influence the future behavior of necessary for the development of expressive
the dominating speaker. In his research on competence further restricts communication
patterns of interaction in pathogenic families, in formally democratic institutions. Gender
Paul Watzlawick (*1921) has called such restrictions similarly privatize women’s
pragmatic paradoxes ‘double binds’, perhaps speech. Indeed, if Carol Gilligan (*1936) and
the extreme case of ideological speech in the others are right (Gilligan 1982, ch. 3), the
interactive function (Watzlawick et al. 1971, prevailing moral discourse in patriarchical so-
212). A double bind is an apt structural de- cieties is an external and inauthentic discourse
scription from the point of view of the hearer; which further inhibits adeq uate need expres-
from the point of view of the speaker, they sion and interpretation. Women are the
may best be described by Jaakko Hintikka’s ›other‹ of the predominant mode of social
(*1929) concept of a ›performative contradic- expression. Such ideological barriers can be
tion‹. For example, women speakers are in a overcome only by creating new contexts of
paradoxical situation: they are both children interaction, typically among the dominated
and adults. By adopting the hearer role of a group themselves, in new social movements
woman, it becomes impossible to assume the and collective organizations. Marx appreci-
appropriate speaker role of an adult. The ated domination in the expressive function in
speech performances of the dominating class his conception of the sociology of knowledge,
49.  Critique of ideologies 703

that ›the ruling ideas are the ideas of the curs when democratic institutions begin to
ruling class‹; what is needed is not so much a take on a secondary, traditional or civil-relig-
translation into the dominant discourse, to ious character, thus immunizing them from
which they may be incommensurable, but new criticism and revision. (The American ideol-
radical needs, new desires, new expressive ogy of the Founding Fathers comes to mind,
possibilities and contexts of speech. even though it is directly contradicted by leg-
islative and juridical practice.) Similarly, a
3.6.  In the case of the cognitive function, conception of discursive practice in demo-
distorted communication does not so much cratic institutions which entirely ignores so-
affect semantic relations like reference, as cial ineq ualities of race, gender and class and
much as the pragmatic organization of dis- asserts the validity of purely formal criteria
cursive practices of justification. Such dis- of legitimacy can be used to justify structural
courses should be structured in order to test ineq ualities. Such ideologies restrict the de-
and redeem various claims to validity fun- mands on political justification, reducing it to
damental to various beliefs and attitudes. Ide- narrow formal and procedural grounds. In its
ologies in cognitive uses of language partic- various positivist, proceduralist, emotivist,
ularly affect the meta-communicative reflec- and non-cognitivist interpretations, ideology
tion on discursive practices themselves. Since manifests itself not so much in the content of
such practices are constituted by conceptions the beliefs, but in the way in which the belief
about the proper justification of a claim, be- restricts political practice. What is ideological
liefs about them are constitutive of the prac- about such beliefs is that they repeat in pol-
tice. For example, democracy may be consid- itics the same formal justifications of ›fair-
ered the institutionalization of practical dis- ness‹ which Marx exposed in economic ex-
course; that is, it is a second order commu- change; they remove social practices from full
nication about the justifications of means and discursive examination of their normative
ends of social life, or an institutionalized form presuppositions, and thereby inhibit social
of public deliberation. As such, its decisions learning; the capacity of participants to
must be capable of being tested discursively, change their constitutive beliefs about these
so as to ascertain whether or not the agree- practices is restricted. When these barriers
ment reached really represents the general inhibit learning and self-reflection in the cog-
interest. If it does not, it could be the case nitive uses of language, discourses become
that the decision was arrived at by a demo- frozen in their institutional form. Ethnocen-
cratic procedure and yet it is not really trism, phallocentrism, and other unconscious
the expression of the ›volonté générale‹, to discursive assumptions also inhibit discursive
use Jean-Jacq ues Rousseau’s (1712—1778) learning and permit the continued acceptance
phrase. But it is a cognitively decidable q ues- of certain beliefs and patterns of justification.
tion as to whether or not a particular decision These same ideological limits may inhibit so-
represents a true consensus; such reflective cial learning in the natural sciences; while they
tests are part of the communicative compe- are not about society, they can be used to
tence of participants in practical discourses. justify other practices of domination like co-
Given the enormous ineq ualities in Western lonialism, racism and patriarchy. The history
capitalist societies, it is not surprising that of biology and recent sociobiology abounds
one of the predominant, contemporary inter- with such ideologies (Gould 1977, ch. 5). Such
pretations of democracy is non-cognitive, one ideological uses of natural science illustrate
which avoids such tests by believing that pragmatic shifts and confusions of modes of
moral and political decisions are not ration- justification, where failures in normative jus-
ally decidable. On this view, democracy is not tification, as in racism, are displaced into
seen as a discursive practice of public delib- empirical, factual justification. Norms parade
eration; rather, it is seen merely as a way of as ›facts‹, as moral standards become suffi-
aggregating fundamentally non-revisable, ir- ciently reflective so as not to bear so much
rational preferences. Such a belief, which is ideological weight, as for example the way
tantamount to the denial that practical q ues- Aristotle (384—322 B.C.) (s. art. 15) justified
tions admit of truth, restricts the amount of slavery on the grounds of ›natural‹ differ-
participation in democratic decisions, and the ences.
need to reform institutional structures so that Other ›pragmatic‹ approaches to these
they may become more consensual; politics is same sorts of phenomena which also make
just irrational. The same sort of process oc- reference to language include the ›archeology‹
704 III. Positionen

of the early Foucault and ›discourse analysis‹ cient to free us from the power that is in
in ethnomethodology. Foucault analyzes var- words and speech.
ious practices and techniq ues of ›exclusion‹
from discourse affecting the mentally ill, the
sick, the homosexual (Foucault 1971). Eth- 5. Selected references
nomethodology gives ›micro-analyses‹ of Barthes, H. 1966, Truth and Ideology.
pieces of everyday talk, between men and The best treatment of the often contradictory con-
women, doctors and patients. Whatever in- ceptual history of the topic.
sights these avowedly descriptive, neutral ap- Barthes, R. 1967, Système de la mode (The Fashion
proaches might provide into linguistic prac- System, 1983).
tices must be reinterpreted in a pragmatics A consistent development and application of the
which makes normative distinctions. structuralist approach.
Bernstein 1967, Class, Codes, Control.
A good example of a sociolinguistic treatment of
4. The pragmatics of social criticism class and communication.
Formal pragmatics may also do better than Bohman 1986, Formal pragmatics and social crit-
traditional theories of ideology in supplying icism, in Philosophy and Social Criticism 12.
an account of the linguistic practices of social Extension and criticism of Habermas’s theory of
critics. What are critics supposed to do in a distorted communication.
situation of ideological communication? The Elster 1983, Sour Grapes.
theoretical analysis of the structure and func- Excellent treatment of social irrationality oriented
tion of speech yields some fruitful insights to social choice theory.
into the constitution of practices of speaking Foucault 1971, L’ordre du discours.
and acting. But because of the systematic, Analysis of power, exclusion and discourse.
paradoxical and self-reflective character of Habermas 1970, On systematically distorted com-
distortions in speech, ideologies have a fea- munication, in Inquiry 13.
ture in common with the pragmatics of self- His first treatment of ideology in communicative
deceptions: their restrictions on communica- terms.
tion affect relations between critic and partic- Habermas 1982, Theorie des kommunikativen Han-
ipant and block self-reflection and theoretical delns.
insight into the workings of ideologies. If Habermas’s systematic work and most sophisti-
distorted communication results in paradoxes cated treatment of pragmatics is in chapter 3 of
similar to the vicious circles of double binds, Vol. I.
then metacommunication about the distorted Habermas 1985, Vorstudien und Ergänzungen zur
structure of such interaction would only re- Theorie des kommunikativen Handelns.
peat the same paradoxes and barriers on a This volume collects all of Habermas’s writings on
more reflective level. Even if the normal, il- language and communication, as well as his most
locutionary force of speech is blocked, then sophisticated elaboration of various ›pathological‹
the critic, as a competent speaker, still has forms of communication using formal pragmatics
recourse to speech acts which employ perlo- in chapter 4.
cutionary effects to change the structure of Marx 1970, The German Ideology. [Die Deutsche
the communicative situation itself. The Ideologie, 1848, in MEW III].
›emancipatory speech‹ of the social critic is a This is Marx’s most developed ›theory‹, while The
mixture of perlocutionary and illocutionary Eighteenth Brumaire is his greatest critical appli-
aspects of normal speech: it employs strategic cation.
means for communicative aims. In this way, Thompson 1984, Studies in the Theory of Ideology.
the critic of ideology can use semantic and Excellent critical survey of the major contemporary
pragmatic analysis to further the aims of hu- linguistic positions.
man emancipation. Indeed, social criticism Watzlawick et al. 1967, Pragmatics of Human Com-
must at least in part consider the effects of munication.
semantic enchantments and pragmatic restric- Interactional psychiatry dealing with disturbed
tions on communication. The critiq ue of ide- families is a fruitful area of research into commu-
ology is therefore based on the premise that nicative pathologies and their structure.
emancipation and autonomy are not possible
without critical, reflective knowledge suffi- James Bohman, St. Louis, Missouri (USA)
50.  Behavioristic approaches 705

50. Behavioristic approaches

1. Prefatory remarks Quine (*1908). Thus the linguist Bloomfield


2. Logical positivism (1933, 139) defines the meaning of a linguistic
3. Ordinary language philosophy expression as “the situation in which the
4. Quine’s behaviorism speaker utters it and the response which it
5. Sellars’ functionalism calls forth in the hearer”; and Skinner’s (1957,
6. Concluding remarks 114 ff) definition is along similar lines. Morris
7. Selected references (1946) develops a theory of sign-behavior
which functionally defines meaning (›signifi-
cation‹) in terms of responses to utterances
1. Prefatory remarks rather than in terms of the stimulatory situ-
Behavioristic approaches to the study of lan- ations in which utterances occur. Further-
guage have developed largely under the influ- more, he focuses on dispositions to respond,
ence of the behavioristic movement in psy- rather than on actual responses, and recog-
chology dominant in North America from the nizes that the responses are dependent on
early part of this century to the late fifties. In many psychological and social factors which
view of the age-old analogy between language may, in various ways, inhibit the manifesta-
and thought, it is unsurprising that the phi- tion of a behavioral disposition.
losophy of language should have been inti- As the behavioristic movement in psychol-
mately connected to the study of mind. An- ogy was influencing philosophical thinking
yone who views language essentially as a ve- about mind and language, so too philosophy
hicle for the expression and communication — especially during the logical positivist pe-
of thought, or who functionally reconstructs riod in the third and fourth decade of this
the semantic properties of language in terms century — provided support for this move-
of pragmatic aspects of linguistic use, will ment by clarifying and defending its concep-
tend to view the study of language as part of tual and methodological foundations. With-
the study of mind. This is true not only of out denying their mutual interaction and in-
›mentalists‹ in the Brentano tradition (e. g. terpenetration in the historical reality, it is
Roderick M. Chisholm, Herbert Paul Grice, nonetheless conceptually important to distin-
John R. Searle), but also of some of their guish between scientific and philosophical be-
›physicalist‹ or ›naturalist‹ critics (e. g. Rudolf haviorism as research programs with signifi-
Carnap, Willard Van Orman Quine, Wilfrid cantly different objectives and methodologies.
Stalker Sellars) who, in various ways, recon- The former, as a movement within scientific
struct both linguistic and mental phenomena psychology starting with the work of John B.
in terms of behavior. Watson (1878—1958) and culminating in the
Although a broadly behavioral orientation theories of Clark L. Hull (1884—1952), Ed-
in the study of language can be traced back ward C. Tolman (1886—1959) and Skinner,
to the pragmatism of Charles Sanders Peirce is an empirical discipline concerned with the
(1839—1914) (s. art. 32), who held the mean- application of certain research methodologies
ing of any sign to be determined by the way in the context of the explanation and predic-
it modifies “a person’s tendencies toward ac- tion of human behavior. The latter, as a move-
tion” (CP 5. 476), perhaps the earliest theory ment within analytic philosophy — and thus
of meaning along specifically behavioristic often referred to, especially during the logical
lines is found in Charles K. Ogden and Ivor positivist period, as ‘analytical’ or ‘logical’
A. Richards’ The Meaning of Meaning (1923), behaviorism — is a philosophy of science as
where they identified the (referential) meaning well as a program of conceptual reconstruc-
of a sign with the stimulus situation which tion. As a philosophy of science, philosophi-
causes it to be produced as a response. De- cal behaviorism is concerned with an analysis
spite its obvious shortcomings (cf. e. g. Ayer of the conceptual and methodological foun-
1969, 239), Ogden and Richards’ stimulus- dations of scientific psychology. As a program
response theory of meaning was q uite influ- of conceptual reconstruction, philosophical
ential and was variously developed and mod- behaviorism is concerned with an analysis of
ified by Leonard Bloomfield (1887—1949), psychological concepts primarily in the do-
Burrhus F. Skinner (1904—1990), Charles W. main of commonsense psychology and tra-
Morris (1901—1979) and, more recently, ditional philosophy of mind. Scientific behav-
706 III. Positionen

iorism will not be considered in the present pragmatist tradition of Peirce and William
article except in the respects in which it ac- James (1842—1910) according to which, in
tively influenced the work of some of the the words of James (1920, 412), the meaning
philosophers considered in this article. of any supposition “can always be brought
After a brief presentation of representative down to some particular conseq uence in our
behavioristic accounts of language in classical future experience”.
analytic philosophy, both in the formal lan- A (logical) behaviorist theory of language
guages and ordinary language traditions (s. is a natural conseq uence of the logical posi-
art. 59, 60), the focus of this article will be on tivist theory of meaning: it is the result of an
the currently influential and systematic the- explicit application of the verificationist the-
ories of language developed by Quine and ory of meaning to statements about language
Sellars, respectively. itself. Thus consider a (metalinguistic) seman-
tic statement of the form ‘S in language L
means p’. Unless we treat it as a ›meaning
2. Logical positivism postulate‹ (cf. Carnap 1952), and thus as true
Philosophical behaviorism achieved its clas- by arbitrary stipulation, we must suppose that
sical and most controversial formulation in its acceptability rests on a non arbitrary con-
the heyday of logical positivism. vention, one which records actual use of the
Because of the ›linguistic turn‹ in analytic expression. Its acceptability would thus be
philosophy, philosophical behaviorism was such that empirical evidence can be brought
essentially a linguistic thesis about the mean- to bear on it: this amounts to regarding the
ing of psychological statements: we shall refer semantical statement — or some appropriate
to it in this period as logical behaviorism. It correlate of it — as a genuine empirical state-
asserted that psychological statements are ment whose meaning (by the positivist crite-
translatable into (have the same meaning as) rion) is given by the conditions of its verifi-
some set of publicly verifiable (confirmable, cation; and to verify that statement is to verify
testable, etc.) physicalistic statements describ- that users of L use, or tend to use, tokens of
ing, in a strictly extensional language, behav- S in certain specifiable circumstances and not
ioral and bodily processes or dispositions in others. Although this reduction of semantic
(Hempel 1972, 123; Carnap 1959, 165). On to pragmatic concepts was resisted by Carnap
the one hand, this thesis exhibits the foun- (1942, 13), who distinguished between pure
dational and methodological concern ex- semantics (concerned with the analysis of
pressed by the logical positivist thesis of phys- meaning in abstraction from the conditions
icalism and the unity of science, according to of use) and descriptive semantics (identified
which all branches of science are “branches with a part of pragmatics), it eventually be-
of the unitary science, physics” (Hempel 1972, came clear that pure semantics properly con-
129). On the other hand (and more impor- cerns the formal study of constructed lan-
tantly for our purpose), as a linguistic thesis guage systems as distinct from historically
about the meaning and form of a certain class given natural languages (Carnap 1955, 33 ff).
of statements, logical behaviorism clearly pre- The task of descriptive semantics, on Car-
supposes a certain philosophy of language: nap’s account, consisted in a pragmatic re-
both because of its adherence to the thesis of construction of semantic concepts in essen-
extensionality, which req uired the language of tially behavioristic terms. The procedure was
science to have the structure (syntax) of a to replace a given semantic concept (e. g. ‘the
strictly extensional language, and, above all, meaning of E in L’) by a corresponding prag-
because of its commitment to a verificationist matic concept (e. g. ‘the meaning of E in L
theory of meaning, according to which the for speaker X’) and then explicate the latter
meaning (›cognitive‹ or semantic content) of by specifying an operational behavioristic
an empirical statement is determined by the procedure for its application. In general, ac-
(pragmatic) conditions and procedures under cording to Carnap (1955, 42), to give the
which it is verified (confirmed, tested, etc.). meaning of an expression E for speakers of
Since the circumstances which (publicly) ver- L is to give the general condition which an
ify psychological statements are described by object must satisfy in order for speakers of L
statements about behavior and observable to be disposed to ascribe E to it. As a system
bodily conditions, behaviorism is a natural of meaningful expressions, a language L can
conseq uence of the verificationist theory of thus be characterized as a “system of certain
meaning — a theory which is sq uarely in the dispositions for the use of expressions” (Car-
50.  Behavioristic approaches 707

nap 1955, 43). Statements describing these The same type of dispositional analysis, for
dispositions have the status of empirical hy- Ryle, applies to statements about the meaning
potheses testable by observation of linguistic of linguistic expressions. To give the meaning
behavior. of an expression is, for Ryle, just to specify a
Such was Carnap’s behavioristic concep- speaker’s propensity to say or do certain
tion of language. Its inadeq uacy was exposed things under certain circumstances. Both Ryle
by Roderick M. Chisholm (1955) who pointed (1969 b) and Wittgenstein (1953) rejected den-
out that Carnap’s pragmatic application of otational theories of meaning and embraced
meaning req uires the use of the concept of what amounts to a ›functionalist‹ and broadly
belief, for a speaker’s linguistic behavior de- behavioral theory which identifies the mean-
pends at least in part on his beliefs (as well ing of an expression with its use, or, more
as expectations, motives, etc.). But according precisely, with the ›role‹ it plays in linguistic
to logical behaviorism, the concept of belief behavior (s. art. 67). To specify the role of a
is itself analyzed in terms of verbal disposi- linguistic expression is analogous to specify-
tions and, as Carnap (1891—1970) himself ing the role of a chess piece in a game of
acknowledged (1956 a, §§ 13—15), the latter chess: it is to specify the ways of operating
dispositions must be understood in terms of with it, the range of permissible ›moves‹ the
responses to sentences in function of their expression can be employed to make in a
meaning. Carnap’s logical behaviorist analysis ›language game‹. — Although this broadly
of linguistic meaning is thus inherently cir- behavioral account of meaning shares the log-
cular. ical positivist’s rejection of Cartesian mental-
ism and introspectionism, it lacks the physi-
calistic underpinning of positivistic behavior-
3. Ordinary language philosophy ism. The regularities underlying the meaning
Whereas logical positivism was a program of or role of linguistic expressions are not
conceptual reconstruction aimed at providing founded in natural or behavioral laws but in
exact analyses of the concepts of science, of- the rules which govern the correct use of
ten through the construction of formal mod- expressions (cf. Ryle 1969 a, 64 ff). Whether
els or artificial language-systems, ordinary this normative aspect of linguistic behavior
language philosophy — especially as prac- could be accommodated within a physicalistic
ticed by Ludwig Wittgenstein (1889—1951) or naturalistic framework is a theoretical
(s. art. 39) at Cambridge and by Gilbert Ryle q uestion that ordinary language philosophy
(1900—1976) at Oxford — had largely an found either meaningless or uninteresting.
anti-theoretical orientation and focused on
detailed investigations of ordinary uses of ex- 4. Quine’s behaviorism
pressions in a natural language, in the expec-
tation that philosophical problems would be
thereby ›dissolved‹ (Wittgenstein) or at least 4.1. Naturalistic epistemology and the
conceptually clarified (Ryle). Although nei- theory of language
ther Wittgenstein nor Ryle proposed explicit Perhaps the most sophisticated, systematic
theories of mind and language, their argu- and explicitly behavioristic theory of lan-
ments against traditional positions presup- guage in the post-positivist analytic tradition
pose distinctly behavioristic conceptions. For is due to Quine. “Language is a social art
example, Ryle’s (1949) critiq ue of Cartesian which we all acq uire on the evidence solely
dualism rests on the claim that psychological of other people’s overt behavior under pub-
terms signify dispositions to behave in various licly recognizable circumstances” (Quine
ways: and for Ryle, to say that something has 1969 a, 26). Like Ryle and the later Wittgen-
a disposition is not to report the occurrence stein, he rejects the traditional mentalistic se-
of an episode, or the existence of an under- mantics which construes meanings as private,
lying state, physical or non-physical, but only introspectible mental entities, as well as any
to make a law-like statement whose form, form of the denotational (›naming‹) theory of
despite appearances, is not like that of a cat- meaning, which he dubs “the museum myth”
egorical statement but like that of a hypo- according to which “the exhibits are meanings
thetical (‘if ... then’) statement, and whose and the words are labels” (Quine 1969 a, 27).
function is not to describe or report, but to Quine’s behavioristic theory of language,
›rationalize‹, or ›licence inferences‹ about, the however, is more sanguine and more syste-
overt behavior of people (Ryle, 1949, ch. 5). matically developed than that of Ryle and
708 III. Positionen

Wittgenstein, and because of its scientific ori- (Quine 1969 a, 26): epistemology itself must
entation, it is closer in spirit to the physicalist be naturalized. Instead of speculating on how
model of the logical positivists. Quine, how- our talk about the world might be logically
ever, does not share the positivists’ concern or ›rationally‹ reconstructed from observa-
with reductive analysis and logical recon- tion, “[w]hy not just see how this construction
struction; deeply influenced by the pragma- really proceeds? Why not settle for psychol-
tism and naturalism of John Dewey (1859— ogy?” (Quine 1969 a, 75). After all, as Quine
1952), he has always held on to the conviction 1975 b, 74) observes, the locutions of our the-
that “knowledge, mind and meaning are part ory of the world “have no meaning but what
of the same world [...] and are to be studied they acq uired by our learning to use them”,
in the same empirical spirit that animates so that, in investigating the evidential relation
natural science” (Quine 1969 a, 26). And al- between theory and observation, we can
though very early in his career he rejected adopt a ›genetic approach‹ and just study how
certain ›dogmas‹ of radical empiricism and theoretical language is learned. This shows
positivism (Quine 1953), he has always in- how central, for Quine, the theory of language
sisted on two basic postulates of any empiri- and, in particular, the theory of language
cist philosophy: one is that “whatever evi- learning, is to the theory of knowledge.
dence there is for science is sensory evidence”,
and the other is that “all inculcation of mean- 4.2. Language learning
ing of words must ultimately rest on sensory
evidence” (Quine 1969 a, 75). He thus em- Quine’s theory of learning is heavily influ-
braces a verificationist conception of meaning enced by Skinner’s (1938) theory of operant
differing from the earlier logical positivist one conditioning. Learning consists in the acq ui-
primarily to the extent that, for Quine, the sition of certain behavioral habits or dispo-
evidential relation between (theoretical) sen- sitions through the reinforcement of desirable
tences and observation is more “intricate and responses and the extinction of undesirable
indirect” (Quine 1973, 38). ones. The whole learning process begins in
While the overriding concern of Quine’s perception (observation), which is itself an
empiricist philosophy is thus epistemological (acq uired) disposition to respond discrimi-
— it is to answer the q uestion of how to natively to episodes of sensory stimulation.
account for our theory of the world given our In order for perception to be possible at all,
sensory evidence — it is his behavioristic the- the learning organism must possess certain
ory of language that provides both the frame- “innate standard[s] of perceptual similarity”
work and the empirical support for his entire (Quine 1973, 22) by means of which it can
system. After all, a theory of the world is recognize certain stimulatory episodes as
ultimately a set of linguistic structures, and more or less similar to earlier episodes relative
observation, to be evidentially useful, must to certain ›salient‹ features, including their
itself be reportable in an (intersubjective) lan- degree of pleasantness or unpleasantness.
guage; conseq uently the foregoing epistemo- When an episode is recognized as perceptually
logical q uestion is for Quine at bottom a similar to an earlier pleasant one, the organ-
q uestion about language: how to account for ism will tend to respond in such a way as to
our theoretical discourse on the basis of ob- maximize the likelihood of the episode’s reoc-
servational discourse. Furthermore, the word currence. As Quine (1973, 28 f) puts it,
‘account for’ is ambiguous: it may mean jus- “[l]earning thus viewed is a matter of learning to
tify or it may mean explain; in the first sense warp the trend of episodes, by intervention of one’s
the foregoing q uestion belongs to normative muscles, in such a way as to simulate a pleasant
epistemology, in the second sense it belongs earlier episode. To learn is to learn to have fun”.
to empirical science. The failure of radical So it is with language learning. When the
empiricism to deduce or ›logically reconstruct‹ child babbles ‘Mama’ (either randomly or by
the truths of nature from the language of mimicry) in the presence of the mother, she
observation (which was essentially Carnap’s rewards the act with a hug or smile, and so
program in Der logische Aufbau der Welt of in future the approach of the mother’s face
1928), is for Quine reason enough to abandon acts as a (conditioned) stimulus for future
the q uest for a normative epistemology as the utterances of ‘Mama’ (Quine 1960, 81). Sim-
a priori foundation for knowledge. Anyhow, ilarly when the child utters ‘Red’ or ‘Red ball’
in the perspective of a naturalistic philosophy, (or assents to the q uestions ‘Red?’ or ‘Red
“there is no place for a prior philosophy” ball?’) in the presence of a red ball and is
thereby rewarded, he will tend to respond
50.  Behavioristic approaches 709

similarly to future stimulations afforded by levels of language by a method of “simulta-


red balls. — It is important to note that such neous learning” involving a series of “substi-
early utterances of ‘Mama’ or ‘Red ball’ are tution transformations” and “leaps of anal-
not utterances of terms (either singular or ogy” (Quine 1975 b, 77 f). The psychological
general) but of (one-word or unstructured) nature of such analogical learning is not al-
sentences. Moreover these are sentences which together clear; indeed, Quine’s account of this
the child learns ostensively by associating stage of language learning does not, by his
them directly with publicly accessible stimulus own admission, go beyond the level of spec-
conditions. Quine calls such sentences obser- ulation and crude conjecture. But however
vation sentences, which in turn are a subca- inaccurate and in need of further empirical
tegory of occasion sentences. As Quine (1960, investigation, he believes it to be “presumably
35 f) explains, an occasion sentence is one true to the general nature of language acq ui-
which commands assent or dissent only under sition” (Quine 1975 b, 78).
current stimulation; an observation sentence
is an occasion sentence which commands as- 4.3. Indeterminacy of meaning and
sent or dissent of all (fluent) speakers of the reference
language under the same concurrent stimu-
lation. (E. g. both ‘This ball belongs to John’ 4.3.1.  The naturalism and empiricism which
and ‘This ball is red’ are occasion sentences, inspires Quine’s theory of learning also in-
but only the latter is an observation sentence.) spires his theory of meaning. After all, for
Contrasted with occasion sentences are stand- Quine, the locutions of a language “have no
ing sentences, whose assent/dissent conditions meaning but what they acq uired in our learn-
are not tied to current stimulation (e. g. ing to use them” (cf. Quine 1975 b, 74); hence
‘John’s ball is red’); these include, as a sub- what constrains learning likewise constrains
category, eternal sentences, whose truth value meaning. No wonder then that Quine’s se-
is permanently fixed (e. g. ‘Ice floats on wa- mantics is closely bound to behavioristic the-
ter’). ory and methodology. As remarked under
Now although ostensive learning of the 4.1., Quine’s allegiance to Dewey’s naturalism
kind described above is essential to get us leads him to reject mentalistic and, in general,
started in language learning, it is, as Quine denotational theories of meaning (as in-
(1976 b, 57) recognizes, “incapable of carrying stances of the ›museum myth‹). He agrees
us far in a language”. It accounts for our with Dewey that meaning “is primarily a
learning of observation sentences as unstruc- property of behavior” and that, conseq uently,
tured wholes, for these are just (conditioned) “there are no meanings, nor likenesses nor
responses to stimulatory conditions; but most distinctions of meaning, beyond what are im-
our language is not thus keyed to sensory plicit in people’s dispositions to overt behav-
stimulation: typically, standing sentences are ior” (Quine 1969 a, 28 f). Meanings for which
not, and non-observation, occasion sentences there are no behavioral criteria, therefore, are
are only partly so. Even the learning of ob- no meanings at all.
servation terms (as distinct from sentences) is This commitment to behavioristic criteria
only partly and indirectly through ostension, of meaning — and, conseq uently, to the need
for the full-fledged use of terms is not to for the empirical testing of hypotheses con-
respond but to construct novel sentences to cerning the meaning of linguistic expressions
speak about objects, seen and unseen, past, — may seem to mark no significant departure
present and future. This use of terms req uires from other behavioristic theories of language
a mastery of the apparatus of predication, of in the analytical philosophical tradition. For
universal categorical constructions (e. g. ‘A example, as noted under 2., Carnap conceived
dog is an animal’), of relative clauses, and in the task of descriptive semantics (which he
general, of the whole individuative or refer- identified with pragmatics) as that of for-
ential apparatus of language, which involves mulating and testing hypotheses about the
“a cluster of interrelated grammatical parti- meaning of linguistic expressions in terms of
cles and constructions: plural endings, pro- dispositions to linguistic behavior and thus in
nouns, numerals, the ‘is’ of identity, and its terms of the conditions under which such
adaptations ‘same’ and ‘other’ ” (Quine dispositions are exercised. However, the con-
1975 b, 77 f): in a word, the whole apparatus clusions Quine draws from the application of
of q uantification. Starting with simple induc- this behavioristic methodology are novel and
tions based on language-dependent similari- striking: only for a very restricted range of
ties, one works one’s way into these higher
710 III. Positionen

cases is linguistic meaning empirically deter- tions, for they only req uire current stimula-
minable; we cannot in general determine tion (and no significant collateral informa-
whether two expressions are synonymous, or tion) to command assent or dissent. As os-
even what they refer to; nor, in general can tensively learned responses, observation sen-
we be certain of what other people, or even tences “wear their meaning on their sleeves”
ourselves, are really speaking about. — To (Quine 1960, 42): their meaning just is stim-
explain why this is so, Quine (1960, ch. 2) ulus meaning. Thus all that the linguist can
invites us to conceive of the task of determin- infer from observing the alien speakers’ be-
ing the meaning of linguistic expressions as havior is just that ‘Gavagai’ and ‘Rabbit’, as
analogous to that of a linguist who sets out observation sentences, have the same stimulus
to translate into English the language of an meaning (i. e. are stimulus synonymous). But
alien culture. Since in this hypothetical case this does not warrant our saying that the
of ›radical‹ translation there are no available terms ‘gavagai’ and ‘rabbit’ have the same
translation manuals (this is just what the lin- meaning, or even the same reference. For
guist is attempting to set up), all the linguist ‘gavagai’, if a term at all, might not be a
has to go on is the overt (verbal and nonver- concrete general term, like ‘rabbit’ in English,
bal) behavior of the alien speakers and the but an abstract singular term referring to
observable conditions under which it occurs. rabbithood; or if a concrete general term, it
Upon repeatedly hearing the alien speakers might refer not to rabbits but to mere tem-
utter ‘Gavagai’ in the conspicuous presence poral rabbit-stages, or to undetached rabbit
of rabbits, the linguist formulates the hypoth- parts: all of these mutually incompatible pos-
esis that ‘Gavagai’ means the same as the sibilities are eq ually consistent with the stim-
English sentence ‘Rabbit’ (or ‘There goes a ulus meaning of ‘Gavagai’ accessible to the
rabbit’). In accordance with behavioristic linguist. In order to be in a position to decide
methodology and in possession (let’s assume) what kind of term ‘gavagai’ is, whether it
of adeq uate behavioral criteria for assent and refers to an abstract or a concrete object,
dissent, the linguist might then proceed to test whether it should be translated as ‘rabbit’ or
his hypothesis by determining, for example, ‘rabbithood’ or ‘rabbit-stage’, etc., the lin-
whether the aliens would assent to the q uery guist would first have to learn a great deal
‘Gavagai?’ when and only when a rabbit ap- about the lexicon and structure of the alien
pears. By using this and similar operational language, including the whole range of ref-
procedures, a behaviorist like Carnap would erential devices needed to individuate objects
conclude that the linguist can inductively con- (cf. 3.2.). He could then proceed to ask such
firm (or infirm) the hypothesis that the terms ›individuating‹ q uestions as ‘Is this the same
‘gavagai’ and ‘rabbit’ have the same meaning. gavagai as that?’, ‘How many gavagai do we
But this conclusion, for Quine, is unjustified. have here?’, etc. In seeking to gain the knowl-
All that the linguist is in a position to establish edge req uired to ask these q uestions in the
on the basis of the behavioristic tests is that alien language, the linguist will have to go far
(1) instances of ‘Gavagai’ in the alien speak- beyond the level of ostension and stimulus
ers’ mouth are observation sentences, for they meaning: he will have to frame a system of
are concurring responses to concurrent stim- analytical hypotheses (Quine 1960, 60 ff)
ulation, and (2) that instances of ‘Gavagai’ about the lexical and grammatical structure
are responses to the same stimulus conditions of the alien language by a method which
to which ‘Rabbit’ in the linguist’s mouth parallels that of a child who by “simultaneous
would be a response. This is to say, for Quine, learning” and “leaps of analogy” is striving
that ‘Gavagai’ and ‘Rabbit’ are observation to acq uire the higher levels of language (cf.
sentences that have the same stimulus mean- Quine 1960, ch. 3; 1973, ch. 3). Relative to a
ing. The stimulus meaning of a sentence for proposed system of analytical hypotheses
a person is defined by Quine (1960, 32 ff) as (which amount to a ›translation manual‹), the
the set of stimulations that would prompt the linguist can then proceed to determine, by
person’s assent to the sentence; it sums up, appropriate q uestioning, whether the term
as it were, the person’s dispositions to assent ‘gavagai’ refers to rabbits, or rabbit-stages,
to the sentence under current stimulation. or something else.
Now observation sentences are just the type,
and the only type, of linguistic expressions 4.3.2.  However, Quine’s contention is that
whose conditions of application are ex- there may be countless and mutually incom-
hausted by their observable stimulus condi- patible systems of analytical hypotheses each
50.  Behavioristic approaches 711

consistent with the behavioral dispositions of or interpretive system of analytical hypothe-


the alien speakers; and depending on which ses, each eq ually underdetermined by the ob-
system he adopts, the linguist will arrive at servational evidence. — Such are the imme-
different conclusions about the meaning and diate conseq uences of Quine’s behavioristic
reference of ‘gavagai’. For example, under theory of language. There are others, perhaps
some system of analytical hypotheses, the lin- less obvious but no less momentous, which
guist’s q uestion ‘Is this the same gavagai as directly bear on his theory of knowledge and
that?’ might translate as ‘Does this gavagai science. Since the terms of a language or
belong to the same set as that?’, assent to theory are acq uired through ›simultaneous
which might lead the linguist to translate ‘gav- learning‹ in conjunction with a web of many
agai’ not as ‘rabbit’ but as ‘rabbit-stage’. Thus other terms whose meanings can only be fixed
recourse to analytical hypotheses helps to fix relative to a system of analytical hypotheses
the meaning and reference of the alien terms serving as an interpretation scheme for the
only in a relative way: since it is not possible language, sentences beyond the level of ob-
to select a uniq ue system of analytical hy- servation sentences have no meaning, and
potheses purely on behavioral grounds, it is thus (because meaning and evidence coincide
impossible to settle absolutely what the mean- for Quine) no evidential support, in isolation,
ing and reference of the alien terms really are: but only in the context of (practically) the
there is, concerning this, “no fact of the mat- whole language or theory. (This conclusion
ter” (Quine 1969 b, 303). constitutes the so-called Duhem-Quine holism
This, then, is Quine’s thesis of the indeter- thesis.) Further, since the evidential and se-
minacy of translation (s. art. 73): a thesis mantic relation between observation and the-
which ›falls out‹ of his behavioristic theory of ory mirrors the psychogenetic relation be-
language. Its implications are far reaching, tween the (ostensive) learning of observation
for “translation begins at home” (Quine sentences and the learning of theoretical lan-
1969 a, 46): it begins with ordinary language guage, and since the latter learning is irre-
learning, and continues when we ›translate‹ ducible to, and underdetermined by, the for-
or paraphrase our neighbor’s words into our mer, so too is theory irreducible to, and un-
own idiolect in the attempt to make their derdetermined by, observation. (This is
message clearer. Indeed, radical translation Quine’s thesis of underdetermination: “theory
even applies to ourselves when we “contem- is empirically underdetermined”; Quine
plate alternative denotations of our familiar 1975 b, 79).
terms” (Quine 1969 a, 48) by systematically
permuting these denotations and systemati- 4.4. Concluding remarks on Quine’s theory
cally readjusting the interpretation of the aux- of language
iliary particles while still accommodating all
existing speech dispositions. Indeterminacy of The semantic and ontological relativity which
translation thus involves an indeterminacy of Quine’s behavioristic theory of language leads
meaning and reference not only at the inter- to is perhaps what has seemed most disturb-
linguistic level but at the intralinguistic level ing to his critics, especially to those who,
as well. Such indeterminacy, of course, rules having espoused a mentalistic semantics, be-
out any useful concept of synonymy (beyond lieve that linguistic expressions express deter-
stimulus synonymy). It also rules out any ac- minate thoughts and have thus a uniq ue
count of propositions, attributes and other meaning and a uniq ue translation. In at-
abstract intensional entities which rests on a tempting to undercut such relativism, it is
prior notion of meaning and synonymy. So tempting for a mentalist to look at its source
too it rules out any explication of the concept and raise against it the same sort of objection
of analyticity, and of the analytic-synthetic that Chisholm (as noted under 2.) raised
distinction, which presupposes intensional against Carnap’s behavioristic account of
concepts (s. art. 86). Moreover, since what meaning. Thus it has been objected, as Quine
specifies the ontology of a language, and thus (1969 a, 91) has noted, that in using the
of a theory, is the reference of its terms, the method of q uery and assent in the context of
thesis of the indeterminacy (›inscrutability‹) language learning and meaning ascription, he
of reference amounts to a thesis of ontological is “not escaping mentalism after all, because
indeterminancy or relativity: the ontology of assent itself has a mental component”. For
a theory can be fixed not absolutely, but only surely ‘parroting‹ assent must be distin-
relative to one or another ›frame of reference‹ guished from sincere assent, and the distinc-
tion is located in the beliefs and intentions of
712 III. Positionen

the speaker. But these, in turn, are construed learned observation sentences and the rest of
by Quine as verbal dispositions (cf. Quine the language. Observation sentences are syn-
1975 c), whose acq uisition the method of as- tactically unstructured objects, mere episodic
sent and dissent was supposed to explain. responses to stimulus conditions fully deter-
Hence we seem caught in a circle. This type mining their (stimulus) meaning. Non-obser-
of objection, however, effective as it is against vation sentences, on the other hand, are syn-
Carnap’s analytic program of ›rational recon- tactically structured and constructed objects
struction‹, is ineffective against Quine’s nat- possessing only relative and language-contex-
uralistic program, which is concerned not tual meaning. How can syntactically unstruc-
with conceptual explication but with theoret- tured objects enter into logical relations with
ical explanation. What seems like logical cir- one another and with structured ones? How
cularity is thus for Quine merely part of the can a sentence entail a response, or a response
dialectic of scientific inq uiry, whereby a given entail another response? How can something
hypothesis (e. g. that ‘Gavagai’ means ‘Rab- with indeterminate meaning relate, deduc-
bit’) is put to the test simultaneously with tively or inductively, to something with de-
many others (e. g. that the alien’s response is terminate meaning? The answers to these
sincere, that he is perceiving a rabbit, that he q uestions are not obvious. Quine’s (1975 a,
is fluent in his language, etc.). A behavioral 316 ff) talk of “pegged observation sentences”
response is thus, of methodological necessity, as structured ›standing‹ transforms of obser-
itself in need of further behavioral checking; vation sentences only moves the q uestion one
but this kind of theoretical holism must not step further: how do pegged observation sen-
be confused with logical circularity. — But tences logically relate to unpegged ones? —
although Quine’s behaviorism cannot be thus Quine’s ambivalence with respect to the
faulted on purely logical grounds, it does suf- meaning conditions for observation and non-
fer from the shortcomings of behaviorism as observation sentences, respectively, is symp-
a scientific program. These are well known, tomatic of a deeper ambivalence between a
and need not be rehearsed here (see, e. g. Koch commitment to verificationism on the one
1964; Dixon/Horton 1967; Chomsky 1959; hand and a commitment to the meaningful-
Taylor 1964; and 6. below). Suffice it to men- ness of ontological distinctions on the other.
tion the general difficulty of extending the Having committed himself to the verification-
conditioning paradigm beyond clearly speci- ist identification of meaning with evidence
fiable, ostensive, or laboratory-like situations, and thus to the view that there are no differ-
where what counts as stimuli, responses, or ences in meaning where there are no observ-
reinforcements are difficult to describe in a able differences, he ought to have denied that
strictly observational, physicalistic, exten- ‘rabbit’ and ‘rabbit stage’ have different
sional language. Adherence to a strictly veri- meanings, or that rabbits and rabbit-stages
ficationist methodology narrowly restricts the exemplify ontologically different kinds. But
range of admissible explanatory variables by Quine takes such (phenomenologically and
disallowing mentalistic or other ›inner‹, non- behaviorally undectectable) differences in on-
observable constructs as possible determi- tology as seriously as anyone but a verifica-
nants of human behavior. This in turn makes tionist should; indeed, the whole q uestion of
it difficult for the behaviorist to provide ex- indeterminacy of meaning and translation
planations of intelligent, goal directed behav- would not arise for Quine without an appre-
ior (including verbal behavior) which seems ciation of the difference between, say, an on-
relatively free of stimulus control — at least, tology of enduring objects and an ontology
given a strictly physicalistic specification of of empirical states or events. Commitment to
the stimuli and of the correlative responses. the significance of such ontological distinc-
— It is actually unclear whether, for Quine, tions is difficult to reconcile with a commit-
the conditioning paradigm is intended to ap- ment to a verificationist methodology.
ply beyond ostensive learning at all; and by
Quine’s own admission, ostensive learning
will not take us far at all in language (Quine 5. Sellars’ functionalism
1976 b, 57). What other psychological mech-
anisms would take over, which would support 5.1. Mind and language
the kind of analogical learning that occurs
beyond ostension, is left unclear. There seems Although Sellars (1912—1989) shares the
to be a sharp divide between ostensively pragmatism and naturalism of Quine, and like
Quine, believes that “science is the measure
50.  Behavioristic approaches 713

of all things” (1963, 173), there is a crucial only adeq uate for talking about the overt,
difference between his philosophical system publicly observable, occurrent as well as dis-
and Quine’s: he does not reject the mentalistic positional (in Ryle’s sense) properties of
framework of commonsense but tries to ex- things. In order to enrich this language in
plain and accommodate it within a natural- such a way as to enable its users to acq uire
istic and materialistic world view. He does, to the ›classical‹ concept of a mental episode that
be sure, reject Cartesian dualism as a source we now have (i. e. the concept of an ›inner‹
of fundamental errors both in metaphysics episode with intentional as well as causal
and in epistemology, but, like Ryle, he does characteristics), Sellars believes that two
not take dualism to be part of our common- kinds of conceptual resources would have to
sense concept of mind. And yet, unlike Ryle be added: (1) semantical discourse, which
and the logical behaviorists, he does not settle would enable Sellars’ mythical people to talk
for a purely dispositional analysis of the about their verbal behavior in terms analo-
mind. Instead, he declares, “I accept mental gous to those in which we now talk about the
acts in something like the classical sense” intentional features of thought; (2) theoretical
(Sellars 1969, 527) — namely in the sense of discourse, which would enable them to posit
occurrent, privately accessible ›inner‹ states inner mental episodes as nonobservable, the-
or episodes which have the ›intentional‹ char- oretical entities which have formal properties
acteristics of reference or aboutness in Franz analogous to the semantical properties of ver-
Brentano’s (1838—1917) sense, and which bal episodes, but which are not verbal epi-
play an essential role in the etiology of our sodes. With this enrichment of the language,
›cognitive‹ behavior, including verbal behav- Sellars’ mythical people would be in a posi-
ior. But while he accepts mental acts in this tion to develop a theory according to which
sense and takes them to be central to our verbal behavior is explained as the overt man-
conception of man and human cognition, he ifestation of a process which begins with ›in-
argues that the concept of such acts is a ner speech‹ (i. e. classically conceived think-
“derivative concept” (Sellars 1969, 527): it ing). — Sellars’ myth, of course, is not in-
derives from a conception of linguistic behav- tended to represent a historical reality but
ior based on a behavioristic model. For Sellars, only to make a conceptual point: namely the
no less than for Quine, the theory of language point that although thought is causally (or in
is thus central to his philosophical system. the ›order of being‹) prior to speech, speech
Part of our ›classical‹ conception of mind, is conceptually (or in the ›order of conceiv-
as Sellars well realizes, is that the concepts of ing‹) prior to thought, for the concept of
speech and thought are in many respects anal- thought is modelled on the concept of speech.
ogous: both speech and thought may be said Furthermore, in order for the model to serve
to (semantically or intentionally) refer to, or its purpose, it must be so describable that no
be about, something or other; both speech mentalistic concepts in the ›classical‹ sense are
and thought are reportable by means of in- presupposed, otherwise the introduction of
direct (›referentially opaq ue‹) constructions mentalistic concepts on the basis of the model
(e. g. ‘John said that p’, ‘John thought that would be methodologically circular. To this
p’); what one judges, as well as what one says, end Sellars proposes a behavioristic model of
may be said to be true or false, interesting or verbal behavior which, albeit admittedly con-
uninteresting, justified or unjustified; and trived and falling short of our full blown
whatever principles of reasoning govern ver- (›post-Rylean‹) conception of linguistic activ-
bal activity also seem to govern mental activ- ity, is nonetheless supposed to be rich enough
ity. In order to explain these formal similari- to admit of a semantic characterization ade-
ties, Sellars proposes a theory in which the q uate for modelling the intentionality of
concept of an (overt) verbal episode is taken thought. Before turning to Sellars’ account of
as primitive and the concept of an (inner) linguistic behavior, however, it is necessary to
mental episode is introduced as an analogical outline his theory of linguistic meaning.
extension of the concept of a verbal episode.
The essential features of Sellars’ theory are 5.2. Meaning as functional classification
vividly encapsulated in a “myth” (Sellars
1963, 178 ff) in which we are asked to imagine Like Quine and Ryle, Sellars rejects denota-
a stage in preshistory in which humans are tional theories of meaning and proposes in-
restricted to a primitive ›Rylean‹ language stead a functional theory according to which
whose descriptive and logical vocabulary is to give the meaning of an expression is to
specify its function, or role, in the language
714 III. Positionen

and behavior of the linguistic community. crete physical utterances; and utterances are
Moreover, as Ryle and Wittgenstein pointed utterings of people, and thus pieces of human
out, for Sellars as well the role of a linguistic behavior. Sellars’ theory of what it is for a
expression is a rule-governed role inasmuch as linguistic expression to be meaningful, to be
it consists of a system of permissible ›moves‹ a role player, thus relates — indeed falls under
that can be made with the expression at var- — a theory of rule-governed behavior (or, as
ious levels and dimensions of linguistic be- Sellars (1969) puts it, a theory of ›linguistic
havior (e. g. in perceptual situations, in infer- conceptual activity‹). Now since tokens of
ential contexts, in practical reasoning, etc.). conceptual, rule-governed human behavior
The meanings of a linguistic expression, there- may broadly be described as ›psychological‹
fore, could in principle be given by specifying states of persons, Sellars’ theory of meaning
the vast and complex system of rules which amounts to a theory which classifies psycho-
govern its role in the language. However, it logical states of persons in terms of the rule-
is in practice more expedient to give the mean- governed functions they play (cf. Harman
ing of an expression by means of a semantical 1968, 595). — It is important to note, how-
statement of the form ‘S in L means p’ which, ever, that to label tokens of rule-governed
according to Sellars, exhibits the role of the linguistic behavior as conceptual or psycho-
expression S by translating it into another logical is not, in itself, to imply that they must
expression p, whose role is assumed to be be understood in terms of the framework of
already familiar to the speakers of the base mental acts in the ›classical‹ sense. To do so
language in which the semantical statement would be to undermine Sellars’ entire pro-
is formulated. Sellars expresses this idea by gram which, as noted under 5.1., construes
reformulating the semantical statement in ca- the ›classical‹ mentalistic framework as a de-
nonical form as ‘S in L is a ·p·’, where ·p· is rivative system of concepts, modelled on a
an (interlinguistic) sortal predicate (common concept of meaningful linguistic behavior;
noun) which applies to linguistic tokens in hence the latter, for Sellars, must be capable
any language which play (roughly) the same of being understood independently of the for-
role as that played in the base language by mer.
the dot-q uoted expression (cf. Sellars 1972,
325). As the copula in the canonical formu- 5.3. Sellars’ behavioristic model
lation shows, semantical statements for Sel-
lars classify linguistic tokens in terms of their While Sellars’ ›full blown‹ conception of lin-
roles; and the role of a linguistic token is guistic behavior recognizes that much of our
exhibited by means of an ›illustrating‹ sortal use of language (particularly for the purpose
predicate, instead of being ›spelled out‹ by a of communication) consists in linguistic ›ac-
complex and, in practice, seldom exhaustively tions‹ or ›performances‹ understood in the
specifiable set of rules. (By a similar method, speech-act theoretic sense of John L. Austin
Sellars shows how semantic statements pur- (1911—1960) and Grice (1913—1988), and
portedly referring to abstract entities, and thus mobilizes the entire ›classical‹ framework
thus seeming to presuppose a Platonist or of ›mental causation‹, this ›full blown‹ con-
Fregean ontology, can themselves be treated ception is, for Sellars, itself an enrichment of
as classificatory statements of the above sort. a simpler and more basic conception of a type
E. g. ‘Dreieckig in German stands for trian- of linguistic activity whose function is not
gularity’ has the form ‘Dreieckig in German communication but ›thinking‹ in the primary
means triangular’, and thus ‘Dreieckig in Ger- behavioristic sense of the word, namely, ›ver-
man is a triangular’; cf. Sellars 1968, 82 f). bally responding‹, or, as Sellars (1975, 323)
To give the meaning of an expression, then, puts it, “thinking-out-loud”. It is this more
is to classify it functionally in terms of its basic behavioristic conception of linguistic be-
role. But what is it for an expression to play havior that Sellars uses as his model for the
a role? It is, as previously mentioned, to be introduction of the ›classical‹ framework of
involved in a system of permissible ›moves‹, thoughts. According to this (deliberately con-
and thus to be governed by a system of rules. trived) behavioristic model, linguistic activity
What rules apply to, in a primary sense, is consists in thinking out loud, i. e., in the pro-
the activities of language users; as a ›nomi- duction of ›candid‹, spontaneous utterances
nalist‹, Sellars holds that what may properly understood simply as verbal responses to
be said to be meaningful, to play roles, to be one’s physical, social and linguistic environ-
rule-governed, etc. are linguistic tokens, con- ment. (An example of such responses might
be the spontaneous utterance of ‘There is a
50.  Behavioristic approaches 715

red ball’ in an appropriate perceptual situa- guished” (Sellars 1973, 487). Learning
tion; another example might be the episode through conditioning, for Sellars, explains not
of ›inferring-out-loud‹ ‘(Hence) there is some- only how one acq uires patterns of responses
thing colored’ as a response to the previous but also how one acq uires permissible, i. e.
utterance.) In addition to episodes of think- rule-governed, patterns of responses; for the
ing-out-loud there are, according to the selective reinforcement and the selective ex-
model, ›short term propensities‹ or disposi- tinction of responses is brought about by the
tions to think-out-loud. These exemplify purposive action of the language trainers (the
›thinking‹ in a secondary behavioristic sense linguistic community) who act on the princi-
of the word, and find their natural manifes- ple:
tation in ›thinking‹ in the primary (episodic) “Pattern-governed behavior of such and such a
sense, i. e., in thinking-out-loud. (It should be kind ought to be exhibited by trainees, hence we,
clear that this contrived behavioristic concep- the trainers, ought to do so and so, as likely to
tion of ›thinking‹, both in the primary and bring about that it is exhibited” (Sellars 1973, 489).
secondary sense, is one that is available to the Thus it is that for Sellars a verbal episode
›Rylean‹ linguistic community in Sellars’ as a piece of pattern-governed behavior can
myth; cf. 5.1. above). — But in what sense is be said to acq uire its meaningfulness or con-
thinking-out-loud thinking at all? Just in the ceptuality as a result of its being a learned,
sense that, like ›inner‹ thinking, it exemplifies rule governed and rule determined item of
conceptual activity; and it does so just by behavior. It is, as such, a thought-out-loud,
virtue of its consisting in (seq uences of) mean- and an appropriate model for the introduc-
ingful, i. e. role-playing and rule-governed, tion of the ›classical‹ concept of ›silent‹, ›inner‹
(verbal) episodes. To be a thought — whether thought.
›inner‹ or ›out-loud‹ — is, for Sellars, just to
be a conceptual, rule-governed episode; and 5.4. Concluding remarks on Sellars’
a verbal episode can be conceptual in this philosophy of language
sense even if it is a non-premeditated or ›can-
did‹ response to one’s environment. Of course It is important to stress the thoroughly holistic
not all verbal responses are conceptual epi- character of Sellars’ functionalist theory of
sodes, or thoughts-out-loud: some may be meaning. Since the linguistic roles of expres-
mere ›parroting‹, meaningless vocalizations. sions obviously overlap and interrelate with
To be a conceptual episode, a response must one another in systematic ways, to know the
(actually or counterfactually) be part of a meaning of an expression is to know the
pattern of responses, it must instantiate cer- meaning of a whole network of expressions.
tain regularities resulting from acq uired ver- Sellars thus concurs with Quine that expres-
bal dispositions. These dispositions, for Sel- sions have meaning only relative to the whole
lars, are response habits acq uired through — or at least large chunks — of the language
conditioning in the process of language learn- to which they belong; and if this kind of
ing. As he explains, the learning of language linguistic relativity were all that Quine’s in-
involves determinacy thesis came to, then Sellars
“(a) the acq uisition of habits pertaining to the would accept that thesis. Actually, Sellars’
arranging of sounds and visible marks into patterns meaning holism is in one respect more thor-
and seq uences of patterns. [...] (b) the acq uisition oughgoing than Quine’s, for even observation
of thing-word connections. [...] These connections sentences, he holds, have no meaning in iso-
are a matter of being conditioned to respond to lation from the rest of the language: stimulus
kinds of stimulations with kinds of verbal pattern” meaning, for Sellars, is no meaning at all. As
(Sellars 1963, 313). a response to current stimulation, an utter-
Such patterns of conditioned responses ex- ance of ‘This is red’ does not count as a
emplify what Sellars calls “pattern-governed meaningful utterance — as a conceptual epi-
behavior” — a type of rule-governed behavior sode — unless it is part of a whole network
which exhibits a pattern not because it has of (actual or possible) utterances (e. g. ‘This
been intentionally so produced (e. g. by delib- is not green’, ‘This is colored’, ‘This would
erately following a rule), but because “the look orange in yellow light’), both in percep-
propensity to emit behavior of the pattern tual and non-perceptual situations. To know
has been selectively reinforced and the pro- the meaning of observation sentences is thus,
pensity to exhibit behavior which does not for Sellars, to be sensitive to their logical and
conform to this pattern selectively extin- conceptual structure as well, and this amounts
to knowing the meaning of its component
716 III. Positionen

terms. There is thus no problem, for him, as lars does, that the dispositional traits of an ob-
there seemed to be for Quine (cf. 4.4. above), ject are physically represented in some under-
about the ability of observation sentences to lying structure of the object (or in the func-
enter into logical or inferential relations with tional organization of the elements which make
other sentences, or with their playing a role up that structure), we may suppose that the
in the confirmation of theories. (The confir- ›stamped in‹ response habits also have an un-
mation of theories is itself a holistic enter- derlying representation in some appropriate
prise: for Sellars no less than for Quine, mean- (presumably neural) structure of the language
ing holism goes hand in hand with episte- user. This representation could well be inter-
mological holism.) preted as an ›encoding‹ of the semantical rules
An analogous sort of holism applies to lan- which govern and shape the relevant response
guage learning (concept formation) as well. habits. In this perspective Sellars would be in
Language is learned in chunks, and the learn- a position to say that language learning
ing is grammatically and semantically multi- amounts to the internalization (through con-
dimensional. This also applies to observation ditioning) of linguistic rules and thus in the ac-
sentences: they are not learned first, and non- q uisition of a cognitive structure (representing
observation sentences and terms later; nor are a speaker’s ›tacit knowledge‹ of the rules, a lin-
they learned piecemeal, or as unstructured guistic ›competence‹ in something like a Chom-
wholes. Just as stimulus meaning, for Sellars, skian sense) which could serve as a causal mech-
is no meaning at all, so ostension, though nec- anism in the manifestation of the acq uired lin-
essary, is not sufficient for the learning of ob- guistic dispositions (cf. Marras 1978). — While
servation sentences: because ostension is not this account makes good naturalistic sense, it
sufficient for learning the whole of language, is unlikely to be theoretically tenable. Foun-
(given a thoroughgoing meaning holism) nei- dational research in linguistics, philosophy of
ther is it sufficient for learning any part of it. language and developmental psycholinguistics
— Nonetheless according to Sellars the mech- in the past thirty years made it abundantly clear
anism of conditioning is central to all language that the conditioning model is theoretically too
learning: grammatical structures (“the arrang- impoverished to be able to account for the ac-
ing of sounds and visible marks into patterns q uisition of a complex and detailed system of
and seq uences of patterns”; Sellars 1963, 313) rules such as underlies a natural language. Al-
are learnable by conditioning, and so is even though arguments to this effect (especially in
the ›theoretical‹ vocabulary of ordinary lan- Chomsky 1959) have largely presupposed a
guage, e. g. mentalistic discourse. Thus, Sellars strictly syntactic conception of linguistic rules,
claims, one can be trained by one’s linguistic there is no reason to suppose that the inclusion
community to respond reliably to one’s own of semantic or even pragmatic rules would
thoughts, since these, on his theory, are linked make a behavioristic account of rule-learning
to speech dispositions, for which we have be- any more plausible.
havioral criteria (cf. Sellars 1963, 188 f). The
learning of language through conditioning is
thus the gateway to both conceptual thinking 6. Concluding remarks
and self-awareness. — It is important to stress, A commitment to the rejection of traditional
however, that Sellars’ account of learning gives mentalism was perhaps the most significant
a fundamental role to the concept of a rule: not driving force behind the rise of the behavior-
just in the sense that what is learned (patterns istic movement both in psychology and in phi-
of meaningful responses) is rule governed, or losophy. In psychology, the concern was pri-
semantically appraisable in terms of rules, but marily of a methodological sort: it was to re-
also in the sense that it is the result of the ap- place the subjective and unreliable method of
plication of rules (on the part of the trainers). introspective analysis with one based on inter-
How can this talk of rules be reconciled with a subjective criteria of empirical control; and
thoroughly naturalistic account of the world? publicly observable items of behavior, rather
The answer, briefly, is that rules are reflected than privately held items of consciousness,
in behavioral regularities or uniformities, and seemed to be the only objects of investigation
these are transmitted from the community (the appropriate to the new methodology. In phi-
trainers) to the language learner. The learning losophy the concern was primarily doctrinal,
process consists in the ›stamping in‹ of patterns for mentalism was taken to imply a Cartesian
of dispositions or response habits mimicking (mind-body) dualism leading to a host of ap-
the (rule governed) verbal behavioral uniform- parently irresoluble problems in both meta-
ities of the community; and assuming, as Sel- physics and epistemology. However, it has be-
50.  Behavioristic approaches 717

come clear in the past thirty years that it was a 7. Selected references
serious mistake to commit mentalism either to
Carnap 1955, Meaning and synonymy in natural lan-
a Cartesian metaphysics or to an introspec-
guages, in Philosophical Studies 7.
tionist methodology notoriously incompatible
Proposes a pragmatic-behavioristic reconstruction
with the rigorous canons of empirical control
of semantic concepts.
and scientific explanation. Developments in
Carnap 1956 a, Meaning and Necessity.
the philosophy of science concerning the struc-
A study in formal semantics; analyzes belief-sen-
ture of scientific theories have led many (fol-
tences in terms of verbal dispositions.
lowing Carnap 1956 b) to construe psycholog-
Chisholm 1958, Sentences about believing, in Min-
ical concepts as ›implicitly defined‹ theoretical
nesota Studies in the Philosophy of Science, vol. II,
concepts related to an observation basis only
Feigl/Scriben/Maxwell (eds.).
in indirect and fragmentary ways, and, as a
A classic critiq ue of physicalistic accounts of belief
conseq uence, to deny introspection its privi-
and meaning.
leged status as a source of knowledge of our
Chomsky 1959, A review of B. F. Skinner’s Verbal
mental states. Concurrent developments in
Behavior, in Language 35..
philosophy of mind have also made it plausible
An influential critique of Skinner (1957).
to suppose that mental states, thus theoreti-
Dixon/Horton (eds.) 1967, Verbal Behavior and S-R
cally construed, might well turn out to be
Behavior Theory.
(›type‹ or ›token‹) identical with either physical
Contains important critiq ues of S — R theories of
or at least functional — perhaps computational
language.
— states of the organism (cf. Armstrong 1968,
Morris 1946, Signs, Language, and Behavior.
Putnam 1971 b, Fodor 1975). Each of these in-
One of the earliest behavioristic theories of symbolic
terpretations of the mental is of course consis-
phenomena.
tent with a strictly monistic and physicalistic
Quine 1960, Word and Object.
ontology, as well as with a scientific method-
Quine’s systematic formulation of his theory of lan-
ology which assigns mental states a genuine
guage.
causal role in the explanation of behavior. —
Quine 1969 a, Ontological Relativity and Other Es-
It is therefore unsurprising that the decline of
says.
behaviorism should have coincided with a re-
A collection of important essays by Quine develop-
surgence of (non-Cartesian) mentalism, both
ing the consequences of his theory of language.
in psychology (›cognitive‹ psychology; cf. Neis-
Quine 1973, The Roots of Reference.
ser 1967), in linguistics (largely through the
An extension of chs. 2 and 3 of Quine (1960).
work of Noam Chomsky), and in philosophy
Ryle 1949, The Concept of Mind.
of mind and philosophy of language. A rec-
One of the most influential behavioristic theories of
onciliation of mentalism with a naturalist phi-
mind in analytic philosophy.
losophy is already evident in the work of Sellars
Ryle 1969 b, The theory of meaning, in Problems in
who, as indicated under 5.1., reconstructs men-
the Philosophy of Language, Olshewsky (ed.).
talistic concepts as theoretical concepts mod-
An account of meaning in terms of rule-governed use
elled on, though not reducible to, verbal be-
of language.
havioral concepts. Unfortunately his account
Sellars 1963, Science, Perception, and Reality.
remains unsatisfactory to the extent that it re-
A collection of Sellars’ early classic essays in epis-
mains grounded in an impoverished stimulus-
temology, philosophy of mind and philosophy of
response conditioning model of language
language.
learning and linguistic behavior; but there is no
Sellars 1968, Science and Metaphysics.
reason, i n view of a liberalized (post positivist)
A formulation of the author’s systematic philosophy.
scientific methodology, why it should remain
Sellars 1975, The structure of knowledge, in Action,
so grounded. Given that mental states are gen-
Knowledge and Reality: Essays in Honor of Wilfred
uinely involved in the etiology of behavior, in-
Sellars, Castañeda (ed.).
cluding linguistic behavior, the way is open for
A concise statement of Sellars’ theory of knowledge,
the introduction of theoretical concepts refer-
mind, and language.
ring to whatever underlying cognitive struc-
Skinner 1957, Verbal Behavior.
tures and mechanisms might prove useful for
The most detailed theory of language in behavioristic
explaining the exercise and the acq uisition of
psychology.
linguistic competence. This, indeed, has been
Wittgenstein 1953, Philosophical Investigations.
the task of developmental psycholinguistic re-
A seminal contribution to the conception of meaning
search both in the Piagetian and in the more
as use.
recent Chomskian ›cognitivist‹ tradition (s.
art. 57). Ausonio Marras, London, Ontario (Canada)
718 III. Positionen

51. The structuralist approaches

1. Kinds of structuralism language. (6) A point of view in the philos-


2. Structuralism in linguistics ophy of science which is also referred to by
3. Methodological issues the term ‘structuralism’ seems to be unrelated
4. Problems in the theory of meaning to all the currents of thought mentioned
5. Selected references above. Since the sixties, some authors, prom-
inent amongst them Patrick Colonel Suppes
(*1922) and Wolfgang Stegmüller (1923—
1. Kinds of structuralism 1991), have studied set-theoretical structures
In various disciplines we can find theoretical which satisfy formulations of scientific theo-
conceptions which are designated by the term ries (cf. Stegmüller 1979, 4). — Here, I will
‘structuralism’. (1) In psychology, at the turn consider only structuralism in the study of
of the century, Wilhelm Wundt (1832—1920) language, i. e. structuralist approaches in the
(s. art. 31) and Edward Bradford Titchener sense of (3) above, and discuss some philo-
(1867—1927) tried to identify the fundamen- sophical problems connected with these.
tal elements of thought and the laws govern-
ing their combinations by models conceived 2. Structuralism in linguistics
by analogy with physical chemistry. In this
way, they hoped to uncover the structure of
mental events (Dellarosa 1988, 3 f). (2) In 2.1. Origins and beginnings
anthropology and sociology, many authors Structuralism in linguistics can be understood
— prominent amongst them are Emile Durk- as a reaction to historical-comparative lin-
heim (1858—1917), Bronisław Malinowski guistics of the 19th century, especially to con-
(1884—1942), and Talcott Parsons (1902— ceptions of the so-called Neo-grammarians
1979) — have come to conceive of societies (Junggrammatiker). The study of language in
and of institutions as structures, the parts of the 19th century concentrated in general on
which are supposed to have determinate func- sound changes in the history of the indo-
tions for maintaining the whole. This ap- european languages. The Neo-grammarians
proach is also known as ›structural function- in particular were interested in the psycho-
alism‹ (cf. Bohnen 1975, chap. 2; Vanberg logical mechanisms underlying sound
1975, chap. 6). (3) In linguistics, in the twen- changes; they stressed that language “nur im
ties and thirties of this century, various ap- Individuum ihre wahre Existenz hat” [has its
proaches were developed which stress the sys- true existence only in the individual] (Osthoff/
tematic character of natural languages. They Brugmann 1977, 199), and they abandoned
have come to be known as ›structuralist‹ ap- the romantic preference for historically early
proaches. (4) Connected with linguistic struc- language forms. A clear statement of neo-
turalism is structuralism in literary theory, grammarian principles can be found in Paul
some of whose most prominent proponents (1968). He emphasized the relevance of psy-
are Roman Jakobson (1896—1982) (cf. Ja- chology for linguistics. According to him, lin-
kobson 1960), Jan Mukařfovský (1891—1975) guistic investigations are sterile if they ›do not
and more recently Roland Barthes (1915— also find out something about the historical
1980) and Tzvetan Todorov (*1939). This cur- genesis of language‹ (20 f). — At the begin-
rent of thought looks at literary artefacts as ning of this century students of language be-
autonomous structures largely independent of gan to take seriously the idea that states of
their authors’ intentions. (5) Furthermore, language could and should be described with-
there is a tendency to see analogies between out having recourse to their historical genesis.
various manifestations of human thought and This was the demand for synchronic descrip-
activity and the structure of natural language tion, as Ferdinand de Saussure (1857—1913)
or of sign systems in general. The workings (s. art. 36) called it in contradistinction to
of the mind (Jacq ues Lacan, 1901—1981), diachronic description having to do with proc-
modes of social organization and behaviour esses of change. Connected with this demand
(Claude Lévi-Strauss, *1908), and even the was an emphasis on the systematic character
history of ideas as such (Michel Foucault, of natural languages and a distinction be-
1926—1984) are taken to manifest autono- tween language as a system and language as
mous structures similar to those of natural used by the individuals (s. art. 67). These con-
51.  The structuralist approaches 719

ceptions were linked to a trichotomy of lan- lated by von der Gabelentz and de Saussure
guage system, speech behaviour, and lan- has affinities to theoretical ideas propounded
guage competence. This trichotomy was set in other fields of inq uiry: (a) Cassirer (1946 a,
up by Georg von der Gabelentz (1840—1893) 106—109) pointed out that the linguistic con-
(cf. Gabelentz 1969) and later it was adopted cept of a system is similar to conceptions of
by de Saussure (1967) who brought it into a an organism discussed in 18th century biol-
form which was to exert influence on later ogy. (b) At the beginning of the 20th century
linguists (about links between von der Ga- in psychology, the idea of the perceptual Ge-
belentz and de Saussure, cf. Coseriu in Ga- stalt was gaining influence. This is the idea
belentz 1969, 7—24; 31—33). — In linguistic that, in perception, sensory data are organ-
research there already existed a practice to ized in comprehensive forms which cannot be
describe states of language without taking considered mere sums of the individual ele-
historical processes into account, i. e. without ments (cf. for an introductory account Smith
looking into their genesis. In the last q uarter 1988). In linguistic analysis this corresponds
of the 19th century, linguists, especially in to the distinction between the set of all indi-
Switzerland, began studying the geography of vidual instances of language behaviour and
languages and dialects (cf. e. g. Tappolet the linguistic system as a whole. (c) At that
1977). Naturally, they were more interested time, the idea of system also became impor-
in language as it is spoken in a certain region tant in sociology, in particular in the work of
at a certain time than in delineating the his- Durkheim. Possibly, de Saussure’s conception
torical processes leading up to the state of the of ›langue‹ was influenced by Durkheim (Do-
language to be described. In North America, roszewski 1933, 89). In any case, de Saussure
Franz Boas (1858—1942) and his school stud- emphasized that language as a system is a
ied American Indian languages. When re- social institution and as such independent of
cording and analyzing these languages, they the individuals speaking it.
of course could only try to describe language In the twenties and thirties, many students
states. They were not in the position to give of language adopted the ideas sketched above
an account of the historical changes which and formed various linguistic schools which
these languages had undergone. — De Saus- became known as ›structuralist‹ (Arpresjan
sure’s conception of the system of language 1964, 17—86; Bierwisch 1966; Christmann
(langue) had two specific features: (1) explic- 1958; 1961; Coseriu 1988; Lepschy 1969;
itly, the emphasis on the relational connec- Sampson 1980, 50—80; 103—129, all of them
tions between the elements of the system; (2) survey these schools). Here, I will concentrate
more implicitly, the idea of function: the ele- on four approaches: the structural function-
ments of the system have the function of alism of the Prague school, the so-called ‘glos-
signs. — De Saussure concentrated his atten- sematics’ of the Copenhagen school, Ameri-
tion especially on two types of relation: syn- can structuralism and various attempts at
tagmatical relations and associative or, as structuralist semantics.
Louis Hjelmslev (1899—1965) called them
later, paradigmatical relations. A sign is syn- 2.2. Prague structuralism
tagmatically related to those other signs with
which it can appear together in a well-formed The Prague school emerged in the second half
array. It is paradigmatically related to those of the 1920s. But already 1911 one of its
which can be substituted for it in these arrays. founders, Vilém Mathesius (1882—1945), had
De Saussure linked the notion of relational insisted on synchronic descriptions of linguis-
connection with a distinction between form tic states (1964, 30 f). Among the prominent
and substance: the linguistic system is essen- members of the Prague school in linguistics
tially form; the substance in which it materi- are Jakobson, Mathesius, and Nikolaj Ser-
alizes is of secondary importance in a science geevič Trubeckoj (1890—1938). They were in-
of language (1967, 254; 276). With regard to fluenced by Russian linguistics and Russian
sign function de Saussure discussed the con- theory of literature, but also by de Saussure
nection between linguistic sense (or content) and Edmund Husserl (1859—1938) (about
and linguistic expression. He emphasized the the latter’s connection with Jakobson, cf.
arbitrariness of this connection. On the other Holenstein 1976). Vachek (1966) gives an ac-
hand, he did not discuss how the linguistic count of the Prague school research; impor-
sign is related to non-linguistic reality. — The tant texts have been collected by him (Vachek
concept of linguistic system as it was formu- 1964). — The Prague linguists opposed de
Saussure’s conception of language states as
720 III. Positionen

irrelevant for linguistic change. They tried to realization of language in speech. In opposi-
exploit synchronic descriptions for the expla- tion to the Prague school Hjelmslev insisted
nation of diachronic processes. According to on linguistic form as being completely inde-
them, language change is conditioned in part pendent of phonetic substance. He identified
by imbalances in language states. Thus, they the elements of language with their functional
introduced the idea of a tendency towards roles, and therefore thought that the way they
linguistic balance: whenever the system comes are materially realized is irrelevant for the
out of balance, i. e. when some linguistic ele- analysis of language as a system. The social
ments no longer fulfil their proper functions, character of language also diminishes in im-
certain processes set off for a restoration of portance, and the whole emphasis is put upon
the eq uilibrium. This account of linguistic purely formal features. In this way, Hjelmslev
change involves an appeal to the functions of tried to construct an autonomous science of
language. Some Prague linguists took over language. In pursuing this aim he wanted to
Karl Bühler’s (1879—1963) (s. art. 38) tripar- contribute not only to linguistics, but also to
tite classification of the functions of language: semiotics, i. e. to a general theory of signs.
representative (Darstellung), expressive (Aus-
druck), and vocative (Appell) function (1934, 2.4. American structuralism
30—33). Later, in 1960 b, Jakobson modified
this classification and expanded it further. — In the second half of the last century Amer-
The main field of research of the Prague ican linguists had begun to document and
school was phonology. In his Grundzüge der analyze languages of the American Indians.
Phonologie Trubeckoj contrasted phonetics This activity led to the recognition of the
with phonology. The former has to answer systematic character of language at a given
the q uestion “wie dies und das gesprochen time. The occurrences of linguistic elements
wird” [how this or that is pronounced] (1977, could be described only; it was not possible
13), whereas the latter has an entirely different to trace the history of the languages under
task: “Der Phonologe hat am Laut nur das- investigation as there were no written records
jenige ins Auge zu fassen, was eine bestimmte available. The procedure applied was called
Funktion im Sprachgebilde erfüllt” [the pho- ‘descriptive’, and, accordingly, the American
nologist has to investigate only those features structuralists have become known also as
of the linguistic sound which fulfil a definite ›descriptivists‹. The most influential represen-
function in the system of language] (1977, 14; tatives were Edward Sapir (1884—1939) and
for the contrast between phonetics and pho- Leonard Bloomfield (1887—1949). Sapir
nology see also Holenstein 1989); Trubeckoj pointed out that “a basic plan, a certain cut”
succeeded in classifying distinctive sound op- is characteristic for every language, and he
positions. Building on the work of Trubeckoj, called this the “the structural genius” of the
Jakobson (1971, Sel. Writings I, 301 ff) pro- language (1921, 120). Bloomfield (cf. 1933)
posed to reduce all phonemes to combina- also emphasized that languages are systems,
tions of distinctive binary features. Jakobson and, like Sapir (1925), he tried to exhibit the
and Morris Halle (1956, 38—44) develop this systematic character of language especially
idea in detail. with work on the sound structure of lan-
guages. — American structuralism has three
2.3. The Copenhagen school specific features: (1) Because of their study of
hitherto unknown American Indian lan-
Best known among the members of the Co- guages, American structuralists had to reflect
penhagen school are Hjelmslev, Viggo upon the methods used in describing and an-
Brøndal (1887—1942), and Hans Jørgen Ul- alyzing languages. Methodological awareness
dall (1907—1957). They developed the so- with regard to empirical procedures, there-
called ‘glossematics’. Bertha Siertsema (1965) fore, in American structuralism generally is
provides an outline of this approach. — Glos- more developed than in the European
sematics takes over de Saussure’s thesis that schools. (2) American structuralists had to
language is form and not substance, and ex- analyze utterances made by people belonging
pands on it. “Sie verschiebt aber zugleich to illiterate cultures, and, for this reason, they
damit die Grenze zwischen Sprache und had the problem of isolating sentences in
Rede” [At the same time it shifts the boundary heard speech. This led to an emphasis on
between language and speech] (Coseriu 1988, sentences and sentence boundaries in linguis-
123); that means for the analysis of language tic description. Thus, in their conception of
that it disregards everything pertaining to the language American structuralists allotted a
51.  The structuralist approaches 721

more important place to sentences than did of semantic fields (Wortfelder) put forward
European structuralists who directed their at- by Jost Trier (1894—1970) in 1931. Trier ap-
tention instead to elements on the phonolog- plied de Saussure’s idea of the linguistic sys-
ical and morphological levels. (3) Many tem to the vocabulary of German. He char-
American structuralists adopted an anti-men- acterized the vocabulary of a language as an
talistic attitude. In his later writings, after integrated system of words (actually: lexemes)
1926, Bloomfield attacked mentalistic linguis- related to each other in their meanings. Ac-
tics and psychology. Mentalism for him cording to him this system is in constant flux.
meant (a) a dualist point of view concerning Trier himself studied the semantic field relat-
the mind-body problem; according to it the ing to knowledge and understanding, and he
mind is a substance completely different from did this not only synchronically but also with
physical matter (1933, 32); and (b) a theoret- regard to its historical development. He com-
ical approach which explains speech and pared different temporary states of this se-
other behaviour by invoking ›thoughts‹, ›con- mantic field. — Trier believed that every lan-
cepts‹, ›images‹, and so on. These two tenets guage is connected with a special ›Weltan-
can be distinguished, though, and the latter schauung‹. The semantic fields belonging to
does not necessarily imply dualism. When in a language organize the experience of the
the following I use the word ‘mentalism’ I members of the linguistic community, and
will take it in this latter sense only, which, in eventually help to express the ›Weltanschau-
any case, is the one of methodological im- ung‹ inherent in the language of the com-
portance. Antimentalism motivates a scepti- munity. Trier’s theory of semantic fields and
cal attitude towards the appeal to intuitions similar work by Leo Weisgerber (1899—1985)
about linguistic meaning. Many American (s. art. 58) are relevant for the thesis of lin-
structuralists believed that language can be guistic relativity (s. art. 74) according to
described and analyzed without an obligatory which language determines thought. A recent
recourse to meaning intuitions. Bloomfield formulation of a theory of semantic fields is
and many of his successors, notably Bernard given by Richard Grandy (1987). Grandy em-
Bloch (*1907), Zelig Sabbetai Harris (*1909), phasizes the usefulness of the theory in prag-
George Leonard Trager (*1906) and Henry matics. — Walter Porzig (1934) made a some-
Lee Smith (*1913) tried to give such a de- what different contribution to structuralist
scription of linguistic forms. In particular semantics. He was more syntactically oriented
they tried to do without one kind of linguistic than Trier. He studied syntagmatic connec-
relations considered by de Saussure, namely tions between words and the corresponding
paradigmatic relations, as the identification relationships in meaning. Similar investiga-
of paradigmatic relations relies on distinc- tions were undertaken by Lyons (1971, chap.
tions of meanings. Instead, they concentrated 9). His interest concentrated on relations of
on the occurrences of linguistic items in syn- opposition and contrast between words and
tagmatic relations, i. e. on what they called on other structural features of the vocabulary.
their ‘distribution’. — Dell Hathaway Hymes — Sometimes proposals for a componential
and John Fought (1971) give a historical sur- analysis are also called ‘structuralist’. They
vey of American structuralism. postulate that the meaning of words is the
result of combining elementary meaning
2.5. Structuralist semantics units. Hjelmslev (1959 b) and Jakobson have
sketched semantics of this type. Jerrold J.
There were several attempts towards a struc- Katz and Jerry Fodor (1963) tried to integrate
turalist semantics. In part, they are to be such an analysis into generative transforma-
found outside of the structuralist schools tional grammar.
listed here. These attempts concentrate on
items of the vocabulary rather than on sen- 2.6. Further structuralist approaches
tences as units of semantic description. Ac-
cording to them, the meaning of a word is at Here, I will briefly mention some further ap-
least in part determined by its place in the proaches belonging to linguistic structural-
structure of the vocabulary of the language. ism. (a) The school of Geneva: Charles Bally
A short account of these conceptions is given (1865—1947) and Albert Sechehaye (1870—
by John Lyons (1971, chaps. 8 and 9). Rele- 1946) were its main representatives. They
vant texts are collected by Lothar Schmidt dealt with problems of stylistics. Further-
(1973) and Horst Geckeler (1978). — One of more, the Geneva school edited de Saussure’s
the first moves in this direction was the theory unpublished manuscripts. Important texts are
722 III. Positionen

collected by Robert Godel (1969). (b) The dividual. Apart from this, though, in their
London School was founded by John Rupert theoretical as well as in their methodological
Firth (1890—1960). Its orientation is — like ideas the structuralist approaches differ
the orientation of American structuralism — widely. Between and even within the different
antimentalistic; but it puts higher emphasis schools there is no agreement on the proper
on contextual factors and social functions of conception of linguistic structure. Hence there
speech (cf. Sampson 1980, 212—235). (c) Im- are diverging theoretical ideas about the char-
portant for the development of Prague struc- acter of linguistic subject matter and about
turalism was Russian linguistics at the turn linguistic explanation. Furthermore, there are
of the century with Filipp Fedorovič Fortun- diverging methodologies for the description
atov (1848—1914) and Jan Ignacy Baudouin of language, even on the synchronic level. —
de Courtenay (1845—1929) as its main rep- In this section I will discuss some problems
resentatives. Baudouin de Courtenay char- which belong to the philosophy of linguistics
acterized the phoneme as the mental image or to its general methodology. First, I will try
of a spoken sound. This conception proved to isolate different conceptions of structure.
to be important for the formation of pho- Second, I will discuss the methodological im-
nology. — After the second world war, Rus- port of the distinction between synchronic
sian linguists were creative again, especially and diachronic descriptions. The last two top-
with the development of generative models in ics treated are more relevant to European
the fifties and sixties. Helmut Jachnow (1971) than to American structuralism: they concern
supplies a short historical survey. (d) Gener- the nature and adeq uacy of functional expla-
ative transformational grammar: this ap- nation in linguistics and the demands for the
proach introduced by Noam Chomsky autonomy of linguistics.
(*1928) tries to construct a model of human
language competence with the help of axio- 3.2. The notion of structure
matic systems. Sometimes it is classified as
›structuralist‹ (Bierwisch, 1966, 104). This is Von der Gabelentz (1969, 3; 63) and de Saus-
justified insofar as this approach tries to ac- sure (1967) used the word ‘system’ (respec-
count for the systematic character of lan- tively its eq uivalents in French and German),
guage. It uses generative models. In these not the word ‘structure’. Only later the use
models mathematical tools like recursion the- of the word ‘structure’ became current. Ja-
ory are employed which were developed in kobson may be responsible for this change in
mathematical logic. Generative transforma- terminology: in 1929 he uses the word ‘struc-
tional grammar differs from European struc- turalism’ (1971, Sel. Writings II, 711) appar-
turalism in its lack of emphasis on the func- ently for the first time in linguistics. — The
tions of language; it differs from earlier Amer- concept of structure can be made mathemat-
ican structuralism in its rejection of behav- ically precise. (1) In set theory a structure is
iourism and antimentalism. With regard to a domain of ›colourless‹ individuals together
one issue, though, it contrasts with all other with a pattern of relations or a single relation
approaches usually considered to be ›struc- of sufficiently high order (Gandy, 142 f). Such
turalist‹: in the theory of language it assigns a characterization does not distinguish be-
a central place to the psychological req uisites tween structures interesting for some purpose
for language use in the individual. and those which may lack any interest what-
soever. Therefore, it is not really relevant for
linguistic structuralism. (2) A more specific
3. Methodological issues mathematical concept is what might be
termed an axiomatizable structure. Sets of
3.1. Prefatory remark individuals with computable relations defined
upon them are axiomatizable structures in
The linguistic approaches considered here this sense: e. g. the denumerably infinite set of
combine methodological prescriptions for the well-formed expressions of such languages
investigation of languages with general the- can be generated from finite sets of symbols
oretical ideas about linguistic subject matter. by computable relations. — In any case, to
They have two features in common: (1) they ask for a description of a language as a struc-
all concur in attributing high importance to ture in the sense of (1), merely, is not very
synchronic descriptions; (2) they all assign a significant as, indeed, everything can be con-
secondary role to the behaviour and the psy- sidered that way. The demand for it, there-
chological make-up of the language-using in- fore, must be specified in some way or other
51.  The structuralist approaches 723

to be of any substantial or, even better, em- is of a methodological nature. It involves the
pirical interest. One substantial notion of req uirement that a set containing many ele-
structure refers to sets of elements and their ments is to be described by a small set of
possible combinations (cf. Holenstein 1974, sentences. A set admitting such a description
15 f). This concept expresses an atomism ac- is called a ‘system’ or a ‘structure’. Harris
cording to which complex entities come into (1954, 35) for example writes:
being when atoms are put together. In lin- “it is possible to describe the occurrence of each
guistic structuralism, though, the opinion that element indirectly, by successive groupings into
such an atomism is applicable and fruitful for sets, in such a way that the total statements about
linguistic investigations is not prevalent. But the groupings of elements into sets and the relative
it may lie at the base of Jakobson’s and occurrence of the sets are fewer and simpler than
Halle’s theory of distinctive features and of the total statements about the relative occurrence
componential analysis in structuralist seman- of each element directly”.
tics. — Two other substantial conceptions of Hjelmslev favours the same idea: he postu-
structure, however, are more characteristic for lates that every ›process‹, i. e. every text, is a
linguistic structuralism. According to the system of this kind, and, hence, can be de-
Prague school, language is a system of means scribed in such an economical way (1963, 57).
of expression which are directed toward the This concept of structure is connected closely
fulfilment of a goal — a functional system with the second mathematical concept men-
(système fonctionnel, Vachek 1964, 33). A tioned above: something is a structure which
functional system is a whole consisting of can be described exhaustively by an axiomat-
parts or elements which serve definite ends or ical system, and thus is an axiomatizable
functions (the word ‘function’ here does not structure. — In addition to the two mathe-
refer to functions in the mathematical sense). matical concepts of structure we have three
The Prague school explicitly emphasized this substantial concepts and another one which
notion of function. But the conceptions of de is of a methodological nature:
Saussure and of Hjelmslev also involve an (a) structure as a set of elements with their
appeal to functions. For them sign functions possible combinations;
are of central importance. But whereas de (b) structure as functional system;
Saussure and Hjelmslev considered only static (c) structure as system of functional roles;
linguistic systems from a functional perspec- (d) structure as a domain which can be de-
tive, the Prague linguists paid attention to the scribed axiomatically.
historical development of languages under a
functional point of view. — Not all uses of a The mathematical concepts mentioned above
substantial concept of structure can be un- are neutral with regard to the first three con-
derstood in this way. Already de Saussure cepts. For the identity of a mathematical
emphasized that linguistic units do exist only structure does not depend on the way the
in virtue of the relations in which they are elements are realized materially or on the
situated. Linguistic units exist as such only functions they have. The fourth concept only
insofar as they play certain roles, or fulfil is connected with the mathematical notion of
certain functions; one abstracts completely an axiomatizable structure. — It remains to
from the way these units are realized mate- be remarked that (a) is of minor importance
rially. A structure, thus, is a system of func- in linguistic structuralism, (b) is characteristic
tional roles. This seems to be the point of the for the Prague functionalists, (c) for glosse-
slogan ‘Language is form, not substance’, and matics, (d) for glossematics and American
also to be intended by the emphasis de Saus- structuralism.
sure puts on values as elements of the lin-
guistic system. This manner of thinking is 3.3. The description of structures
similar to the ideas underlying the concept of Structuralists distinguish between diachronic
functional system. But it differs from them in and synchronic descriptions and hold that
not assigning an independent existence to the synchronic description is an important task
elements of the system; the elements exist only for linguists. That is, they pose the method-
be virtue of filling places in the system. These ological req uirement (a) to describe the state
places may be occupied by various ›sub- of a language at a given time as a structure
stances‹, i. e. material entities of various kinds — i. e. either as a functional system or as a
can be put into these places (for the concept system of functional roles or as a domain to
of functional role cf. Loar 1981, 45). — The be described axiomatically — and (b) to omit
last concept of structure to be considered here
724 III. Positionen

reference to the coming about of these lan- descriptions. For it seems as if the objects of
guage states when describing them. This a synchronic description are accessible to in-
methodological req uirement together with the trospection. De Saussure had emphasized a
distinction between diachronic and syn- so-called ›subjective analysis‹ as specific for
chronic description has not always been un- synchronic descriptions. With ‘subjective
derstood correctly. Here I will comment on analysis’ he referred to the analysis by a native
two misconceptions. speaker, and he said explicitly that this anal-
(1) Sometimes we can read that a syn- ysis cannot fail: “La langue ne se trompe pas”
chronic investigation is not a historical inves- [Language cannot be deceived] (1967, 415).
tigation — see Heinrich Lausberg (1948) for When constructing synchronic descriptions
a succinct statement. It seems that this opin- the Prague linguists appealed to linguistic
ion can be traced back to de Saussure. In the consciousness (Trubetzkoy 1973, 63 f; Vachek
Cours he suggests that economics (a theoret- 1966, 30). Later, a similar stance is taken by
ical branch of scientific thought which in no Chomsky when he employs the linguistic in-
obvious way can be taken to belong to his- tuitions of native speakers for the evaluation
torical disciplines) corresponds to synchronic of grammatical models. — This peculiar na-
linguistics whereas economic history corre- ture of the data for synchronic descriptions
sponds to diachronic linguistics. — The word may give rise to epistemological problems.
‘history’ can be taken to refer to “the study The epistemological position involved in-
of seq uential changes that have occurred in cludes a claim of priority: the information
any subject matter” (Nagel 1961, 547). But contained in a synchronic description is epis-
historians seem to be concerned also with temologically privileged as compared to, for
making “warranted singular statements about example, information contained in diachronic
the occurrence and the interrelations of spe- descriptions. The introspection by which syn-
cific actions and other particular occurrences” chronic information is obtained seems to
(Nagel 1961, 550). Thus, an account can be guarantee that it is certain and incorrigible
called ‘historical’, if it treats particular occur- knowledge (cf., e. g., Coseriu 1988, 60). Such
rences with respect to their interrelation in- a position might derive from considerations
cluding processes of their coming about. A which are related to the epistemological status
diachronic description deals with a succession of psychology popular at the end of the last
of several events, respectively several states of century. Franz Brentano (1838—1917), Hus-
a system. Such descriptions may be connected serl and Wilhelm Dilthey (1833—1911) distin-
with genetical explanations. Adopting the use guished between descriptive and genetic psy-
of the word ‘history’ just explained, a dia- chology. According to them descriptive psy-
chronic description can be called a ‘historical chology appeals to introspection and, there-
description’. But according to this use of the fore, is in a position to grasp reliably what is
word ‘history’, also a description of the state going on in the mind. Genetic psychology on
of a system at a certain time q ualifies as a the other hand, tries to explain the succession
historical description. In general, such a syn- of mind states, and this explanation req uires
chronic description can be made without re- statements involving laws which cannot be
ferring to earlier states of the system. This validated by introspection alone. — Today
does not change its character of being a his- such a position with regard to synchronic
torical description when ‘historical’ is used in descriptions may appear q uestionable. Vari-
the sense adopted here. Of course, the use of ous theoretical considerations and also vari-
the word ‘historical’ can be restricted to dia- ous experimental results tell against the reli-
chronic descriptions, respectively to the ability of introspective methods (Lyons 1986,
events and changes described by them. But I chap. 5) There may even be cases in which
cannot see that any theoretically interesting these doubts are not justified. But we cannot
reasons justify such a terminological decision. remain content with merely registering this
Therefore, the problem, whether synchronic fact, and we feel that an explanation in cases
descriptions should be called ‘historical’ or of actual reliability of introspection is called
not, seems to be merely a terminological issue for. Hence, if we want justifiably to appeal to
without factual content. speaker’s intuitions we need a psychological
(2) With regard to their empirical data theory specifying to which extent and for
synchronic descriptions appear to be in a spe- which reasons linguistic intuitions are relia-
cial position when compared with diachronic ble.
51.  The structuralist approaches 725

3.4. Functional explanation in linguistics tional explanation is adeq uate then the state
or property to be preserved by the system is
The req uirement to describe languages as specified with some precision and explicitness.
functional systems or as systems of functional Often, though, such a specification is not
roles forces the linguist to take into account forthcoming, and then the following remark
the functions of linguistic units: applies:
“Actually, all ›structuralists‹ reckon with the func-
“proposed explanations aiming to exhibit the func-
tion of linguistic units: setting apart a feature as
tions of various items in a [...] system in either
‘distinctive’ implies that its function suffices to
maintaining or altering the system have no sub-
make it an object of interest and assign it to a
stantive content, unless the state that is allegedly
definite class” (Martinet 1962, 3).
maintained or altered is formulated more precisely
This remark by André Martinet (*1908) ap- than has been customary” (Nagel 1961, 530).
plies especially to European structuralism. In For example, only one persistent feature of
American structuralism less emphasis is put a language might be specified, namely that it
on function in connection with structure. For, makes communication possible. But then re-
in America, the methodological concept of ferring to the distinctive function of a sound
structure played a more important role and S does not yet explain why just S is part of
did not suggest an appeal to functions. — the sound system and not another sound serv-
Trubeckoj and Jakobson — later also Mar- ing the same distinctive function. One might,
tinet (1962) and Michael Alexander Kirk- of course, postulate a state of balance which
wood Halliday (*1925) (1970) — stressed the sound systems strive for. But if it cannot be
functional point of view. Trubeckoj saw lan- made clear what it means to be in balance,
guage as a structure which has to make pos- the explanation offered will be inadeq uate. If
sible many different single speech acts. That at the same time other factors are made re-
there is such a variety of speech acts depends sponsible for sound changes (e. g. influence
on the fact that language has an inventory of from outside the language area) and the rel-
morphemes which have to be distinguishable ative importance of the different factors is
for speaker and hearer. It is the function of not specified, the explanation is even less sat-
a sound S in a sound system P with a specific isfactory. — Explanations appealing to lin-
organization O that morphemes get distin- guistic functions in this way are incomplete
guished by S via its position in the system P. to a high degree. The reason for this is that
Someone who specifies the function of a the theoretical ideas about the connection
sound in this way, by doing it wants to explain between linguistic structure and linguistic
why there is this sound in the language at a functions are relatively vague and, therefore,
given time, and why it is related to other have only low empirical content. Insofar as
sounds in a certain way. But functional con- such theoretical ideas do not satisfy the de-
siderations are appealed to not only in syn- mand for precision and empirical testability,
chronic but also in diachronic investigations. the methodological req uirement to describe
Trubeckoj and Jakobson claimed that sound languages as functional systems cannot be
changes often have the task to restore an fulfilled in an adeq uate way. Similar problems
eq uilibrium in the linguistic system. — Lin- arise in sociology and anthropology, and have
guistic structuralism uses the notion of func- been discussed there extensively (cf. Vanberg
tion in these ways, and this means that it 1975, 167—171). A more adeq uate assess-
employs a kind of explanation which is ment of linguistic functionalism might well be
known as ›functional explanation‹ in the phi- possible if more attention were payed to the
losophy of science (cf. Nagel 1961, 401—428; affinities between sociological and linguistic
520—535; Hempel 1959). Biology has applied functionalism.
functional explanations successfully to the
structure of organisms and of animal socie-
ties. There are, however, some problems con- 3.5. The autonomy of linguistics
nected with such explanations which — as it Two elements of de Saussure’s thought can
seems to me — have not been noted suffi- be employed for the justification of an alleged
ciently by linguistics. — It is a characteristic autonomy of linguistics: first, his emphasis on
feature of functional systems that they pre- the social character of language and on the
serve a certain state or a certain property even supposed chasm between language as an in-
though the surroundings or the system itself stitution and the linguistic accomplishments
may undergo considerable changes. If a func- of the individual; second, his thesis that lan-
guage is form, not substance, i. e. his concep-
726 III. Positionen

tion of linguistic structure as a system of of which is hierarchically constructed and can


functional roles. In structuralism after de be analyzed into sub-units. One component
Saussure, the autonomy of linguistics has can be related to the content communicated
been argued several times. Here, I will com- by linguistic utterances, and, therefore, is
ment on two such arguments: one by Trubec- called the ‘content plane of language’. The
koj for the autonomy of phonology, and one other component can be related to the way
by Hjelmslev for the autonomy of linguistics this content is expressed, by means of sounds
as a science dealing with form. — Trubeckoj or by means of inscriptions or in some other
joined de Saussure in the emphasis on the way. This component is called the ‘expression
social character of language and elaborated plane of language’. Both these components
this with regard to the relationship between have the same structure. A semiotic structure
phonetics and phonology. According to Tru- differs in its nature completely from the things
beckoj, phonetics has to disregard linguistic which belong to non-linguistic object do-
meaning completely and exclusively to adopt mains. Hjelmslev calls non-linguistic reality
methods from the natural sciences. With such ‘substance’, and, according to him, ›sub-
an attitude and using such methods, phonet- stance‹ is investigated by sciences other than
ics has to investigate the physical properties linguistics. From a formal point of view, it is
of language sounds and to study the physio- a characteristic feature of form or semiotic
logical and psychological properties of their structure that it can be divided into two struc-
production and reception (1977, 13). The turally identical components. Semiotic struc-
speech act as analyzed by phonetics is “eine tures form the subject matter of linguistics
Welt der empirischen Erscheinungen” [a and cannot be described by recourse to other
world of empirical phenomena] (1977, 15). scientific disciplines. Hence, language has to
Phonology, on the other hand, is interested be investigated ›immanently‹ or from a strictly
in the meaning and in the function of what linguistic point of view (cf. Hjelmslev/Uldall
is spoken. It is concerned with the ›social 1936, 1). Language must not be considered
utilization of material things‹: ›essentially a function of other things‹, i. e. an
“In allen solchen Fällen muß die soziale Institution outcome of biological, psychical, physical or
als solche von den konkreten Handlungen, in denen social factors. The adoption of this ›imma-
sie sich sozusagen realisiert und die ohne sie nicht nent‹ procedure makes it possible for linguis-
möglich wären, streng getrennt werden, wobei die tics to become an ›exact science‹. — First a
Institution in den Beziehungen und Funktionen, comment on Trubeckoj’s thesis of autonomy.
die auf sie bezogene Handlung aber von der phäno- In the social sciences of this century, partic-
menologischen Seite untersucht werden muß.” ularly in sociology, there has been an ongoing
[In all such cases the social institution as such is to controversy between two research pro-
be separated from the concrete actions. Through grammes: an individualist programme which
them the institution, as it were, realizes itself, and tries to explain social institutions and their
the actions are not possible without the institution. changes by an appeal to psychological factors
The institution has to be studied with regard to and psychological theories; and a collectivist
relations and functions, the actions related to the programme which defends the autonomous
institution must be studied form the phenomeno- and independent reality of the social world
logical aspect.] (Trubetzkoy 1977, 15). (cf. Bohnen 1975). Structural functionalism
Language and its sound system, therefore, in sociology is part of this latter programme.
belong to the social world, and social facts Trubeckoj emphasizes that social facts form
demand special methods of investigation. a domain apart from the domain of ›empirical
Hence, the study of language and the sounds phenomena‹, and thus the fate of his thesis
of language is to a large extent independent of the autonomy of linguistics comes to de-
of investigations dealing with ›empirical‹ phe- pend on the eventual outcome of the contro-
nomena related to them. — Hjelmslev (1963) versy between the two sociological research
elaborates de Saussure’s thesis of language as programmes. If the reality of the social world
form. According to him, the analysis of lin- can be vindicated Trubeckoj’s autonomy the-
guistic states yields descriptions of systems of sis will be supported. If, on the other hand,
functional roles. These systems are purely for- individualist explanations are more successful
mal sign systems or semiotic structures, and we will have reason to doubt the autonomy
they constitute a domain for scientific inves- thesis. — Now a comment on Hjelmslev’s
tigation of its own. Semiotic structures are thesis of autonomy. When Hjelmslev main-
systems consisting of two components each tains that there are form and substance, this
amounts to making the claim that there are
51.  The structuralist approaches 727

two entirely different domains of reality: One linguistic consciousness and to intuitions
of them is analyzed as language (or as form), about meaning. When constructing phono-
and it consists essentially of two structurally logical and morphological accounts of lan-
identical components. The other domain is guages, European structuralists have availed
substance and cannot be analyzed in this way. themselves of these methodological resources.
The former domain is represented by a for- They have, however, spent much less effort
mal-syntactical description (or ›algebraical‹ for the development of detailed theories of
description as Hjelmslev puts it) which distin- meaning and systematic accounts of the se-
guishes between two structurally identical mantic structure of individual languages.
components: content and expression. The lat- American structuralists, on the other hand,
ter domain is represented by a formal-syntac- have eschewed as far as possible an appeal to
tical description which does not make such a linguistic consciousness and to meaning in-
distinction. — Apparently, Hjelmslev believes tuitions in describing languages. Most Amer-
that uninterpreted formal systems as such can ican structuralists rejected a mentalistic ac-
be satisfied by definite domains of reality in count of meaning and took meaning to reside
a uniq ue way: each of the two formal systems in the world outside the linguistic utterance.
selects its own corresponding part of reality. They believed, furthermore, that we lack the
But results of modern logic and model theory knowledge from other disciplines for giving a
make us doubt that this is possible. With satisfactory account of meaning. Therefore,
regard to many kinds of formal systems it has it is not surprising that American structural-
been shown that one such system can be sat- ists have done little constructive work to-
isfied by many domains differing in cardinal- wards a theory of meaning. — In what fol-
ity and in the way a relational pattern is lows, I will comment on some topics charac-
defined upon them (cf., e. g., Enderton 1972, teristic for structuralist approaches to mean-
140—154). Here it is not possible to discuss ing. First, I will discuss de Saussure’s ideas
Hjelmslev’s thesis of autonomy in a more about linguistic meaning. Then, I will make
detailed way. But if one would want to some remarks about American structuralism
achieve an adeq uate assessment of it, it would and its views on linguistic meaning and in-
be necessary to specify much more explicitly tuitions concerning language. I will conclude
than Hjelmslev has done, the formal differ- with considering the role which the notions
ences between the description of language or of truth and reference have played in the
form and the description of substance. Only different structuralist schools.
then it might become possible to judge
whether the results from logic and model the- 4.2. De Saussure’s theory of meaning
ory really are relevant for the evaluation of
Hjelmslev’s claims. De Saussure’s theory of meaning is mental-
istic. He postulated two inner-psychic com-
ponents of the linguistic sign: (a) the mental
4. Problems in the theory of meaning image of a sound pattern, and (b) the concept
connected with the mental image. De Saus-
4.1. Prefatory remark sure thought that the mental image signifies
the concept associated with it. In this way he
I use the phrase ‘theory of meaning’ as a distinguished two parts of the linguistic sign:
general catchword for theoretical considera- one part which signifies, the ›signifiant‹ and
tions dealing with aspects of the meaning and another part which is signified, the ›signifié‹.
reference of linguistic units. I take it that This contrast and the terminology used have
q uestions concerning the sense of linguistic their origins in the meaning theory of the
expressions or the reference of singular terms Stoics (s. art. 2). They distinguished between
to non-linguistic objects have to be discussed the sign (σημαίνον) and its meaning (σημαι-
under this label. — In the theory of meaning νόμενον) which “we apprehend as it arises in
the European schools covered here have fa- our mind” (Gräser 1978 a, 78). Two principles
voured positions markedly different from apply to meaningful expressions or to the
those of most American structuralists. Fol- linguistic sign (cf. the analysis by Rulon Wells
lowing de Saussure, most European ap- 1947, 12):
proaches take meaning to be constituted by (1) The sign is arbitrary, i. e. the connection
innerpsychic components. According to the between the sound image and the concept
European approaches, it is methodologically signified is arbitrary;
admissible to have recourse to the speakers’
728 III. Positionen

(2) The sign has a value, i. e. it has a certain Each of these claims can be taken in two
place in a system of signs. ways: on the one hand as applying to types
We can say that the meaning of a sign is its of expressions, concepts, sound patterns or
signification, i. e. the concept signified by the mental images of sound patterns; on the other
sound image, together with its value. The hand as applying to tokens of these things.
relation between the two is as follows: the De Saussure claimed that the relation of sig-
value is the functional role of the concept in nification between a mental image of a sound
a system of concepts. And the concept signi- pattern and the concept signified is arbitrary.
fied is the substance which fills the functional And it seems that he intended types of con-
role. — The idea that the meaning of an cepts and types of mental images, not their
expression is determined by its place in the tokens. — Also the words ‘arbitrary’ and
system resembles the doctrine of implicit def- ‘arbitrariness’ as applied to Saussurean sig-
inition in the philosophy of mathematics (cf. nification invite different interpretations. For
Kambartel 1968, 165—170). This doctrine it is possible to distinguish between diachronic
identifies the place of an expression in a for- and synchronic arbitrariness — this corre-
mal system with its meaning. In de Saussure’s sponds to the distinction Eric Jean-Louis
theory, though, the place in the system is only Buyssens (1973) makes between historical and
one ingredient of the meaning; the other in- functional arbitrariness: (1) Obviously, the
gredient is the concept taking the place in the connection between the mental image of a
system. Another difference is that, according sound pattern and the concept signified is the
to the doctrine of implicit definition, the for- result of a historical process. We take it that
mal system determining the meaning consists definite causes have brought about this result.
of sentence-like entities. De Saussure, on the Considered in this way the connection is not
other hand, does not consider sentences to be arbitrary. (2) But we may also take the con-
part of the system of language. Not sentences, nection between mental image and concept as
but only subsentential syntagmatic patterns it presents itself at any given moment, and
and paradigmatic substitution sets can deter- disregard the history of this connection. We
mine the place of an expression in the lin- can then ask in which way the two relata
guistic structure, and thereby its meaning. correspond to each other. Taking this per-
The thesis of the arbitrariness of the lin- spective the connection appears to be unmo-
guistic sign has been much referred to and tivated, as de Saussure (1967, 155) says. And
has been much discussed in literature (s. that means (a) we cannot see that it corre-
art. 62). Coseriu (1967) amply documents its sponds to a rational decision, i. e. we cannot
long history and traces it back to Aristotle’s give a reason why the mental image is an apt
claim that linguistic meanings are συνθήκη, means for signifying the concept (Saussure
i. e. are conventional. — Here, I want to list 1967, 168); and (b) we cannot discern a sim-
some possible versions of the arbitrariness ilarity between the mental image of the sound
thesis, and indicate how de Saussure should pattern and the concept. De Saussure does
be interpreted. A relation of ›meaning‹ can be mention (b), but most of the time he puts
said to be arbitrary with regard to different emphasis on (a). He considers the lack of an
relata, i. e. different kinds of things entering apparent means-end relationship (between
the relation. With the different kinds of things the employment of the mental image and the
entering the meaning relation we get different signification of the concept) to be specific for
arbitrariness claims: the linguistic sign. For him this lack of an
(a) The relation of reference between a lin- means-end relationship is distinctive for the
guistic expression and the object referred institution of language as compared with
to is arbitrary. other social institutions. — De Saussure’s the-
(b) The relation of reference between a con- sis has often been misunderstood. Emile Ben-
cept associated with an expression and veniste (1902—1976) (1973) believed that de
the object referred to is arbitrary. Saussure should have been concerned with
(c) The relation of signification between an the relation between the mental image and
expression, conceived of as a sound pat- the extra-linguistic object referred to. Benven-
tern, and the concept signified is arbitrary. iste maintained that this relation is arbitrary,
(d) The relation of signification between an but that the relation between mental image
expression, conceived of as the mental and concept is necessary. Niels Ege (1973)
image of a sound pattern, and the concept and Buyssens (1973) have done much to clar-
signified is arbitrary. ify the situation. Nevertheless, recently, writ-
51.  The structuralist approaches 729

ing about de Saussure’s theory of meaning, luctance to treat meaning in linguistics did
Michael Devitt and Kim Sterelny (1987, 217) not derive directly from his anti-mentalism,
have created the impression that de Saussure’s but it rather was an immediate conseq uence
thesis applies to the relation between linguis- of his conception of meaning. — The later
tic sound pattern and object referred to by Bloomfield held the following two tenets: (a)
the sound pattern. Introspection cannot yield reliable informa-
tion about language. (b) Meaning cannot be
4.3. Intuition and meaning in American studied in linguistics as we lack the necessary
structuralism information from other disciplines. These two
tenets were to influence the work of the fol-
The early Bloomfield and Sapir were mental- lowers of Bloomfield (cf. Koerner 1970; Stark
ists. Sapir, for example, held a mentalist con- 1972). Because of tenet (b), the Bloomfieldi-
ception of meaning: ans did not occupy themselves with semantics,
“Communication, which is the very object of and in their linguistic description and analysis
speech, is successfully effected only when the hear- they remained confined to phonology, mor-
er’s auditory perceptions are translated into the phology, and syntax. Because of tenet (a), the
appropriate and intended flow of imagery or Bloomfieldians tried to avoid having recourse
thought or both combined” (1921, 18). to linguistic intuitions in setting up descrip-
But the later Bloomfield (since 1926) and tions of language. Neither the intuitions of
his school abandoned mentalism and adopted the linguists themselves nor the intuitions of
a behaviourist psychology. The rejection of the speakers of the language investigated
mentalism implies the rejection of introspec- should be appealed to. A description in con-
tion as a source of reliable data about mental formance with these standards was consid-
events. No longer it was considered legitimate ered to be rigorous. — Several attempts at
to have recourse to the speakers’ intuitions such a rigorous analysis of language were
about which forms belong to language and made in the forties and fifties. Once a level
which meanings they have. — Bloomfield, of analysis with the appropriate units, i. e.
therefore, opposed the opinion that phonemes or morphemes, is selected, rigorous
“prior to the utterance of a linguistic form, there analysis can be carried through q uite success-
occurs within the speaker a non-physical process, fully. But it seems that the selection of units
a thought, a concept [...], and that the hearer, like- at the respective level relies on judgments by
wise, upon receiving the sound-waves goes through intuition concerning their property of being
an eq uivalent or corresponding process” (1933, significant or meaningful. With regard to the
142). differentiation of phonemes, Harris admits:
Hence, it is not useful to define “In principle, meaning need be involved only to
“the meaning of a linguistic form as the character- the extent of determining what is repetition. If we
istic mental event which occurs in every speaker know that ‘life’ and ‘rife’ are not entirely repetitions
and hearer in connection with the utterance or of each other, we will then discover that they differ
hearing of the linguistic form” (Bloomfield 1933, in distribution (and hence in ›meaning‹)” (1960, 7,
142). n. 4).
Nevertheless, Bloomfield did not eliminate The judgment whether ‘life’ and ‘rife’ are
meaning. He located it outside the speaker: repetitions or not, seems to req uire a prior
“The features of situation and action which are judgment whether ‘life’ and ‘rife’ have the
common to all utterances of a speech form are the same meaning.
Willard Van Orman Quine (*1908) recog-
meaning of that speech form” (1970 c, 401). nized in 1953 that descriptive linguistics pre-
But this conception of meaning seems to supposes “a prior notion of significant se-
preclude any scientific study of it, at least for q uence, or possible normal utterance” (1961 c,
the moment: 52). He also recognized that lexicography and
“in order to give a scientifically accurate definition translation depend on judgments of synon-
of meaning for every form of a language, we should ymy (1961 c, 56). So it seems that, after all, it
have a scientifically accurate knowledge of every- is not possible to eliminate intuitive judg-
thing in the speaker’s world” (Bloomfield 1933, ments completely from the data base of lin-
139). guistic analysis. If we adhere to the anti-
Meaning cannot be studied satisfactorily, mentalistic perspective, and if we continue to
for this would presuppose a complete scien- use judgments by intuition for setting up lin-
tific account of the surrounding world which guistic descriptions, then we will have to con-
is not (yet) available. Thus, Bloomfield’s re-
730 III. Positionen

clude that there is nothing for such judgments facts can be discovered involving sentences.
“to be right or wrong about” (Quine 1961 c, (2) According to de Saussure, sentences do
63). This reasoning, apparently, leads to not belong to language; instead, they belong
Quine’s thesis of the indeterminacy of mean- to speech (parole) (1967, 240; 283). He was,
ing and translation (s. art. 72). however, primarily interested in a science of
›langue‹. (3) De Saussure did not have a
4.4. Truth and reference in structuralism method of analysis at his disposal which in a
formally satisfactory way would show how to
Nowadays, many discussions concerning the demarcate sentences from other linguistic
theory of meaning are dedicated to matters units. Only after appropriate techniq ues of
which have to do with truth and linguistic recursion theory had become available, such
reference (s. art. 67). The various brands of methods have been developed. — This atti-
structuralism, however, have paid little atten- tude towards sentences has conseq uences for
tion to these topics. Why is this so? semantics and theories of meaning: First, se-
(a) Truth: The notions of truth and falsity mantic and meaning-theoretic investigations
are relevant to the theory of meaning for at will concentrate their attention on single
least three reasons: (1) Truth and falsity are words and connections between them. Sec-
properties of sentences apparently concerning ond, properties of sentences determining their
the relation between language and reality. (2) truth or falsity and relations of logical con-
Logical relations between sentences involve seq uence between sentences of natural lan-
possible truth values of the sentences entering guage are held not to belong to the subject
these relations. For example, ‘a sentence B is matter of linguistics. Third, the q uestion
a logical conseq uence of a sentence A’ ex- whether sentence meaning might have to do
presses a relation between A and B which something with the truth-conditions of sen-
holds if and only if the relation ‘whenever A tences does not even arise as a problem mer-
is true, B is neccessarily true’ holds. But the iting discussion. — Thus, the fact that sen-
q uestion of how the form of sentences con- tences are not held to be important for a
tributes to their truth values seems to belong theory of meaning leads to the exclusion of
to the subject matter of a theory of meaning many semantical phenomena and problems
for a given language. (3) Knowing the truth from theoretical considerations. This is true
conditions of a declarative sentence might be not only for de Saussure, but also for the
involved in knowing the meaning of a sen- European schools.
tence. In other words, we do not understand In American structuralism, however, the
a declarative sentence, if we do not know central importance of sentences for a scientific
under which conditions it would be true. — study of language has early been recognized.
From the sixties onward, semantical problems Bloomfield remarked in 1914:
involving sentences and their truth conditions “[...] the first and original datum is the sentence”.
came to the fore in approaches to the seman- On the other hand, “the individual word is the
tics of natural language. This type of research product of theoretical reflection which ought not
is closely connected with the tradition of log- to be taken for granted” (Bloomfield 1970 a, 61).
ical or formal semantics (s. art. 55) deriving American structuralists, when analyzing spo-
from Gottlob Frege (1848—1925) (s. art. 34) ken language, had to segment chains of
and Alfred Tarski (1902—1983). Apparently, sounds and, in order to be able to do this,
linguistic structuralism has contributed little they had to pay close attention to features of
to these developments. Why did linguistic speech which might correspond to boundaries
structuralism avoid studying problems per- between sentences in discourse. This might
taining to truth-conditions of sentences? — explain why sentences are considered more
De Saussure considered the analysis of sen- important in American structuralism than in
tences to be of little importance. And in the the European schools. The later American
later European approaches sentences again structuralists, however, thought that at the
have not played an important role. De Saus- present state of knowledge meaning could not
sure’s reluctance to treat sentences in linguis- be studied satisfactorily. Therefore, they re-
tics has at least three reasons: (1) De Saussure frained from exploiting the recognition of the
claimed that uttered sentences are entirely methodological importance of sentences for
dissimilar between each other (1967, 240). If the construction of a semantic theory. They
there is a resemblance between sentences, this also were not willing to consider logical re-
resemblance is due only to the words occur- lations between sentences (one of the few ex-
ring in them. Therefore, no interesting general
51.  The structuralist approaches 731

ceptions to this is Harris 1952). For this linguistic reality was an aspect of the repre-
would have meant to consider linguistic units sentation function of language. Bühler also
which are longer than sentences. Bloomfield developed a theory of indexical expressions
believed that relations above the sentence thereby trying to account for their suitability
level could only be relations of meaning, and for referring to extra-linguistic reality (1934,
he was convinced, therefore, that they were 79—148) (s. art. 79). Bloomfield, as observed
not amenable to analysis. above, had a very inclusive conception of
(b) Reference: I will take ‘reference’ in a linguistic meaning. And, therefore, he
broad sense which includes the relation be- doubted that meaning could be analyzed and
tween singular terms and the objects desig- described in a satisfactory way by linguists.
nated by them as well as the relation between He did not make attempts to isolate ingredi-
predicate expressions and the sets of objects ents of meaning, and he did not include the
they are true of (s. art. 77). Reference is rel- relation between an utterance of a speech
evant to a theory of meaning for at least two form and objectual features of the situation
reasons: (1) The study of the reference rela- of utterance amongst the topics of his re-
tion seems to be of particular importance for search.
the general problem of how language relates
to reality. (2) The truth-conditions of a sen-
tence depend on the reference of the expres- 5. Selected references
sions occurring in the sentence. The study of Arpresjan 1973, Principles and Methods of Contem-
truth-conditions may contribute to a theory porary Structuralist Linguistics.
of meaning for reasons explained above. — Bierwisch 1966, Strukturalismus. Geschichte, Prob-
Now, we may ask what linguistic structural- leme und Methoden, in Kursbuch 5.
ism has contributed to the study of the ref- Bloomfield 1933, Language.
erence relation. De Saussure did not discuss Coseriu 1967, L’arbitraire de signe. Zur Spätge-
how linguistic signs are related to non-lin- schichte eines aristotelischen Begriffs, in Archiv für
guistic reality. Linguistic reference was simply neuere Sprachen 204.
not a topic for him. This attitude may derive Grandy 1987, In defense of semantic fields, in New
from certain positions which he held in epis- Directions in Semantics.
temology (cf. Scheerer 1980, 114; 119). An- Harris 1960, Structural Linguistics.
other reason for excluding reference from lin- Hjelmslev 1963, Prolegomena to a Theory of Lan-
guistics may have been that he considered guage.
reference to belong to speech (parole), not to Jacobson/Halle 1956, Fundamentals of Language.
language (langue). Therefore, it could not Lyons 1971, Semantics, Vol. I.
have a place in an autonomous science of Naumann (ed.) 1973, Der moderne Strukturbegriff.
language. — The Prague structuralists, how- Materialien zu seiner Entwicklung.
ever, discussed linguistic reference. Hence, it de Saussure 1967, Cours de linguistique générale.
is wrong to say, as Devitt and Sterelny (1987, Trubetzkoy 1977, Grundzüge der Phonologie.
215) do, that structuralism as a whole rejects Wells 1947, De Saussure’s system of linguistics, in
linguistic reference. Bühler and Jakobson in- Word 3; repr. in Readings in Linguistics I. Joos (ed.)
vestigated a semantic triangle consisting of 1971.
speaker, hearer, and extra-linguistic situation.
For them the speaker’s ability to refer to non- Axel Bühler, Mannheim (Deutschland)
732 III. Positionen

52. Der interaktionistische Ansatz

1. Geschichte und Entstehungsbedingungen des führung in die Soziologie mit den folgenden
interaktionistischen Ansatzes Worten ein:
2. Interaktion als Grundbegriff einer Theorie „The idea of interaction is not a notion of common
kommunikativen Handelns sense. It represents the culmination of a long-con-
3. Der Interaktionismus als Philosophie kom- tinued reflection by human beings in their ceaseless
munikativen Handelns: Die Rekonstruktion effort to resolve the ancient paradox of unity and
zentraler Probleme der Philosophie diversity, the ›one‹ and the ›many‹, to find law and
4. Der Interaktionismus als Sprachphilosophie order in the apparent chaos of physical changes
5. Literatur in Auswahl and social events; and thus to find explanations for
the behavior of the universe, of society, and of
man“ (Park/Burgess 1921, 339).
1. Geschichte Dies ist zweifellos eine philosophische Les-
und Entstehungsbedingungen art des Begriffs Interaktion. Sie verweist zu-
des interaktionistischen Ansatzes nächst auf dessen Herkunft aus dem Prag-
matismus, in dem die Welt über die praktische
Der Begriff der sprachlich vermittelten sozia- Relevanz von Handlungseffekten erschlossen
len Interaktion steht im Mittelpunkt einer im gilt (vgl. Peirce, CP 5.402 bzw. dt. 1976 b,
amerikanischen Pragmatismus verwurzelten 195), das Letztelement der Wirklichkeit die
Denkrichtung, die vor allem in der Entwick- Handlung ist: „The unit of existence is the
lung der Sozialwissenschaften ihrer Zeit ent- act“ (Mead 1972, 65). Der Pragmatismus ent-
scheidende Bedeutung gewonnen hat. steht in der Reaktion auf die wechselseitige
James Mark Baldwin (1861—1934), Herbert Isolierung von Wissenschaft und Philosophie
Blumer (1900—1987), Ernest Watson Burgess in der Moderne, genauer: im Auseinandertre-
(1886—1966), Charles Horton Cooley ten von ›wissenschaftlichem Materialismus‹
(1864—1929), Everett Cherrington Hughes — so eine treffende Beschreibung Alfred
(1897—1983), Robert Ezra Park (1864— North Whiteheads (1861—1947) (vgl. 1925,
1944), William Isaac Thomas (1863—1947), 22) — und den Spielarten der Bewußtseins-
Louis Wirth (1897—1952), Florian Witold philosophie, das in verschiedenen sowohl on-
Znaniecki (1882—1958) gehörten zum Kreis tologisch wie epistemologisch bedeutsamen
der Sozialwissenschaftler, die sich in der Zeit- Dualismen reflektiert wird: allen voran Geist
spanne vom Ende des letzten Jahrhunderts vs. Materie, Organismus vs. Umwelt, Tatsa-
bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs von che vs. Wert, Erkennender vs. Erkanntes —
ihr haben anregen und prägen lassen: Sie sind um nur einige zu nennen (vgl. Scheffler 1974,
die herausragenden Vertreter des ›symboli- 6; Thayer 1981, 172). Vertreter des Pragma-
schen Interaktionismus‹ — ein populäres Eti- tismus werden schließlich — neben den ame-
kett, das, von Blumer (vgl. 1937, 144 ff) ge- rikanischen Neo-Realisten, neben Whitehead
prägt, diese insbesondere um die ›Chicago und Bertrand Russell (1872—1970) — zu den
School of Sociology‹ zentrierte, aber von jeher Teilnehmern an der ›Revolt against Dualism‹
eher fragmentarische und vielgestaltige Tra- gezählt (vgl. Lovejoy 1955, 97 ff; 125 ff). —
dition sozialwissenschaftlicher Forschung Das Modell des problemlösenden und expe-
und Theoriebildung zusammenfaßte, die erst rimentierenden Verhaltens, wie es den Wis-
zu Beginn der siebziger Jahre, nach dem Nie- senschaftsprozeß kennzeichnet, ist Kern der
dergang des sozialwissenschaftlichen Funk- pragmatistischen Philosophie und zugleich
tionalismus, erneut an Bedeutung gewonnen Ausgangspunkt einer Generalisierung, die
hat. — Der Begriff der Interaktion hat jedoch Philosophie und Wissenschaft wieder zu ver-
schon in den Anfängen dieser Tradition mehr söhnen, die die Dualismen aufzuheben sucht.
gemeint als nur das mikrosoziologische Phä- In einer ersten, annähernden Bestimmung
nomen des durch Anwesenheit, Reziprozität kann man im Begriff der Interaktion einen
und kontinuierliche Reinterpretation der Si- Topos sehen, der in der pragmatistischen Re-
tuation gekennzeichnete gemeinsamen Han- konstruktion jener Dualismen eine vermit-
delns von Individuen (vgl. Blumer 1969, 7 ff; telnde Funktion einnimmt und die bei Park
65 ff), das im Mittelpunkt jener Renaissance und Burgess monierte Problematik von Ein-
des symbolischen Interaktionismus steht. So heit und Mannigfaltigkeit, von Ordnung und
leiten Park und Burgess den Abschnitt ‘Social Chaos im Universum — eine Problematik,
Interaction’ in ihrem Standardwerk zur Ein-
52.  Der interaktionistische Ansatz 733

die durch die Evolutionstheorie Charles Dar- Philosophie des kommunikativen Handelns
wins (1809—1882) noch einmal besondere sprechen, die Mead begründet. — Wenn im
Schärfe gewonnen hat — einer konsistenten folgenden der interaktionistische Ansatz vor-
Lösung zuzuführen verspricht. Noch im Ver- gestellt wird, dann wird deshalb in erster Linie
such, eine antimetaphysische Kosmologie als auf das Werk Meads zurückzugreifen sein,
Antwort auf sie zu entwickeln, kommt dem der ihm überhaupt erst jene Gestalt gegeben
abstrakten Begriff der Interaktion im Prag- hat, die zur Basis für eine sozialtheoretische
matismus eine nicht zu vernachlässigende Be- bzw. eine dem Pragmatismus und seiner Ge-
deutung zu. — So sind die Beziehungen zwi- schichte immanente Diskussion geworden ist.
schen Soziologen der symbolisch-interaktio- Denn ein Defizit sei hier gleich vermerkt: Als
nistischen Schule und pragmatistischen Phi- eigenständige sprachphilosophische Position
losophen in Chicago, deren führende Expo- ist der interaktionistische Ansatz bisher kaum
nenten John Dewey (1859—1952) und George wahrgenommen worden, obwohl er Richard
Herbert Mead (1863—1931) zusammen mit Rortys (*1931) Kriterium für Sprachphiloso-
ihren Schülern bzw. Kollegen Edward Scrib- phie — daß philosophische Probleme entwe-
ner Ames (1870—1958), Addison Webster der durch eine Reform oder durch ein ver-
Moore (1866—1930), James Hayden Tufts tieftes Verständnis von Sprache zur (Auf-)Lö-
(1862—1942) die ›Chicago School of Prag- sung gebracht werden — durchaus erfüllt
matism‹ bilden, besonders eng (vgl. Joas 1987, (vgl. Rorty 1970, 3). Angesichts des Um-
86 ff; Bulmer 1984, 28 ff; Rucker 1969, pas- stands, daß hier eine Philosophie der Sprech-
sim). Doch auch Charles Sanders Peirce handlung formuliert ist, überrascht es doch,
(1839—1914) (s. Art. 32) und William James daß deren einschlägige Exponenten (Ludwig
(1842—1910) kann ein Anteil am Entstehen Wittgenstein, John Langshaw Austin, John
der interaktionistischen Denkrichtung zuge- Roger Searle, Herbert Paul Grice) keinerlei
rechnet werden (vgl. Shalin 1986, 10 ff). In Bezug auf diese Position nehmen.
einem ganz allgemeinen, abstrakten Sinn hat
der Neologismus ‘Interaktion’ zwar für alle
Pragmatisten Bedeutung, doch nur bei Dewey 2. Interaktion als Grundbegriff einer
und Mead wird der soziale Charakter von Theorie kommunikativen Handelns
Interaktion betont und gewinnt damit einen
für ihre Philosophie systematischen Stellen- 2.1. Vom mentalistischen zum
wert. Und allein Mead macht darüber hinaus pragmatistischen Paradigma:
die Fundierung von Interaktion in Sprache Funktionalistische Psychologie als
zum Ausgangspunkt seines Werks und ent- Vorläufer des Interaktionismus
wickelt damit eine originäre, von den anderen
Pragmatismen deutliche unterschiedene Auf- Die Auffassung, daß die Überwindung des
fassung. Unter dem Titel ‘Sozialpsychologie’ mentalistischen Paradigmas auf direktem und
formuliert er eine Theorie des kommunikati- unverzweigtem Wege zu seinem Ersatz durch
ven Handelns: Das problemlösende Verhalten das linguistische führe (vgl. Schnädelbach
ist in soziale Lebensverhältnisse eingebettet, 1985, 68 ff), scheint schon dadurch in Frage
Handlungsprobleme sind somit primär Koo- gestellt, daß im amerikanischen Pragmatis-
perationsprobleme zwischen verschiedenen mus die Leistungen des Bewußtseins zunächst
Individuen, die einer sprachlichen Vermitt- in Begriffen des Handelns rekonstruiert wer-
lung und Verständigung bedürfen. Als eine den, ohne letzteres zugleich als sprachliches
Theorie kommunikativen Handelns, als Ur- begreifen zu müssen. Denselben Weg vom
heber eines ›linguistic turn‹ in der Soziologie, Bewußtsein zum Handeln gehen auch Nach-
wird Mead denn auch noch heute gelesen (vgl. folgepositionen von Kritizismus und Idealis-
Habermas 1981, II, 7 ff), doch ist damit die mus in der deutschen Philosophie, vor allem
Gefahr einer vereinseitigenden Rezeption ver- die Phänomenologie Martin Heideggers
bunden, denn er verbindet mit seinem Inter- (1889—1976) und die philosophische Anthro-
aktionismus einen viel weiter gehenden An- pologie Arnold Gehlens (1904—1976) (vgl.
spruch: Ihm liegt nicht nur daran, dem durch Gethmann 1987, 213 ff; 226 ff) — in letzterer
sprachliche Interaktion gekennzeichneten so- liegt eine frühe und fruchtbare philosophische
zialen Handeln Rechnung zu tragen, ihm geht Rezeption des Interaktionismus Meads vor,
es vielmehr darum, aus dieser Perspektive die von einem Standpunkt außerhalb des un-
zentrale Probleme der Philosophie zu rekon- mittelbaren Wirkungskreises des Pragmatis-
struieren. In diesem Sinn kann man von einer mus erfolgt (vgl. Gehlen 1986, 261 ff, Rehberg
1985, 73; 88). — Daß — zumal nach der
734 III. Positionen

Relativierung menschlicher Intelligenz durch that phase of experience within which we are im-
den Darwinismus (vgl. Scheffler 1974, 5; mediately conscious of conflicting impulses which
Thayer 1981, 449 f) — die Mentalismus-Kri- rob the object of its character as object-stimulus,
tik, insbesondere auch die intensive Ausein- leaving us insofar in an attitude of subjectivity; but
andersetzung mit Descartes (vgl. Peirce, CP during which a new object-stimulus appears due to
5.264 ff bzw. dt. 1976, 40 ff) und dem deut- the reconstructive activity“ (Mead 1980 b, 143; vgl.
schen Idealismus (vgl. u. a. Mead 1944, 66 ff), Joas 1980, 71 ff).
ein markantes Merkmal pragmatistischer Phi- Mit dem Begriff der Subjektivität geht
losophie ist, braucht hier nicht hervorgehoben Mead über die pragmatistische Grundüber-
zu werden. Hinzu kommt, daß sowohl James zeugung vom problemlösenden Charakter des
wie auch Dewey und Mead diese Kritik in die Verhaltens schon hinaus und öffnet die funk-
Formulierung einer — ‘funktionalistisch’ ge- tionalistische Psychologie für eine sozialpsy-
nannten — Psychologie umsetzen (vgl. James chologische Analyse von Selbstbewußtsein,
1950 I, 224 ff; Dewey 1975, 96 ff; Mead von Ich-Identität, denn: Subjektivität meint
1980 b, 83 ff), die den Dualismus von Geist nicht nur die Virtualisierung von habituali-
und Materie, von Psyche und Physis wesent- sierten Handlungserfahrungen, sondern zielt
lich modifizieren, ja überwinden will und da- auf den Ort dieser Virtualisierung in einer
mit zugleich eine ›Vorläuferposition‹ für ihre partikularen Ich-Identität, in einem Indivi-
pragmatistischen Philosophien darstellt. In duum.
dieser Psychologie wird die Gesamtheit psy- „Gerade in diesem Stadium der Subjektivität, in
chischer wie physischer Elemente des Orga- dem die Aufmerksamkeit auf eine Lösung des Pro-
nismus in ihrer Funktion für den Lebenspro- blems gerichtet ist [...] findet das Individuum qua
zeß zum Thema. Die Bedeutung von Be- Individuum seinen funktionalen Ausdruck oder be-
wußtsein wird relativiert, Handeln bzw. Ver- steht vielmehr in eben dieser Funktion / And it is
haltenskonseq uenzen erfahren eine entschei- in this phase of subjectivity, with its activities of
dende Aufwertung. „Functional psychology attention in the solution of the problem [...] that
took as its basic data not alleged psychic the individual qua individual has his functional
events, but behavioral processes in biological expression or rather is that function“ (Mead 1980 b,
and social contexts“ (Thayer 1981, 184). De- 140).
wey bringt diese (sozial-)behavioristische Auf- Es ist gerade nicht selbstevident, daß dieses
fassung in seiner Kritik des Reflexbogenbe- partikulare, individuelle Selbstbewußtsein als
griffs zum Ausdruck: die Unterscheidung von intuitives Vermögen unmittelbar gegeben ist
Reiz und Reaktion und damit zugleich ihr — daran zweifelte schon Peirce (vgl. CP
Bewußtwerden ist Funktion der Blockierung 5.225 ff bzw. dt. 1976 b, 19 ff). Vielmehr ist
habitualisierter Verhaltensse
q uenzen, die auch Selbstbewußtsein bzw. Ich-Identität als
Wahrnehmung des Reizes erfolgt schon im durch den Handlungsprozeß konstituiert zu
Hinblick auf die Vollendung der Handlung, sehen. Die Sozialpsychologie vermittelt Mead
auf die in der Reaktion angestrebte Koordi- die
nation konfligierender Handlungstendenzen „Erkenntnis des sozialen Charakters der Ich-Iden-
(vgl. Dewey 1975, 106 ff). Bewußtsein wird tität, der Tatsache, daß die alii unserer Erfahrung
hier als emergente Prozeßeigenschaft von nicht sekundär erschlossene Objekte sind, mit de-
Handlungen gesehen. Mead betont in seiner nen unsere Vernunft unmittelbar wahrgenommene
Gegenstandsbestimmung der funktionalisti- physikalische Dinge begabt, sondern Konstrukte,
schen Psychologie neben dieser Rolle des Be- deren Inhalt aus dem subjektiven Bewußtsein ab-
wußtseins die Phase der Subjektivität, die in geleitet ist / recognition of the social character of
solchen Hemmungen einer Handlung auftritt: the self, that the alii of our experience are not
„Gegenstandsbereich der funktionalistischen Psy- secondary inferred objects with which our reason
chologie ist jenes Stadium der Erfahrung, innerhalb endows indirectly perceived physical things, but
dessen wir ein unmittelbares Bewußtsein konfligie- constructs whose content is derived from subjective
render Handlungsantriebe haben, die dem Objekt consciousness“ (Mead 1980 b, 134).
seinen Charakter als Objekt nehmen und uns in- Demnach sind die ›alii‹ Objekte, die dem
sofern in einer Haltung der Subjektivität zurück- subjektiven Bewußtsein als primäre Kon-
lassen, während derer aber aufgrund unserer re- strukte gegeben sind. Daß Handlungsakte
konstruktiven Tätigkeit [...] ein neues Reiz-Objekt derart in soziale Kontexte eingebettet sind,
entsteht /For this functional psychology an explicit das ist der entscheidende Ansatzpunkt für die
definition of its subject matter seems highly im- Erweiterung der funktionalistischen Psycho-
portant. That suggested in this paper is as follows: logie zur Sozialpsychologie.
52.  Der interaktionistische Ansatz 735

2.2. Sprachlich vermittelte Interaktion: inhalten‹ ermöglicht:


Meads sozialpsychologische Begründung „Jetzt ist daher die Gebärde des Zweiten nicht mehr
ein bloßer Reflex der Bewegung des Ersten, sondern
2.2.1.  Die Erkenntnis des sozialen Charak- aus der Mitbewegung ist eine Antwortbewegung
ters von Ich-Identität ist für den Interaktio- geworden“ (Wundt 1975 I, 254).
nismus Meads spezifisch. Dewey betont da- Erst im nächsten Schritt sieht Wundt (vgl.
gegen lediglich Intelligenz und Bedeutung als 1975 I, 343 ff) die Lautgebärde entstehen und
Folge humaner Interaktion: formuliert damit den Begriff, der in Meads
„Intelligence and meaning are the natural conse- Ausarbeitung des Modells sprachlicher Inter-
q uences of the peculiar form which interaction aktion eine zentrale Stellung gewinnen wird.
sometimes assumes in the case of human beings“ Dennoch muß sich Mead in zwei Punkten
(Dewey 1925, 180). von Wundt deutlich absetzen: Zum einen
Eine derjenigen Meads vergleichbare Theo- denkt Wundt Sprache noch im mentalisti-
rie der Ich-Identität entwickelt er nicht, ge- schen Paradigma, führt sie auf psychische Zu-
nausowenig, wie er der Vermittelheit der In- stände zurück — und nicht auf ein Handeln
teraktion durch Sprache eine zentrale Bedeu- (vgl. Mead 1980 d, 180; 1934, 50). Zum an-
tung in der Entfaltung seiner pragmatisti- deren sieht Wundt die soziale Situation aus
schen Philosophie zuweist (vgl. Dewey 1957, dem Gebrauch einer Gebärdensprache, aus
passim; Mead 1980 k, 350 ff; Petras 1968, einem durch Selbstaffektion schon konstitu-
18 ff). Bedeutung, reflexive Intelligenz und ierten einzelnen Bewußtsein erst hervorgehen
Ich-Identität sind dann die Themen, anhand (vgl. Graumann 1984, 229). Für Mead ent-
derer der Begriff der sprachlich vermittelten steht dagegen Sprache wie dann auch Be-
Interaktion expliziert werden kann. — Dar- wußtsein aus der Sozialität von Artgenossen
wins Expressions of the Emotions in Man and und nicht umgekehrt. Sprachliches Handeln
Animals und Wilhelm Wundts (1832—1920) stellt einen Gefühlsausdruck nur insofern dar,
(s. Art. 31) Völkerpsychologie spielen in der als in Emotionen die Handlungsantriebe —
Ausarbeitung des Interaktionsbegriffs eine Instinkte bzw. Impulse — bewußt werden, die
Schlüsselrolle (vgl. Mead 1934, 15 ff; 1982, in einem Handlungskonflikt blockiert sind
33 ff). Darwin studierte die Veränderung von (vgl. Joas 1980, 101 f). Sprache entsteht für
Gesichtszügen unter den Prämissen seiner Mead aus Gebärden, die nichtintentional ver-
Vererbungslehre und fragte sich, welche Be- wendet werden. Im Übergangsfeld zwischen
deutung diese Gebärden für die Erhaltung der tierischer und humaner Sozialität gibt es noch
Art haben. Seine Antwort besteht darin, daß kein ›etwas‹, das ausgedrückt, mitgeteilt oder
diese Gebärden, die gleichsam Überreste er- dargestellt werden könnte. Ein solcher Ge-
folgreicher Handlungen eines vorangehenden genstand muß, um einer solchen Zweckbe-
Entwicklungsniveaus darstellen, die Funktion stimmung zugeführt zu werden, erst noch
haben, Emotionen zum Ausdruck zu bringen. konstituiert werden — durch sprachliche In-
Mead kritisiert zwar diese Emotionstheorie: teraktion. Die falsche Prämisse intentionalen
Tiere haben keine Emotionen, um sie durch Verhaltens prägt auch noch den Versuch, die
eine Gebärde, in einem intentionalen Akt an- Entstehung von sprachlichem Handeln durch
deren Tieren kundzugeben. Die Emotion ent- Imitation zu erklären, weil auch hier der Laut,
steht vielmehr erst mit dem Ausdruck, den sie der imitiert wird, als Gegenstand schon vor-
in der Gebärde findet. Andererseits ist Dar- ausgesetzt sein muß. — Wie sieht Mead nun
wins Ansatz vielversprechend, die Rolle der das sprachliche Handeln aus der tierischen
Gebärden im Übergang von der tierischen zur Gebärdenkommunikation hervorgehen? Zwei
menschlichen Lebensform zu analysieren. eng miteinander verknüpfte Aspekte von
Wundts Untersuchung der Sprache in der Völ- Meads Theorie müssen zunächst geklärt wer-
kerpsychologie bietet dann die Basis, auf der den, um diese Frage zu beantworten: einer-
Mead seine ersten Formulierungen des Be- seits sein Verständnis des Begriffs Sozialität,
griffs der sprachlich vermittelten Interaktion andererseits einige Voraussetzungen seiner
aufbaut. Auch hinter Wundts Begriff der Bedeutungstheorie. Sozialität charakterisiert
Lautgebärde steht eine Gefühlslehre; Gebär- schon subhumane Lebensformen. Auch Ex-
den gelten ihm als Affektäußerungen bzw. als emplare bestimmter Tierarten müssen sich in
Ausdrucksbewegungen, aus denen sich erst ihrem Verhalten wechselseitig anpassen, leben
allmählich eine Gebärdensprache entwickelt, in einer für die Arterhaltung notwendigen so-
die eine Wiedererzeugung von Affekten beim zialen Kooperation miteinander. Ihre Verhal-
Anderen, eine Kundgabe von ›Vorstellungs- tensweisen sind habitualisiert, instinktgebun-
den, die des Menschen dagegen instinkt-
736 III. Positionen

reduziert, plastisch, durch Impulse ausgelöst bewirken. Die Bedeutung liegt dann in der
(vgl. Mead 1934, 362), wobei seine Bindung anpassenden Reaktion des anderen Organis-
an soziale Instinkte dennoch nicht völlig ge- mus (vgl. Mead 1934, 77 f). Bedeutungen ma-
löst wird. Bestimmte Reize artgleicher Indi- chen den Inhalt sozialer Objekte aus, die im
viduen bringen die an soziale Instinkte ge- sozialen Prozeß, in der zunächst durch Ge-
bundenen Handlungen in Gang — bärdenkommunikation, später durch Sprache
„Wichtig ist an der sozialen Organisation des Ver- vermittelten wechselseitigen Anpassung der
haltens durch Instinkte [...], daß das Verhalten individuellen Organismen entstehen und das
eines Lebewesens einem anderen als Reiz zu einer organisierende Zentrum einer sozialen Hand-
bestimmten Handlung dient, daß diese Handlung lung bilden (vgl. Mead 1934, 77 ff).
ihrerseits jenes erste Lebewesen zu einer bestimm-
ten Reaktion reizt und daß sich diese Wechselwir- 2.2.2.  Zwei entscheidende Voraussetzungen
kung in unablässiger Interaktion fortsetzt / The für die Rekonstruktion des Übergangs von
important character of social organisation of con- tierischer zu humaner Kommunikation sind
duct or behaviour through instincts is [...] that the nun geklärt: Die durch Gebärdenkommuni-
conduct of one form is a stimulus at first to a kation vermittelte, an soziale Instinkte gebun-
certain reaction, and so in ceaseless interaction“ dene Kooperation und wechselseitige Anpas-
(Mead 1980 e, 206) sung bezeugt zum einen die Sozialität sub-
— wie das z. B. bei Liebeswerben und Paa- humaner Lebensformen, ist zum anderen Ent-
rung, Brutpflege, aber auch am Fall aggres- stehungsort für Bedeutungen, die schon vor-
siver Reaktionen beobachtet werden kann liegen, bevor ein Bewußtsein sie erfassen kann
(vgl. Mead 1980 i, 293; 1980 j, 313). Die so- (vgl. Mead 1934, 81 f). — Damit ist im Kern
zialen Verhaltensweisen von Tieren sind über- die Ausgangslage für die Emergenz der hu-
wiegend nach dem Prinzip physiologischer manen Lebensform umrissen. — Wie ist nun
Differenzierung organisiert. Reize und Re- zu erklären, daß Bedeutungen bewußt wer-
aktionen fließen hier ineinander. Unterbre- den? An dieser Stelle kehrt Mead nun zu der
chungen in diesem Fluß tauchen — wenn wichtigen Einsicht der funktionalistischen
auch in geringer Zahl — jedoch schon bei Psychologie zurück, daß ein reflexives Be-
Wirbeltieren auf. Reize werden dann als sol- wußtsein in einem Handlungskonflikt ent-
che von Reaktionen unterscheidbar, eine Ge- steht, an einem Problem, das gelöst werden
bärdenkommunikation entsteht, wie sie Mead muß:
oft am Beispiel eines Hundekampfes illu- „Wenn sich eine Gelegenheit für die Herausbildung
striert. Gebärdenreize zeigen Handlungsten- eines Bewußtseins von Bedeutungen in gewohn-
denzen an, die gehemmt bleiben können, nicht heitsmäßigem Handeln nicht finden läßt, könnte es
zum Vollzug kommen müssen. Das Zähneflet- dann nicht vielleicht in Handlungskonflikten ge-
schen und Knurren des einen Hundes stellt funden werden? Dieselbe Psychologie, die Bedeu-
einen Drohreiz dar, zeigt eine Haltung an, die tungen als Haltungen beschreibt, welche als Nie-
im Zubeißen ausreagiert wird, worauf der an- derschlag von Reaktionsgewohnheiten im Bewußt-
dere Hund eine Haltung der Unterwürfigkeit sein aufzufassen sind, ist daran gewöhnt, in den
annehmen kann, die das verhindert — hier Konflikten unterschiedlicher Tätigkeiten einen An-
findet eine Kommunikation der Gebärden laß für die Entstehung reflexiven Bewußtseins zu
statt. Die Gebärde steht damit für etwas, das sehen. Das Denken ist für diese Psychologie immer
sie nicht selbst ist, sie hat Symbolfunktion Lösung von Problemen / If the occasion for the
und entsprechend: Bedeutung (vgl. Mead consciousness of meaning is not found in the ha-
1934, 75 ff). Eine wichtige Anregung für seine bitual act may it not be found in the conflict of
bedeutungstheoretischen Überlegungen er- acts? The same psychology that states meaning in
fährt Mead wohl durch den in Peirce’s Se- terms of the attitudes which are the registrations
miotik entwickelten Zusammenhang von Zei- in consciousness of habits of reaction is wont to
chen und Interpretant, von Überzeugung (be- find in conflicting activities occasion for reflective
lief) und Handlungsgewohnheit (habit), der consciousness. Thinking for this psychology is al-
ihm durch seinen Lehrer, den Peirce-Schüler ways the solution of a problem“ (Mead 1980 f, 217).
Josiah Royce (1855—1916) vermittelt wird An dieser Auffassung nimmt Mead nun
(vgl. Joas 1980, 99; Lincourt/Hare 1973, eine Modifikation vor, die den sozialpsycho-
333 ff; Morris 1938 b, 109 ff). Gebärdenreize logischen Ansatz angemessen zur Geltung
können eine Bedeutung tragen, ohne daß bringt. Soweit die widerstreitenden Hand-
diese in der Kommunikation bewußt werden lungstendenzen auf nichtsoziale Reize gerich-
muß, und dennoch wechselseitige Anpassung tet sind, ist bloß eine „schärfere Bestimmung
der Objekte, die den Reiz bilden / sharper
52.  Der interaktionistische Ansatz 737

definition of the objects which constitute the zug der sozialen Handlung, d. h. die funktio-
stimulation“ (Mead 1980 f, 218) die Konse- nale Identität der Reaktionen (vgl. Miller
q uenz, anders liegt der Fall jedoch, wenn Ge- 1980, 12 ff) sein.
bärdenreize und die durch sie angezeigten so- „The response to the vocal gesture is the doing of
zialen Handlungen konfligieren: a certain thing, and you arouse that same tendency
„In diesen sozialen Situationen treten nicht nur in yourself. You are always replying to yourself,
miteinander in Konflikt liegende Handlungen auf, just as other people reply. You assume that in some
die eine verschärfte Definition der Reizelemente degree there must be identity in reply. It is action
erfordern, sondern auch ein Bewußtsein der eigenen on a common basis“ (Mead 1934, 67; vgl. 1934,
Haltung als einer Interpretation der Bedeutung 147).
eines sozialen Reizes. Wir sind uns unserer Haltun- Doch warum entsteht Bewußtsein zuerst
gen bewußt, weil sie für Veränderungen im Verhal- als soziales Bewußtsein? Der Mechanismus,
ten anderer Individuen verantwortlich sind / In auf dessen Grundlage ein solches Bewußtsein
these social situations appear not only conflicting entsteht, ist noch nicht aufgewiesen. Der Kon-
acts with the increased definition of elements in the flikt von Handlungsbestrebungen allein kann
stimulation, but also a consciousness of one’s own die Emergenz von Bewußtsein noch nicht er-
attitude as an interpretation of the meaning of the klären. Ausschlaggebend ist der Umstand,
social stimulus. We are conscious of our attitudes daß ein sozialer Reiz eine Antwort fordert.
because they are responsible for the changes in the Mead nimmt auf originelle Weise den Wundt’-
conduct of other individuals“ (Mead 1980 f, 219). schen Begriff der Lautgebärde auf: In beson-
Ein Gebärdenreiz führt hier nicht zu einer derer Weise eignen sich Lautgebärden dazu,
habitualisierten Reaktion, es kommt vielmehr die eigenen Reaktionstendenzen bewußt zu
zu einer Handlungshemmung: Unterschied- machen und damit das gemeinsame Wissen
liche Interpretationen der Gebärde bzw. Re- zu aktualisieren, weil sie einen Reiz darstellen,
aktionen auf den Reiz sind möglich und im der nicht nur auf alter, sondern auch auf ego
Konflikt miteinander. Die Auswahl, die das selbst wirkt. Das Individuum, das dem an-
Individuum unter seinen Reaktionstendenzen deren eine Lautgebärde als Reiz präsentiert,
vornehmen muß, ist zwar letztlich kontingent, hört sich selbst, reagiert damit auch auf sich
aber ein Prozeß, der ein Bewußtsein der Be- selbst. Es hört sich dabei so, wie es auch ein
deutung seiner Handlungstendenzen, schließ- anderes Individuum hören würde, das die-
lich seiner Reaktionsantwort impliziert. Doch selbe Lautgebärde äußert.
das ist nur die eine Seite des Geschehens, denn „In the case of the vocal gesture the form hears its
die Bedeutung seiner Reaktionstendenzen, own stimulus just as when this is used by other
seiner Antwort auf den sozialen Reiz, ist wie- forms, so it tends to respond also to its own stim-
derum von der Reaktion seines Gegenübers ulus as it responds to the stimulus of other forms“
auf seine Antwort abhängig. Auch dieser in- (Mead 1934, 65).
terpretiert den ihm dargebotenen Reiz. Und Entscheidend für die Emergenz eines sozia-
diese Interpretation scheint genauso kontin- len Bewußtseins von Bedeutungen ist damit
gent zu sein. Wie ist dann gewährleistet, daß die Fähigkeit des Individuums zur Selbstaf-
alter unter dem von ego angebotenen sozialen fektion mit signifikanten Symbolen, die auch
Reiz nicht etwas anderes versteht, als ego von anderen verstanden und gebraucht wer-
meint? Wie kann dieses Problem einer dop- den können (vgl. Mead 1980 h, 239). Meads
pelten Kontingenz umgangen werden? Meads zunächst schon im Rahmen seiner Auffassung
Antwort lautet: Dadurch, daß zunächst ein von nichtbewußter Gebärdenkommunikation
soziales Bewußtsein von Bedeutungen ent- eingeführter Bedeutungsbegriff — daß Be-
steht. Das meint nichts anderes, als daß ego deutung in der anpassenden Reaktion des an-
und alter ein gemeinsames Wissen von der deren Organismus besteht — muß nun ver-
sozialen Handlung haben, an der sie beteiligt feinert werden. Bedeutung entsteht in der Be-
sind (vgl. Mead 1980 e, 207). Mead nennt die ziehung einer Lautgebärde mit den späteren
das gemeinsame Wissen verkörpernden Sym- Phasen der sozialen Handlung, genauer: in
bole signifikant. Kriterium für die Signifikanz der Matrix einer dreifachen Beziehung zwi-
von Symbolen, dafür, daß ego und alter tat- schen der Gebärde eines ersten Organismus,
sächlich das gleiche, insofern gemeinsame dem Resultat der sozialen Handlung, wovon
Wissen von Bedeutungen haben, die gleiche die Gebärde des ersten Organismus eine frühe
Reaktionstendenz vergegenwärtigen, kann Phase darstellt und schließlich der Reaktion
letztlich — und hier zeigt sich die pragmati- des zweiten Organismus auf die Gebärde des
stische Denkfigur — nur der erfolgreiche Voll- ersten (vgl. Mead 1934, 76). Mit dieser Be-
stimmung trägt Mead der gesteigerten Selbst-
738 III. Positionen

kontrolle, der kontinuierlichen Neuorientie- tion bereitet den Grund für die Klärung der
rung im sozialen Verhalten durch die Indivi- dem Menschen eigenen reflexiven Intelligenz.
duen Rechnung, sobald sie in der Lage sind, Denken bzw. Reflexion entsteht in der Hem-
die von ihnen präsentierten Reize und die mung von Handlungsvollzügen, im ›Anhal-
entsprechenden Handlungstendenzen sich be- ten‹ von Handlungen. Das Bewußtsein von
wußt zu machen, d. h. die Perspektive der Bedeutungen, von Reizen und Reaktionsbe-
anderen Handlungsteilnehmer zu überneh- reitschaften ermöglicht dem Menschen hier
men. Bedeutung kann dann nicht mehr allein die Auswahl von Reizen bzw. von dadurch in
durch den reagierenden Organismus definiert Gang zu bringenden Reaktionen, das soziale
sein, Bedeutung muß universalisiert sein, Bewußtsein von Bedeutungen bedingt ein in-
kann die Perspektiven aktuell nicht anwesen- dividuelles Bewußtsein:
der Anderer einbeziehen, ohne daß es eine „Man is distinguished by that power of analysis of
logische Grenze der Universalisierung gäbe: the field of stimulation which enables him to pick
„Meaning [...] must [...] be a universal, at least in out one stimulus rather than another and so to
the identity which belongs to the different perspec- hold on to the response that belongs to that stim-
tives which are organized in the single perspective, ulus, picking it out from others“ (Mead 1934, 94;
and in so far as the principle of organization is one vgl. auch 1982, 161).
which admits of other perspectives than those ac- Reize können kombiniert werden, entspre-
tually present, the universality may be logically chend können komplexe Reaktionen hervor-
indefinitely extended“ (Mead 1934, 89; vgl. Mead gerufen werden. Dabei entstehen neue Bedeu-
1934, 82 ff; Miller 1973, 93 ff). tungen. Mead illustriert das am Beispiel der
Ein signifikantes Symbol steht nicht für wissenschaftlichen Hypothesenbildung:
eine partikulare Situation, für ein partikulares „There is an ability to hold in consciousness the
Ereignis von Reaktionsbereitschaft, sondern conflicting stimulations and tendencies to respond
für eine universale Kontrolle über die soziale in a conflicting fashion. And then we can suggest
Handlung ermöglichende Reaktion auf eine a hypothetical way which will include all elements
unabgeschlossene Menge von partikularen with all the tendencies to respond. Scientists present
Reizen (vgl. Mead 1934, 90), die zueinander to themselves data and construct a hypothesis
in einem Verhältnis der Familienähnlichkeit which will explain apparently conflicting data“ (Mead 1982, 52).
(vgl. Wittgenstein, PU §§ 66 f) stehen — Witt-
gensteins Gebrauchstheorie der Bedeutung Letztlich führt die Reflexion zu einer logi-
befindet sich hier in erstaunlicher Nähe zu der schen Analyse, wie sie in der experimentellen
Auffassung Meads, signifikante Symbole bzw. Methode impliziert ist (vgl. Mead 1972, 82 f).
Bedeutungen seien Universalien (vgl. Miller Reflexive Intelligenz hat einen fundamental
1980, 81 f) (s. Art. 39). Die signifikanten Sym- zeitlichen Bezug — Zeit entsteht erst in einer
bole bilden ein diskursives Universum (uni- blockierten Handlung (vgl. Mead 1972, 232),
verse of discourse), das umfassendste System Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft tre-
von in Interaktion und Kommunikation be- ten erst hier auseinander. Die Auswahl unter
gründeten Universalien, ein aktueller Mög- verschiedenen Reizen beruht auf der in der
lichkeitshorizont von Verständigung schlecht- Vergangenheit gewonnenen Erfahrung des In-
hin. — Nun ist zunächst geklärt, wie Mead dividuums, es kann damit unterschiedliche
den Übergang von tierischen zu menschlicher zukünftige Reaktionsverläufe antizipieren,
Kommunikation rekonstruiert — Mead sieht um damit schließlich das gegenwärtige Pro-
im Übergang zur humanen Lebensform in der blem zu lösen (vgl. Mead 1934, 100). — Re-
signifikanten Lautgebärde, in der Sprache die flexive Intelligenz bleibt unwiderruflich in das
conditio sine qua non (vgl. Joas 1980, 108). soziale Handeln eingebettet.
Die interaktionistische Theorie ist damit je- „In reflective intelligence one thinks to act, and to
doch nur im Kern umrissen. Wichtige Wei- act solely so that this action remains a part of a
terungen des Konzepts der sprachlich vermit- social process. Thinking becomes preparatory to
telten Interaktion finden sich in Meads Kon- social action. The very process of thinking is, of
zeption reflexiver Intelligenz und in seiner course, simply an inner conversation of gestures
Auffassung von Selbstbewußtsein bzw. Ich- which in its completion implies the expression of
Identität des Individuums. that which one thinks to an audience. [...] He thinks
it out, [...] but it is still a part of social intercourse
2.3. Reflexivität: Intelligenz und Identität in which one is addressing other persons and at the
same time addressing one’s self“ (Mead 1934,
2.3.1.  Meads Aufweis der Emergenz von Be- 141 f).
wußtsein in sprachlich vermittelter Interak- Das durch die Kommunikation signifikan-
ter Lautgebärden entstandene Bewußtsein
52.  Der interaktionistische Ansatz 739

verweist nicht nur auf die Reflexivität der Identität ab, wenngleich auch die Konseq uenz
Intelligenz und auf die Rationalität der so dieser Auffassung radikal ist. Zum anderen
vorbereiteten Handlungen — sensorische Er- verweist er darauf, daß das eigene Selbst erst
fahrung, Gegenstandskonstitution und Wahr- in einem sozialen Erfahrungsprozeß, in der
nehmung, instrumentelles Handeln, schließ- Auseinandersetzung mit den Identitäten an-
lich die Handlungsprozesse in der Wissen- derer Menschen gebildet werden muß. Eine
schaft sind hier impliziert und bleiben zu klä- erste Stufe im Aufbau der Identität ist die
ren —, auch das handelnde Individuum kann Übernahme von Rollen partikularer Anderer.
sich reflexiv zu sich selbst verhalten. Flucht- Mead denkt hier an das Spiel (play) des Kin-
punkt von Meads Sozialpsychologie ist eine des, in dem dieses nacheinander verschiedene
Theorie der Identität, des personalen Ichs, die Rollen übernimmt. Es sind die Rollen Er-
auf dem Kernmodell der sprachlich vermit- wachsener — Räuber, Gendarmen, Ärzte, El-
telten Interaktion aufruht: die Theorie des tern usw. —, in denen es zu sich selbst spricht,
Selbst (self). Und umgekehrt: Meads Theorie zu sich selbst ein Verhältnis eingeht: „Such is
des Selbst erläutert zugleich den Prozeß so- the simplest form of being another to one’s
zialen Handelns. Sprachlich vermittelte Inter- self“ (Mead 1934, 151). In seiner Perspektive
aktion stellt nicht nur den Mechanismus dar, bilden diese Rollen untereinander jedoch
durch den sich ein Selbst herausbildet, das kaum einen funktionalen Zusammenhang.
Selbst bleibt für seine Reproduktion auch Dieser kennzeichnet die nächste Stufe in der
weiterhin auf sie angewiesen, prägt der Inter- Entwicklung der Identität, die Mead in Wett-
aktion seinen Charakter auf. — Die reflexive spielen (game) sich heranbilden sieht. „The
Identität ist eine weitere Eigenschaft sozialer fundamental difference between the game and
Handlungsprozesse, die allein der humanen play is that in the latter the child must have
Lebensform zukommt, Tiere können eine the attitudes of all others in that game“ (Mead
Identität nur für andere, nicht für sich selbst 1934, 153 f) — und zwar nicht nacheinander,
haben. Eigentümliches Merkmal des Selbst ist sondern gleichzeitig. Das Kind muß sich die
die Fähigkeit, sich zu objektivieren. Organisation der Rollen der sozialen Gruppe
„It is the characteristic of the self as an object to in einer funktionalen Einheit vergegenwärti-
itself that I want to bring out. This characteristic gen können. Mead nennt diese das Handeln
is represented in the word ‘self’, which is a reflexive, organisierende Reaktionsbereitschaft den ‘ge-
and indicates that which can be both subject and neralisierten Anderen’ (Mead 1934, 154 ff;
object“ (Mead 1934, 136 f). 1980 f, 219 f). Die Entwicklung eines Selbst
Wie ist eine solche objektivierende Haltung ist davon abhängig, wie weit es dem Indivi-
gegenüber der eigenen Identität möglich? Das duum gelingt, die Einstellungen organisierter
Bewußtsein der eigenen Identität ist über den sozialer Gruppen in seinem Leben zu über-
Prozeß vermittelt, in dem Bewußtsein über- nehmen und zu generalisieren.
haupt auftritt: über die sprachliche Interak- „Only in so far as he takes the attitudes of the
tion. Ego ist in der Lage, die Reaktionsbe- organized social group to which he belongs toward
reitschaft des alter auf die von ihm präsen- the organized, cooperative social activity or set of
tierte oder zu präsentierende signifikante such activities in which that group as such is en-
Rede sich bewußt zu machen, zu antizipieren, gaged, does he develop a complete self or possess
sei es in der ihm eigenen internalisierten Kom- the sort of complete self he has developed“ (Mead
munikation des Denkens, sei es im offenen 1934, 155).
Austausch sprachlicher Äußerungen mit an- Die Übernahme der Einstellung des gene-
deren Handelnden; ego übernimmt dabei die ralisierten Anderen bedeutet eine Abstrak-
Rolle von alter. Wie im Fall des Bewußtseins tion, die um so weiter führt, je abstrakter die
von Bedeutungen dem Individuum zuerst die Kriterien für die Zugehörigkeit an einer
Reaktionen der anderen Handelnden bewußt Gruppe werden. Der höchste Abstraktions-
werden, geht eine Erfahrung anderer Identi- grad ist erreicht, wenn Verständigung als sol-
täten der Bildung der eigenen voraus: che das Band einer universalen Gemeinschaft
„Others come into existence first of all, and later definiert, die über die größte nur denkbare
one becomes aware of one’s self. The reality of Teilnehmerzahl verfügt. Die Übernahme der
one’s self is just as genuine as other selves, but it Einstellung des generalisierten Anderen soll
has no superior reality. I am no surer of my self eine soziale Handlung kontrollieren. Sachlich
than of any other self“ (Mead 1982, 56). muß es sich in diesem abstrakten Fall dann
Einerseits lehnt Mead hier einen besonde- um universelle das soziale Handeln organisie-
ren, direkten Erfahrungszugang zur eigenen rende Bedeutungen handeln, die für alle Teil-
740 III. Positionen

nehmer am diskursiven Universum müssen durchsetzen? Zu welchen Argumenten kann


gelten können (vgl. Mead 1934, 157 f). das Individuum in dem moralischen Dilemma
zwischen Konformität und Abweichung Zu-
2.3.2.  Einheit und Struktur des Selbst reflek- flucht nehmen?
tieren demnach die Einheit und Struktur des „The only way in which we can react against the
sozialen Prozesses (vgl. Mead 1934, 144), die- disapproval of the entire community is by setting
ses strukturierte Selbst bildet sich entlang par- up a higher sort of community which in a certain
tikularer Handlungsprobleme und bezieht im- sense out-votes the one we find. A person may
mer umfassender Aspekte der Struktur des reach the point of going against the whole world
gesamten sozialen Prozesses ein, organisiert about him; he may stand out by himself over
dessen Rollen für sich zu einem generalisier- against it. [...] He has to comprehend the voices of
ten Anderen, der diese Handlungsprobleme the past and the future. That is the only way in
aus einer immer abstrakter und unpersönli- which the self can get a voice which is more than
cher werdenden Perspektive sichtbar und lös- the voice of the community“ (Mead 1934, 167 f).
bar macht. Soweit ein Selbst die Objektivie- Die hier verantwortungsethisch formulierte
rung der eigenen Identität bedeutet, meint es Berücksichtigung von Vergangenheit und Zu-
diesen generalisierten Anderen, der zur Basis kunft ist auch für die reflexive Intelligenz
von Denken und Handeln wird. Mead spricht wesentlich. Überhaupt wird nun deutlich, wie
hier auch von einer Phase des Selbst, einer das Verhältnis von reflexiver Intelligenz und
Phase die für dessen Reproduktion im sozia- Identität zu verstehen ist: Die Leistungen der
len Prozeß wesentlich ist, dem ›Mich‹ (me). reflexiven Intelligenz sind in dem weiterge-
Dieses Mich bereitet das Handeln vor, es henden Sinn in den Prozeß sozialen Handelns
gleicht in dieser Hinsicht der reflexiven Intel- eingebettet, als sie allesamt auf der im Prozeß
ligenz, die dem Individuum zu einer Analyse der sprachlich vermittelten Interaktion gebil-
der ihm in der Problemsituation präsentierten deten Ich-Identität des Individuums beruhen.
Reize verhilft. Und wie bei James, an dem Die für die Gegenstandskonstitution entschei-
sich Mead in dieser Begriffswahl orientiert dende Koordination von Auge und Hand ist
(vgl. James 1950 I, 400 f), dessen Identitäts- ohne die Fähigkeit zum Gebrauch signifikan-
theorie wie auch jene Cooleys er jedoch kri- ter Symbole nicht denkbar. Mit diesen Fragen
tisiert (Mead 1934, 173; 1980 a, 329 ff), da sie wird nun der engere Bereich einer sozialpsy-
auf einem Selbstfühlen und nicht auf einem chologisch begründeten interaktionistischen
Selbstbewußtsein basiert, also wesentlich af- Theorie der Kommunikation verlassen. Die
fektiver und nicht kognitiver Natur ist, stellt Trennung ist eine willkürliche: Die sozialtheo-
er dem Mich ein ›Ich‹ (I) gegenüber. Dieses retische Perspektive bringt Mead ganz selbst-
Ich ist die Reaktion des Selbst auf die von verständlich auf klassische und aktuelle Pro-
ihm vergegenwärtigte Einstellung des gene- bleme der Philosophie zur Anwendung.
ralisierten Anderen, des Mich. In der Phase
des Ich findet sich das Moment des Indeter-
minismus, der Freiheit und der Kreativität: 3. Der Interaktionismus
Das Ich ist — in seinem Vollzug — unmittel- als Philosophie kommunikativen
bar, nicht faßbar. Retrospektiv kann es als Handelns: Die Rekonstruktion
Erinnerungsbild objektiviert werden, ist dann zentraler Probleme der Philosophie
aber Teil des Mich. Die Parallele zur reflexi-
ven Intelligenz ist erneut auffällig: Der Wis- 3.1.  Die philosophischen Probleme, die Mead
senschaftler, der sich konfligierenden Inter- mit seinem kommunikationstheoretischen
pretationen seiner Daten gegenübersieht, rea- Ansatz aufarbeitet, entstammen dem Erbe des
giert jedenfalls in einer nie völlig determinier- Pragmatismus (s. Art. 32). Der (natur-)wis-
ten, vielleicht aber kreativen Weise, indem er senschaftliche Forschungsprozeß, das instru-
z. B. eine neue Hypothese vorlegt, die den mentale Handeln, die Konstitution von Ge-
Konflikt der Interpretationen beseitigt. Ohne genständen und schließlich Wahrnehmung
das Ich wäre das Selbst in der Konformität sind — traditionell pragmatistische — The-
mit den Erwartungen des generalisierten An- men, mit denen Mead von Beginn seiner wis-
deren gleichsam gefangen. Die Reaktion des senschaftlichen Karriere an befaßt ist. Im en-
Ich auf das Mich eröffnet jedoch die Mög- geren Sinne pragmatistische — von der funk-
lichkeit zur Abweichung, die regelmäßig auf tionalistischen Psychologie ausgehende —
die Mißbilligung der Gemeinschaft stößt. Wie und kommunikationstheoretische Argumen-
kann sich dann neuartiges, kreatives Handeln tation laufen lange Zeit im Werk Meads ne-
52.  Der interaktionistische Ansatz 741

beneinander her (vgl. Joas 1980, 145). Dies selseitiger Kontrolle zueinander, Kontakt-
führt dazu, daß Interpreten die pragmatisti- werte interpretieren in der Wahrnehmung Di-
sche Lesart zum Ausgangspunkt machen und stanzwerte und umgekehrt:
darüber den Zusammenhang von sprachlich „Wahrnehmung ist ein Prozeß der Vermittlung in-
vermittelter Interaktion mit den erwähnten nerhalb einer Handlung, und zwar jene Form von
Problemen vernachlässigen (z. B. Miller 1980, Vermittlung, durch die ein möglicher Kontaktwert
passim). Doch schon frühzeitig — 1910: die einer Reizung aus der Distanz zugleich mit dieser
Umrisse von Interaktions- und Identitäts- Reizung auftritt. Es handelt sich, mit anderen Wor-
theorie sind gerade skizziert — formuliert ten, um eine Vermittlung, aufgrund derer wir uns
Mead den Primat der sozialen Erfahrung vor gegenständlicher Dinge bewußt sind / Perception
der gegenständlichen: is a process of mediation within the act; and that
„Was für eine Theorie wir auch immer von der form of mediation by which the possible contact
Geschichte der Dinge haben mögen, das soziale value of the distance stimulation appears with that
Bewußtsein muß einem gegenstandsbezogenen Be- stimulation, in other words, a mediation by which
wußtsein vorausgehen. Korrekter können wir sa- we are conscious of physical things“ (Mead 1980 c,
gen, daß die Erfahrung in ihrer ursprünglichen 156 f).
Form reflexiv wurde aufgrund der Anerkennung Das physische Ding entsteht demnach in
der Identität der anderen, und daß sich erst all- der gehemmten Handlung aus der Koordi-
mählich eine reflexive Erfahrung von den Dingen nation von Distanz- und Kontaktwahrneh-
als rein physikalischer Natur ausdifferenzierte / mung, Kontaktwert und Wahrnehmungsreiz
Whatever our theory may be as to the history of interpretieren sich wechselseitig. Kriterium
things, social consciousness must antedate physical für die Realität des Gegenstands bleibt der
consciousness. A more correct statement would be im Handlungsvollzug erreichte Kontakt:
that experience in its original form became reflec- „Kontakt ist das Erfolgskriterium der Handlung
tive in the recognition of selves, and only gradually und entscheidet darüber, ob wir einem Irrtum oder
was there differentiated a reflective experience of einer Illusion zum Opfer gefallen sind. Das Ding
existiert tatsächlich, wenn wir Kontakt mit ihm
things which were purely physical“ (Mead 1980 g, haben oder haben könnten / Contact is the test of
231). the success of the act and decides whether we are
Auch die Auseinandersetzung Meads mit subject to error or illusion. The thing is there if we
der Relativitätstheorie, vor allem mit der von have or could have contact with it“ (Mead 1969 c,
Whitehead gegebenen Lesart, bestätigt diesen 131 f).
Primat, erhöht ihn gar zur Kosmologie. — Wahrnehmungsgegenstände sind notwen-
Mead vertritt ein Modell instrumentalen dige Voraussetzung für erfolgreiche Manipu-
Handelns, das vier Phasen aufweist (vgl. lation, für zweckorientiertes, problemlösen-
Mead 1969 b, 102 ff): Zwischen die Phasen des Handeln. An dessen Abschluß kann eine
des Handlungsimpulses und des Handlungs- Kontakterfahrung stehen, diese tritt jedoch
vollzuges (consummation) schieben sich im immer seltener auf, je weiter entwickelt die
bewußten Handeln der humanen Lebensform reflexive Intelligenz ist: Handlungsvollzüge
die Phasen der Wahrnehmung und der Ma- bestehen dann in Distanzerfahrungen (vgl.
nipulation, in denen Mead die Konstitution Joas 1980, 147; 229). — Doch worin besteht
physischer Gegenständen denkt. Wahrneh- nun eine Kontakterfahrung? Inwieweit ver-
mung hat einen aktiven, selektiven Charakter, läßt Mead die im engeren Sinne pragmatisti-
sie ist primär Distanzerfahrung. Doch ent- sche Denkweise und ordnet die Theorie des
sprechend der pragmatischen Maxime ist instrumentalen Handelns, der Wahrnehmung
diese Distanzerfahrung von der Handlungs- und der Gegenstandskonstitution seinem in-
erfahrung abhängig. Bestimmend für den teraktionistischen Ansatz unter? Der Kon-
Handlungsvollzug ist zunächst das Erreichen taktwert eines Objekts entsteht für Mead
bzw. Vermeiden von Kontakten. Nahrungs- nicht aus der Beschaffenheit seiner Oberflä-
aufnahme, Schutz, Fürsorge, Fortpflanzung che, sondern aus seiner Innenseite, die aller-
usw. haben in diesem Sinn Kontaktwert, im dings nicht dadurch zu erreichen ist, daß man
Übergang von der tierischen zur humanen es zergliedert (vgl. Mead 1969 c, 134 ff). Die
Lebensform jedoch, in dem die Bindung an Innenseite des Gegenstands stellt sich viel-
Instinkte gelockert wird und Bewußtsein ent- mehr als Widerstand dar, den er dem Han-
steht, wird die Hand für den Erwerb von delnden in der Kontakterfahrung entgegen-
Kontakterfahrung zum dominanten Sinnes- setzt. Wie kommt der Handelnde zu dieser
organ. Hand und Auge werden miteinander Widerstandserfahrung?
koordiniert, stehen in einer Beziehung wech- „Die einzige Antwort, die ich auf diese Frage geben
kann, lautet, daß der Organismus beim Greifen und
742 III. Positionen

Drücken von Dingen seine eigene Anstrengung mit tes zurückgehenden Unterscheidung zwischen
der Kontakterfahrung des Dinges identifiziert /The primären und sekundären Qualitäten liegen.
only answer that I can give to the q uestion is that Mead, der gegen diesen Dualismus Stellung
the organism in grasping and pushing things is bezieht, hat nicht nur eine Rekonstruktion
identifying its own effort with the contact experi- von Geist (Bewußtsein, Intelligenz, Identität)
ence of the thing“ (Mead 1983 e, 227). und Körper (physischer Gegenstand, Körper-
Diese Identifikationsleistung beruht auf schema) auf interaktionistischer Basis vorge-
der Fähigkeit zur antizipatorischen Rollen- legt, er hat dabei auch die Unterscheidung
übernahme in der Interaktion. zwischen primären und sekundären Qualitä-
„The essential thing is that the individual, in pre- ten in eine neue Perspektive gerückt (vgl.
paring to grasp the distant object, himself takes the Mead 1969 b, 119 ff; 1983 c, 88 ff). Locke sah
attitude of resisting his own effort in grasping, and als primäre Eigenschaften die Qualitäten
that the attained preparation for the manipulation raumzeitlich lokalisierter Substanz, wie sie in
is the result of this co-operation or conversation of der Newton’schen Dynamik gegeben waren.
attitudes“ (Mead 1972, 110). Die sekundären Eigenschaften von Klang,
Das physische Ding ist ein „physical but Farbe, Geruch usw. wurden dagegen subjek-
co-operative ›other‹“ (Mead 1972, 109), der tiviert, sollten einem Bewußtsein entspringen,
Handelnde übernimmt seine Rolle bzw. Per- das sie auf die Körper projizierte. Damit war
spektive, womit auf den Urzustand einer so- Bewußtsein zu einem Epiphänomen degra-
zialisierten Natur verwiesen ist: „Alle Objekte diert und die Reduktion von sekundären Ei-
sind urspünglich soziale Objekte / All objects genschaften auf primäre legitimiert worden:
are originally social objects“ (Mead 1969 c, „Die theoretische Physik erklärt [...] Sekundär-
143; vgl. 1983 c, 164). Kinder und primitive Eigenschaften in Kategorien der Primär-Eigen-
Völker (vgl. Mead 1934, 153) leben in einer schaften / Physical theory may be said to be ex-
solchen Welt; Hans Joas (*1948) formuliert plaining secondary q ualities in terms of the primary
im Hinblick auf erstere: qualities“ (Mead 1969 b, 122).
„Die elementare Einbeziehung des Kindes in den Mead rekonstruiert diesen Dualismus: Se-
sozialen Umgang und die daraus resultierende Fä- kundäre Qualitäten entsprechen Distanzrei-
higkeit zur Rollenübernahme schafft die Möglich- zen, primäre müssen als Kontakterfahrung
keit zum entscheidenden Schritt der sensomotori- dargestellt werden. Für die Physik bedeutet
schen Phase der kognitiven Entwicklung: der Ding- dies, daß jede Erfahrung als Kontakterfah-
konstitution“ 1980, 158). rung zu gelten hat. Kontakterfahrung inter-
Die Desozialisierung der Natur tritt ein, pretiert dann nicht mehr Distanzwahrneh-
wenn sich Ich-Identität und Körperschema mung, sondern tritt an deren Stelle:
voneinander trennen (vgl. Joas 1983, 201 ff). „Physical science is reversing the attitude involved
Die Dingkonstitution ist dafür ebenfalls ent- in perception, which endows the distance experi-
scheidende Voraussetzung, denn Teile des ence with contact values in the sense of giving
eigenen Körpers tauchen in der Erfahrung des solidity and contact extension to what is seen and
Kindes zunächst ebenfalls in Form physischer heard, while science substitutes for these distance
Objekte auf. Die Zurechnung solcher Erfah- contents contact contents“ (Mead 1972, 299).
rung zu einer Einheit des Körpers bedarf Doch offensichtlich beruht die Zergliede-
dann der Organisation, die jener der Ich-Iden- rung der Materie in die Elementarteilchen der
tität gegenüber verschiedenen Rollen ent- Physik nicht mehr auf unmittelbarer Kontak-
spricht. — Im Ansatz sollte nun deutlich ge- terfahrung — sie ist auf Distanzerfahrung
worden sein, inwiefern der Interaktionismus angewiesen!
— vor allem: traditionelle — Probleme der „The statement of the indefinite divisibility of ex-
Philosophie zu rekonstruieren in der Lage ist. tension always implies the translation of the ulti-
mate contact element into terms of distance expe-
3.2.  Der Ausgangspunkt, unter dem die prag- rience — that of vision — and giving to it, there-
matistische Philosophie hier eingeführt fore, variable dimensions which depend solely on
wurde, war die zunehmende wechselseitige the distance at which the imagination places the
Isolierung von Wissenschaft und Philosophie object of tactual experience“ (Mead 1972, 296; vgl.
in der Moderne. Der Dualismus von Körper 1969 b, 126; 1969 d, 291).
und Geist ist ein mit dieser Entwicklung eng Eine experimentelle Überprüfung bleibt
verknüpftes Phänomen, dessen Wurzeln u. a. hier auf das Sichtbare angewiesen, die ent-
in der auf Galileo Galilei (1564—1642), John sprechende Handlung endet in einer Di-
Locke (1632—1704) (s. Art. 22) und Descar- stanzerfahrung. Einer unmittelbaren Einlö-
52.  Der interaktionistische Ansatz 743

sung in Kontakterfahrung ledig, stellen wis- conceived of as the effective occupation of a certain
senschaftliche Objekte dann eine Arbeitshy- spatial volume; but, if this spatial volume passes,
pothese des kreativen Wissenschaftlers dar, its occupation ceases and with it the permanence
der damit konfligierende Erfahrungen zu of the object“ (Mead 1972, 324).
einer konsistenten Einheit bringt, einen den Whitehead löst dieses Problem durch die
weiteren Forschungsprozeß kontrollierenden Einführung von zeitlosen Gegenständen (eter-
Reaktionsgehalt gefunden hat (vgl. Mead nal objects) als Ingredienzien gleichsinniger
1983 b, 14 ff). — Meads Spätwerk ist durch Systeme. Mead ist mit diesem Rückgriff auf
die Auseinandersetzung mit der Relativitäts- platonische Ideen jedoch nicht einverstanden,
theorie gekennzeichnet, eine besondere Stel- genausowenig wie er die von Albert Einstein
lung nimmt hier seine Auseinandersetzung (1879—1955) vorgeschlagene Lösung einer
mit der von Whitehead gegebenen Interpre- noumenalen Welt akzeptiert, die diese Trans-
tation ein (vgl. Mead 1983 b, 73 ff; 1983 d, formation zwischen den Systemen leistet, aber
212 ff; Cook 1979, 107 ff). Als einziger unter in dieser Leistung nicht erkannt werden kann
den Pragmatisten stellt er sich die Aufgabe, (vgl. Mead 1944, 324). Als Lösung für das
auch die Vereinbarkeit der relativitätstheore- Problem, wie ein Objekt in mehreren Per-
tischen Grundeinsichten mit seinem interak- spektiven sein kann, bietet Mead sein inter-
tionistischen Pragmatismus zu erweisen. Die aktionistisches Konzept der Perspektiven-
hochgradig komplexen Argumentationen, die übernahme an:
Mead dazu vorlegt, sollen hier nicht resümiert „Mit Hilfe des sozialen Mechanismus der signifi-
werden. Ein Gedankengang mag ausreichen, kanten Symbole vermag der Organismus sich ›nach
um zu zeigen, wie Meads interaktionistischer dort‹ zu versetzen [...]. Diese Möglichkeit ist [...]
Ansatz auch noch Probleme der Interpreta- in der Natur selbst gegeben / Through the social
tion der Relativitätstheorie zu rekonstruieren mechanism of significant symbols the organism
in der Lage ist, ja sogar die Perspektive für places itself there as a possibility [...] But the pos-
eine relativitätstheoretisch informierte Kos- sibility is there in nature“ (Mead 1983 d, 222).
mologie eröffnet. — Die Relativitätstheorie Der Begriff, mit dem Mead die Organisa-
führt vor allem zu einer Revision des Begriffs tion von Perspektiven auf die Höhe einer kos-
der Gleichzeitigkeit. Gleichzeitigkeit kann mologischen Betrachtung bringt, ist der der
nicht mehr durch einen Zeitpunkt in einer Sozialität. Was Mead als das Konzept der
absoluten Zeit repräsentiert werden, an seine Perspektivenübernahe in seiner Theorie
Stelle tritt das gleichsinnige Raumzeitsystem sprachlich vermittelter Interaktion entwickelt
von Beobachter, dessen Signalwahrnehmung hat, ist hier zum Prinzip von kosmologischer,
und dem zeitlich distanten Ort des Signalur- organischer und humaner Evolution genera-
spungs. Das entfernte Objekt kann als gleich- lisiert.
zeitiges nur bestehen, insofern es durch einen „Das Prinzip der Sozialität [...] besteht nun darin,
Kontaktwert interpretiert wird, zu einem phy- daß das entstehende Objekt in der Gegenwart, in
sischen Gegenstand gemacht wird. Mead geht der die entstehende Veränderung auftritt, bei sei-
zustimmend auf Whiteheads Begriff des nem Übergang [...] aus dem alten in das neue
gleichsinnigen Systems (consentient set) (vgl. System [...] verschiedenen Systemen angehört; seine
Whitehead 1919, 31 ff) ein, da er hierin auf Eigenschaften sind Eigenschaften, die es aufgrund
eine Auffassung trifft, die die objektive Rea- seiner Zugehörigkeit zu diesen verschiedenen Sy-
lität von Perspektiven anerkennt (vgl. Mead stemen besitzt / Now the principle of sociality [...]
1983 d, 212 ff). Der ›schöpferische Fortschritt is that in the present within which emergent change
der Natur‹ besteht im Entstehen und Verge- takes place the emergent object belongs to different
hen dieser Systeme. Kritik übt Mead jedoch systems in its passage from the old to the new [...]
daran, daß Whitehead keine befriedigende and possesses the characters it has because of its
Konzeption für die Organisation dieser Per- membership in these different systems“ Mead
spektiven untereinander anbietet (vgl. Mead 1969 d, 296 f).
1983 d, 220). So muß für die Existenz von Die Emergenz neuer Ordnungen, der
Gegenständen in verschiedenen gleichsinni- schöpferische Fortschritt der Natur, vom sub-
gen Systemen bzw. für ihre Permanenz über atomaren Prozeß bis zur Ich-Identität des
das Vergehen eines solchen gleichsinnigen Sy- Menschen, basiert auf diesem Prinzip. Die
stems hinaus Vorsorge getroffen sein: Natur ist nicht mehr zweigeteilt, in Materie
„As long as we accepted an absolute timeless space, und Geist; beides sind nur Stufen der emer-
this permanence of the physical object could be genten Evolution der Natur.
744 III. Positionen

4. Der Interaktionismus als sprachlichen Verständigungsmittel untersucht


Sprachphilosophie er jedoch nicht, wie er überhaupt die Ausdif-
ferenzierung wesentlich sprachlicher Regeln
Die Auseinandersetzung um den Interaktio- bzw. Konventionen aus wesentlich nicht-
nismus hat einen beträchtlichen Umfang an- sprachlichen, jedoch im Medium sprachlichen
genommen (vgl. Lowy 1986, 471 ff). Als Handelns vermittelten Regeln bzw. Konven-
sprachphilosophische Position ist der Inter- tionen ignoriert. Behauptungen oder Verspre-
aktionismus jedoch relativ isoliert geblieben. chen sind dann z. B. Sprechakte, für die das
Eine Rezeption anderer sprachphilosophi- analytische Potential des Interaktionismus
scher Ansätze ist in der Nachfolge Meads nicht hinreicht. — Dennoch zeichnet den In-
nicht angestrengt worden, andererseits hat teraktionismus gegenüber anderen Konzep-
der Interaktionismus auch keine Beachtung tionen des Sprechhandelns ein gewichtiger
durch Positionen gefunden, die eine Philoso- Vorteil aus: sein objektivistischer Begriff einer
phie sprachlichen Handelns aus anderen als sozialen, identischen Bedeutung, eines ge-
pragmatistischen Prämissen entwickeln — meinsamen Wissens. So sieht Jürgen Haber-
das schließt einzelne Ausnahmen nicht aus mas (*1929) (vgl. 1984, 348 ff) in Meads be-
(vgl. Keen 1968, 14 ff; 39 ff; Tugendhat 1979, deutungstheoretischem Ansatz eine Möglich-
245 ff; 264 ff). Ein wichtiger Grund dafür mag keit, Defizite der intentionalistischen Seman-
in dem Umstand liegen, daß Meads Begriff tik von Grice (1913—1988) und deren Nach-
von Sprache und sprachlichem Handeln nicht folgepositionen (Jonathan Bennett, Stephen
genügend komplex ist. Mead macht weder die R. Schiffer) aufzuzeigen und eine Gegenpo-
syntaktische Organisation von Äußerungen sition zu entwickeln. Aber auch die in der
zum Thema, noch können seine bedeutungs- Sprechakttheorie Austins (1911—1960) für il-
theoretischen Überlegungen eine vollwertige lokutionäre Akte grundlegenden Konventio-
Semantik begründen; auch die verschiedenen nen (vgl. Austin 1979, 47 ff; passim) lassen
Arten des illokutionären Verwendungssinns sich auf der Basis des interaktionistischen An-
sprachlicher Äußerungen berücksichtigt er satzes rekonstruieren (vgl. Leist 1975, 75 ff).
nicht; Mead vernachlässigt die propositionale — Im intentionalistischen Kommunikations-
Ausdifferenzierung von Rede, die Verwen- begriff von Grice (s. Art. 94) soll ein Verste-
dung von identifizierenden singulären Ter- hen bei alter dadurch hervorgerufen werden,
mini, die z. B. in Gestalt der Personalprono- daß alter die Intention egos erkennt, durch
mina nicht nur auf ein ego und einen alter, egos Äußerung bei ihm eine bestimmte Re-
ein Ich und ein Du verweisen, sondern auch aktion — z. B. die Überzeugung, daß p der
auf eine dritte Person (vgl. Habermas 1981 Fall ist — zu bewirken, und diese Kenntnis
II, 48; Joas 1980, 115; Tugendhat 1979, 258). von egos Intention zu seinem Grund macht,
Das mag damit zusammenhängen, daß Mead diese bestimmte Reaktion zu zeigen (vgl.
in der Regel sprachliches Handeln auf vom Grice 1979 a, 2 ff; 1979 b, 16 ff). Die Schwie-
sozialen Kontext abhängige imperativische rigkeiten, einen solchen ›Grice-Mechanismus‹
Ein- und Zweiwortsätze zurückführt. Der zu begründen, hat Bennett (*1930) schließlich
Umstand, daß in sprachlicher Kommunika- bewogen, sprachliche Verständigung derart zu
tion die Reaktionen des alter ego vorwiegend begreifen, daß ein Grice-Mechanismus gar
wiederum in sprachlichen Äußerungen, in nicht benutzt werden muß, sondern ego in-
Antworten bestehen, und nicht in anderen tentionsfreie Daten zum Auslösen der ge-
Handlungen, daß Antworten und entspre- wünschten Reaktion zu besorgen beabsich-
chend Ja/Nein-Stellungnahmen erwartet wer- tigt,
den, wird nicht zureichend erfaßt. Die in „d. h. den Hörer mit etwas konfrontiert, was un-
signifikanter Kommunikation gebildeten so- abhängig davon, warum es von dem Sprecher ver-
zialen Verhaltenserwartungen, das soziale Be- fügbar gemacht wird, als ein Grund dafür zählt,
wußtsein von Bedeutungen: Sie sind in sich daß p der Fall ist / that is, by confronting A with
undifferenziert. Zwar kennzeichnet Mead something which counts as evidence for P indepen-
deutlich den Fall einer erwartungsenttäu- dently of why U made it available“ (Bennett 1982,
schenden abweichenden Meinung oder Hand- 261).
lung, die zumindest mit der Sanktion der Der Kontrast zu Mead ist offensichtlich:
Mißbilligung durch die anderen Mitglieder Hier ist die Konstitution von Dingen und
der sozialen Gruppe rechnen bzw. um univer- Sachverhalten schon vorausgesetzt, noch be-
selle Anerkennung kämpfen muß. Den Fall vor Verständigung entsteht. Sprache kann
eines nicht regelgerechten Gebrauchs der
52.  Der interaktionistische Ansatz 745

dann nicht Medium sein, in dem Konventio- Mead 1980 d, Die Beziehungen von Psychologie
nen bzw. gemeinsames Wissen, entstehen, und Philologie, in: Mead 1980 a. [1904]
sondern muß ihrerseits konventionalistisch Mead 1980 e, Sozialpsychologie als Gegenstück der
begründet werden (vgl. Bennett 1982, 269 ff; physiologischen Psychologie, in: Mead 1980 a.
Lewis 1975, 125 ff). — Die logische Rekon- [1909]
struktion des Übergangs von einer primitiven Mead 1980 f, Soziales Bewußtsein und das Be-
Gebärdenkommunikation zur sprachlich ver- wußtsein von Bedeutungen, in: Mead 1980 a. [1910]
mittelten Interaktion, die Mead gibt, er- Mead 1980 g, Welche sozialen Objekte muß die
scheint gegenüber intentionalistischen Mo- Psychologie voraussetzen? In: Mead 1980 a. [1910]
dellen der Verständigung immer noch die an- Mead 1980 h, Der Mechanismus des sozialen Be-
gemessenere zu sein. Auch die darin impli- wußtseins, in: Mead 1980 a. [1912]
zierte These vom sozialen Bewußtsein von Mead 1980 i, Eine behavioristische Erklärung des
Bedeutungen, vom gemeinsamen Wissen der signifikanten Symbols, in: Mead 1980 a. [1922]
Handelnden, hat einige Plausibilität — trotz Mead 1980 j, Die Genesis der Identität und die
der an ihr geübten Kritik (vgl. Tugendhat soziale Kontrolle, in: Mead 1980 a. [1925]
1979, 257 f; Scheffler 1974, 180 ff) — für sich, Mead 1980 k, Rezension von John Dewey, Human
sofern man nicht auf den Nachweis einer exi- Nature and Conduct, in: Mead 1980 a.
stentiellen Identität der Bedeutungen hinaus- Mead 1982, The Individual and the Social Self.
will und sich mit dem — zugegeben: diffusen Mead 1983 a, Gesammelte Aufsätze. Band 2.
— Kriterium des Handlungserfolgs, der funk- Mead 1983 b, Wissenschaft und Lebenswelt (Nach-
tionalen Identität zufriedengibt. Präzisierung laß), in: Mead 1983 a.
kann hier erst erwartet werden, wenn die Mead 1983 c, Körper und Geist (Nachlaß), in:
Konseq uenzen einer interaktionistischen Re- Mead 1983 a.
konstruktion des Übergangs von einer Kom- Mead 1983 d, Die objektive Realität der Perspek-
munikation signifikanter Symbole zur pro- tiven, in: Mead 1983 a.
positional ausdifferenzierten Rede ausbuch- Mead 1983 e, Das physische Ding (Nachlaß), in:
stabiert sind. Mead 1983 a.

5.2. Schriften zu Mead und dem


5. Literatur in Auswahl Interaktionismus
Baldwin 1986, George Hebert Mead — A Unifying
5.1. Schriften Meads
Theory for Sociology.
Mead 1934, Mind, Self, and Society. From the Blumer 1969, Symbolic Interactionism. Perspective
Standpoint of a Social Behaviorist. and Method.
Mead 1944, Movements of Thought in the Nine- Habermas 1981, Theorie des kommunikativen Han-
teenth Century. [1936] delns.
Mead 1969 a, Philosophie der Sozialität. Aufsätze Joas 1980, Praktische Intersubjektivität. Die Ent-
zur Erkenntnisanthropologie. wicklung des Werkes von G. H. Mead.
Mead 1969 b, Die einzelnen Phasen der Handlung, Joas, 1992 a, Pragmatismus und Gesellschaftstheo-
in: Mead 1969 a. [1938] rie.
Mead 1969 c, Der soziale Faktor in der Wahrneh- Joas 1992 b, Die Kreativität des Handelns.
mung, in: Mead 1969 a. [1938] Miller 1980, George Herbert Mead. Self, Language
Mead 1969 d, Die Philosophie der Sozialität, in: and the World.
Mead 1969 a. [1932] Scheffler 1974, Four Pragmatists. A Critical Intro-
Mead 1972, The Philosophy of the Act. [1938] duction to Peirce, James, Mead and Dewey.
Mead 1980 a, Gesammelte Aufsätze. Band 1. Thayer 1981, Meaning and Action. A Critical Hi-
Mead 1980 b, Die Definition des Psychischen, in: story of Pragmatism.
Mead 1980 a. [1903] Wenzel 1990, George Herbert Mead zur Einführung.
Mead 1980 c, Über tierische Wahrnehmung, in:
Mead 1980 a. [1907] Harald Wenzel, Berlin (Deutschland)
746 III. Positionen

53. Die transzendentalpragmatische Position

1. Vorbemerkung über die Gesamtkonzeption zu eröffnen und


2. Überblick über die Gesamtkonzeption die Vorstellung der Details, die Diskussion
3. Sprache als Bedingung der Möglichkeit von der Einzelfragen daran anzuschließen. — Eine
Vernunftleistungen fruchtbare Perspektive für einen solchen vor-
4. Die pragmatische Dimension der Sprache läufig orientierenden Überblick läßt sich der
5. Grundzüge transzendentalpragmatischer philosophischen Anthropologie entnehmen. Sie
Sprachphilosophie erlaubt es, das Phänomen Sprache aus relativ
6. Transzendentalpragmatische Kritik der kom- großer Distanz zu betrachten, es als Ganzes
munikativ verfaßten Vernunft in seiner Bedeutung für Leben und Überleben
7. Literatur in Auswahl der Gattung zu würdigen und zu vielem
fruchtbar in Beziehung zu setzen. Vor allem
aber ist diese Perspektive bei dem Urheber
1. Vorbemerkung der transzendentalpragmatischen Sprachphi-
Sprache, die immer ein wichtiger Gegenstand losophie, bei Karl-Otto Apel (*1922), ständig
der Philosophie war, wurde im 20. Jahrhun- im Spiel und als Konstruktionsprinzip wirk-
dert ausdrücklich ins Zentrum dieser Diszi- sam. — Die philosophische Anthropologie
plin gerückt. Sprachphilosophie wurde prima kann zeigen,
philosophia und hat inzwischen als solche — „daß beim Menschen im Unterschied zum Tier
am Ende dieses Jahrhunderts — schon wieder sowohl die kognitiven (theoretischen) wie auch die
eine ganze Entwicklungsgeschichte hinter praktischen Lebensfunktionen und im Zusammen-
sich. Transzendentalpragmatik ist der Versuch, hang damit sowohl die Subjekt-Objekt-Relation
mit der heute bestehenden Diskussionssitua- wie die Subjekt-Subjekt-Relation menschlichen
tion, wie sie sich aus dieser Entwicklung er- Verhaltens mit Hilfe der Sprachfunktion und im
geben hat, philosophisch so vollständig und Sinne der Sprache neu aufgebaut und aufeinander
radikal wie möglich fertigzuwerden. Sie ist der bezogen sind“ (Apel 1974 a, 562).
Versuch einer umfassenden Diagnose der Si-
tuation und ihrer Genese, einer kritischen 2.1.  Die Neuorganisation des zentralen Er-
Würdigung der Diskussionsbeiträge und -re- kenntnis- und Steuerungssystems beim Men-
sultate. Im Zentrum steht dabei der Gesichts- schen durch die Sprache bringt gegenüber
punkt der möglichen Vereinbarkeit der Bei- dem durch Instinktprogramme gesteuerten
träge und Resultate, d. h. der Blick auf eine und geformten Erkennen und Verhalten der
zur Integration der Einzelresultate fähige phi- Tiere vor allem folgende fundamentale, für
losophische Gesamtkonzeption. Und bei al- die transzendentalpragmatische Sprachphilo-
ledem spielt die Reflexion auf die verschie- sophie zentrale Veränderung: An die Stelle
denartigen Zugangsweisen zur Sprache, die des einfachen, direkten, durch Instinktpro-
Kontrolle der methodischen Zugriffe und Ab- gramme ermöglichten und geformten Ver-
straktionen eine ganz besondere Rolle. — hältnisses ‘Tier-Umwelt’ (gegliederte Merk-
Weil die Pointe der transzendentalpragmati- und Wirkwelt) tritt beim Menschen ein kom-
schen Sprachphilosophie nicht so sehr in der plexes, indirektes, zweistufiges, nämlich refle-
Entwicklung eines originellen, konstruktiven xiv gebrochenes Verhältnis zu seiner Umge-
Neuentwurfs, sondern eher in der ›Aufhe- bung. — Erkenntnis ist beim Menschen noch
bung‹, der kritischen Weiterführung schon ge- nicht das bloße Vorliegen einer adäq uaten
wonnener Einsichten in einer möglichst um- Repräsentation des zu Erkennenden. Er-
fassenden und nicht-naiven Sprachphiloso- kenntnis ist erst das Gegebensein einer sol-
phie liegt, darum ist für sie die — an Georg chen Repräsentation für jemanden, der in re-
Wilhelm Friedrich Hegel (1770—1831) erin- flexiver Distanz zu dieser Repräsentation
nernde — Verbindung von systematischer und Stellung nehmen kann. Zeichen- bzw. sprach-
historischer Arbeit wesentlich. vermittelte Erkenntnis ist eine dreistellige Re-
lation, bei der das Vermittelnde, das für ein
Subjekt den Bezug auf Gegenstände allererst
2. Überblick ermöglicht, die an materielle Substrate gebun-
über die Gesamtkonzeption dene Sprache, selbst gegenständlich gegeben
ist, in seiner Vermittlerrolle eigens distanziert,
Bei einem solchen Ansatz empfiehlt es sich, beachtet und berücksichtigt werden kann. —
die Darstellung mit einem globalen Überblick Natürlich ist gleichwohl die Verbindung zwi-
53.  Die transzendentalpragmatische Position 747

schen Sprache und Erkenntnis sehr eng. So- 2.3.  Aus dieser andersartigen Situation erge-
wenig wie die zweckmäßige Repräsentation ben sich grundsätzlich andere Aufgaben und
der Umwelt für die Tiere ohne entsprechende Probleme für den Menschen. Zu nennen ist
Instinktprogramme und dazugehörige Ver- vor allem das Problem der Einheit der Er-
rechnungsmechanismen möglich ist, sowenig kenntnis bzw. der Vernunft angesichts der
ist Artikulation (s. Art. 77) von etwas als et- Disparatheit der in verschiedenen Sprachen
was und insbesondere dergleichen wie inter- artikulierten Weltrepräsentationen, dann das
subjektiv gültige, für alle konsensfähige Er- Problem der Einheit der Wahrheit angesichts
kenntnis ohne Sprache möglich. Und sowenig der bis zur scheinbaren Inkommensurabilität
man davon reden kann, daß die an sich schon verschiedenen sprachlichen Zugangsweisen (s.
fertigen Wahrnehmungen der Tiere durch die Art. 73), sowie das Problem der Absolutheit
in der biologischen Evolution entstandenen des Wahrheitsanspruchs angesichts der Kon-
Verrechnungsmechanismen bloß nachträglich tingenz der sprachabhängigen Perspektiven,
überformt werden, sowenig kann davon die aus denen er erhoben wird. — Hier gibt es
Rede sein, daß die kultureller Evolution sich ferner die Probleme der Angemessenheit, der
verdankende Sprache bloß nachträglich zu Sprachkritik. Diese können je nach Kontext
den an sich schon fertigen Einsichten hinzu- in verschiedenen Graden der Explizitheit auf-
kommt, diese nur befestigt und öffentlich treten. Aber im Prinzip gilt, daß mit der
sichtbar macht (s. Art. 116). Menschliche Er- sprachlichen Neuorganisation des Steue-
kenntnis ist vielmehr von Anfang an sprach- rungssystems beim Menschen von Anfang an
lich vermittelt. — Dennoch aber ist es we- die Problemdimension der Sprachkritik offen-
sentlich für die menschliche Erkenntnis, daß steht, der Sprachkritik, die zuständig ist für
das Vermittelnde selbst da ist für das Erkennt- die Fragen der rechten Sprache, der Frucht-
nissubjekt, daß in die kognitive Beziehung zur barkeit (›meaningfulness‹), für die eventuell
jeweiligen Realität eine besondere reflexive erforderlich werdende Korrektur, ja in be-
kognitive Beziehung zum Vermittelnden stimmten Fällen sogar für die Umschaffung
selbst eingelassen ist, daß das bestimmte Ver- oder Neukonstruktion von Sprachen für be-
mittelnde von dem Vermittelten analytisch stimmte Zwecke. — Hier gibt es schließlich
abgehoben, eigens distanziert und problema- — und zwar auch als Voraussetzung für die
tisiert werden kann. Bewältigung der eben genannten Probleme —
die Dimension reflexiven Erkennens und Wis-
2.2.  Daß das einfache, instinktgeformte Ver- sens von Sprachen, des Verstehens von Spra-
hältnis ‘Tier—Umwelt’ beim Menschen durch chen und sprachlichen Äußerungen, der Ver-
dies reflexiv gebrochene sprachvermittelte ständigung über Sinn und Bedeutung (s.
Verhältnis ersetzt wird, schafft eine grund- Art. 81), der Übersetzung und — in späteren
sätzlich andere Situation für das ‘Mensch’ weiter ausdifferenzierten Verhältnissen — die
genannte Tier. Der Mensch ist zwar darauf Probleme der Hermeneutik (s. Art. 45), der
angewiesen, sich in seinem Verhältnis zur Rea- theoretischen Linguistik und der Sprachphi-
lität durch eine je bestimmte konkrete Spra- losophie.
che vermitteln zu lassen, sich damit an je
bestimmte Perspektiven, dogmatische Zu- 2.4.  Dadurch daß der Mensch in der kultu-
gangsweisen zu binden, aber anders als das rellen Evolution die Form seiner kognitiven
Tier ist er daran nicht auf Dauer gefesselt. Er Auseinandersetzung mit der Realität zuneh-
ist nicht in einer invarianten Umwelt gefan- mend in eigene Regie übernimmt — er bindet
gen. Er hat ›Welt‹, ist ›weltoffen‹ und kann sie an selbstgeschaffene Institutionen, ge-
den je bestimmten Zugang zu ihr, die be- winnt immer mehr Kontrolle und Verfügung
stimmte vermittelnde Sprache als etwas Be- über sie, indem er sie in steigendem Maße
stimmtes, Einseitiges, thematisieren und durchschaut, zwischen ihnen frei wechseln
transzendieren. — Außerdem ist Sprache et- lernt, sie korrigiert und umbaut — verändert
was, das der Mensch in gewissem Sinne selbst sich der Charakter dieser Aktivität funda-
gemacht, als selbstgeschaffene Institution an mental. Kognitive Auseinandersetzung ist da-
die Stelle des Instinkts gesetzt hat, das er in her gerade nicht — wie die traditionell ein-
eigene Regie übernehmen, umformen, ja so- flußreichsten einschlägigen Metaphern, die
gar in bestimmten Bereichen selbst konstru- Theorie-Metapher und die Bild-Metapher
ieren kann, über das der Mensch in gewissem (›Repräsentation‹), suggerieren — etwas we-
Sinne verfügt. sentlich Zweistelliges und Statisches (Bezie-
hung zwischen Gegenstand und Auge, bzw.
748 III. Positionen

Bild, ›ruhige Schau‹). Sie ist vielmehr etwas tur, nämlich aus dem Subjekt-Objekt-Schema
essentiell Dreistelliges und Dynamisches. Das verstanden wurde, von Anfang an eine soziale
Spezifische besteht nicht in der statischen Dimension hat, von Anfang an ebenso wie
Kontemplation, sondern eher in der dyna- auf zu erkennende Objekte, so auch auf mit-
mischen Destruktion der immer schon gege- erkennende, mithandelnde und kommunizie-
benen sprachlichen ›öffentlichen Ausgelegt- rende Kosubjekte bezogen ist. Zu dieser wich-
heit‹, in der aktiven Bemühung um den rech- tigen Implikation gehört auch die Idee, daß
ten Zugang zur Sache, der tätigen Kritik der in der von Grund auf sozialen sprachvermit-
eingefahrenen Sehgewohnheiten. Menschliche telten Vernunft sich Ansätze zu einer verbind-
Erkenntnis ist, was die traditionellen Meta- lichen Vernunftethik finden lassen müssen.
phern unterschlagen, Erkenntnis und Er-
kenntnis- bzw. Sprachkritik zusammenge- 2.7.  Die Transzendentalpragmatik behaup-
nommen. tet, daß eine solche Konzeption, wie eben
skizziert, dazu geeignet ist, sowohl den Blick
2.5.  Wird Sprache aus dieser Perspektive ver- auf das ganze, unverkürzte Phänomen Spra-
standen, dann verliert die traditionelle, bis che zu ermöglichen und daher zu umfassender
heute mächtige, ja dominierende Idee des ab- Integration der wesentlichen Diskussionsre-
soluten Primats einer von den kommunika- sultate fähig ist, wie auch zu einer philoso-
tiven Funktionen wesentlich unabhängigen phisch radikalen Form der Sprachphiloso-
Repräsentationsfunktion der Sprache ihre phie, genauer der Sprachkritik, die ja als Erbe
Plausibilität. Sie muß zusammenbrechen, der Erkenntniskritik zur Radikalität aus sinn-
wenn sich herausstellt, daß der theoretische kritischen Gründen ohnehin verpflichtet ist.
Gebrauch der Sprache als Mittel der Reprä- — Freilich ist beides nur möglich in einer
sentation beim ‘Mensch’ genannten Tier ent- transzendentalphilosophischen Konzeption
scheidend davon abhängt, daß vor allem das von Sprachphilosophie, die des näheren an-
Moment daran beteiligt ist, welches für die gesichts der erwähnten Besonderheiten des
kommunikativen Funktionen des Verstehens Phänomens Sprache die Form einer transzen-
(s. Art. 94), des Sichverständigens, Überset- dentalpragmatischen Konzeption annehmen
zens zentral, ja konstitutiv ist: Reflexion auf muß. — Nur ein transzendentalphilosophi-
die Sprache. An Stelle des Modells, nach dem scher Ansatz erlaubt es, Sprache als das, als
Sprache wesentlich zur Darstellung von etwas was sie vor allem philosophisch interessiert,
da ist, tritt nun das Modell, nach dem Sprache als transzendentale Größe und insbesondere
primär zur Verständigung über etwas gemacht auch als die nie völlig objektivierbare Sprache
ist. — Die damit plausibel werdende Idee von q ua Medium der Sprachphilosophie selbst zur
der Abhängigkeit der theoretisch deskriptiven Geltung zu bringen. Und nur eine transzen-
Funktion der Sprache von der kommunika- dentalpragmatische Konzeption, die auf einer
tiven Funktion läßt sich entscheidend ver- transzendentalphilosophischen Deutung der
schärfen durch das Wittgensteinsche Privat- pragmatischen Zeichendimension fußt, ist in
sprachenargument. Sie führt letztlich zur der Lage, mit dem komplexen, reflexiv gebro-
These von der notwendigen wechselseitigen chenen Verhältnis von Subjekt und Sprache,
Verschränkung kognitiver sprachvermittelter welches selbst noch sprachlich verfaßt und
Aktivitäten in der Subjekt-Objekt-Relation kanalisiert ist, fertig zu werden. Und nur eine
mit solchen in der Subjekt-Subjekt-Relation, solche Konzeption scheint dem Abschlußpro-
eine These, die ja schon in der Auffassung blem einer radikalen Sprachkritik, dem Pro-
von der Erkenntnis als Leistung, die immer blem der reflexiven Selbstkritik dieser Kritik,
zugleich auch Auseinandersetzung mit der gewachsen zu sein. — Soweit der globale
sprachlichen ›öffentlichen Ausgelegtheit‹ der Überblick über die transzendentalpragmati-
Welt ist, deutlich impliziert ist. sche Idee von Sprache und Sprachphilosophie
im ganzen. Nun zur Darstellung einiger der
2.6.  Wird dieses Letztere aber zugegeben, wichtigsten Einzelaspekte dieser Konzeption.
dann wird endlich eine ganz wesentliche Im-
plikation der Idee sprachvermittelter Er-
kenntnis deutlich, die die Tragweite des ›lin- 3. Sprache als Bedingung der
guistic turn‹ der Philosophie des 20. Jahrhun- Möglichkeit von Vernunftleistungen
derts erst richtig sichtbar macht. Dann kann Ein wesentlicher, ja fundamentaler Bestand-
man nämlich behaupten, daß Vernunft, die teil der Transzendentalpragmatik besteht zu-
gemäß dem Hauptstrom der neuzeitlichen nächst in der Verteidigung der These, daß
Philosophie nur aus der Opposition zur Na-
53.  Die transzendentalpragmatische Position 749

Vernunft, Vernunftausübung, an Sprache ge- einem Satz entspricht [...], ohne eben den Satz
bunden ist, daß Sprache notwendige Bedin- zu wiederholen. (Wir haben es hier mit einer
gung für Erkenntnis ist, daß Sprachphiloso- Kantischen Lösung des Problems der Philo-
phie und Sprachkritik daher keine peripheren sophie zu tun.)“ (Wittgenstein 1977, 27).
Disziplinen der Philosophie sind, sondern als (2) Der Hinweis darauf, daß als Erkenntnis,
Erben der vormals zentralen Erkenntniskritik als Einsicht, nur zählt, was formuliert vor-
den Rang, den sie nun in der Philosophie des liegt. Es ist im Rahmen ausdifferenzierter Be-
20. Jahrhunderts haben, durchaus verdienen. mühung um Erkenntnis kein zugelassener
Die These läuft darauf hinaus, daß philoso- Zug, wenn man sich angesichts von Kritik auf
phische Rekonstruktion von Vernunftleistun- das zurückzieht, was man (vorsprachlich pri-
gen nicht elementaristisch hinter die Sprache vat) gemeint habe, aber nicht habe sagen kön-
zurückgehen kann auf vorsprachliche Lei- nen. — Eng zusammen damit hängt das Fak-
stungen eines Subjekts, die gleichwohl das tum, daß der Anspruch auf intersubjektive
Prädikat ‘vernünftig’ verdienen können. — Gültigkeit und d. h. wesentlich auf intersub-
Die Verteidigung dieser These ist deswegen jektive Überprüfbarkeit an dem öffentlichen
nicht überflüssig, weil erstens fast die gesamte Vorliegen der Aussage und damit an ihrer
philosophische Tradition von der Antike bis sprachlichen Fassung hängt. (3) Die Beob-
zum Anfang dieses Jahrhunderts durch die — achtung, daß der Geltungsanspruch der
mit dieser These in Widerspruch stehende — Wahrheit, der Anspruch, es treffe zu, was wir
Common-Sense-Idee der Sprache beherrscht behaupten, nur auf einfache Weise und nicht
wurde und zweitens weil diese Idee, die auch doppelt erhoben wird. Es wird nur bean-
im 20. Jahrhundert immer viele Anhänger sprucht, die Aussage treffe zu von der Reali-
behielt, durch die in gewissem Sinne post- tät, nicht aber zugleich auch noch, die Aus-
sprachanalytische intentionalistische Seman- sage sei eine selbst zutreffende Wiedergabe
tik wieder neubelebt wurde. In dieser Com- (des die Wirklichkeit wiedergeben sollenden)
mon-Sense-Konzeption kann zwar der Spra- Gedankens. Es ist hier einfach kein Raum für
che durchaus ein hoher Stellenwert einge- eine in eine solche Lücke einbrechende Kritik.
räumt werden, Sprache bleibt aber etwas — Dasselbe Argument gilt übrigens auch von
Nachträgliches, das zur an sich schon ohne dem Anspruch, den Realitätsausschnitt in
sie fertigen Vernunft nur hinzutritt, ja auf einer angemessenen Weise, in angemessener
Leistungen dieser vorsprachlichen Vernunft Sprache, artikuliert zu haben, was ja Voraus-
zurückgeführt werden muß. Apel faßt die setzung für die Erhebung des Wahrheitsan-
Grundzüge dieser Konzeption prägnant in spruchs ist. Auch dieser Anspruch wird er-
folgenden vier Punkten zusammen: sichtlich nicht doppelt erhoben. (4) Die all-
„Zuerst erkennen wir — jeder für sich und unab- gemein zugegebene Konzession, daß wissen-
hängig vom anderen — die Elemente der sinnlich schaftliche Erkenntnis abhängig ist von Ka-
gegebenen Welt (später ‘Sinnesdaten’ genannt); tegoriensystemen, von theoriebeladenen
dann erfassen wir durch ›Abstraktion‹ mit Hilfe des (Grund-)Begriffen, von fundamentalen Me-
Organons der allgemeinmenschlichen Logik die on- taphern, Bildfeldern etc. ebenso wie die, daß
tologische Struktur der Welt; dann bezeichnen wir zur (wissenschaftlichen) Bemühung um Er-
— durch Übereinkunft — die Elemente der so kenntnis auch die kritische Auseinanderset-
gewonnenen Weltordnung und repräsentieren die zung mit diesen Kategoriensystemen, theorie-
Sachverhalte durch Zeichen-verknüpfungen; beladenen Begriffen, Metaphern gehört. In
schließlich teilen wir anderen Menschen mit Hilfe der Hermeneutik ist dies unter dem Namen
der Zeichen-verknüpfungen die von uns erkannten ‘Kritik und Korrektur des Vorverständnisses’
Sachverhalte mit“ (Apel 1973 a II, 338 f). die über alles entscheidende zentrale Aufgabe.
Gegen diese Idee von Sprache verweist die Der Wissenschaftler entnimmt diese Katego-
Transzendentalpragmatik vor allem auf fol- rien, Begriffe, Metaphern, Vorverständnisse
gende Evidenzen,die hier ohne weitere Erläu- offenbar der jeweils faktisch verwendeten
terung einfach angeführt werden: (1) Die Sprache, der immer schon gegebenen ›öffent-
schlagenden Bemerkungen des jungen Lud- lichen Ausgelegtheit‹ der Welt — woher sollte
wig Wittgenstein (1889—1951) (s. Art. 39), er sie auch sonst nehmen —, und er gibt sie
mit denen dieser den ›linguistic turn‹ ratifi- nach eventueller Korrektur wieder an diese
ziert: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten zurück. Nun kann man das Spannungsfeld,
die Grenzen meiner Welt“ (T 5.6). „Die in dem sich diese von jedermann zugestan-
Grenze der Sprache zeigt sich in der Unmög- dene Bemühung bewegt, nicht anders bezeich-
lichkeit, die Tatsache zu beschreiben, die nen, denn als das Spannungsfeld zwischen der
750 III. Positionen

faktisch gesprochenen eingelebten Sprache, weiter die Tatsache, daß es viele verschiedene
an die anzuknüpfen ist, einerseits und der zu Sprachen gibt, nicht zu leugnen ist, dann ist
erarbeitenden optimalen Sprache, die die an- das Problem der Einheit der Sprache von
gemessene Form für die ›final opinion‹ wäre, großer Bedeutung: Kommunikation ist nur
andererseits. D. h. die unverzichtbare Rolle möglich, wenn die Kommunikationspartner
der faktischen, je besonderen Sprache für die schon eine gemeinsame Sprache sprechen
Erkenntnis, in Opposition etwa zu einem je- oder sie herstellen können. Erkenntnis ist —
dermann immer schon zugänglichen (plato- wie ein Blick auf die Synthesis-Lehre von
nischen) Inventar von vor- oder übersprach- Immanuel Kant (1724—1804) klarmacht —
lichen allgemeingültigen Begriffen, wird be- daran gebunden, daß die verschiedenen Mo-
sonders deutlich, wenn man sich die Anstren- mente, aus denen sie sich ergibt (›Vorstellun-
gungen zur Kritik und Korrektur der Sprache gen‹, ›Gedanken‹, Sprechhandlungen wie Re-
vergegenwärtigt, ohne die wissenschaftliche ferenz (s. Art. 78) und Prädikation (s. Art. 77)
Bemühungen um Erkenntnis nicht denkbar etc.) in einem einheitlichen, d. h. nur durch
sind. (5) Als letztes Argument, das an dieser die Identität einer Sprache möglichen — Sinn-
Stelle nur genannt, nicht ausgeführt werden zusammenhang punktgenau passend aufein-
kann, ist Wittgensteins Argument gegen die ander bezogen werden. — Einheit der Sprache
Möglichkeit privaten Regelbefolgens, gegen ist schließlich schon dazu erforderlich, daß
die Möglichkeit einer Privatsprache, zu er- die unzweifelhaft gegebene Mannigfaltigkeit
wähnen: „Und darum kann man nicht der verschiedener Sprachen überhaupt als Man-
Regel ›privatim‹ folgen, weil sonst der Regel nigfaltigkeit von Sprachen verstanden und
zu folgen glauben dasselbe wäre, wie der Re- identifiziert werden kann. Ohne dieses wären
gel folgen“ (PU § 202). Dieses Argument geht z. B. Sprachphilosophie und Linguistik gar
freilich viel weiter als die bisher erwähnten. nicht möglich. Daß jemand spricht und nicht
Aus ihm folgt ja nicht nur, daß Vernunftlei- vielmehr etwas anderes tut, kann ja nur von
stungen an Sprache gebunden sind, sondern jemandem verstanden werden, der als Spre-
auch an Kommunikation in einer Kommu- cher seiner Sprache im Prinzip zugleich in der
nikationsgemeinschaft. — Soweit die Haupt- Lage ist, die andere Sprache zu verstehen,
argumente zugunsten des ›linguistic turn‹. wozu die Möglichkeit, Einheit der Sprache
durch Übersetzung herzustellen, erforderlich
ist.
4. Die pragmatische Dimension
der Sprache 4.1.  Eine lehrreiche und für die Entwicklung
In einem zweiten Schritt argumentiert die der sprachanalytischen Philosophie extrem
Transzendentalpragmatik sodann, und das ist wichtige Antwort auf die Frage steckt in Witt-
der für sie eigentlich charakteristische Schritt, gensteins Tractatus, in gewissem Sinne die
daß Sprache in ganz besonderer Weise tran- Geburtsurkunde des ›linguistic turn‹. Die hier
szendentale Größe ist, daß Vernunft und wichtigsten Züge seiner Lösung sind folgende:
Sprache in komplexer Weise zusammenhän- (a1) Hinter der irreführend komplizierten
gen. Hier geht es um die reflexive Gebrochen- Vielheit der faktischen Umgangssprachen
heit des sprachvermittelten Verhältnisses zur verbirgt sich die eine ideale ›Universalsprache‹
Realität, darum, daß Sprache sowohl als Me- (s. Art. 64). (b1) Hinter der irreführenden äu-
dium wie auch zugleich als potentielles Thema ßeren Form der Umgangssprache(n) verbirgt
zur Geltung gebracht wird. Es geht um die sich die allgemeingültige ›logische Form‹ der
pragmatische Dimension der Sprache und zu- Universalsprache, die wahrheitsfunktional
gleich auch um eine Kritik an der traditio- gebaut ist, und in der jeder sinnvolle Satz
nellen philosophischen Verabsolutierung der entweder Elementarsatz ist oder auf einen
Repräsentationsfunktion der Sprache. — Die solchen logisch zurückgeführt werden kann.
einschlägige komplexe und facettenreiche Ar- (c1) Wegen der Identität von logischer Form
gumentation Apels ist am besten darzustellen der Universalsprache und logischer Form der
in einer idealtypischen Rekonstruktion des Welt ist in dieser Sprache unmittelbar inter-
›pragmatic turn‹ in der sprachanalytischen subjektiv und objektiv (end-)gültige (nämlich
Philosophie im Lichte des Problems der Ein- angemessene und wahre) Repräsentation der
heit der Sprache(n) (Apel 1973 a II, 334 ff). Welt möglich. — Wittgensteins Idee einer für
— Wenn Vernunftgebrauch, Erkenntnis, un- alle gemeinsamen, verbindlichen Einheits-
auflöslich an Sprache gebunden ist, und wenn sprache, in der Kommunikation eines jeden
mit jedem und intersubjektiv gültige Erkennt-
53.  Die transzendentalpragmatische Position 751

nis möglich sein soll, enthält eine radikale, ganz im Sinne der Typentheorie, die ja letzt-
geradezu handstreichartige Lösung des Ein- lich auf so etwas wie ein Verbot von Selbst-
heitsproblems, für die allerdings ein hoher reflexion überhaupt hinausläuft, wird das hier
Preis gezahlt werden muß: (a2) Die Einheit eigentlich und vor allem Geforderte, nämlich
wird einfach angesetzt, das Problem der Viel- strikt reflexives Wissen von der Sprache, ge-
heit und Verschiedenheit von Sprachen rade vermieden: (a) eine Sprache wird hier
schlicht ignoriert. (b2) Kommunikation muß immer nur von einer anderen Sprache her
verstanden werden nach dem Muster von Da- erkannt. Es kann kein zu einer Sprache selbst
tenübertragung zwischen völlig gleichgeschal- hinzugehöriges sprachlich vermitteltes Wissen
teten Individuen. Verständigung über gemein- von dieser Sprache geben. (b) Das bedeutet
same Sprache, über eine gemeinsame ver- aber, daß es von der entscheidenden Sprache,
nünftige Weltinterpretation ist weder möglich an der alles je erworbene Verständnis hängt,
noch nötig. — Erkenntnis ist reflexionslose von der (jeweils) letzten Metasprache, kein
Abbildung der Welt nach vorgegebenen, fe- kontrollierbares Wissen geben kann. (c) Es
sten Strukturen. Form und Grenzen von Welt kann schließlich kein Wissen geben, das kon-
und Weltabbildung bleiben außerhalb des Be- trollierbar zwischen eigener und fremder
reichs möglicher Erkenntnis und Kontrolle, Sprache vermitteln könnte. Daher ist hier ein
weil Erkenntnis ja gerade an die Identität von befriedigender Begriff von Übersetzung und
Form der Welt und Weltrepräsentation ge- Kommunikation überhaupt unmöglich (s.
bunden ist. (c2) Die ganze Konstruktion zer- Art. 59).
stört schließlich sich selbst, weil in ihr kein
Platz für den philosophischen Konstrukteur, 4.3.  Eine zweite wichtige Antwort gibt Char-
für das Wissen von der Konstruktion und von les William Morris (1901—1979), der die —
der Sprache vorgesehen ist. „Das denkende, auf Charles Sanders Peirce (1839—1914) (s.
vorstellende Subjekt [das dieses Wissen haben Art. 32) und George Herbert Mead (1863—
könnte, W. K.] gibt es nicht“ (Wittgenstein I 1931) (s. Art. 52) zurückgehende — Semiotik
5.631). — Die Schärfe dieser paradoxen apo- des amerikanischen Pragmatismus in den
retischen Konstruktion läßt unmittelbar se- Hauptstrom der analytischen Philosophie ein-
hen, was hier fehlt und als Antwort auf den bringt. Sein wichtigster Beitrag ist der Ent-
Tractatus erarbeitet werden muß: Damit Ein- wurf eines Zeichenmodells, das die bislang
heit der Sprache möglich ist, damit das, was stillschweigend verabsolutierte syntaktische
hier ja schon betrieben wird, nämlich Sprach- und semantische Zeichendimension durch
philosophie, als möglich gelten kann, damit eine pragmatische Dimension der Beziehung
Minimalbedingungen für ein angemessenes zwischen Zeichen und Zeicheninterpret er-
Bild von Kommunikation und sprachvermit- gänzt (Morris 1938 a). Mit dieser pragmati-
telter Erkenntnis erfüllt werden können, muß schen Dimension ist ein systematischer Ort
— selbst noch sprachvermitteltes — Wissen/ vorgesehen für die hier gesuchte, zur jeweili-
Bewußtsein von der Sprache möglich sein. gen Sprache selbst gehörige (d. h. sprachver-
Und zwar Wissen von der je eigenen Sprache, mittelte, aber nicht an eine Metasprache ge-
also sprachvermitteltes reflexives Wissen von bundene) kognitive Beziehung des Sprachver-
Sprache, wie auch Wissen von fremden Spra- wenders zu seiner Sprache. Diese Idee wäre
chen, das deren Beschreibung, Analyse und geeignet, als Basis für die hier postulierte Ant-
Übersetzung möglich macht. — Sehen wir wort auf das wittgensteinsche Problem zu die-
nun, wie die Entwicklung in der analytischen nen. Zugleich eröffnet sich für Morris von
Philosophie aus der Perspektive der Transzen- hier aus der Blick auf die Mannigfaltigkeit
dentalpragmatik faktisch verlief. sehr verschiedener Verwendungsweisen der
Sprache zur Überwindung der traditionellen
4.2.  Eine erste Antwort verdanken wir Ber- Orientierung allein an der Aussagefunktion
trand Russell (1872—1970) (Russell 1922, (Morris 1946). — Aber dieser fruchtbare An-
22 f), der die zentrale Paradoxie des Tractatus satz wird von Morris weder im Sinne einer
dadurch aufzulösen versucht, daß er vor- Anerkennung der Reflexivität der Sprache ge-
schlägt, über Sprache in ihrerseits wieder for- nutzt noch im Sinne einer wirksamen Zu-
malisierten Metasprachen zu reden und über rücknahme der üblichen Verabsolutierung der
diese Metasprachen in Metametasprachen Repräsentationsfunktion. Am ersten wird er
etc. Damit wird zwar die Möglichkeit einge- gehindert durch den methodischen Behavio-
führt, über Sprache kontrollierbar und durch- rismus, der das Verhältnis von Zeichen und
sichtig etwas zu wissen und zu reden, aber Interpret nach dem Muster des Reflexivität
752 III. Positionen

gerade ausschließenden Verhältnisses von ›sti- späten Wittgenstein bringt (s. Art. 60). Wir
mulus‹ und ‹response‹ versteht und der die erwähnen hier nur das Wichtigste: (a) An die
Konzeption faktisch in Richtung auf eine Stelle des einen völlig transparenten, unge-
bloß empirische (auf Beobachtung beru- genständlichen Mediums der Universalspra-
hende) Pragmatik abdrängte, die aber zur Re- che aus dem Tractatus tritt nun die Mannig-
konstruktion der zum Verstehen, Übersetzen, faltigkeit verschiedener — trotz ihrer tran-
zur Rekonstruktion und Kritik von Sprachen szendentalen Funktion selbst gegenständli-
erforderlichen Leistungen nicht ausreicht (s. cher — Sprachspiele, in denen die Sprache
Art. 50). Am zweiten hindert ihn die Über- gewissermaßen in ganz verschiedenen Stellun-
macht des von Rudolf Carnap (1891—1970) gen zur Realität vorkommt (s. Art. 96). (b)
vertretenen logizistischen Modells von Spra- An die Stelle der wesentlich zweistelligen Be-
che, dem er mit seinem Programm ja zugleich ziehung zwischen Realität einerseits und welt-
zu Hilfe kommen will (Apel 1986, 55 ff). abbildendem Sprachsystem andererseits (cf.
Wittgenstein, T 5.631: („Das denkende, vor-
4.4.  Eine dritte repräsentative Antwort ist stellende Subjekt gibt es nicht“) tritt jetzt eine
Carnap zuzuordnen: Für Carnap, den Kon- drei- oder besser noch vierstellige Beziehung
strukteur vieler verschiedener semantisch- zwischen Welt/Weltausschnitt, Sprachspiel
syntaktischer Systeme, ist die von Wittgen- und den mindestens zwei Spielern, ohne die
stein noch garantierte Einheit und Verbind- ein Spiel nicht gespielt werden kann (Privat-
lichkeit der Universalsprache definitiv zerbro- sprachenargumente). Von zentraler Bedeu-
chen. Carnap kann daher den Problemen, die tung ist dabei die Beziehung zwischen Spre-
die Möglichkeit des Wissens von diesen Sy- cher und Sprache, die unter den verschieden-
stemen betreffen — die ja konstruiert und sten Gesichtspunkten, besonders aber unter
gedeutet werden müssen —, ferner die Bezie- denen des Verstehens, Erlernens und Verwen-
hungen dieser Systeme untereinander und zur dens der Sprache (Gebrauchstheorie der Be-
in ihnen zu repräsentierenden Realität, nicht deutung) (s. Art. 68) thematisiert wird. Aller-
mehr ausweichen. Er versucht diese Probleme dings bleibt die darin immer enthaltene kog-
trotz grundsätzlicher Anerkennung des Mor- nitive Beziehung von Sprecher und Sprache
ris’schen Vorschlags unter Bezug auf die Idee unentfaltet und eigentümlich im Halbdunkel.
der Metasprache zu lösen, was ihn in die (c) Ähnlich steht es mit der Aktivität des
angedeuteten Schwierigkeiten dieser Idee ver- Sprachphilosophen selbst. Offenbar unter
wickelt. Besonders bedeutsam ist hier jedoch dem Eindruck des Russellschen Verbots läßt
seine berühmte — damit in Spannung ste- Wittgenstein sie geradezu eklatant unterbe-
hende — resignative These, daß die soge- stimmt und deklariert sie als bloße ›Erläute-
nannten ›externen‹ Fragen, die die Probleme rung‹, als bloße ›Therapie‹ statt systemati-
der Angemessenheit der jeweiligen Sprache scher Theorie. Man findet kein Wort über
betreffen — Fragen, die offenbar für Inter- den Ort, das Sprachspiel, von dem her über
preten, Übersetzer, die an der Einheit des Sprachspiele geredet wird, von dem her alle
Sinnes, an der Vermittlung zwischen Sprachen Sprachen aufeinander bezogen werden (Apel
arbeiten, und für Philosophen besonders 1973 a II, 346 ff).
wichtig sind — nicht als theoretisch-kogni-
tive, sondern als bloß praktische, durch Ent- 4.6.  Eine nochmalige Verschärfung dieser
scheidungen zu lösende Fragen deklariert ›pragmatischen Wende‹ bringt die vor allem
werden müssen (Carnap 1950). auf John Langshaw Austin (1911—1960) und
John Roger Searle (*1932) zurückgehende
4.5.  All diesen Antworten ist folgendes ge- Sprechakttheorie (s. Art. 54). Hier wird der
meinsam: Zwar wird der offensichtlich ent- gegenständliche, auf Reflexion verweisende
scheidende Mangel der wittgensteinschen Aspekt der Sprache noch zusätzlich betont
Konzeption korrigiert: Wissen von der Spra- durch die Idee, daß Sprache grundsätzlich als
che gilt hier als möglich. Doch in keinem Handeln zu verstehen ist. — Die für die Ver-
Ansatz handelt es sich um reflexives Wissen. absolutierung der Repräsentationsfunktion
Russells durch Alfred Tarski (1902—1983) verantwortliche Sonderstellung der Konsta-
später befestigtes Reflexionsverbot erweist tiva wird bei Austin in ausführlichem und
sich als übermächtig zumindest in der Tradi- explizitem Vergleich mit anderen Sprechakt-
tion der formalsprachlichen Sprachanalyse. typen beseitigt. Auch die Konstativa sind
Ja das gilt selbst noch für den bedeutenden (Verständigungs-)Handlungen, die wie alle
Schritt, den die normalsprachliche Wende des anderen glücken und mißglücken können. —
53.  Die transzendentalpragmatische Position 753

Als die grundlegende sprachliche Einheit wird — Die Anwendung dieser Idee auf die
der in einen performativen Eröffnungsteil und Sprachphilosophie führt unmittelbar auf den
einen Daß-Satz (Proposition) gegliederte Zentralgedanken der Transzendentalpragma-
Sprechakt herausgearbeitet. Austin erklärt tik, der reflexiv gebrochenen sprachlich ver-
ausdrücklich, daß der Eröffnungsteil klar- faßten Vernunft: Leistungen dieser Vernunft,
macht, wie die Äußerung aufzufassen ist, er in denen diese sich auf etwas bezieht, von
redet über das für diesen Eröffnungsteil cha- etwas handelt, sind, wenn sie real sind, nicht
rakteristische ‘hiermit’ (Austin 1972, 57). — nur einfach da, sondern sind immer schon
Damit sind jetzt fast alle Mittel erarbeitet, um notwendig für den Akteur als gedeutete da
das wittgensteinsche Problem aufzulösen, und haben insofern wesentlich auch den Cha-
aber das entscheidende Wort fehlt noch. Es rakter des Gegenständlichen für das betref-
fehlt ein deutliches Bewußtsein der Sprech- fende Subjekt. — Genau dieses Verhältnis, in
akttheoretiker von der eigenen Aktivität, und dem Sprache als Medium der Beziehung auf
es fehlt ein Bewußtsein davon, daß Reflexion die Realität und zugleich selbst als Thema
schon implizit als konstitutiv für die grund- vorkommt, ist nun unüberbietbar klar aus-
legende Redeeinheit, den Sprechakt, zuge- geprägt in der expliziten kanonischen Form
standen ist. des Sprechaktes: ‘Ich behaupte/frage hiermit,
daß/ob p’, und es wird zugleich für die be-
sonderen, bei Sprechhandlungen typischen
5. Grundzüge transzendental- Zwecke ausgenützt. Schon Austin war das die
pragmatischer Sprachphilosophie reflexive Struktur implizierende ‘hiermit’ auf-
gefallen. Doch erst Habermas hat die Sache
Dieser letzten Einsicht wird erst durch die glücklich auf den Begriff gebracht, nämlich
radikalisierende und ergänzende Interpreta- auf den Begriff der reflexiv verfaßten perfor-
tion der Sprachspieltheorie von Wittgenstein mativ-propositionalen ›Doppelstruktur‹ des
und der Sprechakttheorie durch Apel und Sprechaktes (Habermas 1976, 224 ff). — Da-
Jürgen Habermas (*1929) zum Durchbruch nach besteht ein Sprechakt aus zwei Teilen,
verholfen. dem illokutiven Akt, dem in der Standard-
form der expliziten Sprechhandlung der per-
5.1.  Erst in dieser Interpretation, in der An- formative Satz entspricht, und dem proposi-
regungen aus der Semiotik von Peirce eine tionalen Bestandteil, dem der propositionale
bedeutende Rolle spielen, wird (a) die Dop- Gehalt korrespondiert. Der illokutive Akt
pelstruktur des Sprechakts voll verstanden, legt den Verwendungssinn des propositiona-
(b) die Reflexion rehabilitiert, (c) die Abhän- len Gehalts fest, und das Aktkomplement be-
gigkeit der Repräsentationsfunktion der stimmt den Inhalt, der unter der festgelegten
Sprache von der Kommunikationsfunktion kommunikativen Funktion ›als etwas ...‹ ver-
klar anerkannt und (d) ein umfassender Be- standen wird. Der performative Satz bezieht
griff der Sprache anhand der vier Geltungs- sich sowohl auf sich selbst (‘hiermit’), wie auf
ansprüche und drei Weltbezüge entwickelt. den propositionalen Teil. „Sprechhandlungen
Zu (a): Der Grundgedanke der Sprechakt- interpretieren sich selbst; sie haben nämlich
theorie, daß Sprechen als Handeln verstanden eine selbstbezügliche Struktur“ (Habermas
werden muß, hat vor allem folgende Impli- 1988, 65). Freilich kann dieses selbst noch
kationen: Ein X kann nur dann als Handlung sprachlich kanalisierte, reflexive Verhältnis
H — in Opposition zu einem bloßen Ereignis des Sprechers zu seinen Sprechhandlungen,
E — gelten, wenn (1) X H ist (d. h. faktisch an dem die reflexive Gebrochenheit der
bestimmte Eigenschaften hat) und (2) X vom sprachlich verfaßten Vernunft besonders klar
Handelnden als H verstanden, interpretiert sichtbar wird, ganz verschiedene Grade der
wird. Zum Handeln gehört ein mehr oder Explizitheit und der reflexiv objektivierenden
weniger explizites Verständnis des Handelns Distanz annehmen. Aber der Ansatzpunkt für
durch den Akteur wesentlich hinzu. Zu Hand- Reflexivität ist von Anfang an da (s. Art. 79,
lungen muß man sich entschließen können; 95).
man muß die Verantwortung für sie überneh- Zu (b): Russells Verbot der Selbstbezüglich-
men können; fehlerhafte, eventuell stark vom keit in der Logik, hinter der das ganze Pre-
Muster abweichende Handlungen müssen stige der neuen Logik stand, wurde allgemein
gleichwohl als solche identifiziert werden kön- verstanden als Verbot von Selbstreflexivität
nen. All das ist nur möglich, wenn im Han- überhaupt in disziplinierter wissenschaftlich-
deln Verständnis des Handelns involviert ist.
754 III. Positionen

philosophischer Rede. Bei genauem Zusehen Äußerung zu bestimmten Reaktionen auf


betrifft es die Möglichkeit von Philosophie (freie Zustimmung zu bzw. Ablehnung des
schlechthin. Denn was bleibt, wenn man der Anspruchs) bzw. räume ihm bestimmte
Philosophie die — ohne Reflexivität nicht in Rechte (zur Beurteilung, zur Kritik meines
Anspruch zu nehmende — Möglichkeit raubt, Produktes) ein. — Nun werden performative
generell über Struktur, Regeln, Bedingungen Sätze, in denen eine Äußerung als Sprechakt
der Möglichkeit von Urteilen, Gedanken, dieses oder jenen Typs deklariert wird, ein-
Aussagen zu handeln? — Nun konnte immer deutig der kommunikativen Funktion der
schon darauf hingewiesen werden (i), daß die Sprache zugerechnet. Sie sind dasjenige, über
Möglichkeit, alles syntaktisch Passende in lo- das vor allem die Kooperation in der Rede
gische Formalismen einsetzen zu können, und ermöglicht und organisiert wird, und sie sind
sich dann blind auf den Formalismus verlas- zugleich die Redeteile, von denen im Haupt-
sen zu können, nicht ohne weiteres als das strom der Sprachphilosophie vor der ›prag-
absolut zentrale philosophische Problem gel- matischen Wende‹ zugunsten der verabsolu-
ten muß, für dessen Lösung jeder Preis ge- tierten Repräsentationsfunktion der Sprache
zahlt werden muß; ferner (ii), daß ja schon regelmäßig abstrahiert wurde. Jetzt stellt sich
die Typentheorie selbst als universal gelten als wichtiges Resultat einer vernünftig inter-
sollende Theorie, bzw. Vorschrift, nur for- pretierten Sprechakttheorie heraus, nicht nur,
muliert werden kann um den Preis, daß gegen daß die Repräsentationsfunktion eine von vie-
sie verstoßen wird, und schließlich (iii), daß len möglichen und durchaus gleichberechtig-
wir uns überhaupt Wissen von der Struktur ten Sprachfunktionen ist, sondern vor allem,
unserer Aussagen und Gedanken nur zu- daß die Verwendung von Propositionen in
trauen können, wenn wir mit Reflexion rech- Feststellungen, daß das Erheben des Wahr-
nen. Dennoch ist es ein nicht überflüssiger heitsanspruches zu Aussagen allererst mög-
Hinweis und ein starker Einwand gegen die lich wird durch den Einsatz von traditionell
Russellsche These, daß eines der wesentlichen und zu Recht als genuin kommunikativ gel-
Resultate sprachanalytischer Philosophie in tender Redeteile. Die traditionell auf Kosten
der Einsicht gesehen werden kann, daß die der Kommunikationsfunktion verabsolutierte
Umgangssprache selbst, an der ja nach wie Repräsentationsfunktion der Sprache ist in
vor die kontrollierte Einführung von For- Wahrheit abhängig von der Kommunika-
malismen hängt, reflexiv verfaßt ist, daß Re- tionsfunktion. Verständigung von jemandem
flexivität internes und essentielles Struktur- mit jemandem über etwas mit Hilfe einer
merkmal der grundlegenden Einheit der Rede, Sprache ist das Allgemeine, Tragende und
des Sprechaktes, ist. alles andere Ermöglichende. Repräsentation
Zu (c): Vom illokutiven Teil der Sprechakte von etwas als etwas in Aussagen ist eine spe-
her wird die Gesamthandlung interpretiert zielle und durch die allgemeine Struktur des
und damit determiniert. Es wird von hier aus Verständigungssystems der Rede ermöglichte
der dominante Geltungsanspruch festgelegt Verwendungsmöglichkeit der Sprache (Apel
und erhoben und damit die Stellung der Pro- 1986).
position zur Realität, der Verwendungssinn Zu (d): Dadurch daß die Repräsentations-
des propositionalen Teils (als Frage, Antwort, funktion ihre absolute Sonderstellung verliert,
Befehl etc.) festgelegt und zum Ausdruck ge- wird der Raum frei für einen umfassenderen
bracht. Mit alledem — und das ist nur die und reicheren philosophischen Begriff der
andere Seite dieser Handlungen — wird zu- Sprache und entsprechend für einen reicheren
gleich und unvermeidlich ein Zug in einem und umfassenderen Begriff von sprachlich
Spiel gemacht und als solcher deklariert, der verfaßter Vernunft bzw. Rationalität. Im An-
nicht nur für den Sprecher selbst, sondern für schluß an Andeutungen Austins und unter
alle Mitspieler, die nun darauf möglichen Rückgriff auf das Sprachmodell von Karl
spielgerechten Reaktionen festlegt, d. h. es Bühler (1879—1963) (s. Art. 38) kann Haber-
wird die Art der nun möglichen (sozialen) mas zeigen, daß alle drei Grundfunktionen
Beziehungen der im Spiel Kooperierenden be- der Sprache im Sinne von Bühler über Gel-
stimmt. Dadurch daß ich zu einer Proposition tungsansprüche und deren Einlösung mit
einen Wahrheitsanspruch erhebe, lege ich den Gründen laufen, überwindet also die auch in
Verwendungssinn der Proposition fest, ihre der Sprechakttheorie noch herrschende Mo-
Beziehung zur Realität, von der sie handelt, nopolisierung des an die Repräsentations-
und fordere zugleich den Adressaten der funktion gebundenen Geltungsmodus der
53.  Die transzendentalpragmatische Position 755

Wahrheit. So wie man einen Sprechakt hin- den performativen Sätzen zugeordnete Ebene
sichtlich seiner Repräsentationsfunktion ver- der Intersubjektivität, auf der Beziehungen
steht, wenn man weiß, welche Gründe für die zwischen den Kommunikationsteilnehmern
Berechtigung des Wahrheitsanspruchs ins etabliert und ausgedrückt werden, auf der
Felde geführt werden könnten, so versteht Geltungsansprüche adressiert, beantwortet
man einen Sprechakt auch hinsichtlich seiner und berücksichtigt werden, einerseits und die
Ausdrucksfunktion bzw. seiner Beziehungs- den propositionalen Gehalten zugeordnete
oder Appellfunktion, wenn man weiß, welche Ebene der Erfahrungen und Sachverhalte,
Gründe für die Berechtigung des Wahrhaftig- über die man sich verständigt, andererseits.
keitsanspruches bzw. des Richtigkeitsanspru- In dieser Unterscheidung wird die für die
ches mobilisiert werden könnten. — Analog reflexive Gebrochenheit stehende Doppel-
zu dem objektiven Weltbezug einer zur Dar- struktur die Angel, um die sich alles dreht.
stellung verwendeten, d. h. unter einem Wahr- Sowohl die Gesamtbedeutung der Äußerung
heitsanspruch stehenden Äußerung führt er wie auch ihre speziellen Funktionen laufen
noch zwei weitere Weltbezüge ein: Dem über das Erheben von Geltungsansprüchen.
Wahrhaftigkeitsanspruch von expressiv ver- Dementsprechend steckt das Gravitationszen-
wendeten Äußerungen entspricht der Bezug trum der Äußerung jetzt im performativen
auf die subjektive Welt von Erlebnissen und Satz, in dem reflexiv auf die Äußerung Bezug
Intentionen, dem Richtigkeitsanspruch ent- genommen wird. (2) Der für die Idee kom-
spricht die soziale Welt als die ›Gesamtheit munikativen Handelns konstitutive Verweis
der legitim geltenden interpersonalen Bezie- der je faktischen kommunikativen Handlun-
hungen‹. — Schließlich faßt er den Begriff gen auf den Diskurs als der besonderen, aus-
von ‘Bedeutung einer Äußerung überhaupt’ gezeichneten Form kommunikativen Han-
geltungstheoretisch: delns, in der das Recht der Geltungsansprü-
„Wir verstehen eine Sprechhandlung, wenn wir die che, die gewöhnlich unproblematisch akzep-
Art von Gründen kennen, die ein Sprecher anfüh- tiert werden, dargetan werden könnte. Der
ren könnte, um einen Hörer davon zu überzeugen, Verweis auf diese besondere Form der Kom-
daß er unter den gegebenen Umständen berechtigt munikation ist in dieses System ebenso fest
ist, Gültigkeit für seine Äußerung zu beanspruchen eingebaut und spielt dort eine ebenso zentrale
— kurz: wenn wir wissen, was sie akzeptabel Rolle, wie der Verweis auf reales Bargeld in
macht“ (Habermas 1988, 80 f). einem Kreditsystem. Das Bargeld erscheint
Apel unterscheidet zusätzlich zu den drei selten manifest, ist trotzdem das Zentrum des
erwähnten Geltungsansprüchen noch einen Ganzen. (3) Die Unterscheidung zwischen der
umfassenden universalen Geltungsanspruch realen Kommunikationsgemeinschaft, der A
auf intersubjektiv identische Sinngeltung, der und B als reale Personen angehören, die diese
auch als Bedingung der Möglichkeit der an- faktische Sprache sprechen, diese faktischen
deren drei verstanden werden kann (Apel Prämissen und Voraussetzungen anerkennen,
1986, 74 f). sich bei diesen faktischen Evidenzen beruhi-
gen usw., einerseits und der idealen Kom-
5.2.  Diese Radikalisierung der Sprechakt- munikationsgemeinschaft andererseits, als de-
theorie führt auf ein Grundmodell sprachli- ren Repräsentanten sie sich zugleich kontra-
chen Handels, das etwa folgende Form hat: faktisch verstehen müssen, sofern sie die
A und B verständigen sich mit Hilfe einer Möglichkeit einer Ausweisung ihrer Gel-
realen Sprache über etwas in der Welt, erhe- tungsansprüche ernst nehmen. Diese ideale
ben dabei Geltungsansprüche und antworten Kommunikationsgemeinschaft, zu der sowohl
mit Ja-Nein-Stellungnahmen darauf, verwei- uneingeschränkt wahrheitsfähige Teilnehmer
sen mit diesen Geltungsansprüchen auf den gehören müssen, wie auch bestimmte, für die
Diskurs als die ausgezeichnete Form sprach- Geltungssicherung geeignete symmetrische
lichen Handelns, in der über das Recht der Kommunikationsstrukturen, sowie schließ-
Geltungsansprüche (an denen nach dem Mo- lich eine Sprache, die hinreichend geschmeidig
dell alles hängt) entschieden werden kann, sein müßte, mit den anfallenden Problemen
und verstehen und behandeln dabei einander tatsächlich fertig zu werden, wäre uneinge-
unvermeidlich sowohl als Mitglieder einer schränkt in der Lage, die Berechtigung der
realen wie auch zugleich als Repräsentanten erhobenen Geltungsansprüche zu würdigen.
einer idealen Kommunikationsgemeinschaft. Mit dieser Unterscheidung wird die faktische
Die wichtigsten Züge dieses Modells sind: Verständigungspraxis auf eine ganze Reihe
(1) Die Unterscheidung zweier Ebenen. Die von verschiedenartigen regulativen Prinzipien
bezogen.
756 III. Positionen

6. Transzendentalpragmatische Kritik ses, die zugleich verhindert, daß die Univer-


der kommunikativ verfaßten salität der wichtigsten Geltungsansprüche,
Vernunft Wahrheit und Richtigkeit, regionalistisch,
also kontextabhängig relativiert wird. — Die
Mit alledem sind nun die Mittel beieinander Konzeption ist schließlich radikaler als die
für eine transzendentalphilosophische erwähnten Vorbilder und zwar erstens, weil
Sprachkritik, bzw. Kritik der sprachlich ver- hier die Dimension der reflexiven Sprachkri-
faßten Vernunft, die sowohl umfassend wie tik, der Beurteilung und Korrektur der jeweils
auch radikal sein kann und damit in der Lage in Anspruch genommenen Sprache q ua rela-
ist, den in Spannung zueinander stehenden tives Apriori, hinzukommt. Dies geschieht
Standards jeder Vernunftkritik, nämlich de- zum einen unter Bezug auf die Struktur der
skriptiver und normativer Adäq uatheit, zu kommunikativen Verhältnisse der Beteiligten
genügen. Dies ist ihr vor allem deswegen mög- untereinander, die im Hinblick auf diejenigen
lich, weil sie die herausgearbeitete reflexive idealen symmetrischen Verhältnisse beurteilt
Verfassung der Vernunft (Doppelstruktur, werden, die für die als unhintergehbar aus-
sprachliche Vernunft als Medium und Thema) zuzeichnende Diskurssituation gelten. Zum
zu ihrem zentralen Bauprinzip macht. — Sie anderen geschieht es unter Bezug auf die An-
ist eine transzendentalphilosophische Kon- gemessenheit der semantisch-syntaktischen
zeption, weil es in ihr um Sprach-, Kommu- Mittel, der kategorialen Rahmen etc., die be-
nikations- und Vernunftstrukturen als aprio- urteilt werden im Lichte der Spannung zwi-
rische immer schon notwendig in Anspruch schen der faktisch vorläufigen Sprache der
genommene Bedingungen der Möglichkeit realen Kommunikationsgemeinschaft und der
und Gültigkeit von Erkenntnis geht. Sie ist endgültigen Sprache der idealen Kommuni-
als Transzendentalphilosophie zu den ge- kationsgemeinschaft, die tatsächlich zum
nannten Tugenden fähig, weil das irreflexive, Ausdruck der ›final opinion‹ geeignet wäre;
starre und einfache, nach dem Muster eines dabei hat die Peircesche ›pragmatische Ma-
Instinkts gedachte Sprachapriori des frühen xime‹ zur Sinnklärung eine große Bedeutung.
Wittgenstein transformiert ist in das kom- — Ein zweiter Grund ist folgender: Philoso-
plexe, zweistufige, in sich reflexive Apriori phische Sprach- bzw. Vernunftkritik ist er-
einer Struktur, bestehend aus einer unhinter- sichtlich zur Radikalität verpflichtet. Daher
gehbaren invarianten formalen Kontrollin- ist das Abschlußproblem, das Problem einer
stanz, den Diskurs, zuständig für Geltungs- Kritik der Kritik, der Kritik der letzten Maß-
konstitution einerseits, und den jeweils durch stäbe, hier von großer Bedeutung. Kritik nur
bestimmte materiale Sprachen vermittelten von zweitletzten Maßstäben, unkritische Kri-
Zugangsweisen zur jeweiligen Objektivität, re- tik, kann hier nur als nutzlose Befestigung
lativen Aprioris, die von der formalen Kon- von (letzten) Vorurteilen gelten. Die für diese
trollinstanz her reflexiv kontrolliert werden Konzeption konstitutive Reflexivität erlaubt
können andererseits. — Sie ist reicher und es, nun auch mit diesem Problem fertig zu
umfassender als z. B. das kantische Vorbild, werden und damit über die genannten Vor-
weil sie viele Zugangsweisen zur Realität, in bilder entscheidend hinauszugehen. — Im fol-
systematischer Sprechweise: verschiedene Er- genden soll zunächst dieser letzte Punkt noch
kenntnistypen, und in historischer Sprech- etwas näher beleuchtet werden, dann soll ein
weise: verschiedene Sprachen und damit ver- kurzer Blick auf die von dem Grundmodell
schiedene begriffliche (natürliche und künst- abhängige Epistemologie geworfen werden,
liche) ›frameworks‹, vorsieht. Sie ist insofern und es soll schließlich auf die Implikationen
auch konkreter, geschmeidiger — es wird dieses Ansatzes für die praktische Philosophie
nicht alles über denselben Kamm geschoren hingewiesen werden.
— und daher fähig, mit dem ganzen Reichtum
an faktisch vorhandenen, in der Geschichte 6.1.  So wie beim logischen Schließen der Wert
ausdifferenzierten Vernunftleistungen fertig der Konklusion vom Wert der Prämissen ab-
zu werden (deskriptive Adäq uatheit). — Bei hängt, so verdienen auch die Resultate ver-
alledem aber zerfällt ihr dennoch nicht die nunftkritischer Vergewisserung über die Be-
Einheit der Vernunft in inkommensurable, ge- dingungen der Möglichkeit und Grenzen gül-
geneinander abgeschottete, regionale mate- tiger Erkenntnis nur so viel Vertrauen wie
riale Unternehmungen. Dagegen wirkt die re- dasjenige, was wir bei der kritischen Verge-
flexive Rückbindung an die zentrale formale wisserung in Anspruch nehmen mußten.
Kontrollinstanz des philosophischen Diskur-
53.  Die transzendentalpragmatische Position 757

Wenn Reflexivität entweder nicht zugelassen sen, daß wir von den Bedingungen der Mög-
wird, oder — wie im wesentlichen bei Kant lichkeit vom Zweifeln und Argumentieren nur
der Fall (Kuhlmann 1975, 159 ff) — transzen- durch eine fallible rekonstruktive Theorie des
dentalphilosophische Reflexion als selbst Zweifels bzw. des Argumentierens wissen
nicht reflexiv verstanden wird, dann droht ein können. Ist diese Theorie aber fallibel, dann
Regreß der Metakritiken, der die Idee grund- führen die Anstrengungen zu ihrer Verteidi-
sätzlicher und endgültiger transzendentalphi- gung offenbar wieder in einen Regreß (s.
losophischer Vernunftkritik zerstört. Die Art. 10). — Gegen diesen Einwand hilft je-
Transzendentalpragmatik kann nun zeigen, doch folgender Zug: Etwas Bezweifeln und
(a) daß und wie mit Hilfe bestimmter refle- über etwas Argumentieren sind Handlungen,
xiver Argumente das Abschlußproblem auf- die nur dann als solche zählen, wenn sie dem
gelöst werden kann und (b) daß dieser Ar- Akteur nicht nur widerfahren, sondern von
gumenttyp genau die Möglichkeiten der hier ihm so, daß er zumindest in gewissen Grenzen
zentralen Doppelstruktur ausnutzt, in An- davon weiß, also verantwortbar und ihm zu-
spruch nimmt und insofern die behaupteten rechenbar, durchgeführt werden. Wenn es ge-
strukturellen Verhältnisse bestätigt, ja letzt- lingt, dieses zum Argumentieren selbst gehö-
begründet. rige konstitutive Handlungswissen vom Ar-
Zu (a): Das Problem, mit dem der Versuch gumentieren im Argument nutzbar zu ma-
der Letztbegründung vor allem fertig zu wer- chen, dann würde der Rekurs auf eine fallible
den hat, ist das Problem des unendlichen Re- Theorie des Argumentierens überflüssig, und
gresses, und zwar horizontal als Begrün- man könnte sich auf ein Wissen stützen, das
dungsregreß und vertikal als Regreß der Me- wenigstens in einem Kernbereich deswegen als
takritiken. Der Grund für das Auftreten und infallibel gelten muß, weil dieses Wissen
Ernstnehmen des Regresses besteht darin, daß selbstgarantierend ist (Kuhlmann 1985, 76 ff).
man sich nicht nur gegen wirklichen, sondern — Solch ein Wissen kann nur dadurch ins
auch gegen bloß möglichen Zweifel schützen Spiel gebracht werden, daß man es versuchs-
will. Denn zum Regreß in beiden Richtungen weise bestreitet und strikt reflexiv darauf ach-
kommt es, weil bei jedem einzelnen Schritt tet, ob diese Bestreitungsversuche dann noch
der Zweifel, der durch Begründung bzw. Kri- als das zählen können, als was sie zählen
tik ausgeräumt werden sollte, erneuert werden müssen, damit sie etwas erschüttern können.
könnte. — Nun kann die Aufgabe, sich gegen — Beispiel: Der Skeptiker behauptet: ‘Die
bloß möglichen, inhaltlich noch gar nicht ge- Behauptungsregeln gelten für mich nicht’
gebenen Zweifel zu schützen, ersichtlich nicht (M(p)). Der Opponent prüft die Berechtigung
dadurch aufgelöst werden, daß man aus- der Äußerung und vergleicht dazu die These
sichtsreiche Kandidaten, die gegen Zweifel mit dem, was er aktuell an der Äußerung des
immun scheinen, durchtestet. Eine Lösung Skeptikers verstanden haben muß, um über-
kann nur von einer grundsätzlichen Besin- haupt das Problem der Berechtigung dieses
nung auf die Bedingungen der Möglichkeit Geltungsanspruchs haben zu können, (er ver-
und Gültigkeit sinnvollen Zweifelns, sinnvol- gleicht sie nicht mit Konseq uenzen aus einer
len Bestreitens, die ja immer zugleich auch linguistischen Theorie). Damit er nun mit dem
Grenzen sinnvollen Zweifelns darstellen, er- Problem der Wahrheit von M(p) zu tun haben
wartet werden. Die Lösung besteht in der kann, muß er M(p) schon als regelrechte Be-
Einsicht: Genau dasjenige, was der Zwei- hauptung verstanden haben. Damit aber ist
felnde bzw. Bestreitende in Anspruch nehmen das Problem schon gelöst, denn zweifelt er
und gelten lassen muß, um überhaupt sinnvoll daran, daß M(p) eine regelrechte Behauptung
zu bezweifeln oder zu bestreiten, das liegt ist, dann hat er nicht mit einer bloß zweifel-
jenseits der Grenzen sinnvollen Zweifelns und haften Evidenz gegen M(p) zu tun (was in
muß darum vor jedem Zweifel sicher sein. den Regreß führen könnte), sondern er hat
Denn wenn sich der Zweifel auch noch darauf das Problem zum Verschwinden gebracht, in
richten würde, dann zerstörte er sich selbst. dessen Zusammenhang sein Zweifel allererst
Das Argument läßt sich verallgemeinern: Als Sinn erhielt. Weil ein solcher Zweifel sinnlos
sicher vor jedem Argument kann gelten, was ist, kann es auch keinen Regreß, weder ver-
der sinnvoll Argumentierende notwendig in tikal noch horizontal, mehr geben. — Man
Anspruch nehmen und voraussetzen muß, kann die Grundidee dieses Arguments zusam-
nämlich die Bedingungen der Möglichkeit menfassen in der Formel: Was man ohne ak-
und Gültigkeit sinnvoller Argumentation. — tuellen Selbstwiderspruch nicht bestreiten, ge-
Nun kann der Skeptiker noch darauf hinwei-
758 III. Positionen

gen dessen Anerkennung man sich ohne wegen der zur Vernunft gehörigen Reflexivität
Selbstwiderspruch nicht entscheiden, was zugleich Thema und Gegenstand werden
man schließlich ohne petitio principii nicht kann, können wir von dieser Rolle des Dis-
durch Ableitung begründen kann, das ist in kurses wissen und sie im Argument verwen-
der Argumentation — und das heißt über- den. Und weil er schließlich in der Weise
haupt — nicht für uns hintergehbar (Apel thematisch zugänglich werden kann, in der er
1987, 172 ff). Es gilt schlechthin sicher und schon als Medium für den Diskursteilnehmer
kann als feste, unbedingte Basis für weitere da sein muß, damit dieser sich in ihm regel-
bedingte Bedingungen in Anspruch genom- recht bewegen kann per Handlungswissen
men werden. vom Argumentieren, deswegen kann diese
Mit Argumenten dieses Typs, in denen sich Rolle des Diskurses so ausgenützt werden,
Aufdeckung des immer schon vom Argumen- daß kein möglicher Regreß mehr entsteht,
tierenden in Anspruch genommenen Hand- nämlich in strikt reflexiver Argumentation.
lungswissens und Einsicht in dessen Unhin- — Diese Art, das Abschlußproblem zu lösen,
tergehbarkeit eigentümlich verschränken, läßt ist insofern Bestätigung und Begründung der
sich das oben vorgestellte Grundmodell, ab- transzendentalpragmatischen Sprachphiloso-
gewandelt für den Diskurs und entsprechend phie, als das die Grundideen der transzenden-
zentriert um den Sprechakt des Behauptens, talpragmatischen Sprachphilosophie zusam-
als rational unhintergehbar auszeichnen. Der menfassende Grundmodell als unhintergeh-
Argumentierende, der im Diskurs das Recht bar aufgewiesen wird. Und schließlich gilt,
problematisierter Geltungsansprüche zu daß das Letztbegründungsargument am ad-
Äußerungen prüft, kann im Prinzip gegebe- äq uatesten in den Begriffen der transzenden-
nenfalls alle Vorschläge sinnvoll bezweifeln, talpragmatischen Sprachphilosophie expli-
und zwar als Fallibilist hinsichtlich der Wahr- ziert werden kann, nämlich als Argument,
heit und Richtigkeit der Vorschläge, als lin- dessen Pointe die Ausnützung der Möglich-
guistisch-hermeneutischer Meliorist hinsicht- keit des sogenannten performativen Wider-
lich der Angemessenheit ihrer zur Artikula- spruchs bzw. der sogenannten pragmatischen
tion verwendeten Sprache. Er kann das frei- Inkonsistenz ist.
lich nur so, daß er dabei zugleich die wesent-
lichen Bestandteile der mit seiner Aktivität 6.2.  Auch die transzendentalpragmatische
etablierten und diese Aktivität tragenden und Epistemologie ist völlig abhängig von der
ermöglichenden Situation des Diskurses (zu Grundidee der transzendentalpragmatischen
der zusätzlich zum schon Erwähnten noch Sprachphilosophie: Erkenntnis, welcher Art
eine Reihe von Standards, Kriterien, Verfah- immer, ist gebunden an Kommunikation in-
ren der Prüfung und Kritik sowie ein gene- nerhalb einer Kommunikationsgemeinschaft,
relles Vertrauen in die Vernunft gehören) ge- ist gebunden an die komplexe, oben als
rade nicht bezweifelt, sie vielmehr eigens als Grundmodell ausgezeichnete Struktur, die
sinnvoll überhaupt nicht bezweifelbare Basis sich durch das Letztbegründungsargument als
allen Zweifelns, aller Kritik, als Basis und unhintergehbar und darum auch nicht auf
Kehrseite allen Fallibilismus und linguistisch- Einfacheres reduzierbar erweist. Jedoch wenn
hermeneutischen Skeptizismus-Meliorismus auch diese Struktur (›ego verständigt sich mit
anerkennt. alter mit Hilfe einer realen Sprache über et-
Zu (b): Diese Art, das Abschlußproblem der was ...‹) nicht auf elementare Leistungen, die
Vernunftkritik zu lösen, ist zugleich Ausnüt- gleichwohl das Prädikat ‘Vernunftleistungen’
zung und Bestätigung der Letztbegründung noch verdienen, reduziert werden kann, so
der sprachphilosophischen Grundideen der lassen sich doch an ihr verschiedene Erkennt-
Transzendentalpragmatik, auf deren Begriff- nisdimensionen bzw. -richtungen unterschei-
lichkeit eine adäq uate Explikation des Argu- den, die jeweils in bestimmten Erkenntnisty-
menttyps zudem angewiesen ist. — Sie ist pen dominant, für diese prägend sein können.
Ausnützung dieser Grundideen, insbesondere — Die Struktur legt nahe, das in der Tradition
von der reflexiven Gebrochenheit kommuni- dominierende einfache und eindimensionale
kativ verfaßter Vernunft, insofern als der Dis- Modell von Erkenntnis, in dem Erkenntnis
kurs q ua immer schon unvermeidlich in An- wesentlich nach dem Muster des Sehens ver-
spruch genommenes Medium der Geltungs- standen wird (Theoria-, Bild-, Repräsenta-
konstitution die unhintergehbare feste Basis tionsmetapher), zu ersetzen durch ein kom-
für alle Geltungsprobleme darstellt. Weil er plexeres Modell, an dem drei Hauptdimensio-
nen unterschieden werden können: (a) Die
53.  Die transzendentalpragmatische Position 759

Erkenntnisrichtung auf dasjenige, worüber faktisch vorgefundenen fremden Meinungen,


man sich verständigt, (b) die Richtung auf Theorien etc., in der Diskussion mit anderen
diejenigen, mit denen man sich verständigt, Forschern. Und ebenso ist Bemühung um
und (c) die Richtung auf die Verständigungs- progressives Verstehen von anderen Personen,
verhältnisse selbst. — Die Bemühung in Rich- ihren Äußerungen und Handlungen, nur
tung auf dasjenige, worüber man (nur) etwas möglich als Bemühung um Verstehen von Per-
wissen wollen kann, die Bemühung in der sonen, die sich mit der uns allen gemeinsamen
Subjekt-Objekt-Relation, findet ihre typische Welt kognitiv auseinandersetzen. Insofern set-
Ausprägung in den empirisch-analytischen zen sich die verschiedenen kognitiven Bemü-
Naturwissenschaften. Hinter diesen Wissen- hungen wechselseitig voraus. Andererseits
schaften steht das Erkenntnisinteresse an pro- aber schließen sie sich auch gegenseitig aus.
gressiver, nomologisch-explanativer Verfüg- Wird eine Person zum Gegenstand nomolo-
barmachung von Weltbeständen. Die zentrale gischer, kausalanalytischer Forschung ge-
Leistung ist hier das Erklären von Ereignissen macht, dann verliert sie in dieser Perspektive
und Zuständen sowie die Systematisierung unvermeidlich die Eigenschaften, die sie als
der dabei verwendeten Theorien (s. Art. 100). verstehbares, zurechnungsfähiges, vernünfti-
— Die kognitive Bemühung in Richtung auf ges Subjekt charakterisieren. Versucht man
diejenigen, mit denen man sich über etwas eine Person hermeneutisch zu verstehen, dann
verständigt, andere Personen, deren Äuße- kann man ihr Verhalten nicht in derselben
rungen und Handlungen, die Bemühung in Hinsicht zugleich kausalanalytisch zu erklä-
der Subjekt-Subjekt-Relation, findet ihre ren versuchen. Zwischen beiden Typen kog-
typische Ausprägung in den hermeneutischen nitiver Bemühung besteht also ein Komple-
Geisteswissenschaften. Hinter diesen steht mentaritätsverhältnis, und das verbietet es,
letztlich das Interesse an progressiver, inter- zum Beispiel Natur- und Geisteswissenschaf-
subjektiver Verständigung der Teilnehmer der ten — wie oft geschehen — als Konkurren-
Kommunikationsgemeinschaft. Zentrale Ak- zunternehmen aufzufassen (Apel 1979 a,
tivität ist hier das Verstehen von Äußerungen 260 ff). Freilich können sich in bestimmten
und Handlungen. — Die Bemühung in Rich- Wissenschaftstypen explanative und interpre-
tung auf die Verständigungsverhältnisse tative Bemühungen auf verschiedene Weise
selbst, die Reflexion auf die Bedingungen der ergänzen (Geschichtswissenschaften, Ökono-
Möglichkeit und Gültigkeit von kommuni- mie) und durcheinander vermittelt werden
kativ vermittelter Erkenntnis, ist charakteri- (kritische Sozialwissenschaften). — Die Kom-
stisch für die Philosophie. In diesem letzten plementaritätsthese ist auch als Ausdruck re-
Fall ist das Interesse an Einsicht bzw. Wahr- flexiv gebrochener Vernunft zu verstehen:
heit nicht in derselben Weise an ein zusätzli- Jede Erkenntnisbemühung, worauf immer sie
ches, nicht beliebiges (darum transzendental- sich als ihr Objekt oder Thema richten mag,
philosophisch relevantes) sinnkonstitutives wird gedacht als vermittelt durch eine sie be-
Erkenntnisinteresse gebunden wie in den vo- gleitende Auseinandersetzung mit faktisch be-
rigen Fällen, ein Interesse, welches abhängt stehenden Meinungen, Voraussetzungen, Per-
von der Perspektive, die innerhalb der Grund- spektiven, Interessen, begrifflichen Rahmen
struktur gewählt wird. Hier wird vielmehr und Verfahren, etc. D. h. zu jeder kognitiven
Perspektivität allgemein thematisiert und Bemühung um das jeweilige Objekt oder
transzendiert. Diese Besonderheit bezahlt die Thema gehört immer auch die reflexive, kri-
Philosophie freilich mit inhaltlicher Leere. Sie tische Auseinandersetzung mit den Mitteln
ist zuständig nur für ganz formale Strukturen, einer solchen Bemühung. Diese kann freilich
die Bedingungen der Möglichkeit von Ver- unauffällig und implizit geschehen, als bloße
nunftleistungen. — Die Gesamtstruktur gibt Übernahme und Bestätigung des Bestehen-
klare Hinweise für die Interpretation des Ver- den. Sie kann aber auch spektakulär ausfallen
hältnisses dieser Erkenntnisdimensionen, ins- wie in wissenschaftlichen Revolutionen, wo
besondere der Erkenntnis in der Subjekt-Ob- ein ganzes Paradigma korrigiert wird. Sie
jekt-Relation und der Erkenntnis in der Sub- kann sogar das eigentliche Zentrum der gan-
jekt-Subjekt-Relation und der von ihnen ge- zen Bemühung darstellen wie bei der herme-
prägten Wissenschaftstypen zueinander. Ei- neutischen Interpretation, bei der sich die
nerseits treten sie unvermeidlich immer zu- ganze Anstrengung auf die Einarbeitung, das
sammen auf. D. h. Forschung in der Subjekt- heißt ständige Korrektur und Verwerfung von
Objekt-Relation ist nur möglich in der expli- erkenntnisermöglichenden Vorverständnissen
ziten oder impliziten Auseinandersetzung mit richtet. — Es ist wichtig, die besondere Rolle
760 III. Positionen

zu betonen, die die Erkenntnis in der Subjekt- neten Grundstruktur, hat sie zu tun mit einer
Subjekt-Relation in dieser Konzeption spielt. Konzeption, nach der Vernunft von Anfang
(Hermeneutisches) Verstehen ist hier nicht nur an sozial ist, nach der die Realisierung von
Gegenstand spezieller Wissenschaftstheorie, Vernunft gebunden ist an die Interaktion und
sondern gehört darum ins Zentrum dieses An- Kooperation zwischen verschiedenen Ver-
satzes, weil es diejenige Vernunftleistung ist, nunftsubjekten in einer Kommunikationsge-
auf die die Einheit der Instanz zurückgeht, meinschaft: zur Vernunft gehören von Anfang
die eigentlich als einzige den Namen ‘Ver- an Regeln für das Miteinander von interagie-
nunftsubjekt’ im vollen Sinne verdient, näm- renden Personen. — Die Evidenz für die ethi-
lich die Kommunikationsgemeinschaft. Inter- sche Relevanz dieser rational unhintergehba-
und intrasubjektive Verhältnisse (Reflexion) ren Verhältnisse im Diskurs, die sich — auf
rücken damit sehr nahe aneinander. eine Weise, die hier nicht vorgeführt werden
kann (Kuhlmann 1985, 181 ff) — für eine
6.3.  Zum Schluß kurz zu den Konseq uenzen Diskursethik fruchtbar machen läßt, liegt in
für die praktische Philosophie. Die transzen- folgendem: Der wichtigste Sprechakt im Dis-
dentalpragmatische Diskursethik macht eine kurs ist ersichtlich das Behaupten. Wer im
Reihe von einschlägigen Vorteilen dieser Kon- Diskurs etwas gegenüber anderen behauptet,
zeption einer verfaßten, reflexiv gebrochenen der kann zum einen den damit notwendig
Vernunft besonders gut sichtbar. Es läßt sich verbundenen Geltungsanspruch der Wahrheit
nämlich (a) ein interner Zusammenhang zwi- nur erheben, wenn er sich selbst als wahr-
schen Vernunft und Moral herstellen und da- heitsfähiges, verantwortliches, freies, insbe-
mit zugleich zwischen theoretischer und prak- sondere zu freier Einsicht fähiges Subjekt ver-
tischer Philosophie, (b) zeigen, wie sich letzte steht. Zum anderen erwartet er, wenn er den
Normen zwingend begründen lassen, und (c) Geltungsanspruch erhebt, als einzig relevante
dartun, wie große Geschmeidigkeit der Moral Reaktion der Adressaten deren völlig freie,
(die ja von der Moral selbst gefordert ist) mit ungezwungene, selbstverantwortete Stellung-
starker Begründung von Verbindlichkeit zu nahme: Zustimmung oder Ablehnung, die auf
vereinbaren ist. nichts anderes als auf deren völlig freie Ein-
Zu (a): Kant hat in seiner nach wie vor äu- sicht zurückgehen muß. Wenn sie das nämlich
ßerst einflußreichen Ethik einen engen Zu- nicht täte, wäre sie wertlos. Die zentralen
sammenhang zwischen Moral und Vernunft Aktivitäten im Diskurs und damit im System
hergestellt, weil er der Ansicht war, daß nur der Geltungskonstitution überhaupt, das Be-
wenn Moral in Vernunft begründet ist, sich haupten, Zustimmen und Widersprechen,
streng intersubjektiv verbindliche Normen sind damit nur so möglich, daß die Beteiligten
bzw. Verpflichtungen nachweisen lassen. Daß sich so wechselseitig als freie, zurechnungs-
Vernunft jedoch selbst moralisch ist, daß Ver- und verantwortungsfähige und darüber hin-
nunft das moralisch Richtige will, das hat aus als vollständig gleichberechtigte Personen
Kant nicht wirklich zeigen können. Dies wie- im emphatischen Sinne des Wortes verstehen
derum hängt mit seiner im Grunde solipsisti- und anerkennen. Als gleichberechtigt erken-
schen Konzeption von Vernunft zusammen, nen sie sich zunächst an für den Diskurs. Es
bei der die Instanz, auf die die Moral zurück- läßt sich jedoch zeigen, daß diese Einschrän-
gehen soll, das Vernunftsubjekt, so verfaßt kung entfällt. Man kann das so zusammen-
ist, daß gar nicht zu sehen ist, warum hier fassen, daß das für Vernunft konstitutive In-
Rücksicht auf andere Vernunftsubjekte von teresse an Einsicht und Wahrheit notwendig
Anfang an eingebaut sein soll. Andere Ver- verbunden ist mit dem Interesse an normati-
nunftsubjekte und Beziehungen zu diesen, ins- ver Richtigkeit, Gerechtigkeit, Fairness.
besondere kognitive Beziehungen, sind in der Daran wird zugleich klar, daß theoretische
kantischen Konzeption gar nicht vorgesehen. und praktische Vernunft in der Tat identisch
— Auch die transzendentalpragmatische Dis- sind.
kursethik unterstellt, daß Chancen für einen Zu (b): Wenn theoretische und praktische Ver-
Nachweis von streng intersubjektiver mora- nunft so eng zusammenhängen, wie darge-
lischer Verbindlichkeit nur dann bestehen, stellt, wenn das Interesse an Einsicht und
wenn diese sich auf Vernunft (die in jedem Wahrheit notwendig gebunden ist an das In-
Normensubjekt als invariant zu unterstellen teresse an Fairness, an die Anerkennung an-
ist) zurückführen läßt. Weil sie jedoch ausgeht derer als gleichberechtigter Personen, dann
von der oben als unhintergehbar ausgezeich- läßt sich in einem reflexiven Letztbegrün-
54.  Die sprachphilosophischen Annahmen der Sprechakttheorie 761

dungsargument aufdecken, daß jeder, der tionen mit größtmöglicher Verbindlichkeit, sie
ernsthaft wissen will, ob es verbindliche Ver- vereinigt Fallibilismus in konkreten Fragen
pflichtungen gibt, der sich darum in die Dis- mit Letztbegründung der Grundnormen.
kurssituation schon begeben hat, diese Ver-
pflichtung zur Anerkennung anderer als
Gleichberechtigter und die Verpflichtung zur 7. Literatur in Auswahl
konsensuellen Lösung von Konflikten zwi- Apel 1963, Die Idee der Sprache in der Tradition
schen Ansprüchen immer schon unhintergeh- des Humanismus von Dante bis Vico.
bar anerkannt hat. Unhintergehbar, denn was Apel 1973 a I/II, Transformation der Philosophie.
im Diskurs nicht bezweifelt werden kann, das Apel 1974 a, Zur Idee einer transzendentalen
kann überhaupt nicht bezweifelt werden. Weil Sprachpragmatik, in Aspekte und Probleme der
Letztbegründung möglich ist, ist auch derar- Sprachphilosophie, Simon (Hg.).
tiges wie ein kategorischer Imperativ im stren- Apel 1986, Die Logosauszeichnung der menschli-
gen Sinne möglich. chen Sprache, in Perspektiven auf Sprache, Boss-
Zu (c): Die Diskursethik ist eine zweistufige hardt (Hg.).
Ethik. Sie besteht zum einen aus letztbegrün- Apel 1988 a, Pragmatische Sprachphilosophie in
deten formalen Grundnormen, deren wichtig- transzendentalsemiotischer Begründung, in Prag-
ste die ist, die zur Durchführung konkreter matik IV, Stachowiak (Hg.).
praktischer Diskurse zur Ermittlung vernünf- Böhler 1985, Rekonstruktive Pragmatik.
tiger Regelungen, denen alle Beteiligten und Habermas 1974, Wahrheitstheorien, in Wirklichkeit
Betroffenen zustimmen können, verpflichtet. und Reflexion, Fahrenbach (Hg.).
Zu ihr gehören zum anderen die konkreten Habermas 1976, Was heißt Universalpragmatik? in
praktischen Diskurse selbst, an denen mög- Sprachpragmatik und Philosophie, Apel (Hg.).
lichst jeder von der Regelung Betroffene und Habermas 1981, Theorie des kommunikativen Han-
Beteiligte teilnehmen sollte, und deren Form delns.
durch die formalen Grundnormen bestimmt Habermas 1988, Nachmetaphysisches Denken.
wird. In den Vorteilen dieser zweistufigen Kuhlmann 1975, Reflexion und kommunikative Er-
Ethik spiegeln sich noch einmal die Vorzüge fahrung.
des zweistufigen Steuerungssystems einer Kuhlmann 1985, Reflexive Letztbegründung.
kommunikativ verfaßten reflexiv gebroche- Wittgenstein 1977, Vermischte Bemerkungen, von
nen Vernunft gegenüber dem einstufigen Steu- Wright/Nyman (Hg.).
erungssystem der Tiere. Die Diskursethik ver-
einigt größtmögliche Geschmeidigkeit hin- Wolfgang Kuhlmann, Frankfurt a. M.
sichtlich der wechselnden komplexen Situa- (Deutschland)

54. Die sprachphilosophischen Annahmen der Sprechakttheorie

1. Einleitung Das macht sie für verschiedene Wissenschaf-


2. Der konventionelle Charakter der Sprache ten wie die Linguistik (z. B. Wunderlich
und das Regelbewußtsein 1976), die Soziologie (Habermas 1981) und
3. Intentionen die Theologie (Weder 1986) attraktiv. Wenn
4. Die ›Standardform‹ hier die sprachphilosophischen Annahmen
5. Zusammenfassung dieser Theorie erörtert werden sollen, mutet
6. Literatur in Auswahl dies paradox oder ungenau an: Kann es eine
philosophische Theorie mit ausdrücklich so
bezeichneten Annahmen geben; sollen diese
1. Einleitung den Hypothesen einer empirischen Theorie
Das Wort ‘Sprechakttheorie’ scheint für einen entsprechen, und was wäre die philosophische
der wenigen philosophischen Lehrgegen- Entsprechung zu einer empirischen Bewäh-
stände zu stehen, die man schwarz auf weiß rung oder Falsifizierung einer solchen Hypo-
besitzen und getrost nach Hause tragen kann. these? Es würde einleuchten, mit Bezug auf
eine fachwissenschaftliche Theorie geson-
762 III. Positionen

derte, z. B. auch philosophische Überlegun- falsch sein, aber doch auf andere Arten miß-
gen anzustellen, die bestimmte ihrer Voran- glücken, z. B. kann eine Entschuldigung zu-
nahmen, deren prinzipielle methodologische rückgewiesen werden. Ob nun eine bestimmte
Legitimität aber außer Zweifel steht, als ver- Äußerung geglückt ist oder nicht, kann offen-
fehlt erscheinen lassen; es würde zweitens bar nur von den Mitgliedern der Sprachge-
auch einleuchten, unthematisierte, dem Autor meinschaft beurteilt werden; wer die Sprache,
entgangene oder in ihrer Relevanz falsch ein- derer sich der Sprecher in der Äußerung be-
geschätzte Annahmen in einer Philosophie dient, nicht beherrscht und die Umstände
sprachlichen Handelns aufzudecken, was be- nicht kennt, unter denen sie vollzogen wurde,
deuten würde, sie philosophisch zu kritisieren. ist dazu nicht in der Lage, denn dem lautli-
Es ist aber zweifelhaft, ob es eine philosophi- chen Klang allein kann man das Glücken
sche ›Theorie‹ geben kann, für die es legitim oder Mißglücken nicht anhören. — Was heißt
ist, ausdrücklich ›Annahmen‹ zu machen. — es aber, eine Sprache in diesem situationsbe-
Die ›Erfinder‹ der Sprechakttheorie sehen hier zogenen Sinne zu beherrschen, wenn die tra-
offenbar kein Problem: John Langshaw Au- ditionelle Antwort, es heiße, die zu repräsen-
stin (1911—1960), der in manchen Punkten tierenden Gegenstände und Sachverhalte er-
behutsamer und problembewußter formuliert kennen und richtig darstellen zu können,
als John Roger Searle (* 1932), spricht schon nicht nur ihre eigenen klassischen Probleme
von einer ›Theorie‹ der Sprechakte (Austin hat, sondern auch, wie die performativen
1962 a, 149); und in Searles ›Prinzip der Aus- Äußerungen zeigen, unvollständig ist? Da of-
drückbarkeit‹ (es sagt, daß alles, was jemand fenbar ›die Natur‹ einer kommunikativen Si-
meinen kann, grundsätzlich auch gesagt wer- tuation nicht festlegt, welche Äußerungen in
den könne) läßt sich z. B. prima facie durch- ihr angemessen sind, spricht Austin von Kon-
aus eine ›Annahme‹ sehen (Searle 1969, 19 ff). ventionen (Austin 1962 a, 26; 103 ff; passim),
Die folgenden Erörterungen beziehen sich die von Sprachgemeinschaft zu Sprachge-
auf die Sprechakttheorie von Searle, nicht meinschaft wechseln; und für diejenigen, die,
aber auf die Theorien der ›Anwender‹, und wie er sich ausdrückt, ›Jargon‹ lieben, fügt er
sie verstehen sich im Sinne der zweiten Mög- hinzu (Austin 1962 a, 45), es müßten, wenn
lichkeit als philosophische Kritik an philo- jemand eine Äußerung macht, offenbar ge-
sophischen Überlegungen. Eines ihrer Motive wisse ›Bedingungen‹ erfüllt sein, damit sie,
ist der genannte, unter anderem vom späten aufgrund in Geltung befindlicher Konventio-
Ludwig Wittgenstein (1889—1951) (s. Art. nen, als die Handlung, die sie sein solle, glük-
39) (PU 1953) inspirierte Zweifel, ob es die ken könne; dies gelte, wie er später feststellt,
Aufgabe der Philosophie sein könne, Theo- auch für konstative Äußerungen.
rien aufzustellen und Annahmen zu machen. Die These, die Sprache sei konventionell
Die Sprechakttheorie ist ein besonders geeig- (s. Art. 62), kann in einem ersten Interpreta-
neter Anlaß, solche Zweifel konkret zu ma- tionsschritt so gelesen werden, daß sie nichts
chen, weil Wittgenstein in mehreren Punkten anderes ausdrückt, als daß die Sprache weder
den Weg, den Searle dann gegangen ist, mit beliebig noch natürlich sei; die sprachliche
Gründen, die jedenfalls nicht von der Hand Antwort auf einen z. B. zum Klassifizieren
zu weisen sind, als einen philosophischen Irr- präsentierten Gegenstand ist einerseits nicht
weg charakterisiert hat. willkürlich, andererseits aber auch nicht kau-
salgesetzlich erzwungen wie die Reaktion der
Pupille auf eine Zunahme der Helligkeit.
2. Der konventionelle Charakter der Einen Schritt weiter geht man aber, wenn man
Sprache und das Regelbewußtsein vom Können zum Wissen und vom Adjektiv
Einer der Ausgangspunkte für die Überlegun- ‘konventionell’ zum Substantiv ‘Konvention’
gen von Austin (1962 a) war seine ›Entdek- übergeht und nun sagt, die Beherrschung
kung‹ der sogenannten performativen Äuße- einer Sprache sei dasselbe wie die Kenntnis
rungen; das sind solche, mit denen der Spre- gewisser Konventionen; im ›Jargon‹ gespro-
cher etwas tut, das nicht das Feststellen des chen: das Wissen davon, welche Bedingungen
Vorliegens eines Sachverhalts ist; z. B. ent- jeweils erfüllt sein müssen, damit Äußerungen
schuldigt er sich mit einer Äußerung von ‘Ver- bestimmter Typen glücken. Searle (1969, 54)
zeihung’. Solche Äußerungen können im Ge- verschärft diese schon bei Austin (1962 a, 14)
gensatz zu konstativen, d. h. einen Sachver- auftretende Rede von den Bedingungen zu
einer von den ›notwendigen und hinreichen-
halt feststellenden Äußerungen zwar nicht den‹ Bedingungen und sagt, eine Sprache zu
54.  Die sprachphilosophischen Annahmen der Sprechakttheorie 763

beherrschen sei ein praktisches Können, das zugleich aufzuklären und ihn als Medium
sich auffassen lasse als eine implizite Kenntnis eben dieser Aufklärung zu benutzen.
derjenigen konstitutiven Regeln, die für die
Ausdrücke der fraglichen Sprache festlegen, 2.1.  Betrachten wir zunächst das erste Hin-
unter welchen (notwendigen und hinreichen- dernis: Da Übereinkünfte, Bedingungen und
den) Bedingungen ihre Äußerung eine ge- Regeln im primären Wortsinn sprachlich kon-
glückte Handlung ist, und was der Vollzug stituierte Gegenstände sind, so daß man ihre
einer solchen Sprechhandlung für den weite- Kenntnis genau genommen nur demjenigen
ren Handlungsverlauf, also insbesondere für zuschreiben kann, der die sprachlichen Mittel
den Handelnden und seine Handlungspart- zu ihrer Formulierung beherrscht, kann das
ner, bedeutet, d. h. als was für eine Handlung Verfügen über eine (primäre, als erste erwor-
er zählt (Searle 1969, 12 ff). — Diese Expo- bene) Sprache nicht in seiner Gesamtheit in
sition der Ausgangslage legt nun den Schluß einer Kenntnis von Regeln bestehen. Zwar
nahe, man könne die auf die Sprache bezo- können Teile der Sprache, z. B. Fachaus-
genen philosophischen Probleme lösen (spe- drücke oder Fremdwörter, mit Hilfe von Re-
ziell auch: man könne eine philosophisch be- geln, z. B. von Definitionen, gelernt worden
friedigende Antwort auf die Frage geben, sein, und dann läßt sich sagen, deren Kenntnis
worin die Sprachkompetenz bestehe), indem bestehe oder zeige sich in der Fähigkeit, jene
man sich das Gesamtgebiet sprachlichen Han- Regeln zu formulieren. Diejenigen Kompeten-
delns dadurch vor Augen stelle, daß man jene zen aber, die nötig sind, um Übereinkünfte
Konventionen nenne, deren Kenntnis die überhaupt treffen zu können, lassen sich mit
Sprachfähigkeit laut Voraussetzung ausma- dieser Methode nicht adäq uat erfassen: Was
che. Daraus ergibt sich das Projekt, die not- jemand können muß, um allererst verstehen
wendigen und hinreichenden Bedingungen zu können, was eine sprachlich formulierte
des Glückens aufzuzählen, und dies bedeutet, Regel, also eine Regel im strengen Sinn des
jene Regeln explizit niederzuschreiben, die Wortes ist, kann selbst, solange Analogien aus
festlegen, welche Ausdrücke und Ausdrucks- dem Spiele bleiben sollen, nicht informativ als
verbindungen in welchen Situationen mit wel- eine Regelkenntnis beschrieben werden. —
chen Folgen als geglückte Handlungen zäh- Dieser Schwierigkeit läßt sich in manchen
len. Diesem aus der Sicht einer objektivieren- Kontexten dadurch Rechnung tragen, daß
den Verhaltenswissenschaft vielleicht nahelie- man ausdrücklich erklärt, man bediene sich
genden Projekt (s. Art. 116) stehen nun aber einer analogen Ausdrucksweise, und es gibt
in einem sprachphilosophischen Kontext zwei Fälle, in denen es einen guten Sinn hat, solche
miteinander zusammenhängende Hindernisse Analogien zu benutzen (s. Art. 85). Man sagt
entgegen: Erstens handelt es sich bei der Rede dann, die gerade zum Gegenstand der Unter-
von den ›Konventionen‹, von den dem Spre- suchung gemachte Kompetenz zeige sich in
cher bekannten ›Bedingungen‹ und von den Handlungen, die so vollzogen werden, als ob
›Regeln‹ dort, wo es nicht um spezielle Fragen eine Übereinkunft getroffen worden wäre, als
geht, die entweder mit dem Zweitspracher- ob Bedingungen oder Regeln festgelegt wor-
werb verbunden sind oder sich auf höherstu- den wären, die regulieren, welche Handlungs-
fige Leistungen beziehen (und das heißt: in weise als adäq uat gilt. Dies kann z. B. dann
den sprachphilosophisch interessanten Fäl- sinnvoll sein, wenn das Ziel die Beschreibung
len, die im Bereich der Sprechakttheorie lie- von nichtsprachlichen (genauer: nicht-seman-
gen), um eine analoge, d. h. nicht wörtlich zu tischen) Handlungen oder von Verhaltens-
nehmende Redeweise, so daß man eigens weisen solcher Lebewesen ist, die nach unserer
überprüfen muß, ob eine Vernachlässigung Einschätzung nicht sprachfähig sind, oder mit
dieser Tatsache im betrachteten Problemkon- denen wir aus anderen Gründen nicht kom-
text nicht unerwünschte Folgen hat. Das munizieren können. Durch den Vergleich mit
zweite Hindernis besteht in dem Sachverhalt, dem menschlichen Fall einer ausdrücklichen
daß das Niederschreiben von Regeln sich sprachlichen Verabredung konstituiert der
selbst einer Sprache bedienen muß, so daß, Wissenschaftler allererst einen zusammenhän-
wenn diese Sprache entweder dieselbe ist, wie genden Beobachtungsgegenstand und ge-
die in Untersuchung befindliche, oder unter winnt zugleich eine Hilfe zur intersubjektiven
demselben Aspekt als aufklärungsbedürftig Beurteilung der Korrektheit seiner Beobach-
anzusehen ist, sich der Einwand erhebt, daß tungen. Eine Erklärung liefert eine solche Als-
es nicht möglich ist, denselben Gegenstand ob-Beschreibung allerdings nicht.
764 III. Positionen

Ist aber das Thema die primäre, nicht auf also eine Wortsprache vor allen erlernten
eine Zweitsprache und nicht auf höherstufige Wortsprachen, jedenfalls in dem Sinne nicht
Leistungen bezogene menschliche Sprachfä- gibt, daß jemand so über sie verfügt, daß er
higkeit (und die Sprechakttheorie behandelt unmittelbar, aus seinem eigenen Können her-
die einfachsten sprachlichen Leistungen), aus, darüber Auskunft geben könnte. Die
dann wird man, wenn man den geschilderten Rede von ›impliziten‹ Regeln, die ›explizit‹
Als-ob-Charakter der Aussagen über das Be- gemacht werden müssen, oder gar von einem
folgen von Regeln nicht vergißt, zugestehen, ›unbewußten Wissen‹, das der Theoretiker ans
daß mit solchen regelbezogenen Handlungs- Licht bringt, ist folglich entweder nur eine
Charakterisierungen auch in diesem Falle andere Ausdrucksweise für die Formulierung
nicht mehr beansprucht werden kann, als eine ‘der Sprecher handelt so, als ob er (bzw. die
Beschreibung von Handlungsweisen mit Hilfe Gemeinschaft) eine Verabredung getroffen
eines Vergleichs, von dem man weiß oder (eine Regel festgelegt) hätte’; in diesem Fall
doch wissen könnte, daß er die wirklichen bleibt die sprachphilosophische Leistung, wie
Verhältnisse nicht trifft. Besteht darüber Ei- sich bei der Erörterung des zweiten Einwan-
nigkeit, dann ist zu fragen, ob diese Art der des zeigen wird, unerbracht; die Als-ob-Re-
Beschreibung von sprachlichem Handeln für deweise, die in anderen Untersuchungen ihren
die Probleme, um die es in der Sprachphilo- guten Sinn haben kann, führt im sprachphi-
sophie geht, etwas austrägt oder nicht. Dazu losophischen Problemkontext nicht weiter.
muß geklärt sein, wonach gefragt wird, wenn Oder diese Formulierung ist ein Teil einer
die Sprachkompetenz nicht psychologisch empirischen Theorie über in irgendeinem
oder biologisch, sondern philosophisch auf- Sinne ›sprachförmige‹ mentale ›Repräsenta-
geklärt werden soll; welche Art von Antwort tionen‹, die dem Sprecherbewußtsein so wenig
kommt in Betracht, wenn es um die Frage zugänglich sind wie andere Vorgänge in sei-
geht, worin für einen Sprecher, der über seine nem Gehirn (so ausdrücklich Gareth Evans
Kompetenz sich reflektierend klar werden (1981 a, 127; 133)); die Prä-Sprache gälte dann
will, die Kenntnis seiner Sprache besteht? — als ein ›theoretisches Konstrukt‹. In diesem
Man müßte wohl mindestens fordern, daß die Fall wäre ihre weitere Erörterung hier deshalb
Antwort Aufklärung darüber gibt, wie man fehl am Platze, weil mit Bezug auf solche
eine Sprache S 1 in einem Handlungszusam- durch ›theoretische Termini‹ postulierten Ge-
menhang erwirbt oder vermittelt, wenn es sich genstände ein sprachphilosophischer An-
dabei nicht um eine zweite Sprache handelt, spruch vernünftigerweise nicht erhoben wer-
die man im Medium einer bereits beherrsch- den kann (Evans 1981 a, 121).
ten ersten Sprache zugänglich macht. Würde
man bei dieser Zielsetzung den Weg des For- 2.2.  Wir kommen damit zur Erörterung des
mulierens von Regeln gehen wollen, so könnte zweiten Hindernisses, das im Wege steht, die
man über diese primäre Sprachkompetenz Methode des ›Explizitmachens impliziter Re-
nur sagen, daß die Handlungen, die aus ihr geln‹ als gangbar anzusehen, und das dafür
fließen, sich im Medium einer als verfügbar verantwortlich ist, daß die Als-ob-Redeweise
fingierten und als bereits vorhanden vorge- im Falle der Sprache vor der philosophischen
stellten Sprache (einer ›Prä-Sprache‹) so be- Aufgabenstellung versagt. Es läßt sich durch
schreiben lassen, als ob zur Orientierung für die sehr einfache methodologische These zum
den künftigen Sprecher der betrachteten Ausdruck bringen, es sei nicht möglich, ein
Sprache S 1 in jener fingierten Prä-Sprache und denselben Gegenstand, hier einen Bereich
Konventionen, Bedingungen oder Regeln unserer Sprachfähigkeit, zugleich zu proble-
festgelegt worden seien, nach denen er sich matisieren und in einer parallel laufenden, als
im Gebrauch von S 1 richten soll. Man denkt Erklärungsinstrument gemeinten Fiktion, als
analog zu dem Fall, in dem man eine Fremd- verfügbar zu benutzen; ginge es um eine an-
sprache mit der Hilfe eines Sprachlehrbuchs dere Kompetenz als die zu sprechen oder lie-
lernen kann, das in einer Sprache abgefaßt ßen sich die unterstellten Regeln anders als
ist, die man bereits beherrscht. sprachlich zugänglich machen, ergäbe sich ein
Nun wissen wir aber, daß dies beim pri- anderes Bild. Der Kern dieses Einwandes läßt
mären Spracherwerb, um den es geht, wenn sich an dem Gedankenexperiment illustrieren,
die Sprachkompetenz in einem philosophi- jemand stelle die These auf, daß die Kompe-
schen Kontext zur Debatte steht, eine Fiktion tenz, das Wort ‘rot’ richtig zu verwenden,
ist, weil es eine Prä-Sprache, die zur Formu- darin bestehe, die Regel zu befolgen, daß man
lierung der hier nötigen Regeln geeignet wäre, dieses Wort (assertorisch und im primären
54.  Die sprachphilosophischen Annahmen der Sprechakttheorie 765

oder ›wörtlichen‹ Sinn) nur von den roten erklären, was es heißt, über das Wort ‘rot’ zu
Gegenständen prädizieren dürfe. Auch wenn verfügen. Hier zeigt sich, auf welche Weise
wir die durch die Hinzufügungen in der die Fiktion, das Subjekt der zu klärenden
Klammer angedeuteten Probleme außer acht Kompetenz verfüge bereits über eine Sprache
lassen, sieht man sofort, daß eine solche These — und diese Fiktion müssen wir machen, um
für sich genommen keinen Erkenntniswert auf das Subjekt die Terminologie des Regel-
hat. Ist das Problem die Bedeutung des Wor- kennens anwenden zu können —, zu einer
tes ‘rot’ und nicht die Nachzeichnung des Situation erkenntnismäßigen Leerlaufs füh-
Aufbaus von Bedeutungen komplexer Aus- ren kann, dann nämlich, wenn mit dieser Fik-
drücke aus Bedeutungen von Teilausdrücken, tion diejenige Kompetenz als verfügbar be-
dann kann die Aussage, es seien die roten handelt wird, um deren Aufklärung es geht.
Gegenstände, die man rot nennen dürfe, keine Mit diesem Schritt wird das Erklärungsbe-
Einsicht ausdrücken. — Warum dies so ist, dürftige zu etwas nicht Erklärungsbedürfti-
zeigt sich bei einem Vergleich mit einer gewiß gem umgedeutet. Die geschilderte Als-ob-Re-
nicht befriedigenden, aber inhaltlich gehalt- deweise führt deshalb, anders als im Fall der
vollen traditionellen Antwort. Wenn die Fra- Untersuchung z. B. tierischen Verhaltens, hier
gestellung z. B. die nach der Bedeutung von nicht einmal zu einem Erkenntniszuwachs der
prädikativen Ausdrücken ist, speziell der Um- oben erörterten Art, nämlich zu einer infor-
stand, daß wir sie normalerweise auch solchen mativen Beschreibung eines zunächst unzu-
Gegenständen korrekt zusprechen können, gänglichen Problemfeldes; die Beschreibung
denen wir vorher noch nie begegnet sind, bewegt sich im Bereich von Tautologien. —
dann könnte z. B. eine ›Namentheorie‹ der Dieser Einwand ist spezifischer als die triviale
Prädikation (s. Art. 77) die Antwort vorschla- Aussage, zur Erläuterung der Funktionsweise
gen, daß auch ein prädikativer Ausdruck da- der Sprache müsse unvermeidlich gesprochen
durch bedeutungsvoll sei, daß er etwas be- werden, aus der keineswegs geschlossen wer-
nenne. Die Beherrschung eines solchen Aus- den kann oder soll, über die Sprache ließe
drucks wäre demgemäß die Fähigkeit, das sich überhaupt nicht anders als tautologisch
von ihm Benannte in den verschiedenen Ein- reden. Es kommt darauf an, wie dabei ge-
zeldingen als dasselbe wiederzuerkennen; und sprochen wird, genauer: ob die Leistung, die
was das heißt, gilt einer solchen Deutung als es zu verstehen gilt, im Explanans unverän-
dann am Muster der Eigennamen verstanden, dert benutzt wird, oder ob sie z. B. auf be-
wenn ein entsprechender Gegenstand, etwa sondere Weise gedeutet, in einen besonderen
ein Universale, aufgewiesen ist, der in diesem Kontext gestellt, aus anderen Leistungen ver-
Fall benannt wird. Auch dieser Erklärungs- ständlich gemacht wird.
vorschlag ließe sich in die Form einer Regel
bringen. 2.3. Die Regelformulierungen bei Searle:
Was immer von einer solchen Namentheo- Referenz
rie zu halten ist, methodisch verfährt sie so,
daß sie das zu Erklärende (die Fähigkeit, nie Wir wollen diese Überlegung nun zu den For-
begegneten Gegenständen korrekt Prädika- mulierungen in Beziehung setzen, die Searle
toren zuzusprechen) erklärt, indem sie es als den von ihm vorgeschlagenen Regeln gibt.
Spezialfall eines als bekannt behandelten Phä- Sein Anliegen ist in erster Linie das ›Explizit-
nomens deutet (hier der Fähigkeit, vertraute machen‹ derjenigen Regeln, deren Kenntnis
Individuen mit Eigennamen zu nennen), das er der Kompetenz zuordnet, jene Ausdrücke
von dem zu erklärenden Sachverhalt zunächst richtig zu verwenden, mit denen der Sprecher
(d. h. wenn man die Frage, was denn Univer- anzeigt, was für eine Art Sprechakt er voll-
salien seien, außer acht läßt (s. Art. 61)) deut- ziehen möchte. Diese Ausdrücke heißen An-
lich zu unterscheiden ist. Das am Fall des zeigewörter für die ›illokutive Rolle‹ (illocu-
Wortes ‘rot’ erläuterte Verfahren des ›Expli- tionary force indicators) (s. Art. 95). Auf dem
zitmachens einer impliziten Regel‹ unterschei- Weg zu diesem Ziel gibt er aber auch für die
det sich davon methodisch dadurch, daß die- von der traditionellen Logik untersuchten
selbe Kompetenz, die erklärt werden soll, im sprachlichen Funktionen des Referierens
Explanans benutzt wird: Es sind, so lautet die (Nennens) und des Prädizierens (bei dem et-
Erklärung, die roten Dinge (— und was das was über das zuvor Genannte ausgesagt wird)
heißt, wie man sie aussortiert, gilt als be- eine sprechakttheoretische, in Termini der Re-
kannt —), denen gegenüber die Prädikation gelkenntnis formulierte Deutung. Wir be-
regelgerecht ist. Eine solche Regel kann nicht trachten zunächst seine Regelformulierung
für das Referieren. — Searle (1969, 72 ff; 94 ff)
766 III. Positionen

geht davon aus, daß ein Referenzausdruck finden kann als auf dem Weg ihrer sprachli-
oder Nominator R in einem satzartigen Ge- chen Benennung, und also auf eine Weise, bei
samtausdruck vorkommt, dessen Äußerung der sie ihres elementaren Charakters wegen
die Ausführung einer Sprechhandlung sein unvermeidlich auch benutzt wird, sondern
könnte; dies legt er in der ersten Referenzregel daß die Heraushebung einzelner Gegen-
fest, die wir hier unerörtert lassen. Die zweite, stände, die Festlegung von Grenzen zwischen
für unseren Zusammenhang entscheidende Gegenständen, die Identifizierung oder Nicht-
Regel fordert nun, daß R nur dann geäußert identifizierung von zu unterschiedlichen Zei-
werden darf, wenn es einen Gegenstand X ten vorkommenden Gegenständen, daß dies
gibt, so daß entweder R eine identifizierende alles Leistungen sind, die in der Qualität, wie
Kennzeichnung von X enthält, oder der Spre- sie für das Befolgen der Referenzregeln un-
cher in der Lage ist, R durch eine solche terstellt werden müssen, als sprachliche Lei-
Kennzeichnung zu ersetzen, und wenn der stungen anzusehen sind. Wir sagen also: Erst
Sprecher, indem er R äußert, intendiert, für indem jemand sich eine Sprache aneignet, ins-
den Hörer H den Gegenstand X zu identifi- besondere, indem er jene Kompetenz erwirbt,
zieren, d. h. aus einer Anzahl anderer Gegen- die wir als die Fähigkeit, auf etwas zu refe-
stände herauszuheben. Searles dritte Refe- rieren, bezeichnen, erwirbt er die Fähigkeit,
renzregel sagt dann, die Äußerung von R auf eine bestimmte, für die angeeignete Spra-
zähle als Identifikation (Heraushebung) von che kennzeichnende Weise, ›Gegenstände‹
X für den Hörer H. auszugrenzen, gleichzusetzen, etc.; und nicht:
Im Lichte der im vorigen Abschnitt ange- die Sprachfähigkeit gründet sich auf eine vor-
stellten methodologischen Überlegungen ist hergehende nichtsprachliche Kompetenz, Ge-
nun zu fragen, welchen Status Searles These genstände zu unterscheiden, wiederzuerken-
hat, die Formulierung dieser Regeln leiste eine nen, etc. Die Leistungen, die vom Sprecher
Aufklärung der Sprachkompetenz. Eine erste erbracht werden müssen, um das zu tun, was
Lesart könnte sie als die Behauptung verste- Searle die Orientierung an den Referenzregeln
hen, der Sprecher richte sich nach ihnen. nennt, stehen als sprachunabhängige Fähig-
Dazu wäre eine Prä-Sprache nötig, die aber keiten nicht zur Verfügung, und also auch
nur als Konstrukt in einer empirischen Theo- nicht als Explicantia für die primäre Sprach-
rie über nicht unmittelbar zugängliche Ge- kompetenz. Damit soll nicht bestritten wer-
hirnprozesse verstanden werden kann; wir den, daß es eine vorsprachliche Fähigkeit
schließen diese Deutung daher für Searles gibt, z. B. Eßbares von Nicht-Eßbarem zu
ausdrücklich sprachphilosophische Erörte- unterscheiden, und es soll auch nicht geleug-
rungen aus. Nach einer zweiten Lesart wäre net werden, daß der Hund seinen Herrn wie-
es Searles These, es sei informativ, die Hand- dererkennt. Es wäre aber ein Irrtum, zu mei-
lungen des Sprechers so zu beschreiben, als nen, mit diesen elementaren Fähigkeiten sei
ob er sich nach jenen Regeln richte: der Spre- ein für allemal oder auch nur grundsätzlich
cher handle, als würde er, bevor er R äußert, geklärt, worin jenes ›Sich-auf-Gegenstände-
beurteilen, ob es tatsächlich einen einzelnen, Beziehen‹ bestehe, das wir im Medium der
abgrenzbaren Gegenstand gebe, den er so Sprache vollziehen. Die Frage, ob ich mit
kennzeichnen könne, daß diese Kennzeich- einem identifizierbaren Gegenstand konfron-
nung ihn für einen Hörer als den gemeinten tiert bin (mit der Rippe eines Blattes, mit
Gegenstand herausgebe; er handle, als ob er einem Seufzer, mit dem Mistral, mit einer
intendiere, daß ihn der Hörer so verstehe, daß Rezession, mit ihrem typischen Lächeln) hat,
es ihm um die Heraushebung gerade dieses wenn sie nicht auf den marginalen Fall mit-
Gegenstandes gehe. — Können wir nun sa- telgroßer materieller Dinge beschränkt wird,
gen, wir hätten hier eine (notwendigerweise nur dann einen Sinn, wenn sie mit Bezug auf
sprachliche) Beschreibung einer sprachunab- eine Sprache gestellt wird, die allererst fest-
hängigen Fähigkeit vor uns, oder — und dann legt, was ein ›Gegenstand‹ ist, wie er begrenzt
träfe der oben allgemein erörterte Ein- ist, was seine Identitätsbedingungen sind, etc.
wand —, ist die Fähigkeit, deren Ausübung Nennen wir diese Sprache (hier ist es das
im Sinne einer spezialisierten Anwendung das Deutsche, dem das Wort ‘Gegenstand’ ange-
Sprechen ausmachen soll, selbst nur als hört) die ‘Referenzsprache der Erklärung’
sprachliche Fähigkeit denkbar? Wir behaup- und die aufzuklärende Sprachkompetenz
ten in der Tat, daß die Leistung, um die es kurz die ‘Kompetenz für S 1’; eine regelbe-
hier geht, nicht nur (trivialerweise) in theo- zogene Kompetenzerklärung des von Searle
retische Erörterungen nicht anders Eingang vorgeschlagenen Typus müßte dann lauten:
54.  Die sprachphilosophischen Annahmen der Sprechakttheorie 767

Die Fähigkeit, Referenzausdrücke von S 1 zur Befolgung der Referenzregel nötige ›Fest-
richtig zu gebrauchen, läßt sich explizieren als stellen, ob es einen geeigneten Gegenstand
die Fähigkeit, so zu handeln, als ob man sich gibt‹ sei selbst eine sprachliche Handlung, soll
an der in der Referenzsprache als verfügbar an dieser Stelle eine Überlegung Wittgensteins
fingierten Regel orientiere, zunächst etwas betrachtet werden. Am Beginn seiner Philo-
auszuwählen, was jene Referenzsprache als sophischen Untersuchungen zitiert er den Be-
einen identifizierbaren Gegenstand bezeich- richt, den Aurelius Augustinus (354—430) (s.
net. Art. 16) davon gibt, wie er die Sprache er-
Es dürfte aber kaum strittig sein, daß wir worben habe, und seine eigenen Überlegun-
im Kontext einer sprachphilosophischen Un- gen entwickelt er als eine Kritik an dem von
tersuchung der primären Sprachkompetenz Augustinus gezeichneten Bild. Den Kern die-
nicht unterstellen dürfen, genau diese Lei- ser Kritik bildet die Aussage,
stungen seien mit Bezug auf unsere Referenz- „[...] Augustinus beschreibe das Lernen der
sprache nicht aufklärungsbedürftig. Wenn menschlichen Sprache so, als käme das Kind in ein
Searle sagt, es gehe ihm um ein Verständnis fremdes Land und verstehe die Sprache des Landes
der Möglichkeit von Kommunikation (s. Art. nicht; das heißt: so als habe es bereits eine Sprache,
94) (1969, 16 ff), um konstitutive Regeln, die nur nicht diese“ (Wittgenstein PU § 32).
den einzelsprachlichen, konventionellen Ver- Entsprechend läßt sich über Searle sagen,
wirklichungsweisen von Sprechakten noch er beschreibe die Sprachkompetenz so, als
zugrundeliegen (1969, 36), um eine Explika- habe der seine Primärsprache gerade erwer-
tion der Ausdrücke ‘verstehen’ und ‘etwas bende Mensch schon vor den ersten Schritten
meinen’ (1969, 42 ff), dann kann er nicht zu- zu dieser Kompetenzaneignung eine Prä-
gleich die fraglose Verfügbarkeit einer Refe- Sprache zur Verfügung, die ihm Kriterien da-
renzsprache voraussetzen, die als Medium un- für gibt, was Gegenstände sind, und was es
terstellt werden darf, in dem die Leistung, heißt, sie für jemanden herauszuheben, die
Gegenstände zu identifizieren, bereits verfüg- also das Medium abgibt, in dem die Regeln
bar ist. Eine derartige Voraussetzung könnte formuliert sind, in deren Kenntnis die Kom-
nur dann legitim sein, wenn die Zielsetzung petenz bestehen soll, S 1 zu sprechen. — Witt-
darin bestünde, eine uns sehr fremde Weise genstein wendet sich in seinem Kontext spe-
des Gegenstandsbezugs in einer exotischen ziell gegen die bei Augustinus anklingende
Sprache durch die Erarbeitung von Regeln Vorstellung, eine Reihe von hinweisenden De-
aufzuklären, die jene fremde Referenzweise finitionen für immer mehr einzelne Wörter
zur unsrigen in Beziehung setzen und deren könnte einen Menschen befähigen, schließlich
eigene Probleme ausdrücklich ausklammert. das Ganze einer Sprache zu beherrschen. Sein
— Wir haben mit den Ausdrücken ‘Gegen- Einwand lautet, daß eine hinweisende Defi-
stand’ und ‘identifizieren’ also keine Elemente nition den Gebrauch eines Wortes nur dann
eines philosophisch nicht zur Debatte stehen- erklärt, „wenn es schon klar ist, welche Rolle
den sprachlichen Mediums zur Verfügung, das Wort in der Sprache überhaupt spielen
sondern die Fragen, was denn (aus der Per- soll“ (Wittgenstein PU § 30); er zeigt dann
spektive unserer Sprache) ein Gegenstand sei, ausführlich, wie verschieden diese Rollen sein
und was es heiße, einen solchen zu identifi- können, und daß sie an ›objektiven‹, sprach-
zieren, gehören zu denjenigen, die Searles Un- unabhängigen Gegenstandsmerkmalen nicht
tersuchung ihren eigenen Zielsetzungen ge- ablesbar sind. Der entsprechende Einwand
mäß zu beantworten hätte. Searles Versuch, gegen Searles Behandlung der Referenz lau-
die von ihm untersuchte Sprache selbst als tet, daß man das Referieren nur dann mit
Referenzsprache zu benutzen, führt in einen Hilfe von Regeln zum Gebrauch von Refe-
Zirkel. Die Auskunft, Referieren heiße, für renzausdrücken informativ darstellen kann,
den Hörer einen Gegenstand zu identifizieren, wenn schon klar ist, welche Rolle in der Spra-
ist auf vergleichbare Weise zirkulär wie die che durch die Aussagen, ein Ausdruck stehe
Regel, es dürfe nur den roten Gegenständen für einen Gegenstand oder er sei eine identi-
bei ›wörtlichem‹ Gebrauch der Ausdruck ‘rot’ fizierende Kennzeichnung, bezeichnet werden
zugesprochen werden. soll.
Wittgenstein (PU § 29) weist darauf hin,
2.4. Wittgenstein zur ›Rolle eines Wortes in daß es besondere Wörter gibt, die dazu dienen
der Sprache‹ können, solche Rollen, die ein Wort spielen
kann, anzuzeigen. Er nennt als Beispiel das
Um diese Zirkularitätsthese und die oben auf- Wort ‘Zahl’; das entsprechende Wort für
gestellte Behauptung näher zu erläutern, das unseren Kontext wäre ‘Gegenstand’. Wollen
768 III. Positionen

wir ein solches Wort beim Lehren der Sprache Hörer, daß er sich in dem schon auskennt,
(oder, in Searles Fall, bei der Erklärung der was sie erklären will, nämlich darin, was es
Sprachkompetenz) verwenden, so müssen wir heißt, einem Gegenstand einen Prädikator zu-
es in Wittgensteins Fall vorher lehren, und im zusprechen (s. Art. 77). Wiederum erwirbt
Falle Searles muß dies Wort und die zuge- man diese Kompetenz genau dadurch, daß
hörige Verwendungskompetenz als bekannt man lernt, mit den Ausdrücken einer be-
bzw. verfügbar fingiert werden, wobei diese stimmten Sprache zu prädizieren; und welche
Fiktion im betrachteten sprachphilosophi- Handlungen darunter fallen, bestimmt sich
schen Zusammenhang unproblematisch sein nicht sprachunabhängig an den ›Sachen
muß. — Fragt man sich nun, wie man das selbst‹, sondern an den Ausdrucksmöglich-
Wort ‘Zahl’ (bzw. das Wort ‘Gegenstand’) keiten der betrachteten Sprache. Daß wir z. B.
lehren (bzw. philosophisch erläutern) könnte, die mit den Sätzen ‘er ist bereit’, ‘er ist be-
so lautet Wittgensteins Antwort, dies könne gabt’, und ‘er ist blond’ vollzogenen Sprech-
im Anschluß an den Gebrauch von Zahlwör- handlungen sämtlich als Zusprechen eines
tern geschehen; wer diesen beherrsche (d. h. Prädikators einer Person gegenüber behan-
auch: wer ihre Rolle in der Sprache kenne), deln, liegt nicht daran, daß diese Person die
könne dann über die Rolle eines bestimmten, durch jene Wörter bezeichneten ›Eigenschaf-
seinem Gesprächspartner fremden Wortes ten‹ auf ähnliche Weise ›hat‹ oder nicht hat,
Auskunft geben durch die Aussage, es sei ein wie man an ihr eine Leber und zwei Nieren
Zahlwort. Entsprechend muß man im Fall der vorfinden kann. Ein Vertrautsein mit jenen
Referenz sagen, daß erst der Erwerb der Eigenschaften kann nicht sprachunabhängig
Kompetenz, mit bestimmten Wörtern oder erworben werden wie ein Vertrautsein mit den
Wortgruppen zu referieren, die Fähigkeit ver- Einzelteilen eines Puzzles. Vielmehr kann das
schafft, die Rolle der dazu nötigen Ausdrücke als ein einheitliches aufgefaßte Problem eines
von anderen Rollen anderer Ausdrücke zu Wahrseins eines prädikativen Ausdrucks von
unterscheiden. Erst dann kann die Rolle eines einem Gegenstand nicht anders in den Blick
bestimmten, z. B. mehrdeutigen Ausdrucks kommen als durch den Erwerb der Fähigkeit
angegeben werden, indem man sagt, er diene zur Prädikation und den damit verbundenen
dazu, einen einzelnen Gegenstand identifizie- Vereinheitlichungen oder Differenzierungen
rend zu kennzeichnen oder herauszuheben; der jeweiligen Sprache.
was das heißt, weiß aber nur der, der die Ein ähnliches Zirkelproblem könnte auch
Tätigkeit des Referierens schon beherrscht. bei Searles (1969, 62 f) Formulierung der Re-
Bildlich gesprochen läßt sich sagen, in den geln für das Anzeigemittel für die illokutive
Wörtern ‘Gegenstand’ und ‘identifizieren’ kri- Rolle auftreten, die er am Beispiel des Ver-
stallisiere sich die bereits vorhandene Sprach- sprechens erörtert. Hier lautet die entschei-
kompetenz aus; jene Kompetenz gibt ihnen dende Regel, daß die einschlägige Äußerung
die Bedeutung, und nicht ist eine wie immer (‘Hiermit verspreche ich, H zu tun’) als ›Über-
›implizite‹ Kenntnis ihrer Bedeutung das- nahme einer Verpflichtung‹ zählt, die verspro-
jenige, worüber ein Kandidat bereits verfügen chene Handlung zu tun, und man kann fra-
muß, wenn er die Sprachkompetenz erwirbt. gen, ob das Wort ‘Verpflichtung’ in einer kon-
stitutiven Regel auftreten darf, die erklären
2.5. Regeln für das Prädizieren und das soll, worin die Sprechhandlung des Verspre-
Anzeigen der illokutiven Rolle chens besteht. Die Antwort ist hier nicht so
eindeutig negativ wie in den vorher behan-
Nachdem die methodischen Probleme der delten Fällen. Es ist denkbar, daß der Begriff
Strategie der Kompetenzerklärung durch ›Ex- der Verpflichtung unabhängig von der Insti-
plizitmachen impliziter Regeln‹ auf allge- tution des Versprechens bestimmt werden
meine Weise und am Fall der Referenz aus- kann, so daß es dann möglich ist, ihn zu deren
führlich erörtert wurden, genügt es, im Fall Konstitution zu benutzen. Da diese Frage
der Regeln für das Prädizieren und das An- aber keine spezifisch sprachphilosophischen
zeigen der illokutiven Rolle darauf hinzuwei- Annahmen betrifft, soll sie hier nicht erörtert
sen, daß sich diese Probleme hier ganz parallel werden.
stellen. Die für die Prädikation entscheidende
Regel (Searle 1969, 126 f), die Äußerung eines
prädikativen Ausdrucks zähle als ein ›Auf- 3. Intentionen
werfen der Wahrheitsfrage‹ in einem bestimm-
ten Modus (im einfachsten Fall als Zuspre- Es ist charakteristisch für Searles Vorgehen,
chen eines Prädikators einem Gegenstand ge- daß er unter den Bedingungen, die erfüllt sein
genüber), verlangt für ihr Verständnis vom müssen, wenn ein Sprechakt gelingen soll,
54.  Die sprachphilosophischen Annahmen der Sprechakttheorie 769

stets auch solche nennt, die fordern, der Spre- weise fingiert wird, das Subjekt der Intentio-
cher müsse bestimmte Intentionen oder Ab- nen sei fähig, auf die vorgeschlagene Inten-
sichten haben (s. Art. 93). So gehört zu den tionszuschreibung sprachlich zu antworten.
Gelingensbedingungen für den Referenzakt, Wäre letzteres der Fall, dann könnten Inten-
daß der Sprecher die Intention hat, einen be- tionen so wenig wie Regeln einen Dienst bei
stimmten Gegenstand für den Hörer heraus- der Aufklärung der primären Sprachkompe-
zuheben; entsprechend gilt für die Prädika- tenz leisten.
tion, daß sie die Absicht verlangt, die Wahr-
heitsfrage aufzuwerfen, und für das Verspre- 3.1. Wittgenstein über die Priorität des
chen, daß der Sprecher intendiert, sich zu Sprachspiels gegenüber den Intentionen
verpflichten. — Ahnlich wie im Fall des Re-
gelbewußtseins muß hier gefragt werden, ob Wir greifen hier abermals auf Argumente zu-
sich die Rede von den Intentionen auf einen rück, die Wittgenstein in den Philosophischen
von der Sprechhandlung logisch unabhängi- Untersuchungen vorgetragen hat. Dort be-
gen Gegenstand bezieht, wie es die Termino- schäftigt ihn das Problem, ob das ›Meinen‹
logie der ›notwendigen und hinreichenden Be- ein innerer Vorgang sei, unter Rekurs auf den
dingungen‹ nahelegt, oder ob wir nicht genau ein unverständiges Plappern von einer sprach-
dann von jemandem sagen, er habe eine ge- lichen Handlung unterschieden werden
wisse Intention, wenn er eine bestimmte, sein könne. Systematisch gesehen besteht Wittgen-
Handeln erläuternde Sprechhandlung entwe- steins erster Schritt in einer Untersuchung der
der bereits vollzogen hat oder nach unserer Frage, ob wir uns in Fällen, wo wir zu Recht
Erwartung vollziehen würde, wenn wir ihn davon sprechen, wir hätten in der Vergangen-
um einen Kommentar zu seiner Handlung heit etwas gewünscht, beabsichtigt oder ge-
bäten. Es könnte als eine sprachphilosophi- meint, auf ›innere‹ Handlungen, Vorgänge
sche ›Annahme‹ bezeichnet werden, daß oder Prozesse beziehen, über deren Auftreten
Searle, der hier der Bedeutungstheorie von wir mit jenen Äußerungen berichten. Durch
Herbert Paul Grice (1913—1988) (1957) folgt, eine Fülle subtiler Nachfragen macht er deut-
›davon ausgeht‹, daß Intentionen sprach- lich, daß diese Frage für die Gruppe der ihn
unabhängige mentale Gegenstände oder Zu- interessierenden Fälle negativ zu beantworten
stände sind, auf die man zurückgreifen kann, ist. Diese Gruppe läßt sich für unsere Zwecke
wenn man die Sprachkompetenz erklären will durch die Aussage hinreichend genau bestim-
(s. Art. 93). Wie bei John Locke (1632—1704) men, es handle sich um Fälle vom Typus
(s. Art. 22) (1975, 402) wäre das Grund- ›etwas sagen und es meinen‹, ›etwas tun und
schema einer solchen Erklärung von der es absichtlich tun‹, und nicht um Fälle von
Form: Weil sich ein Sprecher gewisse Gedan- Visionen, plötzlichen Gefühlswallungen, etc.
ken gemacht hat und gewisse Absichten ver- — So sagt er an einer Stelle:
folgt, und weil er diese Gedanken mitteilen „Ich erinnere mich, ihn gemeint zu haben. Erinnere
und seine Absichten verwirklichen will, voll- ich mich eines Vorgangs oder Zustands? — Wann
zieht er eine gewisse Sprechhandlung; ›innere‹ fing er an; wie verlief er; etc.?” (Wittgenstein PU
Vorgänge erklären ›äußere‹ Handlungen. § 661).
Parallel zum oben erhobenen Einwand, Er denkt dabei an ein Herwinken einer
daß man die Kompetenz für die elementaren Person, mit dem jenes Meinen, wie wir uns
sprachlichen Leistungen nur dann unter Be- ausdrücken, ›verbunden‹ war, und es ist klar,
nutzung des Regelbegriffs beschreiben kann, daß die Unbeantwortbarkeit der auf den Vor-
wenn man sich einer Als-Ob-Redeweise be- gang bezogenen rhetorischen Fragen den Le-
dient, daß man in dieser Redeweise philoso- ser zur Einsicht verhelfen soll, ein solcher
phisch aber nichts aufklären kann, weil in Zustand oder Vorgang liege im betrachteten
dem durch das ‘Als-ob’ angezeigten fiktiven Fall nicht vor. Dies spricht er auch ausdrück-
Schritt genau die Kompetenz als vorhanden lich aus:
angenommen werden muß, um deren Erhel- „Warum will ich ihm außer dem, was ich tat, auch
lung es geht, wird im Folgenden mit Bezug noch eine Intention mitteilen? — Nicht, weil die
auf den Intentionsbegriff angefragt, ob er sich Intention auch noch etwas war, was damals vor
wirklich auf einen sprachunabhängigen men- sich ging. Sondern, weil ich ihm etwas über mich
talen Vorgang bezieht, oder ob nicht die Rede mitteilen will, was über das hinausgeht, was damals
von den Intentionen, die jemand hat, stets geschah” (Wittgenstein PU § 659).
einen Interpretationsrahmen setzt, mit dem Die Intention ist also kein weiterer Gegen-
unterstellt oder im Sinne einer Als-ob-Rede- stand, kein weiterer Bestandteil der damaligen
Situation; trotzdem ist es unbezweifelt sinn-
770 III. Positionen

voll, ›über‹ sie zu sprechen. In einem zweiten betreffende Handlung in einen Kontext zu
Schritt muß also erklärt werden, wie dieses stellen, z. B. durch die Angabe möglicher
Sprechen richtig verstanden wäre. Fortsetzungshandlungen. ›Die Gefühle‹ bzw.
Der zuletzt zitierte Satz gibt bereits einen hier ›die Intentionen‹ sind das Resultat einer
Wink, wo die Antwort nach Wittgensteins Betrachtungsweise, einer Deutung, die dieses
Auffassung zu suchen ist: Der Sprecher will funktionierende Sprachspiel vollzieht; sie er-
etwas über sich mitteilen, was über das da- folgt in Form des Bildes von einem eigenen,
malige Geschehen hinausgeht. Wenig später unsichtbaren ›Bereich‹ der Person, ihrer Seele,
erläutert er: und zu diesem Bild gehört die Vorstellung,
„Die Grammatik des Ausdrucks ‘Ich wollte damals diese Seele könne in verschiedenen Zuständen
sagen ... .’ ist verwandt der des Ausdrucks ‘Ich sein, und eine Kenntnis der Zustände bedeute
hätte damals fortsetzen können’” (Wittgenstein PU eine genauere Kenntnis der an der ›Oberflä-
§ 660). che‹ sichtbar werdenden Handlungen.
Es handelt sich demnach um eine Erläu-
terung dazu, wie der Handelnde gegenwärtig 3.2.  Bekanntlich hat Wittgenstein nicht die
seine Handlung versteht, wie er sie in Hand- Absicht gehabt, solche Ausdrucksweisen ab-
lungsalternativen einordnet, wie er sie unter zuschaffen und durch andere zu ersetzen. Aus
anderen Umständen fortsetzen würde. Diese seiner Perspektive muß aber Searles Vorgehen
Erläuterung bedient sich zwar einer Aus- als verfehlt erscheinen, weil es eine nur im
drucksweise, bei der scheinbar über einen Medium der Sprache mögliche Fiktion, die
schon damals verborgen vorliegenden inneren innerhalb dieses Mediums auch bestens geeig-
Gegenstand, ›die Intention‹, gesprochen wird, net ist, im Prozeß der Interpretation von
bei der dieser Anschein eines ›Sprechens über Handlungen Rückfragen und Antworten dar-
etwas‹ aber nur eine Sache des Mediums ist, auf zu ermöglichen, wie einen Bezug auf vor-
vergleichbar einer Ausdrucksform wie ‘im sprachlich gegebene innere Vorgänge oder
Stich lassen’. So kommt Wittgenstein zu der Handlungen auffaßt, die vom Explanandum
Aussage: logisch unabhängig sind, und auf die man
„Man kann nun sagen, die Worte ‘Ich wollte, N. deshalb für die Angabe von Gelingensbedin-
sollte zu mir kommen’ beschreiben den damaligen gungen für Sprechakte zurückgreifen kann.
Zustand meiner Seele, und kann es auch wieder Freilich können wir sagen, es gehöre zur
nicht sagen” (Wittgenstein PU § 662). Sprechhandlung des Referierens, daß der
Ich interpretiere: Man kann es sagen, weil Sprecher die Absicht habe, für den Hörer
wir uns herkömmlicherweise so ausdrücken einen bestimmten Gegenstand herauszuhe-
und damit verstanden werden, man kann es ben. Diese Zuschreibung einer Absicht hat
aber nicht sagen, wenn man damit die Mei- ihren Ort aber innerhalb eines bereits entwik-
nung verbindet, es liege tatsächlich eine Re- kelten Sprachspiels; sie unterstellt oder fin-
ferenz auf einen sprachunabhängig vorliegen- giert beim Subjekt dieser Zuschreibung einen
den Seelenzustand vor, der dann von Autoren Entwicklungsstand der Sprachkompetenz,
wie Searle als Erklärungsinstanz nicht für eine auf dem es seine Absichten selbst zum Aus-
spezifische Handlung innerhalb eines bekann- druck bringen und z. B. fälschlich unterstellte
ten Rahmens benutzt wird (›warum hast du Absichten zurückweisen kann. Geht es aber
ihn angeschaut und nicht sie?‹), sondern für um eine Aufklärung der dieser Kompetenz
die Kompetenz, überhaupt auf eine bestimmte zugrundeliegenden Möglichkeit elementarer
Weise zu handeln (›wenn wir sprechen, folgen sprachlicher Leistungen, dann ist die mit dem
wir Regeln, die uns anleiten, im Sprechen Wort ‘Absicht’ verbundene Fiktion einer be-
unsere vorsprachlich bereits vorhandenen Ab- reits erreichten höheren Kompetenzstufe (der-
sichten zu verwirklichen‹). — In Umkehrung jenigen, auf der sich das zum Wort ‘Absicht’
der methodischen Reihenfolge bei Searle sagt gehörende Sprachspiel abspielt) unzulässig,
Wittgenstein: weil sie in ihrer Aussagekraft leer ist. — Wir
„Sieh auf das Sprachspiel als das Primäre! Und auf haben im Fall der Intentionen methodisch
die Gefühle, etc. als auf eine Betrachtungsweise, also einen ganz ähnlichen Sachverhalt vor uns
eine Deutung, des Sprachspiels!” (PU § 656) wie im Fall der ›impliziten Regeln‹. Das Wort
Das heißt: Das Sprachspiel, das von ›in- ‘Absicht’ steht auf einer den Wörtern ‘Zahl’
neren Zuständen‹ spricht, das sich aber auch und ‘Gegenstand’ entsprechenden Stufe; an
anderer Bilder und Gleichnisse bedienen ihm kristallisiert sich eine spezifische Kom-
könnte, ist in der Funktion, die es hat, primär petenz aus, bei deren Vorhandensein es sinn-
(s. Art. 96). Diese Funktion besteht darin, die
54.  Die sprachphilosophischen Annahmen der Sprechakttheorie 771

voll verwendet werden kann. Es gehört in ein Sprechakte sind Akte, für die es charakteristisch
Sprachspiel und bezeichnet keinen sprach- ist, daß sie dadurch vollzogen werden, daß in Über-
unabhängigen Gegenstand, der Sprachspiele einstimmung mit solchen Gruppen konstitutiver
erst ermöglicht. Bei Wittgenstein findet sich Regeln Ausdrücke geäußert werden] (Searle 1969,
eine Formulierung, die den hier gemeinten 37).
Sachverhalt ausdrücklich feststellt: Und:
„Aber wir machen uns hier wieder ein irreführendes „Different human languages, to the extent that they
Bild vom ‘Beabsichtigen’; d. h., vom Gebrauch die- are inter-translatable, can be regarded as different
ses Worts. Die Absicht ist eingebettet in der Situa- conventional realizations of the same underling
tion, den menschlichen Gepflogenheiten und Insti- rules” [Verschiedene menschliche Sprachen können
tutionen. Gäbe es nicht die Technik des Schach- in dem Maße, indem sie ineinander übersetzbar
spiels, so könnte ich nicht beabsichtigen, eine sind, als verschiedene auf Konventionen beruhende
Schachpartie zu spielen. Soweit ich die Satzform Realisierungen der gleichen zugrundeliegenden Re-
im voraus beabsichtige, ist dies dadurch ermöglicht, geln betrachtet werden] (Searle 1969, 39).
daß ich deutsch sprechen kann” (PU § 337). Was geht, sprachphilosophisch gesehen,
Wir brauchen nur zu ergänzen: Und nicht vor sich, wenn man verschiedene Sprachen so
ist die Beherrschung der deutschen Sprache betrachtet, als seien sie konventionelle Ver-
ermöglicht durch die Absicht, sich der Hand- wirklichungen derselben zugrundeliegenden
lungsformen des Referierens, des Prädizierens Regeln? Oder, eingeschränkter gefragt: Was
und des Anzeigens der illokutiven Rolle zu geht vor sich, wenn man natürlichsprachlich
bedienen. — Hier kann leider auf das Buch verschiedene Ausdrucksformen so betrachtet,
von Searle (1983) über Intentionalität nicht als seien sie verschiedene Realisierungsweisen
ausführlich eingegangen werden. Seine zugrundeliegender elementarer Sprechhand-
Grundaussage, er lasse den ontologischen lungen?
Status der Intentionen ungeklärt und befasse Der allgemeine Charakter des Ergebnisses
sich nur mit der ›Logik‹ (des Redens) von einer solchen Art der Betrachtung ist uns aus
Intentionen, die derjenigen von Sprechakten der Tradition der Bemühungen um die Auf-
auffällig ähnlich sei, bestätigt aber die hier deckung der ›logischen Form‹ von Aussagen
vorgetragene These, er bewege sich in einem bekannt, und es verwundert nicht, daß Searles
Sprachspiel nachträglicher Handlungserläu- Standardform für Sprechakte sich von der
terung und nicht in einem vorsprachlichen traditionell angegebenen logischen Form für
Bereich. elementare Aussagen nur durch zwei Merk-
male unterscheidet: durch die Ergänzung
eines schematischen Zeichens für die jeweilige
4. Die ›Standardform‹ illokutive Rolle, und durch eine sich aus der
Als letzte der sprachphilosophischen ›Annah- Einbeziehung der Performativa ergebende er-
men‹ in Searles Sprechakttheorie wollen wir weiterte Auffassung von der Prädikation.
seine Auffassung erörtern, man könne durch Schematisch dargestellt finden wir als Stan-
eine allgemeine, auf keine bestimmte Sprache dardform für Sprechakte bei Searle (1969,
bezogene Untersuchung sprachlicher Hand- 32): ‘F (R P)’. Hier ist der Buchstabe ‘F’ die
lungsmöglichkeiten die Strukturen von sprachliche Artikulation der illokutiven Rolle
›Sprechakten überhaupt‹ aufdecken, von de- (Searle verwendet z. B. die Symbole ‘?’ und
nen sich dann sagen lasse, daß die einzelnen ‘!’ für Fragen bzw. Befehle und Freges Ur-
natürlichen Sprachen sie konventionell auf je teilszeichen ‘’ für Behauptungen); der Buch-
verschiedene Weise ›verwirklichen‹, ›realisie- stabe ‘R’ ist Mitteilungszeichen für einen re-
ren‹ würden. So sagt er z. B., die seinem Buch ferierenden Ausdruck (Nominator) und ‘P’
zugrundeliegende ›Hypothese‹ ließe sich wie ist Mitteilungszeichen für einen prädizieren-
folgt formulieren: den Ausdruck (Prädikator). — Nun wäre es
„the semantic structure of a language may be re-
in der Tat von größtem Interesse, wenn es
garded as a conventional realization of a series of
Searle gelungen wäre, für das, was in der
sets of underlying constitutive rules [...] speech acts
angesprochenen Tradition die ›logische Form‹
are acts characteristically performed by uttering
einer elementaren Aussage heißt, eine von
expressions in accordance with these sets of con-
allen Merkmalen einzelner Sprachen, von al-
stitutive rules” [Die semantische Struktur einer
len Formen spezifischer ›Realisierungen‹ un-
Sprache läßt sich als eine auf Konventionen beru-
abhängige Deutung zu finden, zumal, wenn
hende Realisierung einer Serie von Gruppen zu-
sie nicht ontologischer Art ist, sich nicht an
grundeliegender konstitutiver Regeln begreifen;
einer vorgeblich sprachunabhängig erkenn-
772 III. Positionen

baren ›Struktur der Welt‹ zu orientieren vor- nachgehen wollen, läßt sich nun so formulie-
gibt, sondern am sprachlichen Handeln. Die ren: Zeichnet diese Standardform eine tiefer-
Konzeptionen einer ›Universal-‹ oder gar liegende Struktur sprachlicher Handlungen
einer ›Transzendentalpragmatik‹ von Jürgen nach, wie sie sich aus jenen über- oder vor-
Habermas (*1929) (1981) und Karl-Otto einzelsprachlichen Regeln ergibt, deren Exi-
Apel (* 1922) (1973 a) dürften hier eine ihrer stenz Searle, wie er sich ausdrückt, ›hypothe-
Inspirationsq uellen haben; es wäre wahrhaf- tisch‹ annimmt? Oder wählt er zunächst eine
tig bemerkenswert, wenn die Sprechakttheo- einheitliche Form der Darstellung von ver-
rie uns zu einer philosophisch respektablen schiedenen Arten von Sprechhandlungen, und
Begründung eines über-einzelsprachlichen konstruiert dann, bei der Interpretation der
Kategoriensystems verhelfen könnte (vgl. Teile der Darstellungsformel in Handlungs-
Schneider 1982; 1992) (s. Art. 53). termini, eine dazugehörige Handlung, insbe-
Searle drückt sich in dieser Hinsicht vor- sondere die Handlung der Prädikation als das
sichtig und doch widersprüchlich aus; er sagt ›Aufwerfen einer Frage‹? Wir haben an an-
einerseits, die einzelnen Sprachen (bzw. die derer Stelle (Schneider 1979) ausführlich be-
verschiedenen Ausdrucksmittel einer Spra- gründet, daß die zweite dieser Möglichkeiten
che) ließen sich, was ihre semantische Struk- vorliegt, daß Searle dies aber nicht deutlich
tur angehe, so betrachten, als handle es sich macht; seine Bestimmung der Prädikations-
bei ihren Verschiedenheiten um konventio- handlung folgt der schematischen Darstellung
nelle Unterschiede in der Realisierung ein und und liegt ihr nicht zugrunde. Mit der gleich-
derselben zugrundeliegenden Menge von zeitigen Selbstinterpretation, er stelle eine
Sprechhandlungsregeln. Zugleich spricht er Hypothese auf, entfällt aus seiner Perspektive
aber von der ›Hypothese‹, es gebe solche Re- die Notwendigkeit, die Wahl gerade dieser
geln, und er scheint für seinen erweiterten schematischen Darstellungsform eigens zu be-
Prädikationsbegriff nicht nur zu behaupten, gründen.
er ergebe sich aus der von ihm gewählten Geht man Searles (1969, 22—33) Darstel-
Form der Darstellung (seinem ›So-Betrach- lung unter der genannten Fragestellung
ten‹), sondern eine allgemeine Untersuchung durch, so wird man finden, daß er zunächst
sprachlicher Handlungsmöglichkeiten zeige, einfach behauptet, in geeigneten Äußerungen
daß es unabhängig von allen ›Realisierungs- der von ihm erörterten vier Beispielsätze
formen‹ eine Sprechhandlung des Prädizie- (‘Sam smokes habitually’ [Sam raucht ge-
rens gebe, die sich als ›Aufwerfen einer Frage‹ wohnheitsmäßig], ‘Does Sam smoke habi-
charakterisieren lasse, und zu deren Merk- tually?’ [Raucht Sam gewohnheitsmäßig?],
malen es gehöre, in einem jeweils bestimmten ‘Sam, smoke habitually!’ [Sam, rauche ge-
›Modus‹ aufzutreten. Zu diesen Modi gehö- wohnheitsmäßig!] und ‘Would that Sam smo-
ren, um nur einige zu nennen, der behaup- ked habitually’ [Würde Sam doch gewohn-
tende Modus, bei dem der Sprecher die auf- heitsmäßig rauchen!]) lägen dieselben Teilakte
geworfene Frage, ob ein Prädikator dem mit der Referenz und der Prädikation vor; es wird
dem Referenzausdruck herausgehobenen Ge- deutlich, daß er es für eine nahezu triviale
genstand zukomme, bejaht; ferner der auffor- Feststellung hält, daß sich jene Teilakte von
dernde Modus, bei dem der Sprecher aus- den illokutionären Akten (den Behauptun-
drückt, der Hörer solle dafür sorgen, daß sich gen, Fragen etc.) abtrennen lassen, und daß
die aufgeworfene Frage bejahen läßt; und es sie in den vier Fällen dieselben sind. Man
gehört dazu der Fragemodus, bei dem der kann sagen, er appelliere an unser unreflek-
Sprecher die aufgeworfene Frage beantwortet tiertes Sprachgefühl, das uns sagt, es gehe hier
haben will. Aus dieser Unterscheidung zwi- in irgendeinem Sinne ›um dasselbe‹. — Searle
schen der einen Prädikationshandlung (sche- faßt dann das Ausführen der Teilakte des
matisch durch ‘P’ dargestellt) und den vielen Referierens und des Prädizierens zusammen
›Modi‹, in denen sie auftritt (schematisch mit- und nennt die resultierende Handlung den
ausgedrückt durch den Buchstaben ‘F’ für die ›propositionalen Akt‹. Er weist zwar eigens
illokutive Rolle), ergibt sich die Möglichkeit, darauf hin, daß er anders über die Prädika-
als Darstellungsform für alle Sprechhandlun- tion spricht als die philosophische Tradition,
gen der hier erörterten einfachen Art die begründet seine Abweichung aber nur mit der
schon oben angegebene Standardform Aussage, die traditionelle Ausdrucksweise sei
‘F (R P)’ zu benutzen. unbeq uem, weil sie es nicht gestatte, zum Aus-
druck zu bringen, daß verschiedene Flexions-
4.1.  Die sprachphilosophische Frage, der wir formen desselben Prädikatausdrucks in ver-
schiedenen Arten von illokutionären Akten
54.  Die sprachphilosophischen Annahmen der Sprechakttheorie 773

auftreten (dies ist bereits ein Rekurs auf das als etwas Verbindendes sichtbar zu machen,
Ausdrucksmedium; er wird hier aber nicht als daß er aber keine von spezifischen Eigen-
solcher reflektiert); und er weist voraus auf schaften von Darstellungsformen unabhän-
seine Erörterung der Unterscheidung zwi- gige Charakterisierung einer Handlung des
schen Behauptungen und anderen illokutio- Prädizierens in seinem erweiterten Sinne ge-
nären Akten auf der einen und Propositionen geben hat. — Ein Gedankengang, der diese
auf der anderen Seite, die er in der Tradition Kritik vorwegnimmt, findet sich abermals
zu wenig beachtet findet. — In dieser Erör- beim späten Wittgenstein. Er schreibt:
terung nun argumentiert er, als sei schon er- „Freges Ansicht, daß in einer Behauptung eine
wiesen, daß z. B. die zum Aussagesatz und Annahme steckt, die dasjenige ist, was behauptet
die zum entsprechenden Befehlssatz gehö- wird, basiert eigentlich auf der Möglichkeit, die es
rende (illokutionäre) Sprechhandlung diesel- in unserer Sprache gibt, jenen Behauptungssatz in
ben Teilakte der Referenz und der Prädika- der Form zu schreiben ‘Es wird behauptet, daß das
tion enthalten könnten. Wo dies der Fall sei, und das der Fall ist’“ (PU § 22)
werde er davon sprechen, daß dieselbe Pro- Parallel läßt sich (unter Vernachlässigung
position ausgedrückt werde (äq uivalent: daß der Frage, ob die Auffassung Gottlob Freges
derselbe propositionale Akt vollzogen werde, (1848—1925) (s. Art. 34) hier korrekt wieder-
daß zwei Sprechhandlungen denselben pro- gegeben ist) sagen: Searles Ansicht, daß in
positionalen Gehalt hätten), und es leuchtet allen vier Beispielsätzen derselbe Akt der Prä-
ein, wenn er dann auf den Unterschied zwi- dikation steckt, basiert auf der Möglichkeit
schen einer Proposition und der Handlung, unserer Sprache, diese vier Sätze in der Form
sie zu behaupten, hinweist. Die These aller- zu schreiben ‘Es wird behauptet, daß / ge-
dings, der propositionale Akt könne bei einer fragt, ob / befohlen, daß / gewünscht, daß
Behauptung und, z. B., einer Aufforderung Sam gewohnheitsmäßig raucht’. Wittgenstein
derselbe sein, enthält keine weitere Begrün- wendet nun ein, daß die Äußerung des Satz-
dung; d. h. sie hat das, was sie an Plausibilität teils, der das ›Annehmen‹ ausdrücken soll,
besitzt, allein durch das bereits vorher Ge- kein ›Zug im Sprachspiel‹ sei; auf Searle ge-
sagte. Dies war zweierlei: erstens die dem münzt heißt dieser Einwand, daß die Äuße-
Sprecher des Englischen (und entsprechend rung der Ausdrücke, die für die Prädikation
des Deutschen) intuitiv einleuchtende Vor- stehen sollen, nämlich ‘daß Sam gewohnheits-
stellung, in den oben zitierten Beispielsätzen mäßig raucht’ kein Sprechakt sei. Searle trägt
gehe es doch in irgendeinem Sinn um ›den- dem insofern Rechnung, als er hier von einem
selben Sachverhalt‹, nämlich um Sams ge- ›unselbständigen Sprechakt‹ redet; was diese
wohnheitsmäßiges Rauchen; und zweitens der ›Unselbständigkeit‹ genauer besagt, ist aber
Hinweis von Searle, es sei beq uem, ausdrük- gerade zu klären.
ken zu können, daß verschiedene Flexions- Wittgenstein führt seinen Gedankengang
formen desselben prädizierenden Ausdrucks dann so weiter:
in Sprechhandlungen unterschiedlichen illo- „Wir könnten sehr gut auch jede Behauptung in
kutiven Typs vorkommen können. Searle geht der Form einer Frage mit nachgesetzter Bejahung
dann direkt zur Formulierung der oben zi- schreiben; etwa: ‘Regnet es? Ja!’. Würde das zeigen,
tierten Standardform über, von der er sagt, daß in jeder Behauptung eine Frage steckt?“ (PU
sie fasse die vorher im Text getroffenen Un- § 22)
terscheidungen lediglich zusammen. Steht Allgemein sagt dieser Einwand: Wir könn-
diese aber zur Verfügung, dann scheint sich ten uns auch eine andere Form der Darstel-
an ihr einfach ablesen zu lassen, daß die vier lung ausdenken, z. B. könnten wir für Auf-
Beispielsätze, die Searle sämtlich durch ‘F forderungen den Umweg über die Beschrei-
(Sam Smoke-habitually)’ darstellen kann, die- bung des Zustandes ihrer Befolgung vermei-
selben Teilakte der Referenz und der Prädi- den, so daß bei dieser Darstellung, wenn sie
kation enthalten. trotzdem Searles Standardform nahekommen
will, nur ein Zeichen für die illokutive Rolle
4.2. Wittgenstein über Teil-Sprechakte (‘!’), ein (bei Searle nicht vorgesehenes) Zei-
Wir behaupten nun, daß Searle nur gezeigt chen für den Adressaten der Äußerung (‘A’)
hat, daß man eine Form der Darstellung wäh- und ein Zeichen für das die erwünschte Hand-
len kann, die den von ihm gesetzten Zweck lung ausdrückende Verb (‘V’) auftreten
erfüllt, verschiedene Flexionsformen dessel- würde. Selbst wenn wir aus Ökonomiegrün-
ben prädizierenden Ausdrucks durch ihre den die zum Auffordern benutzten Verben
Gleichbehandlung in jener Darstellungsform auch zum Prädizieren gebrauchen und daher
774 III. Positionen

auch für sie das schematische Zeichen ‘P’ Sprechen ausmacht. Er sagt nicht: in der
verwenden wollten (wozu uns sprachphilo- Sprache gibt es das mit dem Wort ‘Absicht’
sophisch nichts zwingt), hätten wir doch zwei gespielte Sprachspiel, eigene Handlungen zu
verschiedene Darstellungsformen für an einen erläutern, sondern: hinter der Sprache stehen
Adressaten A gerichtete Behauptungen einer- die Absichten, die der Sprecher sprechend ver-
seits, nämlich ‘ (A), (R P)’, und für Auffor- folgt. Er sagt nicht: wir können eine sprach-
derungen andererseits, nämlich ‘! (A), (P)’. liche Form wählen, die dazu führt, daß die
Parallel zur zitierten Anfrage Wittgensteins Ausdrücke für verschiedene Sprechakte glei-
könnten wir nun formulieren: Würde die che Teilausdrücke enthalten, sondern: hinter
Wahl dieser Form der Darstellung zeigen, daß der grammatischen Form steht eine sprech-
in den beiden fingierten Sprechhandlungen handlungstheoretisch interpretierbare logi-
nun nicht mehr derselbe propositionale Teil- sche Form. Wenn die hier vertretene Kritik
akt steckt, auch wenn ‘A’, ‘R’ und ‘P’ für im Recht ist, drücken diese Thesen keine ›An-
dieselben Wörter stehen? nahmen‹ aus, sondern philosophisch angreif-
Diese Frage ist natürlich eine rhetorische bare Folgerungen aus alltagssprachlich un-
Weise, die Behauptung auszudrücken, daß es problematischen Ausdrucksweisen.
bei dem geschilderten Vorgehen die gewählte
Form der Darstellung ist, die darüber ent-
scheidet, ob zwei verschiedene Sprechhand- 6. Literatur in Auswahl
lungen identische Teilhandlungen enthalten Austin 1962 a, How to Do Things With Words.
oder nicht (zur Rolle der ›Form der Darstel- Der klassische Beginn der Sprechakttheorie.
lung‹, insbesondere zur Frage, wie sich die Harnish/Koj 1986, Speech acts, in Encyclopedic
Eigenschaften der Handlungen zu denen ihrer Dictionary of Semiotics, Sebeok (Hg.), Bd. 2.
Darstellungen verhalten, vgl. Schneider 1980; Eine knappe Einführung.
1983). Es ist genau diese Abhängigkeit von Leech 1983, Principles of Pragmatics; Kap. 8: Per-
der Darstellungsform, die die ›Unselbständig- formatives, Kap 9: Speech act verbs in English.
keit‹ des propositionalen Aktes und der Prä- Ein ausführlicher Lehrbuchtext aus linguistischer
dikation in Searles Sinn ausmacht. Geht die Sicht.
bei Searle nur unter der Hand, durch Appell Levinson 1983, Pragmatics; Kap. 5: Speech Acts.
an das Sprachgefühl und die logische Tradi- Eine Einführung aus linguistischer Sicht.
tion legitimierte Form der Darstellung aber Von Savigny 1974, Die Philosophie der normalen
ein in die Bestimmung der elementaren Teil- Sprache, Kap. 3: Auf die Unterschiede kommt es
sprechakte, dann läßt sich ohne eine aus- an. John Langshaw Austin: How to do things with
drücklich (z. B. ›transzendental‹) begründete words.
Auszeichnung der gewählten Form der Dar- Eine ausführliche Darstellung der Philosophie Au-
stellung nicht mehr behaupten, die Regeln zu stins mit einer kommentierten Bibliographie.
ihrem Vollzug lägen auf einer Ebene, wo Fra- Searle 1969, Speech Acts. An Essay in the Philoso-
gen der konventionellen Mittel zum Vollzug phy of Language.
von Sprechhandlungen keine Rolle spielen. Der grundlegende Text der ausgebauten Sprech-
akttheorie.
Searle 1979, Expression and Meaning. Studies in the
5. Zusammenfassung Theory of Speech Acts.
Wir können rückblickend feststellen, daß Eine weiterführende Aufsatzsammlung zur Sprech-
Searle in den drei Bereichen, die wir hier akttheorie.
erörtert haben, also mit Bezug auf die Regeln, Stegmüller 1975, Hauptströmungen der Gegenwarts-
die Intentionen und die ›hinter‹ jedem Me- philosophie, Bd. 2, Kap. I, 3: Theorie der Sprech-
dium auszumachende Form, genau das tut, akte: J. L. Austin und J. R. Searle.
vor dessen illusionärem Charakter uns Witt- Ein einführender Überblick unter Einbeziehung der
genstein warnt: Er projiziert etwas, dessen Ort Perspektive des Formalsprachenansatzes.
in der Sprache ist, aus dieser hinaus auf eine Strube 1985 a, Austin und die linguistisch-phäno-
imaginäre Ebene hinter der Sprache; und er menologische Analyse des Sprechens, in Handbuch
faßt jene Projektion als eine mit Hypothesen Philosophie: Analytische Philosophie, Hoche/Strube
arbeitende Theorie auf, die die Sprachkom- (Hg.).
petenz verständlich machen soll. — Er sagt Eine knappe, leicht lesbare Einführung unter Ein-
nicht: in der Sprache haben wir die Möglich- beziehung hermeneutischer Gesichtspunkte.
keit, Regeln aufzustellen, sondern: hinter der Strube 1985 b, Searle und die philosophisch-sprach-
Sprache liegen Regeln, denen zu folgen das wissenschaftliche Sprechaktanalyse, in Handbuch
55.  Die sprachphilosophischen Annahmen der formalen Semantik 775

gensteins Philosophie. Abschnitt 4.5: Die Unter-


Philosophie: Analytische Philosophie, Hoche/Strube schiede zwischen Wittgensteins späterer Philoso-
(Hg.). phie und der Sprechakttheorie.
Eine knappe, leicht lesbare Einführung unter Ein- Eine scharfe Abgrenzung, die die vorherige Lektüre
beziehung hermeneutischer Gesichtspunkte. der vorausgehenden Kapitel verlangt.
Wallner 1983, Die Grenzen der Sprache und der
Erkenntnis. Analysen an und im Anschluß an Witt- Hans Julius Schneider, Erlangen
(Deutschland)

55. Die sprachphilosophischen Annahmen der formalen Semantik

1. Grundsatzfragen Bedeutung konstituierenden Akte als mit den


2. Die abstrakte Semantik Akten selbst. Im philosophischen Kontext
3. Die kompositionelle Semantik müssen wir diese Voraussetzungen in Frage
4. Die Konstitution von sprachlicher Form und stellen. — Dinge, die Form und Bedeutung
Bedeutung im Menschen haben, kann man semiotische Objekte nen-
5. Leibniz’ Konzeption repräsentationell-inter- nen. Welche Dinge auch immer als semioti-
aktiv — also formal-semantisch — bestimm- sche Objekte in Betracht kommen mögen, der
ter dynamischer Vorgänge Begriff des semiotischen Objekts muß so ge-
6. Zusammenfassung bildet werden, daß Äußerungen von Wörtern
7. Literatur in Auswahl und Sätzen natürlicher Sprachen dazu gehö-
ren; sie sind die typischen semiotischen Ob-
jekte (s. Art. 114). Wörter und Sätze werden
1. Grundsatzfragen in Sprachakten realisiert, in Akten des Äu-
ßerns und Sagens bei Sprechern und in Akten
1.1.  Das Thema führt uns in ein ›Wespennest‹ des Vernehmens und Verstehens bei Hörern,
von Problemen: Was ist Semantik, was ist also in komplexen Vorgängen im Inneren der
formale Semantik, was ist der Horizont und Organismen von Sprechern und Hörern. Mit
die Aufgabe der Sprachphilosophie? Man derartigen Hinweisen knüpft man bei Erfah-
kann versuchen, das ›Wespennest‹ zu vermei- rungen an, die jedem Menschen bekannt sind,
den, indem man, wie manche Logiker, nur man legt einen empirischen Bezug fest. Er
die abstrakte Struktur einer strikt ausdrucks- bestimmt allerdings noch nicht genau, was
bezogenen formalen Semantik systematisch eigentlich Wörter und Sätze bzw. deren Äuße-
expliziert. Die Wahrscheinlichkeit ist dann al- rungen in Wirklichkeit sind und welches Ver-
lerdings sehr hoch, daß die ›Wespen‹ später hältnis sie zu den Sprachakten haben. —
über soviel Naivität im Umgang mit dem Dazu gibt es unterschiedliche Vorstellungen.
›Wespennest‹ herfallen werden. Wir wollen Manche verstehen unter semiotischen Din-
also lieber die Probleme so scharf und unter gen, ihren Formen und Bedeutungen rein ab-
sovielen Gesichtspunkten ins Auge fassen, wie strakte Gebilde, die man mit konkreten Din-
wir nur können, und Perspektiven auf Alter- gen und Vorgängen der akustischen oder op-
nativen zur einseitig formalen Analyse eröff- tischen Welt bzw. der psychischen und phy-
nen. Trotz der Vielfalt der Detailprobleme sischen Wirklichkeit in menschlichen Orga-
kann man allerdings von vornherein einige nismen nur korreliert, die aber nicht von die-
grundsätzliche, bei allen Unterschieden ge- ser Wirklichkeit abhängen. Entsprechend
meinsame Aspekte herausstellen. Die Seman- werden sie die semiotischen Dinge ebenso
tik hat es allgemein mit Klassen von Dingen charakterisieren wie mathematische Objekte,
oder Vorgängen zu tun, die Form und Bedeu- nämlich durch ihre formalen Struktureigen-
tung (oder Inhalt) haben. Für die formale schaften im Rahmen einer mathematischen
Semantik ist die Auffassung charakteristisch, Strukturtheorie. Gelingt diese Charakterisie-
daß die Bedeutung dieser Dinge oder Vor- rung, so gilt als semiotisches Objekt jedes
gänge wesentlich von ihrer Form abhänge Gebilde, das die angegebenen mathemati-
bzw. von dieser bestimmt werde. Hinsichtlich schen Struktureigenschaften hat.
der Art der Dinge wird meist als bekannt Dieser abstrakte Zugang hat allerdings sei-
vorausgesetzt, daß man es mit Schriftgebilden nen Preis: Da man die mathematischen Ob-
zu tun habe, also eher mit Produkten der
776 III. Positionen

jekte ja darstellen muß, muß man vorausset- liere (s. Art. 117). — Manche Theoretiker der
zen, daß die Verwendung der Sprachmittel, Semantik gehen aber weiter. Sie glauben, daß
mit denen man dies tut, und der sprachlichen semiotische Dinge und Vorgänge sogleich als
Verstehensakte, in denen man dies tut, keine konkrete aber idealisierte psychische oder
Probleme bieten hinsichtlich der Wahrneh- biologische Mechanismen beschrieben wer-
mungs- und Produktionsvorgänge im Orga- den können, d. h. durch Beschreibungen, bei
nismus. Die semiotischen Objekte, d. h. die denen die Idealisierung nur gewisse Funk-
Zeichen und Zeichenkombinationen, müssen tionsdetails, die für die Charakterisierung des
so ausgewählt werden, daß die genannten semiotischen Funktionierens nicht wichtig
Aspekte als trivial und vernachlässigbar er- sind, wegläßt. Jedenfalls soll die Form der
scheinen. In gewisser Weise waren die Vor- Beschreibung den beschriebenen Sachverhal-
schläge der automatischen Symbolmanipula- ten entsprechen: Formen und Inhalte sowie
tion durch Alan Mathison Turing (1912— ihre Zusammenhänge konstituieren sich in
1954) (Turing 1936) Explikationen dessen, Vorgängen, die durch die Interaktion von Me-
was man glaubte, als trivial voraussetzen zu chanismen und Teilmechanismen zustande
können, um so zu einer in sich wohlgegrün- kommen; die formale Semantik ist dement-
deten reinen Semantik der interpretierten Kal- sprechend eine Beschreibung derartiger Vor-
küle — und a fortiori der formalen Mathe- gänge und Mechanismen und nicht bloß ein
matik — zu kommen, die von der Behandlung System relationaler oder klassifikatorischer
der Psychologie der Zeichenwahrnehmung Gebilde ohne dynamische oder prozessuale
und Zeichenerzeugung abtrennbar war. Konnotation. — Natürlich verwenden die
Theoretiker der beiden zuletztgenannten An-
1.2.  Im letzten Jahrzehnt ist die abstrakte sätze auch Notationsmittel wie die abstrakten
Auffassung der Semantik nicht mehr konkur- Theoretiker. Sie brauchen aber deren Beherr-
renzlos. Zunehmend ziehen die Fragen der schung nicht wie diese vorauszusetzen, son-
Kognition einfacher Zeichen und komplexer dern können die Verwendung ihrer eigenen
Äußerungen wieder Interesse auf sich. Viele Notationsmittel im Zusammenhang mit der
Theoretiker meinen nun, man könne sich Kognitionsanalyse als Spezialfälle explizieren.
nicht mehr auf die abstrakte Charakterisie- Das aber bedeutet insbesondere, daß nicht
rung der Ausdrucksgebilde und ihrer Bedeu- alleine Produkte semiotischer Akte — seien
tungen beschränken und müsse die Prozesse es Schriftgebilde oder Schallschwingungen
der Konstitution mitberücksichtigen. Aller- oder deren Formen — und die Bedeutungen
dings könne dies noch im Rahmen abstrakt als Dinge, auf die man sich in den Akten
bleibender Charakterisierungen konkreter bezieht, in Betracht kommen müssen, sondern
Vorgänge geschehen. Sie verstehen das so, auch die Eigenschaften der Akte des For-
daß die Charakterisierungen der Prozesse mulierens und Verstehens selbst und — jeden-
zwar die Form der Definition abstrakter ma- falls im zuletztgenannten Ansatz — der mit
thematischer Gebilde hätten, sich aber wie ihnen verbundenen Vorgänge.
abstrakte Charakterisierungen in den Natur- Das, was hier für die Formulierung und
wissenschaften — etwa abstrakt algebraische das Verstehen der semiotischen Dinge und
Charakterisierungen von Strukturen im Hil- Vorgänge gesagt wurde, läßt sich in gleicher
bertraum in der modernen Quantentheorie — Weise für die Formen und Bedeutungen sa-
auf konkrete Vorgänge bezögen und nicht, gen. Auch sie müssen mit Eigenschaften der
wie in der abstrakten, reinen Semantik auch Akte des Formulierens und Verstehens ver-
auf abstrakte Objekte. Man meint also, daß bunden sein, ja sie müssen sich als Bestand-
man abstrakte Zusammenhänge bei der theo- teile der Prozesse aufweisen lassen. Das be-
retischen Analyse der psychischen und bio- deutet, daß auch ihnen spezifische Grundla-
logischen Vorgänge in Einzelmenschen oder gen in der Wirklichkeit der verstehenden Or-
in Gruppen von Menschen formuliere, jedoch ganismen zugeordnet sind, eventuell nur an-
auf einer ›höheren‹ Beschreibungsebene, die dere Sektoren der psychischen und biologi-
noch nicht auf konkrete und detaillierte schen Prozesse. Semiotischen Dingen könnten
Aspekte psychischer oder biologischer Me- Vorgänge in peripheren Bereichen des Orga-
chanismen eingehe, sondern die nur formale nismus entsprechen — etwa physiologische
Beschränkungen für mögliche Mechanismen Prozesse des Mund- und Rachenraums sowie
dieser Art in Teilbereichen des menschlichen Prozesse in sensorischen und motorischen
Gehirns (oder eventuell konstruierbarer in- Rindenfeldern — den Formen und Bedeutun-
formationsverarbeitender Systeme) formu- gen dagegen Vorgänge in zentraleren Modu-
55.  Die sprachphilosophischen Annahmen der formalen Semantik 777

len des Gehirns oder der Psyche. Im radikal könne. In dieser Auffassung ist sich in der
abstrakten Ansatz zur Definition der Formen Tat die Mehrzahl der Sprachwissenschaftler
und Bedeutungen würde man Prozesse und und Sprachphilosophen einig: Die Wörter
Akte und Aktprodukte ausklammern und al- sind im Grunde Zeichen in dem Sinn, daß sie
lein die Zuordnung gewisser im Rahmen der Paare aus Wortlauten und Wortinhalten oder
mathematisch-abstrakten Strukturtheorie Wortbedeutungen sind, d. h. Paare von etwas,
charakterisierten Strukturgebilde der einen das man hören kann und etwas anderem, das
Art (z. B. Strukturbäumen, semantischen man nicht als Sprachschall hören kann. Man-
Netzen) zu Strukturgebilden der anderen Art che Wortlaute können auch, wie man dann
(z. B. Zeichenketten) behandeln. sagt, mit mehreren Bedeutungen verbunden
sein; sie gehören dann im Grunde zu mehre-
ren Wörtern und deren Wortlaute sind mehr-
2. Die abstrakte Semantik deutig (s. Art. 98).
Die meisten Vertreter dieser Auffassung be-
2.1.  Die Fragen der Semantik werden in der stehen strikt darauf, daß man diese Bedeu-
Tat meist im engeren Rahmen formuliert und tungen unter keinen Umständen mit psychi-
behandelt. Es ist typisch, die detailliertere Er- schen Vorstellungen oder physischen Gehirn-
örterung der semantischen Fragenkreise mit aktivitäten verwechseln dürfe, die zweifellos
der einfach klingenden Frage zu beginnen: in Sprechern und Hörern beim Sprechen und
‘Was ist es, was Wörter das ausdrücken läßt, Verstehen und auch beim sprachlichen Nach-
was sie ausdrücken?’ (Davidson 1985). Ge- denken zu finden seien, auch wenn man sie
fragt wird also danach, wie Wörter das leisten, ohne besondere Meßtechnik äußerlich nicht
was sie leisten, nämlich dazu beizutragen, die wahrnehmen und auch mit Meßtechnik kaum
Welt und uns selbst zu verstehen und uns differenziert verifizieren könne. Bedeutungen
einander etwas mitzuteilen. Im vorigen Ab- sind, so sagt man, etwas, was weder materiell
schnitt haben wir erläutert, wie schon diese noch psychisch ist und dennoch als mit den
Frage eine doppelte Abstraktion voraussetzt: Wortlauten verbunden charakterisiert werden
Die Abstraktion von den Sprachakten, die könne. Vor allem aber sei die Zuordnung der
erst die Wörter und ihr Verständnis realisie- Bedeutungen zu ihren Lauten unabhängig
ren, und die Abstraktion von der konkreten vom individuellen Sprachgebrauch konven-
Realität (Schrift oder Schall) und ihrer Her- tionell geregelt. Merkwürdigerweise hat man
vorbringung und Wahrnehmung. Nach dieser daraus nicht die Folgerung gezogen, man
doppelten Abstraktion scheint es so, als seien müsse also klären, wie ein Individuum der-
Bedeutungsstrukturen an sich und notwendig artige Gebilde als konventionelle Gewohn-
mit Wortstrukturen verbunden, d. h. unab- heiten oder in Regeln in seinem Organismus
hängig von der biologischen oder psychischen oder seiner Psyche übernimmt, sondern so-
Fähigkeit zu ihrer Realisierung in Sprechern gleich postuliert, den konventionellen Ge-
und Hörern. — Diese Voraussetzung ist nur wohnheiten müßten von vornherein strenge
in logischen und mathematischen Konstrukt- Regeln zugrundeliegen und es genüge diese
sprachen unproblematisch. Allerdings tritt zu formulieren. Oft sieht man darin einen
dort an die Stelle der Beschreibung der Akte weiteren Vorteil der Beschreibung: Der Re-
oder konkreten Gestalten ein System von zei- kurs auf Regeln scheint von vornherein klar
chentechnisch unproblematisch zu handha- zu machen, daß verschiedene Individuen den-
benden Regeln, deren kontrollierte Handha- selben Gebilden dieselben Formen und In-
bung, wie man meint, ein rationales Äq uiva- halte zuordnen. Natürlich hätte man diese
lent zu den tatsächlichen Prozessen im Or- Tatsache auch dadurch erfassen können, daß
ganismus beim Formulieren und Verstehen man die innere Struktur der Individuen als
ist. In den meisten Büchern zur Semantik ist gleich beschrieben hätte. — Die auf Aus-
man mit wenigen einleitenden Bemerkungen drucksgebilde, ihre abstrakte Form und In-
bei der Feststellung, das, was Bedeutung haltscharakterisierung eingeschränkte Sicht
habe, seien Folgen von Lauten oder Schrift- erscheint sicher als sinnvoll, wenn man die
zeichen (nicht etwa die Prozesse ihres Her- Klärung der Bedingungen der Übernahme
vorbringens und Vernehmens) und diese Be- von Konventionen als eine momentan zu
deutungen kämen den betreffenden Gebilden schwierige Aufgabe ansieht. Eine andere Lö-
aufgrund von abstrakten Zusammenhängen sung hätte darin bestanden, dem üblichen
zu, die man nur mithilfe rational zu interpre- Vorgehen in den Naturwissenschaften zu fol-
tierender und zu befolgender Regeln erfassen gen und zunächst idealisierte psychische oder
organismische Zusammenhänge zu beschrei-
778 III. Positionen

ben und in ihrer theoretischen Struktur zu ten abstrakten Zusammenhänge in aller wün-
klären; diese Lösung kam aber — wohl auf- schenswerten Präzision wiedergibt. Geht man
grund des Erfolges der formalen Logik und nun von der so skizzierten Auffassung aus,
der Semantik in ihrem Rahmen und der dar- so wird man im Hinblick auf eine präzise und
aus resultierenden vorgefaßten Meinung — formale Darstellung der Zusammenhänge
bisher nicht in Betracht. eine Semantiksprache einführen und dabei
Die erste Antwort auf die oben gestellte folgendermaßen vorgehen: Man wird
Frage in der skizzierten Einschränkung ist (1) Bezeichnungen für Wörter oder Wort-
also: Es sind die mit den Wörtern verbunde- laute einführen
nen Regeln, die sie das leisten läßt, was sie
leisten. Indem ein Sprecher einer Sprache sich sowie
gemäß den Regeln verhält, leisten auch für (2) Bezeichnungen für Wortbedeutungen (in
ihn die Wörter, was sie für jedermann zu einer passend einzuführenden Semantik-
leisten vermögen. Die Leistung besteht darin, sprache) und
jedem Wort das von ihm Gemeinte als seine (3) Bezeichnungen und Darstellungsmittel
Bedeutung zuzuordnen. zur Angabe von Regeln für die Form der
Wörter (Formregeln) und die Zuordnung
2.2.  Das bedeutet, wie wir en passant bemer- ihrer Bedeutungen (Designations- und
ken wollen, daß Bedeutungen auch keine Denotationsregeln), durch deren Anwen-
Züge oder Merkmale an den gesamten dung man zu den Wortlautbezeichnungen
Sprachakten von Sprechern und Hörern sind, die zugehörigen Wortbedeutungsbezeich-
also keine Merkmale an der Intentionalität nungen aufzählt.
der Sprechakte, z. B. die Tatsache, daß, wenn Viele Theoretiker halten die Formulierung
man Wortlaute gebraucht, man notwendig der semantischen Regeln innerhalb der pas-
einen intentionalen Bezugsakt auf Gegeben- send eingeführten Semantiksprache für die
heiten in der Welt vollzieht. D. h. Theoretiker eigentliche Aufgabe der Wortsemantik (s. Art.
der abstrakten Semantik würden den Phä- 68). Eine geringere Zahl von Sprachwissen-
nomenologen und Sprechakttheoretikern, die schaftlern und Sprachtheoretikern gehen aber
Intentionen ins Spiel bringen, nicht folgen in ihrem Streben nach Abstraktion noch wei-
wollen (s. Art. 54). Für die Mehrzahl derje- ter. Sie sind der Meinung, daß es überflüssig
nigen, die meinen, Wörter hätten Bedeutun- sei, sich bei der Sprachbeschreibung außer auf
gen, mit deren Hilfe man beim Gebrauch der Wortlaute und Wortformen noch auf Bedeu-
Wortlaute das leistet, was man leistet, spielen tungen zu beziehen, die diese Wortlaute hät-
diese Bedeutungen einer psychischen Inter- ten und die man sich bei der Sprachanalyse
pretation ferner die Rolle von Bedeutungsin- vielleicht unabhängig von den Wortlauten der
tentionen oder Aktcharakteren. — Zur Cha- Sprache vergegenwärtigen und dann durch
rakterisierung dessen, was abstrakte Seman- begriffliche oder terminologische Bezeichnun-
tiker meinen, geben sie meist einen systema- gen in einer besonders einzuführenden ›Se-
tischen Strukturzusammenhang — z. B. ein mantiksprache‹ benennen könnte. Auf eine
mengentheoretisches Konstrukt im Rahmen besondere Benennung von Bedeutungen und
der Modelltheorie — als dessen Elemente sie Begriffen könne verzichtet werden, da ja jedes
die Bedeutungen verstehen. Die raison d’être Wort selbst in seinem Kontext optimal für
dieser Bedeutungen erschöpft sich in ihrer seine Bedeutung steht. Höchstens dann, wenn
Rolle bei der Konstitution des abstrakten man die Bedeutungen mehrdeutiger Wörter
Strukturzusammenhangs. Bedeutungen wer- isoliert angeben möchte, könnte man die
den als theoretische Konstrukte verstanden, Klasse der die Eindeutigkeit garantierenden
die begründet sind, wenn sie ihre Erklärungs- Kontexte durch einen Index ausdrücken und
aufgabe erfüllen, ebenso wie die Begriffe der zum Beispiel ‘Schloß1’ und ‘Schloß2’ unter-
Atome und Elementarteilchen nicht darin be- scheiden. Mithilfe derart indizierter mehrdeu-
gründet sind, daß man sie einzeln und konkret tiger Wörter sei die Leistung der Wörter sehr
beobachten kann, sondern dadurch, daß mit wohl ohne die Bezeichnung von Bedeutungen
ihren Konzepten die Kernphysik formuliert in einer besonders einzuführenden Semantik-
werden kann. Die Rede vom abstrakten sprache bestimmbar (vgl. Quine 1970 c u. a.;
Strukturzusammenhang können diese Theo- Davidson 1985). Nach dieser Auffassung muß
retiker genau präzisieren, indem sie zum Bei- es möglich sein, die semantische Leistung der
spiel ein Strukturgebilde der abstrakten Ma- Wörter durch einige bedeutungsrelationale
thematik spezifizieren, das genau die gemein-
55.  Die sprachphilosophischen Annahmen der formalen Semantik 779

bzw. sinnrelationale (Lyons 1969) Beziehun- ßen Zahl anderer Wörter nicht nur durch den
gen zwischen den Wörtern und für Definitio- Kontext des Satzes und des Textes, in dem
nen notwendige Wortkombinationen in der das Wort steht, bestimmt wird, sondern durch
Sprache selbst auszudrücken, und zwar so, den gesamten Kontext der verfügbaren Lite-
daß eine rekursive Aufzählung der Aus- ratur der Sprache und ihrer Aktualitätsbe-
drücke, die in diesen Beziehungen stehen, eine wertung und die von dieser abhängigen Re-
ausreichende Repräsentation der Semantik zeption (s. Art. 92). Das oben beschriebene
ist. delikate Verhältnis zwischen Wort und Satz
erweitert sich also in der soeben skizzierten
holistischen Sicht auf das Wechselverhältnis
3. Die kompositionelle Semantik zwischen den Größen Wort, Satz, Text, Lite-
ratur und Kultur, also auf das zentrale Thema
3.1.  Wir wollen nun den nächsten entschei- der Philologie. — Die philosophische Klä-
denden Schritt in der Entwicklung der vor- rung dieses delikaten Verhältnisses von Wort
herrschenden abstrakten Semantik betrach- und Satz und des Verhältnisses von Wort/
ten. Das für sie im Vordergrund stehende Satz/Text und Literatur wäre die eigentliche
Problem ist nicht eigentlich ein Problem der Kernfrage einer philosophisch umfassenden
Wörter und ihrer Funktionsweise. Es ist näm- formalen Semantik. Es ist klar, daß man erste
lich die fast einhellig vertretene Auffassung Andeutungen zu diesem Problemkreis allen-
der Semantiker, daß die sprachlichen Aktivi- falls bei Hermeneutikern findet (s. Art. 45).
täten den außersprachlichen Interessen und Angesichts der Komplexität der hier zu be-
Aktivitäten dienen und daß dies in direkter handelnden Fragen und angesichts der heute
Weise nur durch die Äußerungen von Sätzen, noch notwendigerweise globalen und gedank-
ja der ganzen Rede geschieht und nicht durch lich bloß orientierenden Behandlung dieser
Einzelwörter. Wörter leisten das, was sie lei- vielfältigen Zusammenhänge zieht sich der
sten, nur vermittels ihrer Rolle in Sätzen, ja nach formaler Präzision strebende Theoreti-
in den motivierenden Zusammenhängen der ker lieber auf Sprachausschnitte zurück, die
Satzäußerung. Sie haben also gar keinen di- ausreichend weit entfernt sind von philoso-
rekten Bezug zur Welt oder zumindest bleibt phisch grundlegenden Termini über den Be-
dieser Bezug problematisch. Das bedeutet, reichen Natur und Geist. Bei den meisten
daß wir ein delikates Wechselspiel zwischen mehr alltäglichen oder fachsprachlichen, ins-
Wörtern, Sätzen und Satzintentionen berück- besondere mathematischen Texten scheint es
sichtigen müssen. Einerseits haben allenfalls möglich zu sein, sich auf die Klärung des
Sätze eine eigenständige Bestimmung ihrer Verhältnisses von Wort und Satz zu beschrän-
Leistung. Andererseits setzen sie sich aus ken und auch beim Satzgebrauch allein den
Wörtern zusammen, so daß die Sätze offenbar Gebrauch für kategorische Feststellungen in
je nach Wortzusammensetzung ihre Bedeu- Betracht zu ziehen und die hier vermittelte
tung ändern (s. Art. 63). — Diese Überlegung Hauptbedeutung mittels der Wahrheitswerte
muß in philosophischer Hinsicht noch weiter ‘wahr’ und ‘falsch’ auszudrücken. Da das zen-
verfolgt werden. Gerade viele Kernwörter der trale Aufgabengebiet der abstrakten Seman-
Sprache, Wörter wie ‘Denken’, ‘Leben’, tiker die Logik und Theorie wissenschaftli-
‘Sinn’, ‘Natur’ und ‘Naturgesetz’, ja ‘Form’ cher Erkenntnis und ihrer mathematischen
und ‘Bedeutung’ usw. liegen in der Sprache Darstellungsform war, wundert es nicht, daß
keineswegs in strikter Weise fest. Sie fluktu- die entscheidenden Impulse und Analysen zu-
ieren gewissermaßen und füllen sich für den sammen mit der formalen Logik entwickelt
Einzelnen inhaltlich in Abhängigkeit davon, wurden (s. Art. 111).
was ihm seine Eltern, Lehrer und Schul-
freunde gesagt haben, was er gelesen hat und 3.2.  Die ersten erfolgreichen Schritte bestan-
was seine eigenen Gedanken dazu waren. Eine den in der Entwicklung stark reglementierter
genauere Analyse zeigt, daß die Inhalte kei- Konstruktsprachen (Gottlob Frege, Bertrand
neswegs unabhängig davon sind, was in der Russell) wie der Prädikatenlogik erster Stufe
Literatur eines Kulturkreises darüber nach- und ihrer modelltheoretischen Interpretation
gelesen werden kann oder was von dieser Lite- (Alfred Tarski, Rudolf Carnap). Dieser An-
ratur in der jeweils gegenwärtigen Epoche satz wurde durch eine große Zahl von Sprach-
häufig und mit besonderem Verständnis ge- konstrukten für die Modallogik, andere
lesen wird. Man erkennt also, daß die Bedeu- Nichtstandard-Logiken, die Logik für Spra-
tung der Kernwörter und durch sie einer gro- chen mit propositionalen Einstellungen sowie
Logiksprachen erweitert, die von kontextuel-
780 III. Positionen

len Parametern abhängig waren (s. Art. 80). zu lösen. Sie sind aber bei genauerem Hinse-
Auf dieser Grundlage versuchte Richard hen eher technischer Natur. Philosophisch
Montague (1930—1971) formal-semantische handelt es sich nur um Erweiterungen im
Zusammenhänge für wesentliche Ausschnitte Rahmen der gegebenen Darstellungsweisen
der Menge der Sätze natürlicher Sprachen zu und Prinzipien. Insbesondere werden auch die
beschreiben (vgl. Montague 1974), und in den bisher angedeuteten Beschränkungen auf den
letzten Jahren wurden verschiedene Ansätze zwar bei weitem häufigsten alltäglichen oder
vorgelegt, die sogar der kontextuellen Ände- auch wissenschaftlichen, aber im wesentlichen
rung des semantischen Interpretationszusam- unphilosophischen Sprachgebrauch nicht
menhanges, der durch den Text selbst bedingt überschritten. Diese Beschränkungen sollen
ist, Rechnung tragen (Kamp 1981). — aber auch nicht überschritten werden, da für
Schließlich hat man sogar versucht, die echte viele der hier tätigen Theoretiker der alltäg-
Situationsgebundenheit der Sprache zu erfas- liche und der wissenschaftliche Sprachge-
sen. Dieser Versuch von Jon Barwise und brauch allein relevant ist. Für die Analyse des
John Perry (Barwise/Perry 1987) ist sehr lehr- alltäglichen Sprachgebrauchs reicht nach ih-
reich. Obwohl wohl die Autoren meinen, rer Meinung sogar eine rationale Rekonstruk-
„that mental events are in fact bodily events“ tion. Gelinge diese, so seien die wirklichen
(230), so betonen sie dennoch, daß man sie Vorgänge ohne Interesse.
— „if we knew far more than we do“ —
repräsentieren könnte „by coe’s [Ereignisver-
läufe] involving complex relations among 4. Die Konstitution von sprachlicher
parts of human bodies“ (230). Die Skepsis Form und Bedeutung im Menschen
gegenüber solchen Gedankengängen beruhe
teilweise auf Vorstellungen der Begrenztheit 4.1.  Es unterliegt keinem Zweifel, daß die ab-
dessen, was physikalische Systeme leisten strakte Analyse der formalen Semantik, die
könnten. Doch das enorme Komplexitätspo- Ausdrücke als Zeichenketten mit formal-
tential physikalischer Systeme, das seit den kombinatorisch spezifizierter (syntaktischer-)
Tagen René Descartes’ (1596—1650) aufge- Struktur und kompositioneller, modelltheo-
deckt wurde, unterminiere diese Form von retisch spezifizierter Bedeutung präzise und
Skepsis ganz entschieden. Trotz dieser posi- systematisch aufeinander bezieht, erfolgreich
tiven Einschätzung naturwissenschaftlicher war und eine Fülle struktureller Einsichten
Beschreibungsmethoden im Kontext der Fra- erbracht hat. Ihr Geburtsfehler war es, daß
gestellung der Semantik versuchen es die sie primär zur Klärung der Argumentation
Autoren nicht einmal, detaillierte Hypothesen mithilfe von konstruierten Notationssyste-
über mögliche Zusammenhänge zu entwik- men entwickelt wurde, d. h. gedanklicher Pro-
keln. Wie sie betonen, möchten sie vermeiden, zesse, deren entscheidende Merkmale in kon-
sich ›auf Positionen festzulegen‹, die vielleicht trollierte Akte mit normierten Zeichengebil-
ganz anders aussehen werden, wenn erst ein- den auf Papier abgebildet werden konnten.
mal eine reife Theorie ausgearbeitet sei. Die Diesem Geburtsfehler bleiben alle Fortent-
Ausarbeitung einer reifen Theorie, die in wicklungen verhaftet. Die Transposition der-
einem komplexen Gebiet ohne anfängliche artiger Akte in innere Zeichenkonfiguratio-
Irrtümer und Naivitäten wohl kaum zu errei- nen in Speichern elektronischer Computer
chen sein wird, wollen die Autoren offensicht- war zwar leicht möglich und hat, etwa im
lich anderen überlassen. Sie selbst beschrän- Rahmen einer prozeduralen Linguistik und
ken sich lieber auf die Methode der indirekten der Kognitionswissenschaft, zur Entwicklung
Klassifikation geistiger Zustände, in der sie von Modellen der natürlichen und künstli-
den Kern des semantischen Unterfangens se- chen Intelligenz geführt (s. Art. 117). Die
hen. Tatsächlich aber bedeutet dies, daß man Modelle bleiben aber im Rahmen der Vor-
die bewährten Darstellungstechniken der stellung von symbolverarbeitenden und sym-
symboltheoretisch fundierten formalen Se- bolkontrollierten Akten. Ob diese Modelle die
mantik nicht verlassen möchte und die Dinge wesentlichen Merkmale der im Menschen tat-
lieber indirekt klären will. sächlich ablaufenden Sprachprozesse ebenso
Zweifellos bieten die verschiedenen An- adäq uat wiedergeben wie die Kalküle die
sätze und Entwicklungslinien der jetzt schon strikt kontrollierten Prozesse gedanklich-lo-
klassischen formalen Semantik noch frucht- gischer Argumentation, ist mehr als fraglich.
bare Forschungsfelder, und zweifellos bleibt Es scheint notwendig zu sein, sich vom
hier noch eine Fülle von wichtigen Aufgaben Muster der streng kontrollierten und zeichen-
55.  Die sprachphilosophischen Annahmen der formalen Semantik 781

manipulatorisch abbildbaren Prozesse zu lö- den gesuchten Gegenständen zu fahnden, wo


sen. — Was ist die Alternative zu einer prin- das methodische Licht der Zeit leuchtete, statt
zipiell auf eine empirisch adäq uate Analyse dort, wo sich die Gegenstände offensichtlich
konkret ausgerichteten Beschreibung, wenn befanden.
wir die oben angedeutete Einschränkung auf Wenn wir nun also versuchen, Form und
die gängigen Verstehensweisen der Alltags- Inhalt semiotischer Vorgänge dort zu klären,
sprache zunächst beibehalten? Als ersten wo sie sich befinden, nämlich im Menschen,
Schritt wird man festhalten müssen, daß die dann sind einige prinzipielle Entscheidungen
Grundidee der formalen Semantik keineswegs fällig. Erstens müssen wir uns klar machen,
voraussetzt, daß die semiotischen Dinge, die daß wir es mit semiotischen Vorgängen zu tun
Form und Bedeutung haben, die Form haben haben und nicht mit dinghaften Gegenstän-
müssen, die durch Linearität von Schrift (und den. Wie in der Naturwissenschaft brauchen
Schall) nahegelegt wurde und den schrift- wir eine Beschreibungssprache zur Charak-
orientierten Logikern (und den behaviouristi- terisierung von Abläufen von Vorgängen und
schen Linguisten) dementsprechend natürlich den Bestimmungsmomenten ihrer Regelmä-
erscheinen mußte. Betrachtet man die Zusam- ßigkeit und nicht von einer solchen, die auf
menhänge von einem prinzipiellen Stand- Konfigurationen von Gegenständen bezogen
punkt, so erscheint es sehr verwunderlich, daß ist. Zweitens handelt es sich um Vorgänge, an
man die Betrachtung der sprachlichen Pro- deren Zustandekommen stets mehrere Teil-
zesse, die in der Wirklichkeit ablaufen, an der gebilde zusammenwirken, zum Beispiel die
Oberfläche des Menschen abschnitt, von den Teilprozesse, die auf verschiedenen Ebenen
Prozessen im Inneren der Menschen isolierte der Grammatik — meist allerdings äußerlich
und letztere als empirisch irrelevant erklärte. — beschrieben werden und die im Organis-
Um es noch einmal zu wiederholen: Dies ist mus von organischen Teilgebilden interaktiv
für die Zwecke der technisch zu sichernden realisiert werden, zum Beispiel so, daß meh-
Logik angemessen, und im Hinblick auf die rere Menschen also mehrere Organismen mit-
Prüfung der extremen Möglichkeit einer be- einander kommunizieren und so sprachlich
haviouristischen Analyse als Arbeitshypo- Aufgaben lösen (s. Art. 94). Mit anderen Wor-
these verständlich, im Hinblick auf die Ge- ten, die Vorgänge haben einen zeitlichen und
samtheit der empirischen Fakten der Sprach- interaktiv kausalen Charakter. Kausalität soll
vorgänge aber sicher unangemessen. Es hier im weiten Sinn wie bei John Searle (1983)
konnte doch niemals ein Zweifel darüber be- verstanden werden. — Drittens ist es ange-
stehen, daß Form und Bedeutung der Sprache sichts der hohen Zahl interaktiver Teilele-
sich in den Prozessen im Menschen konsti- mente und angesichts der Komplexität erfor-
tuieren und es letztlich darauf ankommen derlich, die Vorgänge auf verschiedenen Kom-
mußte, diese Prozesse theoretisch und empi- plexitätsebenen und auf verschiedenen Idea-
risch angemessen zu bestimmen, und nicht, lisierungs- und Abstraktionsebenen zu be-
sie durch andere Prozesse zu ersetzen und schreiben. Eine dieser Ebenen ist die Ebene
diese zu studieren. Somit mußten die semio- der Sprachakte, d. h. eine Ebene, deren Sub-
tischen Objekte Gebilde sein, die sich nur an jekte ganze Individuen sind, sowie die mit ihr
der Oberfläche in Schall und Schrift realisie- korrelierte grammatische Ebene, auf der die
ren, in ihren wesentlichen und bei weitem akt-differenzierenden Ausdrücke und Aus-
umfassenderen Teilen aber in Prozessen in- drucksformen erfaßt werden. Andererseits
nerhalb menschlicher Organismen und der in gibt es Ebenen von Teilmodulen des mensch-
ihnen realisierten psychischen Vorgänge. Die lichen Organismus, deren Subjekte Teilnetze
immer wieder betonte Tatsache, daß diese des Gehirns und ihnen zuordenbare Teilor-
Prozesse nur sehr schwer zugänglich seien, gane sind, und schließlich theoretisch-biolo-
man in der Vergangenheit zuviel über sie spe- gische Ebenen von relativ einfachen reaktiven
kuliert habe und dadurch zuviele Irrtümer Elementen und Netzen aus solchen Elemen-
verbreitet wurden, hätte doch allenfalls als ten, deren aktive Elemente als Neuronen bzw.
Hinweis auf die Schwierigkeit der Aufgabe Idealisierungen von Neuronen interpretiert
und auf die beim Versuch zu ihrer Lösung werden können. Die Beschreibungen auf die-
gebotene Vorsicht verstanden werden können. sen verschiedenen Ebenen müssen viertens
Tatsächlich verstand man sie aber als Argu- aufeinander bezogen werden.
ment für die unumgängliche Reduktion, ja
Transposition der empirischen Aufgabe der 4.2.  Aus dem Studium der theoretischen Phy-
Semantik. Man forderte dazu auf, dort nach sik wissen wir, daß wir beides brauchen, die
782 III. Positionen

Darstellung der Prozeßhaftigkeit mithilfe der den Kontakt mit den fruchtbaren Konzeptio-
Begriffe von Raum und Zeit und die Dar- nen der theoretischen Physik aufrecht erhal-
stellung der übergreifenden Systematik unter ten, die erlauben allgemeine algebraische Zu-
Bezug auf allgemeine Prinzipien, die man am sammenhänge auf prozeßhafte und dynami-
besten in einem abstrakten algebraischen sche raumzeitliche Vorgänge zu beziehen, so
Raum charakterisiert. Die Notwendigkeit der bietet sich der Vergleich mit partiellen Diffe-
Charakterisierung auch der biologischen Zu- rentialgleichungen und deren Diskretisierung
sammenhänge von Form und Inhalt semio- an. Das entscheidende in ihnen eingefangene
tischer Prozesse wird in der Linguistik gerade Moment ist, daß die Gleichungen sich auf
in den letzten Jahren wieder deutlicher er- einen ›Raum‹ von Punkten beziehen, die in
kannt, ja geradezu herausgestrichen (vgl. jedem Moment ihre kommunikativen Zu-
Chomsky 1980; 1986; 1988). Bei aller Ent- stände (potentielle Meßwerte) ändern kön-
schiedenheit, mit der Noam Chomsky nen, und zwar in Abhängigkeit von den kom-
(* 1928) in den letzten Jahren darauf verweist, munikativen Zuständen und kommunikati-
daß die Sprachen im Grunde biologische Phä- ven Einflüssen ihrer Nachbarn. Die Gleichun-
nomene sind, bleibt seine Arbeit doch auf die gen bestimmen, wie diese kommunikativen
abstrakte Charakterisierung auf der Ebene Zustandsänderungen von den jeweiligen kom-
der Grammatik bezogen. Das Problem einer munikativen Zuständen der Nachbarn be-
solchen Position besteht darin, daß man im stimmt sind. — Wäre es denkbar, strukturelle
Gegensatz zur theoretischen Physik, die ge- semiotische Zusammenhänge für Formen und
nau angeben kann, auf welche Weise ab- Bedeutungen — also formal-semantische Zu-
strakte Zusammenhänge den konkreten Pro- sammenhänge — in einer ganz neuen Sicht
zessen in Raum und Zeit zugeordnet sind, als Regularitäten des interaktiven Prozeßsy-
welche gesetzmäßigen Zusammenhänge der stems im Organismus zu bestimmen? Meine
abstrakten Ebene also welche Beschränkun- Arbeiten in den letzten Jahren sind von dieser
gen konkreter, raumzeitlicher Verhältnisse be- Vorstellung bestimmt (vgl. Schnelle 1988b;
treffen, eine solche Beziehung für die theore- 1991). Angesichts der außerordentlichen
tische Linguistik und speziell für die Gram- Komplexität der Zusammenhänge der for-
matik zur Zeit nicht angeben kann. Oft wird malen Semantik für die natürlichen Sprachen,
nicht einmal die Notwendigkeit der wenig- angesichts des außerordentlichen technischen
stens prinzipiellen Klärung dieses Zusammen- Erfolges der ausdruckskombinatorischen und
hanges gesehen. — Mir scheint, daß dies da- ausdruckskompositorischen formalen Seman-
mit zusammenhängt, daß man semiotische tik und angesichts ihrer Etabliertheit wird es
Objekte nach wie vor als feste Gebilde und nicht leicht sein, neue Perspektiven zu verfol-
nicht als Vorgänge in einem sie systematisch gen und neue Einsichten zu festigen. Die
hervorbringenden Medium wie einem Ner- Komplexität der anfänglich vorliegenden Er-
vennetz versteht und entsprechend Formen gebnisse wird sich nicht mit der Komplexität
und Inhalte als kombinatorische und kom- der etablierten messen können. Trotzdem
positorische Gebilde statt als Interaktionsver- kommt es darauf an, endlich die eigentlich
hältnisse zwischen Vorgängen bzw. zwischen theoretische und empirische Aufgabe der Klä-
regulär wirkenden interaktiven Aktionsein- rung des Verhältnisses von Form und Inhalt
heiten oder Modulen. Theoretiker und Prak- an den wirklichen semiotischen und sprach-
tiker der Sprachen und Zeichenprozesse tun lichen Prozessen in Angriff zu nehmen, statt
sich außerordentlich schwer, die Priorität der sie an zwar leicht zugänglichen, logisch gut
Vorgangsbeschreibung anzuerkennen und beherrschten aber empirisch völlig peripheren
eine Einsicht wiederzugewinnen, die vor hun- Surrogaten wie den bloßen Ausdrucksmitteln
dert Jahren als Einsicht der Junggrammatiker und kombinatorischen und kompositorischen
fast schon einmal etabliert war. Und dort, wo Konstrukten durchzuspielen. — Wir wollen
die Einsicht dämmert, zieht man keine Kon- aber gleichwohl feststellen, daß auch ein sol-
seq uenzen für die Sprachtheorie daraus. Dies cher Ansatz zu einer formalen Semantik füh-
wird nur gelingen, wenn man entschieden bei ren würde, d. h. zu einer Semantik, in der die
der Entwicklung von strukturbestimmten und Zuordnungsprozesse von Vorgängen des
prozeßbestimmenden Darstellungen an- nicht-sprachlichen Verstehens der Umwelt zu
knüpft. Vorgängen des sprachlichen Verstehens von
Will man den für die Entwicklung der deren Form abhängt. Mit anderen Worten,
Theorie vielleicht nützlichen und orientieren- die Vorgänge in den Modulen der Wort- und
Satzgestaltung im Organismus sind funktio-
55.  Die sprachphilosophischen Annahmen der formalen Semantik 783

nal mit den Vorgängen in den Modulen der sich, zur Orientierung einige der leibnizschen
Gestaltung des Sehens und des Denkens ge- Grundgedanken zur formalen Repräsenta-
koppelt. tionstheorie der Monaden, also der primären
formalen Semantik, von der die sekundäre
Semantik der Schriftzeichen abhängt, zu skiz-
5. Leibniz’ Konzeption zieren, um die heute festgefahrenen Vorstel-
repräsentationell-interaktiv — also lungen in neue fruchtbare Richtungen zu len-
formal-semantisch — bestimmter ken. Eine Monade ist nach Leibniz eine aktiv
dynamischer Vorgänge repräsentierende Einheit, d. h. ein aktiv se-
miotisches Gebilde. Sie repräsentiert in jedem
Wir befinden uns heute in einer Situation, in Moment auf zweierlei Weise: erstens reprä-
der wir allenfalls die hiermit gestellten Pro- sentiert sie den Zustand ihrer Umwelt (speziell
bleme erkennen und in einigen Modellen ta- die Zustände ihrer Nachbarn) zugleich mit
stend zu klären versuchen. Es ist also nicht der eigenen Situierung in ihr, zweitens die
möglich, hier, wie bei der formallogisch ori- Tendenz zur eigenen Zustandsveränderung
entierten Analyse, auf eine Fülle von Ergeb- (und indirekt der Zustände ihrer Umwelt).
nissen hinzuweisen. Allerdings kann man et- Die Monade selbst ist mit einem sie indivi-
was anderes tun. Man kann auf Ansätze ver- duell charakterisierenden Prinzip verbunden,
weisen, die schon in der Vergangenheit frucht- das in jedem Moment bestimmt, welches die
bare Perspektiven für die Analyse dieser Pro- passende Veränderungstendenz für jeden auf-
bleme gewiesen haben. Besonders wichtig tretenden Zustand ist. Das Prinzip bestimmt
scheinen mir hier die Gedanken von Gottfried offensichtlich die eigenen tendenziellen Ver-
Wilhelm Leibniz (1646—1716) (s. Art. 23), änderungsmomente in Abhängigkeit von den
der sich in einer analogen Situation befunden Zuständen der Nachbarn und dem eigenen
hat und der zumindest Prinzipien und Dar- Zustand. Ganz offensichtlich also ist die Kon-
stellungstechniken zu ihrer Behandlung zu zeption einer Monade verwandt mit der heu-
entwickeln wußte. Leibniz gilt allgemein als tigen Konzeption eines komplex zusammen-
der Vater der formallogisch und kalkültheo- gesetzten Zustandsautomaten. Dessen Prinzip
retisch orientierten Semantik. Er ist auch be- wird durch die Tafel der Zustandsübergänge
kannt als der Vertreter einer bestimmten Me- für jede Komponente des Automaten be-
taphysik, die unter dem Namen ‘Monadolo- stimmt. Je nach der gegebenen Situation, der
gie’ bekannt ist. Da das Wort ‘Metaphysik’ Umgebungsrepräsentation und dem eigenen
in philosophisch-kritischen und wissenschaft- Zustand als ›Input‹, bestimmt die Tafel den
lichen Ansätzen der Neuzeit einen schlechten jeweils momentan wirksamen Zustandsüber-
Klang hat, ist dort kaum ins Bewußtsein ge- gang. Auf die Verwandtschaft der Begriffe
treten, daß man die Monadologie von Leibniz ‘Monade’ und ‘Automat’ verweist übrigens
auch als Darstellungsform für systematische Leibniz selbst (1875—90, Phil. Schriften VI,
dynamische Zusammenhänge verstehen kann, 609 f; 618; vgl. Schnelle 1971). — Nach Leib-
ja daß sie als solche tatsächlich im Zusam- niz kann die wirkliche Welt insgesamt nur
menhang mit der Erfindung der Infinitesi- existieren, wenn sie durch eine Vielzahl von
malrechnung entwickelt wurde. Vor allem einander als Umwelten repräsentierenden und
aber hat man den in unserem Kontext wich- aufeinander in den eigenen Tendenzen und
tigsten Aspekt übersehen, nämlich den, daß Veränderungen eingehenden Einheiten (Mo-
die Monadologie zugleich eine dynamische naden) besteht, und zwar so, daß dieses Auf-
Repräsentationstheorie ist, in Bezug auf die einander-Eingehen abgestimmt ist. Die an-
die Repräsentationen vermittels der Schrift- gemessene Beschreibung aller Zusammen-
zeichen — also die kalkültheoretischen Dar- hänge, aber auch der Funktion jeder einzel-
stellungsmittel — eine logisch nachgeordnete nen Einheit, erfordert es, dies zu berücksich-
Rolle spielen. Die monadisch-repräsentatio- tigen, also alle Zusammenhänge, auch struk-
nelle Verhaltensweise des Menschen bedarf turelle, als interaktiv sich ergebende Zusam-
der äußerlichen Konzentrationsmittel, die der menwirkungen zu beschreiben und zu
Aufmerksamkeit und der Handlung konti- erklären. Im Rahmen der Automatentheorie
nuierliche Orientierung geben und sie leiten; hat dies als erster wohl John von Neumann
sie würde zwar im Prinzip ohne derartige äu- (1903—1957) versucht (vgl. Schnelle 1988a).
ßere Mittel möglich, faktisch aber wegen der Es ist offensichtlich, daß dies einem Be-
Fülle der anderen, ständig ablenkenden Ein- schreibungsansatz entspricht, der Zusammen-
drücke nicht realisierbar sein. — Es lohnt hänge als interrepräsentationelle und inter-
784 III. Positionen

kausale Wirkung organismischer oder auch formalen Semantik, die sich entschieden von
als System von in ihrem Wirken konnektio- der engen Zielsetzung der formallogischen Be-
nistisch bestimmter Einheiten anspricht. Die gründung der Wissenschaftssprache und den
strukturelle Bestimmung des Verhaltens muß mit ihr verbundenen symbolmanipulatori-
ihren Grund in der strukturellen Bestimmung schen Darstellungstechniken löst und sich öff-
der Interaktionsmöglichkeiten der repräsen- net für philosophisch weniger abstrakte Kon-
tierenden Einheiten finden. Die reine Kom- zeptionen, z. B. für Ansätze und Darstel-
binatorik der Zeichenfolgen des Kalküls muß lungstechniken, die in der naturwissenschaft-
demgegenüber nur als Bestimmung der exter- lichen Behandlung dynamischer interaktiver
nen Auslöser-, Steuerungs- und Konzentra- Prozesse fruchtbar waren, eine umfassende
tionsmittel verstanden werden, deren eigent- Neuorientierung einleiten, in deren Rahmen
liche Rolle erst klar wird, wenn man be- die bisher höchst fruchtbaren Ergebnisse der
schreibt, welche selektive und konzentrative abstrakt-formalen Semantik ihren Platz fän-
Rolle sie für die Abläufe der repräsentatio- den (vgl. Schnelle 1988b; 1991).
nellen Gefüge in den diese Mittel gebrauchen-
den Monaden spielen. Diese Frage hat Leib-
niz nicht mehr verfolgen können; so stehen 7. Literatur in Auswahl
seine Bemühungen um die Entwicklung der Barwise/Perry 1983, Situations and Attitudes.
formalen Logik und der formalen Semantik Davidson 1985, Inquiries into Truth and Interpre-
und seine Bemühungen um eine organismi- tation.
sche oder automatentheoretische Beschrei- Chomsky 1980, Rules and Representations.
bung interrepräsentationell und dadurch zu- Chomsky 1986, Knowledge of Language.
gleich kausal gekoppelter Organismen noch Chomsky 1988, Language and Problems of Know-
scheinbar verbindungslos nebeneinander. Für ledge.
Leibniz aber war die Sache völlig klar: Die Kamp 1981, A theory of truth and semantic inter-
wechselseitige und formbestimmte Repräsen- pretation, in Formal Methods in the Study of Lang-
tation der Menschen, Tiere und wirklichen uage, Groenendijk et al. (Hg.).
Dinge ist das zentrale Moment. Von ihr hän- Montague 1974, Formal Philosophy.
gen die kausalen Verhältnisse der Wirklichkeit Schnelle 1971, Automat und Automatentheorie, in
ebenso ab wie die Verhältnisse der sprachli- Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1.
chen Einsichten über sie, die man mit for- Schnelle 1988a, Turing naturalized: Von Neu-
mallogischen und mathematisch-wissen- mann’s unfinished project, in The Universal Turing
schaftlichen Darstellungsmitteln zu klären, zu Machine, Herken (Hg.).
sichern und zu kontrollieren trachtet. Schnelle 1988b, Ansätze zur prozessualen Lingui-
stik, in Sprache in Mensch und Computer — Kog-
nitive und neuronale Sprachverarbeitung, Schnelle/
6. Zusammenfassung Rickheit (Hg.).
Zweifellos war die Entwicklung der formalen Schnelle 1991, Die Natur der Sprache.
Semantik in den letzten hundert Jahren Searle 1983, Intentionality.
höchst erfolgreich, gerade weil sie sich metho- Turing 1936, On computable numbers with an ap-
disch und darstellungstechnisch radikale Be- plication to the Entscheidungsproblem. Repr. in
schränkungen auferlegte. Jetzt aber könnte The Undecidable, Davis (Hg.) (1965).
eine philosophische Reflexion der Ziele der
Helmut Schnelle, Bochum (Deutschland)
56.  Die sprachphilosophischen Annahmender Sprachsoziologie und der Soziolinguistik 785

56. Die sprachphilosophischen Annahmen


der Sprachsoziologie und der Soziolinguistik

1. Einleitung Sprachsoziologie als Disziplinen der Linguistik ei-


2. Forschungsrichtungen nerseits und der Soziologie andererseits fasse ich
3. Allgemeine soziolinguistische Sprachauffas- hier unter dem Terminus ‘Soziolinguistik’ zusam-
sungen men, weil die Übergänge fließend sind. Linguisti-
4. Soziolinguistische Aspekte einer kommuni- sche Forschungsrichtungen, die ihre Gegenstände
kativen Sprachauffassung mit pragmatischen und sozialen Befunden konfron-
5. Probleme und Desiderata tieren, z. B. Semantik, Lexikologie, Stilistik,
6. Sprachphilosophische Konsequenzen Sprachwandel-, Fachsprachenforschung, Textlin-
7. Literatur in Auswahl guistik usw., werden hier außer acht gelassen.

1. Einleitung 2. Forschungsrichtungen
Was sind die sprachphilosophischen Annah- Die gegenwärtige Soziolinguistik in Europa
men der Soziolinguistik? Diese Frage ist nicht kommt aus fünf Traditionslinien der 50er und
leicht zu beantworten, da die Soziolinguistik 60er Jahre. Mit ihnen sind jeweils unterschied-
— anders als andere linguistische Disziplinen liche Ziele, Methoden und sprachtheoretische
— meist nahe an praktischen, jedoch fern von Voraussetzungen verbunden. (Einführungen
philosophischen Fragestellungen betrieben und Gesamtdarstellungen: Schlieben-Lange
wurde. Oft folgen die reflexiven Theoriedis- 1973; Dittmar 1976; 1982; Halliday 1979; Ste-
kussionen den empirischen Arbeiten (z. B. ger 1980 a; Trudgill 1987; für deutsche
Bernstein 1971, 237 ff; Labov 1972 a). Erst in Sprachvarianten: Löffler 1985).
den letzten Jahren wird häufiger gefordert,
die Gegenstände, die wissenschafts- und 2.1. Soziosemantische Ansätze
sprachtheoretischen Voraussetzungen der So-
ziolinguistik zu reflektieren. Folgende Fragen In dieser Forschungsrichtung werden Sprach-
sollen der Annäherung dienen: Haben die so- varianten auf der Grundlage sozial differen-
ziolinguistischen Schulen eine Affinität zu zierter Inhaltssysteme betrachtet. Basil Ber-
philosophischen Richtungen? Gibt es sozio- nard Bernstein (*1924) hat zwei Weisen des
linguistische Ergebnisse, die zur Erhellung Sprachverhaltens (kontextabhängig, partiku-
sprachphilosophischer Probleme beitragen? laristisch, restringiert vs. universalistisch, ela-
Welche Sprachbegriffe liegen den Untersu- boriert) mit einer dualistischen Klassenstruk-
chungen zugrunde? Welche sprachlichen Ei- tur (Arbeiter-, Mittelschicht) in Beziehung ge-
genschaften, Ebenen und Funktionen werden setzt. Diese ist wiederum von der gesellschaft-
als relevant angesehen? Welches sind die (un- lichen Arbeitsteilung abhängig und mit ihr
ausgesprochenen) Prinzipien der Forschungs- gehen weitere soziale Prozesse Hand in Hand
logik? In welchen Wirklichkeitsbereichen wol- (soziale Verteilung von Macht und Wissen,
len die Soziolinguisten den Zusammenhang soziale Positionen, die Lebenserfahrung des
von Sprache und Gesellschaft studieren? Gibt einzelnen). Für die Bernsteinschule sind kau-
es wertende Aussagen über Sprachvarianten? sale Relationen (causal chain) zwischen sozia-
Mit diesen Fragen werden die recht heterogenen len und sprachlichen Strukturen charakteri-
theoretischen Ansätze durchgegangen und dabei stisch (Bernstein 1981, 329). Die Vermitt-
die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unter- lungsstelle zwischen Sozialstruktur und der
schiede der zugrundeliegenden Sprachauffassungen Typisierung des Sprachverhaltens wird in der
festgehalten (2.). Aus einzelnen Ergebnissen sollen primären Sozialisation gesehen. Das Kind er-
dann allgemeine Tendenzen soziolinguistischer lernt bestimmte Muster von (wieder polartig
Sprachauffassungen (3.) und zentrale sprachtheo- auseinanderklaffenden) sozialen Verhaltens-
retische Aspekte gegenwärtiger soziolinguistischer weisen (z. B. bezogen auf soziale Regeln,
Forschungen ausgeführt werden (4.), freilich ohne Kreativität, Ichbildung). Insofern hat Bern-
Anspruch auf eine übergreifende Theorie und ohne stein ein sehr umfassendes Modell des Zusam-
Probleme und Desiderata zu verschweigen (5.). menwirkens von Sprache und Gesellschaft
Zum Schluß wird dann exemplarisch an drei mir vorgelegt (Makroebene). Er betont wie alle
wichtig erscheinenden Begriffen gezeigt, was diese Soziolinguisten die Relevanz des Sprachge-
Ergebnisse zu einer kommunikativen Sprachphi- brauchs. Die (von einem externen Beobach-
losophie beitragen können. Soziolinguistik und terstandpunkt aus festgehaltenen) lexikali-
786 III. Positionen

schen und syntaktischen Unterschiede weisen Das schulenbildende Paradigma stellen die
nach Bernstein in die Richtung zweier ent- frühen Arbeiten von William Labov dar, weil
gegengesetzter Bedeutungssysteme: ein uni- hier Differenzierungen sowohl der Sprechsi-
versalistisches und ein partikularistisches. Je- tuationen (unterschiedliche Stile) als auch der
nes sei unabhängig von lokal gebundenen so- sozialen Merkmale (Schicht, ethnische
zialen Strukturen verwendbar, brauche we- Gruppe, Alter, Geschlecht) in die Untersu-
niger Wissen beim Adressaten vorauszusetzen chungsanordnung eingeplant wurden. Kern-
und biete leichter die Möglichkeit, sprachliche stück der Theorie ist die Variablenregel, mit
und soziale Strukturen zu reflektieren und zu der Vorkommenshäufigkeiten von sprachli-
ändern. Äußerungsunterschiede (z. B. Deik- chen Eigenschaften auf eine Kombination
tika vs. nominale Referenz, Konjunktionen, von sozialen Bedingungen (z. B. ein Schicht-
Satzkomplexität (s. Art. 79)) seien nur Aus- und ein Stilmerkmal) zurückgeführt werden.
druck dieser sozialpsychologischen Opposi- Mit diesen Variablenregeln kann man Sozio-
tion. Grundlegende Funktion der Sprache sei lekte definieren, welche Sprecher je nach
die Aufrechterhaltung von Klassenschranken Kommunikationssituation, Adressat, Thema
(s. Art. 49). usw. verwenden, aber auch durch Mischun-
Bernsteins Theorie stellt eine Radikalisierung der gen abändern können. — Sprache wird also
sogenannten sprachlichen Relativitätstheorie dar gesehen als Sprachvariante, und diese ist eine
(s. Art. 74), weil er eine deterministische Interpre- Kombination alternativer (meist lautlicher)
tation vertritt und die sprachlichen Grenzen enger Elemente, welche sozialsymbolische Bedeu-
zieht. Benjamin Lee Whorf (1897—1941) dagegen, tung haben.
auf den sich Bernstein beruft, stellte die indoeuro- Kritiker halten dieser Art von Korrelations-Sozio-
päischen Sprachen insgesamt dem Hopi gegenüber. linguistik entgegen, es werde nur ein bestimmter
Die von Bernstein beobachteten sprachlichen Un- Regelbegriff verwendet, nämlich der regulative, na-
terschiede müssen aber nicht zwangsläufig unter- turwissenschaftliche, in Form von Immer-wenn-
schiedliche kognitive Fähigkeiten bedeuten; einige dann-Sätzen; es würden nur sprachliche Oberflä-
von ihnen lassen sich auf andere als Schichtmerk- chenphänomene untersucht, ohne ihre kommuni-
male zurückführen: auf die Kommunikationssitua- kative Bedeutung zu berücksichtigen (Dittmar
tion; auf mündliche vs. schriftliche Sprache; auf 1983, 234—243); statistische Korrelationen könn-
den Ausdruck sozialen Zusammenhalts mit für Un- ten nicht den Anspruch erheben, sprachliche Vari-
terschichten positiven Wertungen (vgl. 2.2.; Löffler anz kausal zu erklären, sie bezögen sich auf Kol-
1985, 182). lektive, nicht auf Individuen (Romaine 1984, 29 f).
Die soziale Sprachinhaltsforschung wurde Trotzdem hatten die Labovschen Untersuchungs-
in England von Michael Alexander Kirkwood anordnungen (Operationalisierung, Differenzie-
Halliday (*1925) (1979) mit mehreren Diffe- rung, Befragungen zu Spracheinstellungen) enor-
renzierungen weitergeführt (s. Art. 58). Ge- men Einfluß auf die Soziolinguistik in Amerika und
fragt wurde nun, wie soziale Gruppen Texte Europa, so daß sie zeitweise synonym mit Soziolin-
für bestimmte Situationen auf unterschied- guistik überhaupt verstanden wurden.
liche Weise produzieren und damit ihre un- Labov hält gegen Bernstein die unter-
terschiedliche Weltsicht zum Ausdruck brin- schiedlichen sprachlichen Varianten in Bezug
gen (vgl. 2.4.). Halliday führt z. B. gruppen- auf kognitive Funktionen für gleich leistungs-
spezifische Neologismen und Metaphern auf stark (Differenz- vs. Defizithypothese). Ob-
unterschiedliche Wertsysteme zurück, die sich wohl ein recht umfangreicher soziolinguisti-
im Extremfall zu ›anti-languages‹ entwickeln. scher Forschungshorizont angesetzt wird —
In der Bundesrepublik hat Eva Neuland „warum sagt jemand etwas?“ (Labov 1972 a,
(*1947) den inhaltlichen Gesichtspunkt 114) —, untersucht Labov auf der sprachli-
sprachlicher Unterschiede weiterverfolgt. Sie chen Seite nur einige Laute (Lautkombinatio-
hat durch Assoziationstests schichtspezifische nen, Grund: Isolierbarkeit) und ganz wenige
Wortbestände und auch unterschiedliche se- syntaktische Kategorien (Negation). Das Pro-
mantische Füllungen bei ausdrucksseitig glei- blem der Beschreibungsadäq uatheit versucht
chen Wörtern festgestellt (Neuland 1975, er wie ein Naturwissenschaftler dadurch zu
130—148). lösen, daß viele Messungen unter verschie-
denen Fragestellungen zu gleichen Resultaten
2.2. Korrelative Soziolinguistik führen sollen (Labov 1970, 85). Von dieser
Außensicht der Sprache rührt auch die Rele-
In korrelativen Untersuchungen werden ein- vanz des sogenannten Beobachterparadoxons
zelne soziale Faktoren mit bestimmten her (mit dem Wissen, beobachtet zu werden,
sprachlichen Eigenschaften in Beziehung ge- ändert man das sprachliche Verhalten). —
setzt, meist in einer bedingenden Relation.
56.  Die sprachphilosophischen Annahmender Sprachsoziologie und der Soziolinguistik 787

Wichtiges Ergebnis für die Sprachtheorie ist Alltags vorziehen, daß sie sich aber darüber
die Erkenntnis, daß Sprachvarianz — von der täuschen, welche Variante sie gewöhnlich
die Soziolinguistik ausgeht — auch im Ver- sprechen und wie weit die Hochvariante ver-
hältnis Bewußtsein/Einstellung zu Sprachfor- standen werden kann (Ferguson 1982, 259).
men gilt. Erstens sprechen Personen anders Sprachen oder Varianten werden als Ganz-
als sie meinen, und zweitens liegen sprachliche heiten gesehen und die Wertungen, die Spre-
Signale, Markierungen und Stereotypen für cher mit ihnen verbinden, durch Interviews
soziale Gruppen auf unterschiedlichen Be- festgestellt. Von dieser makrostrukturellen
wußtheitsebenen. Ebene aus versucht man dann, Sprachpro-
In einiger Distanz zu korrelativen Arbeiten hat zesse im kleineren Rahmen zu untersuchen.
Labov schon um 1970 Produktions- und Interpre- Wichtige Kategorien sind hierfür ‘Situation’
tationsregeln von dialogischen Akten (Frage, Ant- und ‘Rolle’ (Fishman 1972 a).
wort) und Diskurstypen (Erzählung, rituelle Be- Die Gliederung sprachlicher Kommunikation in
schimpfung) untersucht, deren Formulierungen verschiedenen sozialen Bereichen (Medien; Politik;
nicht mehr Ersetzungsregeln vom Typ ‘ersetze X Literatur; Gruppen, die die Themen in der Öffent-
durch Y unter folgenden sozialen Bedingungen’ lichkeit bestimmen) wird auch in der Sprachge-
sind, sondern Interpretationsregeln unter Zuhilfe- schichtsschreibung aufgegriffen. Es wird gefragt, in
nahme von Wissensbeständen (Labov 1970, 78 ff; welchen Bereichen neue Textsorten, inhaltliche Ori-
1972 b, 297 ff; 354 ff). entierungen (verdichtet in Schlagwörtern) und Nor-
mierungen entstehen (Steger 1983). Querverbin-
2.3. Sprachsoziologie dungen zu sozialphilosophischen Theorien des so-
zialen Wandels wären hier denkbar (Jürgen Haber-
Sprachsoziologen untersuchen, welche Grup- mas, Michel Foucault): welche soziale Gruppe ok-
pen welche Sprachen oder Sprachvarianten in kupiert mit ihren Themen und sprachlichen Kon-
welchen sozialen Bereichen sprechen, wie sie ventionen welche kommunikativen Bereiche,
die Sprachen bewerten und ob es auf lange schafft sie neu oder verändert sie in ihrem Sinne?
Sicht Änderungen in der sozialen Verteilung Soziologen aus der Tradition des symboli-
der Sprachen gibt. Im Westen wird diese von schen Interaktionismus (s. Art. 52) haben in
der Soziologie ausgehende Forschungsrich- ethnographieähnlichen Studien (teilneh-
tung in vielen Diglossiestudien bearbeitet mende Beobachtung) eine Fülle von sozialen
(Überblicke in Fishman 1972 a), in der sowje- Ereignissen, Verläufen und Strukturen unter-
tischen Soziolinguistik sind diese Themen sucht, in denen sprachliche Interaktionen eine
ebenfalls vorrangig (Brang/Züllig 1987). Als zentrale Rolle spielen. Zu nennen wären: Stra-
Vermittlungsebene setzt Joshua A. Fishman tegien der Selbstdarstellung, der Identitäts-
(*1926) die Kategorie der sozialen Domäne handhabung und -stigmatisierung (Erving
an: Familie, Schule, Kirche, Arbeit, Verwal- Goffman, vgl. 4.2.3.), die Identifizierung mit
tung usw. Solange die Mitglieder von Netz- einer Berufsrolle (Anselm L. Strauss), Hand-
werken auch nur einen dieser Bereiche mit lungsabläufe und Rollenausübungen zwi-
einer bestimmten Sprache/Sprachvariante be- schen Experten und Klienten, typische Kom-
legen, ergibt sich eine Diglossiesituation, die munikationsstrukturen in Institutionen (Ge-
je nach ethnischer und kultureller Selbstor- richt, Betriebe, Verbände, Freizeitorganisatio-
ganisation der Sprachgemeinschaften stabil nen usw.; Überblick in Schütze 1987, 521;
bleiben oder (etwa generationsweise) abge- 525). Zurückgehend auf George Herbert
baut werden kann. Solche großflächigen Er- Mead (1863—1931) erscheint diesen Sozio-
hebungen zum Sprachgebrauch und zur logen Sprache als das wichtigste Symbolsy-
Spracheinstellung haben praktische Relevanz stem, mit dem Menschen Ordnungsstrukturen
für politische Entscheidungen. Hier wirken von Interaktionen ankündigen, interpretieren
sich auch implizit gehaltene Wertungen von und übernehmen können. Erst dadurch wer-
Domänen und Sprachen/Varianten aus. Ent- den antizipierte Rollenübernahmen und Ver-
sprechend unterscheidet Charles A. Ferguson haltenserwartungen möglich (Schütze 1987,
(*1921) eine ›High-‹ und eine ›Low‹-Variante; 519 f; 535).
Fishman (1972 b, 46) spricht von „languages
suitable for all higher purposes“. Schon 1959 2.4. Ethnographie des Sprechens
hat Ferguson festgestellt, daß in ganz unter-
schiedlichen Gesellschaften die Sprachteilha- Analysegegenstand sind sprachliche Aktivi-
ber in ähnlicher Weise die Hoch-Variante so- täten, in denen die Interagierenden bestimmte
zial, politisch, kulturell, ästhetisch oder reli- soziale Normen und Strukturen realisieren
giös wertschätzen und der Sprachvariante des (Grundsatzartikel: Hymes 1971, 1972). Damit
wird die Vermittlung von Sprache und Ge-
788 III. Positionen

sellschaft in konkreten Interaktionen unter- Ordnung im Vollzug von alltäglichen und in-
sucht. Wichtige soziale Kategorien sind: stitutionellen Gesprächen aufzuspüren. Da-
‘Sprechsituation’, von Jan-Petter Blom und mit wird die Verbindungsstelle von Sprache
John Gumperz (Blom/Gumperz 1972) diffe- und Gesellschaft noch kleinräumiger ange-
renziert in ›setting‹ [sozialer Ort], ›situation‹ setzt. Harold Garfinkel (*1917) (1967) for-
[Rollenkonstellation], ›event‹ [Kommunika- dert, man müsse untersuchen, wie sich Men-
tionstyp]; ‘Sprachgemeinschaft’ und ‘soziales schen beim Miteinandersprechen ihre kom-
Netzwerk’. Jede Gemeinschaft hat ein ge- munikativen Handlungen sinnhaft, ›rational‹
meinsames Wissen, wie man sich in Situatio- und verständlich machen (über Garfinkel vgl.
nen sprachlich angemessen verhält. Damit Heritage 1984). Dieses Programm steckt in
lassen sich Diglossieverhältnisse genauer be- der Bezeichnung ‘Ethnomethodologie’. Zwei
schreiben. Sprachliche Wechsel (code swit- Merkmale von Alltagssprache rücken in den
ching) sind demnach adressaten- und situa- Mittelpunkt, die für spätere soziolinguistische
tionsabhängig oder ›metaphorisch‹, d. h. sie Analysen von Bedeutung sind: ihre unaufheb-
lassen kommunikative Bedeutungen der mit bare Indexikalität (das Verstehen ist auf Kon-
ihnen verbundenen Lebensbereiche anklin- textwissen unterschiedlicher Art angewiesen)
gen. In vielen ethnographischen Arbeiten (s. Art. 92) und ihre Reflexivität (die Formen
wurden kulturspezifische Regeln der sprach- des sozialen Wissens sind auch die Formen
lichen Interaktion beschrieben, in denen die ihrer Weitergabe).
Annahmen der Gemeinschaften über Verbote Die Einsicht, daß sprachliche Äußerungen nor-
und Gebote, Regeln des angemessenen Ver- malerweise vage, indirekt und verschieden deutbar
haltens, ästhetische Wertschätzungen usw. sind, führte zu einer größeren Realitätsnähe und
zum Ausdruck kommen, z. B. (Frake 1972) ließ strukturelle, monologisch konzipierte und
über die regelhafte Abfolge einer Trinkzere- durchsichtige Regelmodelle für Bedeutungen als
monie, bei der gemeinsame Probleme bespro- beschreibungsschwach erscheinen; dies gilt insbe-
chen und gelöst werden; (Keenan 1974) über sondere für die Searlesche Sprechakttheorie (vgl.
die Thematisierungsmöglichkeiten und 6.1.) (s. Art. 54).
Sprechweisen von Frauen in einer streng ge- Zur Bedingung der Möglichkeit sprachli-
schlechtlich strukturierten Gesellschaft; (Ir- cher Interaktion gehören nach Garfinkel und
vine 1974) über Begrüßungsweisen, die für Aaron V. Cicourel (*1928) (Cicourel 1972)
den Adressaten soziale Verpflichtungen einige unhinterfragt gültige Basisregeln (In-
haben; (Abrahams 1974) über Kommunika- teraktionspostulate, -idealisierungen), z. B.:
tionstypen und ihre Funktionen bei Schwar- daß sich die Sprecher auf Typisierungen von
zen in den USA (Sammelbände: Gumperz/ Handlungen und Situationen verlassen kön-
Hymes 1972; Bauman/Sherzer 1974). Die nen; daß sie ihre Standpunkte austauschen
Autoren versuchen, die Relevanzsetzungen können; daß solche allgemeingültigen Inter-
und Sichtweisen aus den Sprachgemeinschaf- pretationsverfahren nur unter besonderen,
ten selbst zu eruieren. Mit der Ethnographie verstehbaren Bedingungen aufgehoben wer-
des Sprechens hat sich von Anfang an eine den (vgl. Kallmeyer/Schütze 1975). Beide ge-
pragmatische Sprachauffassung in der Sozio- hen dabei auf Überlegungen von Alfred
linguistik durchgesetzt. Sprache wird als ein Schütz (1899—1959) zurück, der zu den ge-
Medium für bestimmte Interaktionstypen ge- sellschaftlich vorgegebenen Wissensobjekten
sehen, in denen Individuen auf der Basis un- die sprachlichen Formen (Wörter) und Struk-
terstellter Normen ihre sozialen Beziehungen turen zählt, die unabhängig von biographi-
zueinander gestalten; und Sprechen wird als schen Besonderheiten, jeweiligen Interessen
soziales Handeln verstanden (s. Art. 67), mit und Situationsdefinitionen als intersubjektiv
dem sie gesellschaftliche Strukturen realisie- gültig vorausgesetzt werden (Schütz 1974,
ren. 11 ff; 19 ff). Cicourel versucht, diese Kluft
zwischen sozial geteiltem Wissen und jeweils
2.5. Konversationsanalyse eigenen Neuinterpretationen durch die Mead-
sche Unterscheidung zwischen ›I‹ und ›Me‹
Ausgesprochen nah an philosophischen Fra- zu überwinden. Er weist die reflexiven, inter-
gestellungen haben Soziologen, die das herr- pretativen Verfahren von sprachlichen For-
schende hypothesenüberprüfende Verfahren men dem ›Me‹ zu, impulsive und spontane
in der amerikanischen Soziologie unbefriedi- Akte dagegen, die den sprachlichen Interak-
gend fanden, Theorien über die sprachliche tionen neue Richtungen geben, dem ›I‹ (Ci-
Interaktion entwickelt, die darauf hinauslau- courel 1972, 232). — Im Dialog ist jeder Be-
fen, die fundamentale Konstruktion sozialer
56.  Die sprachphilosophischen Annahmender Sprachsoziologie und der Soziolinguistik 789

teiligte Sprecher und Hörer, d. h. er muß in- 3. Allgemeine soziolinguistische


terpretierbare Äußerungen hervorbringen Sprachauffassungen
und zeigen, wie er andere verstanden hat
(Sacks/Schegloff/Jefferson 1974, 728); umge- Alle Soziolinguisten betonen die Variabilität
der Sprache und die Notwendigkeit, Sprache
kehrt gilt, daß jede nachfolgende Äußerung in ihrem Gebrauch zu studieren. Der soziale
als ›Antwort‹ auf die vorhergehende interpre- Charakter der Sprache erscheint unter sozio-
tiert wird. Jeder dialogische Zug eröffnet linguistischen Aspekten so fundamental, daß
einen Erwartungsraum von Erwiderungen Dell H. Hymes (*1927) (1972, 324) schreiben
(Goffman 1971 b). Der Adressat ist zwar konnte: „The final goal of sociolinguistics [...]
(normalerweise) nicht auf eine bestimmte must be to preside over its own liq uidation.“
Antwort festgelegt, aber er muß erkennbar Die Tatsache, daß Sprecher unterschiedlicher
machen, als was er die Äußerung versteht, sozialer Gliederungen vergleichbare proposi-
und seine folgenden Handlungen müssen mit tionale und kommunikative Inhalte auf un-
seiner Interpretation konsistent sein. Die kon- terschiedliche Weise ausdrücken, ließ an idea-
versationsanalytischen Kategorien sollen lisierten, homogenen Sprachtheorien Zweifel
diese dialogische Herstellung von Intersubjek- aufkommen. Zentrale Gegenfigur war immer
tivität erfassen. Die ›adjacency pairs‹ sind die wieder Noam Chomsky (*1928): sein Sprach-
aufeinander bezogenen dialogischen Akte, begriff sei reduktionistisch, zu sehr formali-
›repairs‹ die Neuformulierungen und Korrek- siert und vereinheitlicht (Hymes 1982, 151 ff);
turen, die den Adressatenbezug von sprach- er gehe über bedeutungsvolle Unterschiede
lichen Äußerungen bis in die Syntax gespro- und das nur scheinbare Chaos sprachlicher
chener Sprache verfolgen (Schegloff 1979; vgl. Äußerungen hinweg; die Unterscheidungen
4.2.). Klassische konversationsanalytische zwischen Grammatikalität und Akzeptabili-
Regelformulierungen wurden induktiv für tät, ja sogar zwischen Kompetenz und Per-
Sprecherwechsel (Sacks/Schegloff/Jefferson formanz werden in Frage gestellt (Halliday in
1974), für Anfangsseq uenzen (Schegloff 1968) Parret 1974, 84 f; vgl. Bernstein 1971, 173).
und für Beendigungsseq uenzen (Schegloff/ Eine Sonderstellung nimmt Labov ein: er kritisiert
Sacks 1973) ausgearbeitet (Sammelbände: die Empirielosigkeit der generativen Transforma-
Sudnow 1972; Schenkein 1978). Von marxi- tionsgrammatik, bekennt sich aber ausdrücklich zu
stischer Seite aus wird die Betonung der Kon- ihrer sprachtheoretischen Grundannahme: eine
stitution sozialer Wirklichkeit im Gespräch Sprache beherrschen heißt, Regeln für die Produk-
und die Abgehobenheit von objektiven sozia- tion von Sätzen anwenden zu können. Labov sieht
len Strukturen als idealistisch kritisiert (Meng die phonetischen und morphologischen Regeln, die
1985). das ›Black Vernacular English‹ vom allgemeinen
In den 70er Jahren gab es eine breite Palette
Englisch unterscheiden, in zusätzlichen, oberflä-
von soziolinguistischen Forschungsansätzen, die
chennahen Transformationsregeln (Labov 1972 a,
sprachliche Prozesse in größeren sozialen Zusam-
105 ff; 1972 b, 124 ff).
menhängen sahen als die amerikanische Konver-
Die Soziolinguistik hebt anstelle der Ein-
sationsanalyse. Dazu gehören: die Text- und Dia-
deutigkeit und Einheitlichkeit phonemati-
logtypenforschung (Steger 1980 b); eine sich auf
scher, syntaktischer und lexikalischer Struk-
Schütz berufende Sprachsoziologie, die die Konsti-
turen deren Variabilität hervor und plädiert
tution der sozialen Realität in kommunikativen
für Bedeutungs- und Funktionsbeschreibun-
Formen unterschiedlicher Lebenswelten sieht
gen dieser Variabilität. Es gibt einen Konsens,
(Luckmann 1984; 1986); die auf die Tätigkeitstheo-
die Vermittlung von sozialen und sprachlichen
rie Aleksej Nikolaevič (*1903) und Aleksej Alek-
Strukturen an konkreten Dialogen in mehr
seevič Leont’evs (*1936) zurückgehende Sprach-
oder weniger festgelegten Kommunikations-
auffassung (Hartung 1981; 1982; Langner 1984).
situationen anhand von Tonbandaufnahmen
Heute sieht man die sprachlichen und sozialen Zu-
zu studieren. Dabei stehen sich weiterhin in-
sammenhänge als sehr viel komplexer an; es kri-
tegrative und korrelative Ansätze gegenüber,
stallisieren sich aber einige sprachlich-kommuni-
wenn auch nicht mehr mit der Ausschließlich-
kative Verfahren heraus, die von vielen Soziolin-
keit und Schärfe wie zur Zeit der Kontroverse
guisten als grundlegend für die Konstruktion der
zwischen verstehender und nomologischer So-
sozialen Wirklichkeit erachtet werden. Es mehren
zialwissenschaft. Da aber viele Gesprächs-
sich die Appelle, die Disparatheit der Fragestellun-
analysen zu Paraphrasen einmaliger Dialoge
gen in einer integrativen Soziolinguistik zu über-
geraten, ohne daß ihre Systemhaftigkeit auf-
winden (Dittmar 1983, 250; Hartung 1986, 7; Wo-
gedeckt würde, erhebt sich die Frage, wie
dak 1987).
790 III. Positionen

diese von zufälligen Befunden getrennt wer- la régularité q uand elle règne sur q uelq ue point.
den kann. [...] Et l’ordre q u’elle définit est précaire“ (Saussure
Die entscheidende Differenz in der Sprach- 1962, 131; vgl. Frank 1983, 469 f und passim).
auffassung dürfte sein, ob man Sprache wie Die korrelative Soziolinguistik Labovscher
im symbolischen Interaktionismus als Mittel Prägung kann Veränderungen des Sprachsy-
der Herstellung einer (wenn auch veränder- stems durch Erhebungen zur Spracheinstel-
baren) sozialen Ordnung ansieht (so einige lung und zu sozialen Orientierungen erklären,
Richtungen der Sprachsoziologie, Ethnogra- ein ›Nebenprodukt‹ der Soziolinguistik, das
phie des Sprechens, Gesprächsanalyse), oder zu einer starken erklärenden Theorie des
ob man unter den Ansprüchen des Empiris- Sprachwandels führte. Weitgehend wird auch
mus einzelne sprachliche und soziale Eigen- die Meinung akzeptiert, daß operational de-
schaften operational definiert und nach em- finierte soziale Zugehörigkeiten nicht einfach
pirischen Befunden rechnerisch miteinander sprachliche Verhaltensweisen determinieren,
in Beziehung setzt (so das Labov-Paradigma). sondern daß soziale Orientierungen, Moti-
Diese Differenz hat auch Auswirkungen auf vationen und Wertungen in die Analysen ein-
das Verständnis des kreativen Aspekts von bezogen werden müssen. Das Bestimmungs-
Sprache (Wilhelm von Humboldt: ›energeia‹ verhältnis zwischen Sprache und Gesellschaft
(s. Art. 27)). Soziolinguistische Theorien, die ist dabei wechselseitig:
den sprachlichen Handlungscharakter beto- „Nur im systematischen Bezug auf Interaktionen
nen, schreiben Sprechern eine soziale Kom- läßt sich die gegenseitige Konstitution von Spra-
petenz zu, gesellschaftliche Strukturen und che und gesellschaftlichen Strukturen erfassen“
Regeln zu konstituieren und neu zu definie- (Schütze 1975, 150).
ren, während in der von Labov erweiterten Materialistisch orientierte Soziolinguisten
Theorie der generativen Grammatik der Be- betonen mehr die Fundierung sprachlicher
griff ‘Kompetenz’ noch mit dem Hervorbrin- Symbole in gesellschaftlichen und praktischen
gen von Sätzen verbunden war. Handlungszusammenhängen, ohne eine uni-
Dieser zentrale Unterschied betrifft auch direktionale, kausale Relation zu hypostasie-
die Forschungsmethode: Bei korrelativen Ver- ren (Hartung 1981, 31). — Weithin akzeptiert
suchsanordnungen kann man die Variablen ist auch Labovs Differenzhypothese gegen-
ohne einen Rekurs auf die kommunikative über impliziten positiven Wertungen der
Bedeutung der Äußerungen aus der Sicht der Sprache der Mittelschicht. Neuland (1975,
Sprecher definieren. Demgegenüber versu- 71 ff) stützt sich dabei auf eine sprachliche
chen ethnographisch arbeitende Forscher, Widerspiegelungstheorie in Anlehnung an
Äußerungen aus dem Sinnzusammenhang der Adam Schaff (*1913), Aleksandr Romanovič
sozialen Situationen zu erfassen. Sie haben Lurija (1902—1977) und A. N. Leont’ev, nach
zunächst nur vage Hypothesen; erst durch das denen Wortschätze und Sprachgebräuche
Studium der Primärdaten (Tonbandaufnah- sozioökonomische Erfahrungen widerspie-
men) kommen sie zu gezielten Fragestellun- geln, wenn auch indirekt und vermischt mit
gen, die eventuell aufgrund von Nacherhe- ideologischen Bestandteilen anderer sozialer
bungen überprüft werden (›grounded theory‹, Gruppen, z. B. vermittelt durch die Massen-
Glaser 1978; vgl. Schütze 1987, 529 f). Auf medien. Bei allen neuen Einsichten muß doch
diese Weise halten sich ethnographische For- auch festgestellt werden, daß keine soziolin-
scher für neue, unerwartete Fragestellungen guistische Theorie allseits befriedigend den
offen, die sich aus den Relevanzen der unter- eigentlichen Zusammenhang zwischen der so-
suchten Sprecher ergeben. zialen Existenzweise der Menschen und ihrem
Sprecherunabhängige Theorien werden also mit Sprachgebrauch geklärt hat (vgl. Steger 1980,
einer Handlungstheorie der Sprache, mit den inter- 352). — Im folgenden sollen einige mit ak-
pretativen und kreativen Leistungen der Sprecher tuellen Forschungen verbundene sprachphi-
und mit dem Unterschied zwischen sozialer Regel losophische Probleme erörtert werden.
und Naturgesetz konfrontiert (exemplarisch: Ro-
maine 1984). Dabei kann man sich auf Humboldt
(1767—1835), Ferdinand de Saussure (1857—1913) 4. Soziolinguistische Aspekte einer
und Karl Bühler (1879—1963) berufen (s. Art. 27, kommunikativen Sprachauffassung
36, 38). Saussures Unterscheidung zwischen ›lan-
gue‹, die nur virtuell und kollektiv gegeben ist, und 4.1. Relationen zwischen sozialen und
›parole‹ als dem konkreten, einmaligen Redeakt sprachlichen Eigenschaften
erlaubt eine nicht-subsumierende Auffassung von
Es gibt keine generellen Eins-zu-eins-Bezie-
sprachlichen Regeln: „Nous voulons dire q ue dans
hungen zwischen relevanten sprachlichen und
la langue aucune force ne garantit le maintien de
56.  Die sprachphilosophischen Annahmender Sprachsoziologie und der Soziolinguistik 791

sozialen Merkmalen. In vielen Fällen verlau- Interaktionsbeteiligte geben sich Interpreta-


fen soziale Grenzen nicht zusammen mit tionsrichtungen vor, die sie instandsetzen,
sprachlichen. Beispiele: Staatenbildungen Äußerungen als Exemplare eines kommuni-
über Sprachgrenzen hinweg und zwischen Be- kativen Typs zu verstehen. Kontextualisierun-
völkerungen mit gleicher Sprache; die Vaupé- gen und Sprechen über Gegenstände gesche-
Indianer haben sehr viele sogenannte ›Vater- hen gleichzeitig (Reflexivität der sprachlichen
sprachen‹, die aber keine ihrer sozialen Un- Kommunikation). Manche Kommunika-
terschiede widerspiegeln (Jackson 1974, 56 ff); tionskonflikte können dadurch erklärt wer-
Situationswechsel können, müssen aber nicht den, daß die Beteiligten sich ausschließende
einen Variantenwechsel mit sich führen; mar- Situationsdefinitionen unterstellen, wenn z. B.
xistischen Sprachtheoretikern fiel es schwer, jemand eine offizielle Situation in eine mehr
den für sie zentralen Klassenbegriff auf private umändern will, indem er mitleidhei-
Sprachgrenzen abzubilden (s. Art. 48). Auf- schende Erlebnisse schildert, oder wenn je-
fallende sprachliche Unterschiede von Vari- mand nur klagen will, der Zuhörer aber
anten können minimalisiert, geringe dagegen meint, er müsse Ratschläge geben (Quasthoff
maximalisiert werden. All dies weist darauf 1979, 112 ff; Jefferson/Lee 1981, neuere For-
hin, daß Menschen mit sprachlichen Unter- schungen zur Kontextualisierung in Auer/di
schieden aktiv umgehen, und es ist zu fragen, Luzio 1992).
zu welchen kommunikativen Zwecken sie dies
tun. 4.2.2. Hörerausrichtung (recipient design)
Die Uneindeutigkeit des Zusammenhangs zwischen
sozialen und sprachlichen Faktoren gilt auch bei Sprecher wählen die Themen und Formulie-
der Auswahl der sozialen Merkmale. Zwar wurden rungsweisen ihrer Äußerungen nach den je-
immer wieder dieselben Variablen herangezogen weiligen Hörern aus; sie bringen in den Fort-
(soziale Schicht, Status, Alter, ethnische Zugehö- gang des Gesprächs eine thematische und auf-
rigkeit, Geschlecht), sie wurden aber unterschied- gabenorientierte Gliederung, die dem Adres-
lich definiert und kombiniert (vgl. Preston 1986). saten gemäß ist. Diese fundamentale Eigen-
Soziale Kategorien bedeuten in unterschiedlichen schaft von Gesprächen, die für ihre Vielfalt
Gesellschaften nicht dasselbe. Schließlich sind die (Partikularität) verantwortlich ist, wurde ‘re-
soziolinguistischen Relevanzsetzungen kultur- und cipient design’ genannt:
zeitabhängig, man denke an die zunehmende Re- „By ‘recipient design’ we refer to a multitude of
levanz der Forschungen zum geschlechtsspezifi- respects in which the talk by a party in a conver-
schen Sprachverhalten (vgl. Schoenthal 1985). sation is constructed or designed in ways which
display an orientation and sensitivity to the parti-
4.2. Dialogisches Sprechen cular other(s) who are the co-participants“ (Sacks/
Schegloff/Jefferson 1974, 727).
An sprachlichen Handlungsseq uenzen und Sprecher reformulieren laufend ihre Äuße-
Gesprächstypen in sozialen Räumen wurden rungen, um ihre Redeabsichten und die Ver-
einige generelle Eigenschaften sprachlicher stehensmöglichkeiten des Hörers besser zu
Interaktion beschrieben, welche die sprach- treffen (Rath 1979, 185 ff; Antos 1982, 116 ff).
philosophische Sicht der Sprache als kom- Mit prosodischen Kodierungen zeigen sie dem
munikatives Mittel für Intersubjektivität Hörer an, wo sie berichten und wo sie werten,
(Plato, Humboldt, Schütz, Mead) in ein neues welche Informationen sie als bekannt voraus-
Licht rücken können (s. Art. 14, 47, 52). setzen und welche sie als neu und wichtig
ansehen; diese sind kulturell unterschiedlich
4.2.1. Kontextualisierungshinweise und von anderen nicht ohne weiteres durch-
Sprecher signalisieren sich, in welcher Art von schaubar (Michaels/Collins 1984, 235 f; 241).
Sprecher und Hörer stimmen sich unbewußt durch
Kommunikation sie sich befinden (s. Art. 94).
Sprechtempo, Rhythmus, Akzent- und Pausenset-
Mit Goffmans (1974 b) Metapher ›Rahmen‹
zungen aufeinander ab (Erickson/Shultz 1982,
wurden Hinweishandlungen beschrieben, mit
71 ff). Ähnliches gilt für nonverbales Verhalten
denen Interagierende sich Grenzen und damit
(Kendon 1979; Auer 1986, 29 f). Sogar in konflikt-
Einheiten von Kommunikationstypen, aber
haltigen Gesprächen verhalten sich Sprecher er-
auch Teile davon, anzeigen (z. B. durch ›code
staunlich symmetrisch, sowohl was grundlegende
switching‹, durch die Wahl bestimmter Wörter
Beziehungsannahmen betrifft, als auch dialogische
oder auch nur durch prosodische Änderun- Akte und deren Seq uenzierung (vgl. Weydt 1980;
gen; vgl. Cook-Gumperz/Gumperz 1984 für Schank/Schwitalla 1987, 81 ff; 126 f). Sie realisieren
offizielle und nicht-offizielle Teile einer Ver- also etwas Gemeinsames bei allen Interessen- und
handlung; vgl. auch Gumperz 1982, 130 ff). Perspektivenunterschieden.
792 III. Positionen

4.2.3. Gesicht (face) nuierlich, mehrfach und mit unterschiedlicher


Explizitheit durchgeführt (dazu, auch am Bei-
Einen weiteren universalen Aspekt der Adres- spiel der Beratung: Kallmeyer 1985), die In-
satenanpassung beim Reden hat Goffman mit teragierenden brechen auch immer wieder aus
seinem Konzept der Imagearbeit aufgedeckt den Schemata aus, definieren sie um oder
(Goffman in vielen Arbeiten, z. B. 1961). Nor- bringen andere Interaktionsmodalitäten ein.
malerweise nimmt jeder Rücksicht auf ein So scheint es für Schlichtungsgespräche pa-
unterstelltes, integres soziales Bild seiner radoxerweise notwendig zu sein, daß sich die
selbst und des anderen. Man kann zwischen Kontrahenten noch einmal ordentlich streiten
positiver Imagebehandlung (Aufwertung (Nothdurft 1986 b). Während bestimmte
durch Lob usw.) und negativer (Vermeiden kommunikative Typen oft untersucht wurden
von Zudringlichkeit) unterscheiden (Brown/ (Beratungen, Erzählungen), stehen Analysen
Levinson 1987, 70). Sprachliche Beziehungs- an umfangreichen Materialien für solche Ty-
akte (Anreden, Grüßen, Loben, Kritisieren), pen aus, die für den sozialen Zusammenhalt
aber auch die Art der Darstellung von Sach- wichtig sein dürften (Klatschen, Frotzeln).
verhalten (z. B. das Vermeiden von unschick-
lichen Wörtern) werden durch Imageeinschät-
zungen des Adressaten motiviert. 4.4. Sozial verteiltes Wissen
Ethnien und soziale Gruppen können danach un- Mit sozialen Differenzierungen gehen unter-
terschieden werden, welches Maß an Direktheit sie schiedliche Wissenssysteme und Kommuni-
als normal ansehen und wo sie Grenzen zum un- kationstypen einher. Ein Beispiel: In den ost-
höflichen Verhalten ziehen. Dies wird für kultur- europäischen jüdischen Gemeinden schickte
spezifische Realisierungen von Aufforderungen re- es sich nicht für die gelehrten Juden, nicht-
levant (Heeschen 1980). Verstöße gegen Höflich- lehrhafte Geschichten zu erzählen, Volkslie-
keitsregeln machen soziale Normen bewußt; wenn der zu singen oder Rätselfragen zu stellen;
sie scherzhaft gemeint sind, bestätigen sie sie; ag- dies wurde aber von Frauen, insbesondere
gressive Verwendungen gehören zum Repertoire in- von denen der Unterschicht, erwartet (vgl.
tergruppaler Konflikte. Kirshenblatt-Gimblett 1974, 284 f). In unse-
ren westlichen Gesellschaften stoßen unter-
4.3. Interaktionstypen schiedliche Wissenssysteme zwischen Exper-
ten und Laien aufeinander. Sie sind an unter-
Auf einem mittleren Einheitenniveau wurden schiedliche sprachliche Symbolsysteme ge-
sehr viele Interaktionstypen untersucht; zu- bunden. In institutionellen Interaktionen
erst mehr die zielgerichteten in institutionellen müssen alltagssprachlich mitgeteilte Infor-
Kontexten (Kommunikation in der Schule, mationen so zubereitet werden, daß sie in das
beim Gericht, beim Arzt, in den Medien usw.), betreffende Institutionenwissen mit seinen
dann aber auch in privaten Kreisen mit ge- Kategorien passen. Die ›Agenten‹ einer Insti-
selligen Interaktionsformen. Handlungsmu- tution hören Mitteilungen der Laien auf die
ster kann man als gattungsgeschichtliche Ver- für sie relevanten Unterscheidungen ab und
fahren ansehen, mit denen Bearbeitungs- und formulieren sie in diesem Sinne um. Erst dann
Lösungsmöglichkeiten für wiederkehrende bekommen z. B. Zeugenaussagen in Gerichts-
soziale Aufgaben und Probleme zur Verfü- verhandlungen institutionelle Gültigkeit (vgl.
gung gestellt werden (Hartung 1981, 53 ff; Hoffmann, 1983, 29 ff). Gleichzeitig erschei-
Ehlich 1986, 22 ff). Dialogtypen sind auf dop- nen die Mitteilungen von Experten und Laien
pelte Weise organisiert: thematisch-inhalt- in unterschiedlichen Darstellungsformen und
ljlich und kommunikativ-intentional (Steger Kommunikationstypen, z. B. Belehren und
1980 b, 47 ff). Aus ihrem Zusammenwirken Erklären eines Arztes gegenüber Erzählen
versucht man, generelle Ablaufmuster aufzu- eines Patienten (Rehbein 1985, 381 ff). Fach-
stellen (z. B. für Kurzberatungen: Schank liches Wissen ist meist schriftlich fixiert, ex-
1981). Die Mehrfachinterpretierbarkeit von plizit kategorisiert (Fachlexik) und in Text-
Äußerungen und das fortwährende Aufein- typen systematisiert; Alltagswissen wird da-
anderabstimmen von Meinungen und (viel- gegen mündlich weitergegeben, es ist vage und
leicht nur indirekt geäußerten) Interessen las- an die Lebenspraxis gebunden. Da Wissen-
sen allzu einheitliche psychologische Modelle systeme und ihnen entsprechende Kommu-
von Interaktionsabläufen (z. B. Schank/ nikationsformen gesamtgesellschaftlich orga-
Abelson 1977) als nicht adäq uat erscheinen nisiert sind, kann man von hier aus Zusam-
(Nothdurft 1986 a, 103) (s. Art. 57). Hand- menhänge zu den größeren sozialen Einheiten
lungsmuster erweisen sich als sehr komplex: ins Auge fassen. Dies geschieht in soziolin-
nicht nur werden konstitutive Teile diskonti-
56.  Die sprachphilosophischen Annahmender Sprachsoziologie und der Soziolinguistik 793

guistischen Analysen des Sprachgebrauchs in typisierten Verhaltensweisen in formelhaften


Institutionen (Dieckmann 1981 b, 208 ff). Wendungen aus; in Gesprächen versichern sie
Von hier aus ergeben sich auch Verbindungen zur sich damit routiniert (nicht reflexiv ausbrei-
Sozialphilosophie. Schütz und Thomas Luckmann tend) ihrer gemeinsamen Sicht der Dinge
(*1927) haben unterschiedliche kognitive Stilzüge (Kallmeyer/Keim 1987 b). — Sprachliche Ko-
sogenannter ›finiter Sinnprovinzen‹ (Wissenschaft, dierungen müssen im Zusammenhang mit an-
Kunst, Religion usw.) in Abhebung zur grundle- deren Symbolsystemen (Kleidung, Gestik
genden Kommunikationswelt des Alltags nach ein- u. a.) gesehen werden (z. B. Willis 1981). Sie
zelnen inhaltlichen Kategorien herausgearbeitet. werden je nach politischen und sozialen Si-
Danach sind die durch sprachliche Formen ver- tuationen überbetont oder vernachlässigt,
mittelten Wissens- und Handlungssysteme nicht d. h. sie sind handhabbar, sie determinieren
nur sozial ungleich verteilt, sondern auch anders nicht das kommunikative Verhalten (Mc-
strukturiert. Eine Reflexion funktiolektaler Sprach- Dermott/Gospodinoff 1979, 179 ff). Fehl-
varianz kann versuchen, solche Unterschiede des schläge und Konflikte in interethnischer
Sprachgebrauchs im einzelnen aufzuspüren und mit Kommunikation können auf Mißverständnis-
unterschiedlichen Erfahrungs- und Vermittlungs- sen beruhen, weil einer Partei das kulturelle
weisen einerseits, unterschiedlichen sozialen Nor- Hintergrundwissen und die Kodierungsge-
men der Interaktion und des Geltenlassens von wohnheiten der anderen fehlt (Gumperz 1982,
Aussagen andererseits in Verbindung zu setzen 30 ff; 144 ff; 168 ff; Erickson/Shultz 1982,
(Schwitalla 1976). 117 ff). Aber andererseits können Unter-
schiede des Sprachverhaltens in provokativer
4.5. Soziale Identität Weise zur Wahrung der eigenen sozialen Iden-
tität manifestiert werden, wie sie umgekehrt
Soziolinguistische Studien von Interaktions- dann keine Rolle spielen, wenn Vertreter un-
gruppen legen die Hypothese nahe, daß Per- terschiedlicher Ethnien/Kulturen besondere
sonen in geschlossenen Netzwerken soziale Gemeinsamkeiten und Solidaritäten entdek-
Unterschiede zwischen sich und anderen ge- ken (Streeck 1985 mit Beispielen).
sprächsweise bearbeiten. Dies geschieht einer- Diese Ambivalenz gilt auch für größere soziale
seits durch das interaktive Ziel einiger Kom- Einheiten. Fast überall auf der Welt gehen nicht-
munikationstypen oder -untertypen wie eth- schriftliche Kulturen ethnozentrisch von ihrer eige-
nische Witze, Erzählen, Klatschen, Frotzeln nen Sprache als der einzig richtigen und schönen
(vgl. Luckmann 1986), andererseits durch die aus und verachten die Sprachen der Nachbarvöl-
Art und Weise, wie sie durchgeführt werden ker; andererseits werden gerade fremde Sprachen
(für das Erzählen vgl. Schwitalla 1987 b), drit- als kulturelle und religiöse Funktiolekte geschätzt
tens schließlich durch ein Sprechen wie die (vgl. Borst 1963 mit Verweisen). Damit zeigt sich
anderen (›code switching‹). Jugendliche in so- aufs neue, daß Sprachvarianten sozial notwendig
zial heterogener Umgebung greifen z. B. ein- sind und daß Individuen und Gruppen aktiv mit
zelne Merkmale (Wörter, Wendungen, pro- ihnen umgehen können.
sodische Eigenschaften) der Sprechweisen an-
derer Gruppen auf und verwenden sie in ihrer
eigenen Rede, um die soziale Distanz zwi- 5. Probleme und Desiderata
schen sich und den anderen anklingen zu las-
sen (Schwitalla 1987 a). Soziale Grenzen und 5.1. Einheitenebenen
Solidaritäten auszudrücken, ist der kommu-
nikative Sinn vieler Codewechsel (Auer 1984). Soziolinguistische Untersuchungen wurden
Dabei muß aber der reale Sprachgebrauch der auf Mikro- (Phänomene unterhalb von Text-,
anvisierten sozialen Welten nicht mit den Dialogeinheiten), Mezzo- (Netzwerke, Inter-
Nachahmungen der Sprecher übereinstimmen aktionsgruppen, Situationen, Text-, Dialog-
(Kallmeyer/Keim 1987 a). Durch Andeutun- typen) und Makroebenen (Gesellschaftsstruk-
gen anderer Sprechweisen kann man auf in- turen, Domänen) durchgeführt. Es stellt sich
direkte Weise dem, was man sagt, eine be- das Problem, wie sie theoretisch integriert
stimmte kommunikative Bedeutung mitge- werden können (Knorr-Cetina 1981). Ein
ben, z. B. Rollendistanz ausdrücken (Gum- Weg wäre, solche Interaktionen auf mittlerer
perz 1982, 30 ff), jemanden kritisieren, sich Ebene zu untersuchen, die sehr stark von
von einer Lebensform distanzieren, sich mit übergreifenden sozialen Bedingungen be-
einer Berufsrolle identifizieren, soziale Grup- stimmt sind. Mehrere Forscher verweisen
pen karikieren oder lächerlich machen usw. dazu auf Situationen der Primärsozialisation.
(Schwitalla 1986, 136 ff). Mitglieder von so- Obwohl Spracherwerbsforschungen zuneh-
zialen Welten drücken ihr Wissen von sozial mend interaktive Prozesse einbeziehen (Miller
794 III. Positionen

1980, 660 ff; Boueke/Klein 1983; Cook-Gum- ›Mischsprachen‹ in Abrede stellten; in der Ge-
perz 1986; Meng u. a. 1991), bleibt bei der genwart die Aufwertung lokaler und regio-
Analyse der Weitergabe sozialspezifischer naler Alltagskulturen mit dazugehörigen
Sprech- und Denkweisen noch viel zu tun. Sprachvarianten). Die Soziolinguistik nimmt,
Ein anderer Weg wäre, in sozial unterschied- stärker als dies andere linguistische Fächer
lichen und weit auseinanderliegenden Situa- tun, die Variabilität von Sprache wahr; sie hat
tionen einer Gesellschaft allgemeine, sozial- ein Interesse an ihr und sucht nach sozialen
differenzierende und sozialintegrierende kom- Motivationen und Funktionen. Die Bestim-
munikative Verfahren aufzudecken. Mittlere mung des Verhältnisses von Einheitssprache
Ebenen erlauben am ehesten, soziale Stilisie- und Variante und die Gewichtung ihrer sozia-
rungen zu untersuchen, die sich nicht nur in len Funktionen gehören aber noch zu den
der Sprechweise, sondern auch in anderen Desideraten einer soziolinguistischen Sprach-
Lebensäußerungen zeigen. reflexion. Damit sind wichtige gesellschaftli-
che und politische Implikationen gegeben.
5.2. Variantendefinition Oft verbindet die Soziolinguisten ein emanzipato-
risches Erkenntnisinteresse mit ihren Untersuchun-
Was ist der reale Status einer Sprachvariante? gen und eine solidarische Beziehung zu sozialen
Gibt es — hinsichtlich der räumlichen und Minderheiten (Hymes 1972, 323 f). Andere verwah-
sozialen Dimension Dialekt vs. Standardspra- ren sich gegen eine mit ›sozialistischem Engage-
che — ein Kontinuum, oder gibt es erkenn- ment‹ verbundene Soziolinguistik (Löffler 1985,
bare Einschnitte, die dieses gedachte Konti- 12). Philosophisch gesehen kann man die Sprach-
nuum gliedern, z. B. in Ortsdialekte, Regio- vielfalt und die je neue Sprachverwendung in Si-
nalsprachen, Standardsprache (Wiesinger tuationen als Argumente gegen ein Gebanntsein
1980; ähnlich Donath et al. 1981, 324 ff)? Je von übermächtigen Vereinheitlichungstendenzen
kleiner der soziale Radius von Sprachaufnah- ins Feld führen, komme es von einer elitären Ab-
men bis hin zum individuellen Sprachverhal- wertung verhaltenseinebnender Gewohnheiten (das
ten wird, um so heterogener und ›ungeord- ›Man‹ bei Martin Heidegger), von einer resignati-
neter‹ erweisen sich die linguistisch definier- ven Bestandsaufnahme der totalisierenden Tenden-
baren Eigenschaften. Oft genügen nur wenige zen des zweckrationalen Denkens und Handelns
lautliche Abweichungen von der Standard- (Max Horkheimer, Theodor W. Adorno) oder gar
sprache, um eine Variante zu begründen und von extremen Positionen (Jacq ues Derrida), die
ihre Sprecher sozialen Gruppen zuzuordnen. ihren Ausgangspunkt gegen eine mißverstandene
Für das Ruhrgebietsdeutsch etwa genügen Vereinheitlichungsgewalt sprachlicher Strukturen
sechs Laut- bzw. Formabweichungen (Mihm und Formen setzen (vgl. Frank 1983, 509 ff).
1985, 183); für zwei Varianten des Berlinisch-
Brandenburgischen genügen ebenfalls sechs
Lautvariablen (Donath et al. 1981, 337). Es 6. Sprachphilosophische
scheint so zu sein, daß Gruppen sozusagen Konsequenzen
ethnozentrisch von ihrem eigenen Sprachver-
halten aus andere Gruppen sowohl in Rich- 1929 schrieb Valentin Nikolaevič Vološinov
tung Standardsprache wie Dialekt orten, da- (Michail Bachtin, 1895—1975) in Marxismus
bei aber selbst Abweichungen in beide Rich- und Sprachphilosophie:
tungen praktizieren (Kallmeyer/Keim 1987 a). „die methodologisch begründete Ordnung des
Sprachstudiums [muß] folgendermaßen aussehen:
5.3. Wertungen 1. Formen und Typen der sprachlichen Interaktion
im Zusammenhang mit ihren konkreten Bedingun-
Wertungen von Einheitssprachen und ihrer gen; 2. die Formen der einzelnen Äußerungen, der
Varianten scheinen mit historischen, gesamt- einzelnen Redeakte in enger Verbindung mit der
gesellschaftlichen Integrations- oder Tren- Interaktion, deren Elemente sie sind“ (Voloshinov
nungsprozessen zusammenzufallen und so 1975, 159).
auch Chancen und Hindernisse für soziolin- Dieses soziolinguistische Forschungspro-
guistische Beobachtungen vorzugeben (z. B. gramm wurde erst seit den 60er Jahren durch-
in der Renaissance die Aufwertung der Volks- geführt; es hat die kommunikative und soziale
sprachen und die Entdeckung der Sprachmi- Sichtweise der Sprache, die Vološinov gegen
schung; in der Französischen Revolution die die vom Studium geschriebener, toter und
Durchsetzung einer ›uniformité‹ staatlicher fremder Sprachen herkommende Sprachwis-
Verwaltung, von Raum-, Zeit- und Sprach- senschaft setzte, in wichtigen Punkten bestä-
kodifizierungen; die Junggrammatiker, die tigt. Damit sind einige sprachphilosophische
mit der Metapher ‘Sprache als Organismus’ Implikationen berührt.
56.  Die sprachphilosophischen Annahmender Sprachsoziologie und der Soziolinguistik 795

6.1. Handlungsbegriff Es fehlt aber eine umfassende Sprechhandlungs-


theorie, welche diese und andere Aspekte integrie-
Das Studium sprachlicher Äußerungen in so- ren könnte. Die Tätigkeitstheorie A. A. Leont’evs
zialen Kontexten hat weitere Bedingungen (1971) — obwohl sie in Analogie zu kooperativen
und Eigenschaften sprachlicher Handlungen sozialen Handlungsprozessen entwickelt wurde —
ans Licht gebracht, die über die mit den Be- ist zu abstrakt, um ohne weiteres auf sprachliche
griffen ‘Illokution’ und ‘Perlokution’ von Kommunikationen kleiner und mittlerer Ebenen
John Langshaw Austin (1911—1960) und übertragen werden zu können.
John Roger Searle (*1932) definierten hin-
ausgehen (s. Art. 54). Die Begrenztheit dieser 6.2. Zeichenbegriff
Sprachhandlungstheorien haben Soziolingui-
sten immer wieder konstatiert (Streeck 1980; Eine ähnliche Differenzierung ist für den Zei-
Hymes 1971, 62 f; 172; Hartung 1982, 394 ff). chenbegriff erforderlich. Kontextualisierun-
Dazu seien einige Aspekte genannt: (a) gen (vgl. 4.2.1.) werden meist nicht ausdrück-
Sprechhandeln im dialogischen Kontext be- lich vollzogen, jedenfalls liegen sie nicht auf
deutet sowohl, eine Beziehung zu den Äuße- derselben Ebene wie denotative Wortbedeu-
rungen des Vorredners herzustellen, wie auch tungen. Lexikographen und Grammatiker
zu denen des nachfolgenden Sprechers anzu- haben sich für sie nicht interessiert, weil sie
bahnen. Damit sind relationale Eigenschaften sehr variabel sind, sich auf teils kleinere, teils
von Sprachhandlungen verbunden: Verpflich- größere, einmalige und wiederholte Äuße-
tungen für den Hörer einerseits, Konsens vs. rungseinheiten erstrecken (s. Art. 92). Die
Dissens und Grade der Responsivität ande- prosodischen Signalisierungen sind zudem
rerseits (Henne/Rehbock 1982, 205 ff). (b) Je schwer zu beschreiben. — Bestimmte Eigen-
komplexer die Interaktionstypen sind, in de- schaften des Sprechens werden von anderen
nen sprachliche Einzelhandlungen vorkom- als sozial-symbolisch erfahren und erst in der
men, um so schwieriger wird es, ihre Abfolge Widerspiegelung von der ursprünglichen
auf ein hierarchisch gegliedertes, nach vor- Gruppe als eigene erkannt; einige davon wer-
bereitenden, bedingenden, zentralen und ab- den normalerweise unbewußt, beiläufig voll-
geleiteten Funktionen definiertes Text-/Dia- zogen. Sie gehören ebenso wie denotative Be-
logtypenmodell abzubilden (Steger 1983, 50 f; deutungsbestandteile zur Informationsstruk-
Brandt et al. 1983, 112 ff). (c) Mit der Orga- tur des Gesagten (Hymes 1972, 319). Man
nisation von geschriebenen oder gesproche- kann also davon ausgehen, daß die Realisie-
nen Texten hängen Textkonstitutionshand- rungen sprachlich-kommunikativer Aktivitä-
lungen zusammen, die ebenfalls in bestimm- ten auf unterschiedlichen Beschreibungsebe-
ten Relationen zu anderen Textteilen stehen, nen (Kommunikationstypen, Sprechakte,
z. B. als Paraphrasen, Begründungen, Erläu- Lautung, Prosodie usw.) durch sozialstilisti-
terungen, Zusammenfassungen. Sie dienen sche Gemeinsamkeiten zusammengehalten
z. T. der Verstehenssicherung, z. T. der Vor- werden, die dann einen bestimmten Kom-
bereitung, das Gesagte dem Hörer annehm- munikationsstil ausmachen (Hymes 1972,
bar zu machen (Gülich/Kotschi 1987, 210 ff). 320 f). Diese haben eine Bedeutung, „die
(d) Konversationsanalysen haben gezeigt, daß durch die Art des Vollzugs von Handlungen
sprachliche Äußerungen mehrfach interpre- vor dem Hintergrund möglicher Alternativen
tiert werden können, daß sie unterdetermi- entsteht“ (Sandig 1983, 151) und weder auf
niert sind und deshalb den Rezipienten nicht referentielle noch sprechakttheoretische Be-
auf eine einzige Interpretation festlegen (vgl. deutungstheorien zu reduzieren sind. Die So-
2.5.). (e) Die phonetischen und prosodischen ziolinguistik kann deshalb die von Charles
Sprechweisen und die Realisierungen von Sanders Peirce (1839—1914) (s. Art. 32) und
Kommunikationstypen sind gruppenspezi- Ludwig Wittgenstein (1889—1951) (s.
fisch und können deshalb sozialsymbolische Art. 39) ausgehende pragmatische Zeichen-
Bedeutung gewinnen (vgl. 4.5.). (f) Schließlich definition mit Substanz füllen. Die an refe-
zwingen soziale Bedingungen des Sprechens rentiellen Wortbedeutungen orientierten drei-
wie z. B. Institutionen dazu, den sozialen Sinn und mehrrelationalen Zeichenmodelle, aber
von Handlungsbedingungen auch nicht-sub- auch weit ausgreifende Theorien der Sprach-
jektiv zu definieren; im Falle der institutio- funktionen (Roman Jakobson) können die
nellen Kommunikation also, nicht-subjektive von Text- und Soziolinguisten erforschten
Intentionen, Verantwortungen, Aufrichtig- Funktionen verschiedener Zeichentypen zur
keitserwartungen usw. anzunehmen (Ditt- Segmentierung, Modalisierung (ernsthaft,
mann 1979; Dieckmann 1981 b, 230 ff). scherzhaft, ironisch u. a.) und sozialen Iden-
796 III. Positionen

titätsmarkierung nicht erfassen. Selbst im Be- sind kontradiktorische Gegenüberstellungen


reich der Wortbedeutungen erweisen sich von einzelner Verhaltensweisen, an denen sich
(möglichen) Kontexten isolierte, auf klare Gruppenmitglieder auf implizite Weise ihre
Unterschiede von Inhaltselementen pochende kognitive und affektive Solidarität bestätigen.
Semantiktheorien als unzureichend (s. Art. Über die Anderen wird aber nicht immer nur
68). Was Sprecher mit Wörtern meinen, lassen und ausschließlich negativ geredet, ihr Ver-
sie entweder unbestimmt oder machen es im halten zeigt auch ›interessante‹ Seiten; die
dialogischen Hin und Her der Rede zuneh- Einstellung ist oft ambivalent (z. B. beim
mend klarer. Sinn- und Ordnungsprozeduren Klatschen in dem Sinne, daß die Klatschob-
erscheinen deshalb eher als kommunikative jekte Existenzmöglichkeiten verkörpern, die
Leistungen von Interagierenden (Coulter man selbst nicht hat). Mitglieder von Sub-
1975, 185 ff), denn als mechanische ›type-to- kulturen sind nicht eindimensional auf ihre
ken‹-Zuordnungen (s. Art. 47). Hier trifft sich kulturellen Werte festgelegt; sie haben ein in-
die Soziolinguistik mit Erkenntnissen der Psy- homogenes Wertsystem, welches sie sprachli-
cholinguistik (Hörmann 1977, 5 und passim) chen und nicht-sprachlichen Normen der
(s. Art. 57) und mit linguistischen Untersu- herrschenden Kultur positive Seiten abgewin-
chungen zu Worterklärungen von Sprachbe- nen lassen kann (Rodman 1963). Insofern
nutzern: illustrieren dialogische Prozesse der Herstel-
„im Laienbereich [ist] in der Regel nicht nur eine lung oder nur Bekräftigung sozialer Identität
einzige Laienbedeutung anzutreffen, sondern deren Georg Wilhelm Friedrich Hegels (1770—
mehrere. Weiterhin zeigen viele Laienbedeutungen 1831) Gedanken zur Genese des Selbstbe-
einen Spezialisierungsgrad, der geringer ist als der wußtseins (Hegel 1967, 141 ff): eine Gruppe
durch die gemeinsprachlichen Wörterbücher vor- setzt sich einer anderen gegenüber und negiert
gegebene“ (Wichter 1986, 246). einen Teil von deren Verhaltensgewohnheiten,
kann dann aber auch Teile der eigenen Ein-
6.3. Personale und soziale Identität stellungen und unreflektierten Verhaltenswei-
sen relativieren.
Die Begriffe ‘soziale Norm’, ‘Regel’, ‘Hand-
lungstyp’, ‘Kooperationspostulat’ usw. setzen
die Ansicht voraus, daß Menschen sich in 7. Literatur in Auswahl
gleicher Weise, sozusagen berechenbar ver-
halten und daß dies die soziale Seite ihrer Bauman/Sherzer (Hg.) 1974, Explorations in the
Kommunikation ausmacht. Sprachliche In- Ethnography of Speaking.
teraktion erweist sich aber als immer wieder Die Aufsätze dieses Sammelbandes werden in 2.4.
neu; Gespräche verlaufen in unvorhergese- als Beispiele ethnographischer Studien zitiert.
hene Richtungen und die Teilnehmer brau- Bernstein 1972, Studien zur sprachlichen Sozialisa-
chen — wenn sie sich nicht in ausgeprägten tion.
Machtsituationen befinden — eigene und Übersetzung der Aufsatzsammlung Class, Codes
fremde Sprechakte nicht als ein für allemal and Control Vol. I, mit Bernsteins wichtigsten Auf-
gegeben hinzunehmen, sie können versuchen, sätzen bis 1971.
Situationen ›auszuhandeln‹. Der Wechsel zwi- Dittmar 1982, Soziolinguistik — Teil I. Theorie,
schen Eindeutigkeit und Differenz, zwischen Methodik und Empirie ihrer Forschungsrichtun-
sozialer Gleichartigkeit und individuellem In- gen, in studium linguistik 12.
teresse wird in der veränderbaren Geordnet- Letzter Überblick mit viel Literatur; Methodendis-
heit dialogischen Sprechens ausgetragen kussion unter der Alternative verstehende vs. q uan-
(Dittmann 1982, 100 ff). Individuelle Identität titative Soziologie.
entsteht aus den Spiegelungen eigenen sprach- Gumperz 1982, Discourse Strategies.
lichen Verhaltens beim dialogischen Gegen- Hier verbindet Gumperz seine ethnographischen
über und aus den Vorwegnahmen dieser Spie- Arbeiten mit diskursanalytischen Methoden: Kon-
gelungen (Mead 1969, 263 ff); sie hat einen textualisierung, Codewechsel, Prosodie.
„open-ended, tentative, exploratory, hypothe- Giglioli (Hg.) 1972, Language and Social Context.
tical [...] character“ (Strauss 1977, 91). — Ein Sammelband, der verschiedene Richtungen der
Genau das zeigen auch die Inkongruenzen Soziolinguistik vereinigt, darunter die hier zitierten
und Störanfälligkeiten dialogischer Prozesse. Aufsätze von Fishman (2.3.), Frake (2.4.), Sche-
Soziale Identität ergibt sich in der Auseinan- gloff (2.5.).
dersetzung mit sozialen Verhaltensweisen an- Hymes 1982, Soziolinguistik und Ethnographie des
derer Gruppen, von denen man sich mit sei- Sprechens, in Soziolinguistik. Ansätze zur soziolin-
nen Gesinnungsgenossen absetzen will. Es guistischen Theoriebildung, Steger (Hg.).
57.  Philosophical foundationsof psychology of language and of psycholinguistics 797

Hymes ordnet die Ethnographie des Sprechens in linguistik.


die Geschichte der Linguistik ein und diskutiert Zwei Sammelbände mit theoretischen Aussagen,
einige Aspekte dieses weiten Ansatzes der Soziolin- aber auch mit empirischen Untersuchungen inner-
guistik mit vielen Beispielen: Sprechakte, Code- halb eines weiten Bereichs der Soziolinguistik.
wechsel, Funktionen des Sprechens. Voloshinov (Bachtin) 1975, Marxismus und Sprach-
Labov 1976/1978, Sprache im sozialen Kontext. 2 philosophie.
Bde.; Dittmar/Rieck (Hg.). Das Buch ist 1929 in der Sowjetunion erschienen;
Deutsche Übersetzung von Labovs Arbeiten, in Bd. der Autor legt im 2. Teil sprachphilosophische Po-
2 auch mit seinen Untersuchungen zu Kommuni- sitionen fest, die erst in den letzten Jahren empirisch
kationsformen. untersucht wurden.
Steger (Hg.) 1982 a, Soziolinguistik. Ansätze zur
soziolinguistischen Theoriebildung. Johannes Schwitalla, Mannheim
Steger (Hg.) 1982 b, Anwendungsbereiche der Sozio- (Deutschland)

57. Philosophical foundations


of psychology of language and of psycholinguistics

1. Introduction reports that, at the operating professor’s com-


2. Language and psychology mand, forty pupils
3. The functionalist framework “took each of them hold of an Iron handle, where-
4. Demonology and the computational para- of there were Forty fixed round the Edges of the
digm Frame, and giving them a sudden Turn, the whole
5. Troubles with functionalism Disposition of the Words was entirely changed. He
6. Eliminative materialism: mind, ghost or ma- then commanded Six and Thirty of the Lads to
chine? read the several Lines softly as they appeared upon
7. Modularity of mind: seamless or soldered? the Frame, and where they found three or four
8. Selected references Words together that might make Part of a Sentence,
they dictated to the four remaining Boys who were
Scribes. This Work was repeated three or four
1. Introduction Times, and at every Turn the Engine was so con-
trived, that the Words shifted into new Places, as
On one of his amazing travels into the remote
the sq uare Bits of Wood moved upside down”
nations of the world, Jonathan Swift’s
(Swift 1959, 184).
(1667—1745) Gulliver finds himself on the
isle of Balnibarbi (Gulliver’s travels, part III, This whole procedure is repeated time and
chapter 5). There he is shown a curious con- again, and has already produced several vol-
trivance that is claimed to enable “the most umes of broken sentences, which the profes-
ignorant Person at a reasonable Charge, and sor “intended to piece together, and out of
with a little bodily Labour, to write Books in those rich Materials to give the World a com-
Philosophy, Poetry, Politics, Law, Mathemat- plete Body of all Arts and Sciences” (Swift
ics and Theology, without the least Assistance 1959, 184). — The author left little to be
from Genius or Study”. It is a contraption of guessed as to what he thought of the project.
twenty foot sq uare, the surface of which con- Poor Swift! Little did he know that, one day,
sists of a large number of wooden dice, linked his story would become true. Today we have
together by slender wires and covered on not only constructed such a frame, but we
every side with “all the Words of their [the have indeed managed to locate it inside the
Balnibarbian, J. S.] Language in their several human head, the fourty boys and the profes-
Moods, Tenses, and Declensions, but without sor included! What I have in mind here is, of
any Order”. Furthermore, the “strictest Com- course, the rise of the computational para-
putation” has been made “of the general Pro- digm in cognitive science. Although it is not
portion there is in Books between the Num- cognitive science’s aim to ›piece together the
bers of Particles, Nouns, and Verbs, and other arts and sciences‹, it does speculate on the
Parts of Speech” (Swift 1959, 182 ff). Gulliver processes that go on in the minds of those
who do, that is, in the minds of cognitive
798 III. Positionen

subjects, and especially in those of language haps we may expect some help from psy-
users. It takes q uite special philosophical chology here; could not a psychological the-
foundations to make this project possible. In ory of natural language processing help to
this paper we shall take a closer look at some determine which of these grammars is the one
aspects of these foundations, specifically that is actually employed by the human mind?
those of psycholinguistics and psychology of Thus Chomsky has repeatedly claimed that
language. Thus, what kind of ontology of we should “try to develop the study of lin-
mind does it take to allow you to posit a guistic structure as a chapter of human psy-
language machine inside the head? Is that chology” (Chomsky 1972, 66). Pace Chom-
machine cut from the same cloth as the other sky, however, linguists as a rule do not take
cognitive capacities? Is it the language ma- account of psychological considerations.
chine that produces intentionality? Should Their aim is to produce simple, concisely for-
our minds be seen as sentence-crunchers, or mulated grammars. But of course an elegantly
rather as neural calculators? And is the psy- stated set of grammatical rules may not cor-
chological study of the internal language ma- respond to mental mechanisms that are sub-
chine at all relevant to our understanding of ject to processing constraints of an entirely
language itself? This last q uestion seems a different order. When the chips are down,
good place to begin. integrating the linguist’s rules into a real time
language processor might req uire computa-
tional procedures that are too complex for its
2. Language and psychology finite resources, whereas a slightly less elegant
Modern linguistic theory is so complicated set of rules with the same conseq uences for
that it takes years of study to master. Yet, in linguistic structure might be computationally
principle, we have been familiar with the rules more tractable. Much the same is true of
of grammar ever since childhood. There is a other cognitive abilities. Consider arithmetic.
paradox here, in the case of linguistic knowl- The rules of formal number theory, our most
edge as well as in that of other kinds of elegant formulation of arithmetic, are un-
cognitive capacities. For we have also mas- likely to be the ones that are actually em-
tered more or less effortlessly the rules of ployed by the mind. People presumably make
reasoning, and we all have learned to use our use of a much more messy set of internally
eyes; yet, little is known about just how the represented procedures, such as tables for
mind manages to do these things. Viewed multiplication and addition, carrying rules,
from closer q uarters, the processing of visual and various other shortcuts. Again, in the
information is an incredibly complex task; it case of visual perception, the rules of projec-
takes years of study to get some insight in tive geometry are unlikely to be the ones that
how the eye does it. And just like there is are actually employed by the intelligent eye.
more to seeing than meets the eye, there is It probably makes use instead of various cues,
also more to language than we commonly conjectures and other cognitive shortcuts that
think of. Linguistic theory provides a for- are much more easily implemented (cf. Marr
malism in which to describe the languages we 1982).
use. Whether linguistic knowledge stored in A way out of this problem about linguistics
our minds corresponds to the rules of gram- and psychology would be to call upon the
mar, as discovered by linguists, is a further familiar competence/performance distinction
q uestion. For starters, there is a bewildering (cf. e. g., Johnson—Laird 1983, 167). On this
proliferation of competing grammatical the- view a linguistic theory specifies what should
ories, from which it is difficult to choose. be the results of the mental computations of
Since the days of Noam Chomsky’s (*1928) the language processor. Technically speaking,
initial Syntactic Structures theory of 1957, we it specifies the function to be computed. As
have not only seen the various forms of stan- is well-known from automata theory, any
dard theory and the government and binding function may be computed by indefinitely
theory, but also theories of generative seman- many possible procedures. It is the task of
tics, Joan Bresnan’s realistic grammar, Mon- psycholinguistics, then, to determine which of
tague grammar, arc-pair grammar and ab- these procedures are actually used in linguistic
stract phrase structure grammar, to mention performance. — Some writers q uestion the
only some of the more prominent cases. viability of the competence/performance dis-
Which of these theories, if any at all, is the tinction; they hold that no clear boundary
correct one, is a hotly debated issue. — Per- can be drawn here, and that in fact the ab-
57.  Philosophical foundationsof psychology of language and of psycholinguistics 799

stract concept of linguistic competence is re- is only a set of shorthands for behavioural
dundant. The psychological study of language descriptions. If you and I both like postmod-
use (performance), they claim, will lead to an ern art, then according to behaviourism that
account of language itself, without the need is for us to share a set of behavioural dispo-
of an independent discipline of linguistics sitions, including the tendency to talk a lot
(thus, e. g., Clark/Haviland 1974). — Others about it, to buy an occasional Italian salt and
dispute the relevance of psychological theory pepper set, or to boil your tea-water in kettles
to our understanding of language. Thus Jer- by Aldo Rossi. Behaviourism did not fare
rold Jacob Katz (1981) has argued for a view well. It soon became clear what it means to
of linguistics in which it is completely inde- ignore the introspectively documented inner
pendent of psychology. On Katz’s view, nat- aspect of mental states and processes. Take
ural languages are abstract, Platonic objects the example above. Suppose that you are the
which we not only can study independently taciturn type, that never speaks up and
of a theory of language users, but which are doesn’t buy Italian design. On the behaviour-
really independent of language users. This ist account, you and I could not possibly be
buys the linguist complete theoretical free- said to share a love for postmodern art.
dom, at the price of most (if not all) of lin- Clearly, there must be something wrong here.
guistics’ empirical interest. As Jerry Fodor Even more devastating was the insight that it
(*1935) puts it, “Go ahead, be a Platonist if is impossible to specify mental states in terms
you like. But the action is all at the other end of a finite, non-q uestion begging list of ob-
of town” (Katz (ed.) 1985, 160). And that is jectively observable inputs and outputs. The
also where we are now, though not uncriti- list of conditionals necessary for an adeq uate
cally so. We shall not go into the various analysis of ‘is keen on postmodern art’, for
specific arguments that have been exchanged instance, seems to be indefinitely long, as
between Platonists and psychological realists there is no finite way of specifying in advance
(for an excellent collection of original papers the countless ways in which the disposition
on this and related subjects, cf. Katz 1985 could be realized. This is much the same point
(ed.)). However, the underlying q uestion of as has been argued by Chomsky against Bur-
the relation between grammar and psychol- rhus Frederic Skinner’s (1904—1990) behav-
ogy will recur more than once in what follows. iouristic conception of grammar. Behaviour-
ism implicitly assumes that the sentences of
natural language can be produced and ana-
3. The functionalist framework lysed by a finite state machine, i. e. a device
It takes a rather peculiar philosophy to allow containing no working memory. The assump-
you to posit, inside the human head, a kind tion is demonstrably false: in finite state de-
of language machine like the one described vices, there is no effective procedure for pro-
by Gulliver. To Swift, the idea was probably ducing sufficiently complex forms of linguistic
preposterous. To modern cognitive science, behaviour (cf., e. g., Johnson — Laird 1983,
no idea is more dear. The philosophy of mind 266 ff). — The second theory, central state
underlying the approach is called function- materialism (also called reductive material-
alism, and can best be seen as a reaction ism, or identity theory) is the most straight-
against two earlier and less permissive theo- forward of the several materialist theories of
ries of the mental, behaviourism and central mind. It claims that mental states are physical
state materialism. Its core idea is really the states of the brain. To be more precise, it
insight that psychological terms such as ‘be- claims that each type of mental state or proc-
lief’, ‘desire’, ‘pain’, ‘memory’, and ‘meaning’ ess is identical with some type of physical
need not be understood as some kind of short- state or process within the central nervous
hand for either neurophysiological or behav- system. The history of science attests to a
ioural descriptions (s. art. 50). — Behaviour- score of similar reductions; thus our common-
ism, closely affiliated in linguistics with Leon- sense notion of temperature has been neatly
ard Bloomfield’s (1887—1949) view of gram- reduced to the scientific notion of mean mo-
mar as the theory of grunts and noises, denied lecular kinetic energy. If we are going to take
the existence of an inner aspect of mental serious the claim that man is a part of the
states, defining the mental entirely in terms physical world, we should be prepared to look
of publicly observable responses to publicly for a similar reduction of our common-sense
observable stimuli. Our everyday psycholog- notion of man and cognition. Although there
ical vocabulary, according to behaviourism, will no doubt be something to the identity
800 III. Positionen

theory, its claims seem to be far too strong. considered to be one of functionalism’s main
In order for you to be in the same mental assets. — Of course, contemporary philoso-
state as I am, your brain’s pattern of activity phy of mind subscribes to a physicalist point
would have to be exactly the same as mine. of view. Although functionalists reject the
Yet our everyday notion of mental states ap- traditional forms of type identity, which hold
parently does not involve anything like this that each kind (or type) of psychological
neurophysiological constraint. Nor does the event is to be identified with a type of either
brain itself; it is a well-attested fact that if a physical (for the identity theorist) or behav-
certain brain structure is damaged, resulting ioural (for the behaviourist) event, virtually
in mental impairment (e. g., after a stroke), all of them remain committed to the weaker
the brain is often able to utilize alternative physicalist thesis that each particular instance
neural structures, so that the impaired mental (or token) of a mental type is identical with
function is eventually restored (the so-called a token physical state. It is only universal
›plasticity‹ of our nervous system). Moreover, type-type identities that are rejected. Typi-
on the identity theory it would be impossible cally, this rejection is taken to imply that
for anyone or anything with damaged brains, cognitive science’s level of analysis is distinct
or with abnormal brains, or with non-human from that of the various physical sciences,
brains, or even with no brains at all (say, including neurophysiology, that study the
computers and Martians), ever to be intelli- functions’ substrates. Being the study of the
gent or to have a mental life like ours. This substrate’s function, cognitive science has its
objection has come to be known as the ar- own irreducible laws and its own abstract
gument from species chauvinism (Block subject matter (cf., e. g., Fodor’s classical
1980). statement of this view in his paper Special
These and other difficulties with behav- sciences, repr. Fodor 1981 a, 127 ff).
iourism and with mind-brain identity theories
led to the suggestion that mental states should
not be identified with either a person’s be- 4. Demonology
havioural or her brain states, but rather with and the computational paradigm
the brain’s functional states. Functionalism, Now, where does Gulliver’s language device
crudely put, is a way of giving each side its come in? Functionalism informs us that what
due. It agrees with the behaviourist’s idea of is important about the mental is its functional
psychological states as some kind of connec- organization, that is to say, its causal role in
tion between the organism’s inputs and out- mediating between a certain input (informa-
puts, independent of the particular physical tion from the world outside, and certain given
realization inside particular organisms or ma- mental states) and a certain output (behav-
chines. But on the other hand it also agrees iour, and new mental states). By this token,
with the identity theorist that the mental is theorizing about the mental need neither re-
something internal, and that we should look strict itself to publicly observable stimuli and
at the interrelations of internal states in as- responses (as in behaviourism), nor to neu-
signing psychological predicates to physical rologically ascertained brain structures (as in
substrates. According to functionalism, men- reductive materialism), although both restric-
tal states and processes are defined by their tions remain as marginal constraints (psycho-
functional role in causally mediating between logical theory should be relevant for explain-
stimuli, responses, and other mental states ing behaviour, and should not introduce en-
and processes. In essence, functionalism is tities that are neurologically impossible).
ontologically neutral; it is as compatible with Within these limits, however, contemporary
forms of dualism and idealism as it is with psychology is free to posit whatever entities
physicalism. Thus Hilary Putnam (*1926), it sees fit to explain our cognitive abilities.
one of the intellectual fathers of functional- Exactly how these mental entities are pictured
ism, suggests that it is psychologically irrele- is irrelevant, so long as their functionally sa-
vant what stuff we are made of, whether it lient properties are observed. — In the case
be soul-stuff or Swiss cheese, protoplasm or of language use, psycholinguistics in effect
silicon chips (Putnam 1975 a, 302). This so- posits a special kind of machinery inside the
called multiple realization feature, which human head, a device of such functional
holds as good for silicon chips and Swiss properties as will account for our linguistic
cheese as it does for variations of brain struc- abilities. Typically, this machine is taken to
ture from one person to another, is generally
57.  Philosophical foundationsof psychology of language and of psycholinguistics 801

Fig. 57.1: Part of the language processor, responsible for the processing of written sentences

contain a device for analyzing incoming in- chology may drive this point home. In illus-
formation (pattern recognition, speech anal- tration A (adapted after Lindsay/Norman
ysis), the output of which is fed into various 1977, fig. 7—7), we see part of the human
other processors for analyzing the morpho- language processor represented as some kind
logical, lexical, syntactical, and semantic of office with a blackboard, demon personel,
properties of the input. Needless to say, these and various aids and resources. In executing
subdevices are all taken to be complexly in- their specific functions, the demons may not
terconnected, as well as connected to various only communicate with each other, but they
memory systems containing the linguistic may also draw upon a store of (morpholog-
knowledge needed for executing these tasks. ical, lexical, syntactic, semantic, etc.) knowl-
All this machinery is operated by a staff of edge in long term memory, delivered by mes-
little men or homunculi, each with his own senger demons. The collective activity of these
special function in making the machine run teams of demons is coordinated by a central
properly, pressing the buttons, adjusting the supervisor, reminiscent of Gulliver’s professor
valves and levers, delivering messages be- in speculative learning.
tween the various parts and sections, and so Now, whether or not functionalism permits
on. The similarity to Gulliver’s language de- us to posit such a language device inside the
vice is obvious. An example taken from mod- head, we should still ask ourselves whether it
ern introductory textbook on cognitive psy- would at all explain our linguistic abilities if
802 III. Positionen

we do so. At first glance, the explanation it in terms of effective procedures for manipu-
has to offer may seem to be vacuous, com- lating the zeros and ones of ›machine lan-
mitting the so-called ›homunculus fallacy‹, in guage of thought‹. In the field of artificial
that the very same processes that were to be intelligence it is indeed explored how we can
explained in the first place are in fact ascribed program a computer that simulates (or emu-
to some internal mechanism or subsystem. lates) the operation of the human language
Also, the explanation may be accused of com- device. In the field of neurolinguistics, it is
mitting a category mistake, in that it tries to explored how the ›machine language‹ of
locate, within some sub-structure, events and thought relates to the machinery of the hu-
processes that actually belong to a higher level man brain (s. art. 117). — Modern cognitive
of description. science rests on thoroughly computationalist
Is the above use of a language device and foundations (Pylyshyn 1984, Fodor 1987, Ly-
of little demons fallacious? It depends on the can 1990). Without these foundations, the
analysis of the functions they are supposed functionalist ontology of mind endorsed by
to perform. If they just entirely duplicate the cognitive science would lose much of its ex-
function that is to be explained, and leave it planatory appeal. This is not to say, however,
at that, then this is fallacious. But if they are that computationalism has given us the ex-
analysed into sub-devices, each performing a planations we are looking for. Rather, it dic-
sub-function of the mothering function, and tates a research agenda; it does not explain
if the operations of these sub-devices can be itself, but offers a promissory note on where
specified ultimately in terms of very elemen- the explanations may be found. Only empir-
tary devices, such as simple flip-flop switches, ical research can tell whether or not this ex-
then the manoeuvre seems relatively benign. pectation will ever come true. Furthermore,
As Daniel Clement Dennett has put it, “ho- even though the mainstream of cognitive sci-
munculi are only bogeymen if they duplicate ence is functionalist and computationalist in
entire the talents they are rung in to explain character, this is not to say that either of these
[...] If one can get a team or committee of assumptions have gone unchallenged. Both
relatively ignorant, narrow-minded, blind ho- functionalism and computationalism have at-
munculi to produce the intelligent behavior tracted severe criticism, to which we shall now
of the whole, this is progress” (1978, 123). — turn.
This analysis of functions and sub-functions
into sub-functions and sub-sub-functions is
precisely what modern cognitive science at- 5. Troubles with functionalism
tempts to do. The approach is called com- Paradoxically, functionalism is criticized for
putationalism, and may be seen as a tight- some of its merits. As we have seen, it was
ening of the explanatory bite of functionalist considered to be an asset of functionalism
ontology of mind. In the case of psycholin- that its constraints on type-individuating
guistics, e. g., it just will not do to explain our mental states are less restrictive than those of
linguistic abilities by saying that there is some the identity theory. However, it has been ar-
kind of functionally defined device (or team gued by Ned Block (*1942) that every brand
of demons, or whatever) inside our head that of functionalism will be either too ›liberal‹ or
can do the job (and leave it at that), for this too ›chauvinistic‹, by either granting mental-
is not an adeq uate explanation until we can ity to objects that don’t have it, or by being
specify exactly how the device works. The inappropriately exclusive with distributing
computational approach tries to furnish these mentality (Block 1980). Either way, our spon-
details. It tries to give a top-down analysis of taneous intuitions about what is to count as
the language machine, such that its operation a real mental system will be violated. — In
can eventually be described in terms of ele- rough outline, the argument is as follows.
mentary computational operations on for- Suppose we type-individuate psychological
mally defined symbols. There is an important states by reference to input-output functions
analogy with modern digital computers here. and to internal state transitions, as is pro-
Just like a computer’s operation on user level posed by functionalism. Thus, two systems
(its playing chess, or its guiding a welding would be in the same psychological state if
robot’s arm) can be specified ultimately in there is a level of description on which both
terms of procedures in machine language for systems can be described as instantiating the
manipulating mere zeros and ones, so the same functional economy. But, obviously, this
mind’s operation is expected to be analyzable view is too liberal, because it counts too many
57.  Philosophical foundationsof psychology of language and of psycholinguistics 803

things as mental systems: not only the human erations performed on internal symbols.
mind, but also a suitably organized telephone These symbols have representational content,
exchange, the people of China (all 109 of they are ›about something‹. In his seminal
them) in a well-coordinated joint effort, or paper Minds, brains, and programs (1980),
even a giant ant-hill. Now, it would seem that John Roger Searle (*1932) has argued that
there are only two ways out. Functionalism functionalism cannot be a correct view of the
might try to avoid these counterexamples by mental, because it will never be able to give
adding constraints about having sensory sys- us an account of this intentionality. In rough
tems, having certain specified behavioural outline, his argument is as follows. — Imagine
repertoires, and so on. Alternatively, we a person locked in a room and given a large
might req uire putative psychological systems batch of Chinese writing. Suppose she knows
to resemble human thought processes at a no Chinese and may not even be able to
more fine-grained level of analysis. Either discriminate Chinese from other kinds of
way, Block argues, bogus psychological sys- sq uiggles. Now she is given a second batch
tems will be ruled out only at the price of of Chinese characters together with a volume
ruling out real ones as well. — One rejoinder of rules for collating the second batch with
to this argument is that if the alleged coun- the first. The rules, which are in English,
terexamples were given in more detail, they enable her to correlate one set of symbols
would either betray their own impossibility, with another. With a lot of practice she be-
or our intuition that there is no mental life comes highly accomplished at correlating any
involved would become clouded. Thus, it has set of Chinese characters with the right (ac-
been pointed out that Block’s line of reason- cording to the rules) ›answer‹ in Chinese. To
ing is tied to a rather coarse-grained level of the native Chinese speakers outside, com-
analysis, and that it would be much more municating with the room is now indistin-
difficult to devise a similar argument on the guishable from communicating with real na-
level of more fine-grained functional proper- tive speakers of Chinese. And yet, the poor
ties. In terms of Dennett’s (1978) distinction subject locked inside the room knows nothing
between intentional stance, design stance, and of Chinese because, ex hypothesi, all she does
physical stance, Block’s argument is tied to is to follow the procedures for manipulating
the intentional stance, whereas it would lose formal, uninterpreted scribbles. This thought
much of its plausibility if we were to try to experiment is intended to show that inten-
expand it to the design stance, let alone to tional cognitive phenomena, notably master-
systems considered from the physical stance. ing a language, can never be fully explained
Unfortunately, however, this reply is only an by functional specifications, being couched in
argument from ignorance; it is less than con- terms of purely syntactic operations, that is,
clusive. — But is Block’s own argument con- in terms of procedures for manipulating for-
clusive? His style of reasoning has certainly mal symbols. A system might perform impec-
caught on. In the past decennium, much cre- cably in manipulating symbols in accordance
ative effort has been devoted to devising new with complex operational rules, and yet, for
and ever more sophisticated examples pro and all that, it might be q uite unaware of the
con (a highly amusing cross-section of this meaning of the symbols, of what they are
science fiction is Hofstadter/Dennett 1981). about. Formal symbol manipulations by
Personally, I have something of a suspicion, themselves are meaningless, they aren’t even
though, that one thing is becoming more and symbol manipulations, since the symbols
more clear about these thought experiments, don’t symbolize anything by themselves. Any
viz., that for each apparently devastating ar- meaning they eventually appear to have, is
gument against functionalism, there seems to due to the intentionality of those who send
be an argument to the contrary that is no less in the input and who interpret the output, in
intuitively convincing. Perhaps there is a les- the above example: to the native Chinese
son to be learned here. It may well be that it speakers themselves. — Searle’s argument has
is not Block’s argument that needs to be re- released a true torrent of often q uite emo-
fined, so to speak, but rather our intuitions. tional replies (cf. the commentary ensuing
A second objection against functionalism, Searle 1980, 424—450). Some support
and more specifically against computation- Searle’s claim, fearing that functionalism im-
alism, concerns the phenomenon of intention- plies that the only difference between a cog-
ality. As we have seen, mental processes are nitive person and a noncognitive thermostat
defined by functionalism as algorithmic op- is a matter of degree (pardon the pun). Others
804 III. Positionen

accuse him of mystifying the mental, of being ical realizations, but because they don’t cor-
antiscientific, or being just another philoso- respond to anything in reality. The mind, as
pher gone astray. Still others try to undermine we usually understand it, is simply a ghost; it
our intuition that there is no knowledge of doesn’t exist. A neuroscientific account of our
Chinese involved; they urge, e. g., that periph- inner lives can hardly be expected to provide
eral eq uipment should be added, such as a theoretical categories that match up smoothly
television camera to deliver the input and a with the categories of the psychological
motor system to deliver the output, and that framework. This ghost will eventually be
the entire room should be placed inside a eliminated, rather than reduced, by mature
robot’s head — then it would be like a real neuroscience. — The criticism is directed
Chinese, they claim. Many of these responses more particularly against our so-called folk
had already been anticipated and answered psychology, that is, the set of concepts and
in Searle’s original paper. To this day, the rules of thumb we use in our everyday busi-
issue is still the subject of vigorous debate ness of describing, explaining and predicting
among philosophers and cognitive scientists. the behaviour of ourselves and others. Folk
— According to Searle’s own view of inten- psychology’s concepts include those of ‘be-
tionality (1983, 262 ff), mental states are a lief’, ‘desire’, ‘memory’, and lots of other men-
biological phenomenon, “as real as lactation, tal states and processes. Its rules include hun-
photosynthesis, mitosis, or digestion”. Ac- dreds of common-sense generalizations con-
cording to this ›biological naturalism‹, as he cerning these mental states, such as ‘If you
calls it, the mental is a product of the brain, want that P, and believe that Q is the only
much like milk is the product of the lacteal way to do it, then (barring conflicting beliefs
gland. Intentionality is secreted by the brain and desires) you will try to bring it about that
in hitherto unknown ways, that will one day Q’. These rough-and-ready generalizations
be unraveled by neurophysiology. Searle em- are like laws in that they support explanations
phasizes that he does not deny that our mind and predictions in the normal fashion. To-
is some kind of machine; on the contrary, it gether they constitute a kind of rudimentary
is his view “that only a machine could think, theory that postulates a set of internal states
and indeed only very special kinds of ma- whose causal relations are described by the
chines, namely brains and machines that had theory’s laws. In case this should seem a
the same causal powers as the brain” (Searle rather exotic subject, far removed from the
1981, 305, first emphasis Searle’s). Unfortu- business of linguistics, the reader is reminded
nately, he does not make clear what is meant of the fact that psycholinguistics is a chapter
by ‘causal powers’ in this context. More pre- of cognitive science. Its relation to grammat-
cisely, he does not make clear in what his ical theory is q uite on a par with cognitive
position differs from functionalism. Consid- science’s relation to folk psychology gener-
ering that the latter is expressly a study of the ally. In the former, as in the latter case, there
brain’s (or more generally: the machine’s) is a strong tendency to impose on the mind
causal powers in (computationally) mediating the unreflected and naive view of the mental
between certain inputs and certain outputs, that is implicit in our everyday talk of mind
Searle’s position would rather seem to be a and language. More specifically, in the case
kind of functionalism itself. of psycholinguistics there is the tendency to
impose on the mind an explicit representation
of grammatical knowledge, drawing on the
6. Eliminative materialism: mind, ghost or way we all tend to think consciously of gram-
machine? mars: viz., as a set of explicit rules for the
manipulation of explicit symbols. Yet, as was
6.1.  Another major line of criticism against pointed out above, the grammar of a lan-
the functionalist framework has been guage may not be explicitly represented in the
launched by Paul M. Churchland (*1942) minds of language users. There seems to be
(1981; 1984, 43 ff; 1989). His position, called little more evidence against this possibility
eliminative materialism, agrees with function- than the relative ease with which our overt
alism in rejecting traditional type-type iden- performance can be translated in terms of
tity theories, but for altogether different rea- such rules. Moreover, language is considered
sons. It despairs of finding a nice one-to-one to be an expression of our beliefs and desires,
match-up between the concepts of psychology that is, of just the things the eliminativist
and those of neuroscience, not because the wants to do away with. In view of these
former are somehow abstract from their phys- considerations, psycholinguistics should do
57.  Philosophical foundationsof psychology of language and of psycholinguistics 805

well to consider eliminative materialism as a main is actually about. In a word, they do


serious challenge. not explain their domain, but describe what
Churchland’s is not the only brand of eli- there is to be explained in the first place. On
minativism in the field. The instrumentalist this view, eliminative materialism would seem
position of Dennett (1978), e. g., has some to defy its own purpose. On the one hand, it
unmistakably eliminativist traits, whereas a wants some future developments in neuros-
syntactic (as opposed to neurological) kind of cience to explain our cognitive abilities, in-
eliminativism is defended by Stephen P. Stich cluding that of language production and com-
(1983). Here we shall concentrate on Church- prehension. But at the same time it refuses to
land’s position, it being the most elaborate accept our standard, observational vocabu-
and most straightforward version of the the- lary for specifying these abilities. So how
ory. By and large, Churchland takes objection could we ever decide on what there is to be
to functionalism and folk psychology on four explained in the first place? Again, it would
counts (cf. Churchland 1981; 1984, 45 ff). clearly be a mistake to accuse folk psychology
First, it is argued that the theory and ontol- of explanatory failure. If it has been holding
ogy of most of our folk conceptions have out the ›explananda‹ of the mental for over
proved to be profoundly confused, and that 2000 years, and there is still no ›explanans‹,
they were eventually displaced by more so- then this is the fault of the science that has
phisticated scientific theories, as in the case all this time failed to address these issues. As
of the spheres of heaven, witches, and de- for the alchemistical argument against func-
monic possession. Moreover, folk psychology tionalism, it should be clear that it hinges on
is accused of having failed to produce expla- the diagnosis of folk psychology. If it is wrong
nations of even such basic mental capacities to apply a research strategy such as function-
as memory, learning, and intelligence. And alism to a bad theory such as alchemy, it does
what is worse, it makes use of intentional not necessarily follow that it is also wrong to
categories that are entirely out of tune with apply it to a sound one. Any procedure that
the rest of our (physicalist) world view. Fi- is fed the wrong input is bound to come up
nally, functionalism is accused of being noth- with the wrong results, but this is hardly the
ing but a cheap immunization stratagem. procedure’s fault.
Churchland shows how the functionalist ploy
might even have saved the alchemistical the- 6.2.  If there is one thing that eliminative ma-
ory of the four spirits by construing, e. g., terialism resents most, however, it is inten-
‘having the spirit of mercury’ as a functional tionality. Although Searle was seen to be ac-
property of inanimate substances, defined as cusing functionalism of being not intentional
a certain disposition to reflect light, to liq uefy enough, so to speak, the eliminative materi-
when heated, and so on for the other prop- alist fears that it is altogether too intentional!
erties this spirit was held responsible for. The On his view, this intentionality of the mental
lesson would be that functionalism could save is entirely out of tune with our basic materi-
any theory, even the worst. Eliminative ma- alist conception of man. It is just as anoma-
terialism is the most recent (and most outra- lous as was the ›vital principle‹ in nineteenth
geous) challenge functionalism has seen so century biology. And just like the latter has
far. The seriousness of its threat is slowly been eliminated by organic chemistry, the for-
beginning to be appreciated now (cf., e. g., the mer should be eliminated by neuroscience.
discussions of it in Stich 1983; Goldman 1986; Yet, it would seem that the analogy is not
Patricia Churchland 1986; Lycan 1990). We q uite fair. Shouldn’t folk psychology be com-
shall briefly review some possible rejoinders pared to something like folk biology, rather
to the above arguments. — First, it does not than to the science of biology? If this is so,
seem to be entirely true that most of our folk the situation appears to be q uite different
theories have been eliminated rather than re- from the one pictured by eliminative materi-
duced by scientific theories. Typically, folk alism. Although it is true that certain nine-
theories seem to have survived most scientific teenth century biologists posited a metaphys-
theories in their domain; the latter come and ical principle of vitality, folk biology seems
go, but folk views stay. This is no coincidence. to be free from this error. If in everyday life
Folk theories tend to be much more folk than we speak of things as ‘being alive’ or as ‘hav-
theory. They offer not so much a theory of ing life inside of them’, this is hardly because
their domain, but rather a first, relatively we are doing metaphysics. All we do, in fact,
observational, inventory of what their do- is to distinguish between two kinds of phe-
806 III. Positionen

nomena, those involving living things and as if it were rule-governed, as if it were


those involving lifeless things. The explana- crunching internal sentences, beliefs and de-
tion of the difference between the two is left sires, in a word: as if it were processing sym-
to philosophers and scientists. Analogously, bols. At best, our everyday explanations of
in the case of folk psychology, a distinction behaviour in terms of beliefs and desires are
is made between cognitive and non-cognitive only crude approximations of the underlying
phenomena. What there is inside our heads true dynamics of the mind. If you believe,
that could explain the difference between the e. g., that ›perestrojka‹ is a good thing, then
two, is left entirely open. The answer to that there is no such one thing as this belief to be
q uestion is delegated to philosophers and sci- found inside your head; instead, holding that
entists, who have variously suggested that it belief is a kind of shorthand for the activity
is an immaterial soul, a non-physical principle of many scattered units, each participating
of intentionality, or a highly complex nervous also in numerous other mental processes.
system. Of this indulgence, however, folk psy- These processing units are best thought of as
chology seems to be innocent. idealized brain cells. As a matter of fact, much
of the appeal of connectionism is due to the
6.3.  Needless to say, these issues are as yet relative ease with which its models can be
undecided. Further research in cognitive sci- imagined to be models of the human brain.
ence and philosophy of mind is needed to
establish whether or not eliminative materi- 6.4  Although some aspects of connectionism
alism’s grim view of ›traditional‹ psychology are obviously very close to eliminativism, e. g.,
is justified. However, we may mention at least its appreciation of neurological research, and
one avenue currently being explored by cog- its corresponding depreciation of folk psy-
nitive science that seems to be particularly chology, this is not the only possible way to
congenial to the eliminativist view, viz., con- understand the new trend. Thus, Steven
nectionism (or parallel distributed processing, Pinker and Alan Prince (Pinker/Prince 1988,
as it is also called). At first blush, this recent 75—78; cf Bechtel/Abrahamsen 1991, 210 ff)
trend seems indeed to be an outright denial discern three possible relationships between
of the central tenets of ›classical‹ cognitive connectionism and traditional symbol proc-
science. It does not make use of explicit rules essing. One of them is straightforward elimi-
and procedures for manipulating explicit native connectionism. A second one may be
mental symbols. It does not think of memory, called implementational connectionism, ac-
e. g., as an ordered set of pigeon-holes, each cording to which connectionist models fur-
containing a particular content that can be nish the implementations, for a certain kind
systematically retrieved with the help of clear- of parallel hardware, of the traditional sym-
cut procedures. Instead, like in a hologram, bolic procedures describing and explaining
memory is supposed to be distributed over a the cognitive process modeled. In the case of
network of (parallel and interconnected) language processing, linguistics and symbolic
processing units, each unit participating in psycholinguistics might arguably remain as
the representation of many distinct contents. the study of what is computed by the lan-
Again, in the case of language processing, the guage device, leaving to connectionism the
human language device is no longer seen as q uestion of exactly how these computations
a centrally coordinated application of explicit are carried out. Finally, there is a range of
linguistic rules to explicit symbols, as in the intermediate possibilities that may be broadly
machine or office model (4.3.). Rather, the labelled ‘revisionist symbol processing cum
rules of linguistics are now taken to be mere connectionism’. On this latter view, cognitive
global effects of the collective activity of a science may hold on to the idea that mental
network of scattered units. The rules accord- processes are essentially a matter of rule-gov-
ing to which these units operate and cooper- erned symbol-processing, but not necessarily
ate in no way resemble our overt linguistic like anything we would spontaneously think
rules, nor do the ›symbols‹ processed by these of in terms of folk psychology. The rules need
units in any way resemble the overt (morpho- not resemble anything like the familiar rules
logical, lexical, syntactic, etc.) symbols of tra- of grammar, e. g., and the symbols need not
ditional linguistics (cf., e. g., Rumelhart/ resemble letters, words or sentences; rather,
McClelland 1986; Patricia Churchland 1986, these rules and symbols might well prove to
458 ff; Bechtel/Abrahamsen 1991). — If con- be complex wiring diagrams of networks of
nectionism is correct, the mind only behaves processing units. At the moment, these issues
57.  Philosophical foundationsof psychology of language and of psycholinguistics 807

are the object of a rigorous ongoing discus- Thus, e. g., it would be the same faculties of
sion between ‘symbolists’ such as Fodor and judgement and memory that are called upon
Pylyshyn, and ‘connectionists’ such as Paul in perceptual recognition (judging whether a
Smolensky (see, e. g., Loewer/Rey 1991; Be- set of sensory data matches certain categories
chtel/Abrahamsen 1991, 210 ff). that are stored in memory) and in deciding
whether to accept a bid on your old computer.
Horizontal faculties are very close to the way
7. Modularity of mind: seamless or we tend to think consciously of how the mind
soldered? works. But, as eliminative materialism has
cautioned us, this is no guarantee for its truth.
7.1.  A major issue in the field of cognitive The vertical variety of faculty psychology,
science, and the last one to be discussed here, traced back by Fodor to Franz Joseph Gall’s
is whether all cognitive processes are cut from (1758—1828) work on phrenology, denies the
the same cloth, so to speak. On one view, the existence of horizontal faculties that are
mind is indeed a seamless fabric, a monolithic shared by all mental processes. It claims that
whole whose functions merge smoothly into there is no one such thing as memory, judge-
one another; on another view, it consists of a ment, etc. Instead, there are many separate
number of distinct and highly specialized faculties, one for each domain of cognitive
modules, soldered together, communicating processing. These faculties don’t make use of
with each other in only very limited ways. common resources such as memory; the mu-
The first view, which we may call unitarian, sical faculty, e. g., has its own specific memory
seems to be the more traditional one. The for music, that is q uite independent of the
second or modular view is of more recent memory resources of other faculties. — Now,
date, but is rapidly gaining in popularity Fodor proposes a view of mind that is of
among cognitive scientists. It appears in var- mixed horizontal and vertical origin. He dis-
ious guises. In computer science, it is present tinguishes between a large block of central
in the concept of structured or modular pro- processes and a number of peripheral systems.
gramming. In psychology, it appears as the The central processes make use of shared,
notion of separate sub-systems of cognitive horizontal faculties; the peripheral systems
architecture (cf., e. g., Marr 1982, esp. 8—38). are organized as vertical faculties or ›mod-
More specifically, in the field of linguistics it ules‹, as Fodor calls them, each being com-
underlies Chomsky’s conception of a ›lan- putationally self-sufficient and domain-spe-
guage organ‹ and of the ›components of cific. These modules include, roughly, certain
grammar‹, that is, of a special device like the components of the input systems (most no-
language frame described by Gulliver, made tably of visual perception and of language
up, at a more fine-grained level of analysis, understanding), and certain components of
of relatively separate sub-systems that utilize the output systems (among which motor con-
different types of linguistic knowledge trol and language production). Fodor dis-
(Chomsky 1980). In recent philosophy of cog- cusses several features that he takes to be
nitive science, the idea of modularity has been characteristic of modular systems. Thus, a
elaborated in greater detail by Zenon Pyly- modular system is informationally encapsu-
shyn (*1937) (1984, esp. 130 ff) and Fodor lated, that is, it has access to only the infor-
(1983). — It is especially Fodor’s notion of mation represented within the local structures
‘informationally encapsulated modules’ that that subserve it, not to other background
has caught on. His theory of modularity is knowledge. A favourite example is that of the
presented against the background of faculty Müller-Lyer illusion: even though you know
psychology generally. Roughly, there are two perfectly well that the two arrows are eq ually
kinds of faculty psychology, a horizontal and long, you cannot help seeing one as longer
a vertical one. According to the horizontal than the other; your background knowledge
variety, most (if not all) cognitive processes is not accessed in the visual processing of the
make use of most (if not all) of the mind’s image. Secondly, its operation is mandatory,
faculties, such as memory, attention, percep- that is, it performs its function automatically
tion, sensibility, imagination, and so forth; when given the stimuli that normally trigger
and the character of each such process is it. We lack the ability to prevent it from
determined by the particular mix of faculties computing. In the case of language, we just
it draws on. The important point is that, on can’t help hearing an utterance of a sentence
this view, it is the self-same faculty that is in our home language as a sentence rather
involved in the various domains of cognition. than an uninterpreted sound stream. In the
808 III. Positionen

third place, a modular system is domain spe- lever on, we will not get much work done on
cific, that is, it operates only on a specific central processes.
subclass of stimuli. E. g., there is some exper- The modularity thesis has elicited much
imental evidence for the view that the com- comment recently. In essence, it defines a
putational systems that come into play in the research agenda, and it can therefore be crit-
perceptual analysis of speech are triggered icized on empirical, methodological, as well
only by acoustic signals that are taken to be as philosophical grounds. We shall give an
utterances. Finally, modular systems are example of each of these lines of criticism (for
hardwired, that is, they are associated with further discussion, cf. Gopnik/Gopnik 1986;
specific neural structures. Conse q uently, Garfield 1987). One important field of em-
modular mechanisms may be expected to dis- pirical research on modularity in natural lan-
play relatively specific breakdown patterns. guage processing is concerned with our ability
Neuropsychological research seems to cor- to recognize the words in a text or utterance.
roborate this view (cf., e. g., Luria 1973). Lo- A major issue here is whether lexical process-
cal brain lesions are associated with loss of ing is contingent upon the linguistic and ex-
mental function, especially in the case of per- tra-linguistic context in which a word occurs.
ceptual systems and language processing There are now two main theories, one mod-
mechanisms (agnosia, aphasia, etc.). Central ular, the other interactive (s. art. 52). The
processes, on the other hand, do not appear modular theory develops the idea that lexical
to be similarly localized; crudely put, there is processing is an autonomous sub-system in
no apparent neural structure for modus po- language comprehension. It draws on the fact
nens. that in skilled language use word recognition
processes are automatic, in the sense that they
7.2.  As a result of these features, a module’s are very fast, occur without conscious effort,
operation is also very fast. Because it is man- and do not seem to interfere with other proc-
datory, no deliberation is req uired to set the essing tasks. Now, if these processes are in
module into motion. Because it is domain fact located within a modular sub-system, and
specific, it can trade on fortuitous features of are thus informationally independent of other
the domain without bothering about the va- aspects of language processing, two more pre-
lidity of these features in other domains. Be- dictions can be made about lexical processing.
cause it is encapsulated, the amount of infor- First, the information contained in the mod-
mation that needs to be taken into account ule’s output should be invariant across con-
is relatively limited. And because it is hard- texts. And second, the speed with which that
wired, the amount of processing is drastically information is made available should be un-
reduced. — Now, according to Fodor, these affected by the processing context. — Both
characteristics do not apply to central proc- predictions are starkly denied by the inter-
esses. As they somehow bring together the active models of lexical processing, in which
information from the various input systems, contextual information is combined with sen-
central processes can hardly be domain spe- sory information throughout lexical process-
cific. Nor can they be informationally encap- ing. According to this latter view, sensory
sulated; they somehow manage to combine processes are primed by top-down informa-
all this information. In principle, each bit of tion about the lexical candidates that would
incoming information may be brought to bear be congruous with the processing context, so
on the assessment of information from each that words in rich contexts will be processed
of the other sources. This holistic trait makes more rapidly than words in impoverished
it very difficult to understand central proc- contexts. Also, different information may be-
esses. We are faced with what in Artificial come available in different contexts. These
Intelligence is called the ‘frame problem’, the contradictory predictions bear directly on the
problem of putting a ›frame‹ around the set q uestion of modularity. There is no conclusive
of beliefs that need to be revised in the light empirical evidence on either side, so far (for
of newly arrived information. If the process- more details, cf. the contribution of Seiden-
ing of each single bit of information may be berg and Tanenhaus, in Gopnik/Gopnik
affected by every other bit of available infor- 1986, 135 ff; a conciliatory position between
mation (Fodor speaks of the ›Quinean‹ or modular and interactive models is defended
›isotropic‹ character of central processes), by Tanenhaus, Denn and Carlson, in Garfield
then where should we start our analysis? 1987, 83 ff). — A philosophical objection to
Without some Archimedean point to rest our the modularity thesis concerns the possibility
57.  Philosophical foundationsof psychology of language and of psycholinguistics 809

that cognitive architecture is thoroughly iso- complex, there is a strong tendency to think
tropic and Quinean in character. According of our capacity for language as a distinctive,
to Fodor’s “First Law of the Nonexistence of specialized faculty. And there is a concomi-
Cognitive Science” (Fodor 1983, 107), this tant tendency among psycholinguists to bal-
would mean the end of cognitive science. We kanize psychology by insulating theories of
may be able to understand modules, but if the language organ from other psychological
there are no modules, it may well be that we research. Although excellent as a mere divi-
won’t ever be able to understand anything of sion of labour, however, this may well be a
how the mind works. This rejection of mod- misrepresentation of the relationship between
ularity, but without the ensuing pessimistic linguistic constructs and psychological proc-
conclusion, is endorsed by John Anderson esses generally, as is argued by, e. g., William
(*1947). An outspoken defender of a unitary Marslen-Wilson and Lorraine Tyler (in Gar-
view of cognitive architecture, he argues that field 1987, 37 ff).
there are no vertical faculties, but only hori-
zontal ones (Anderson 1983, 3—5). Thus, he
points out that many cognitive functions have 8. Selected references
only a very short evolutionary history, a his- Block 1978, Troubles with Functionalism.
tory that would seem to be too short, in fact, Churchland 1984, Matter and Consciousness. A
to have produced specialized mental organs. Contemporary Introduction of Mind.
Moreover, he argues that the faculties that Churchland 1989, A Neurocomputational Perspec-
are supposed to contribute to cognitive activ- tive. The Nature of Mind and the Structure of Sci-
ities seem to be terribly intertwined. Most ence.
cognitive activities appear to have many fea- Dennett 1978, Brainstorms. Philosophical Essays on
tures in common (like Fodor’s horizontally Mind and Psychology.
organized central systems), so that we would Fodor 1981 a, Representations. Philosophical Essays
be hard put to trace their distinctive contri- on the Foundations of Cognitive Science.
butions. — Finally, we shall briefly consider Fodor 1983, The Modularity of Mind. An Essay on
a line of methodological criticism. It is not Faculty Psychology.
inconceivable that the supposed modularity Fodor 1987, Psychosemantics. The Problem of
of a cognitive system is really nothing but the Meaning in the Philosophy of Mind.
unintended product of adopting a certain re- Johnson-Laird 1983, Mental Models. Towards a
search strategy. A large majority of the work Cognitive Science of Language, Inference and Con-
in cognitive modelling is in fact concerned sciousness.
with small, specialized and relatively encap- Katz 1981, Language and Other Abstract Objects.
sulated parts of some hypothetical larger Lycan (ed.) 1990, Mind and Cognition. A Reader.
processing structure. Typically, this encom- Putnam 1975 a, Mind, Language and Reality. Phil-
passing structure is represented only by way osophical Papers, Volume 1.
of some input/output and bookkeeping rou- Pylyshyn 1984, Computation and Cognition. Toward
tines that feed and control the subsystem. a Foundation for Cognitive Science.
This looks like a module in Fodor’s sense, Searle 1980, Minds, Brains, and Programs.
but it needn’t be one; its encapsulation is Searle 1983, Intentionality. An Essay in the Philos-
merely a by-product of the specialization of ophy of Mind.
the research. Especially in the case of psycho-
linguistics the danger would seem to be very Jan Sleutels, Leiden (Netherlands)
real. Because linguistic theory is so extremely
810 III. Positionen

58. Die philosophischen Grundlagen der Sprachinhaltsforschung

1. Was soll man unter ‘Sprachinhalt(s)- 172), dazu manche Begriffsdeutungen von
forschung’ verstehen? Hennig Brinkmann (*1901) und die Arbeiten
2. Die sprachphilosophischen Annahmen bei zur Worttheorie von Gipper, oft auch die
Weisgerber Aufstellung der ›Satzbaupläne‹ durch Paul
3. Sprachphilosophische Annahmen für eine Grebe (1908—1987), den Leiter der Duden-
durch Proben gestützte und pragmatisch ge- Redaktion. — Man darf aber aus den Be-
richtete Sprachinhaltsforschung zeichnungen ‘inhaltbezogene Sprachfor-
4. Zur Erfüllbarkeit solcher Forderungen; schung’, speziell auch ‘inhaltbezogene Gram-
Sprachinhaltsforschung und Sprachpraxis matik’ nicht etwa entnehmen, es sei hier nur
5. Literatur in Auswahl um das Herausarbeiten der Sprachinhalte
(d. h. der begrifflichen Seiten der sprachlichen
Zeichen, der Bedeutungen und Bedeutungs-
1. Was soll man unter ‘Sprach- strukturen) gegangen. Weisgerber wie alle an-
inhalt(s)forschung’ verstehen? dern Mitglieder des von ihm 1956 für mehrere
Die Bezeichnung ‘Sprachinhaltforschung’ Jahre zusammengerufenen Forscherkreises
(meistens mit einem ‘s’ zwischen Bestim- betonten immer wieder, man dürfe diese be-
mungswort und Grundwort: ‘Sprachinhalts- grifflichen Seiten der sprachlichen Zeichen
forschung’) ist oft eher im Sinn eines Schlag- nicht als statische, erstarrte Größen sehen,
worts als im Sinn eines klar definierten Be- sondern müsse in ihnen gedankliche Zugriffe
griffs verstanden worden — nicht anders als von Menschen in ihren Lebenssituationen er-
manchmal ‘Strukturalismus’ oder ‘Soziolin- kennen, und die vornehmste (wenn auch bei
guistik’ oder ‘Hermeneutik’. Die englische weitem schwierigste) Aufgabe der Sprachfor-
schung sei, die Auswirkungen dieser begriffli-
Übersetzung ‘content analysis’ kann irrefüh- chen Seiten der Sprachzeichen im gesamten
ren, weil diese Bezeichnung auch für ein Denken und Handeln der Sprachteilhaber
schnelles (und grobes) im englischsprachigen nachzuweisen.
Wissenschaftsraum entwickeltes Analysever-
fahren für Texte verwendet wird (deutsch ‘In-
haltsanalyse’, Wersig 1968), und daneben, 1.2. Verbreitete Mißverständnisse der
nochmals anders, für die semantische Kon- Bezeichnung ‘inhaltbezogen’
stituentenanalyse. Die französische Überset- In einer breiteren Öffentlichkeit im deutschen
zung ist sehr weit, denn ›analyse du contenu‹ Sprachraum, z. B. bei manchen Lehrern (auch
treiben in irgend einer Art wohl alle Lingui- Schulpolitikern) wurde ‘inhaltbezogen’
sten und sicher alle Literaturwissenschaftler. manchmal ganz einfach verstanden als ‘den
Inhalt von Texten, das mit ihnen Gemeinte in
1.1. ›Inhaltbezogene Sprachforschung‹ als den Mittelpunkt rückend, nicht so viel Ge-
Programm bei Weisgerber, wicht auf die formale Seite, die Lautungen
›inhaltbezogene Grammatik‹ bei Glinz und deren Geschichte legend’ und oft auch
und anderen ‘das Deutsche in den Mittelpunkt stellend,
seine besondere Grammatik und eine hinter
Die Bezeichnung ‘Sprachinhaltsforschung’ dieser stehende Denkweise betonend’. Hie
wird wohl von den meisten Linguisten (und und da galt als ›inhaltbezogen arbeitend‹, wer
interessierten Laien) mit dem Namen von Leo fleißig von ‘Muttersprache’ redete (für das,
Weisgerber (1899—1985) in Verbindung ge- was man nüchterner ‘Erstsprache eines Men-
bracht und als Name für das von Weisgerber schen in seiner jeweiligen historischen Situa-
aufgestellte Programm und die von ihm prak- tion’ nennen kann), dazu von ‘Wortfeldern’,
tizierten Verfahren betrachtet, oft auch für von ‘Satzbauplänen’ und dann schnell auch
die differenzierende Weiterführung durch von ‘sprachlichem Weltbild’ hinter all diesen
Helmut Gipper (*1919). Man sprach oft auch Erscheinungen.
von ›inhaltbezogener Grammatik‹ (z. B. in
den im deutschen Sprachgebiet ziemlich ein-
flußreichen Duden-Grammatiken von 1959 1.3. Sprachinhaltsforschung als
an) und meinte damit neben den Forderungen ›Ethnolinguistik‹
von Weisgerber vor allem die grammatischen Teilweise wurde die Sprachinhaltsforschung
Begriffe von Hans Glinz (*1913), obwohl auch als eine am Beispiel des Deutschen
diese 1944—1948 unabhängig von Weisgerber entwickelte Spielart von ›Ethnolinguistik‹
entwickelt worden waren (Glinz 1986, 169—
58.  Die philosophischen Grundlagen der Sprachinhaltsforschung 811

betrachtet und mit den Arbeiten von Ed- che operationale Verfahren. Besonders wich-
ward Sapir (1884—1939) und speziell von tig ist dabei auch, daß man stets klar unter-
Benjamin Lee Whorf (1897—1941) in Ver- scheidet zwischen Begriff und Terminus (an-
bindung gebracht. Gemeinsam ist hier die ders gesagt: zwischen der Definition, die
Auffassung, daß die verschiedenen semanti- möglichst auf operationalen Kriterien beru-
schen Strukturen der Sprachen auch zu un- hen soll, und dem dafür gewählten oder
terschiedlichen Anschauungen (unterschied- neugebildeten, mehr oder weniger ›sprechen-
lichen gedanklichen Verarbeitungen) von den‹ oder ›neutralen‹ Fachausdruck). Die
Phänomenen der Außenwelt führen können, Verwechslung von ‘Begriff’ und ‘Terminus’
z. B. zu verschiedenen Raum- und Zeitauf- (die Überschätzung von Fachausdrücken,
fassungen (Stichwort ‘Sprachliches Relativi- das Herausspinnen einer Definition aus dem
tätsprinzip’ oder ‘Sapir-Whorf-Hypothese’, Wort-Aufbau eines Fachausdrucks) ist bei
Lorenz 1980, 18; kritische Analyse bei Gip- allem Herausarbeiten von semantischen Ein-
per 1972, vor allem 240—249; weiteres bei heiten und Strukturen und bei aller Unter-
Pinxten 1976; s. Art. 74). suchung ihres Gebrauchs in der Kommuni-
kation wie in der person-internen Sprach-
1.4. Sprachinhaltsforschung in einem verwendung besonders gefährlich — und sie
weiteren Sinn ist gerade im deutschsprachigen Wissen-
schaftsraum, aber nicht nur dort, noch viel
Man kann, wenn man von den in 1.1. bis zu oft anzutreffen (Glinz 1987 a, 28—31).
1.3. genannten, z. T. sehr verengenden Fest- Schließlich soll in 4. die Verwirklichung
legungen absieht, den Namen ‘Sprachin- einer gemäß den Annahmen von 3. vorge-
haltsforschung’ auch in einem weiteren Sinn henden Sprachinhaltsforschung diskutiert
verstehen: nämlich als ein Programm für werden, mit Ausblicken auf die möglichen
jede linguistische Arbeit, welche die begriff- Auswirkungen auf die Sprachpraxis.
lichen Seiten der sprachlichen Zeichen (die
›Sprachinhalte‹) als gedankliche Größen eige-
nen Rechts betrachtet, nicht als bloße Funk- 2. Die sprachphilosophischen
tionen der Lautungsseiten, und welche die Annahmen bei Weisgerber
Handhabung aller dieser gedanklich-begriff-
lichen Einheiten und Strukturen durch die 2.1. Die Inhaltsseite der sprachlichen
Sprachteilhaber, die dabei verfolgten Ziele, Zeichen in den Mittelpunkt rücken,
die erreichten Wirkungen (evtl. auch die da- ihre Wirkungen für Denken und
bei möglichen Irreführungen) in den Mittel- Handeln der Sprachteilhaber
punkt des Forschungsinteresses rückt. Im ernstnehmen
folgenden soll daher versucht werden, die
sprachphilosophischen Annahmen bei Weis- Weisgerber kam aus der historisch-verglei-
gerber und für eine Sprachinhaltsforschung chenden Sprachforschung, wie sie noch im
im weiteren Sinn gesondert herauszuarbei- frühen 20. Jahrhundert, vor allem im deut-
ten. Dabei geht es nicht nur um die Annah- schen Sprachgebiet, das Feld nahezu aus-
men über Konstitution und Funktionen der schließlich beherrschte. In dieser Forschung
Sprachen (z. B. daß jede natürliche Sprache, lag das Hauptinteresse auf der Entwicklung
oft in verschiedenen Varianten, sowohl als der Lautungen der Wörter (die man aus den
soziales Objektivgebilde existiert wie als in- Schreibungen in den überlieferten Texten
dividueller Besitz jedes einzelnen Sprachteil- entnahm). Die begrifflichen Seiten der
habers, als ›Idiolekt‹), sondern es geht auch sprachlichen Zeichen — ›le signifié‹ bei Fer-
um die Annahmen über die wissenschaftliche dinand de Saussure (1857—1913) (s. Art.
Zugänglichkeit der verschiedenen Bereiche in 36), die ›Bedeutungen‹ — wurden primär
den Sprachen, insbesondere des gesamten von den Lautungen und dem formalen
semantischen Bereichs. Diese Annahmen Wortaufbau her gesehen. Man befaßte sich
über die wissenschaftliche Zugänglichkeit vorwiegend mit den ältesten Stufen der je-
sind nämlich entscheidend für die Wahl der weiligen Sprachen, Untersuchungen zur Ge-
Methoden, vor allem für die jeweils durch- genwartssprache waren selten. Die gram-
zuführenden heuristischen Operationen matischen Kategorien wurden unbesehen
(Proben aller Art, an Texten, oft mit Infor- der Schultradition entnommen, die kritische
manten) und für die Fundierung aller spe- Prüfung ihrer Angemessenheit wurde als
zielleren Begriffe (z. B. in den Grammatiken eine Sache der Logik (oder der Psycholo-
für die verschiedenen Sprachen) durch sol- gie), nicht der Sprachwissenschaft betrach-
812 III. Positionen

tet. Die Syntax wurde ohnehin weitgehend schiedene ›Weltbilder‹ (nüchterner gesagt:
vernachlässigt. Gegenüber dieser Auffassung verschiedene naheliegende Auffassungen und
und Praxis betonte Weisgerber schon in sei- Denkgewohnheiten) ergeben können. Das
ner Probevorlesung für die Habilitation Herausarbeiten dieser verschiedenen Auffas-
1925: sungen und Denkgewohnheiten ist für Weis-
(a) Zentral ist die jeweilige begriffliche gerber eine Hauptaufgabe aller linguisti-
Seite der sprachlichen Zeichen (die ›Bedeu- schen Arbeit.
tung‹ — obwohl Weisgerber diesen Fachaus-
druck leidenschaftlich ablehnte, und zwar 2.2. Weisgerber und Saussure
weil er glaubte, daß die Redeweise ‘dieses
Wort bedeutet das und das’ die begrifflichen Die Auffassung der Sprache als eines sozia-
Seiten viel zu sehr als bloße Funktionen der len Besitzes, mit grundsätzlicher (›ontologi-
lautlichen Seiten hinstelle). Die Lautungen scher‹) Arbitrarität nicht nur der Lautun-
(die ›Wortkörper‹ oder ›Wortgestalten‹) sind gen, sondern auch der semantischen Einhei-
aber nur die Signalisierungen, die hörbaren ten und Strukturen, die dann aber für den
(in der Schrift: die sichtbaren) Repräsentan- einzelnen Sprachteilhaber nicht mehr arbi-
ten für die begrifflichen Seiten (für die ›Wor- trär, sondern durch die jeweilige Sprache
tinhalte‹, wie Weisgerber sagte, um den in verbindlich gegeben sind — das alles zeigt
seinen Augen irreführenden Fachausdruck die weitgehende Übereinstimmung des Weis-
‘Bedeutungen’ zu vermeiden). gerberschen Ansatzes mit demjenigen von
(b) Die begrifflichen Seiten der sprachli- Saussure. Weisgerber hat allerdings oft be-
chen Zeichen sind nicht a priori in der Welt tont, er sei nicht von Saussure ausgegangen,
gegeben (etwa in einer ›immanenten Logik‹); sondern von Wilhelm von Humboldt
sie sind geschaffen worden von Menschen, (1767—1835) (s. Art. 27), Ernst Cassirer
in den Sprach- und Lebensgemeinschaften, (1874—1945) (s. Art. 37) und anderen, und
in denen sich die historischen Einzelspra- Saussure sei ihm nicht Voraussetzung, son-
chen (die jeweiligen ›Muttersprachen‹) in dern (nur) Bestätigung gewesen. Es besteht
einem langen Prozeß sozialer Interaktion kein Grund, an dieser Selbsteinschätzung zu
entwickelten. Die begrifflichen Seiten der zweifeln — denn wer unvoreingenommen
sprachlichen Zeichen können (ja werden) auf die Sprachen, ihr Funktionieren in den
daher von Sprache zu Sprache oft etwas verschiedenen Gesellschaften und ihren
verschieden sein. Wandel in der Geschichte blickt, der wird
(c) Diese mögliche Verschiedenheit — zwangsläufig mehr oder weniger schnell auf
trotz gemeinsamer menschlicher Sprachfä- die grundsätzliche Arbitrarität und soziale
higkeit und gemeinsamer Außenwelt — gilt Festgelegtheit der sprachlichen Zeichen (und
nicht nur für die begrifflichen Seiten der auch auf den Vorrang synchroner Analyse
Einzelwörter, sondern auch für die sprach- vor historischer Herleitung) kommen, die
lich/gedanklichen Strukturen für den Aufbau von Saussure so besonders klar und folgen-
von Sätzen, für die ›Satzpläne‹ oder ›Satz- reich herausgestellt wurden. Tatsache ist
baupläne‹. aber, daß Weisgerber schon 1925 seine
(d) Die begrifflichen Seiten der sprachli- Übereinstimmung mit Saussure hervorhebt,
chen Zeichen (Wortinhalte wie Satzbau- also in einer Zeit, in der die allermeisten
pläne) sind aber, trotz ihrer grundsätzlichen deutschen Linguisten Saussure noch ablehn-
Arbitrarität, nicht etwa in das Belieben des ten oder überhaupt nicht zur Kenntnis nah-
einzelnen Sprachteilhabers gestellt, sondern men:
sie sind durch die jeweilige (historisch ent- „Ich kann hier nur unbedingt Saussure mit seiner
wickelte) Sprache allen Teilhabern dieser Theorie des ›pensée-son‹ und Cassirers Deutung
Sprache verbindlich vorgegeben. Die Spra- des Symbols zustimmen“ (Weisgerber/Gipper
chen sind ›soziale Objektivgebilde‹, und die 1964, 21).
semantischen Einheiten und Strukturen, die Mit den Stichwörtern ‘pensée-son’ bezieht
mit diesen Objektivgebilden gegeben sind, sich Weisgerber offensichtlich auf die zen-
beeinflussen für die betreffenden Sprachteil- trale Stelle des Cours, samt der Illustration,
haber nun auch die gesamte Auffassung der die den Vorgang der Schaffung der sprach-
Welt (Außenwelt ebenso wie aus dem lichen Zeichen verdeutlichen soll (Saussure
menschlichen Inneren kommende Antriebe, 1916, 155 f):
Gefühle usw.), so daß sich je nach Sprache „Nous pouvons donc représenter le fait linguisti-
verschiedene Arten von Welterfahrung, ver- q ue dans son ensemble, c’est-à-dire la langue,
comme une série de subdivisions contiguës dessi-
58.  Die philosophischen Grundlagen der Sprachinhaltsforschung 813

nées à la fois sur le plan indéfini des idées con- als einem System betrachten (s. Art. 66).
fuses (A) et sur celui non moins indéterminé des Weisgerber hielt also streng an einer gewissen
sons (B); c’est ce q u’on peut figurer très appro- Symmetrie von ›signifiant‹ und ›signifié‹ fest
ximativement par le schéma: — er konnte nicht akzeptieren, daß semanti-
sche Einheiten und Strukturen auch ohne di-
rekte und eindeutige lautliche Signalisierung
bzw. ohne eindeutige Einbettung in ein (ziem-
lich ideal gesehenes) ›Feld‹ vorhanden und
wirksam sein könnten.
Die sprachphilosophische Grundfrage ist
dabei, wie die semantischen Einheiten und
Strukturen (für Weisgerber: die Sprachin-
halte) überhaupt bestimmt und damit wirk-
sam sein können, ohne daß sie den Sprach-
teilhabern bewußt sind. Es gibt hierzu schon
So kann man ohne Verzeichnung das mei- bei Saussure (1916, 140) eine Stelle, die leicht
ste, was Weisgerber in seinem für breitere mißzuverstehen ist:
„La linguistiq ue synchroniq ue s’occupera des rap-
Kreise geschriebenen Buch Muttersprache und
ports logiq ues et psychologiq ues reliant des termes
Geistesbildung (1929, 21941) allgemein und für coexistants et formant système, tels q u’ils sont aper-
das Deutsche vorträgt, auch als einen Aufbau çus par la même consciencee collective“.
auf den durch Saussure gelegten Grundlagen Hier darf man ‘conscience’ nicht durch ‘Be-
sehen. wußtsein’ übersetzen. Gemeint dürfte viel-
mehr sein: ‘... so wie sie als bei Bedarf ab-
2.3. Verengende sprachphilosophische rufbarer (aber keineswegs immer bewußter)
Annahmen bei Weisgerbers Vorgehen gedanklicher Besitz (letztlich: als neuronale
im einzelnen Speicherung) bei den zu einer bestimmten Zeit
In Weisgerbers Arbeiten aus den 50er und lebenden Sprachteilhabern vorhanden sind’.
60er Jahren, die neben dem Wortschatz auch Weisgerbers Grundannahme, eine zurei-
Probleme der Syntax behandelten und damals chende Bestimmtheit sei nur bei eindeutiger
fühlbare Auswirkungen auf Wissenschaft und lautlicher Kennzeichnung oder bei eindeutiger
Schulpraxis hatten, zeigten sich aber auch Einbettung in ›sprachliche Felder‹ vorstellbar,
recht angreifbare Ergebnisse, die sich auf zu erscheint gerade bei den heutigen Kenntnissen
enge sprachphilosophische Annahmen zu- über die Speicherkapazität des menschlichen
rückführen lassen. Wie weit diese Annahmen Gehirns als unnötige Verengung (vor allem
als Verengungen gegenüber einem ursprüng- im Blick auf die Fähigkeit des Gehirns, auch
lich weiteren und offeneren Ansatz zu be- vieldeutige Signale und Signalfolgen durch
trachten sind und wie weit sie von Anfang an Prüfung des gesamten Kontextes und notfalls
vorhanden waren, aber erst in der praktischen durch tastendes Probieren schnell ›richtig‹,
Ausarbeitung so deutlich sichtbar wurden, ist d. h. im Sinn des Signalgebers zu verstehen).
hier nicht zu entscheiden. Ich sehe in dieser Haltung Weisgerbers eine
zu große Idealisierung, eine Art von überzo-
2.3.1. Vollkommenheitsansprüche an den genem Vollkommenheitsanspruch gegenüber
Sprachbau der Sprache. Dasselbe sehe ich auch in seinem
stets aufrechterhaltenen Postulat, die Bildung
So sehr Weisgerber die zentrale Stellung und wie das zureichende Verstehen von Sätzen
Wichtigkeit der sprachlichen Inhalte betonte, seien nur vorstellbar, wenn man eine über-
so wollte er doch einen solchen Inhalt nur schaubare Anzahl von dafür zu verwenden-
dort gelten lassen, wo als Signalisierung ent- den semantisch-formalen Strukturen (›Satz-
weder ein besonderer Wortkörper (bzw. eine bauplänen‹) annehme (siehe dazu 4.3.).
besondere grammatische Form) vorhanden Zum Abschluß dieses Abschnitts über ›Vollkom-
war oder eine besondere, eindeutige Einbet- menheitsansprüche gegenüber der Sprache‹ noch
tung in eine semantische Struktur, nämlich in eine persönliche Erinnerung. Als ich einmal in
ein ›Feld‹. Dieser Begriff wurde um 1930 von einem Zweiergespräch mit Weisgerber auf die Un-
Jost Trier (1894—1970) in die deutsche vollkommenheit aller sprachlichen Mittel und auf
Sprachwissenschaft eingeführt — man kann die immer wieder anzutreffenden Grenzen für eine
ihn ebenfalls als ein Stück Auswirkung der klare Ordnung und Systematisierung hinwies, pro-
Saussureschen Auffassung von der Sprache
814 III. Positionen

testierte er leidenschaftlich und sagte (den ersten nen (besonders eindeutige Formulierungen
Teil des Satzes habe ich nicht mehr wörtlich im dafür in Weisgerber 1974, 264—270). Er
Kopf, ich kann ihn nur sinngemäß wiedergeben, fürchtete hier immer, man gerate in einen
aber der abschließende Vergleich mit dem Haufen Behaviorismus oder einen Psychologismus
Sand ist mir noch im Ohr): „Und wenn es in der und verfehle dadurch die Sprache selbst, das
Sprache wirklich so wenig Ordnung gibt, wie Sie Objektivgebilde hinter allen diesen individu-
es sagen, so ist sie für mich uninteressant und nicht ellen Reaktionen und Leistungen. Damit wer-
besser als ein Haufen Sand“. tete er aber auch die gesamten operationalen
Verfahrensweisen ab, alles Arbeiten mit In-
2.3.2. Überschätzung vorhandener formanten, und auch die Kontrolle der eige-
Fachausdrücke (Termini) nen Intuition mit Hilfe von systematisch ge-
führten Proben und durchgehenden Textana-
Aus der in 2.3.1. dargestellten sprachphilo- lysen, und er geriet um so leichter in den Bann
sophischen Grundhaltung ist auch verstehbar, von Konstruktionen und Spekulationen.
daß Weisgerber auf ›sprechende Termini‹ gro-
ßes Gewicht legte und daß er aus einer (hi- 2.3.4. Widerstand gegen die Annahme
storisch entstandenen, daher oft zufälligen) bloßer Morphostrukturen, die ohne
Verschiedenheit von Fachausdrücken auch Einfluß auf Semantik und Pragmatik
eine Verschiedenheit der begrifflichen Fas- sind
sung herauslesen zu müssen glaubte. So ver-
suchte er z. B. die seit langem nebeneinander- Der Vollkommenheitsanspruch gegenüber der
stehenden Bezeichnungen ›Satzteile‹ und Sprache führte nicht selten zur Überschät-
›Satzglieder‹ (für ‘Subjekt’, ‘Objekte’ usw.) als zung formalgrammatischer Strukturen. Wohl
Repräsentation verschiedener Stufen bei der das schlagendste Beispiel dafür ist die An-
Analyse zu interpretieren, und er kam dann sicht, in einem Satzbauplan mit Akkusativ
zu einem Aufbau „Satzstücke — Satzteile — der Person (z. B. ‘jemanden mit etwas verse-
Satzwerte—Satzglieder“ (Weisgerber 1963, hen’, ‘ihn mit einer Sache beliefern’) werde
80). Dabei charakterisierte er die Satzstücke der hier beteiligte Mensch, der Empfänger der
als ›von den Wortarten her zu verstehen‹, die betreffenden Leistung, weniger deutlich in sei-
Satzteile als ›mindestens in gewissen formalen ner personalen Würde gezeigt als in einem
Bedingungen greifbar‹, die Satzwerte als ›mit sachlich äq uivalenten Satzbauplan mit Dativ
den Eigenarten der Wortstellung zusammen- der Person und Akkusativ der Sache (also:
hängend‹ und schließlich die Satzglieder als ‘jemandem etwas geben’, ‘ihm eine Sache lie-
›Elemente innerhalb eines bestimmten Bau- fern’). Weisgerber übernahm hier (Weisgerber
planes‹. 1958, 64—74) Brinkmanns Interpretation des
Kennzeichnend für seine Überschätzung der Ter- Dativs als ›Kasus der sinngebenden Person‹,
mini ist hier auch seine Ausdrucksweise (Weisgerber nämlich daß „der Dativ den Menschen als
1963, 84): „Von hier an haben wir das Recht [Her- Person zur Geltung bringt“ (Brinkmann 1953,
vorhebung von mir], von Satzgliedern zu sprechen“ 104 ff). Auch hier steht im Hintergrund eine
— wo man erwarten dürfte: ‘Von hier an ist es sprachphilosophische Grundannahme, die
sinnvoll, von Satzgliedern zu sprechen’ oder ‘Um man (vielleicht etwas überspitzt) so formulie-
diese Bestimmtheit durch eine umgreifende Struk- ren könnte: Einem formalgrammatischen Un-
tur, den Satzbauplan, deutlich zu kennzeichnen, ist terschied, wie demjenigen zwischen Akkusativ
es nützlich, den Fachausdruck ‘Satzglieder’ zu ver- und Dativ, muß immer auch ein Bedeutungs-
wenden’. unterschied zugeordnet sein, oder lapidar: Es
kann keine bloßen grammatischen Mechanis-
2.3.3. Ablehnung jedes Ausgehens vom men geben.
individuellen Verstehen und damit
einer intersubjektiven Methodik 2.3.5. Die historische Leistung von
Weisgerber
Die hohe Einschätzung der Sprache als einer
über-individuellen Macht (sie zeigt sich auch Alle hier herausgestellten Verengungen in den
in der oft kritisierten Redeweise von den sprachphilosophischen Annahmen und ihre
›Kräften der Sprache‹ sowie der Kennzeich- Auswirkungen für das wissenschaftliche Vor-
nung des geforderten Vorgehens als ›energe- gehen und seine Ergebnisse im einzelnen sol-
tische Sprachwissenschaft‹) führte Weisgerber len aber nicht den Blick für die Gesamtlei-
auch zu einer grundsätzlichen Ablehnung je- stung Weisgerbers trüben: die Wendung des
des Ansetzens an individuellen Verstehens- Forschungsinteresses von den Lautungen und
reaktionen und individuellen Textproduktio- ihrem Wandel zu den semantischen Einheiten
und Strukturen als dem Kernbereich jeder
58.  Die philosophischen Grundlagen der Sprachinhaltsforschung 815

Sprache — der ständige Hinweis, die Sprache sind nicht durch die ihnen als Signalisierung
sei ein soziales Objektivgebilde, und damit ein dienenden Wörter, Wortkomplexe usw. deter-
wichtiger Beitrag zur Überwindung psycho- miniert. Eine Bedeutung ist nicht eine Funk-
logistischer Kurzschlüsse — der ständige Hin- tion des sie signalisierenden Wortes bzw.
weis (in völliger Übereinstimmung mit Saus- Wortkomplexes (so daß aus einer ›Wurzel‹
sure, der sonst außer von Karl Bühler (1879— verschiedene Bedeutungen ›herauswachsen‹
1963) (s. Art. 38) und von Trier in der deut- oder ›sich entwickeln‹, wie man es in der äl-
schen Linguistik bis in die 60er Jahre hinein teren Wortgeschichte nicht selten annahm).
nicht und dann sehr einseitig rezipiert wurde), Vielmehr ist jeweils die Bedeutung als primär
daß alle semantischen Einheiten und Struk- anzusehen. Sie ist ein Ergebnis gedanklicher
turen (›Wortinhalte‹ und ›Satzbaupläne‹) Akte, zuerst vollzogen von einem einzelnen
nicht a priori vorhanden, sondern von Men- Sprachteilhaber aus seinen jeweiligen Bedürf-
schen im Rahmen ihrer Gesellschaften ge- nissen und Absichten heraus, dann von an-
schaffen und weitergebildet wurden und noch dern Sprachteilhabern (zuerst oft nur tastend)
werden, als ›gedankliche Zugriffe‹ — und erfaßt und nachvollzogen, dann oft von die-
nicht zuletzt die Sensibilisierung weiterer sen andern Sprachteilhabern auch von sich
Kreise in Wissenschaft und Öffentlichkeit für aus verwendet und damit aus einem Bestand-
die Wichtigkeit der Sprachverwendung. Auch teil eines individuellen Sprachbesitzes zu
wenn die diesbezüglichen Unterscheidungen einem Bestandteil einer Sprache als eines
Weisgerbers (›leistungsbezogenes‹ und ›wir- überindividuellen Bestandes, eines (zuerst
kungsbezogenes‹ Vorgehen als getrennte Stu- sehr begrenzten) sozialen Objektivgebildes ge-
fen) selbst in seinem engeren Kreis kaum auf- worden. Bedeutungen und Wörter können da-
gegriffen worden sind, so hat er doch in man- her auch eine getrennte Geschichte haben,
chem die Entwicklungen, die man manchmal und man muß ein Wort immer von der von
als ‘die pragmatische Wende der Linguistik ihm signalisierten Bedeutung her sehen —
und Sprachdidaktik’ bezeichnet, auf seine Art und nicht umgekehrt die Bedeutung vom
mitvorbereitet, und er ist aus der Entwicklung Wort und von dessen Aufbau her.
der Sprachwissenschaft, jedenfalls im gesam- Zwei einfache Beispiele: Die Bedeutungen, die man
ten deutschsprachigen Bereich, nicht wegzu- als Sprecher/Schreiber durch die deutschen Nomen
denken. ‘Vorsicht’ und ‘Rücksicht’ signalisiert, müssen im
Sprachbesitz des Hörers/Lesers schon als solche
gespeichert (gelernt worden) sein, sie können nicht
3. Sprachphilosophische Annahmen zureichend aus den bloßen Wortbestandteilen
für eine durch Proben gestützte und ‘vor-’ und ‘-sicht/sehen’ bzw. ‘rück-’ und ‘-sicht/
pragmatisch gerichtete sehen’ konstruiert werden.
Sprachinhaltsforschung
3.2. Konstitutive Unschärfe vieler
3.1. Relative Selbständigkeit der Bedeutungen, Sprache als grundsätzlich
semantischen Einheiten und Strukturen unvollkommener und offener System-
gegenüber den Formalstrukturen und Komplex
Lautungen Bedeutungen sind nicht von Logikern ge-
Die semantischen Einheiten und Strukturen schaffen worden zwecks Einsetzens als Ar-
— Wortbedeutungen, höhere grammatische gumente in logische ›Sätze‹. Sie wurden ge-
Kategorien, speziell Verbbedeutungen samt schaffen in vielfältiger gesellschaftlicher Zu-
zugehörigen Stellen für Satzglieder, dann die sammenarbeit von unzähligen Sprachteilha-
Strukturen für gedankliche Verknüpfung gan- bern mit praktischen Interessen. Die Abgren-
zer verbal strukturierter Wortkomplexe, die zungsschärfe richtet sich daher nach den Be-
›Sätze‹ bzw. Propositionen (cf. 3.5.) — sind dürfnissen praktischer Brauchbarkeit, nicht
gedankliche Größen eigenen Rechts. Sie wer- nach theoretisch wünschbarer Eindeutigkeit
den zwar beim Sprechen/Schreiben durch die und Widerspruchsfreiheit. Scharfe Abgren-
hörbaren/sichtbaren Wörter und Wortkom- zungen und klare Definitionen, d. h. die Ent-
plexe (gegebenenfalls mit besonderen Formen wicklung zu wissenschaftlichen Begriffen, ste-
und/oder besonderer Reihenfolge) signali- hen nicht am Anfang der Sprachentwicklung
siert, und sie werden beim Hörverstehen und (und noch weniger am Anfang des individu-
Leseverstehen auf Grund der identifizierten ellen Spracherwerbs beim Kind), sondern sie
Wörter, Wortkomplexe usw. im Gehirn des sind stets verhältnismäßig späte Produkte be-
Hörenden/Lesenden aufgerufen — aber sie wußter, systematischer Regelung, Produkte
816 III. Positionen

von mathematisch orientierter Wissenschaft, im vollen Licht des Bewußtseins standen, zu


auch wenn es sich um wissenschaftliche Ent- einem völlig unbewußten Besitz (cf. 2.3.1.),
wicklungen und Normierungen handelt, die der dann meistens nur noch in automatisierter
schon vor Jahrtausenden erfolgten, z. B. für Weise bei den Verstehensprozessen und Text-
‘Stunde’, ‘Tag’, ‘Jahr’ oder für die natürlichen produktionsprozessen aktiviert wird.
Zahlen als beliebig fortsetzbare Aneinander-
reihung. Konstitutive Unschärfe, oft auch 3.4. Zur wissenschaftlichen Zugänglichkeit
mehr oder weniger große Verschiedenheit von von Bedeutungen
einem Sprachteilhaber zum anderen, besteht
heute noch und ist unaufhebbar bei zentralen Auch für die wissenschaftliche Analyse sind
Bedeutungen im Bereich des menschlichen die Bedeutungen nur insofern direkt zugäng-
Zusammenlebens, Handelns und Wertens, lich, als es sich um das eigene Sprachverständ-
z. B. für ‘Arbeit’, ‘Stolz’, ‘Verantwortung’, nis und ›Bedeutungs-Erleben‹ des jeweiligen
‘Selbstbestimmung’, ‘Demokratie’, ‘Anpas- Linguisten handelt, also in Selbstbeobach-
sung’, usw. (s. Art. 98). Dieser konstitutiven tung, und dabei zeigen sich alle Probleme des
Unschärfe in zentralen Bereichen muß man zureichenden Erfassens von etwas, das primär
auch bei aller wissenschaftlichen Analyse als unbewußter, bei der Sprachverwendung
Rechnung tragen. Man darf keine höhere Ge- immer nur ausschnittsweise bewußt werden-
nauigkeit erwarten, oder durch scheinbar ma- der Besitz vorhanden ist. Es müssen daher
thematisch-formalisierende Darstellung oder besondere Methoden verwendet werden, wel-
durch ein ›Gesetz des Feldes‹ vortäuschen, als che (a) das möglichst vollständige Erfassen
sie dem in den Sprachen Gegebenen tatsäch- und Abgrenzen der Bedeutungen in (sehr dis-
lich eigen ist. ziplinierter) Selbstbeobachtung ermöglichen
und welche (b) eine Überprüfung durch Ver-
3.3. Wie bilden sich Bedeutungen bei den gleich mit den Bewußtmachungs-Resultaten
neuen Sprachteilhabern? anderer Forscher und durch Beobachtung des
spontanen Sprachverhaltens von ›Laien-In-
Bedeutungen kann man nicht direkt erlernen, formanten‹ gestatten. Diese Methoden lassen
durch Nachahmung, wie es für die Lautungen sich einordnen als eine Fortsetzung und Ver-
der Wörter und die Stimmführungen der feinerung der operationalen Verfahren
Sätze möglich ist. Auch im günstigsten Fall, (Klangproben, Verschiebeproben/Kommuta-
wenn man als Lernender genügend genaue tionen, Ersatzproben/Substitutionen usw.),
und gut verständliche Erklärungen erhält (in die seit Beginn der 40er Jahre für die Über-
Gesprächen oder aus Nachschlagewerken), prüfung der traditionellen grammatischen
muß man im eigenen Kopf eine entsprechende Kategorien entwickelt wurden und an man-
gedankliche Gestalt aufbauen und speichern, chen Stellen zur Neufassung solcher Katego-
und man muß diese gedankliche Gestalt dau- rien oder zur Bildung ganz neuer Kategorien
erhaft mit dem ihr als Signalisierung zugeord- führten (Glinz 1952, 49—59; knapp in Glinz
neten Wort (oder ganzen Wortkomplex) ver- 1975, 13—20). Für die heutigen Sprachzu-
knüpfen. Sehr viele Bedeutungen lernt man stände kann man dabei gleicherweise von Be-
aber gar nicht über solche Erklärungen, son- funden an Texten wie von Verstehensreaktio-
dern mehr oder weniger intuitiv beim Zuhö- nen und entsprechenden Textproduktionen
ren und vor allem beim Lesen, in einem oft heute lebender Sprachteilhaber ausgehen (›In-
tastenden eigenen ›Bedeutungsentwurf‹, der formanten‹). Für ältere Sprachstufen bleiben
sich dann durch weitere Erfahrungen in Ge- als erste und sicherste Quelle nur die Befunde
sprächen und beim Lesen entweder bewährt an Texten, dazu sekundär die Verstehensreak-
oder so lange umgebaut und angepaßt wird, tionen derjenigen Forscher, die diese Texte
bis er insgesamt dem Bestand im Objektiv- lesen gelernt haben.
gebilde ›Sprache‹ genügend entspricht und
damit ein als befriedigend taxiertes Verstehen 3.5. ›Satz‹ als grammatische Einheit (clause)
des in der betreffenden Sprache Gesproche- und ›Satz‹ als Einheit der
nen und Geschriebenen gestattet. Oft erfaßt Stimmführung/Mitteilung (sentence)
man dann immer noch nicht die ganze An-
wendungsbreite einer Bedeutung, sondern nur Es gehört zu den Verdiensten von Weisgerber,
diejenigen Ausschnitte, die für die betreffen- daß er immer wieder neben der inhaltbezo-
den Situationen gerade wichtig waren. genen Erforschung der Einzelzeichen (d. h.
Schließlich werden alle derartigen Lernresul- dem kritischen Aufweis der Bedeutungen als
tate, auch wenn sie im Moment des Lernens dem Ergebnis ›gedanklicher Zugriffe‹) eine
entsprechende Erforschung der syntaktischen
58.  Die philosophischen Grundlagen der Sprachinhaltsforschung 817

Strukturen gefordert und zu praktizieren ge- in Sätze produziert und vorgelegt, z. B. lyri-
sucht hat (Aufweisen der ›Satzbaupläne‹). Da- sche Gedichte. Bis zum Aufkommen des
bei wurde die Diskussion oft behindert durch Buchdrucks (15. Jh.) war es die Regel, daß
Mißverständnisse, weil in der deutschen man in der Schrift nur die Folgen von Pro-
sprachwissenschaftlichen Terminologie der positionen festhielt, durch die Wörter. Satz-
gleiche Fachausdruck ‘Satz’ für zwei verschie- zeichen, obwohl ein Satzzeichensystem schon
dene Begriffe verwendet wurde (und weithin von den Alexandrinern, 3. Jh. vor Chr., ent-
noch heute verwendet wird), nämlich einer- wickelt worden war, gab es nur in verschwin-
seits für die Einheiten der grammatischen dend wenigen Handschriften. Die Einteilung
Strukturierung, die meistens auf einem Verb in Sätze, genauer: das Hineinlegen von Satz-
basieren (englisch ‘clause’, französisch ‘pro- grenzen, wie auch das Erkennen eines Satzes
position’, italienisch ‘proposizione’) und an- als Frage, war eine Sache des jeweiligen Le-
derseits für die Einheiten der klanglichen Prä- sers, der ja auch meistens laut las, und nicht
sentation, konstituiert durch die Stimmfüh- still wie heute. Die heutige Interpunktion aller
rung bzw. im geschriebenen Text durch gro- mittelalterlichen und antiken Texte stammt
ßen Anfangsbuchstaben am Anfang und ein nicht aus den ursprünglichen Handschriften,
Satzschlußzeichen (Punkt, Ausrufezeichen, sondern von den jeweiligen Herausgebern.
Fragezeichen) am Ende (englisch ‘sentence’,
französisch ‘phrase’, italienisch ‘periodo’). In 3.7. Oft irreguläres Verhältnis zwischen den
Beispielen: Bedeutungen und den sie
signalisierenden Wörtern und
Formalstrukturen
Man muß immer damit rechnen, daß ver-
schiedene Verhältnisse bestehen zwischen den
Wörtern und Formalstrukturen (morphosyn-
taktischen Strukturen) einerseits und den Be-
deutungseinheiten und ganzen Bedeutungs-
strukturen (mit Stellen für einfügbare Bedeu-
tungseinheiten) andererseits. Man muß daher
ausdrücklich auf zwei sprachphilosophische
Annahmen verzichten, von denen bisher oft
Je zwei Propositionen (propositions, clauses), jede (wenn auch meist unreflektiert, ja dem jewei-
auf einem Verb basierend, hier auch ein Subjekt ligen Forscher gar nicht bewußt) ausgegangen
enthaltend (was nicht immer der Fall ist), aber wurde: (a) daß im Sinn eines idealen sprach-
durch Stimmführung bzw. Satzzeichen präsentiert lichen Zeichens, ausgehend vom überschätz-
als eine einzige Einheit der Mitteilung (une phrase, ten Schema bei Saussure (1916, 99) eine Ein-
a sentence, ein ›Satz‹ oder ›Ganzsatz‹). heit des ›signifié‹, eine Bedeutung, einer und
nur einer Einheit des ›signifiant‹ (einem Wort)
3.6. Texte: Folgen von Propositionen, entsprechen müsse; (b) daß immer eine klar
meistens auch eingeteilt in Sätze faßbare Grenze bestehe zwischen den isolier-
baren einzelnen Bedeutungseinheiten und den
Ein Text kann nun definiert werden als eine ganzen Bedeutungsstrukturen für die Kombi-
Folge von Propositionen (im Grenzfall eine nation der einzelnen Einheiten, elementar ge-
einzige Proposition). Bei mündlicher Textpro- sagt: daß es zwischen Wortschatz und Syntax
duktion ist diese Folge von Propositionen klare Grenzen geben müsse.
immer auch eingeteilt in Sätze, nämlich durch Ein Beispiel für das Nicht-Zutreffen der An-
die Stimmführung — auch wenn bei einer nahme (a) bietet das Wort ‘Existenz’. Hier sind mit
Analyse (z. B. zwecks Verschriftung) nicht im- dem gleichen Wort (mindestens) drei verschiedene
mer eindeutig zu entscheiden ist, wie weit ein Bedeutungen verknüpft:
Satz geht und wo ein neuer beginnt. Auch bei (1) Existenz = Vorhandensein, neutral gesehen
schriftlicher Fassung sind heute allermeistens (für Personen wie für Sachen, Erscheinungen usw.),
die Folgen von Propositionen auch in Sätze z. B. ‘die Existenz dieses Menschen’, ‘für die Exi-
eingeteilt (im Grenzfall als ein einziger Satz stenz solcher Erscheinungen’.
gekennzeichnet) durch die Großschreibung (2) Existenz = Lebensweise, Lebensmöglichkeit
der Satzanfänge und die Satzschlußzeichen (dann genauer zu charakterisieren, z. B. ‘Er führte
Punkt, Ausrufezeichen und Fragezeichen. Ge- eine elende Existenz’ oder ‘Dieser Beruf verspricht
legentlich werden aber noch heute schriftliche eine gesicherte Existenz’).
Texte ohne Satzzeichen, d. h. ohne Einteilung
818 III. Positionen

(3) Existenz = Mensch (meist im Plural), oft ‘leben’ ersetzbar, z. B. ‘In dieser Stadt lebte einst
negativ gesehen, z. B. ‘Es gab dort eine Reihe sol- ein großer Musiker’. Auch bei Nicht-Personalem
cher zweifelhafter Existenzen’. sind oft speziellere Verben möglich (auch mit festem
Die Beispiele für das Nicht-Zutreffen der An- Reflexiv-Akkusativobjekt), und zwar im Blick auf
nahme (b) lassen sich aus dem gleichen gedankli- die Lage und Erstreckung des als ›vorhanden‹ Dar-
chen Bereich entnehmen. Mit dem Verb ‘existieren’ zustellenden, aber ohne die vollen Bedeutungen,
ist oft ein ziemlich klarer Bedeutungskern verbun- die diese spezielleren Verben in andern Kombina-
den (‘irgendwo auf der Welt vorkommen’, ‘antreff- tionen signalisieren: ‘Links stand ein Baum —
bar sein’) und dazu eine Stelle für die Nennung von Rechts erhob sich ein hohes Haus — Dahinter er-
irgend etwas, das als vorkommend, als auf der Welt streckte sich ein Feld — Der Garten zog sich bis
antreffbar genannt werden soll, z. B. ‘Solche Men- an den Fluß hinunter’, usw.
schen existieren’ oder ‘Ein solcher Bericht existiert’.
Dazu können Stellen für Angaben von Ort, Zeit, 3.8. Wie wichtig ist die Formalstruktur für
Geltungsgrad eingefügt und durch entsprechende die Bedeutung?
Bedeutungseinheiten (signalisiert durch Einzelwör-
ter oder mehrwortige Ausdrücke) besetzt werden, Diese Frage stellt sich besonders auch beim
z. B. ‘Damals existierte in einem geheimen Dossier Übergang von einer Sprache zur andern. Im
ein solcher Bericht’ oder ‘Vermutlich hat ein solcher Französischen kann man dem deutschen ‘Es
Bericht überhaupt nie existiert’. gibt ...’ das ‘Il y a ...’ gegenüberstellen, auch
Das gleiche Verb ‘existieren’, mit einer Struk- hier mit einem fixen Formalsubjekt ‘il’ und
turstelle für die Nennung eines Lebewesens, kann der Nennung des als ›vorhanden‹ Darzustel-
aber auch die Bedeutung signalisieren, ‘leben, in lenden an der Formalstelle ›complément d’ob-
einigermaßen zumutbarer Weise’, und zwar in jet direct‹. Neben dem auch schon als Orts-
Kombination mit ‘können’ und einer Angabe der angabe interpretierbaren ‘y’ sind noch nach-
Art (z. B. der verfügbaren Ressourcen), oft auch drücklichere Ortsangaben möglich, z. B. ‘Il y
mit Verneinung: ‘Mit so wenig Geld kann man avait là un petit trou’. Dagegen hat das Eng-
nicht existieren’ oder ‘Unter diesen Bedingungen lische die Konstruktion ‘There is ...’, ‘There
können keine Tiere mehr existieren’. Das Vorhan- are ...’ mit nachfolgendem Subjekt, z. B.
densein dieser Bedeutung von ‘existieren’ ist also ‘There was a little hole’. Es ist nun sehr frag-
gebunden an die Kombination mit der Bedeutung lich, ob diese verschiedene Verwendung for-
von ‘können’ (es braucht nicht dieses Wort vorzu- malgrammatischer (morphosyntaktischer)
liegen, möglich ist z. B. ‘So läßt sich schon existie- Mittel über die Bedeutungen und damit letzt-
ren’) und an die Nennung gewisser erforderlicher lich über die ›gedankliche Verarbeitung von
Bedingungen (‘so’, ‘mit diesen Mitteln’, usw.). Welt in einer Sprache‹ irgend etwas aussagt.
Für die praktisch gleiche Bedeutung von ‘vor- Man muß wohl anerkennen (im Gegensatz zu
kommen’, ‘vorhanden sein’, ‘in der Welt antreffbar Weisgerber, cf. 2.3.4.), daß es hier morpho-
sein’ steht aber im Deutschen auch ‘es gibt ...’ zur syntaktische Unterschiede gibt, die für die
Verfügung — also der Kern einer finiten Proposi- Bedeutungen (und damit für die ›Welt-Auf-
tion, in welcher das jeweils als vorkommend, als fassung‹) gar nichts aussagen, die als reine
vorhanden zu Kennzeichnende nicht die Subjekts- ›grammatische Mechanismen‹ anzusehen sind
stelle einnimmt, wie bei ‘existieren’, sondern die — auch wenn das vielleicht im Moment der
Stelle eines Akkusativobjekts, z. B. ‘Es gibt einen Schaffung dieser sprachlichen Mittel, vor lan-
solchen Menschen’, ‘Einen derartigen Bericht gab es ger Zeit, einmal anders war (oder jedenfalls
nie’. Diese Bedeutung ist an die Kombination von gewesen sein kann). Es gibt ja auch innerhalb
‘geben’ mit dem Formalsubjekt ‘es’ gebunden, sie einer Sprache gelegentlich einen verschiede-
ist keineswegs aus den sonstigen von ‘geben’ signa- nen morphosyntaktischen Aufbau, dem kaum
lisierten Bedeutungen ableitbar. jemand eine Bedeutungsdifferenz zuschreiben
Bei der verbalen Wortkette ‘vorhanden sein’ ist wird, z. B. ‘jemandem begegnen’ (mit Dativ-
die Bedeutung (hier gewissermaßen verteilt auf das objekt) gegenüber ‘jemanden antreffen’ (mit
Satzadjektiv ‘vorhanden’ und das Verb ‘sein’) deut- Akkusativobjekt).
lich enger, weil man wohl sagen kann ‘Ein solcher
Bericht war vorhanden’, aber kaum *‘Ein solcher 3.9. Ein Schichtungsmodell des gesamten
Mensch war vorhanden’. Das Satzadjektiv ‘vorhan- individuellen Sprachbesitzes
den’ kann man nicht weglassen (man kann nicht (der ›Gesamt-Kompetenz‹)
sagen *‘Ein solcher Bericht war damals’). als Orientierungshilfe
Dagegen ist für die ganze Weite der Bedeutung Wenn man sich den innern Aufbau des gesam-
von ‘auf der Welt antreffbar sein’ die Kombination ten Sprachbesitzes eines Menschen (seiner
von ‘sein’ mit einer (meistens vorangestellten) ›Kompetenz‹, auch für verschiedene Varian-
Raumangabe und einem Subjekt möglich: ‘Da war ten einer Sprache und ganze andere Sprachen)
doch einmal etwas’ oder ‘Vor der Tür ist jemand’. vorstellen will, kann man das folgende Denk-
Hier ist für alle Lebewesen das Verb ‘sein’ oft durch modell zu Hilfe nehmen, in welchem insge-
58.  Die philosophischen Grundlagen der Sprachinhaltsforschung 819

samt sieben Schichten oder Bereiche unter- gien für das Textschaffen und Textverstehen
schieden werden, hier vorgeführt von ›unten‹ (oberhalb der semantischen Strukturen aus
nach ›oben‹ bzw. von ›außen‹ nach ›innen‹, Bereich III, die nur bis zu Propositionen oder
bis zum Zentralsten (genauere Angaben bei Propositionen-Paaren reichen), also z. B. ver-
Glinz 1987 c). schiedene Erzählmuster (chronologisch vor-
Bereich VII: Das Schreibungssystem, Or- gehen — mitten drin ansetzen und mit Rück-
thographie und Interpunktion. Es ist grund- blenden und Vorausblicken arbeiten usw.)
sätzlich sekundär, entwickelt vom Lautungs- oder die Muster für den Aufbau argumentie-
system her (Bereich VI), zum Teil auch direkt render Texte. Dabei lassen sich keine scharfen
von den Bedeutungen her (Bereich III). Grenzen ziehen zwischen relativ festen
Heute, bei der allgemeinen Verbreitung von Mustern und flexiblen, weitgehend offenen
Lesen und Schreiben, rückt es aber oft in die Strategien (Abwandlung von Mustern, Schaf-
Rolle eines primären Systems, und die Lau- fung neuer Muster ad hoc usw.). Ebensowenig
tungen werden (als ›Aussprache‹) den Schrei- lassen sich scharfe Grenzen ziehen zwischen
bungen nachgeordnet. den Strategien für Sprachverwendung (beim
Bereich VI: Das Lautungssystem. Hierher Textschaffen wie beim Textverstehen) und den
gehört alles, was zur Unterscheidung der Strategien für Handeln und Denken über-
Wörter und ihrer verschiedenen grammati- haupt, insbesondere auch allen Lern-Strate-
schen Formen dient, also nicht nur Phonetik gien, weit über das rein Sprachliche hinaus.
und Phonologie (Phonemik), sondern die ge- Bereich I: Der Zentralbereich der Person-
samte ›Phono-Morphologie‹ oder ›Morpho- Konstitution, das ›Ich‹, das Gesamt der (be-
Phonemik‹, mit allen Allophonen und All- wußten und unbewußten) Vorstellungen und
omorphen; so wird z. B. der Plural der deut- inneren Bilder von der eigenen Stellung und
schen Nomen durch sehr verschiedene Lau- Aufgabe in der Welt, den Bedürfnissen, Zielen
tungsänderungen dargestellt (‘Mal/Male’ ge- und Möglichkeiten, für sich selbst und für
genüber ‘Tal/Täler’ oder ‘Saal/Säle’ usw.). andere. Von hier aus wird letztlich auch alle
Bereich V: Die ganzen Stimmführungsge- Sprachverwendung gesteuert. Gewiß ist die
stalten, die ›Satzphonologie‹ (suprasegmental Erforschung dieses Zentralbereichs nicht pri-
phonemes), d. h. alles Klangliche oberhalb mär die Aufgabe der Linguistik, sondern der
der Wortlautungen, die klangliche Realisa- Psychologie und Anthropologie (auch der So-
tionsweise überhaupt (mit Einschluß von ziologie, ja der Theologie, wenn man will) —
Tempo, Klangfarbe, usw.). Hierzu gehört aber der Linguist muß auch für seine ganze
auch die Einteilung aller gesprochenen Texte Arbeit stets die zentrale Stellung dieses Be-
in Sätze als Stimmführungs-Einheiten (cf. reichs sehen und anerkennen (s. Art. 110, 101,
3.5.). 103).
Bereich IV: Der lexisch-morphosyntaktische
Bereich, die Wörter in den verschiedenen 3.10. Sprachverwendung ist nicht nur
Wortarten und ihre grammatischen Formen, Kommunikation; Wichtigkeit der
z. B. die grammatischen Geschlechter, die Ka- person-internen Sprachverwendung
sus usw. In diesem Bereich kommt es noch
nicht darauf an, wie direkt oder indirekt alle Sprachverwendung erschöpft sich nicht in
diese Wörter, Formen und formalen Kombi- Kommunikation, obwohl das heute nicht sel-
nationsstrukturen mit den Bedeutungen aller ten geglaubt wird. Sprache wird zwar nur in
Art verknüpft sind (cf. 3.7.), es kann sich um Kommunikation erlernt: im Kleinkindalter
reine grammatische Mechanismen handeln ausschließlich, und auch später immer wieder,
(cf. 3.8.), z. B. bei der Forderung von Dativ in Wechselkommunikation, mit anwesenden
oder Akkusativ nach Präposition (‘mit dir Partnern (cf. 3.3.), dann auch in Einwegkom-
oder ohne dich’), verglichen mit der einheit- munikation als Hörer (sei es direkt, sei es an
lichen Form des Pronomens nach Präposition elektronischen Medien), und vor allem in Ein-
im Französischen (‘avec toi ou sans toi’). wegkommunikation als Leser; bei der Ein-
Bereich III: Der semantische Bereich, die wegkommunikation kommt zwar der Text
Bedeutungen und ganzen Bedeutungsstruk- von einem Partner, aber dieser ist nicht an-
turen, gleichgültig ob sie durch einfache Wör- sprechbar, manchmal schon lange nicht mehr
ter, ganze Wortkomplexe oder ganze For- am Leben. Sobald aber ein Mensch einmal,
malstrukturen oder Kombinationen von bei- als kleines Kind, durch Kommunikation die
dem signalisiert sind (cf. 3.7.). Sprachverwendung gelernt und einen Sprach-
Bereich II: Die ganzen Muster und Strate- besitz erworben hat, benützt er diesen Sprach-
820 III. Positionen

besitz auch außerhalb der Kommunikation, im derartige Forschung auch für die Sprachpra-
›Sprechen für sich selbst‹ oder ›inneren Spre- xis (Sprachverwendung insgesamt, speziell
chen‹, d. h. in person-interner Sprachverwen- Spracherwerb, Sprachunterricht, aber auch
dung. Man macht sich etwas klar, indem man politische Beeinflussung usw.) fruchtbar wer-
es für sich (still oder laut, aber ohne Partner) den kann.
formuliert, indem man es ›in Worte faßt‹, d. h.
durch Schaffung eines (meist mündlichen, ge- 4.2. Nur sehr beschränkt möglich und
legentlich aber auch schriftlichen) Textes sym- anzustreben: Einzelnachweise für den
bolisch repräsentiert (und durch den schrift- Einfluß bestimmter Sprachinhalte auf
lichen Text zugleich dauerhaft festhält). Oft das Denken und Handeln der
kontrolliert man ein eigenes Handeln durch Sprachteilhaber
solches Sprechen für sich selbst (z. B. wenn
man Geld zählt oder wenn man eine einiger- Am schwersten objektiv nachzuweisen sind
maßen komplizierte Handlung ausführt und wohl die Auswirkungen bestimmter sprachli-
dabei die einzelnen Schritte auch sprachlich cher Inhalte, bestimmter Bedeutungen (so-
mehr oder weniger vollständig repräsentiert). wohl als Einzeleinheiten wie als ganze Struk-
Ausrufe oder laute Klagen dienen oft der turen) auf das Denken und Handeln (die ›ge-
emotionalen Entlastung — auch wenn kein dankliche Welt-Verarbeitung‹) der Teilhaber
Partner anwesend ist, der sie hört. Wenn man der betreffenden Sprache — also gerade das,
die Leistungen von Sprache für einen Men- was Weisgerber speziell für das Deutsche zu
schen zureichend sehen will, muß man neben erreichen suchte. Schon das zureichende Be-
der Sprachverwendung in den verschiedenen wußtmachen und Abgrenzen aller für be-
Arten der Kommunikation (Wechselkommu- stimmte Absichten verwendbaren Sprachin-
nikation — Einwegkommunikation als Hörer halte aus dem gesamten weitgehend unbe-
und Leser oder als Sprecher und Schreiber) wußten Sprachbesitz ist eine heute noch kaum
vor allem auch auf diese person-interne gelöste Aufgabe. Wie weit die Sprachteilhaber
Sprachverwendung achten — obwohl sie von in ihrem gedanklichen (und dann in ihrem
außen nur begrenzt beobachtbar ist (am leich- materialen) Handeln überhaupt von der Ver-
testen oft beim Beobachten von Kindern, die fügbarkeit bestimmter Sprachinhalte abhän-
für sich allein spielen und dabei laufend spre- gig sind, wie weit sie gegebenenfalls das Feh-
chen und oft auch singen). len eines benötigten bzw. gewünschten
Sprachinhalts durch Kombinationen ad hoc
aus den vorhandenen Sprachinhalten wett-
4. Zur Erfüllbarkeit solcher machen können, wie weit sie gerade mit Hilfe
Forderungen; Sprachinhalts- der ihnen verfügbaren Sprache sich über die
forschung und Sprachpraxis Begrenzungen dieser Sprache erheben kön-
nen, und zwar in Ausnützung des weitgehend
4.1. Idealprogramme erleichtern den offenen Charakters gerade der zentralen
Sprachinhalte (cf. 3.2.) — das läßt sich (je-
Überblick denfalls heute und vielleicht grundsätzlich)
Mit den in 3.1. bis 3.10. dargestellten sprach- bei allen Einsichten von Linguistik und Psy-
philosophischen Annahmen und den zuge- chologie und aller computergestützten Simu-
hörigen Forderungen für die zu verwenden- lation usw. kaum so sicher sagen, daß man
den bzw. neu zu entwickelnden Methoden mit gutem Gewissen hier mit konkreter For-
und die auf sie gestützten spezielleren Begriffe schung einsetzen könnte. Dazu könnten sol-
ist nun eine Art Forderungskatalog für che Resultate, auch wenn sie sich mit ausrei-
Sprachinhaltsforschung skizziert, und aus chender Sicherheit gewinnen ließen, immer
dem in 3.9. vorgestellten Schichtungsmodell sehr leicht mißbraucht werden, indem be-
läßt sich eine Art Idealprogramm entnehmen: stimmte Sprachen oder auch Varianten einer
ein Überblick über das, was man im Blick auf Sprache als ›kognitiv weniger ertragreich‹ ab-
den Aufbau der Sprachen und ihr Funktio- q ualifiziert und die sie Sprechenden disq ua-
nieren im menschlichen Denken und Handeln lifiziert werden. Als warnendes Beispiel möge
überhaupt wissen möchte und sollte. Von hier die Aufstellung des Begriffs ‘restringierter
aus ist nun zu fragen, was realistischerweise Code’ für die Sprechweise der englischen Un-
zu erreichen ist, mit wieviel Aufwand welcher terschicht durch Basil Bernard Bernstein
Grad an Sicherheit (Intersubjektivität) dabei (*1924) genannt sein und die negativen Aus-
zu erreichen sein dürfte und wie weit die ganze wirkungen dieses Begriffs in der Soziolingui-
stik (s. Art. 56) und dem daran ausgerichteten
58.  Die philosophischen Grundlagen der Sprachinhaltsforschung 821

Sprachunterricht, bis in die Kindergärten hin- mischten ebenfalls noch an manchen Stellen
ein, in der Bundesrepublik Deutschland in die Morphostrukturen und die Bedeutungs-
den 70er Jahren. strukturen — was (richtigerweise) in der Syn-
tax der Duden-Grammatik 1984 von Horst
4.3. Erreichbar und sehr nützlich: Sitta (*1936) aufgegeben worden ist, zu Gun-
Grammatiken mit klarer sten einer konseq uent morphosyntaktischen
Unterscheidung von Morphostrukturen Bestimmung der Satzglieder.
und Semantischem Mit einem klaren Aufweisen aller morpho-
syntaktischen Strukturen innerhalb von Pro-
Eine realistische Möglichkeit — und für die positionen und für die Verknüpfung von Pro-
gesamte Praxis des Sprachunterrichts sehr positionen ist nun für eine Grammatik, die
nützlich — ist die Erarbeitung von Gramma- auch die gesamten Bedeutungsstrukturen dar-
tiken mit klarer Unterscheidung aller forma- stellen will, die unerläßliche Grundlage gege-
len Einheiten und Strukturen von den durch ben, aber noch nicht viel mehr. Es kann zwar
sie (mit ihrer Hilfe) signalisierten Bedeutungs- sein, daß einer morphostrukturellen Erschei-
strukturen. In den heute verfügbaren Gram- nung (z. B. dem Präteritum im Deutschen,
matiken werden nicht selten diese beiden Be- dem Perfekt im Lateinischen, dem ›passé sim-
reiche miteinander vermischt, indem z. B. für ple‹ im Französischen) eine ziemlich klare Be-
die Bestimmung der ›Satzglieder‹ (= der un- deutung entspricht (nämlich ‘vergangen’,
mittelbaren Bestandstücke der verbalen Pro- ‘schon vorbei’, gegenüber ‘jetzt oder erst
positionen neben dem Verb) zum Teil formale kommend’). Es kann aber auch sein, daß eine
und zum Teil semantische Kriterien verwen- morphosyntaktisch klar faßbare Erscheinung
det werden. Besonders unklar ist in dieser zwei ganz verschiedene Bedeutungsbeziehun-
Beziehung die traditionelle deutsche Gram- gen signalisieren kann, z. B. der deutsche
matik mit ihren auf sehr spekulativen sprach- Konjunktiv II einmal die Irrealität (‘sie kämen
philosophischen Annahmen beruhenden Be- morgen, wenn sie könnten’) und einmal den
griffen ‘Objekt—Attribut’ und dem rein von Bericht über Reales in der indirekten Rede
den Bedeutungen her definierten ‘Adverbiale’ (‘Es stand schon gestern fest, daß sie kämen’).
(Nachweis bei Glinz 1947, 46—53). Die Du- Ein Beispiel aus dem Bereich der Satzglieder
den-Grammatiken (1959, 1966 und 1973), die bietet die folgende Bedeutungsstruktur mit
sich selbst als ›inhaltbezogen‹ verstanden, ver- dem Verb ‘werden’ als Kern:

In der Formalstruktur sind hier die drei Satzglied- tisch äquivalente Struktur mit drei Bedeutungsstel-
len, nämlich ›Wesen als konstant gesehen, in ver-
typen Subjekt, Prädikativ (›Prädikatsnomen‹) und schiedenen Zuständen möglich‹, ›Wesen im Aus-
gangszustand‹, ›Wesen im veränderten, neuen Zu-
Präpokasus (‘aus’ + Dativ und ‘zu’ + Dativ) ver-
wendbar, und zwar das Subjekt sowohl für die stand‹. Dabei ist die Reihenfolge der zwei ersten
Stelle ›Ausgangszustand‹ (z. B. in ‘Der Feind Stellen variabel: ‘Er wurde aus einem Feind zu
wurde einem Freund’ oder ‘Aus einem Feind wurde er
ein Freund’ oder ‘Der Feind wurde zum Freund’) zu
wie für die Stelle ›neuer Zustand‹ (z. B. in ‘aus dem einem Freund’. Fraglich ist, ob auch die Besetzung
Feind wurde ein Freund’). Wenn man von der Be- der Stelle ›Wesen im neuen Zustand‹ durch Prädi-
deutungsstelle ›neuer Zustand‹ ausgeht, erkennt kativ (anstatt durch Präpokasus ‘zu’ + Dativ) von
man eine dreifach allen Deutschsprechenden als möglich anerkannt
verschiedene formale Besetzungs- wird: ‘Er wurde aus einem Feind ein Freund’. Mög-
möglichkeit: durch Prädikativ in ‘Der Feind wurde lich erscheint das, wenn an zwei zusätzlich einge-
ein Freund’, fügten Stellen die näheren Umstände (speziell: die
durch Subjekt in ‘Aus dem Feind wurde Gründe) und die Eintretensweise der Veränderung
ein Freund’und durch Präpokasus (‘zu’ + Dativ) genannt werden: ‘Durch diese Ereignisse wurde er
in ‘Der Feind wurde zum Freund’. auf einmal aus meinem erbittertsten Feind mein
Neben der Bedeutungsstruktur mit zwei festen bester Freund’.
Stellen neben dem verbalen Kern gibt es eine prak- Solche Bedeutungsstrukturen mit einem
Verb als zugleich inhaltlichem wie formalem
822 III. Positionen

Kern, mit einer oder mehreren festen Bedeu- 4.4. Einschätzen der Wichtigkeit
tungsstellen und mit Einfügbarkeit weiterer verschiedener Kompetenzbereiche für
jeweils gewünschter Bedeutungsstellen, die in erfolgreiche Sprachverwendung; sehr
sich wieder formal verschieden besetzbar sind, verschiedener Stellenwert der formalen
kann man ‘verbale Semanteme’ nennen. Man Korrektheit
muß mit einer sehr großen Zahl solcher ver-
balen Semanteme rechnen — einer ungleich Das Schichtungsmodell der Kompetenz, das
höheren Zahl, als man sie bisher wohl für die in diesem Artikel als erforderliche sprachphi-
›Satzbaupläne‹ annahm. Die verbalen Seman- losophische Annahme für eine zureichende
teme machen, neben den vielfältigen, vor al- Sprachinhaltsforschung vorgestellt ist (3.9.),
lem durch Nomen und Adjektive und ganze erweist sich auch als hilfreich für die Beant-
Nominalkomplexe signalisierten Einzelbedeu- wortung der in der Sprachpraxis (und bei aller
tungen (oder Bedeutungskomplexen) wohl Sprachkritik) oft auftretenden Frage: Was aus
den Hauptreichtum einer Sprache aus, und dem vielfältigen Gesamt einer Sprache ist wie
sie sind noch kaum für eine Sprache vollstän- wichtig für einen wirkungsvollen Gebrauch
dig herausgearbeitet worden. Gewisse An- dieser Sprache, für eine erfolgreiche Sprach-
sätze dazu finden sich noch am ehesten in der verwendung? Sehr oft stellt sich die Frage in
lateinischen Grammatik, soweit die Bedeu- spezieller Form: Wie wichtig ist die formale
tungsstellen durch Kasus und nicht durch fall- Korrektheit eines Textes (korrekte Lautung,
fremde Ausdrücke zu besetzen sind. Aussprache, Grammatik, keine Abweichun-
Das kleine oben behandelte Beispiel mit gen von der jeweils geltenden Rechtschrei-
‘werden’ mag auch zeigen, mit wieviel Flexi- bung)? Der linguistische Laie (und das sind
bilität der herauszuarbeitenden Strukturen die meisten Beurteilenden) mißt nämlich Wert
und Angemessenheit des Sprachgebrauchs bei
und mit wie vielen oft feinen Übergängen man seinen Partnern vor allem an dem, was er
bei aller Arbeit in diesem Bereich zu rechnen hören und besonders an dem, was er sehen
hat. Hier dürfte also ein zwar schwieriges und kann. Sehr viele Leute beurteilen daher die
nur in langwieriger Arbeit zu bewältigendes, Qualität eines Textes und die Sprachbeherr-
aber doch schon bei den ersten Schritten schung (ja die gesamte intellektuelle Potenz)
fruchtbares Arbeitsfeld für Sprachinhaltsfor- eines Textverfassers in erster Linie am Vor-
schung liegen. Es dürfte sich nämlich dabei handensein einer korrekten Rechtschreibung
auch zeigen, daß nicht selten die verbalen (Bereich VII). Ist die Rechtschreibung man-
Semanteme (und insgesamt: die Bedeutungs- gelhaft, so ist schnell das Urteil gemacht:
Strukturen) in den verschiedenen Sprachen ‘Dieser Mensch ist dumm, mindestens sehr
ähnlicher und damit besser vergleichbar und ungebildet — er macht so viele Fehler’. Erst
aufeinander beziehbar sind als die dafür zu in zweiter Linie achtet man meistens auf die
verwendenden Formalstrukturen; man denke (im allgemeinen seltener auftretenden) Fehler
nur an die Verschiedenheit der in verschie- bei den grammatischen Mechanismen (Be-
denen Sprachen vorhandenen Kasussysteme reich IV) und stößt sich z. B. an unkorrektem
und an die Sprachen ohne Kasus. Fallgebrauch wie ‘Er machte ein Fehler’ statt
Nicht weniger wichtig, und vielleicht sogar ‘... einen Fehler’. Recht stark reagiert man
in kürzerer Zeit zu bewältigen, dürfte eine meistens auf unkorrekte Bildung von Fle-
entsprechende Behandlung des ›komplexen xionsformen, z. B. ‘er rufte’statt ‘er rief’ oder
Satzes‹ sein, d. h. das Aufweisen der Bedeu- englisch ‘he teached’ statt ‘he taught’. In
tungsstrukturen für die Verknüpfung ganzer mündlicher Kommunikation reagiert man vor
verbaler Propositionen, weit über die traditio- allem auf abweichende Lautungen der Wörter
nellen ›Arten der Nebensätze‹ hinaus. Auch (Bereich VI) und auf ungewohnte Satzmelo-
hier ist oft die gleiche Bedeutungsstruktur dien (Bereich V). Man kommt zwar (minde-
durch sehr verschiedene Formalstrukturen stens im deutschen Sprachraum) nicht so
darstellbar, z. B. für die Irrelevanz eines Tat- schnell wie bei fehlerhafter Rechtschreibung
bestandes ‘Ob das nun so oder anders ist, so zum Urteil ‘mangelnde Sprachbeherrschung,
gilt doch ...’ oder ‘Sei das nun so oder nicht, Unfähigkeit’, wohl aber taxiert man den Spre-
so gilt doch ...’ oder noch anders. Hier liegen cher je nach seiner Aussprache als ›zur eige-
auch schon sehr wertvolle Arbeiten vor, für nen Gruppe gehörig‹ oder als ›zu einer frem-
das Deutsche z. B. die Syntax des komplexen den Gruppe gehörig‹ (z. B. in Gegenden, wo
Satzes in der Duden-Grammatik 1984 von für verschiedene Sozialschichten verschiedene
Sitta (ebenso Sitta 1971 und Boettcher/Sitta Aussprachen üblich sind, als ›Angehörigen
1972).
58.  Die philosophischen Grundlagen der Sprachinhaltsforschung 823

der Unterschicht‹) oder auch als ›aus einer Solange der Schreiber beim Wiederlesen sei-
andern Gegend kommend‹ — indem z. B. ein nes Entwurfes alle Wörter problemlos wie-
Norddeutscher zu einem Wiener sagt ‘Sie dererkennt, ist alles in Ordnung, und die Kor-
haben den typischen Wiener Akzent’, worauf rektheit der Rechtschreibung ist erst erfor-
der Wiener erwidern kann ‘Und Sie den typi- derlich für die Reinschrift, die dann auf
schen norddeutschen’. Grund des Entwurfs hergestellt wird. Und
Bei genauerer Betrachtung erkennt man wenn man nun die Wichtigkeit und Häufig-
aber leicht, daß die Korrektheit bzw. man- keit der personinternen, oft gar nicht hörbar
gelnde Korrektheit in diesen Formalbereichen werdenden Sprachverwendung (des ›inneren
(VII, VI, V und IV, cf. 3.9.) für die Qualität Sprechens‹) für das gesamte emotionale und
des Textes und für die Sprachbeherrschung intellektuelle Leben eines Menschen ins Auge
und Intelligenz des Sprechers/Schreibers sehr faßt, so erkennt man leicht, daß hier über-
wenig aussagt. Die Qualität des Textes hängt haupt nur die Kompetenzbereiche III (Bedeu-
in erster Linie von der richtigen Einschätzung tungen) und II (Muster und Strategien) eine
der Situation und des Partners und von einem Rolle spielen, dazu evtl. (bei Ausrufen, durch
klaren, überzeugenden Aufbau ab (Bereich II, die man sich emotionale Entlastung ver-
Muster und Strategien) sowie von der geeig- schafft) auch der Bereich V (Stimmführung).
neten Wahl und richtigen Auffassung und Dagegen spielt die gesamte formale Korrekt-
Kombination aller Bedeutungen (d. h. von der heit (Wortstellung, grammatische Mechanis-
sicheren Kenntnis der Bedeutungen in der be- men, Wortlautungen, Rechtschreibung) hier
treffenden Sprache). Wichtig ist für mündli- überhaupt keine Rolle.
che Texte auch eine klare Gliederung in der
Stimmführung, während Einzelheiten der 4.5. Konsequenzen für Theorie und
Aussprache (und auch im Detail abweichende Methodik des Textverstehens;
Lautungen für die grammatischen Formen) Textanteil, Situationsanteil und
zwar im Moment mehr oder weniger stören Zusatzleistung des Hörers/Lesers
(und gegebenenfalls auch belustigen), aber
vom Hörer automatisch durch die richtigen Aus den in 3. zusammengestellten sprachphi-
ersetzt werden können. losophischen Annahmen für eine zureichende
Besonders unsachgemäß ist die heute all- Sprachinhaltsforschung ergeben sich auch
gemein verbreitete Überschätzung der Recht- Konseq uenzen für die Theorie und Methodik
schreibung. Sie gilt seit etwa 130 Jahren und des Textverstehens. Manche Linguisten, aber
hat oft fatale soziale Folgen. Wie souverän auch Literaturwissenschaftler gehen nämlich
auch hochgebildete Menschen etwa in der von der völlig unhinterfragten Annahme aus,
Zeit der deutschen Klassik mit der deutschen für einen bestimmten Text gebe es (jedenfalls
Rechtschreibung umgingen, sieht man sofort, bei Gleichheit der historischen Epoche, bei
wenn man Originaltexte (vor allem auch Pri- gleicher Rezeptionssituation und bei genü-
vatbriefe) aus jener Zeit liest. So spricht Goe- gend genauem Lesen bzw. Hören) nur ein
the in seinen Briefen an Frau von Stein die einziges dem Text wirklich entsprechendes
Empfängerin oft als ‘meine Beste/meine beste’ und gerecht werdendes Verständnis. Andere
an, und zwar wechselt er manchmal im glei- Verständnisse seien nur anzunehmen, wenn
chen Brief, wie es gerade kommt, zwischen ein Text in einer späteren Zeit von Rezipienten
Großschreibung und Kleinschreibung. Er aus anderen sozialen Verhältnissen gelesen
schreibt ‘Nachbaarin’ und ‘beschäfftigen’ und werde. Wie unrealistisch diese Annahme ist,
‘offt’ statt des schon damals (wie heute) all- zeigt jeder Blick auf die Praxis; und wenn
gemein geltenden ‘Nachbarin’, ‘beschäftigen’, man die konstitutive Unschärfe vieler Bedeu-
‘oft’ — und Frau von Stein, der niemand den tungen bedenkt (cf. 3.2.) und den individuel-
Sinn für gepflegte Formen im Umgang mit len und daher oft etwas verschiedenen Nach-
Menschen absprechen wird, fühlte sich durch bau aller Bedeutungen (cf. 3.3. — und solcher
solche eigenwillige Rechtschreibung in keiner individueller Nachbau gilt noch viel mehr für
Weise gestört (Genaueres und weitere Bei- alle überlieferten Muster und Strategien),
spiele bei Glinz 1987 b, 31—35). Wenn je- kommt man zu einer grundsätzlich anderen
mand nur für sich selbst schreibt (Notiz, Ta- sprachphilosophischen Annahme, indem man
gebuch), spielt die Korrektheit der Recht- bei jedem konkreten Textverständnis mit drei
schreibung überhaupt keine Rolle — und das verschiedenen möglichen Komponenten rech-
gilt auch für jeden Entwurf eines Textes, auch net:
wenn der Text nachher an andere gehen soll. (a) Textanteil, d. h. das, was der Hörer/
Leser direkt aus dem Text entnimmt, mehr
824 III. Positionen

oder weniger genau, gemäß der größeren oder durch Urteilsspruch ein einziges, von jetzt an
geringeren Übereinstimmung seiner Kompe- gültiges Verständnis festlegen. Es ist ja sogar
tenz mit derjenigen des Textverfassers und möglich, daß durch Urteil eines Verfassungs-
gemäß seiner Genauigkeit und Sorgfalt beim gerichts ein und derselbe Gesetzesartikel
Hören/Lesen; (ohne jede Änderung seines Wortlauts) von
(b) Situationsanteil, d. h. alles, was der Hö- einem bestimmten Zeitpunkt an anders zu
rer/Leser nicht direkt aus dem Text, sondern verstehen ist als bis zu diesem Zeitpunkt.
aus der Situation entnimmt: bei Wechselkom- Einen großen Freiraum für das Verständnis
munikation aus der Situation, in der er den und den eigenen gedanklichen Nachvollzug
Sprecher sieht, und aus allem, was er schon (d. h. viel Raum für die Zusatzleistung des
über den Sprecher weiß — bei Einwegkom- Hörers/Lesers) geben dagegen die meisten fik-
munikation aus demjenigen, was er über den tionalen Texte. Das kann bei sehr hermeti-
Verfasser, dessen Situation, Absichten usw. scher Lyrik (auch bei ›konkreter Poesie‹) so
schon weiß (s. Art. 92). weit gehen, daß der Textanteil ganz klein wird
(c) Zusatzleistung des Rezipienten, d. h. al- und jeder Leser selbst, für sich, etwas aus dem
les das, was der Hörer/Leser selber ergänzt, Text herausholen (bzw. in den Text hineinle-
selber dazutut, über das dem Text und der gen) kann/muß (s. Art. 107). Diese besondere
Situation direkt Entnehmbare hinaus (z. B. Offenheit des Verständnisses bei fiktionalen
wenn Textanteil und Situationsanteil zusam- Texten, oft von den Autoren ausdrücklich
men ihn noch nicht befriedigen und er es gewollt, ja provoziert, sollte man auch im
›genauer wissen‹, bzw. sich konkreter aus- ganzen Literaturunterricht der Schulen immer
malen will). Man erkennt sofort, daß das Ver- bedenken, und man sollte vom Streben nach
hältnis dieser drei Anteile je nach Textsorte einem einzigen Verständnis bei allen Schülern,
und Textpräzision verschieden sein wird. Bei das meistens einfach dem ja auch individuel-
allen Sachtexten strebt man als Verfasser da- len Verständnis des Lehrers entspricht, ganz
nach, den Text so eindeutig und ausführlich bewußt abgehen (Glinz 1978, 146—160).
zu machen, daß bei zureichender Sprach- und Eine solche Auffassung aller Verstehens-
Sachkompetenz bei allen Hörern/Lesern sich prozesse für Texte bewährt sich auch für das
nur ein einziges, gleiches Verständnis bildet, in der Philosophie wie überhaupt in der Gei-
indem der Textanteil möglichst groß wird und stesgeschichte nicht seltene und gegebenen-
Situationsanteil und Zusatzleistung des Re- falls folgenreiche ›kreative Mißverstehen‹ äl-
zipienten möglichst gering werden und im terer Texte durch neue Leser.
Idealfall auf Null zurückgehen. Das gilt von Die Anerkennung der drei möglichen
wissenschaftlichen Werken über Astrophysik Komponenten bei allem Textverstehen kann
oder Biochemie bis zu Kochbüchern, Be- aber auch für das Alltagsleben fruchtbar wer-
triebsanleitungen usw. Es wird dadurch er- den, sie kann das Durchschauen und Akzep-
leichtert, daß in solchen Texten die zentralen tieren der vielen Mißverständnisse erleichtern,
Bedeutungen meistens klar definiert und das die es immer wieder gibt — von kleinen, un-
durch den Text Darzustellende durch Zahlen- bedeutenden, aber doch ärgerlichen bis zu
angaben aller Art präzisierbar ist. Bei Texten weitreichenden, die Grundbeziehungen zwi-
aus den Humanwissenschaften (Geschichte, schen Menschen belastenden Mißverständnis-
Soziologie, auch Linguistik, Pädagogik und sen. Wenn man weiß, wie schnell so etwas
speziell Philosophie) ist solche Präzision der zustandekommt, wie oft man selber aus dem
verwendeten Bedeutungen oft von der Sache von einem Partner Gesagten oder Geschrie-
her viel weniger möglich, und entsprechend benen nur einige auffällige Stellen genau zur
muß man eher mit Verschiedenheiten der in- Kenntnis nimmt und das Übrige überhört
dividuellen Verständnisse rechnen. Bei allen bzw. überliest, und wie sehr man aus dem
Texten, aus denen Rechte und Pflichten (auch heraus versteht, was man ohnehin erwartet,
Sanktionen) abgeleitet werden, wie Verträgen, und dadurch oft falsch versteht und falsch
Gesetzestexten usw. ist die Sicherung eines reagiert — dann bringt man wohl leichter die
möglichst einheitlichen Verständnisses (d. h. Geduld auf, daß man auch bei den Partnern
das Erreichen eines möglichst großen Text- solche verkürzte oder völlig falsche Verständ-
anteils in den Verständnissen aller Leser) be- nisse nicht übelnimmt, sie nicht dramatisiert,
sonders wichtig, daher ist man hier bestrebt, sie auch gegebenenfalls vorsichtig zu beheben
die Situationen möglichst genau im Text selbst versucht und dadurch das friedliche Zusam-
zu beschreiben. Treten trotzdem Verstehens- menleben im kleineren Kreis wie in größeren
differenzen auf, so sind soziale Institutionen Kreisen sichern hilft.
vorhanden (nämlich Gerichte aller Art), die
59.  Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 825

5. Literatur in Auswahl sisch—Englisch—Latein.


Pinxten (Hg.) 1976, Universalism versus Relativism
Gipper 1972, Gibt es ein sprachliches Relativitäts- in Language and Thought. Proceedings of a Collo-
prinzip? Untersuchungen zur Sapir-Whorf-Hypo- quium on the Sapir-Whorf-Hypotheses.
these. Sitta 1971, Semanteme und Relationen. Zur Syste-
Glinz 61973, Die innere Form des Deutschen. Eine matik der Inhaltssatzgefüge im Deutschen.
neue deutsche Grammatik. [1952] Weisgerber 1958, Verschiebungen in der sprachlichen
Glinz 1987 a, Grundsätzliches über grammatische Einschätzung von Menschen und Sachen.
Begriffe und grammatische Termini, in Grammati- Weisgerber 1963, Die vier Stufen in der Erforschung
sche Terminologie in Sprachbuch und Unterricht, der Sprache.
Bausch/Grosse (Hg.).
Glinz 1992, Handbuch Deutsch und Fremdsprachen, Hans Glinz, Wädenswil (Schweiz)
Grammatik und Verstehen, Deutsch—Franzö-

59. Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie

1. Die linguistische Wende chen Wiener Kreis jeglicher unmittelbare,


2. Sprache und Logik d. h. nicht sprachlich vermittelte Zugang zu
3. Wahrheitstheorien einer äußerlich gegebenen Wirklichkeit als
4. Singulare Terme grundsätzlich unverständlich abgelehnt
5. Sprache, Erfahrung und Ontologie wurde. In Anlehnung an Ludwig Wittgenstein
6. Literatur in Auswahl (1889—1951) (s. Art. 39) haben die Mitglieder
des Wiener Kreises, wie auch Alfred Jules
Ayer (1910—1989) in Language, Truth, and
1. Die linguistische Wende Logic das tut, die Tätigkeit des Philosophen
auf ›logische‹ Begriffs- oder Sprachanalyse
1.1. Natürliche und künstliche Sprachen eingeschränkt und die Behandlung von ei-
gentlichen Sachfragen ausschließlich den em-
Seit der sogenannten ›sprachlichen Wende‹ pirischen Wissenschaften zugewiesen. Auf
(linguistic turn) herrscht in den Kreisen der beiden Seiten wird vorausgesetzt, daß wir,
analytischen Philosophie die Ansicht vor, daß anders als im Falle der Außenwelt, einen di-
logisch-linguistische Untersuchungen für die rekten Zugang zur Sprache haben, der es uns
Behandlung philosophischer Fragen von ent- erlaubt, die Funktionen von sprachlichen
scheidender Bedeutung sind. Diese allgemein Ausdrücken objektiv zu erfassen. Im Gegen-
geteilte Überzeugung hat zu einer Reihe von satz zu den Verteidigern der gewöhnlichen
Entwicklungen geführt, die z. T. scharf von- Sprache streben die Verfechter einer idealen,
einander abweichen. In Abhebung zur klas- formalen Sprache eine durchgreifende Re-
sischen Metaphysik, die von den Neopositi- form an. Vermittelst eines expliziten Systems
visten der Dreißigerjahre als sinnlos verwor- von syntaktischen und semantischen Regeln
fen wurde, halten die Vertreter der analyti- wollen sie die Sprache, die sie als eine Schöp-
schen Richtung dafür, daß die Art, wie wir fung menschlicher Konventionen betrachten,
über die Welt sprechen oder wie wir über sie so reglementieren, daß die in ihrem natürli-
sprechen sollten, eine erkenntnistheoretisch chen Zustand auftretenden Mängel behoben
grundlegende Rolle spielt. An einem Extrem werden. — Die Spaltung läßt sich an der
glauben Autoren wie Bertrand Russell Streitfrage weiter verfolgen, ob Sprache —
(1872—1970) mit seiner frühen Lehre des lo- wie etwa John Roger Searle (* 1932) behaup-
gischen Atomismus oder wie Gilbert Ryle tet — primär als Medium für soziale Inter-
(1900—1976), John Langshaw Austin aktion oder aber — im Anschluß an Gottlob
(1911—1960), Richard Mervyn Hare (* 1919), Frege (1848—1925) (s. Art. 34) — als Instru-
Peter Frederick Strawson (* 1919) und andere ment für die Formulierung wahrer Aussagen
Anhänger der alltagssprachlichen Schule (s. zu gelten hat. Ich glaube jedoch nicht, daß
Art. 60), daß die Struktur der Sprache die die beiden Positionen in dem Maße unver-
Form der wirklichen Sachverhalte widerspie- träglich sind, wie das die hartnäckige Rivali-
gelt, während im radikal metaphysikfeindli- tät zwischen den Auffassungen der Kommu-
826 III. Positionen

nikationstheoretiker und der formalen Se- mit der Theorie sowie ihre klare, systemati-
mantiker nahezulegen scheint (s. Art. 54, 55). sche Darstellung ermöglicht. Einem solchen
Am Ende meiner Darstellung werde ich für vergleichsweise bescheidenen und unumstrit-
eine Haltung plädieren, die auch dem inten- tenen Anspruch halten Philosophen mit einer
tionalen Aspekt der Sache gerecht wird. Trotz stark formalistischen Ader das Ideal einer
der Wichtigkeit der Unterscheidung zwischen künstlichen Universalsprache entgegen, in der
der Rede als einer Summe von verbalen alles, was wissenschaftlich von Belang ist, aus-
Handlungen im Rahmen einer bestimmten drückbar wäre und die die natürliche Sprache
Gemeinschaft und der Sprache als einem ab- ersetzen soll. In der Folge von Gottfried Wil-
strakten System aufgrund von Regeln ver- helm Leibniz (1646—1716) (s. Art. 23) zeigen
bundener Zeichen, dürfen wir uns den Blick — trotz verschiedener philosophischer Posi-
für ihre gegenseitige Abhängigkeit — im be- tionen — Frege, Russell, der Wittgenstein des
sonderen die Abhängigkeit der Semantik vom Tractatus, vor allem aber Quine und Donald
jeweiligen Kontext — nicht trüben lassen. Davidson (*1917) eine Neigung in diese Rich-
Philosophen haben künstliche Symbolspra- tung. Quine als extremer Reformator hofft
chen in Form von interpretierten formalen sogar, daß wir für unser gesamtes Wissen mit
Systemen zu verschiedenartigen Zwecken ver- einer rein extensionalen, objektbezogen inter-
wendet, u. a. zur Formalisierung spezifischer pretierten Version der Quantifikationstheorie
Theorien, aber vor allem auch für die Kon- mit Identität ein Auskommen finden. Die
struktion dessen, was man als ideales Aus- Gründe, die zugunsten einer solchen Auffas-
drucksmittel betrachtet hat. Ein künstliches sung angeführt werden, sind meist pragmati-
Sprachsystem wird zunächst dadurch be- scher Natur und betreffen die Vorzüge, die
stimmt, daß man sein Vokabular angibt, das formale Systeme aufzuweisen haben; die
sich im Falle der klassischen Quantorenlogik streng gefaßten Regeln liefern nicht allein die
im wesentlichen aus den folgenden Bestand- Gewähr für eine genaue Formulierung der
teilen zusammensetzt: (1) den satzlogischen Gedanken, sondern auch Schutz vor Wider-
Konstanten (der Negation ‘~’, der Adjunk- sprüchen — im besonderen vor den soge-
tion ‘∨’, der Konjunktion ‘⋀’, dem Kondi- nannten logischen oder semantischen Para-
tional ‘→’ und dem Bikonditional ‘↔’), (2) doxien. Indem sie all die Vagheiten und Mehr-
den konstanten singulären Termen (Eigen- deutigkeiten, die natürliche Sprachen verseu-
namen, Kennzeichnungen etc.), (3) den Indi- chen, beseitigen, bringen sie die Systematik in
viduenvariablen (‘x’, ‘y’, ‘z’, ‘x′’, ‘x″’, ‘y′’ etc.), das Unternehmen hinein, die erforderlich ist,
(4) den Quantoren ‘⋀ x’ (für alle x), ‘∨ x’ (es um unter anderem auszumachen, wie sprach-
gibt ein x) und ein- oder mehrstelligen Prä- liche Ausdrücke dazu kommen, Bedeutungen
dikaten (‘F′’, ‘G’, ‘H’ etc.). Es ist zu bemerken, zu haben, und welches die ontologischen Ver-
daß Willard Van Orman Quine (* 1908) aus pflichtungen sind, die wir durch den Ge-
seiner kanonischen Notation Individuenkon- brauch eines bestimmten sprachlichen Sy-
stanten eliminiert, um eine Version zu erhal- stems eingehen. Die Meinung ist allerdings
ten, die nur noch rein q uantifikatorische For- nicht die, daß die Symbolsprache für alltäg-
meln enthält. Die syntaktischen Regeln die- liche Zwecke verwendet werden sollte; es ge-
nen dazu, die grammatisch korrekt gebildeten nügt aufzuzeigen, daß gewöhnliche Wendun-
Ausdrücke zu bestimmen, wie z. B. die ato- gen, sofern sie sinnvoll sind, sich prinzipiell
maren Satzfunktionen (in Quines Termino- in Sätze der künstlichen Notation übersetzen
logie: die offenen Sätze), die zusammenge- lassen.
setzten offenen Sätze oder die geschlossenen Die Kontroverse zwischen den Anhängern
Sätze, während die semantischen Regeln die der natürlichen und den Verteidigern formaler
Interpretation des Systems liefern, indem sie Sprachen hat früh eingesetzt und dauert trotz
u. a. den Wertbereich der Variablen und die allgemeiner Anerkennung der Nützlichkeit
Extension der Prädikate festlegen, was uns formaler Verfahren an. Rudolf Carnap
erlaubt, die Wahrheit oder Falschheit von (1891—1970) hat die natürliche Sprache, zu
Sätzen zu definieren. — Wenn es sich darum der wir nach ihm durch empirische Untersu-
handelt, ein besonderes Gebiet der Mathe- chungen einen objektiven Zugang finden
matik oder der Wissenschaft zu formalisieren, (Carnap 1956a), für die Konstruktion von
werden zusätzlich zum rein logischen Apparat künstlichen Systemen verwendet, wobei es
spezifische, theoretische oder deskriptive ihm später weniger um die Paraphrase irre-
Konstanten mit den entsprechenden Axiomen leitender alltäglicher Redewendungen zu tun
eingeführt, was ein kalkülmäßiges Umgehen war, als um die Schaffung neuer Ausdrucks-
59.  Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 827

formen, die sich für die Bedürfnisse der theo- diejenigen Gebiete einer systematischen Ex-
retischen Wissenschaften als fruchtbar erwei- plikation zu unterwerfen, die sich — wie z. B.
sen. Mit dieser mehr kreativen Einstellung die Einstellungs- und Handlungssätze (s. Art.
wurden die Rollen gewissermaßen vertauscht, 80) — bisher einer q uantorenlogischen Be-
indem nun auf der Metastufe die gewöhnliche handlung am hartnäckigsten widersetzt haben
Sprache dazu dient, die Symbolsprache auf- (Davidson 1980; 1984 a).
zubauen und zu interpretieren. Gegen ein sol- Obgleich ich nicht wie Quine an die Mög-
ches Vorgehen wenden die Gegner nicht sehr lichkeit einer objektiven Auszeichnung der
überzeugend ein, daß das Erklären von klassischen Quantifikationstheorie als der
sprachlichen Ausdrücken wesentlich von wahren, d. h. im Zusammenhang der Ge-
einem allgemeinen Gebrauchskontext ab- samtwissenschaft empirisch bestätigten Lo-
hängt, wie wir ihn nach Wittgenstein in der gik, glaube, bleibe ich, von einem methodo-
ererbten Lebenswelt vorfinden, und daß das logischen Standpunkt aus betrachtet, über-
Verständnis solch ursprünglicher Rede weder zeugt, daß formale Sprachen als für vielfältige
durch explizite Definitionen noch durch syn- Zwecke einsetzbare Instrumente dem Philo-
taktische oder semantische Regeln gefördert sophen unschätzbare Dienste erweisen. Des-
werde, sondern allein durch das, was Straw- halb stimme ich den Vertretern der Oxford/
son und andere ‘deskriptive Metaphysik’ nen- Cambridge-Tradition nicht zu, wenn sie be-
nen, d. h. durch sorgfältiges Studium der haupten, daß die Analyse alltagssprachlicher
Sprache, die wir von Kindheit an erlernt Redewendungen für den Zweck philosophi-
haben. — Eine für die Wissenschaftstheorie scher Erklärungen fruchtbarer sei als die Kon-
wichtige Folge der Relativierung von Er- struktion technischer Begriffe, die ihrer An-
kenntnis auf begriffliche Rahmen zeigt sich sicht nach allzuoft in bloße Abstraktionen
in der von Thomas Samuel Kuhn (*1922) abschweifend, die ursprüngliche Problemlage
formulierten These über die Inkommensura- verzerrt und deshalb zu illusorischen Lösun-
bilität von Theorien, die verschiedenen Pa- gen führt. Immerhin gestehe ich ihnen zu, daß
radigmen entspringen (s. Art. 73). In Analogie die natürliche Sprache, wenn zwar nicht das
zu Benjamin Lee Whorfs (1897—1941) all- letzte, so doch das erste Wort beim Aufbau
gemeiner Vorstellung legt sie nahe, daß nicht der Erkenntnis bedeutet, wie das Austin in A
allein das Verständnis der theoretischen Plea for Excuses (1956/57, 185) ausdrückt.
Terme, sondern auch die Art der Experimente Denn, um künstliche Systeme mit all ihren
sowie die Deutung der Resultate durch den logischen Tugenden zu schaffen, müssen wir
Forschungskontext beeinflußt wird, wodurch sie als (letzte) Metasprache verwenden. Im
ein objektiver Vergleich des Wahrheitsgehal- Gegensatz zu den Holisten Quinescher Ob-
tes von rivalisierenden Theorien vereitelt servanz mache ich mich allerdings nicht zum
wird. Der Fortschritt kann deshalb nicht den Anwalt einer Einheitssprache, sondern setze
rationalen, kumulativen Gang annehmen, der mich für einen abgewogenen Pluralismus in-
ihm gewöhnlich zugeschrieben wird. Extreme strumentaler Ausrichtung ein.
Relativisten wie etwa Paul Karl Feyerabend
(*1924) bemühen sich nachzuweisen, daß tat- 1.2. Die historische Entwicklung im
sächlich oft rein propagandistische Mittel am 20. Jahrhundert
Werk sind, und sie ziehen daraus Konseq uen-
zen in Richtung auf eine anarchistische Me- Im Lager der logischen Empiristen (Neopo-
thodologie. Dem Gespenst des totalen Rela- sitivisten) war man sich neben anderweitigen
tivismus (s. Art. 74), wie er es nennt, begegnet Meinungsverschiedenheiten in dem Punkte ei-
Quine mit einer holistischen Konzeption, die nig, daß eine streng logische Analyse der
zwar eine doppelte ontologische Relativität Sprache jegliche Metaphysik als baren Un-
einräumt, zugleich aber zeigt, wie diese sich sinn entlarven sollte. Als bedeutungsvoll wur-
in der Hintergrundtheorie auffangen läßt. Er den allein analytische und (im Prinzip) verifi-
betrachtet formale Systeme als integrierende zierbare synthetische Sätze zugelassen. Die
Bestandteile oder als Erweiterungen der na- ersteren werden dadurch charakterisiert, daß
türlichen Sprache als eines Ganzen, die für ihre Wahrheit aufgrund der bloßen Kenntnis
deren klar erfaßten und den Methoden Alfred der Bedeutung der in ihnen verwendeten Wör-
Tarskis (1902—1983) zugänglichen Teilberei- ter einzusehen ist; im Falle der letzteren wird
che eine alternative Notation anbieten. Sei- der Sinn durch die Methode ihrer Verifikation
nem Vorbild folgend, hat Davidson die bestimmt. Dieser Vorstellung gemäß gelten
schwierige Aufgabe auf sich genommen, auch die Wahrheiten der Logik sowie der Mathe-
matik als sprachlich determiniert, während
828 III. Positionen

alle synthetischen Sätze, die nicht empirisch aufzeigt, wie man deren Bildung mittels syn-
belegbar sind, ausscheiden. Im Unterschied taktischer Regeln abblockt. — In Logische
zu gewissen klassischen Empiristen, die wie Syntax der Sprache hat Carnap seine Auffas-
David Hume (1711—1776) noch zögernd sung über die q uasisyntaktischen Sätze ent-
oder wie John Stuart Mill (1806—1873) (s. wickelt, nach welcher in der materialen Re-
Art. 30) mit Entschiedenheit die Mathematik deweise formulierte Aussagen, wie z. B. ‘Fünf
für das Ergebnis einer extremen Form von ist eine Zahl’, nur scheinbar von Objekten
empirischer Verallgemeinerung hielten, be- handeln. In Wirklichkeit haben sie keinen
trachtete man im Wiener Kreis die Formal- faktischen Inhalt, weil sie eine bloß gram-
wissenschaften als ein apriorisches Wissen, matische Unterscheidung festhalten, die in-
das letztlich einer Konvention entspringt, nerhalb des begrifflichen Rahmens der Arith-
nämlich dem Beschluß, sprachliche Symbole metik definitorisch, d. h. analytisch, gilt und
in einer bestimmten Weise zu verwenden. Da- daher korrekterweise in syntaktischer Form
durch wurde es möglich, sowohl die meta- als ‘‘Fünf’ ist ein Zahlwort’ wiederzugeben
physischen Begründungen des traditionellen ist. Entsprechend gehen wir nach ihm mit der
Rationalismus wie auch die psychologisieren- Behauptung ‘Zahlen sind Mengen von Men-
den Tendenzen der klassischen Empiristen zu gen’ keinerlei ontologische Verpflichtung ein,
vermeiden (s. Art. 11, 12). Zugleich ergibt sich denn sie besagt richtig verstanden nichts wei-
daraus die spezifische Rolle der Philosophie, ter, als daß Sätze der arithmetischen Sprache,
im besonderen der Erkenntnistheorie, die in denen das Wort ‘Zahl’ vorkommt, in äq ui-
sich, im Unterschied zu den Wissenschaften, valente Sätze der Mengenlehre mit dem Term
nicht mit Sachfragen beschäftigt, sondern mit ‘Menge’ an dessen Stelle übersetzt werden
der Analyse der sprachlichen Mittel, mit de- können. Wenn es Carnap damit gelingt, einem
ren Hilfe wir die Welt beschreiben. Nachdem müßigen metaphysischen Streit auszuwei-
Carnap, anfänglich vor dem schwierigen Pro- chen, so bleibt doch die Frage nach der rich-
blem des Gehalts oder der Bedeutung zurück- tigen Wahl des Darstellungssystems zurück.
scheuend, das Interesse hauptsächlich auf Auf sein Toleranzprinzip (Carnap 1934, 51)
syntaktische, die logische Struktur der Spra- gestützt, antwortet er, daß es sich nicht um
che betreffende, Aspekte gerichtet hatte, wur- ein theoretisches, sondern um ein pragmati-
den bald auch Semantik und Pragmatik mit sches Problem handelt, das man löst, indem
einbezogen, wobei Quine als erklärter Em- man die praktischen Folgen abwägt, um sich
pirist sich bemüht hat, nach behavioristi- auf den vorteilhaftesten Entscheid zu einigen.
schem Vorbild sämtliche sprachliche Erschei- In Empiricism, Semantics and Ontology un-
nungen auf Sprachverhalten zurückzuführen terscheidet er zwei grundsätzlich verschiedene
(s. Art. 50). — Die Entfaltung des neoposi- Arten von Existenzfragen, die er als ‘interne’
tivistischen Programms wurde nicht nur und ‘externe’ bezeichnet. Solche des ersteren
durch den mißlichen Zustand angeregt, in den Typs stellen sich im Rahmen eines gegebenen
die nachkantischen Metaphysiker die Philo- Kontextes, innerhalb von welchem u. a. die
sophie gestürzt hatten, sondern vor allem semantischen Regeln die referentielle Funk-
durch die Erfolge, die Russell dank der von tion der Ausdrücke bestimmen, so daß wir —
ihm und Alfred North Whitehead (1861— im Falle von physikalischen Objekten — auf-
1947) in den Principia Mathematica entwik- grund von empirischen Untersuchungen über
kelten Techniken beim Lösen philosophischer die Wahrheit von synthetischen Existenzbe-
Probleme erzielt hatte. Seine berühmt gewor- hauptungen oder aber — im Falle von ab-
dene Theorie der Kennzeichnungen galt als strakten Objekten — aufgrund der sprachli-
Muster dafür, wie man aufgrund logischer chen Regeln über die Wahrheit von analyti-
Analyse die eigentliche Funktion von Aus- schen Existenzaussagen befinden. Interne on-
drücken ermitteln kann. Die reduktionisti- tologische Bestimmungen fallen somit unter
schen Neigungen, wie sie sich exemplarisch in die Zuständigkeit der jeweiligen Theorie, de-
Carnaps Der logische Aufbau der Welt mani- ren linguistischer Apparat die Formulierung
festieren, wurden offensichtlich durch den sowie die Prüfung von Existenzsätzen festlegt.
großangelegten Versuch, Mathematik auf Lo- — Über externe Fragen dagegen läßt sich
gik zu reduzieren, gefördert. Die Typenlehre nicht objektiv entscheiden. Carnap verwirft
hatte den Weg zur Verhinderung von sinnlo- jegliche Anspielung auf eine mögliche Auf-
sen, zu Widersprüchen führenden Begriffen deckung der ›wahren‹ Natur der wirklichen
— wie etwa der Menge aller Mengen, die sich Welt durch eine ideale Sprache als metaphy-
nicht selbst enthalten — gewiesen, indem sie sisch, und er bestreitet auch die Richtigkeit
59.  Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 829

der von Quine vorgeschlagenen Alternative, als eines Schiffers, der auf offener See sein
wonach der von der Theorie untrennbare lo- Boot flott hält, ohne die Aussicht zu haben,
gisch-linguistische Apparat gemeinsam mit es je ans trockene Ufer zu bringen, insofern
dieser vor den Gerichtshof der Erfahrung ge- ihre volle Geltung, als es nun natürlich er-
stellt und eventuell bestätigt wird. Denn nach schien, die Aufmerksamkeit auf die Planken
ihm besteht insofern eine Kluft zwischen Be- des treibenden Gefährts selbst — im wesent-
deutung und Wahrheit, als man den Sinn lichen also auf die Sprache — zu richten. In
einer Aussage verstanden haben muß, bevor dieser Weise gelangte man dazu, die Rolle des
man ernsthaft an ihre Verifikation denken Philosophen zu vertauschen, indem er nun-
kann. Mit der Auffassung, daß uns im Hin- mehr seine Tätigkeit — statt auf das ohnehin
blick auf den jeweils verfolgten Zweck die unerkennbare Wesen der Wirklichkeit — auf
Wahl zwischen verschiedenen Darstellungs- die Erforschung des begrifflichen Instrumen-
systemen offen steht, hat Carnap vermutlich tariums verlegt, dessen wir bedürfen, wenn
Nelson Goodmans (* 1906) pluralistischer wir eine wahre Beschreibung der Welt anstre-
Sicht in Ways of Worldmaking den Weg ge- ben. Im besonderen wird es sich darum han-
ebnet, dergemäß es keine von einem Darstel- deln, die Konventionen, d. h. das komplexe
lungssystem unabhängige Wirklichkeit gibt. System von Regeln, genauer zu untersuchen,
Wir können die Welt auf vielfältige Weisen die diesem zugrundeliegen, um sie nötigenfalls
beschreiben, von denen sich keine als die mittels der neuentwickelten Techniken der
›wahre‹ auszeichnen läßt, denn die Verwen- mathematischen Logik zu verbessern. Seine
dung eines Sprachsystems hat weniger eine spezifische Aufgabe als eines Grundlagenfor-
Abbildung von gegebenen Sachverhalten zum schers unterscheidet sich somit von derjenigen
Inhalt als vielmehr ein aktives Ergreifen, Aus- des Wissenschaftlers darin, daß er die begriff-
wählen, Organisieren, Klassifizieren und lichen Rahmen analysiert, innerhalb von wel-
Konstruieren, wodurch die sogenannte Wirk- chen über die Wahrheit oder Falschheit theo-
lichkeit erst konstituiert wird. retischer Aussagen befunden wird. — Kenn-
Im Wiener Kreis bestanden Meinungsver- zeichnend für das Programm der Sprachana-
schiedenheiten hinsichtlich der idealen Spra- lyse bleibt die allgemeine Überzeugung, daß
che. Wegen der Forderung nach einer Letzt- einzelne Wörter, Sätze oder sprachliche Sy-
begründung, die die Gewißheit der Erkennt- steme einen objektiv bestimmbaren Gehalt in
nis verbürgen sollte, neigte man zunächst zu Form einer festen Bedeutung besitzen, der
einem System phänomenalistischer Art, weil aufgrund von Untersuchungen spezifisch phi-
man Sätze, die nur auf unmittelbare Erleb- losophischer Natur freigelegt werden kann.
nisse zurückgehen, für unkorrigierbar hielt. Dabei scheint sich die Ansicht verbreitet zu
Als sich die Kontroverse über Beobachtungs- haben, daß die sprachlichen Gebilde selbst
terme und die besondere Natur der soge- nicht zur Welt gehören und entsprechend
nannten Protokoll- oder Basissätze als unent- auch nicht der den Gegenständen der Wissen-
wirrbar enthüllte, entschied man sich mehr schaften eigentümlichen Relativität unterwor-
und mehr zugunsten einer physikalistischen fen sind. Solch einer idyllischen Vorstellung
Haltung, wie sie später in ihrer reinsten Form setzte jedoch Quine als konseq uenter Empirist
durch Quine verkörpert wurde. Diese schließt ein Ende, indem er im Zusammenhang mit
allerdings einen Verzicht auf absolute Sicher- seiner Lehre von der ontologischen Relativi-
heit ein, so daß man letztlich die grundsätz- tät die umstrittene These der Unbestimmtheit
liche Revidierbarkeit aller Sätze, also auch der Übersetzung (s. Art. 73) und in ihrem
der Beobachtungssätze, einräumen mußte. Gefolge diejenige der Unerforschlichkeit der
Dadurch wurde der Abbildtheorie, wie sie Referenz in die Diskussion warf. Mit Genug-
dem frühen Wittgenstein vorschwebte, der tuung stellt er fest, daß Philosophie nach Ver-
Todesstoß versetzt — zugleich aber auch das breitung seiner Einsicht nie mehr ganz das
Verifikationsprinzip gefährdet. Denn ohne sein wird, was sie früher war.
Voraussetzung von objektiven Sachverhalten,
deren logische Struktur zwar durch die Spra-
che widergespiegelt wird, die aber doch un- 2. Sprache und Logik
abhängig von ihr gegeben sind, läßt sich nicht
einsehen, wie die Bedeutung eines Satzes auf- 2.1. Wahrheit und Bedeutung
grund seiner Wahrheitsbedingungen ausge-
macht werden soll. In diesem Zusammenhang 2.1.1.  Seit 1879, dem Veröffentlichungsjahr
gewinnt Otto Neuraths (1882—1945) be- von Freges Begriffsschrift, haben sich unzäh-
rühmte Metapher vom Erkenntnistheoretiker lige logische Systeme verschiedenster Art in
830 III. Positionen

unüberblickbarer Weise entfaltet (s. Art. 111). sich an Davidsons Analyse der Handlungs-
Freges syntaktische Darstellung oder Kalkü- sätze illustrieren, in welcher er zur Einsicht
lisierung der Aussagen- und Prädikatenlogik gelangt, daß wir, wenn wir z. B. einen Satz
wurde zunächst von Russell und Whitehead wie ‘Hans spaziert im Regen’ in der kanoni-
in den Principia Mathematica systematisch schen Notation wiedergeben wollen, nicht
entwickelt und darauf u. a. durch Autoren wie darum herumkommen, über Ereignisse zu
Emil Leon Post (1897—1954), Leopold Lö- q uantifizieren. Denn nur eine Übersetzung in
wenheim (1878—1957), Leon Henkin (* 1921) der Form ‘∨ x (John spaziert x und x ge-
und Tarski mit einer formalen Semantik ver- schieht im Regen)’ garantiert den intuitiv
sehen, während Alonzo Church (* 1903) und zwingenden Schluß auf ‘∨ x (John spaziert
Kurt Gödel (1906—1978) eine lange Reihe x)’. Es mag zwar sein, daß Davidson damit
von metalogischen Untersuchungen eingelei- das Ziel einer idealen formalen Darstellung
tet haben. Daneben wurden immer mehr so- verfehlt. Die Unnatürlichkeit der Paraphrase
genannte ›abweichende Logiken‹ entworfen — alltagssprachlich wirkt sie widerborstig —
(s. Art. 75). Solche intensive Tätigkeit ist im darf jedoch nicht über die Tatsache hinweg-
Lager der analytischen Philosophen nicht nur täuschen, daß sie, aus Quinescher Perspektive
auf reges Interesse gestoßen, sondern hat betrachtet, einen wichtigen ontologischen
auch einen nachhaltigen Einfluß auf die spe- Zug derartiger Aussagen ans Licht fördert.
zifisch philosophischen Auseinandersetzun- — Den Adepten künstlicher Sprachen
gen ausgeübt, zum Beispiel auf den Streit um schwebt im allgemeinen der Gedanke vor, daß
die Deutung des ‘wenn — dann’ als materiale allein eine formale Wahrheitstheorie den
Implikation oder Konditional, oder auf die Schlüssel zu einer angemessenen Erklärung
bekannte, zwischen Quine und Ruth Barcan von Bedeutung liefern kann. Denn die Fähig-
Marcus (* 1921) ausgefochtene Debatte über keit, noch nie gehörte Sätze zu verstehen, muß
eine objektbezogene oder eine substitutionelle irgendwie von der Beherrschung eines mehr
Interpretation der Quantoren. oder weniger bewußt angewendeten Systems
In der Sprachphilosophie geht es wesent- von rekursiven Regeln abhängen, die es er-
lich darum, die den sprachlichen Systemen lauben, den Wahrheitswert komplexer Aus-
zugrundeliegenden Regeln kritisch zu beur- sagen aufgrund der Wahrheitswerte der in
teilen. Für die Zwecke einer allgemeinen Be- ihnen enthaltenen elementaren Sätze zu be-
deutungstheorie (s. Art. 68), d. h. für eine stimmen. Der Bezug auf die Welt wird da-
Erklärung der logischen — im Gegensatz zu durch hergestellt, daß man den singularen
den psychologischen — Mechanismen, die und allgemeinen Termen eine Extension zu-
das Verstehen von sprachlichen Ausdrücken ordnet. Der Nebel, in welchem die allzu vage
bedingen, haben sich die Techniken der for- formulierte Verifikationstheorie der Bedeu-
malen Semantik als nützlich erwiesen, weil sie tung verhüllt war, scheint sich zu lichten: um
es uns erlauben, das dem Sprechverhalten zu- z. B. die Wahrheit von ‘Elektronen haben eine
grundeliegende Sprachsystem mit Hilfe von negative Ladung’ sicherzustellen, haben wir
präzisen Begriffen zu analysieren (s. Art. 55). — im Kontext einer empirischen Theorie,
Indem sie eine exakt formulierte Wahrheits- nämlich der Atomphysik — mit Hilfe von
theorie (s. Art. 69) anbietet, erhellt sie die experimentellen Verfahren zu prüfen, ob auf
referentielle Funktion der sprachlichen Ge- alle Objekte im Wertbereich der Variablen,
bilde, d. h. ihre Beziehung zu den Gegenstän- die das Prädikat ‘ist ein Elektron’ erfüllen,
den in der wirklichen Welt. Die wahrheits- auch das Prädikat ‘hat eine negative Ladung’
funktionale Definition der satzlogischen zutrifft, während es für die Einsicht in die
Junktoren sowie die Behandlung von Quan- Wahrheit von ‘Junggesellen sind unverheira-
tifikationen durch die Einführung von Indi- tete Männer’ keiner empirischen Ermittlung
viduenvariablen und Quantoren fängt in der bedarf. Die Tatsache, daß der letztere Satz
Tat die wesentliche Funktion der analogen analytisch gilt, wird so gedeutet, daß die bei-
Terme in der natürlichen Sprache ein. Dabei den allgemeinen Terme notwendig die gleiche
handelt es sich nicht um eine bloße Kurz- Extension haben, d. h. daß sie synonym sind.
schrift, die Zeit erspart, sondern um das Auf- — In seinem klassischen Aufsatz Two Dogmas
decken eines strukturellen Zusammenhanges, of Empiricism wendet Quine ein, daß eine
der relevante Folgebeziehungen zum Aus- solche Auffassung trotz ihrer verführerischen
druck bringt. Wie wenig die logische Tiefen- Einfachheit unhaltbar sei. Die Dogmen, auf
struktur gewisser Sätze durch die Oberflä- die er abzielt, sind einerseits die These des
chengrammatik widergespiegelt wird, ließe Reduktionismus, wonach jeder sinnvolle Satz
59.  Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 831

mit einem logisch rekonstruierten Gegen- gen von Wörtern sich ändern und daß deshalb
stück, das nur mehr sich auf unmittelbare ein analytischer Satz sich in einen syntheti-
Wahrnehmungen beziehende Terme enthält, schen verwandeln könne, wurde entgegnet,
äq uivalent sein soll, und andererseits die nach daß er in einem solchen Falle nicht mehr die
ihm ungerechtfertigte Annahme von allein ursprüngliche Proposition ausdrücke. Quine
aufgrund der Bedeutung der in ihnen vor- weist jedoch das Argument zurück, weil er
kommenden Wörter als wahr zu geltenden sich als Empirist weigert, Propositionen als
Sätzen. Die explizite Version der Verifika- intensionale Objekte anzuerkennen. Bedeu-
tionstheorie setzt die Möglichkeit einer strik- tungen als abstrakte Ausstellungsstücke in
ten Unterscheidung zwischen analytischer einem platonischen Museum bleiben der Be-
und synthetischer Wahrheit voraus; denn obachtung unzugänglich; andererseits erwei-
ohne sie ließe sich der Begriff der Synony- sen sie sich, behavioristisch erklärt, als inde-
mität nicht definieren und entsprechend auch terminiert, wie die Untersuchungen, die zur
nicht jedem synthetischen Satz einzeln eine Einsicht in die Unbestimmtheit der Überset-
auf unmittelbare Erfahrungen beruhende Be- zung geführt haben, zeigen (s. Art. 73). — In
deutung zuordnen (s. Art. 86). Indem er die- Two Dogmas of Empiricism bemüht sich
sen Pfeiler untergräbt, beabsichtigt Quine al- Quine im wesentlichen um den Nachweis, daß
lerdings nicht, dem Empirismus jegliche alle bisherigen Versuche, Analytizität mit
Grundlage zu entziehen; er will ihn vielmehr Hilfe von Synonymität (im Sinne der Ersetz-
auf eine methodisch besser gesicherte, d. h. barkeit salva veritate), von Definitionen oder
von zweifelhaften Dogmen bereinigte Basis von semantischen Regeln zu erklären, letztlich
stellen. in einen Zirkel einmünden; in späteren Ar-
beiten, besonders in Word and Object, führt
2.1.2.  Die Unterscheidung zwischen notwen- er die näheren Gründe aus, weshalb es nicht
digen und kontingenten Wahrheiten ist me- gelingt, aus dem Kreis dieser unklaren inten-
taphysischer, diejenige zwischen apriorischen sionalen Begriffe auszubrechen. Quines An-
und aposteriorischen Wahrheiten erkenntnis- griffe gegen die Dichotomie beruhen letztlich
theoretischer Natur. Während Immanuel auf einer Form von semantischem Holismus,
Kant (1724—1804) glaubte, daß echte Er- demgemäß — mit Ausnahme der Beobach-
kenntnis aus synthetischen Urteilen a priori, tungssätze, die als einzige bis zu einem gewis-
d. h. aus empirisch nicht inhaltsleeren, aber sen Grade über einen eigenständigen empiri-
trotzdem streng allgemeingültigen Sätzen be- schen Gehalt verfügen — alle Sätze, ein-
stehen müsse, beharrt Saul Kripke (* 1940) in schließlich derjenigen der Logik, ihre Bedeu-
Naming and Necessity darauf, daß es notwen- tung erst aufgrund der komplexen Relationen
dig wahre Sätze a posteriori gibt. Seit Frege empfangen, die sie unter sich innerhalb des
werden andererseits analytische Sätze als sol- Begriffsnetzes der Gesamttheorie aufweisen.
che bestimmt, die entweder logisch wahr sind Als integrierender Bestandteil der Theorie
oder sich aufgrund von Definitionen (x ist ein werden sie nicht einzeln, sondern zusammen
Junggeselle ⇋ x ist ein unverheirateter Mann) mit allen anderen Sätzen einer Prüfung un-
auf logische Wahrheit zurückführen lassen. terzogen. Im Falle eines Mißerfolges könnte
Wegen seiner Skepsis Intensionen gegenüber man — gestützt auf das methodische Prinzip,
weigert sich Quine, logische Wahrheit mit diejenige Korrektur vorzunehmen, die, im
Hilfe von modalen Begriffen, wie sie in der ganzen betrachtet, am wenigsten Störungen
Mögliche-Welten-Semantik (s. Art. 88) ver- verursacht — durchaus auch eine Revision
wendet werden, zu definieren. Nach ihm cha- der Logik in Erwägung ziehen. Daß dies in
rakterisiert man sie am besten durch die Tat- der Praxis äußerst selten geschieht, liegt allein
sache, daß in ihr außer den logischen Kon- an der Tatsache, daß gewöhnlich Änderungen
stanten alle Terme leer vorkommen, d. h. daß an den allgemeinsten Sätzen sehr weitläufige
der Satz bei beliebigen Substitutionen für und unabsehbare Folgen haben. Daher will
Ausdrücke aus dem deskriptiven Vokabular sich Quine vorläufig auch nicht bereit erklä-
wahr bleibt. Der Absicht der Neopositivisten ren, die bewährte klassische Quantifikations-
gemäß sollte nun der Begriff der Analytizität theorie aufzugeben. Was er somit anbietet, ist
(s. Art. 86) der Erklärung dienen, wie es über- eigentlich eine Art von organischer Verifika-
haupt dazu kommt, daß wir die Wahrheit von tionstheorie, die — im Gegensatz zu der ato-
gewissen Propositionen völlig unabhängig mistischen der Vorgänger — die Möglichkeit
von empirischen Sachverhalten zu erfassen einer isolierten, gleichsam ›absoluten‹ Bedeu-
vermögen. Auf den Einwand, daß Bedeutun- tung einzelner Ausdrücke ausschließt. Seine
832 III. Positionen

Auffassung zieht allerdings Konseq uenzen wechselndem Kontext verändern müßte.


nach sich, die mir bedenklich erscheinen und Diese mißliche Lage betrachtet Strawson
auf die ich ausführlicher zurückkommen (1950 b) als ein ernsthaftes Indiz für die
werde. Indem sie nämlich eine scharfe Tren- Undurchführbarkeit des formalsprachlichen
nung zwischen Theorie und Sprache vereitelt, Programms, das ja wesentlich danach ausge-
macht sie die meines Erachtens wichtige, be- richtet ist, die Frage nach den Wahrheitsbe-
reits in Carnaps Ansatz angelegte Unterschei- dingungen von den Umständen der Äußerung
dung zwischen der Revision einer Theorie freizuhalten. — Eine weitere Schwierigkeit
oder empirischen Hypothese innerhalb eines schaffen die von Quine ‘opak’, d. h. referen-
vorgegebenen Begriffssystems und dem Auf- tiell undurchsichtig, genannten Kontexte wie
geben des begrifflichen Rahmens selbst un- diejenigen der Anführung, der Modalitäten
möglich. — Die Philosophen, die den Ge- und der propositionalen Einstellungen (pro-
brauch von formalen Sprachen fordern, positional attitudes) (s. Art. 80), weil in ihnen
bauen ihre Position auf der Zuversicht auf, das Prinzip der Ersetzbarkeit salva veritate
daß die Bedeutung von sprachlichen Aus- von äq uivalenten Ausdrücken versagt. Wenn
drücken mit Hilfe der Logik in präziser Weise wir nämlich in ‘‘Bern’ hat vier Buchstaben’,
erklärt werden kann. Ihrer Auffassung nach ‘notwendig (9 > 7)’ und ‘Hans weiß, daß Dr.
hängt Interpretation wesentlich von einer Blau Augenarzt ist’ für die singularen Terme
Wahrheitstheorie ab, die in systematischer ‘Bern’ und ‘9’ sowie für den allgemeinen Term
und exakter Weise die unserem intuitiven ‘Augenarzt’ extensional qä uivalente Aus-
Sprachverstehen zugrundeliegenden Regeln drücke wie ‘Die Hauptstadt der Schweiz’, ‘Die
widerspiegelt. Die konnotativen Nuancen der Anzahl der Planeten’ oder ‘Ophtalmologe’
natürlichen Sprache, die bei einem derartigen substituieren, haben wir keine Gewähr dafür,
Rekonstruktions- und Reglementierungsvor- daß der Wahrheitswert erhalten bleibt. In den
gang verlorengehen, werden als bloß emotio- beiden ersten Beispielen verwandeln wir den
nale Begleiterscheinungen, auf die es in der ursprünglichen wahren Satz offensichtlich in
Wissenschaft nicht ankommt, beiseitegescho- einen falschen; daß es neun Planeten gibt, ist
ben. Einer radikal extensionalen Einstellung, eine kontingente Tatsache, da es rein logisch
wie sie einigen vorschwebt, stehen allerdings denkbar wäre, daß wir weitere derartige Him-
Hindernisse im Weg. Schon Frege, der Ur- melskörper entdecken werden. Frege, der das
heber des Unternehmens, hat darauf hinge- Problem gesehen hat, schlägt eine Lösung vor,
wiesen, daß singulare und allgemeine Tenne, die den Eindruck einer ad-hoc-Maßnahme
aber auch Sätze, sowohl einen Sinn wie auch hinterläßt. In ›ungeraden‹ Kontexten, wie er
eine Bedeutung haben (s. Art. 81). Falls man, opake Kontexte nennt, soll der Wahrheitswert
wie das in historisch nicht ganz getreuer Weise nicht mehr eine Funktion der Referenz, son-
häufig geschieht, seine Terminologie so deu- dern des Sinnes (in seiner Terminologie) sein,
tet, daß Bedeutung mit Extension und Sinn was im übrigen die Annahme einer endlosen
mit Intension gleichgesetzt ist, so darf man Hierarchie abstrakter Gegenstände in Form
sagen, daß singulare Terme das einzige durch des Sinnes eines Sinnes etc. nach sich zieht.
sie bezeichnete Ding, Prädikate die Menge der Sein Vorschlag erweist sich ferner in bezug
Objekte, auf die sie zutreffen, und Sätze einen auf singulare Terme, die nichts bezeichnen,
Wahrheitswert als Extension haben, während als problematisch, weil im Falle etwa von
ihre respektiven Intensionen in einem Indivi- ‘Pegasus ist ein geflügeltes Pferd’, wo kein
dualbegriff, einem allgemeinen Begriff und intensionaler Kontext vorliegt, nicht einzu-
einer Proposition (dem durch den Satz aus- sehen ist, wie das Referenzobjekt die Wahr-
gedrückten ›Gedanken‹) bestehen. Wenn nun heit bestimmen sollte. Frege, der die Abwe-
in einem Satz ein sogenannter leerer singula- senheit eines solchen in der wirklichen Welt
rer Term, wie z. B. ‘Pegasus’, Russells ‘Der zugibt, greift zur Ausflucht, daß er ein durch
gegenwärtige König von Frankreich’ (s. Art. (willkürliche) Konvention als zu der Exten-
78) etc., oder ein indexikalischer Ausdruck sion des Prädikates ‘ist ein geflügeltes Pferd’
(Personal- und Demonstrativpronomen) vor- gehöriges Ding postuliert, das er durch einen
kommt, geraten wir hinsichtlich seiner Wahr- Stern, ‘*’, markiert. — Angesichts der ge-
heitsbestimmung insofern in Schwierigkeiten, schilderten Situation ist es nicht erstaunlich,
als der Satz im ersten Fall überhaupt keinen daß Quine, der die Nützlichkeit der formalen
Wahrheitswert und somit auch keine mögli- Semantik im rekursiven Charakter der Wahr-
che Bedeutung zu haben scheint, während im heitstheorie ansetzt, grundsätzlich vor Inten-
zweiten Falle sich der Wahrheitswert mit sionen zurückscheut. Da ›objektive‹ Bedeu-
59.  Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 833

tungen der Art, wie Frege sie annimmt, keine gilt, wenn K in allen Interpretationen, in de-
möglichen Gegenstände einer empirischen nen P1, ..., Pnwahr sind, auch wahr ist:
Theorie sein können, hat man sie von einem P1, ..., Pn L K
empiristischen, d. h. in seinem Falle behavio- Entsprechend nennt man ein System se-
ristischen Standpunkt aus zu verwerfen. Seine mantisch korrekt (sound), wenn alle seine
Skepsis begründet er nicht allein durch das Thesen (= Axiome und/oder Theoreme)
Fehlen eines brauchbaren Identitätskrite- wahr sind, und semantisch vollständig (com-
riums für Intensionen; abgesehen davon, daß plete), wenn umgekehrt jeder seiner wahren
ihre Einführung das Problem der opaken Sätze eine These ist. Von einem Formalismus
Kontexte keineswegs löst, argumentiert er, wird man idealerweise erwarten, daß beides
seinen nominalistischen Neigungen gemäß, zutrifft, d. h. daß die Mengen der ableitbaren
daß die Ontologie durch die Aufnahme von und der wahren Formeln zusammenfallen,
Individualbegriffen, Eigenschaften und Pro- was jedoch für umfassendere Systeme wie
positionen nur unnütz aufgebläht wird. Eine etwa die Arithmetik nicht der Fall ist, wie
wirklich brauchbare Erklärung der Sprache man seit Gödels Nachweis, daß es in ihr einen
verspricht er sich allein aus einer Methode, wahren Satz gibt, der weder beweisbar noch
die konkrete Ausdrucksformen mit dem widerlegbar ist, weiß (Gödel 1931).
Sprechverhalten der Menschen in Beziehung Für den Philosophen erhebt sich die Frage,
bringt. Man hat ihm vorgeworfen, daß er welcher Zusammenhang zwischen einer streng
damit unfähig bleibt, in der Umgangssprache formalen Erklärung von Gültigkeit und einer
geläufige und scheinbar klare Ausdruckswei- Beurteilung der Korrektheit von Argumenten
sen wie diejenigen der propositionalen Ein- in der außersystematischen Alltagssprache
stellungen, der Modalitäten etc. in sein phi- besteht. Zweifellos spielen intuitive Überle-
losophisches Konzept einzubeziehen. Daß der gungen über die Akzeptierbarkeit von gewis-
Vorwurf jedoch nicht zutrifft, beweisen unter sen Schlüssen beim Entwerfen von logischen
anderem die Arbeiten von Davidson, in wel- Systemen eine Rolle. Dasjenige, zu dessen
chen dieser versucht, Handlungssätze der ka- Verwendung man sich in der Praxis ent-
nonischen Notation zugänglich zu machen. schließt, ist normalerweise das Ergebnis einer
Wechselwirkung zwischen fest verankerten
2.2. Logische Regeln Intuitionen und Erwägungen systematisch-
methodologischer Art; denn es kommen —
2.2.1.  Eine Formalisierung darf nicht mit wie die Erfahrungen eines Lernenden bestä-
einer bloßen Stenographie verwechselt wer- tigen — auch Fälle vor, wo die Einfachheit
den. Sofern Logik es — unter Mißachtung oder die Wirkungskraft einer Regel uns dazu
der rhetorischen Aspekte — mit der Beurtei- bewegen, gewohnte Anschauungen zu opfern.
lung von Argumentationsformen, im beson- So hat sich vermutlich die klassische Quan-
deren der Korrektheit von Schlußweisen zu torenlogik deshalb in weiten Kreisen durch-
tun hat, greift sie normierend in die Schaffung gesetzt, weil sie einen für die Zwecke der
von Kunstsprachen ein. Der Begriff der Ra- Präzisierung, Verallgemeinerung und Verein-
tionalität, mit welchem man operiert, hängt fachung annehmbaren Kompromiß zwischen
weitgehend von der jeweiligen Wahl der lo- dem alltäglich lockeren und dem mathema-
gischen Regeln ab. Eine gültige deduktive tisch engen Gebrauch der logischen Partikel
Folgerung wird allgemein dadurch charakte- darstellt. Sie erlaubt es, die relevante Struktur
risiert, daß sie von wahren Prämissen immer freizulegen, ohne allzu stark von der gewöhn-
zu einer wahren Konklusion führt. Dabei un- lichen Bedeutung abzuweichen. Da die Kor-
terscheidet man in bezug auf ein gegebenes rektheit eines Argumentes, wie man etwas
formales System den syntaktischen Begriff vage zu sagen pflegt, allein von seiner Form
der Ableitbarkeit vom semantischen Begriff abhängt, ist es in der Tat wichtig, die struk-
der logischen Wahrheit bzw. Folgerung. Syn- turellen Eigenschaften, auf die es ankommt,
taktische Gültigkeit wird so erklärt, daß P1, herauszuarbeiten. Dabei ist nicht zu erwarten,
..., Pn, K in L dann und nur dann gilt, wenn daß der Logiker sämtliche Nuancen mit ein-
K aus P1, ..., Pnund den Axiomen von L fängt, die den logischen Konstanten in natür-
(wenn das System solche enthält) aufgrund lichen Sprachen anhaften. Der Verlust an
der Ableitungsregeln von L herleitbar ist: ›Natürlichkeit‹ wird im Falle der Junktoren
P1, ..., Pn  L K durch den in bezug auf Systematik entschei-
Semantische Gültigkeit andererseits wird so denden Vorteil wettgemacht, daß die wahr-
bestimmt, daß P1, ..., Pn, K in L genau dann heitsfunktionale Fassung der Aussagenlogik
834 III. Positionen

ein mechanisches Entscheidungsverfahren er- natürlichen Sprache formalsprachlich ersetzt


möglicht. Mit einem Blick auf das verfolgte werden:
Ziel, zum Beispiel die q uantorenlogische Ana-
lyse eines gegebenen Idioms, wird man ein- ∨ x Fx Es gibt mindestens
schränkend die Verwendung der Wörter ein F.
‘nicht’, ‘oder’, ‘und’, ‘wenn — dann’, ‘für ⋀ x ⋀ y (Fy ↔ x = y) Es gibt höchstens
alle’, ‘es gibt’ etc. so reglementieren, daß sie ein F.
der Definition von ‘~’, ‘∨’, ‘⋀’, ‘→’, ‘⋀ x’, ∨ x ⋀ y (Fy ↔ x = y) Es gibt genau ein
‘∨ x’ etc. im formalen System entsprechen. F.
Um die Gültigkeit eines natürlichsprachlichen ∨ x ∨ y ⋀ z (Fz ↔ Es gibt genau zwei
Argumentes zu prüfen, ist im übrigen beim (x = z v y = z)) F.
Übersetzen in die künstliche Sprache darauf etc.
zu achten, daß man mindestens so viel — Vagere q uantitative Ausdrücke wie etwa ‘viele’
idealerweise, nach Quines Maxime „where it oder ‘wenige’ wären entsprechend als ‘minde-
doesn’t itch, don’t scratch“ (Quine 1960, 160), stens n’ oder als ‘höchstens n’ wiederzuge-
genau so viel — Struktur aufzudecken hat, ben. Wenn ein endlicher Bereich gewählt wird,
wie für die Gewinnung der Konklusion erfor- kann man ohne Quantoren auskommen,
derlich ist. Wenn man etwa die Gültigkeit des weil dann ‘⋀ x Fx’ mit ‘Fa ⋀ Fb ⋀ Fc ⋀ ...’
Schlusses von P auf K und ‘∨ x Fx’ mit ‘Fa ∨ Fb ∨ Fc ∨ ...’
P: Alle Hunde sind Tiere äq uivalent sind, was jedoch im Falle eines
K: Alle, die Hunde q uälen, q uälen Tiere Universums mit unendlich vielen Elementen
aufzeigen will, genügt es nicht, die Prämisse nicht effektiv formulierbar ist.
P mit ‘p’ und die Konklusion K mit ‘q → r’ Wie ich am Anfang des Kapitels bereits
zu symbolisieren, da ‘p → (q → r)’ keine angedeutet habe, sind für die Quantoren ver-
allgemeingültige Formel der Aussagenlogik schiedene Interpretationen vorgeschlagen
ist. Ebensowenig führt die Einsetzung von worden. Quine und Davidson treten mit einer
‘Fx’ für ‘x ist ein Hund’, ‘Gx’ für ‘x ist ein Mehrheit von Philosophen für die objektbe-
Tier’, ‘Hx’ für ‘x q uält einen Hund’ und ‘Mx’ zogene Deutung ein, Barcan Marcus plädiert
für ‘x q uält ein Tier’ zum Erfolg, denn auch für die substitutionelle Deutung, während
‘⋀ x (Fx → Gx) → ⋀ x (Hx → Mx)’ ist kein Charles Dacre Parsons (* 1933), Kripke und
allgemeingültiger Satz der Prädikatenlogik. andere für beide Versionen Verwendung fin-
Um zum gewünschten Ergebnis zu gelangen, den. Die Kontroverse betrifft im wesentlichen
ist es erforderlich, das zweistellige Prädikat die Frage, ob die Quantoren über Objekte
‘Hxy’ (‘x q uält y’) einzuführen: oder über Namen als deren sprachliche Ver-
⋀ x (Fx → Gx) treter laufen. Im ersten Falle werden ‘⋀ x Fx’
⋀ x [Vy (Fy ⋀ Hxy) → und ‘∨ x Fx’ als ‘für ein beliebiges Objekt x
∨ y (Gy ⋀ Hxy)] im Wertbereich D der Variablen gilt, daß x
ein F ist’ und ‘für mindestens ein Objekt in
In dieser Form nun läßt sich der Schluß tat- D gilt, daß x ein F ist’ interpretiert, während
sächlich ableiten, wodurch die Korrektheit sie im zweiten als ‘alle Substitutionsinstanzen
unserer Intuition formal belegt wird. [‘Fa, ‘Fb’, ‘Fc’, ...] von ‘Fx’ sind wahr’ und
‘mindestens eine Substitutionsinstanz von
2.2.2.  Frege hat die in der traditionellen ‘Fx’ ist wahr’ gelesen werden. Die Unterschei-
Grammatik übliche Subjekt-Prädikat-Struk- dung ist nach Quine besonders deshalb nicht
tur eines Satzes durch die Unterscheidung belanglos, weil sie Folgen hinsichtlich der On-
zwischen Funktion und Argument ersetzt, tologie hat: mit der objektbezogenen Inter-
was es ihm erlaubt, auch Relationen, d. h. pretation verpflichten wir uns, wenn wir die
mehrstellige Prädikate, in die Quantorenlogik Wahrheit eines Satzes behaupten, zur An-
mit einzubeziehen. Die Satzfunktion ‘x liegt nahme der Existenz all der Gegenstände, über
zwischen y und z’ [‘Fxyz’] wird z. B. durch die wir in diesem Satz q uantifizieren. Falls
das geordnete Tripel 〈Lyss, Bern, Biel〉, nicht wir Quantoren wie ‘⋀ F’, ‘∨ G’ oder ‘⋀ p’,
aber durch 〈Lausanne, Vevey, Montreux〉 er- ‘∨ q’ einführen, kommen wir nicht darum
füllt. Diese Erweiterung ist insofern wichtig, herum, intensionale Entitäten in Form von
als eine ganze Reihe von gültigen Schlüssen Eigenschaften oder Propositionen in unsere
erst unter ihrer Voraussetzung zu gewinnen Ontologie aufzunehmen. Da solche aber dem
sind, wie das Beispiel mit den Tierq uälern Grundsatz ›keine Entität ohne Identität‹ nicht
verdeutlicht. — Mit Hilfe der Quantoren und genügen, verwirft er aufgrund des ontologi-
der Identität können beliebige Zahlwörter der
59.  Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 835

schen Kriteriums ›zu sein heißt, der Wert einer schied zu Russell halten die Pragmatisten je-
(gebundenen) Variable zu sein‹ die Quanto- doch daran fest, daß die Bedeutung eines
renlogik höherer Stufen, in welcher über nach Terms überhaupt erst durch die Bedingungen
ihm unidentifizierbare Dinge q uantifiziert seiner Anwendung fixiert wird. Andere wie-
wird. Das ist der Grund, weshalb Quine sich derum sind der Auffassung, daß die Korre-
in seiner kanonischen Notation auf Indivi- spondenztheorie die Definition, die Kohä-
duenvariablen beschränkt, die allerdings nicht renztheorie hingegen das Kriterium liefere.
im Sinne der zur Zeit seiner Zusammenarbeit Die Diskussion der diversen Wahrheitsbe-
mit Goodman vertretenen streng nominalisti- griffe wird zeigen, daß die kohärenztheoreti-
schen Doktrin ausschließlich für konkrete schen sowie die pragmatischen Ansätze ein
Gegenstände stehen (Goodman/Quine 1947); erkenntnistheoretisches Moment aufweisen,
denn Klassen, für die es ein genaues Identi- das in der semantischen Konzeption Tarskis
tätskriterium gibt, sind als abstrakte Objekte und seiner Nachfolger fehlt (s. Art. 69). —
ebenfalls zulässig, während Bedeutungen we- Die von Aristoteles beeinflußte Korrespon-
gen der Unklarheit der für sie herangezogenen denztheorie, die am ehesten den gewöhnlichen
intensionalen Bestimmungen verbannt wer- Vorstellungen von Wahrheit entspricht, er-
den. Es ist zu beachten, daß das Quinesche hielt in bezug auf die formale ›Idealsprache‹
Konzept wesentlich auf der Voraussetzung be- in Russells früher Lehre des logischen Ato-
ruht, daß das ontische Gewicht nicht in den mismus und in Wittgensteins Tractatus ihre
singulären Termen liegen kann, weil diese bekanntesten Formulierungen. Sie besagt im
ohne Schaden aus der Sprache eliminierbar wesentlichen, daß Wahrheit in der Überein-
sind. Das geschieht so, daß man zunächst stimmung zwischen einer Proposition und
Eigennamen, beispielsweise ‘a’, durch Kon- einem Sachverhalt bestehe. Wittgenstein er-
struktion eines künstlichen Prädikates, ‘= a’, klärt den vagen Begriff der Korrespondenz
in eine Kennzeichnung ‘(ιx)(x = a)’ verwan- mittels desjenigen der strukturellen Isomor-
delt; mit Russells Theorie wird dann ein Satz phie, indem er die Wahrheit von komplexen
wie ‘F (ιx)(x = a)’ durch den rein q uantifi- Propositionen funktional von der Wahrheit
katorischen Ausdruck der Atomsätze, die die elementaren Tatsachen
‘∨ x (⋀ y (y = a ↔ x = y) ⋀ Fx)’ der Welt widerspiegeln, abhängen läßt. In
ersetzt, der mit Russells Version gelten Sinnesdaten als die
∨ x ((x = a) ⋀ Fx) einzigen unmittelbar bekannten Gegenstände
äq uivalent ist und mit ‘F’ für ‘kahl’ und ‘a’ (objects of acq uaintance), denen — in die
für ‘Sokrates’ einfach besagt: ‘Sokrates (= Bedeutung der entsprechenden Propositionen
das einzige unter diesem Namen in der Antike eingehende — Namen zugeordnet werden.
bekannte Individuum) ist kahl’. Da im Uni- Abgesehen von den problematischen Fragen
versum tatsächlich ein Objekt vorkommt, das nach der Individuierung von Sachverhalten
die Funktion, über die sich der Existenzq uan- oder nach der Interpretation der Negation
tor erstreckt, erfüllt, gilt der Satz als wahr. (entspricht eine negierte Proposition einer ne-
gativen Tatsache?) scheint die Auffassung we-
gen der schier unüberwindbaren Schwierig-
3. Wahrheitstheorien keit, die in der isomorphen Abbildung invol-
vierten Elemente und Relationen genau zu
3.1. Korrespondenz-, Kohärenz- und bestimmen, zum Scheitern verurteilt. Auch
Redundanztheorie spätere Versuche, das Unternehmen im Zu-
Die diversen bekannten Theorien erfordern sammenhang mit der natürlichen Sprache zu
zum Teil verschiedenartige Dinge wie Glau- retten, wie etwa derjenige von Austin (1950),
bensinhalte, Sätze, Propositionen etc. als Trä- ermutigen nicht, weitere Anstrengungen in
ger der (Eigenschaft der) Wahrheit. Welches dieser Richtung vorzunehmen. — Die Ko-
die beste Wahl ist, läßt sich nur durch Argu- härenztheorie hat nicht nur unter Idealisten
mente entscheiden, die sich auf die relative wie etwa dem englischen Hegelianer Francis
Brauchbarkeit der entwickelten Begriffsap- Herbert Bradley (1846—1924), sondern auch
paratur beziehen. Russell (1903) hatte geltend im Wiener Kreis in der Person von Neurath
gemacht, daß man zwischen einer Definition und später mit Nicholas Rescher (* 1928)
der Wahrheit, die eine Explikation des Wortes (1973) ihre Anhänger gefunden. Die logischen
liefert, und einem Kriterium, das ein Verfah- Empiristen, Carnap voran, waren an der Veri-
ren zur Prüfung von einzelnen Sätzen an die fikation von Sätzen und daher an einem Kri-
Hand gibt, zu unterscheiden habe. Im Unter- terium erkenntnistheoretischer Art interes-
836 III. Positionen

siert. Das Verfahren stützte sich auf Sätze, die wissenschaftlichen Tätigkeit. Allein eine auf
wegen ihres angeblich rein wahrnehmungs- die Wirklichkeit orientierte Methode erlaubt
mäßigen Gehaltes unmittelbar die Gewähr für es uns, stabile Glaubensinhalte zu erlangen,
ihre Übereinstimmung mit Tatsachen liefern. auf die sich die Gemeinschaft mit der Zeit
Neurath, der nicht allein die Fragwürdigkeit einigt, weil wir aufgrund ihrer erfolgreich
der Unkorrigierbarkeit von Protokollsätzen, unsere praktischen Aufgaben bewältigen. Das
sondern auch die Unerheblichkeit von bloß könnte nicht der Fall sein, wenn die Sätze,
subjektiven Erlebnisberichten für die Wissen- an die wir glauben, widerspruchsvoll wären
schaft erkannt hatte, zweifelte grundsätzlich oder nicht mit der Realität übereinstimmen
daran, daß der Behauptung einer Überein- würden. Wahre Überzeugungen sind letztlich
stimmung zwischen toto coelo verschiedenar- solche, die uns vor widerwärtigen Erfahrun-
tigen Gebilden wie Tatsachen und Ausdrük- gen bewahren. Im anwachsenden Kumula-
ken überhaupt ein einsichtiger Sinn abzuge- tionsprozeß der Erkenntnis passen wir die
winnen sei. Die Überzeugung, daß Sätze nur neuen Einsichten jeweils so an, daß sie sich
mit anderen Sätzen verglichen, d. h. auf ihre mit einem minimalen Aufwand an Eingriffen
logischen Beziehungen hin geprüft werden in den bestehenden Korpus einfügen lassen.
können, führte ihn dazu, sich für eine kohä- Quine, der in Two Dogmas of Empiricism fest-
rentistische Konzeption zu entscheiden. In- stellt, daß ein widerlegendes Experiment
dem er Wahrheit als wesentlich durch die nichts darüber besagt, wo wir mit der Revi-
Konsistenz der Totalität unserer Glaubensin- sion anzusetzen haben, wurde von dieser Seite
halte bedingt erachtet, beschreibt er den Vor- her beeinflußt, als er sein Prinzip des methodi-
gang ihrer Sicherung bei fortschreitendem schen Konservativismus formulierte, demge-
Wissen als ein ständiges Wiederherstellen des mäß diejenige Änderung vorzunehmen sei —
logischen Gleichgewichtes durch Auswählen eventuell sogar eine Korrektur an der Lo-
der neu hinzukommenden Sätze oder durch gik —, die im ganzen gesehen die geringste
Revidierung von bereits aufgenommenen Sät- Störung verursacht. Damit geht zweifellos
zen. Ein Echo dieser Auffassung, die in be- auch ein gewisses kohärentistisches Moment
denklicher Weise vom Empirismus wegführt, in den Begriff der Verifikation ein. Während
findet man in Quines semantischem Holis- jedoch die genannten klassischen Pragmati-
mus. sten zu allgemeinen Äußerungen des Inhalts
Rescher nimmt den Gedanken wieder auf, neigen, daß Wahrheit sich ändere, gemacht
indem er die erkenntnistheoretische Rolle von werde, nützlich sei, etc., hält Quine an einer
Kohärenzüberlegungen beim Prüfen von Konzeption fest, die — Tarskis Definition sich
Wahrheit im Detail untersucht. Er schlägt ein zunutzemachend — einer genaueren Formu-
Verfahren vor, um aus der Menge der mitein- lierung fähig ist als etwa Deweys vager Begriff
ander unvereinbaren Daten eine maximale der gerechtfertigten Behauptbarkeit (warran-
widerspruchsfreie Unterklasse von verbürg- ted assertability; Dewey 1938). — Die Re-
ten Glaubensinhalten auszuwählen. Dem Ein- dundanztheorie, die in verschiedenster Form
wand, daß es vermutlich in jeder Situation von Autoren wie Arthur Norman Prior
zahlreiche solche gibt und daß die Methode (1914—1969), John Leslie Mackie (1917—
es nicht erlaubt, eine kohärente wissenschaft- 1981), Nuel Dinsmore Belnap (* 1930) und
liche Theorie einem konsistenten Mythos ge- Strawson ins Auge gefaßt worden ist, stammt
genüber auszuzeichnen, begegnet er dadurch, von Frank Plumpton Ramsey (1903—1930)
daß er einen Filter einbaut, durch den die (1927). Im wesentlichen besagt sie, daß die
Daten nach ihrer anfänglichen Plausibilität Prädikate ‘wahr’ oder ‘falsch’, die wir aus
geschieden werden. Dadurch wird aber das Beq uemlichkeitsgründen verwenden, insofern
ursprüngliche Problem nur hinausgeschoben, überflüssig sind, als sie sich ohne Sinnverlust
da die Schwierigkeit bezüglich der Frage nach aus allen Kontexten eliminieren lassen. Denn
einem präzisen Kriterium für Glaubwürdig- nach Ramsey bedeutet ‘es ist wahr/falsch, daß
keit derjenigen nach der Unkorrigierbarkeit p’,dasselbe wie ‘p/~p’, und ‘Alles, was NN
von Basissätzen kaum nachstehen dürfte. — sagt, ist wahr’, dasselbe wie ‘⋀ p (NN sagt,
Die Pragmatisten, Charles Sanders Peirce daß p → p)’. Damit entfernen wir uns am
(1839—1914) (s. Art. 32), William James meisten von der üblich akzeptierten Korre-
(1842—1910), John Dewey (1859—1952) und spondenzauffassung, da nun scheinbar über-
Ferdinand Canning Scott Schiller (1864— haupt nicht mehr von einem Vergleich mit
1937), um nur die bekanntesten zu erwähnen, irgendwelchen Tatsachen die Rede ist. Sofern
betrachten Wahrheit als das Ziel einer jeden Wahrheit nicht als ein semantisches Prädikat,
59.  Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 837

das sich auf eine Eigenschaft eines Satzes be- einer brauchbaren Bestimmung des Begriffes
zieht, betrachtet wird, entfällt auch die omi- verlangt Tarski, daß sie sich sowohl hinsicht-
nöse Frage nach den Trägern, d. h. nach der lich ihres Inhalts, also material, als adäq uat
Art von Dingen, auf die es zutrifft. Dem ist wie auch hinsichtlich ihrer Form, also formal,
entgegenzuhalten, daß die Einführung von als korrekt erweist. Um die erste der Bedin-
Quantoren wie ‘⋀ p’ oder ‘∨ p’ entweder, gungen zu erfüllen, hat eine Definition sämt-
wenn objektbezogen interpretiert, Entitäten liche Einsetzungsinstanzen des Schemas
einer entsprechenden Gattung im Wertbereich (T) S ist wahr dann und nur dann, wenn p
der Variablen erheischt oder aber, wenn sub- zu implizieren, wo ‘S’ für den Namen eines
stitutionell interpretiert, den Term ‘wahr’ beliebigen Satzes und ‘p’ für diesen Satz selbst
nicht aus der Explikation wegschafft. Zudem steht. Als Beispiel führt er an:
würde wegen des Wegfallens der Unterschei- ‘Schnee ist weiß’ ist wahr dann und nur
dung zwischen Objekt- und Metasprache die dann, wenn Schnee weiß ist.
Gefahr der Bildung von Paradoxien bestehen Mit der Konvention (T) wird somit die Ex-
— z. B. wenn ich selbst behaupten wollte, daß tension des Prädikates bestimmt: wie auch der
alles, was ich sage, falsch sei; denn falls ‘⋀ p Wahrheitsbegriff intensional sonst beschaffen
(ich sage, daß p → p)’ eine zulässige Kon- sein mag, er muß, sofern er material adäq uat
struktion wäre, würde das System tatsächlich sein soll, alle Instanzen von (T) zur Folge
einen Widerspruch enthalten, da der zitierte haben. Die Bedingung für formale Korrekt-
Satz mit zur Menge meiner Aussagen gehören heit betrifft ihrerseits die Frage nach der
müßte. — Den wichtigsten Hinderungsgrund Struktur, die eine Sprache aufzuweisen hat,
für die Adoptierung einer Redundanztheorie damit die Definition in ihr gegeben werden
erblickt Quine in der Tatsache, daß wir oft in kann. Für die bekannten Antinomien, die in
die Lage geraten, über unendlich viele Sätze ›semantisch geschlossenen‹ sprachlichen Sy-
— z. B. über alle Thesen eines logischen oder stemen auftauchen, macht Tarski die Tatsache
mathematischen Systems — sprechen zu müs- verantwortlich, daß solche neben den übli-
sen (1970 c, 11). Wenn wir es immer nur mit chen Termen noch Ausdrücke, um diese zu
vereinzelten Sätzen zu tun hätten, könnten erwähnen, sowie semantische Prädikate wie
wir unmittelbar über die Welt sprechend auf ‘wahr’ und ‘falsch’ enthalten. Er fordert des-
das semantische Aufsteigen (semantic ascent) halb, daß man die Objektsprache L, für die
und damit auch auf das Wahrheitsprädikat man Wahrheit definieren will, von derartigen
verzichten. Da wir jedoch darauf angewiesen Ausdrücken freihält und sie erst auf der Stufe
sind, allgemeine Aussagen der Art, daß alle der Metasprache M, in welcher über L ge-
Sätze, die die logische Form des Gesetzes vom sprochen wird, einführt. Dank der vorgenom-
verbotenen Widerspruch haben, wahr sind, menen Relativierung gelingt es, die Gefahr
und da es aus den bereits erläuterten Gründen der semantischen Paradoxien abzuwenden,
nicht angebracht ist, über Satzvariablen zu denn — einmal ihrer Selbstbezüglichkeit ent-
q uantifizieren, kommen wir nach ihm nicht ledigt (s. Art. 79) — verwandelt sich z. B. die
darum herum, ein semantisches Prädikat im Lügnerantinomie
Tarskischen Sinne einzuführen, das im übri- Der auf Zeile 40 f von Seite 837 b dieses
gen, wie er sinnigerweise bemerkt, nichts mit Artikels stehende Satz ist falsch
einer Korrespondenztheorie zu tun hat. in den metasprachlichen Satz
Der auf Zeile 43 f von Seite 837 b dieses
3.2. Tarskis Definition Artikels stehende Satz ist falsch-in-L.
Da sich jedoch an der angegebenen Stelle gar
Tarskis semantische Theorie (1935; 1944), die kein Satz aus L, sondern nur ein Satz der
eine weite Verbreitung gefunden hat, führt Metasprache M befindet, haben wir das Ent-
zunächst die Bedingungen an, die jede Wahr- stehen eines Widerspruchs vermieden. Es ist
heitsdefinition zu erfüllen hat, um überhaupt zu beachten, daß die Tarskische Konzeption
als richtig gelten zu dürfen. Ihren Erfolg ver- insofern eine Hierarchie von Metasprachen
dankt sie in erster Linie den streng exakten involviert, als wir darauf angewiesen sind, auf
Verfahrensweisen, die der Verfasser in seinen der noch höheren Stufe MM die Konstruk-
Arbeiten entwickelt, während andererseits die tionsvorschriften für M zu formulieren. Weil
von diesem selbst eingeräumte Fragwürdig- in den von (T) implizierten Äq uivalenzaus-
keit einer möglichen Anwendung auf natür- sagen jeweils auf der linken Seite Namen von
liche Sprachen ernsthafte Zweifel an ihrer phi- Sätzen aus L und auf der rechten Seite diese
losophischen Fruchtbarkeit geweckt hat. Von
Sätze selbst oder Übersetzungen von ihnen
838 III. Positionen

vorkommen, muß M wesentlich reicher mit (3) Definition der Erfüllungsrelation:


Ausdrucksmitteln ausgestattet sein als L. — Wir richten ML, die Metasprache von L,
Wie läßt sich nun mit Rücksicht auf die ge- so ein, daß den Variablen ‘x1’, ‘x2’, ... in
nannten Bedingungen eine Definition gewin- L die metasprachlichen Variablen ‘α1’,
nen? Man könnte zunächst verlockt sein, auf- ‘α2’, ... und den Prädikaten ‘F1’, ‘F2’, ...
grund einer Quantifizierung zu verallgemei- die metasprachlichen Konstanten ‘R1’,
nern:
⋀ p (‘p’ ist wahr genau dann, wenn p). ‘R2’, ... entsprechen. Neben der Überset-
Wir haben jedoch gesehen, daß Anführungs- zung eines jeden zu L gehörigen Aus-
kontexte referentiell undurchsichtig sind und drucks verfügen wir in MLüber Namen,
daß wir deshalb, sobald wir in sie hinein- ‘vi’, für die Individuenvariablen von L
q uantifizieren, unsinnige Gebilde erzeugen; dermaßen, daß v1 = ‘x1’, v2 = ‘x2’ etc. Des
denn ‘⋀ p (‘p’ ist wahr)’ ist syntaktisch ge- weiteren führen wir Namen, ‘Pi’, für Prä-
nauso unzulässig wie z. B. die offensichtlich dikate in L ein derart, daß P1, = ‘F1’, P2
unsinnige Quantifikation über ‘x’ in ‘⋀ x (Se- = ‘F2’ etc. Φ, Ψ, ... sind Variablen, die
x ualverkehr mit Minderjährigen ist verbo- über (offene oder geschlossene) Sätze von
ten)’. Tarski wählt den Umweg über den Be- L laufen; an ihrer Stelle kann man also
griff der Erfüllung, den er rekursiv definiert. Namen objektsprachlicher Sätze einset-
Satzfunktionen — ›offene Sätze‹ in Quines zen. Mit Hilfe von Quasianführungszei-
Terminologie — sind im Gegensatz zu (ge- chen (Quine Corners), ‘’, ‘’, bilden wir
schlossenen) Sätzen nicht wahr oder falsch, die Namen zusammengesetzter Aus-
sondern werden durch bestimmte geordnete drücke aus L: so steht etwa ~P1v3v5
n-Tupel (n  1) von Individuen erfüllt oder für ‘~ F1’ x3x5’, d. h. ist Name eines Aus-
nicht. Entsprechend definiert er Erfüllung als
eine Relation zwischen offenen Sätzen mit drucks, der sich aus den Zeichen ‘~’, ‘F1’,
einer beliebigen Anzahl freier Variablen, ‘Fx1, ‘x3’ und ‘x5’ (in dieser Reihenfolge!) zu-
x2, ..., xn xn + 1, ...,’ und unendlichen Folgen sammensetzt, oder (P1v1 ∨ P2V1) für
von Objekten, 〈a1, a2, ..., an, an + 1, ...〉, wobei ‘F1x1 ∨ F2x1’, d. h. ist Name des Aus-
konventionell festgelegt wird, daß ein n-stel- drucks, der durch die Zusammenstellung
liger offener Satz als erfüllt gilt, wenn die n der Zeichen ‘(‘, ‘F1’, ‘x1,’, ‘∨’, ‘F2’, ‘x1,’
ersten Glieder der Seq uenz ihn erfüllen (die und’)’ entsteht. Damit haben wir die Mit-
übrigen werden als unerheblich ignoriert). tel bereitgestellt, um für jeden Ausdruck
Wählen wir die Prädikatenlogik erster Stufe in L den entsprechenden Namen in ML
als Objektsprache, so ergibt sich in einer Tars- zu bilden. Wir müssen schließlich noch
kis Vorschlag gemäß eingerichteten Meta- Variablen einführen, die für aus Elemen-
sprache der folgende (Quines kanonischer ten des Universums U bestehende Folgen
Notation entsprechende) formale Aufbau: stehen: f′, f″, f‴ ... Wir definieren dann
(1) Vokabular von L: den Begriff der Erfüllbarkeit von offenen
Individuenvariablen: x1, x2, x3, ... Sätzen aus L im Sachbereich G = 〈U, R1,
Prädikatbuchstaben (jeder mit einer be- ..., Rk〉 bei der Interpretation I, die dem
stimmten Anzahl von Argumenten): F1, Prädikat Pi in L die zu G gehörende Re-
F2, F3, ... lation Rizuordnet, indem wir zunächst
Satzjunktoren: ~, ∨ die Erfüllbarkeit von atomaren Sätzen
Quantor: ∨ xi. festlegen und dann rekursiv diejenigen
(2) Syntaktische Regeln: von molekularen Ausdrücken bestimmen:
(a) Alle atomaren Sätze, bestehend aus (1) Eine unendliche Folge f erfüllt in G
einem n-stelligen Prädikat gefolgt von n den Ausdruck Pjvi1, ..., vin bei der
Variablen, sind syntaktisch korrekt gebil- Interpretation I genau dann, wenn
dete Ausdrücke; Rj αi1, ..., αin.
(b) wenn Φ ein korrekt gebildeter Aus-
druck ist, dann ist es auch Φ ~ Φ; (2 a) f erfüllt ∼ ϕ genau dann, wenn f
(c) wenn Φ und Ψ korrekt gebildete Aus- nicht ϕ erfüllt.
drücke sind, dann ist es auch Φ ∨ Ψ; (2 b) f erfüllt ϕ ∨ ψ genau dann, wenn
(e) wenn Φ ein korrekt gebildeter Aus- f ϕ erfüllt oder wenn f ψ erfüllt.
druck ist, dann ist es auch ∨ x Φ. (3) f erfüllt ∨ vi ϕ genau dann, wenn
es mindestens ein α ∈ U gibt derart,
daß ϕ erfüllt (wo ‘ ’ eine Folge
bezeichnet, die dadurch entsteht,
daß in f das i-te Glied, nämlich αi,
durch α ersetzt wird).
59.  Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 839

Da die Erfüllbarkeit eines gegebenen of- gibt keine freien Variablen!). Damit erweist
fenen Satzes durch eine bestimmte Folge sich die Konjunktion selbst als wahr, und f′
nur von denjenigen Gliedern der Folge kann folglich beliebig sein, da es in diesem
abhängt, die den freien Variablen des be- Fall für die Wahrheit von (1) irrelevant ist,
treffenden Satzes zugeordnet sind, kann ob wir f′k = fk, f″k = fkoder f‴k = fketc.
man im übrigen Tarskis Formulierung haben. Also wird Φ, wenn überhaupt durch
vereinfachen, indem man kurzerhand eine Folge erfüllt, durch jede beliebige Folge
sagt, daß ein Gegenstand αi einen Aus- erfüllt. — Tarski weist nach, daß seine Defi-
druck mit der freien Variable vi oder daß nition die beiden Bedingungen der materialen
ein geordnetes n-Tupel, 〈α1, ..., αn〉, einen Adäq uatheit und der formalen Korrektheit
offenen Satz mit den freien Variablen v1, befriedigt. Da aus ihr folgt, daß dann, wenn
..., vn erfüllt. von zwei Sätzen der eine die Negation des
Mit Hilfe des Erfüllbarkeitsbegriffes defi- anderen bildet, genau einer der beiden wahr
nieren wir endlich denjenigen der Wahrheit: sein muß, schließt sie eo ipso mehrwertige
Ein geschlossener Satz Φ von L ist wahr Theorien aus. Ferner wäre zu beachten, daß
im Bereich G bei der Interpretation I dann ein Rückgreifen auf den Erfüllungsbegriff nur
und nur dann, wenn jede Folge von Objekten, im Zusammenhang mit der objektbezogenen
die zu U gehören, Φ erfüllt. Interpretation einen Sinn hat, da ja bei sub-
Um zu verstehen, daß ein geschlossener stitutioneller Deutung die Quantoren bereits
Satz von allen Folgen erfüllt wird oder aber mit Hilfe des Wahrheitsbegriffes erklärt wer-
von keiner, muß man eingesehen haben, den. Die Neutralität von Tarskis Theorie me-
warum in diesem besonderen Fall (wo keine taphysischen oder erkenntnistheoretischen
Variablen frei vorkommen), die Erfüllung eine Positionen gegenüber fällt als einer ihrer be-
Alles-oder-Nichts-Frage ist. Wir erinnern merkenswertesten Züge auf. Es scheint des-
daran, daß eine eineindeutige Zuordnung zwi- halb verfehlt, wenn Karl Raimund Popper
schen den Gliedern einer unendlichen Folge (* 1902) ihrem Schöpfer nachrühmt, durch
und den Individuenvariablen vorgenommen seine präzise formale Explikation die Korre-
wird: spondenztheorie von ihren früheren Mängeln
erlöst zu haben. Seine Auslegung, wonach
f = f1, f2, f3, f4, ... sich die linke Seite auf die Sprache, die rechte
| | | | dagegen auf Tatsachen — er verbessert gele-
x1, x2, x3, x4, ... gentlich Tarskis eigene Formulierung durch
Hinzufügung des Wortes ‘indeed’ (Popper
Entsprechend erfüllt f z. B. den offenen Satz 1963) — beziehen soll, mutet eher naiv an.
‘F1x3x7’ genau dann, wenn f3 und f7 in der Denn wir finden bei genauerer Betrachtung
Relation ‘F1’ zueinander stehen. Allgemein, in der Instanz ‘‘Schnee ist weiß’ ist wahr dann
d. h. für offene Sätze mit einer beliebigen An- und nur dann, wenn Schnee weiß ist’ keine
zahl von freien Variablen, gilt somit: Tatsache, sondern nur zwei Sätze (einen an-
(1) Wenn die unendliche Folge f den offenen geführten in der Objektsprache und einen in
Satz Φ erfüllt und wenn ‘xk’ eine freie Variable der Metasprache). Da die Definition sämtli-
in Φ ist, so daß für eine unendliche Folge f′ che Wahrheiten erfaßt, dürften im übrigen
für alle k gilt: fk = f′k, dann erfüllt auch f′ den nach Poppers Deutung auch die Sätze der
offenen Satz Φ. Logik nur dann wahr sein, wenn sie mit den
Aus (1) folgt für den Fall, wo keine freien Tatsachen übereinstimmen — eine merkwür-
Variablen vorkommen: dige Konseq uenz, die gegen eine solche Auf-
(2) Wenn Φ ein geschlossener Satz ist, der fassung spricht — und das um so mehr, als
wenigstens von einer unendlichen Folge er- Tarski selbst keine erkenntnistheoretischen
füllt wird, dann erfüllt jede unendliche Folge Ansprüche erhebt und sich ausdrücklich ge-
Φ. gen die Mißdeutung verwahrt, ein Kriterium
Denn die einzigen relevanten Elemente einer oder Prüfungsverfahren vorgelegt zu haben.
unendlichen Folge f sind diejenigen, deren
Position in f der Position einer freien Variable 3.3. Wahrheit und ontologische Relativität
in Φ entspricht. (1) hat nun die folgende satz-
logische Struktur: 3.3.1.  Nach Quine ist die Referenztheorie, die
(p ⋀ (q → r)) → s Fragen der Denotation und der Extension
Da betrifft, relativ klar zu erfassen, während die
s erste Glied der Konjunktion ist wahr, Bedeutungstheorie, die es mit Konnotation
während das Vorderglied des Konditionals im und Intension zu tun hat, theoretisch un-
anderen Teil der Konjunktion falsch ist (es
840 III. Positionen

fruchtbar bleibt, weil die in ihr verwendeten Er hat somit erkannt, daß die Relativierung
Begriffe keine effektive Erklärungskraft auf gegebene sprachliche Systeme jeglichen
haben (s. Art. 78). Tarskis Wahrheitstheorie Versuch, eine bestimmte Theorie als die fak-
hatte er vorerst der konseq uent extensionali- tisch wahre auszuzeichnen, vereitelt. Das
stischen Haltung ihres Autors wegen begrüßt. stimmt mit Tarskis Überzeugung überein, daß
Seit seiner Einsicht in die Relativität der On- seine Definition ontologisch neutral sei,
tologie ist er vorsichtiger geworden, obschon kommt aber auch Carnaps Anliegen entge-
er weiterhin auf der Ansicht beharrt, daß die gen, bei der Wahl von Rahmenwerken Tole-
Referenztheorie gewaltige Vorteile vorzuwei- ranz walten zu lassen. Die Neutralität geht
sen hat. Die semantische Konzeption reicht allerdings nicht so weit, wie der mit einer
insofern über die unsichere Vorstellung einer behavioristischen Methode gepaarte Holis-
Übereinstimmung zwischen Aussagen und mus es erfordert. Denn der Erfüllungsbegriff
Sachverhalten hinaus, als sie Wahrheit in ex- setzt eine logisch-grammatikalische Analyse
akter Weise von der Bezeichnungsfunktion voraus, die mindestens die Identifizierung der
gewisser Satzteile abhängig macht. Jaakko satzlogischen Junktoren, der Quantoren, der
Hintikka (* 1929) (1971) hebt hervor, daß in Individuenvariablen sowie der Prädikate er-
einer extensionalen Sprache die Wahrheits- möglicht, so daß das Verfahren letztlich auf
bedingungen von Quantifikationen in ent- Informationen über die Sprache abstellt, für
scheidender Weise von den Referenzobjekten die es nach Quine keine objektive Garantie
der singularen Terme und von der Extension geben kann. — Um die Prädikate einer Ob-
der Prädikate abhängen. Carnap hatte schon jektsprache zu interpretieren, müssen wir zu-
in Meaning and Necessity auf die wichtige vor ihre Ontologie bestimmen. Dies kann je-
Rolle, die Designationsregeln in der Semantik doch, wie Quine gezeigt hat, auf diverse Arten
spielen, hingewiesen: in formalen Systemen geschehen, ohne daß dadurch die Wahrheit
werden sie durch Stipulation festgelegt, wäh- berührt wird: für die Arithmetik zum Beispiel
rend sie in natürlichen Sprachen durch em- macht es keinen Unterschied, ob wir über
pirische Untersuchungen ermittelt werden Zahlen oder über Mengen q uantifizieren: in
können. Nach ihm beruht die Fähigkeit, Aus- beiden Fällen erhalten wir die gleiche unend-
sagen zu verstehen oder sie in andere Spra- liche Klasse von wahren Sätzen. Indem wir
chen zu übersetzen, ganz wesentlich auf der die Bedeutung der logischen Konstanten be-
Beherrschung derartiger semantischer Regeln. ständig halten, können wir also bei entspre-
Wenn aber die Verifikation eines Satzes der- chender Uminterpretierung der Prädikate
maßen eng mit der Spezifizierung der Objekte, ohne Veränderung der Theorie den Wertbe-
die das Universum ausmachen, verq uickt ist, reich der Variablen verschieden wählen. Was
so droht wegen der Unerforschlichkeit der mit Bezug auf Tarskis Definition ins Gewicht
Referenz eine völlige Relativierung des Wahr- fällt, ist folglich nicht die Natur der Objekte
heitsbegriffes. Quine zieht deshalb im Zusam- selbst, sondern die Struktur, die ein Univer-
menhang mit dem, was er die Situation der sum aufweisen muß, um als Modell (= wahre
radikalen Übersetzung nennt, einen nicht wei- Interpretation) der Theorie zu gelten. Ob-
ter analysierbaren Wahrheitsbegriff vor, der schon sie deshalb weniger als die Referenz
rein behavioristisch von der Zustimmung den durch die Relativität der Ontologie be-
oder Ablehnung der eingeborenen Sprecher dingten Ungewißheiten ausgesetzt ist, bleibt
abhängt. Denn Bejahung und Verneinung sie wegen der Indeterminiertheit der radikalen
sind nicht von der Willkür betroffen, die bei Übersetzung insofern doch relativ, als sie we-
der Ausarbeitung eines vollständigen Systems sentlich von den objektiv nicht bestimmbaren
von Übersetzungsanweisungen (translation Individuierungsmitteln der Sprache abhängt.
manual) mit seinen Hypothesen über Wortar- Quine rechnet es ihr als Verdienst an, daß sie
ten und grammatische Konstruktionen etc. weder im intensionalen noch im extensionalen
herrscht. — Quine, der jegliche Berufung auf Sinne auf Bedeutungen angewiesen ist, indem
absolute Wahrheit oder Realität abweist, sieht sie Rücksicht nur auf strukturelle Eigenschaf-
eine nützliche Verwendung von Tarskis Ver- ten der Referenzobjekte erfordert. Gerade die
fahren nur innerhalb einer gegebenen — vor- Tatsache, daß die formale Semantik kein Ka-
läufig als der besten akzeptierten — Theorie: pital aus ontologischen Unterscheidungen,
„Where it makes sense to apply ‘true’ is to a sen- wie derjenigen zwischen Zahlen und Mengen
tence couched in the terms of a given theory and in der Arithmetik oder zwischen Sinnesdaten
seen from within the theory, complete with its pos- und physikalischen Gegenständen in der Er-
ited reality“ (Quine 1960, 24). kenntnistheorie, schlägt, wurde ihr aber von
59.  Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 841

seiten der Vertreter der natürlichen Sprache logie geben. Der Vorgang verläuft in Wirk-
zum Vorwurf erhoben. Max Black (1909— lichkeit nicht in der Richtung, daß Erwägun-
1988) z. B. deutet ihre Neutralität als Zeichen gen über Referenz den Begriff der Wahrheit
eines Mangels an philosophischer Relevanz erhellen, wie allgemein in der analytischen
(Black 1948, 260), während Quine in ihr die Tradition angenommen wird; es verhält sich
Bestätigung für seine These der Unerforsch- vielmehr so, daß primär akzeptierte Wahr-
lichkeit der Referenz erblickt. heiten uns bei der Gestaltung der Ontologie
lenken. Diese Umkehrung des Verhältnisses
3.3.2.  Die traditionelle Auffassung, wonach zwischen grundlegenden Begriffen der Se-
die Aufgabe der Philosophie sich auf Sprach- mantik ist das Ergebnis der Radikalisierung
analyse beschränkt, wurde von der weitge- der Fragestellung, die Quine beim Untersu-
hend geteilten Überzeugung getragen, daß chen von Interpretationsvorgängen vor-
man, um die Wahrheit eines Satzes auszu- nimmt. Da es überhaupt keine objektiv nach-
machen, zuvor die Bedeutung der in ihm vor- weisbare Beziehung zwischen Wörtern und
kommenden Wörter kennen müsse. In dieser Dingen gibt, ist auch jede kausale Referenz-
Ansicht wurden Autoren wie Carnap und an- theorie im Sinne Kripkes von vornherein zum
dere durch Tarskis Konzeption, die Wahrheit Scheitern verurteilt. — Quines verblüffende
zu einer Funktion der Referenz von Satzteilen Ausführungen haben verschiedene Reaktio-
macht, bestärkt. Auch spätere Kommentato- nen ausgelöst; einige unter diesen bringen eine
ren oder Kritiker wie Hartry Field (1972, 351) schlichte Ratlosigkeit zum Ausdruck. Es mag
sprechen im Rahmen der Modelltheorie der sein, daß die These weniger ungewöhnlich
Wahl von Denotationen für die primitiven oder verwirrend wirkt, wenn man sich an die
Terme eine entscheidende Rolle zu. Sie gehen extrem naturalistische Sicht erinnert, aus wel-
von der Vorstellung aus, daß formale, d. h. cher er seine Gedankengänge entwickelt. Wie
rein syntaktische Systeme interpretiert wer- vor allem in Word and Object (1960) aber
den, indem man den Bereich der Werte der auch später in Theories and Things (1981 a)
Variablen und die Extensionen der Prädikate ausführlicher erörtert, bewegt er sich im
festlegt. Wenn dabei alle Theoreme im For- Rahmen einer allgemeinen physikalistischen
malismus wahr werden, haben wir ein soge- Theorie, die wichtige Teile sowohl der Phy-
nanntes Modell konstruiert. Quine jedoch siologie als auch der (behavioristischen) Psy-
hält das für eine verkürzte Sicht der Sache, chologie enthält. Auf dieser Grundlage ent-
weil eine vollständige Interpretation jeweils faltet er eine eigene semantische Doktrin, in-
auf dem Boden einer umfassenden Theorie, dem er mit einem ständigen Blick auf das
in der wir schon über Objekte sprechen und Problem der radikalen Übersetzung den Be-
Wahrheiten ausgemacht haben, stattfindet. griff der Reizbedeutung (stimulus meaning)
Nach ihm bedeutet die Festlegung eines Be- herausarbeitet. Dabei führt ihn die Einsicht
reiches nur, daß man diesen auf einen Teil des in die Unmöglichkeit, empiristisch einwand-
Universums der Hintergrundtheorie redu- freie Begriffe zu finden, die den traditionellen
ziert, und in entsprechender Weise werden ebenbürtig wären, zu der Formulierung der
auch bei der Wahrheitsbestimmung nur Sätze These der Unbestimmtheit der Übersetzung
auf in dieser bereits akzeptierte Sätze zurück- sowie der beiden mit ihr verwobenen Thesen
geführt. Wenn wir also ein Modell schaffen, der Unerforschlichkeit der Referenz und der
leisten wir nicht mehr, als daß wir die Prädi- Relativität der Ontologie. Quine insistiert: es
kate des zu interpretierenden Systems mit handelt sich nicht um die bekannte Ansicht,
denjenigen der umgreifenden Theorie so in wonach wir nicht in der Lage sind, aus unse-
Beziehung setzen, daß jede These des ersteren rer Sprache herauszutreten, um ihre Bezie-
mit einer bereits anerkannten Wahrheit der hung zur wirklichen Welt von einem absolu-
letzteren übereinstimmt. Eine solchermaßen ten neutralen Standpunkt aus zu beurteilen.
bloß als konventionelle Übertragung verstan- Er stellt die wesentlich stärkere Behauptung
dene Interpretation taugt nach Quine jedoch auf, daß auch innerhalb der wissenschaftli-
nicht als absolute Grundlage für eine Erklä- chen Gesamttheorie, die wir als die vorläufig
rung der semantischen Begriffe. Da jede der- beste akzeptieren, die Rede von der Referenz
artige Korrelierung des deskriptiven Voka- der Wörter nur relativ zu einer weitgehend
bulars, bei welcher logische Struktur und willkürlichen Übersetzung in die Hinter-
Wahrheit bewahrt bleiben, als gleichwertig zu grundsprache überhaupt einen Sinn ergibt.
gelten hat, kann es schlechthin kein objektives Die Tatsache, daß Sprache nicht ein von der
Kriterium für die Auszeichnung einer Onto- Theorie getrenntes Gerippe von objektiven
842 III. Positionen

Bedeutungen darstellt und daß die Referenz Erklärung von Wahrheit eignet. — Davidson
von Ausdrücken nicht in absoluter Weise fest- stützt sich auf die von Quine behauptete Prio-
gelegt werden kann, zwingt uns jedoch kei- rität der Wahrheit, um eine empirische Be-
neswegs, auf Wahrheit zu verzichten, denn deutungstheorie für natürliche Sprachen zu
wir brauchen sie nicht, wie Tarskis Vorgehen entwerfen. Entsprechend faßt er den Plan,
das nahelegt, auf den angeblich ursprüngli- Tarskis Methode so anzuwenden, daß Inter-
cheren Begriff der Denotation zurückzufüh- pretation nicht vorausgesetzt, sondern auf-
ren. Wenn wir sie in behavioristischer Manier grund von vorgegebenen Wahrheiten erst er-
als allein durch die Konstanz der Zustimmung klärt wird. Für den Fall der radikalen Inter-
der Sprecher bestimmbar betrachten, gewin- pretation steht der Autor also vor der Auf-
nen wir einen empirischen Begriff, der von gabe zu zeigen, wie man — ausgehend von
den Schwankungen der Referenz unberührt empirischen Daten bezüglich der Wahrheits-
bleibt. Erst nachdem wir uns — im Bewußt- bedingungen ganzer Sätze — zu einer Bedeu-
sein ihrer provinziellen Beschränktheit — für tungstheorie für ein unbekanntes sprachliches
eine Ontologie entschieden haben, können wir System gelangt. Die Theorie muß zunächst
für den Zweck einer formalen Definition den der menschlichen Fähigkeit, nie gehörte Aus-
Begriff der Erfüllung einführen. Quine voll- sagen zu verstehen oder zu erzeugen, Rech-
zieht somit eine radikale Wandlung gegenüber nung tragen, indem sie die Abhängigkeit zwi-
früheren Sprechweisen: schen der Bedeutung von Sätzen und der Be-
„We are free to switch [ontology], without doing deutung von Wörtern erhellt. Denn nach Da-
violence to any evidence. [...] But it is a confusion vidson ist das, was er ›semantische Produk-
to suppose that we can stand aloof and recognize tivität‹ nennt, nur unter der Voraussetzung,
all the alternative ontologies as true in their several daß zwischen diesen ein Zusammenhang be-
ways, all the envisaged worlds as real. It is a con- steht, erklärbar. Ähnlich wie Quine betrachtet
fusion of truth with evidential support. Truth is er formale Systeme als Teile der natürlichen
immanent, and there is no higher“ (Quine 1981 a, Sprache. Sie stellen diejenigen für die Wissen-
21 f). schaft relevanten Bruchstücke der natürlichen
Sprache dar, deren Tiefenstruktur durch lo-
3.3.3.  Wahrheit hat entsprechend als primä- gische Techniken ans Licht gefördert worden
rer Begriff zu gelten, der nicht von der Be- ist und die deshalb in einer streng reglemen-
deutung der Wörter abhängt, sondern umge- tierten Notation formulierbar sind. Mit sei-
kehrt zu deren Erklärung herangezogen wer- nem allgemeinen Programm wendet sich Da-
den muß. Für die Richtigkeit dieser Auffas- vidson der nach Tarski undankbaren Beschäf-
sung zeugt nach ihm die Situation der radi- tigung zu, weitere Gebiete, die sich bisher
kalen Übersetzung, die sich an der Arbeit einer Analyse entzogen haben, zu reformie-
eines Ethnologen illustrieren ließe. Wenn die- ren. Die Prädikatenlogik betrachtet er zusam-
ser vor der Aufgabe steht, die Sprache eines men mit der semantischen Definition der
ihm völlig unbekannten Volkes zu erforschen, Wahrheit als die für die Erreichung seines
so hat er für den Anfang keine andere Wahl, Zieles zweckmäßigen Instrumente; im we-
als aufgrund der verfügbaren empirischen sentlichen schwebt ihm eine Version der Kon-
Evidenz die Wahrheitsbedingungen der Sätze vention ( T) vor, in welcher die Wahrheitsbe-
zu eruieren, denen die Eingeborenen zustim- dingungen für die Sätze der zu interpretieren-
men. Es wird ihm jedoch weiter nicht gelin- den fremden Sprache mit solchen aus der
gen, auf ähnliche objektive Art die gramma- Sprache des Interpreten korreliert werden:
tische Struktur oder die Ontologie der frem- ‘Snow is white’ ist wahr dann und nur
den Sprache zu bestimmen, weil die analyti- dann, wenn Schnee weiß ist.
schen Hypothesen, die dazu erforderlich sind, Dahinter steckt die Überlegung, daß die em-
weitgehend willkürlich bleiben und ostensive pirischen Belege für die Korrektheit der Über-
Verfahren nicht hinreichen, um den Indivi- setzung des auf der linken Seite des Bikon-
duierungsapparat und damit auch die Refe- ditionals erwähnten Satzes durch den Satz auf
renz auszumachen, wie in Word and Object der rechten Seite eben darin zu finden sind,
am Beispiel von ‘gavagai’ gezeigt wird. Darin daß die Mitglieder der (englischen) Sprach-
liegt also der tiefere Grund, warum sich Tars- gemeinschaft ‘Snow is white’ genau dann be-
kis Definition, so nützlich sie sich sonst für jahen, wenn Schnee weiß ist. Dabei wird auf-
die Durchleuchtung der internen Struktur grund eines Vertrauensprinzips (principle of
eines gegebenen sprachlichen Systems erweist, charity) vorausgesetzt, daß die Vorstellungen
nicht als Grundlage für die philosophische der einheimischen Sprecher über die Welt mit
59.  Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 843

den unsrigen übereinstimmen; andernfalls nicht gerade naiv, so doch äußerst optimi-
wäre eine Interpretation gar nicht möglich. stisch anmutet. Insoweit Davidsons Theorie
Auf diese Weise wird das Unternehmen auf auf Glaubensinhalte abstellt, wird sie sich
ein der Beobachtung zugängliches Sprachver- kaum in das karge Weltbild einer naturalisti-
halten gestützt, so daß die Brauchbarkeit der schen Philosophie einfügen. Er gibt zu, daß
ausgearbeiteten Theorie unter anderem davon sie Begriffe erfordert, die sich nicht in einer
abhängen wird, ob sie es erlaubt, korrekte rein extensional gehaltenen, physikalistischen
Voraussagen über die Wahrheitsbedingungen Sprache ausdrücken lassen. Entsprechend
von Aussagen in einer gegebenen Objektspra- fällt dem Analytiker auch eine von der übli-
che zu machen. Dabei wird allgemein die Stra- chen wissenschaftlichen Tätigkeit abwei-
tegie befolgt, Wahrheitsbedingungen zu wäh- chende Rolle zu, indem er selbst nicht unmit-
len, die das Fürwahrhalten eines Satzes durch telbar an der Gestaltung und Verbesserung
die fremden Sprecher am besten rechtfertigen des Neurathschen Bootes arbeitet, sondern
(sofern natürlich der Forscher selbst den ent- dieses als gegeben und für eine gewisse Dauer
sprechenden Satz in seiner eigenen Sprache als fixiert voraussetzt, was allerdings nicht
für wahr hält). Es ist zu beachten, daß Da- bedeutet, daß er auf festem Boden steht oder
vidsons Verwendung der T-Sätze gegenüber über einen archimedischen Punkt verfügt. Die
derjenigen Tarskis in umgekehrter Richtung Abhängigkeit von den Ergebnissen der Wis-
verläuft: die Äq uivalenzen ergeben sich nicht senschaft hat ganz im Gegenteil zur Folge,
als eine logische Folge der Definition, sondern daß sich der Einsicht in die Unterbestimmt-
treten als überprüfbare Konseq uenzen einer heit empirischer Theorien diejenige in die Un-
empirischen Interpretationstheorie auf. In bestimmtheit der Übersetzung beigesellt
dieser werden also Erfüllung und Wahrheit (Quine 1969 b, 303). Durch seine Umkehrung
als primitive Begriffe eingeführt — der letz- des Verhältnisses zwischen Bedeutung und
tere gewissermaßen als Beobachtungsterm, Wahrheit rückt Davidson die berühmt-be-
während der erstere als theoretischer Term rüchtigte These seines Vorgängers in ein hel-
spezifisch der Erklärung von Bedeutung leres Licht.
dient. Dadurch wird auch dem Umstand
Rechnung getragen, daß der Gebrauch ein- 3.3.4.  Der Bruch mit korrespondenztheore-
zelner Wörter nicht einseitig durch ostensive tischen Anschauungen ist tiefgreifender, als
Verfahren, sondern weitgehend aufgrund der man gemeinhin angenommen hat. Nicht nur
Einsicht in ihre grammatikalische Funktion stehen keine besonderen Objekte wie Tatsa-
innerhalb von Sätzen erlernt wird. Davidsons chen oder Sachverhalte zur Verfügung, die mit
Auffassung kommt somit dem Quineschen den Sätzen verglichen werden könnten; Da-
Anliegen entgegen, Wahrheit nicht von Be- vidson geht soweit, daß er ein drittes — und,
deutung abhängig zu machen, gewährt aber wie er hofft, letztes — Dogma des Empiris-
einen leichteren Zugang zu den Wahrheits- mus beseitigen möchte, nämlich die irrige
bedingungen isolierter Sätze, als das im se- Vorstellung, wonach wir in der Lage sind,
mantischen Holismus der Fall ist. Da es nach streng zwischen Realität und dem begriffli-
ihr nicht wesentlich auf die Referenz an- chen Rahmen, in welchem diese eingefangen
kommt, hat sie des weitern den Vorteil, daß wird, zu unterscheiden. Um die Argumente
sie nicht unmittelbar von der ontologischen eines extremen Kulturrelativismus, wie er im
Relativität betroffen wird, wie Quine selbst Anschluß an Kuhns These der Inkommen-
bestätigt: surabilität von Theorien etwa durch Feyer-
„[...] our primary concern belongs with the truth abend vertreten worden ist, zu widerlegen,
of sentences and with their truth conditions, rather führt er aus, daß eine genaue Trennung des
than with the reference of terms. If we adopt this Schemas vom Gehalt oder des organisieren-
attitude, q uestions of reference and ontology be- den sprachlichen Systems von der zu organi-
come q uite incidental. Ontological stipulations can sierenden Wirklichkeit letztlich nicht auf-
play a role in the truth conditions of theoretical rechtzuerhalten sei:
sentences, but a role that could be played as well „The trouble is that the notion of fitting the totality
by any number of alternative ontological stipula- of experience, like the notion of fitting the facts,
tions“ (Quine 1977, 190 f). or of being true to the facts, adds nothing intelli-
Hinter dem gesamten Konzept steht die gible to the simple concept of being true. To speak
Annahme einer Übereinstimmung unter den of sensory experience rather than the evidence, or
Beteiligten hinsichtlich dessen, was für wahr just the facts, expresses a view about the source or
gehalten wird — eine Unterstellung, die, wenn nature of evidence, but it does not add a new entity
844 III. Positionen

to the universe against which to test conceptual Interpretation des gesamten Korpus unseres
schemes. The totality of sensory evidence is what Wissens geht, bleibt uns nichts anderes übrig,
we want provided it is all the evidence there is; and als den auf geschlossene Sätze angewendeten,
all the evidence there is is just what it takes to undefinierten Begriff der Wahrheit direkt mit
make our sentences or theories true. Nothing, how- menschlichen Handlungen und Absichten in
ever, no thing, makes sentences and theories true: Beziehung zu setzen. Es ist dann weiter nicht
not experience, not surface irritations, not the erstaunlich, daß ein Aufsatz Davidsons den
world, can make a sentence true“ (Davidson 1974/ höchst paradox anmutenden Titel Reality
1984 d, 193 f). without Reference trägt. Ich meinerseits neige
Indem nun hier die Sache auf die Spitze dazu, die Fiktion von derart radikalen Situa-
getrieben wird, scheint es, daß mit dem an- tionen als wirklichkeitsfern und daher als un-
geblichen Dogma gleich noch der Empirismus fruchtbar abzuweisen. Quine behauptet zwar,
selbst über Bord geworfen wird. Die Me- daß die Unbestimmtheit schon in der eigenen
thode, von extremen (um nicht zu sagen: fik- Sprachgemeinschaft beginnt (at home), so
tiven) Situationen auszugehen, ist meines Er- daß die Spekulationen über die Arbeit des
achtens insofern unangemessen, als sie die Ethnologen einen mehr illustrativen Zweck
Gefahr in sich birgt, das für die Wissenschaft erfüllen. Nichtsdestoweniger halte ich es für
unverzichtbare Anliegen einer ernsthaften ex- methodologisch verfehlt, von Grenzfällen
perimentellen Kontrolle zu vereiteln. Es mag auszugehen, die schon voraussetzen, daß jede
sein, daß — eine adäq uate Erklärung von Sprechhandlung von unheilbaren Ungewiß-
Wahrheit durch die Konvention (T) einmal heiten infiziert sei. Denn wie wäre unter sol-
vorausgesetzt — ein Vergleich von rivalisie- chen Umständen die Annahme zu rechtferti-
renden linguistischen Rahmenwerken wegen gen, daß verschiedene Sprecher überhaupt
der Abhängigkeit des Begriffes der Wahrheit dieselbe Sprache benützen und nicht einfach
von der Übersetzung und der daraus resultie- sinnlose Geräusche erzeugen? Es ist sicher
renden Ununterscheidbarkeit von Sprache richtig, daß allein eine empirisch überprüf-
und Theorie objektiv nicht durchführbar ist. bare Theorie die Bedeutung von Ausdrücken
Das trifft aber nur für den vom Verfasser ins in natürlichen Sprachen in nicht zirkulärer Art
Auge gefaßten Fall der radikalen Interpreta- zu erklären vermag und daß andere formale
tion zu, den ein überzeugter Pragmatist eher Theorien wie z. B. die Mögliche-Welten-Se-
als unerheblich vernachlässigen wird, weil er mantik dieser Forderung nicht gerecht wer-
nicht von einer derart ›absolutistischen‹ Auf- den. Damit ist aber der tatsächliche Erfolg
fassung von Wahrheit ausgeht wie Davidson. der von den beiden Autoren vorgeschlagenen
Sogar Quine, der sonst dessen Unternehmen Vorgehensweise für ein genügend umfassen-
billigt, verweigert offenbar seine Zustim- des Gebiet des Untersuchungsgegenstandes
mung: nicht erwiesen. Ich jedenfalls möchte mein
„He rightly protests [...] that it is idle to say that Vertrauen eher in eine Methode setzen, die,
true sentences are sentences that fit the facts, or auf Kontexte abstellend, den Gebrauch von
match the world; also pernicious, in creating an Ausdrücken mitberücksichtigt und ihn als se-
illusion of explanation. [...] The proper role of mantisches und ontologisches Kriterium ver-
experience or surface irritation is as a basis not for wendet. Wie auch Hilary Putnam (* 1926)
truth but for warranted belief. [...] Empiricism as (1975 b) annimmt, scheinen mir Quines und
a theory of truth [...] goes by the board, and good Davidsons mit äußerst subtilen Argumenten
riddance. As a theory of evidence, however, empir- verteidigten Thesen das Anzeichen eines tie-
icism remains with us. [...] The third purported fliegenden Mangels methodologischer Natur
dogma, understood now in relation not to truth zu sein (cf. Lauener 1985).
but to warranted belief, remains intact. [...] It is
what makes scientific method partly empirical
rather than solely a q uest for internal coherence“ 4. Singulare Terme
(Quine 1981 c, 39).
Die beiden Autoren sind sich charakteri- 4.1. Die deskriptive Theorie
stischerweise in der von Neurath und Pierre Zur Bildung von Einsetzungsinstanzen sind
Duhem (1861—1916) geerbten holistischen im Vokabular einer substitutionellen Inter-
Haltung einig: Der Erfüllungsbegriff und die pretation der Quantorenlogik singulare
mit ihm verhafteten Referenzfragen spielen Terme unerläßlich, während Quines objekt-
erst nach vollzogener Wahl einer semanti- bezogene Version nur Individuenvariablen er-
schen Struktur und Ontologie, also nur theo- fordert. Die Verwendung von Eigennamen be-
rieintern, eine Rolle. Wenn es jedoch um die
59.  Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 845

reitet, wie bereits erwähnt, im Zusammen- brauch durch eine ununterbrochene Kom-
hang mit sogenannten ›leeren Namen‹ munikationskette auf das durch den Taufakt
Schwierigkeiten. Welches ist der Wahrheits- fixierte Referenzobjekt zurückführt. Dieser
wert z. B. des Satzes ‘Pegasus existiert nicht’, Auffassung nach kann also jemand sich kor-
der in der kanonischen Notation durch rekt auf Cicero beziehen, auch wenn er von
‘~ ∨ x (x = a)’ wiedergegeben wird? Wie ist ihm nichts weiter weiß, als daß er ein römi-
es überhaupt möglich, wahre oder falsche scher Redner war. Das hat zur Folge, daß alle
Aussagen über Dinge zu machen, die es nicht Identitätsaussagen der Form ‘a = b’ mit fe-
gibt? Wie ist zu erklären, daß sten Designatoren als Argumenten notwendig
‘Der Morgenstern = der Morgenstern’ werden, weil sie, wenn sie wahr sind, in allen
eine schlichte Tautologie darstellt, während möglichen Welten wahr sein müssen. Da aber
‘Der Morgenstern = der Abendstern’ ‘Der Morgenstern = der Abendstern’ ein syn-
eine Information enthält, die auf einer empi- thetischer Satz ist, können das semantische
rischen Theorie, nämlich der Astronomie, be- Prädikat ‘analytisch’, das erkenntnistheoreti-
ruht? Haben Eigennamen nur eine Denota- sche Prädikat ‘a priori’ und das metaphysi-
tion oder kommt ihnen auch ein deskriptiver sche Prädikat ‘notwendig’ nicht die gleiche
Gehalt zu? Wie genau funktionieren Kenn- Extension haben, und es muß entsprechend
zeichnungen (Russells ›definite descriptions‹)? die Möglichkeit notwendiger Wahrheiten a
Das sind einige Muster aus dem Fragenka- posteriori eingeräumt werden. Dieser Analyse
talog, der sich bei fortschreitender Forschung gemäß erübrigt sich also die heikle Frage nach
in bezug auf singulare Terme ergeben hat (s. dem Sinn von Eigennamen, den Frege ein-
Art. 78). — Mill (s. Art. 30) hatte den Stand- führt, um die Informationshaltigkeit derarti-
punkt vertreten, daß Eigennamen eine De- ger Identitätsaussagen zu erklären, und den
notation, aber im Gegensatz etwa zu Kenn- er mit dem Beschreibungsgehalt einer Kenn-
zeichnungen keine Konnotation, d. h. keinen zeichnung, die dasselbe Objekt bezeichnet,
deskriptiven Gehalt haben. Sofern sie in der gleichsetzt. Kripkes Verfahren hat den Vorteil,
Sprache bloß den Zweck erfüllen, ein be- daß es die Verwendung eines Namens von
stimmtes Individuum zu bezeichnen, sind sie dem je nach Sprecher variierenden Indivi-
mit einem Etikett vergleichbar, das man dualbegriff unabhängig macht und so die
einem Ding aufklebt. In Naming and Neces- Möglichkeit ausschließt, daß er verschiedene
sity beurteilt Kripke ihre Funktion in ähnli- Bedeutungen haben kann (s. Art. 83). In sei-
cher Weise, indem er sie für sogenannte feste ner Periode des logischen Atomismus verän-
Designatoren (rigid designators) ausgibt, d. h. dert Russell Freges Auffassung dahingehend,
für Terme, die in allen möglichen Welten das- daß er mit Hilfe von Demonstrativpronomen
selbe Objekt denotieren. So hat z. B. ‘Imma- wie ‘dieser’ oder ‘jener’ gebildete singulare
nuel Kant’ in allen denkbaren Alternativen Terme als die eigentlich referentiellen Aus-
zur wirklichen Welt die gleiche Referenz, wäh- drücke auszeichnet, weil sie als einzige auf
rend ‘Der Verfasser der Kritik der reinen Ver- unmittelbar gegebene Wahrnehmungsinhalte
nunft’ sich nicht in allen möglichen Welten (sense-data) verweisen. Andere Arten von sin-
auf dieselbe Person beziehen muß, da (rein gularen Termen haben insofern keinen An-
logisch) die Möglichkeit besteht, daß das be- spruch auf logische Ursprünglichkeit, als sie
treffende Werk von einem anderen Autor Objekte bezeichnen, mit denen wir nicht di-
stammt. Dabei setzt Kripke voraus, daß In- rekt vertraut sind, und deren Existenz wir erst
dividuen aufgrund eines ursprünglichen Tauf- erschließen. Physikalische Körper z. B. sind
aktes (original baptism) identifiziert werden. nach ihm keine Gegenstände unmittelbarer
Um diesen zu vollziehen, können zwar de- Erfahrung (objects of acq uaintance). — Um
skriptive Mittel verwendet werden — z. B. das der mißlichen Konseq uenz einer subjektiv be-
erste Kind männlichen Geschlechts, das in der dingten Wandelbarkeit zu entgehen, hat man
Familie NN geboren wird, erhält den Vor- erwogen, die Bedeutung von singularen Ter-
namen seines Vaters; solche Beschreibungen men mit der Klasse aller auf den Träger zu-
bestimmen aber nicht den Sinn des Termes, treffenden Beschreibungen zu identifizieren.
denn statt des ‘Immanuel’ getauften Knaben Der Vorschlag scheint jedoch nicht annehm-
hätte ein Mädchen das Licht der Welt erblik- bar, weil dann alle deskriptiven Aussagen
ken können. Was ferner die Pragmatik be- über das betreffende Ding zu analytischen
trifft, so schlägt er eine kausale Erklärung gemacht würden. Wittgenstein seinerseits
vor, wonach die Sprecher den Namen dann weist in den Philosophischen Untersuchungen
richtig verwenden, wenn ihr jeweiliger Ge- auf die Tatsache hin, daß Namen keine end-
846 III. Positionen

gültig festgelegte Bedeutung besitzen und daß 4.2. Der modelltheoretische Ansatz


man sich deshalb mit einer lockeren Verbin-
dung, d. h. mit einer Disjunktion von De- 4.2.1.  Die kurzen Hinweise auf all die kom-
skriptionen begnügen könne. Die Vagheit plexen Probleme, welche die Behandlung von
einer solchen Konzeption erweckt unmittel- singularen Termen in formalen Sprachen auf-
bar Zweifel an ihrer Fruchtbarkeit, und man wirft, mögen vorläufig genügen (cf. Schwarz
beginnt die Motive zu ahnen, die Quine be- 1977). Gegen die deskriptive Theorie in ihren
wegt haben, singulare Terme aus der regle- verschiedenen Varianten trägt Kripke in Na-
mentierten Sprache zu verbannen. Zu diesem ming and Necessity massive Argumente vor.
Zweck kam ihm, wie schon früher angedeutet, Eine Lösung sollen die von ihm entwickelten
Russells Theorie der Kennzeichnungen (Rus- modelltheoretischen Techniken bringen, die
sell 1905) gelegen, nach welcher aufgrund unter dem Titel Mögliche-Welten-Semantik
einer sogenannten Kontextdefinition oder Ex- bekannt geworden sind und die er vor allem
plikation Sätze, die Kennzeichnungen enthal- für den Zweck einer formalen Interpretation
ten, durch äq uivalente Sätze in rein q uanti- der Modallogik einsetzt (s. Art. 88). Unter
fikatorischer Form ersetzt werden können: einer notwendigen Wahrheit versteht er eine
(G (ιx Fx) ⇋ ∨ x (Fx ⋀ ⋀y (Fy → y = x) solche, die in allen möglichen Welten gilt,
⋀ Gx) während eine kontingente Wahrheit zwar für
oder kürzer: die wirkliche Welt gilt, in anderen möglichen
⇋ ∨ x ⋀ y ((Fy ↔ x = y) ⋀ Gx) Welten aber falsch sein kann. Systeme der
Mit ‘x ist der gegenwärtige König Frank- Modallogik wurden zunächst als rein syntak-
reichs’ für ‘Fx’ und ‘x ist kahl’ für ‘Gx’ er- tische Erweiterungen der klassischen Logik
halten wir den Satz ‘Der gegenwärtige König vorgeschlagen, indem neue Operatoren wie
Frankreichs ist kahl’, der falsch ist, weil es ‘’ [‘es ist notwendig, daß’], ‘♢’ [‘es ist mög-
kein Ding gibt, das den offenen Satz ‘Fx’ lich, daß ...’], ‘’ [‘... impliziert strikt ...’,
erfüllt. Dank Russells Verfahren brauchen wir d. h. Notwendigkeit der gewöhnlichen ‘wenn
uns folglich nicht mit dem von Quine in On — dann’-Verknüpfung, der ›materialen Im-
What There is (1948) fingierten Platonisten plikation‹] etc. und entsprechende Axiome
auseinanderzusetzen, der behauptet, daß es und Regeln eingeführt wurden (modale Satz-
doch irgendein Ding geben müsse, dem wir logik axiomatisch erstmals in Lewis 1918,
Existenz absprechen; denn, wenn wir sagen, Einbeziehung der Prädikatenlogik in Barcan
daß Pegasus nicht existiert, sprechen wir 1946; cf. auch Carnap 1947). Erst nachträg-
nicht über ein nicht-seiendes Objekt, son- lich haben Autoren wie Stig Kanger (1957),
dern behaupten einfach die Wahrheit von Barcan Marcus (1962), Hintikka (1969 b) und
‘~ ∨ x (x = a)’, und zwar, wie Russell und Kripke (1963) selbst eine formale Theorie aus-
Quine meinen, mit Recht, da es tatsächlich gearbeitet, die es erlaubt, die Begriffe der
kein solches Ding gibt. Ihrer Analyse gemäß Wahrheit und Validität exakt zu definieren
können wir uns also die Annahme von Mei- und Beweise für Widerspruchsfreiheit, Voll-
nongschen Entitäten wie die nicht-existieren- ständigkeit etc. zu liefern. In ähnlicher Weise
den Gegenstände in unserer Ontologie erspa- wurden auch Systeme der epistemischen Lo-
ren. — Es ist daran zu erinnern, daß auch gik mit einem Operator ‘K’ (‘... knows that
Frege mit seiner deskriptiven Theorie in be- ...’), der Glaubenslogik mit ‘B’, der deonti-
zug auf leere singulare Terme auf Schwierig- schen Logik mit ‘O’ (‘es ist obligatorisch, daß
keiten stößt. Nach ihm hängt die Wahrheit ...’) und andere verwandte Gebiete behandelt.
eines Satzes von der Referenz der in ihm Für Clarence Irving Lewis (1883—1964)
vorkommenden Ausdrücke ab. Da in ‘Pega- wurde im besonderen die Einsicht, daß das
sus ist ein geflügeltes Pferd’ der Name keine Konditional der Satzlogik, die ›materiale Im-
Referenz hat, dürfte der (nicht in einem opa- plikation‹, das ‘wenn — dann’ der natürlichen
ken Kontext stehende) Satz eigentlich weder Sprache nicht auf befriedigende Art wieder-
wahr noch falsch sein. Um die Einführung gibt, zum Anlaß für die Einführung von Mo-
eines dritten Wahrheitswertes (etwa: unent- dalbegriffen. Jene enthält Theoreme, die in-
schieden) zu vermeiden, postuliert er ad hoc tuitiv anstößig sind und als Paradoxien der
das schon erwähnte, durch einen Stern sym- ›materialen Implikation‹ denunziert wurden:
bolisierte Objekt, das durch Konvention als p → (q → p)
zur Extension des Prädikates gehörig erklärt ~ p → (p → q)
wird. Die Behauptungen, daß eine wahre Aussage
durch eine beliebige andere ›material impli-
59.  Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 847

ziert‹ wird oder daß eine falsche Aussage eine w in M eine Menge von Individuen zuordnet,
beliebige andere ›material impliziert‹, wirken als zweitem Glied. Intuitiv gesehen stellt also
in der Tat in bezug auf das gewöhnliche Den- D(wi) die Menge der Dinge dar, die in wi
ken störend. Es wurde allerdings bald be- existieren. Indem man Bedingungen für die
merkt, daß es um den Begriff der strikten Bewertung von Formeln in jeder w von M
Implikation nicht besser bestellt ist, denn Le- formuliert, gelangt man schließlich zur Defi-
wis System enthält die ebenso paradoxen nition der Validität für die verschiedenen Sy-
Theoreme steme: eine Formel φ ist in einem System S
 p → (q  p) dann und nur dann allgemeingültig, wenn die
 ~ p → (p  q), Bewertung von φ für alle w in M den Wert
die besagen, daß ein notwendig wahrer Satz ‘wahr’ ergibt. Entsprechend gilt eine Formel,
durch einen beliebigen anderen ›strikt impli- φ, genau dann als wahr, wenn φ in allen
ziert‹ wird oder daß ein notwendig falscher möglichen Welten wahr ist, und eine Formel
Satz einen beliebigen anderen ›strikt impli- ♢ φ, wenn φ mindestens in einer möglichen
ziert‹, wobei strikte Implikation durch Not- Welt wahr ist. — Vom formalen Standpunkt
wendigkeit der materialen Implikation defi- beurteilt ist das Verfahren sicher einwandfrei.
niert ist: p  q ⇋  (p → q). Verschiedene Vermittelt es aber wirklich eine Einsicht in
Autoren haben eine Reihe von Systemen der die Bedeutung der Wörter ‘notwendig’ und
Modallogik entworfen, die sich durch die ‘möglich’? Das wäre nur der Fall, wenn die
Stärke ihrer Axiome unterscheiden und die in neu eingeführten Begriffe besser geklärt wä-
komplexen, zum Teil hierarchischen Bezie- ren als diejenigen des alltäglichen Sprachge-
hungen zueinander stehen. Das schwache Sy- brauchs. Was genau sind aber mögliche Wel-
stem T erhält man z. B. dadurch, daß man ten? Unter den Anhängern scheint man sich
die Axiome ‘ (p → p)’ und ‘ (p → q) → über diese Frage nicht einig zu sein. David
( p →  q)’ sowie die Regel ‘Wenn  Tφ, Kellogg Lewis’ (*1941) extreme Antwort (Le-
dann  T  φ’ dem Grundstock der Satzlogik wis 1973), wonach mögliche Welten als von
hinzufügt, was die Herleitung von Theoremen der Sprache völlig unabhängige Entitäten exi-
mit iterierten Modaloperatoren der Form stieren, hat im Lager der Empiristen Beden-
φ, φetc. ermöglicht (vgl. die aus- ken ausgelöst. Einem erklärten Feind meta-
führliche Darstellung der Modallogik bei physischer Ausschweifungen wird man in der
Hughes/Cresswell 1968). — Angesichts der Tat nicht zumuten können, daß er derartige
Tatsache, daß es zahlreiche, formal einwand- Kamele schluckt. Kripke andererseits erläu-
freie Systeme gibt, erhebt sich die Frage, ob tert, daß sie nicht als ferne, mit einem geisti-
die Modalbegriffe wirklich eine einsichtige gen Teleskop zu entdeckende platonische Ge-
Bedeutung haben und ob unter den rivalisie- bilde zu betrachten sind, sondern als mögliche
renden Systemen eines objektiv als das intui- Alternativen zur wirklichen Welt, die bloß
tiv richtige ausgezeichnet werden kann. stipuliert werden und dadurch entstehen, daß
Die modelltheoretische Interpretation, von wir uns vorstellen, wie gewisse Ereignisse hät-
der man erwartete, daß sie Quines anfängliche ten anders verlaufen können. Hintikka sei-
Skepsis verscheuchen würde, operiert mit dem nerseits deutet sie rein sprachlich als maximal
Begriff eines Modells, das für die Satzlogik die konsistente Mengen von Sätzen und räumt
Form einer geordneten Menge 〈W, M, R〉 im Gegensatz zu Kripke ein, daß das Problem
annimmt. Kripke deutet dabei M als die der Identität von Individuen in verschiedenen
Menge der möglichen Welten w1, w2, ...; W, Welten (transworld identity) ernsthafte
ein Element von M, als die wirkliche Welt; Schwierigkeiten bereitet.
und R als eine Zugänglichkeitsrelation unter
möglichen Welten, die je nach System ver- 4.2.2.  Man wird sich in der Tat fragen, was
schiedene Eigenschaften annimmt: um zu T die Behauptung, daß Individuen aus verschie-
zu gelangen, ist bloß Reflexivität erforderlich, denen möglichen Welten dasselbe Individuum
für das Brouwer-System B zusätzlich Sym- sind, bedeuten soll. Stellen wir uns eine mög-
metrie, für S4 Reflexivität und Transitivität, liche Welt vor, in welcher Zwillingsbrüder
während man das starke System S5 gewinnt, vorkommen, die den gleichen Lebenslauf
wenn R eine Äq uivalenzrelation ist. Ein q uan- haben wie Ronald Reagan, bis auf den Um-
tifikatorisches Modell wird dann als ein ge- stand, daß beide nicht zum Präsidenten der
ordnetes Paar definiert, bestehend aus einem Vereinigten Staaten gewählt werden, sondern
Tripel der eben geschilderten Art als erstem der eine seine Karriere als Schauspieler und
Glied, und einer Funktion D(w), die jedem der andere als Gewerkschaftsführer beendet.
848 III. Positionen

Welcher von ihnen wäre mit dem wirklichen unverständlich bleiben. Ebensowenig würde
Mann zu identifizieren? Ich zweifle, daß die es nützen, die Werte der Variablen auf Inten-
Frage überhaupt einen Sinn hat. Ist sie so zu sionen zu beschränken, weil jedes Ding, sogar
verstehen, daß nicht-aktualisierte Entitäten eine Intension, sich auf kontingenterweise
postuliert werden, wovon die eine mit einem übereinstimmende Art spezifizieren läßt, wie
lebendigen Menschen identisch sein soll? Ein Quine gegen einen diesbezüglichen Vorschlag
bloß mögliches Objekt kann insofern nicht Churchs geltend macht (Church 1943; Quine
mit einer konkreten Person identisch sein, als 1966 c, 181 f). Wenn man schließlich, um die
sie in bezug mindestens auf die Eigenschaften referentielle Durchsichtigkeit modaler Kon-
der Abstraktheit und Konkretheit radikal ver- texte zu gewährleisten, die Notwendigkeit von
schieden sind. Man könnte auf eine essentia- Identitätsaussagen dadurch erzwingen wollte,
listische Lösung sinnen, wonach zwei Dinge daß man ein Postulat aufstellt, wonach zwei
dann als gleich zu gelten hätten, wenn sie Prädikate, die durch ein einziges und gleiches
dieselben wesentlichen Eigenschaften aufwei- Objekt erfüllt werden, notwendig äq uivalent
sen. Wie aber sollen wesentliche Eigenschaf- sein müssen, so würde man damit modale
ten bloß kontingenten gegenüber objektiv Unterscheidungen überhaupt aufheben. Denn
ausgezeichnet werden? — Die hoffnungslose aus den Prämissen ‘[⋀ x (Fx ↔ x = y) ⋀ ⋀x
Verwirrung, in die wir geraten, wenn wir uns (Gx ↔ x = y)] →  ⋀ x (Fx ↔ Gx)’ und ‘p’
auf derartige Probleme einlassen, hat Quine folgt logisch ‘p’, wie in Word and Object
in überzeugender Weise geschildert. Als Em- gezeigt wird (Quine 1960, 197 f). Quines kon-
pirist lehnt er die fragwürdigen metaphysi- seq uent von einem empiristischen Standpunkt
schen Voraussetzungen ab, die der gesamten vorgetragenen Einwände sind nicht unwider-
Konzeption zugrundeliegen. Wir lassen uns, sprochen geblieben. Arthur Francis Smullyan
wie er darlegt, erst dann ernsthaft auf Mo- (* 1912) äußert den Verdacht, daß er das un-
dalbegriffe ein, wenn wir Operatoren einfüh- terschiedliche Funktionieren von Eigenna-
ren, die sich auf offene Sätze erstrecken men und Kennzeichnungen übersehen habe.
(Quine 1953 a). Erst durch das Hineinq uantifi- Letztere können nämlich in bezug auf die
zieren in modale Kontexte — ‘∨ x  Fx’ im Reichweite des Jotaoperators zu Mehrdeutig-
Unterschied zu ‘ ∨ x Fx’ — konstruieren wir keiten (scope ambiguities) führen, indem ein
sogenannte de re Modalitäten, die wesentlich Satz der Form
problematischer sind als die vergleichsweise ‘F (ιx Gxa)’
harmlosen de dicto Fälle. Da modale Kon- je nach dem Spielraum, den man dem Ope-
texte wegen des Versagens der Substitutions- rator gewährt, entweder als
regel als referentiell undurchsichtig zu gelten (1) ‘ ∨ y [⋀ x (Fx ↔ x = y) ⋀ Gya]’
haben, schließt Quine Ausdrücke der Form oder als
‘ Fx’ als offene Sätze aus. Nach ihm haben (2) ‘∨ y [⋀ x (Fx ↔ x = y) ⋀  Gya]’
also Quantifikationen wie ‘∨ x  Fx’ schlicht- interpretiert werden kann. Nach Smullyan
weg keinen Sinn. Anfänglich hatte er zwar in folgt jedoch im Beispiel mit ‘ (die Zahl der
Anlehnung an Frege die Möglichkeit ins Auge Planeten > 7)’ aus den Prämissen als Kon-
gefaßt, für opake Kontexte die Substitutions- klusion nicht, wie Quine offenbar annimmt,
regel so einzuschränken, daß innerhalb von (1), sondern (2). Das sei aber durchaus in
solchen nur synonyme Ausdrücke ausge- Ordnung, weil es tatsächlich ein Ding gibt,
tauscht werden dürfen (cf. Quine 1943). Wenn das die Zahl der Planeten ist, und weil es
wir nämlich im früher angeführten Beispiel wahr ist, daß dieses notwendig größer als
‘9’ durch ‘32’ statt durch ‘die Zahl der Pla- sieben ist. Das Argument trifft allerdings das
neten’ ersetzen, erhalten wir den wahren Satz Ziel nicht, denn (2) kann ja nach Quine in-
‘ (32 > 7)’, so daß der Austausch salva ver- sofern nicht die intendierte Schlußfolgerung
itate gewahrt bleibt. Später hat er jedoch er- sein, als der Satz wegen des Hineinq uantifi-
kannt, daß — abgesehen von der Schwierig- zierens in einen opaken Kontext gar keinen
keit, Synonymität zu bestimmen — auch diese Sinn ergibt. Quine bleibt unerschütterlich.
Lösung unbrauchbar ist, weil Variablen in Für ihn stellen die Fragen nach der Interpre-
einem Satz sowohl innerhalb als auch außer- tation von modalen offenen Sätzen und der
halb des Bereiches eines Modaloperators vor- Bedeutung essentialistischer Aussagen das-
kommen können. Da sich die Variable ‘x’ in selbe unlösbare Problem dar. Er hat seine
‘∨ x (Fx ⋀  Gx)’ im Vorderglied der Matrix Gegner immerhin so weit gebracht, daß sie
nicht auf dasselbe Objekt wie im Hinterglied sich öffentlich zum Essentialismus bekennen,
beziehen kann, muß ein Satz dieser Form wie Kripke das etwa tut:
59.  Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 849

„If it [gemeint ist der Satz ‘The number of planets setzung von Propositionen nicht möglich
is necessarily odd’, H. L.] is interpreted de re, it wäre, da ein Satz nur dann als korrekte Über-
asserts that the actual number of planets (nine) has tragung gelten könne, wenn er die gleiche
the property of necessary oddness (essentialists like Bedeutung hat, d. h. dieselbe Proposition aus-
me take this to be true)“ (Kripke 1979 b, 9). drückt, wie die Vorlage. Quine verspricht sich
Hintikka räumt ein, daß die Frage nach von der Postulierung derart ätherischer Ge-
der Identität von Individuen in verschiedenen bilde als Bedeutungskonstanten keinen theo-
möglichen Welten nur unter der Vorausset- retischen Gewinn; sie würde höchstens die
zung, daß man diesen wesentliche, d. h. sie irrige Vorstellung begünstigen, daß es über-
einzig spezifizierende Eigenschaften, zuge- haupt ein objektives Kriterium für die Kor-
steht, zu lösen ist, wobei er selbst auf die rektheit einer Übersetzung gibt. Nach ihm
Zweifelhaftigkeit der Vermischung von Quan- bleibt diese jedoch grundsätzlich unbestimmt,
toren mit Modaloperatoren hinweist. Da da jede Interpretierung im Hintergrund ein
Quine als Empirist jegliche Auszeichnung von System von analytischen Hypothesen (trans-
besonderen Wesenszügen für hoffnungslos lation manual) voraussetzt, dessen Richtig-
willkürlich hält, zieht er es vor zu verzichten keit nicht zu verbürgen ist, weil die empiri-
(cf. Lauener 1982 II, 3). Der Verzicht fällt schen Daten immer mit mehreren, unterein-
ihm umso leichter, als wir seinem Naturalis- ander unvereinbaren Varianten von solchen
mus gemäß der Modalbegriffe gar nicht be- Systemen verträglich sind. Die Betrachtung
dürfen, weil wir in der reglementierten Spra- radikaler Situationen hat dabei nach Quine
che der Wissenschaft ohne sie auskommen. den Vorteil, daß sie die grundlegenden Bezie-
Man hat zwar behauptet, daß Dispositions- hungen zwischen Sprache und Erfahrung auf-
prädikate nicht ohne Rückgriff auf modale deckt. Wenn etwa ein Eingeborener in Gegen-
Ausdrücke zu erklären seien. ‘x ist wasserlös- wart eines Hasen das Wort oder den Kurzsatz
lich ⇋ x wird in Wasser getaucht ⋀ x löst ‘Gavagai’ ausspricht und wenn er in ähnli-
sich auf ist offensichtlich keine brauchbare chen Reizsituationen auf Anfrage hin immer
Definition, weil nach ihr Dinge, die nie in wieder bejahend reagiert, so kann der Feld-
Wasser getaucht worden sind, wasserlöslich forscher schließen, daß er das erfaßt hat, was
sein müßten. Als korrekte Analyse hat man Quine die (affirmative) Reizbedeutung des
deshalb den irrealen Konditionalsatz ‘Wenn Ausdrucks nennt. Solche einfachen Beobach-
x in Wasser getaucht würde, dann würde x tungssätze, die an die Protokollsätze der lo-
sich auflösen’ vorgeschlagen, der mit den üb- gischen Empiristen erinnern, besitzen bis zu
lichen Mitteln der klassischen Logik nicht zu einem gewissen Grad eine eigenständige Be-
bewältigen ist und nach D. Lewis und anderen deutung, d. h. einen vom gesamten Begriffs-
(Lewis 1973; Stalnaker 1968) eine modale Be- netz unabhängigen empirischen Gehalt, denn
handlung erfordert. Quine entgegnet, daß die sie sind diejenigen, die am wenigsten von
wissenschaftliche Methode eben darin be- unserem theoretischen Wissen über die Welt
steht, fragwürdige Ausdrucksweisen dieser (collateral information) abhängen. Daraus
Art zu eliminieren, indem man Dispositions- darf man jedoch nicht schließen, daß es zwei
prädikate z. B. mittels der in der Chemie als streng trennbare Kategorien von Sätzen gibt,
relevant aufgedeckten physikalischen Struk- wovon die Wahrheit der einen allein aufgrund
tur wasserlöslicher Substanzen zu erklären unmittelbarer Wahrnehmung auszumachen
sucht (Quine 1969 a). Denn von einer Analyse und diejenige der anderen rein sprachlich be-
mit Begriffen, deren Semantik mit den ge- dingt wäre. Es handelt sich bloß um eine
schilderten Hypotheken belastet ist, wird man graduelle Unterscheidung mit mehr oder we-
ohnehin nicht erwarten dürfen, daß sie fort- niger extremen Fällen in beide Richtungen.
schrittliche Einsichten ans Licht fördert. Nach Quine ist nun die Reizbedeutung der
einzige empirische Beleg, über den wir für die
Rechtfertigung des Anspruchs, korrekt über-
5. Sprache, Erfahrung und Ontologie setzt zu haben, verfügen. Denn Beobachtung
allein gibt uns keinen Aufschluß über die sub-
5.1. Übersetzung und Methode tilere innere Organisation der fremden Spra-
che, so daß wir nicht umhin können, unsere
5.1.1.  Intensionen sind in der analytischen eigenen grammatikalischen Strukturvorstel-
Philosophie zu verschiedenen Zwecken ver- lungen in sie hineinzuprojizieren. Im beson-
wendet worden. Man hat unter anderem ar- deren erlaubt sie es uns nicht auszumachen,
gumentiert, daß Übersetzung ohne Voraus- ob mit ‘Gavagai’ ‘Hier ein Hase’, ‘Hier ein
Hasenteil’ ‘Hier eine Hasenweltlinie’ (im
850 III. Positionen

Sinne der Sprache der Physik mit dem vier- deutung, die wir Ausdrücken der fremden
dimensionalen Raum-Zeitkontinuum) etc. ge- Sprache zuordnen, auf globale Art von den
meint ist. Quine hat viel Mühe daran verwen- innerhalb unserer Theorie akzeptierten Wahr-
det zu zeigen, daß wir sowohl die Ontologie heiten ab: das gesamte System der analyti-
als auch die Ideologie (Prädikatenstruktur) schen Hypothesen beruht auf einer durch die
einer Theorie oder Sprache uminterpretieren vorläufig adoptierte Naturtheorie bedingten
können, ohne daß sich am Sprachverhalten Sicht der Welt. Die Tätigkeit des Übersetzens
etwas verändert. Die Unbestimmtheit der könnte ohne Voraussetzung eines solchen
Übersetzung hängt mit der Unerforschlich- Kerns von gefestigten Wahrheiten gar nicht
keit der Referenz zusammen, die sich aller- erst einsetzen. Diese zunächst verblüffende
dings im Rahmen des Alltags, intern betrach- Behauptung wird leichter verständlich, wenn
tet, insofern als harmlos erweist, als ‘Hase’ man sich daran erinnert, daß für Quine die
im Deutschen Hasen bezeichnet und es vom methodologischen Standpunkt als em-
zwecklos wäre zu fragen: Hasen in welchem pirische Evidenz akzeptierten Daten nicht
Sinne des Wortes? Nach Quine gibt es somit identisch sind mit den Wahrheitsbedingungen
Sätze, deren Bejahung oder Verneinung we- einzelner Sätze, die vom Gesichtspunkt der
niger durch den Informationsstand bedingt Semantik die Bedeutung der Terme bedingen.
sind, als das bei den mehr zentral gelegenen Sofern sich die Interpretation letztlich auf Da-
theoretischen Sätzen der Fall ist. Solche re- vidsonsche T-Sätze von Beobachtungssätzen
lativen Beobachtungssätze, die Terme wie stützt, kann sie tatsächlich erst nach vollzo-
‘rot’, ‘Hase’ im Gegensatz zu ‘Junggeselle’, gener Arbeit des Naturwissenschaftlers, d. h.
‘Zyklotron’ etc. enthalten, sind jedoch kein nach Etablierung der theoretischen Wahrhei-
vollwertiger Ersatz für die ›unkorrigierbaren‹ ten, beginnen. Aus dieser Perspektive beurteilt
Basissätze, auf welche die Neopositivisten für erscheint uns die These der Indeterminiertheit
die Durchführung ihres reduktionistischen der Übersetzung als weniger unglaubwürdig.
Programms abstellen. Übersetzbar sind sie
nur unter den landläufigen Ungewißheiten 5.1.2.  Vor Quine wurde allgemein angenom-
der Induktion. Reizbedeutung reicht keines- men, daß Wahrheitsfindung von einem vor-
wegs aus, um die analytischen Hypothesen hergehenden Verständnis der Sprache ab-
objektiv zu bestimmen. Gegen Noam hängt. Indem er das Verhältnis umkehrt, voll-
Chomsky (* 1928) beharrt er darauf, daß zieht er eine radikale Wendung, die gegen tief
seine These der Unbestimmtheit nicht einfach verankerte Vorstellungen verstößt. Trotz aller
als ein Anwendungsfall der weitgehend an- Offenheit für Neuerungen fällt es einem
erkannten Unterbestimmtheit empirischer schwer, sich von der methodischen Richtig-
Theorien auf die Linguistik zu verstehen sei: keit des Ansatzes zu überzeugen. Es ist zu
„Though linguistics is of course a part of the theory befürchten, daß eine Auffassung, die in syste-
of nature, the indeterminacy of translation is not matischer Weise überlieferte Grenzen ver-
just inherited as a special case of the underdeter- wischt — im besonderen die Trennung zwi-
mination of our theory of nature. It is parallel but schen Sprache und Theorie — letzten Endes
additional“ (Quine 1969 b, 303). zu einer unangemessenen Anschauung von
Als Übersetzer tragen wir im Bewußtsein Wissenschaft führen muß. Ein ständig vom
der Unterbestimmtheit unserer Theorie der Sturm gepeitschtes Boot, das nie zum Zwecke
Natur die Struktur dieser Theorie in die zu einer Überholung an Land gezogen werden
interpretierende Sprache hinein. Quine be- könnte, würde — um Neuraths Metapher ein-
hauptet nun, daß es mehrere, logisch unver- mal anders zu verwenden — auf offener See
trägliche Arten gibt, diese Projektion vorzu- verrotten und untergehen. Die empfindlichste
nehmen, ohne daß dadurch die Wahrheiten Schwäche des naturalistisch-holistischen
der Theorie selbst berührt würden: Weltbildes liegt meines Erachtens darin, daß
„The point about indeterminacy of translation is in ihm die fundamentale Tätigkeit des aktiven
that it withstands even [...] the whole truth about Durchsetzens von Normen (nicht die Be-
nature. This is what I mean by saying that where schreibung von normativen Handlungen!)
indeterminacy of translation applies there is no real keinen Platz findet. Die postulierte — Philo-
q uestion of right choice; there is no fact of the sophie, Psychologie, Physiologie usw. umfas-
matter even within the acknowledged underdeter- sende — Gesamttheorie liefert zwar deskrip-
mination of a theory of nature“ (Quine 1969 b, tive Erklärungen für das Zustandekommen
303). von Entscheidungen, besagt aber nichts über
Naturalistisch gesehen hängt somit die Be-
59.  Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 851

die Ziele, die ich mir hic et nunc als morali- in this respect is largely due to overemphasis of
sches Subjekt oder als wissenschaftlicher For- departmental boundaries“ (Quine 1966 a, 114).
scher setzen soll. Indem wir Entschlüsse fas- Obschon ich das Ideal einer möglichst um-
sen, schaffen wir selbst im Erkenntnisprozeß fassenden Einheitstheorie nicht verleugne,
die stabilisierenden Momente, die es uns er- glaube ich, daß gerade die im Zitat etwas
lauben, unser Wissen systematisch zu orga- leichthin abgefertigten Abgrenzungen einen
nisieren. In meiner offenen Transzendental- entscheidenden Beitrag zur Erreichung dieses
philosophie, die ich dem Naturalismus ent- anstrebungswürdigen Endziels leisten. Ich
gegenhalte, trage ich dem Umstand Rech- ziehe deshalb dem doktrinären Holismus
nung, daß wir aufgrund von bewußt oder einen methodologischen Pluralismus vor, der
unbewußt akzeptierten Konventionen — in es uns erlaubt, stabile Teilgebiete in Form von
der Wissenschaft meistens nach vorangegan- spezifischen Theorien auszusondern, die wir
gener Diskussion und Einigung im Rahmen mit ebenso genau abgegrenzten Rivalinnen in
einer Forschungsgemeinschaft — selbst die bezug auf ihre pragmatischen Vorzüge ver-
apriorischen Elemente festlegen, die einem be- gleichen und beurteilen. — Quine, der zwar
stimmten Wissensgebiet als Grundlage dienen die praktische Nützlichkeit von Grenzziehun-
sollen. Zu diesen gehört in erster Linie die gen einräumt (cf. z. B. Quine 1960, 251),
Sprache mit dem besonderen System der Lo- scheint nichtsdestoweniger ihren methodisch
gik, das je nach Bedarf in sie eingebaut wird. unabdingbaren Charakter zu verkennen. Wir
Es ist zu beachten, daß ein so konzipierter, haben es in Wirklichkeit, um das Neurathsche
relativer Begriff der Apriorität nichts mit dem Bild ein letztes Mal zu bemühen, nicht mit
metaphysischen Anliegen einer Letztbegrün- einem einzigen Schiff zu tun, dessen einzelne
dung, die absolute Gewißheit garantieren Planken nach und nach ersetzt werden, son-
würde, zu tun hat (s. Art. 53). Wie Quine dern mit einer ganzen Flotte von verschieden-
halte ich die Suche nach einem unveränder- artigen mehr oder weniger seetüchtigen Boo-
lichen Grundstock von Begriffen für illuso- ten, die auf mannigfaltige Art miteinander
risch. Wie aber läßt sich die Überzeugung, vertäut sind und unterschiedliche Funktionen
daß alle Sätze — einschließlich derjenigen der übernehmen. Diese realistischere Sicht des
Logik — grundsätzlich revidierbar bleiben, Wissenschaftsbetriebs hat den Vorteil, daß sie
mit der Annahme apriorischer Wahrheiten die Auszeichnung von analytischen Sätzen er-
vereinbaren? Es ist zunächst erforderlich, ge- möglicht, wobei allerdings das Prädikat auf
gen Davidson und Quine die Machbarkeit bestimmte Sprachen relativiert wird. Wir füh-
einer Unterscheidung zwischen organisieren- ren in einer konkreten Situation — nicht in
dem Schema und organisierter Wirklichkeit, der fiktiven der radikalen Interpretation! —
zwischen Sprache und Theorie und damit im Sinne Carnaps semantische Regeln ein, die
auch zwischen analytischer und synthetischer uns dazu verpflichten, die Wahrheit gewisser
Wahrheit zu verteidigen. Der extreme Natura- Sätze nicht anzutasten, solange das betref-
list neigt dazu, die Rolle konventioneller fende sprachliche System in Kraft bleibt. Erst
Praktiken im Erkenntnisprozeß geringzu- wenn dieses sich als für die vorgesehenen
schätzen, wie Quines wiederholte Angriffe ge- Zwecke untauglich erweist — sei es wegen
gen das, was er ›legislative postulation‹ nennt, mangelnder Ausdruckskraft oder aus anderen
bezeugen. In den Aufsätzen Truth by Conven- pragmatischen Gründen —, beschließen wir,
tion und Carnap and Logical Truth argumen- die bisher verwendete Sprache zugunsten
tiert er auf die ihm eigentümliche, subtile Art einer verbesserten aufzugeben. In dieser Weise
gegen das abschätzig ›truth by fiat‹ genannte wird die nützliche Unterscheidung zwischen
Verfahren, wodurch bestimmte Wahrheiten einer internen Revision — z. B. der Wahl einer
mittels Konventionen festgesetzt werden: alternativen empirischen Hypothese im Rah-
„How then are we to delimit the category of leg- men einer gegebenen Theorie — und einer
islative postulation, short of including under it externen Revision gemacht, die im Sinne
every new act of scientific hypothesis? The situation Kuhns die Ausarbeitung eines neuen, mit dem
may seem to be saved, for ordinary hypotheses in früheren inkommensurablen Begriffsappara-
natural science, by there being some indirect but tes erfordert. Quine bezweifelt, daß ein sol-
eventual confrontation with empirical data. How- ches Vorgehen strikt durchführbar ist und
ever, this confrontation can be remote; and, con- konzediert entsprechend nur einen graduellen
versely, some such remote confrontation with ex- Unterschied:
perience may be claimed even for pure mathematics „Viewed behavioristically and without reference to
and elementary logic. The semblance of a difference a metaphysical system, this contrast retains reality
852 III. Positionen

as a contrast between more and less firmly accepted lerweise die methodische Klugheit davon ab
statements; and it obtains antecedently to any post (cf. Lauener 1978, 80 ff).
facto fashioning of conventions. There are state- Wenn also Quine von Wahrheit durch fiat
ments which we choose to surrender last, if at all, spricht, trifft er wörtlich das, was ich meine:
in the course of revamping our sciences in the face Sätzen haftet nicht per se die Wesenseigen-
of new discoveries; and among these there are some schaft an, analytisch oder synthetisch zu sein;
which we will not surrender at all, so basic are they es verhält sich vielmehr so, daß wir sie aus
to our whole conceptual scheme. Among the latter methodischen Gründen selbst zu solchen ma-
are to be counted the so-called truths of logic and chen. Deshalb stimme ich auch der aus Two
mathematics, regardless of what further we may Dogmas of Empiricism gewonnenen Einsicht
have to say of their status in the course of a sub- zu, daß jeder Versuch, eine nicht relative De-
seq uent sophisticated philosophy. Now since these finition von Analytizität zu finden, hoff-
statements are destined to be maintained indepen- nungslos bleibt. Im Unterschied zu ihm
dently of our observations of the world, we may glaube ich aber nicht, daß eine solche über-
as well make use here of our techniq ue of conven- haupt erforderlich ist, denn es genügt, mithilfe
tional truth assignment and thereby forestall awk- semantischer Postulate ein relatives Prädikat,
ward metaphysical q uestions as to our a priori ‘analytisch-in-Li’, so zu bestimmen, daß für
insight into necessary truths. On the other hand die Dauer der Verwendung von Li alle durch
this purpose would not motivate extension of the Konvention für wahr ausgezeichneten Sätze
truth-assignment process into the realm of erstwhile rekursiv oder durch Auflistung festgelegt wer-
contingent statements. On such grounds, then, logic den. Ich bin mir bewußt, daß ich damit keine
and mathematics may be held to be conventional tiefe, ›philosophisch hintergründige‹ Analyse
while other fields are not; it may be held that it is des Terms vorlege. Eine solche kann es, wie
philosophically important to circumscribe the log- Quine selbst überzeugend dargelegt hat, gar
ical and mathematical primitives by conventions of nicht geben. Methodologisch gesehen ist je-
truth assignment but that it is idle elaboration to doch ein relativer Begriff der Analytizität für
carry the process further“ (Quine 1966 d, 95). die Stabilisierung der Ausdrucksmittel uner-
Warum weigert sich Quine, diesen Schritt läßlich (s. Art. 86). Er erweist sich nicht nur
selbst zu vollziehen? Er zögert, weil er das erkenntnistheoretisch, sondern auch im Hin-
Verfahren für letztlich willkürlich hält, weil es blick auf die Organisation der Ontologie als
nach ihm keinen objektiven Grund dafür gibt, fruchtbar, wie in den nächsten Abschnitten
es nicht weiter z. B. auch auf die Gesetze der näher erörtert wird.
Naturwissenschaften anzuwenden. Zudem
führt es zu einem nach ihm fatalen unendli- 5.1.3.  Die vorangehenden Überlegungen me-
chen Regreß, da jede Ableitung eines be- thodologischer Art geben nun einen Hinweis
stimmten wahren Satzes aus der allgemeinen für eine adäq uate Beurteilung der Quineschen
Konvention schon die Logik voraussetzt. Mir These der Unbestimmtheit der Übersetzung.
erscheint dagegen der Regreß hier praktisch Der Streit um ihre Wahrheit scheint mir letzt-
genauso harmlos wie derjenige, der in der lich auf einem Mißverständnis zu beruhen.
klassischen Semantik beim Reglementie- Die Bedeutung, die man ihr beimißt, hängt
rungsprozeß der Objektsprache durch eine entscheidend von der zugrundegelegten Kon-
Metasprache entsteht, so daß für einen Prag- zeption von Philosophie ab. Aus einer Sicht,
matisten kein Anlaß besteht, davor zurück- die Erkenntnistheorie mit empirischer Psy-
zuschrecken. Er stellt den Fall so dar, als chologie gleichsetzt und ganz allgemein Phi-
hätten wir es bei der Rechtfertigung des Ent- losophie mit theoretischer Wissenschaft ver-
schlusses, bei der Logik und der Mathematik schmilzt, folgt sie, wie Quine argumentiert, in
halt zu machen, mit einer Sachfrage zu tun. ganz natürlicher Weise. Sie ist eine logische
In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um eine Konseq uenz der naturalistischen Grundhal-
methodologische Frage, die aufgrund von tung, die ihren Niederschlag im semantischen
pragmatischen Kriterien wie Erfolg, Einfach- Holismus und in der eng behavioristischen
heit, Eleganz etc. zu beurteilen ist. Um ein Methode findet. Meiner ganz anders gelager-
extremes Beispiel zu wählen, erschiene es als ten Auffassung von Philosophie gemäß han-
völlig unsinnig, die Regeln der Sprache so zu delt es sich dagegen nicht um eine Sachfrage,
fassen, daß sämtliche, gewöhnlich als synthe- sondern um einen die praktische Zielsetzung
tisch betrachteten Sätze durch Konvention betreffenden Beschluß. Da mein transzenden-
wahr und ihre Negationen entsprechend ana- taler Standpunkt die Durchführbarkeit von
lytisch falsch gemacht würden. Obgleich eine strengen Grenzziehungen gewährleistet, brau-
solche Wahl an sich möglich wäre, rät trivia-
59.  Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 853

che ich nicht in holistischer Manier Meta- Quine unterstellte erkenntnistheoretische Ir-
theorie mit der Gesamttheorie zu verschmel- relevanz von sprachlichen Darstellungssyste-
zen. Demgemäß nimmt die Aufgabe des Phi- men glaube.
losophen einen wesentlich methodologischen
Charakter an, indem sie vor allem auch nor- 5.2. Sprache und Ontologie
mative Aspekte aufweist. Quine hat sich ge-
gen den Vorwurf, sein Naturalismus bleibe 5.2.1.  Die an der Logik orientierten Vertreter
unfähig, die Tätigkeit des Normierens zu er- der analytischen Philosophie halten die na-
fassen, gewehrt. Da er sich aber nie auf die türliche Sprache für unzulänglich, um refe-
Frage eingelassen hat, wie normative Sätze rentielle Fragen und die damit verbundenen
aus einer deskriptiven Theorie folgen können, ontischen Implikationen in klarer Weise zu
wirkt sein Protest nicht überzeugend. Die erfassen. Zu diesem Zweck bedarf es nach
Möglichkeit einer Herleitung scheint umso ihnen einer mit Hilfe von exakten Techniken
fragwürdiger, als selbst Davidson bestreitet, entwickelten kanonischen Notation. Quine
daß sich intentionale Begriffe auf physikali- optiert, wie wir gesehen haben, für ein karges,
sche — seien es solche der Biologie, Physio- rein extensionales Sprachsystem: die Quanti-
logie oder Psychologie — zurückführen las- fikationstheorie erster Stufe. Er rechtfertigt
sen. Die Beurteilung von methodisch klugen seine Entscheidung unter anderem durch
Verhaltensweisen, die von situationsbedingten Überlegungen, die die Ontologie betreffen —
Absichten abhängen, transzendiert ganz ein- eine Disziplin, der er als erster in der analy-
fach die Beschreibung rein naturmäßiger, tischen Tradition besondere Aufmerksamkeit
theoretisch erfaßbarer Phänomene und ist zugewendet hat. Er wurde dabei mit Carnap
deshalb in einem naturalistischen Konzept in eine Kontroverse verwickelt, die letztlich
nirgends unterzubringen. — Trotz der ver- erwiesen hat, daß man — entgegen dessen
schiedenen Auffassungen von Philosophie be- Befürchtung — ontologische Fragen behan-
steht eine gewisse Übereinstimmung. Ich ge- deln kann, ohne in die alten Übel der Meta-
stehe Quine zu, daß im Kontext der radikalen physik zurückzufallen. Carnap äußert starkes
Übersetzung nicht empirische Evidenz (mat- Mißtrauen gegen Behauptungen des Inhalts,
ters of fact), sondern vom Standpunkt einer daß gewisse Dinge ›wirklich existieren‹, und
vorgängigen Theorie akzeptierte Wahrheiten er neigt entsprechend dazu, sämtliche Aus-
die Wahl von analytischen Hypothesen (in- sagen dieser Art als sinnlos zu verwerfen.
terpretational hypotheses) bestimmen und Nach ihm hat die Verwendung von bestimm-
daß hier im Falle einer Unstimmigkeit objek- ten Variablentypen nichts mit die empirische
tiv nicht entscheidbar ist, ob sie von der Be- Welt betreffenden theoretischen Überzeugun-
deutung der Wörter oder von der Ansicht gen zu tun. Entsprechend leugnet er, daß wir
über die Welt herrührt. Quine seinerseits uns einer Hypostasierung schuldig machen,
räumt ein, daß dieser Umstand in der Praxis wenn wir über Variablen, die für abstrakte
keine fatalen Folgen hat. In weniger extremen Entitäten stehen, quantifizieren:
Situationen hat man sich meistens schon so- „However, the concept of existence here [d. h. in
weit über theoretische Fragen und über die Existenzq uantifikationen, H. L.] has nothing to do
Übersetzungsanleitungen (translation ma- with the ontological concept of existence or reality“
nual) geeinigt, daß keine ernsthaften Störun- (Carnap 1970, 43).
gen auftreten: Die Unbestimmtheit läßt sich, Er unterscheidet zwischen internen und ex-
wie er es ausdrückt, in der ›Hintergrundspra- ternen Existenzfragen; während die letzteren
che‹ auffangen. Wenn man aber Radikalisie- grundsätzlich unbeantwortbar bleiben, folgen
rung zu einem methodischen Prinzip erhebt, Aussagen der ersteren Art im Rahmen einer
belastet man sich mit unfruchtbaren Proble- gegebenen Theorie entweder analytisch aus
men. Welchen Status soll denn die Linguistik den Regeln der Sprache oder sind, wenn das
als eine empirische Wissenschaft erhalten, nicht zutrifft, durch empirische Ermittlungen
wenn semantische Analysen nur eine Beschäf- auszumachen. Falls jemand z. B. darauf be-
tigung mit Variationen der Notation darstel- harrt, er wolle nicht wissen, ob die Existenz
len, die keine theoretische Information ver- von Zahlen aus den Axiomen der Arithmetik
mittelt? Daß sie kein Wissen über die physi- herleitbar ist, sondern ob Zahlen wirklich exi-
kalische Natur vermittelt, wird nicht be- stieren, so stellt er eine auf absolute Realität
stritten. Daß sie aber auch nichts empirisch abzielende, unverständliche Frage. In Meta-
Überprüfbares über die Art, wie wir diese physik werden wir also erst dann verwickelt,
begrifflich erfassen, besagen soll, scheint mir wenn wir die Sprache zur Formulierung der-
nicht zutreffend, weil ich nicht an die von
854 III. Positionen

artiger ›Pseudoaussagen‹ mißbrauchen. In- Strukturierung unserer Erfahrung gewinnen.


dem er glaubt, in dieser Weise eine neutrale Dem Philosophen fällt im besonderen die
Haltung wahren zu können, gibt sich Carnap Aufgabe zu, Reduktionsverfahren zu entwik-
einer Illusion hin, denn praktische Ent- keln, die es erlauben, überflüssige Entitäten
schlüsse haben durchaus ontologische Fol- zu eliminieren (›to clear our ontological
gen, wie die weiteren Ausführungen zeigen slums‹). Quine selbst beschränkt seinen na-
sollen. — Quines kanonische Sprache erweist turalistischen Neigungen gemäß die Wahl auf
sich in der Tat als ein geeignetes Medium für physikalische Objekte und Mengen. Die letz-
die Formulierung eines klaren Kriteriums für teren als abstrakte Gebilde duldet er deshalb,
ontische Annahmen, die mit der Verwendung weil er der Wissenschaft die Mathematik in
einer Sprache oder Theorie verbunden sind. ihrer Gesamtheit erhalten möchte und weil
Nach ihm hat Ontologie — im Gegensatz zu wir für sie über ein einwandfreies Identitäts-
der früheren ›Metaphysik des Seins‹ — als kriterium verfügen. Die Gefahr einer unnö-
eine empirische Disziplin zu gelten, deren tigen Inflation wird durch ›Ockhams Prinzip‹
Aufgabe darin besteht zu bestimmen, was exi- gebannt, wonach man nicht mehr Entitäten
stiert (what there is). Um die Frage nach der postulieren soll, als unbedingt erforderlich
Referenz von theoretischen Termen durch- sind. Die praktischen Erfolge, die wir der
sichtig zu machen, sind wir in der Wissen- Quantenmechanik verdanken, sind das beste
schaft darauf angewiesen, nur solche Objekte und einzige Indiz für die Wirklichkeit der
zu setzen, die wir einwandfrei identifizieren durch sie gesetzten, nicht unmittelbar be-
können (›no entity without identity‹). Um obachtbaren Elementarteilchen. Solange wir
festzulegen, welche ontischen Verpflichtungen keine zwingenden Gründe haben, an der
wir mit einer Theorie eingehen, müssen wir Wahrheit der Theorie zu zweifeln, brauchen
sie in die Sprache der Quantorenlogik über- wir auch nicht auf eine alternative Ontologie
setzen; die Art von Entitäten, deren Existenz zu sinnen. Quine besteht darauf, daß z. B. der
wir voraussetzen, sind dann genau diejenigen, Ausschluß von mentalistischen Objekten die
die im Wertbereich der Variablen vorkommen Rede über Geisteszustände nicht einfach zu-
müssen, damit die Theorie wahr wird: nichte macht, sondern sie bloß ›physikali-
„To say that a given existential q uantification pre- siert‹, indem z. B. eine Inspiration, ähnlich
supposes objects of a given kind is to say simply wie ein Fieberanfall, für den Zeitraum ihrer
that the open sentence which follows the q uantifier Dauer mit der Person als physiologisch-psy-
is true of some objects of that kind and none not chologischem Objekt identifiziert wird. —
of that kind“ (Quine 1953 a, 131). Wenn ich Quine soweit zustimme, daß wir mit
Zu sein heißt also, wie Quine das in der der Wahl eines sprachlichen Systems ontolo-
bekannten Kurzform ausdrückt, der Wert gische Verpflichtungen eingehen, so scheint
einer gebundenen Variable zu sein. Daß damit mir dagegen die von ihm zurückgewiesene
kein Anspruch auf Absolutheit erhoben wird, Unterscheidung zwischen internen und exter-
geht unmißverständlich aus dem Umstand nen Fragen methodisch unerläßlich zu sein.
hervor, daß die Existenzbehauptung nur unter Denn allein aufgrund von ihr ist es möglich,
Voraussetzung der Wahrheit der Theorie gilt. die für meinen Pluralismus vitale Differenzie-
— Mit seinen sprachlichen Regelungen zielt rung zwischen ontologischen Annahmen in
Quine also darauf ab, die Bedeutung des Wor- verschiedenen Kontexten vorzunehmen. Da
tes ‘existieren’ so zu explizieren, daß sie nur ich zweifle, daß es überhaupt sinnvoll ist,
von der Verwendung der Quantoren abhängt. sämtliche Entitäten, über die wir q uantifizie-
In bezug auf ontische Entscheidungen (ontic ren, in einem einzigen, universalen Bereich
decisions) fallen nach ihm die Erwägungen zusammenzufassen, halte ich die Vorstellung
der gleichen Art ins Gewicht wie bei der Wahl einer Gesamttheorie, die alle Erkenntnisge-
von wissenschaftlichen Hypothesen, — im biete umfaßt, für unrealistisch. Eine Konzep-
wesentlichen also methodische Überlegungen tion von Ontologie, die ‘Hamlet ist ein däni-
hinsichtlich der systematischen Fruchtbarkeit scher Prinz’ und ‘Hamlet ist der ältere Bruder
für die Erklärung der Vorgänge in der Natur. Tolstois’ gleichermaßen zu falschen Sätzen
Die Setzung von Objekten erweist sich als macht, entspringt meines Erachtens einem
überflüssig, wenn sie nichts zur Erklärungs- methodisch verfehlten Ansatz. Denn es gibt
kraft der Theorie beiträgt. Entsprechend müs- einen empirisch vorweisbaren Kontext, näm-
sen wir darauf bedacht sein, unsere Ontologie lich das Theaterstück Shakespeares, in wel-
in möglichst ökonomischer Weise so zu ge- chem der erste Satz wahr ist, was für den
stalten, daß wir eine einfache und wirksame zweiten nicht der Fall ist. Meine pluralistische
59.  Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 855

Auffassung, nach welcher wir es nicht mit hängig erkannten Objekte der Physiologie zu-
einer einheitlichen Theorie/Sprache zu tun rückführen, so nehmen wir eine radikalere
haben, trägt der Tatsache Rechnung, daß wir Reduktion vor als im Falle, wo bereits akzep-
fähig sind, vielfältige sprachliche Systeme zu tierte Wahrheiten in einer alternativen, spar-
erfinden — und zwar auch solche, für die sameren Notation wiedergegeben werden, wie
noch keine unmittelbare theoretische Verwen- z. B. in Freges Eliminierung der Zahlen zu-
dung in Aussicht steht. Derartige schöpferi- gunsten von Klassen. Um die Sinnhaftigkeit
sche Leistungen gehören genauso sehr zum des Unternehmens zu wahren, müssen wir
beobachtbaren Verhalten des Menschen wie verlangen, daß die Prädikatenstruktur erhal-
das Erlernen und Verwenden gegebener Spra- ten bleibt und daß eine Vertreterfunktion
chen. Daß das Schaffen von neuen Sprachen (proxy-function) angegeben wird, die effektiv
nicht nur die Rolle von notationellen Vari- jedem Objekt der ursprünglichen Theorie ein
anten für die Darstellung bestehender Wahr- solches der neuen zuordnet. Auf diese Weise
heiten spielt, wird durch die Tatsache belegt, wird vermieden, daß beliebige Ontologien auf
daß sie die Entwicklung völlig neuer Theorien die blanke Welt der Zahlen eingeschränkt
fördern kann, wie sich das etwa an der Ent- werden können (cf. Quine 1966 a; 1981 a). Es
deckung der nicht-euklidschen Geometrien zeigt sich dabei besonders deutlich die Ab-
veranschaulichen ließe. hängigkeit des Reduktionsverfahrens von
einer Hintergrundtheorie, weil wir, wenn wir
5.2.2.  Die Verbindung von Holismus und einen Bereich U′ in einen anderen U″ abbil-
Physikalismus mit einer reduktionistischen den, eines umfassenden Universums U bedür-
Strategie führt zu einer Konseq uenz, die fen, das beide, U′ und U″, enthält. Wegen der
Quine selbst in Whither Physical Objects als für die ontologische Relativität verantwortli-
ein ›Debakel‹ bezeichnet (Quine 1976 c). Da chen Unverzichtbarkeit der Hintergrundtheo-
in der modernen Physik, d. h. in der vorläufig rie wird allerdings fragwürdig, ob wir damit
besten zur Verfügung stehenden Theorie, wirklich eine Einsparung erzielt haben. Wir
Raum-Zeitpunkte durch Quadrupel von re- können also nach Quine nur dann sagen, wel-
ellen Zahlen dargestellt werden, löst sich die che Dinge eine Theorie als existierend vor-
Ontologie letztlich in bloße Mengen von nu- aussetzt, wenn wir sie mit Hilfe einer anderen
merischen Koordinaten auf; die Welt müßte Theorie, die nicht mehr in Frage gestellt wird,
also der Doktrin gemäß ausschließlich mit interpretieren oder reinterpretieren. Quine ar-
abstrakten Entitäten bevölkert sein. Wie läßt gumentiert, daß dies nichts mit Carnaps Un-
sich eine solche für einen Pythagoräer zwar terscheidung zwischen internen und externen
erfreuliche, für einen Naturalisten jedoch eher Fragen zu tun hat, da wir ja nach ihm wegen
betrübliche Konse q uenz vermeiden? Ich der Unhaltbarkeit der Dichotomie ‘analy-
glaube, daß allein eine Methodologie, die eine tisch-synthetisch’ nicht in der Lage sind, die
Abgrenzung zwischen heterogenen Kontexten Theorie von der Sprache zu trennen. Wenn
zuläßt, die Situation zu retten vermag. Mei- man hingegen wie ich die entscheidende Rolle
nem offenen Transzendentalismus gemäß er- von Konventionen anerkennt und entspre-
scheint es als natürlich, daß in einer rein ab- chend die normative Funktion des Begriffs
strakt formulierten physikalischen Theorie der Analytizität einräumt, so kann man den
nur mathematische Objekte als Werte der Va- pragmatischen Charakter der methodischen
riablen benötigt werden, während wir ande- Entscheidungen aufrechterhalten, ohne des-
rerseits im gewöhnlichen Alltag über konkrete halb auf strenge Abgrenzungen zu verzichten.
Dinge oder in literarischen Werken sogar über Die Auffassung hat den Vorteil, daß sie die
fiktive Entitäten q uantifizieren. Das liegt Aussonderung von Kontexten mit ungleich-
daran, daß wir je nach Zweck Kontexte aus- artigen ontologischen Verpflichtungen gestat-
sondern, die eine bestimmte ihnen eigentüm- tet. Es ist dann auch nicht mehr von ›onto-
liche Ontologie erfordern. logischer Wahrheit‹, sondern von der prakti-
Um der drohenden Trivialisierung von on- schen Adäq uatheit eines Entschlusses mit
tologischen Fragen zu entgehen, stellt Quine Rücksicht auf ein gesetztes Ziel die Rede. Mit
gewisse Forderungen auf, die eine echte Re- der Wahl eines sprachlichen Rahmens akzep-
duktion zu erfüllen hat. Wir haben zunächst tieren wir ganz im Sinne Quines die Existenz
auf die reduktive Stärke eines Programmes der entsprechenden Entitäten, deren Wirk-
zu achten. Wenn wir etwa die in der menta- lichkeit letztlich durch die effektive Erklä-
listischen Sprache als Objekte gesetzten Gei- rungskraft der Theorie verbürgt wird. Die
steszustände auf die von diesen völlig unab- Relativität der Ontologie bleibt zwar beste-
856 III. Positionen

hen, sie beschränkt sich aber auf die Sprache kurz aufzeigen, inwiefern sich eine pluralisti-
und hat nicht mehr den radikalen, unglaub- sche Konzeption der Ontologie für die Lö-
würdigen Aspekt, den ihr die extremistische sung nicht einseitig an den Bedürfnissen der
Doktrin der Unerforschlichkeit der Referenz Naturwissenschaften orientierter Aufgaben
verleiht. Mir scheint es natürlich, eine Sicht- eignet. Mein Ziel besteht darin, es im Gegen-
weise zu adoptieren, nach welcher Russen, satz zu Quine zu vermeiden, alle Sätze, die in
Chinesen, Hopi-Indianer, Amerikaner und einer Fiktion vorkommen, aus dem einzigen
Europäer, wenn sie Quantenphysik betreiben, Grund, daß fiktive Entitäten nicht in der phy-
völlig unabhängig von ihrem sonstigen kul- sikalischen Welt existieren, für falsch zu er-
turellen Hintergrund, Elementarteilchen als klären. Eine Auffassung, die die Existenz von
wirklich betrachten, während in anderen durch geistige Tätigkeiten geschaffenen Ob-
Kontexten keine derartigen Objekte postuliert jekten zuläßt, hat den Vorteil, daß sie es er-
werden. Der Holist verlangt, daß wir die Ge- laubt, der natürlichen Unterscheidung zwi-
samtheit der Wissenschaft in ihrem fortge- schen wirklichen Gegenständen und erfun-
schrittensten Stadium als objektiv wahr be- denen Dingen, die wir selbst erzeugen, gerecht
trachten; obschon auch ich ihr Wissen höher zu werden. Zu diesem Zweck ist es erforder-
werte, glaube ich — abgesehen von der Frage, lich, Kontexte zu unterscheiden, die grund-
was denn überhaupt als dazugehörig zu gelten sätzlich andersartige Typen von Ontologien
hat — nicht, daß eine globale Theorie, aus involvieren. Da Fiktionen ›unmögliche Wel-
der alle unwissenschaftlichen Betrachtungen ten‹ darstellen können, verstehe ich unter
verbannt wären, in absoluter Weise ausge- Kontexten etwas anderes als die möglichen
zeichnet werden kann. Die Tatsache, daß ge- Welten der Modallogiker. Als Teilaspekte der
wisse Objekte auf einer höheren Entwick- wirklichen Welt — nicht Alternativen zu ihr
lungsstufe nicht mehr erforderlich sind, be- — werden sie in dieser durch die spezifische
deutet nicht, daß damit endgültig ihre Nicht- Verwendungsart einer Sprache in deskriptiver,
existenz erwiesen worden wäre. Obschon sich fiktionaler oder anderer Absicht ausgeson-
z. B. mentale Terme nicht auf physikalische dert. Die sogenannten mentalen Kontexte —
reduzieren lassen und obschon wir mögli- die privaten des Glaubens, Vorstellens, Wün-
cherweise in der Physiologie ihrer nicht be- schens usw., aber auch die öffentlichen der
dürfen, gibt es doch praktisch unverzichtbare belletristischen Produktion — weisen dabei
Kontexte, in welchen wir ohne sie nicht aus- den eigentümlichen Zug auf, daß in ihnen
kommen. Zur Illustration der Schwierigkei- Objekte eingeführt werden, die nicht in der
ten, in die der reduktionistische Holist gerät, physikalischen Wirklichkeit vorkommen. —
mag das Beispiel genügen, wo jemand wäh- Im wesentlichen werden Kontexte durch Be-
rend der Dauer eines Fieberanfalles sich schreibung des verwendeten sprachlichen Sy-
gleichzeitig niedergeschlagen fühlt; seiner stems sowie durch Angabe des Zweckes, für
Auffassung gemäß, müßte die erhöhte Kör- den es eingesetzt wird, individuiert. Je nach
pertemperatur mit der Depression identisch Bedarf sind diese Informationen durch wei-
sein, was eher unsinnig anmutet. Das Ver- tere zu ergänzen — im Falle eines literarischen
schwinden der Alltagsdinge in Whither Phy- Textes z. B. durch Hinweise auf die Entste-
sical Objects verrät im übrigen deutlich die hung des Werkes, die (durch Dokumente be-
Gefahr, die Quines mit Holismus gepaarter legten) Absichten des Verfassers etc. Eine For-
Reduktionismus in sich birgt. Da er die ge- malisierung könnte man vornehmen, indem
naueren Beziehungen zwischen den Reduk- man Kontextvariablen einführt und die kom-
tionskriterien und den pragmatischen Prinzi- plexen Ausdrücke so konstruiert, daß sie für
pien der allgemeinen Methodologie nicht klar wirkliche Äußerungen stehen, wie das Ri-
herausstellt, bestehen zudem Zweifel hinsicht- chard Routley und Leonard Goddard in The
lich der Frage, wann wir es mit einer Expli- Logic of Significance and Context tun (Rout-
kation, wie bei der Zurückführung von Zah- ley/Goddard 1973). Um Widersprüchen vor-
len auf Mengen, zu tun haben und wann mit zubeugen, die dadurch entstehen können, daß
einer eigentlichen Eliminierung, wie im Falle verschiedene Autoren einem gleichnamigen
der Bedeutungen, Propositionen, mentalen Objekt unvereinbare Eigenschaften zuschrei-
Zustände und anderer intensionaler Objekte. ben, muß postuliert werden, daß jedes Indi-
viduum nur in einem Kontext existiert. Falls
5.3. Die Sprache der Fiktion wirklich ein Dr. Faust gelebt hat, kann er also
nicht mit all den von ihm inspirierten künst-
5.3.1.  Am Entwurf einer Semantik für die lerischen Gegenstücken identisch sein; aber
fiktionale Rede möchte ich schließlich noch auch die Gegenstücke müssen, wenn sie aus
59.  Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 857

verschiedenen Werken stammen, trotz des ein systematisches Konzept bringen ließe. —
gleichen Namens verschiedene Individuen Quine betrachtet die Sprache gleichsam als
sein. Innerhalb einer Fiktion entscheidet al- ein universelles Medium, aus dem wir nicht
lein der Autor über Wahrheit, indem er eigen- heraustreten können, um es in neutraler Weise
mächtig festlegt, welche Prädikate seinen von außen zu betrachten. Im Gegensatz zu
Kreaturen zukommen. Da die Homonymie ihm gehe ich von einer instrumentalen Auf-
zufällig sein könnte, bedürfen wir einer lite- fassung aus, die das Gewicht auf die Tatsache
raturwissenschaftlichen Hypothese, um von legt, daß wir selbst unterschiedliche sprachli-
Fall zu Fall auszumachen, ob eine Gegen- che Systeme herstellen, um bestimmte Zwecke
stückrelation besteht oder nicht. Es ist zu zu erreichen. Die Methode des Abgrenzens
beachten, daß die literaturwissenschaftliche von Kontexten und der entsprechend brei-
Theorie selbst nicht fiktive Entitäten be- teren Fächerung von Ontologie hat nun in
schreibt, sondern von deren Einführung im der Tat die Konseq uenz, auf die von Anfang
Text und ganz allgemein von den Intentionen, an abgezielt war: Sätze wie ‘Pegasus ist ein
den Handlungen und den Erzeugnissen des geflügeltes Pferd’ sind nicht mehr unter-
Künstlers als einer wirklichen Person handelt. scheidungslos als falsch zu taxieren. Denn mit
Der Wissenschaftler, der die Sprache deskrip- ‘KGM’ für ‘im Kontext der griechischen My-
tiv verwendet, hat nicht die Kompetenz, Mr. thologie’, mit ‘KEW’ für ‘im Kontext der
Pickwick in einen ordinären Trunkenbold zu empirischen Welt’, mit ‘a’ für ‘Pegasus’
verwandeln, sofern Charles Dickens nach- und ‘F’ für ‘geflügeltes Pferd’ hat jetzt
weislich mit der Niederschrift keine andere ‘KGM ∨ x (x = a ⋀ Fx)’ im Unterschied zu
Absicht verfolgte, als zur Ergötzung der Le- ‘KEW ∨ x (x = a ⋀ Fx)’ als wahr zu gelten,
serschaft die Taten eines originellen Gentle- weil es im Kontext der griechischen Mytho-
man zu schildern. Kritik kann sich nicht ge- logie tatsächlich ein Ding gibt, das den Na-
gen die Romanfigur als solche richten, son- men ‘Pegasus’ trägt und ein geflügeltes Pferd
dern nur gegen den Verfasser, der möglicher- ist. In bezug auf die zwar aus der kanonischen
weise sein Ziel verfehlt hat. — Meiner Auf- Notation eliminierten, aber in natürlichen
fassung der Ontologie gemäß sind also die Sprachen vorfindlichen singulären Terme be-
unterschiedenen Bereiche jeweils mit einer deutet das, daß Eigennamen immer ein Re-
einzigen Art von Dingen bevölkert: in der ferenzobjekt haben: je nach Kontext bezeich-
wirklichen Welt existieren nur empirische Ge- nen sie eine konkrete, abstrakte oder fiktive
genstände, in der Mathematik nur abstrakte Entität. Kennzeichnungen dagegen können
Entitäten und im Kontext einer Fiktion aus- leer sein, wie Russells Beispiel mit dem kahlen
schließlich fiktive Gebilde. Quine spekuliert König von Frankreich belegt, da es in der
unter Erweiterung des Prädikatenvorrates auf (historischen) Gegenwart keinen französi-
die Bildung eines einzigen, umfassenden Uni- schen Monarchen gibt.
versums. Im Rahmen seines naturalistischen
Weltbildes mag das angehen, weil uns nichts 5.3.2.  Ich habe mich bemüht, für meinen Ent-
daran hindert, sämtliche Individuen der wirk- wurf einer Semantik eine möglichst einfache
lichen Welt zu vereinigen. Von meiner plura- und systematisch wirksame Reglementierung
listischen Sicht aus betrachtet ist jedoch Vor- zu finden. Im Gegensatz zu den Anhängern
sicht geboten, da ich die Möglichkeit aus- der Meinongschen Gegenstandslehre glaube
schließe, daß wirkliche und fiktive Objekte ich nicht, daß die Wahrheit fiktionaler Aus-
zueinander in Beziehung gesetzt werden, und sagen uns die Ansicht aufzwingt, daß es Dinge
entsprechend darauf bedacht bin, meines Er- gibt, die nicht existieren. Mein Vorgehen zielt
achtens unsinnige Sätze wie ‘Kingsley Amis eben darauf ab, unnötige Komplikationen wie
bewundert James Bond’ abzublocken. Wir die Einführung eines neutralen Quantors und
können zwar die Vereinigungsmenge von on- eines Existenzprädikates zu vermeiden, so daß
tologisch miteinander verträglichen Bereichen letztlich eine Notation, in welcher ‘a existiert’
bilden, indem wir z. B. diejenigen der griechi- durch ‘∨ x (x = a)’ wiedergegeben wird, ge-
schen und römischen Mythologie vereinigen, nügt. Die skizzierte Kontexttheorie liefert eine
um die Wahrheit von adäq uate Erklärung für das, was wir in der
∨ x ∨ y (x = Zeus ⋀ y = Jupiter ⋀ x = y) Alltagssprache meinen, wenn wir sagen, daß
zu garantieren. Hingegen wäre schon das Zu- Holmes nicht wirklich, sondern nur in Conan
sammenwerfen aller fiktiven Entitäten nicht Doyles Romanen existiert; denn aufgrund
angängig, weil sich eine derart heterogene To- von ihr können wir den Umstand erfassen,
talität — soweit ich das absehe — nicht unter daß der Satz ‘Holmes ist ein Detektiv’ in der
858 III. Positionen

Objektsprache wahr ist, während — trotz der Sätze erfordert sie weiter nichts als die klas-
ähnlichen Oberflächenstruktur — der Satz sischen, von Tarski entwickelten Mittel. Denn
‘Holmes ist nicht wirklich ein Detektiv’ auf ich erkläre die Kontextvariablen ‘K1’, ..., ‘Kn’
metasprachlicher Stufe besagt, daß der Name vermittelst der Begriffe des Modells und der
‘Holmes’ in einem gegebenen Kontext eine Interpretation. Die Wahl eines geeigneten
fiktive Person bezeichnet. — Die hier nur in Wertbereichs der Variablen spielt nicht nur im
ihren allgemeinen Zügen vorgestellte Theorie Zusammenhang mit der Fiktion eine entschei-
beruht auf einer Kombination von Haltun- dende Rolle, wie ein Beispiel aus der Arith-
gen, die Kit Fine (1982 b, 92 f) als empiri- metik belegen mag: ‘∨ x (5 < x < 6)’ wird
stisch, kontextualistisch und externalistisch je nachdem, ob wir die Klasse der rationalen
kennzeichnet. Empiristisch, weil ich be- oder der natürlichen Zahlen als Universum
haupte, daß fiktive Objekte durch beobacht- wählen, wahr oder falsch. Die voll ausge-
bare Handlungen in der wirklichen Welt her- schriebene Erfüllungsbedingung für atomare
vorgebracht werden — nämlich durch das Ausdrücke muß entsprechend lauten:
Verwenden der Sprache in einer spezifischen Eine Folge f erfüllt im Modell M den Aus-
Absicht, die in einem Buch z. B. durch den druck Pi(vi1, ..., vin) bei der Interpretation
Untertitel ‘Roman’ angekündigt wird. Kon- I dann und nur dann, wenn Rj (ai1 ..., ain).
textualistisch, weil ich darauf beharre, daß sie
nur in einem bestimmten Kontext existieren Das Modell M = 〈D, R1, ..., RK, c1, ..., cm〉
und genau die Eigenschaften aufweisen, die setzt sich aus dem Bereich D, den unter
ihnen der Verfasser zuschreibt oder die aus den Elementen von D bestehenden Relatio-
den von ihm im Werk als gültig unterstellten nen R1, ..., RKund den zu D gehörigen In-
logischen und naturwissenschaftlichen Geset- dividuen c1, ..., cmzusammen. Wenn wir
zen folgen. Externalistisch, weil ich abstreite, die üblichen Rekursionsregeln für die (klas-
daß fiktive Entitäten durch ihre internen Ei- sischen) Satzjunktoren und Quantoren hin-
genschaften zu individuieren sind und daran zunehmen, haben wir bereits alles, was man
festhalte, daß ihre Identifizierung wesentlich braucht, um die fiktionale Rede zu interpre-
von den äußeren Umständen ihrer Entste- tieren. Im Kontext einer Fiktion treten in D
hung abhängt. — In natürlichen Sprachen nur die vom Autor eingeführten Individuen
unterscheiden sich fiktionale Aussagen durch auf, denen primär genau die Eigenschaften
keine syntaktischen Merkmale von anderen oder Relationen zukommen, die dieser ihnen
Verwendungsweisen von Sätzen. Da die Am- zuschreibt, und sekundär auch solche, die auf-
biguität vom verschiedenartigen Gebrauch, grund einer literaturwissenschaftlichen Theo-
den wir von den betreffenden Sätzen machen, rie zu erschließen sind. Im Rahmen eines rea-
herrührt, wird, wie ich befürchte, jeglicher listischen Romanes zum Beispiel wird man
Versuch, sie durch Verwendung einer mehr- annehmen, daß das Herz eines lebendigen
wertigen Logik oder durch Änderung der Re- Menschen schlägt, auch wenn das im Text
geln für die singularen Terme zu beseitigen, selbst nicht ausdrücklich gesagt wird. Tarskis
erfolglos bleiben. Die der Sache angemessene Definition entsprechend gilt ein fiktionaler
Strategie muß vielmehr darin bestehen, daß Satz dann und nur dann als wahr, wenn er in
wir in der reglementierten Sprache die jewei- 〈D, R1, ..., RK〉 bei der Zuordnung des Prä-
lige Gebrauchsweise mit Hilfe eines Kontex- dikates P1 zu R1, P2 zu R2 etc. durch beliebige
tindikators anzeigen. Das hat u. a. John Folgen von Objekten aus dem Bereich D er-
Woods (1974) versucht, indem er einen modal füllt wird. Folglich wird etwa der Satz ‘KTS
interpretierten Operator ‘O’ (vom lateinischen (Toby ist der Onkel von Tristram Shandy)’
‘olim’) einführt. Er räumt jedoch selbst ein, als wahr durchgehen, weil im Roman von
daß das Ergebnis seiner Bemühungen unbe- Lawrence Sterne das durch den Namen
friedigend ist; abgesehen von Unklarheiten ‘Toby’ bezeichnete Individuum den offenen
erweist sich die zunehmende Aufblähung des Satz ‘x ist der Onkel von Tristram’ erfüllt,
benötigten Apparates als untragbar und während das für ‘KEW(Toby ist der Onkel
Routley (1980, 548 ff) hat im übrigen gezeigt, von T. S.)’ nicht zutrifft, weil fiktive Gestalten
daß sich die Trivialisierung seines Systems nicht in der wirklichen Welt aufzufinden sind.
nicht vermeiden läßt, wenn in einem Text ein Meine Sprachregelung verbietet also eine Ver-
Satz, φ, zugleich mit seiner Negation, ~φ, wendungsweise der Ausdrücke ‘es gibt’ und
vorkommt. Von meiner philosophischen Po- ‘existieren’, die den Satz ‘Es gibt Dinge, die
sition aus gesehen, erweisen sich jedoch die nicht existieren’ sinnvoll macht, was mir er-
Woodschen Komplikationen als überflüssig. laubt — unbelastet von den Umständlichkei-
Für die Behandlung der Semantik fiktionaler
60.  Das Normalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 859

ten einer sogenannten ›free logic‹, d. h. einer Gebieten gleich vorzugehen, indem man näm-
Logik ohne Existenzvoraussetzungen — die lich den Wertbereich der Variablen nach In-
klassische Quantorenlogik anzunehmen. An- dividuen absucht, die einen gegebenen offe-
dererseits vermeide ich es, den Begriff der nen Satz erfüllen. Der einzige, philosophisch
Existenz rein physikalisch auf die Bedingung allerdings bedeutsame, Unterschied besteht
des Vorkommens in Raum und Zeit einzu- darin, daß man sich im Falle von Wirk-
schränken. Soweit ich sehe, empfiehlt sich lichkeitsaussagen der physikalischen Natur,
mein Vorgehen nicht allein durch seine Ein- im Falle von fiktionalen Aussagen jedoch ge-
fachheit, sondern auch deshalb, weil es in nur druckten oder mündlich überlieferten Texten
geringem Maß von unseren gewöhnlichen In- zuwendet.
tuitionen wegführt. Oberflächlich betrachtet
scheint es vielleicht (semantisch, nicht mora-
lisch!) denkbar, daß Elisabeth, die englische 6. Literatur in Auswahl
Königin, sich in Tarzan verliebt. Es bedarf Davidson 1984 a, Inquiry into Truth and Interpre-
aber nur einer kurzen Analyse, um einzuse- tation.
hen, daß das wörtlich genommen nicht der
Fall sein kann — es sei denn, man verwechsle Frege 51980, Funktion, Begriff, Bedeutung.
Lauener 1978, Probleme der Ontologie, in Zeit-
den mythischen Urwaldhelden aus der Film-
schrift für allgemeine Wissenschaftstheorie 9.
welt mit dem muskelstrotzenden Schauspieler
Lauener 1982, W. V. Quine.
Johnny Weissmüller, der zur (wirklichen) Ver-
Lauener 1986, Die Sprache der Fiktion, in Erkennt-
gangenheit Hollywoods gehört. — Wie alle
nis 24.
wissenschaftlichen Fragen lassen sich seman-
Quine 1953 a, From a Logical Point of View.
tische Probleme allein aus pragmatischer
Sicht auf dem Hintergrund eines allgemeinen Quine 21959, Methods of Logic.
erkenntnistheoretischen Standpunktes erör- Quine 1960, Word and Object.
Quine 1969 a, Ontological Relativity and Other Es-
tern. Mein Plan entspringt der Überzeugung,
daß eine semantische Theorie nicht ohne says.
Rücksicht auf die Pragmatik entwickelt wer- Quine 1970 c, Philosophy of Logic.
den kann und daß es methodisch zu wünschen Quine 1974 a, The Roots of Reference.
ist, für die Bestimmung der Wahrheit auf allen Henri Lauener, Bern (Schweiz)

60. Das Normalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie

1. Einleitung Philosophie der normalen Sprache) bezeich-


2. Gilbert Ryle net man seit den dreißiger Jahren dieses Jahr-
2.1. Systematisch irreführende Ausdrücke hunderts eine Arbeitsweise innerhalb der
2.2. Kategorienfehler Analytischen Philosophie, welche für die Klä-
3. Ludwig Wittgenstein rung, Auflösung und Lösung philosophischer
3.1. Das Programm der übersichtlichen Darstel- Fragen nur die Ausdrucksmittel der normalen
lung und der philosophischen Therapie Sprache verwendet und in ihren Untersu-
3.2. Sprachspiel und Sprachspielmethode chungen und Argumentationen auf Feststel-
4. John Langshaw Austin lungen über die normale Sprache zurück-
4.1. Die Annahme von der natürlichen Ökonomie greift. Unter normalen Sprachen werden in
der Sprache und die heuristische Verwendung diesem Zusammenhang gesprochene Ge-
der normalen Sprache brauchssprachen verstanden. Meistens stüt-
4.2. Der Zugang über die Fehler zen sich die Vertreter dieser Philosophie auf
4.3. Zur Theorie der Sprechakte die Umgangssprache. Es ist jedoch klar, daß
5. Ausblick auch gewisse funktionierende Fachsprachen,
6. Literatur in Auswahl etwa die Sprache einer funktionierenden Wis-
senschaft oder Disziplin, zu den in diesem
Sinne normalen Sprachen gerechnet werden.
1. Einleitung Gegenübergestellt wird ›ordinary language‹
Als ›ordinary language philosophy‹ (oder: an erster Stelle den künstlich konstruierten
Sprachen der Logik, mit deren Hilfe die so-
860 III. Positionen

genannten idealsprachlichen Philosophen losophie Carnaps (1891—1970) — gilt den


(Bertrand Russell, Rudolf Carnap, Willard philosophischen Arbeitsweisen stets ein
Van Orman Quine, u. a.) philosophische Pro- Hauptaugenmerk. In den im engeren Sinne
bleme klären und entscheidbar machen woll- logischen und sprachphilosophischen Arbei-
ten. ten wird häufig die metaphilosophische Be-
Die bedeutendsten Vertreter der normal- deutsamkeit der Ergebnisse mitbedacht. Klar
sprachlichen Richtung sind Gilbert Ryle und konzise trägt Ryle seine sprachphiloso-
(1900—1976), Ludwig Wittgenstein (1889— phischen Auffassungen in The Theory of
1951) (s. Art. 39) (mit der Philosophie der Meaning (1957) vor. Selbst das Hauptwerk ist
Philosophischen Untersuchungen und deren unter der ausdrücklichen Zielsetzung ge-
Umfeld) und John Langshaw Austin (1911— schrieben, die Methoden der ›ordinary lang-
1960). Die meisten der übrigen Vertreter hän- uage philosophy‹ auf einem geeigneten Felde
gen von einem oder mehreren der drei ge- als fruchtbar zu erweisen. Wie Ryle in seiner
nannten Philosophen ab; andere Denker wie schönen autobiographischen Skizze erzählt,
George Edward Moore (1873—1958) könn- hielt er einige Zeit das Problem der Willens-
ten nur mit Gewalt in diese Linie gestellt freiheit für den geeignetsten ›Gordischen
werden. In der folgenden auch sonst in hohem Knoten‹, bis er sich dem Leib-Seele-Problem
Maße auswählenden Übersicht beschränken zuwandte. — Das von Ryle zeitlebens gehegte
wir uns daher auf Ryle, Wittgenstein und Interesse, sich über das Philosophieren klar
Austin. zu werden, hindert ihn freilich nicht daran,
inhaltliche Meinungen und Theorien zu histo-
rischen und systematischen Fragen auszubil-
2. Gilbert Ryle den. Die bedeutendsten systematischen Ar-
beiten liegen auf dem Gebiet der Philosophie
Ryle war schriftstellerisch sehr produktiv. des Geistes — man könnte auch sagen: der
Vom Ende der zwanziger bis in die siebziger philosophischen Anthropologie.
Jahre hinein publizierte er zahlreiche Auf- In Ryles Lehrjahren hatte sich die Frage,
sätze, eine Fülle von Rezensionen, sowie meh- was Philosophie sein könne, wieder einmal
rere Bücher. Ryles Hauptwerk, The Concept verschärft. Die Philosophie über einen nur ihr
of Mind, erschien 1949. Die 1953 gehaltenen eigenen Gegenstandsbereich zu kennzeichnen,
Tarner Lectures wurden 1954 unter dem Titel erschien zusehends schwieriger. Insbesondere
Dilemmas veröffentlicht. Das dritte Buch, konnte man nicht gut sagen, man untersuche
Plato’s Progress (1966), bekundet neben vie- mentale oder psychische Phänomene — im
len Aufsätzen Ryles philologische und philo- Unterschied zu den ›materiellen‹ Phänome-
sophiehistorische Bemühungen. Posthum er- nen, die die Naturwissenschaftler erforschen.
schien On Thinking, eine Reihe von Aufsätzen Zum einen mußte man fürchten, da sich eine
aus den letzten Lebensjahren, die ergänzend empirische Wissenschaft der Psychologie
an The Concept of Mind anknüpfen. — Bei mehr und mehr entfaltete, als dilettierender
aller Vielfalt verbindet die meisten Arbeiten Apriori-Psychologe dazustehen. Zum ande-
ein reges Interesse an der Klärung der Natur ren hatten Gottlob Freges (1848—1925) (s.
und der Methode des Philosophierens. Was Art. 34), Edmund Husserls (1859—1938) (s.
bezweckt man mit dem Philosophieren, was Art. 46) und Russells (1872—1970) Attacken
kann man erreichen, und vor allem: wie stellt gegen den Psychologismus in der Logik ge-
man es sinnvollerweise an? Welcher Art sind zeigt, daß Untersuchungen der tatsächlichen
die Probleme, denen man in der Philosophie geistigen Prozesse schlicht das Thema verfeh-
begegnet? Wie entstehen sie? Wie behandelt len, wenn es wie in der Logik (und auch sonst
man sie? Welche Argumentationsstrategien oft in der Philosophie) um Geltungsfragen
sind in der Philosophie brauchbar? — Auf- geht. In dieser Lage gaben viele Befürworter
sätze wie Systematically Misleading Expres- eines solchen Anti-Psychologismus der Ver-
sions (1932), Philosophical Arguments(1945), suchung nach, den Gegenstandsbereich der
Proofs in Philosophy (1954) u. a., und die Vor- Logik und Philosophie in einem (mit Freges
lesungen Dilemmas beschäftigen sich unmit- Ausdruck) ›dritten Reich‹ weder mentaler
telbar mit diesen Fragen. In den Auseinan- noch materieller Gegenstände zu suchen.
dersetzungen mit Denkern der Tradition und Man hatte es demnach mit Gedanken (in Fre-
mit philosophischen Richtungen dieses Jahr- ges Sinne), Propositionen, Universalien, etc.
hunderts — vor allem der Phänomenologie, zu tun. Für Ryle führte dieser Schritt vom
der Gegenstandstheorie Alexius Meinongs Regen in die Traufe. Das platonistische Groß-
(1853—1920) und der idealsprachlichen Phi-
60.  Das Normalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 861

reich roch nicht nur nach unseligen Hyposta- druck mißlich und wie er umzuformulieren
sierungen; es brachte vor allem auch den ist, nicht aus Feststellungen über die normale
Zwang zum Postulieren merkwürdiger Bezie- Sprache gewinnt. ‘Unpünktlichkeit ist ta-
hungen (beispielsweise epistemischer Zu- delnswert’ sei nämlich irreführend, weil die
gangsweisen) zu diesen eigentümlichen Enti- syntaktische Form dieser Beschreibung die
täten mit sich. Besonders der frühe Ryle ist ›eigentliche‹ oder ›logische‹ Form des Sach-
ausgesprochen anti-platonistisch eingestellt. verhalts verdecke oder gar entstelle. Stattdes-
In seinen Gesellenstücken macht er regelmä- sen solle man Sachverhalte so beschreiben,
ßig Gebrauch von Ockhams Rasiermesser. — daß man die eigentliche Struktur des Sach-
Vielleicht sollte man die Philosophie am be- verhalts ans Licht bringe: ‘Alle, die unpünkt-
sten gar nicht als Lehre über einen besonderen lich sind, sind tadelnswert’. Wer sich von den
Gegenstandsbereich charakterisieren, son- vielen ‘logisch’, ‘wirklich’ bzw. ‘eigentlich’
dern wie Wittgenstein im Tractatus, den Ryle nicht einschüchtern läßt, muß sich nach den
früh las, als Tätigkeit, die es nicht mit spezi- Gründen für die Annahme fragen, es gebe
fischen Gegenständen, sondern mit einer be- eine logische Form des Sachverhalts, und
sonderen Art von Schwierigkeiten zu tun hat. diese komme ausgerechnet durch die vorge-
Ryle gelangte zu der Ansicht: „Philosophical schlagene Umformulierung zum Vorschein.
problems are problems of a special sort; they Ein Philosoph mit platonistischen Neigungen
are not problems of an ordinary sort about könnte demgegenüber vorschlagen, ‘Hans ist
special entities“ (Ryle 1971, II, vii). tadelnswert’ müsse eigentlich heißen: ‘Hans
hat an der Idee des Tadelnswerten teil’ oder:
2.1. Systematisch irreführende Ausdrücke ‘Hans hat die Eigenschaft, tadelnswert zu
sein’.
In dem Aufsatz Systematically Misleading Ex-
pressions (1932) stellt Ryle seine neue Auffas- 2.2. Kategorienfehler
sung von Philosophie vor. Diese Arbeit gilt
zugleich als eines der ersten Zeugnisse der Von solchen metaphysischen Voreingenom-
Philosophie der normalen Sprache. Dieser menheiten hat sich Ryle nur allmählich gelöst.
Einschätzung kann man nicht uneinge- Das Verständnis mancher Arbeiten aus der
schränkt zustimmen, denn Ryle steht in dieser Übergangsphase wird dadurch erschwert, daß
Zeit noch unter dem Einfluß der andersarti- Ryles Terminologie oft an Programme erin-
gen Analyse-Programme Russells, des frühen nert, denen er sich methodisch und inhaltlich
Wittgenstein und des Wiener Kreises. — nur noch sehr eingeschränkt anschließt. Was
Sprachliche Ausdrücke können irreführen, bleibt, ist die Suche nach einer Grenze zwi-
wenn man sich durch ihre grammatische Ähn- schen Sinn und Unsinn, die der Philosophie
lichkeit zu anderen Ausdrücken dazu verleiten eine sinnvolle Aufgabe läßt. — In dem Auf-
läßt, sie auch in logischer Hinsicht gleich zu satz Categories (1938) entwickelt Ryle seine
behandeln. ‘Unpünktlichkeit ist tadelnswert’ neue Diagnose philosophischer Fehler, die be-
hat dieselbe grammatische Form wie ‘Hans kannte Theorie der Kategorienfehler, die zum
ist tadelnswert’. Deshalb könnte es den An- methodischen Ansatzpunkt seines Haupt-
schein haben, es gebe die Unpünktlichkeit, werks The Concept of Mind und auch noch
wie es Hans gibt, und beide könne man auf von Dilemmas werden sollte. — Ersetzt man
dieselbe Weise tadeln. Ryle betont nun, daß in einem sinnvollen Satz einen Satzteil durch
sich die Auflösung möglicher Verwirrungen, einen anderen, so kann ein sprachlich sinn-
die durch systematisch irreführende Aus- loser Satz entstehen, selbst wenn beide Sätze
drücke veranlaßt werden, nicht an die nicht- nach den Regeln der Schulgrammatik in Ord-
philosophierenden Sprachbenutzer richtet, nung sind, z. B. ‘Ich traf gestern den Durch-
sondern an die Philosophen selbst, die oft schnittssteuerzahler’ (nach dem Muster von
sprachliche Analogien fehldeuten. Die nor- ‘Ich traf gestern den Sohn unseres Postbo-
male Sprache braucht nicht geklärt zu wer- ten’), ‘Karl weiß irrtümlich, daß die Premiere
den; und Nichtphilosophen brauchen sich von verschoben wird’ (nach dem Muster von ‘Karl
Philosophen nicht sagen zu lassen, was ihre glaubt irrtümlich, daß die Premiere verscho-
Äußerungen bedeuten. — Bei der Formulie- ben wird’). Resultiert durch eine Substitution
rung seines Programms, mit dessen Hilfe die der beschriebenen Art ein sprachlich absurder
systematisch irreführenden Ausdrücke philo- Satz, so kann man sagen, daß die füreinander
sophisch unschädlich gemacht werden sollen, ersetzten Elemente verschiedenen Kategorien
wird jedoch offenkundig, daß Ryle seine Kri- angehören. Den Fehler der Verwechslung von
terien zur Entscheidung darüber, ob ein Aus- Kategorien nennt Ryle kurz ‘Kategorienfeh-
862 III. Positionen

ler’. — Die Wiederbelebung des Terminus hilfreich fand. Der Terminus ‘Analyse’ kann
‘Kategorie’ und die Anknüpfung an Aristo- fälschlich nahelegen, der Philosoph nähme
teles’ (384—322 v. Chr.) Kategorienschrift, sich schön der Reihe nach einzelne Begriffe
Immanuel Kants (1724—1804) Tafeln der Ur- vor und zergliederte sie auf irgendeine Weise.
teilsformen und Kategorien sowie die Anspie- Aber erstens betreffen philosophische Fragen
lungen auf Russells Theorie der logischen Ty- nicht einzelne Begriffe für sich genommen,
pen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, sondern — bildlich gesprochen — Begriffs-
daß Ryle sprachimmanente Kriterien für Ka- knäuel. Und zweitens zwingt die Behandlung
tegoriengleichheit, Kategorienverschiedenheit eines philosophischen Problems in aller Regel
und Kategorienfehler angibt. Ryle teilt einige dazu, zu einer Reihe anderer philosophischer
der kritischen Intentionen von Aristoteles (s. Fragen Stellung zu nehmen. Will man die
Art. 15), Kant und Russell, ohne sich ihren Rätsel von Freiheit und Determinismus lösen,
ontologischen und erkenntnistheoretischen so zergliedert man nicht einen Begriff, z. B.
Systemen anzuschließen. Er lehnt sowohl die ‘Freiheit’, sondern man versucht, eine Über-
Verfahren ab, die Aristoteles und Kant zur sicht über die logischen Zusammenhänge sol-
Ermittlung ihrer Kategorienlisten bzw. -tafeln cher Begriffe wie ‘Freiheit’, ‘Zwang’, ‘Not-
benutzen, als auch die ermittelten Katego- wendigkeit’, ‘Verursachung’, ‘Wille’, ‘Verant-
rienkataloge selbst. Überhaupt hält er es nicht wortung’, ‘Schuld’ etc. in ihren vielfältigen
für möglich, eine kurze Liste von zehn, zwölf Verwendungen zu gewinnen. Viele Verwirrun-
oder auch hundert Kategorien anzugeben, die gen entstehen erst dadurch, daß man mehrere
Anspruch auf Abgeschlossenheit und Voll- von ihnen in einem Atemzug verwendet. Und
ständigkeit erheben könnte. Kategorienver- man kann nicht umhin, gewisse handlungs-
schiedenheit wird nicht ein für alle Male fest- theoretische, ethische u. a. Annahmen ins
gelegt, sondern von Fall zu Fall durch die Spiel zu bringen. Die Arbeit des Philosophen
sprachlichen Ersetzungsproben ermittelt. Ge- am Begriff ähnelt auch nicht der des Kochs,
rade bei philosophischen Aussagen wird häu- der einen Hasen zerlegt (noch der des Che-
fig nicht offensichtlich sein, ob ein Katego- mikers, der ein Stoffgemisch in seine Bestand-
rienfehler vorliegt. Um einsichtig zu machen, teile zerlegt, nachdem er es von verunreinigten
daß eine philosophische Lehre auf Katego- Beimengungen befreit hat). Ryle untersucht
rienfehlern beruht, muß eine Vielzahl von vielmehr, mit welchen komplizierten Techni-
Formulierungen gründlich untersucht wer- ken unterschiedlich vorbereitete Zutaten zu
den. — Ryle hatte in Categories eine theore- Hasenpfeffer verbunden werden müssen, da-
tische Definition des Kategorienfehlers vor- mit im Gefolge der übrigen Gänge ein wirk-
geschlagen, die viel zu wünschen übrigläßt liches Jagdmenü entsteht. Weniger bildlich ge-
(Kemmerling 1976, 781 f). Das scheint ihn sprochen: Er untersucht die Rolle von Be-
nicht sonderlich beunruhigt zu haben. An der griffswörtern (und Adverbien etc.) in ver-
Suche nach einer hieb- und stichfesten Defi- schiedenen sprachlichen Kontexten, ihre Zu-
nition hat er sich nicht beteiligt. In The Con- sammenhänge mit anderen Aussagen, und
cept of Mind genügt es ihm, mit Beispielen achtet insbesondere darauf, in welchen Fällen
deutlich zu machen, was für Fehler er aufs die Kombination der Begriffe zu sprachlichem
Korn nehmen will, und durch anschauliche Unsinn führt. Ryle zieht aus den angedeuteten
Metaphern seine Arbeitsweise zu beschreiben. Gründen der Redeweise von ‘Analyse’ andere
Die Methode der Kategorienfehler gewinnt in Bilder vor; am liebsten spricht er von ‘logi-
Ryles philosophischer Praxis auch dadurch an scher Geographie’.
Stärke, daß stets mehrere Ersetzungsproben In seinem Hauptwerk The Concept of
durchgeführt werden. In Dilemmas wird an Mind versucht Ryle durch gründliche syste-
die Sprechweise von Kategorien noch beschei- matische Untersuchungen der normalen
dener angeknüpft. Die Rede von Kategorien Sprache die ›logische Geographie‹ des Vo-
sei kein philosophischer Universalschlüssel, kabulars für das geistige oder seelische Le-
aber sie könne helfen, philosophische Rätsel ben von Personen im Gegenzug gegen phi-
unter einem fruchtbaren Blickwinkel anzu- losophische Fehldeutungen zurechtzurücken.
gehen und uns auf die richtigen Fragen zu Die traditionelle, herrschende Lehre des
stoßen. — In den späteren Arbeiten, die die Dualismus von Körper und Geist (bzw.
Theorie der Kategorienfehler auf philosophi- Leib und Seele) beruht auf einem Katego-
sche Rätsel anwenden, wird besonders deut- rienfehler. Das ›Dogma vom Gespenst in
lich, warum Ryle die Bezeichnung ‘Analyse der Maschine‹, wie Ryle den Substanzdualis-
von Begriffen’ für seine Vorgehensweise wenig mus polemisch nennt, beinhaltet unter an-
60.  Das Normalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 863

derem die folgenden Vorstellungen: Jede ter und nicht Ereigniswörter. — Mit Dis-
Person setzt sich aus Körper und Geist zu- positionswörtern, die natürlich nicht nur im
sammen, während Tiere und Menschen Wortschatz für Mentales vorkommen, wird
bloße Körper sind. Der Körper ist der Na- einzelnen Gegenständen die Eigenschaft zu-
turkausalität unterworfen, der Geist nicht. geschrieben, unter bestimmten Bedingungen
Den Körper können alle wahrnehmen, den sich auf eine charakteristische Weise zu ver-
Geist nimmt nur der Geist wahr. Der Geist halten. Sagt man von einem Kamm zu
denkt, will, fühlt und so weiter; der Körper Recht, er sei zerbrechlich, so heißt das u. a.,
tut, was mechanisch dazu paßt, vom Geist daß er zerbrechen wird, wenn man ihn stark
gesteuert. Der Geist braucht nicht mit dem biegt. Bezeichnet man jemanden als Rau-
Körper unterzugehen. Einige Empörung hat cher, so will man sagen, daß er regelmäßig
Ryle dadurch ausgelöst, daß er das geschil- raucht, eine Zigarette, Zigarre o. ä. nicht
derte Dogma zusätzlich mit dem Etikett immer ausschlägt, wenn ihm eine angeboten
‘Descartes’ Mythos’ bedachte. Freilich ging wird und dergleichen mehr. Manche Dispo-
es ihm darum, eine bestimmte philosophi- sitionen manifestieren sich (im wesentlichen)
sche Vorstellung vom Geist ad absurdum zu immer auf dieselbe Weise (einspurige Dis-
führen, die Gemeingut ist (oder war) und positionen), andere können sich auf viele
die in mehr oder minder gebildeten Kreisen verschiedene Weisen manifestieren. Stets ist
häufig mit dem Namen René Descartes jedoch die Disposition von den sie manife-
(1596—1650) verknüpft ist. Ob sich in Des- stierenden Ereignissen und überhaupt von
cartes’ Werken alle diese Behauptungen fin- Ereignissen zu unterscheiden. Behandelt
den lassen, ob Mißverständnisse und Popu- man hingegen Dispositionswörter wie Wör-
larisierungen geschehen mußten, damit aus ter für Ereignisse, so begeht man einen Ka-
der cartesischen Lehre (gemeinschaftlich mit tegorienfehler. — Ein beträchtlicher Teil der
vielfältigen anderen Einflüssen) die von Ryle Wörter in unserem Wortschatz für das gei-
attackierte Auffassung entstehen konnte, stige Leben von Personen sind Dispositions-
dies sind in höchstem Maße untersuchens- wörter. Sie bezeichnen Neigungen, Fertig-
werte Fragen. Nur muß Ryle nicht auf sie keiten, Fähigkeiten und dergleichen, aber
eingehen, um sein Ziel zu erreichen: eine äu- nicht Episoden im Geist. Die Unterschiede
ßerst verbreitete und wirksame Vorstellung zwischen Wörtern für Dispositionen und
vom menschlichen Geist zu widerlegen. — Wörtern für Episoden zeigen sich sprachlich.
Dem großen Kategorienfehler, über den Vor allem gewisse zeitliche Modifikationen
Geist so zu reden, als sei er ein ›Gespenst ergeben meist nur mit Ausdrücken der einen
in der Maschine‹, leisten eine Reihe ›kleiner‹ Gruppe Sinn. ‘Er war gerade damit beschäf-
Kategorienverwechslungen Vorschub. Die tigt, die Lottozahlen zu wissen’ ist genauso
grundlegendste besteht in der Verwechslung unsinnig wie ‘Er war gerade damit beschäf-
von Dispositionen auf der einen und Ereig- tigt, sein Fahrrad zu besitzen’; denn weder
nissen, Handlungen, Vorgängen auf der an- ‘besitzen’ noch ‘wissen’ stehen für Episoden.
deren Seite. Obwohl man in der Schule Die Verwechselung der Kategorie der Dis-
lernt, Verben seien Tätigkeitswörter, bezeich- positionen mit der der Ereignisse kann auf
nen offenbar nicht alle Verben Tätigkeiten, verschiedene Weise die Vorstellung vom ›Ge-
Handlungen oder auch nur Vorgänge oder spenst in der Maschine‹ fördern. Da manche
Ereignisse. Dies sieht man schon an Wör- Wörter sowohl für Ereignisse als auch für
tern wie ‘besitzen’, ‘ähneln’ und dergleichen. Dispositionen gebraucht werden, ist nicht
In unserem alltagspsychologischen Vokabu- immer leicht zu sehen, wofür sie jeweils be-
lar beziehen sich einige Verben auf — wie nutzt werden. Und oft gibt es Umformulie-
man etwas irreführend sagen könnte — gei- rungen, die ein Mißverständnis begünstigen.
stige Handlungen oder Vorgänge, z. B. ‘sich Mit ‘Hans handelt mit Überlegung’ schreibt
etwas ins Gedächtnis rufen’, ‘angestrengt man Hans in aller Regel eine Disposition
nachdenken’. Auf keinen Fall darf man zu. Aber ‘überlegen’ kann auch episodisch
diese Beobachtung dahingehend übertreiben, verwendet werden, z. B. in ‘Psst, Hans über-
alle Verben (Adverbien usw.) aus unserem legt’; und die Disposition beschreibt man oft
Wortschatz für das Geistige stünden für gei- mit den Worten: ‘Hans überlegt, bevor er
stige Handlungen, Vorgänge, Ereignisse, etwas tut’. Diese Umstände können die
also auch ‘glauben’, ‘wissen’, ‘anstreben’, Fehldeutung veranlassen, jeder Mensch, der
‘verachten’, usw. Ein großer Teil der ›psy- mit Überlegung handelte, täte zweierlei: erst
chologischen Verben‹ sind Dispositionswör- das Überlegen und dann aufgrund dessen
864 III. Positionen

die Handlung. Andere Dispositionswörter 3. Ludwig Wittgenstein


verleiten zu ähnlichen Verdoppelungen.
Ein weiteres Mißverständnis: Da Überle- 3.1. Das Programm der übersichtlichen
gen, Beabsichtigen u. ä. in der Regel keine Darstellung und der philosophischen
Vorgänge sind, kann man natürlich auch Therapie
keine solchen Vorgänge entdecken. Hält
man an dem Glauben fest, es müsse solche Wittgenstein entwickelte ab etwa 1930 eine
Vorgänge geben, so kommt man auf den Philosophie, die in vielen Punkten von der
Gedanken, sie müßten unsichtbar sein — seines Tractatus Logico-Philosophicus ab-
geistige Vorgänge im Inneren, die man nicht weicht und über einige Zwischenstufen zu den
sehen kann. — Die Verwechselung von Dis- Philosophischen Untersuchungen führt, dem
positionen und Ereignissen ist nicht der ein- Hauptwerk der späteren Phase. Die Paragra-
zige sprachlich bedingte Fehler, der zum phen 89—133 der Philosophischen Untersu-
Dualismus verleiten kann. Bei Verben ist chungen (oder einzelne Abschnitte daraus)
weiterhin der Unterschied zwischen Erfolgs- werden oft als metaphilosophisches Manifest
verben (bzw. Mißerfolgsverben) und Unter- gelesen. Noch häufiger greift man einzelne
nehmensverben zu beachten. Erfolgswörter Bemerkungen heraus und exponiert sie als
wie ‘treffen’ (= ‘erfolgreich schießen’), ‘fin- Wittgensteins allgemeine Philosophieauffas-
den’ (= ‘erfolgreich suchen’) usw. drücken sung (in der späteren Phase); z. B. „Alle Er-
aus, daß eine Tätigkeit mit Erfolg abge- klärung muß fort, und nur Beschreibung an
schlossen worden ist (oft gibt es entspre- ihre Stelle treten“ (§ 109) oder „Die Philoso-
chende Mißerfolgswörter: zu ‘treffen’ etwa phie stellt eben alles bloß hin, und erklärt und
‘verfehlen’). Wie bei den Paaren aus Dispo- folgert nichts“ (§ 126) oder „Sie läßt alles, wie
sitionswort und Ereigniswort (z. B. ‘sich be- es ist“ (§ 124). Zu solchen Sätzen kann einem
eilen’ — ‘laufen’) kann bei den Paaren aus dann alles mögliche einfallen. Es kann nicht
Erfolgswort und Unternehmenswort (z. B. geleugnet werden, daß dieser Abschnitt der
‘treffen’ — ‘schießen’) der falsche Eindruck Untersuchungen schwer zu interpretieren ist
aufkommen, es handele sich um jeweils zwei — nicht zuletzt, weil die Bemerkungen auf
Vorgänge. Aber: Wer sich beeilt und läuft, den ersten (und oft auch auf den zweiten)
tut nur eines auf bestimmte Weise — er Blick Sätzen aus anderen Paragraphen oder
läuft eilig. Und wer schießt und trifft, hat Wittgensteins eigener Praxis zu widersprechen
auch nicht zweierlei getan, sondern eines mit scheinen. Liest man die Paragraphen in ihrem
Erfolg. — Das kognitive Vokabular enthält Zusammenhang mit den vorangehenden Pa-
eine große Anzahl von Erfolgswörtern (und ragraphen, so erhält man Winke für ein an-
Paaren aus Erfolgs- und Unternehmens- gemesseneres Verständnis (s. Art. 39).
wort). Zunächst ‘erkennen’; ferner: ‘wissen’, Worum ging es in den §§ 1—88? Kurz ge-
‘hören’ etc.. Der kategoriale Unterschied sagt, will Wittgenstein (gegen andere Vorstel-
kann wiederum durch eine Reihe von Erset- lungen vom Funktionieren der Sprache) zei-
zungsproben festgestellt werden; in diesem gen, daß sprachliche Zeichen nur dann be-
Falle am leichtesten durch die Variation von deutungsvoll sind und mit ihnen nur dann
Adverbien. Die zum Erfolgsverb passenden etwas gemeint werden kann, wenn es einen
adverbialen Bestimmungen passen nicht sozial eingebetteten Gebrauch für sie gibt. —
zum Unternehmensverb und umgekehrt: Die §§ 89—133 erfüllen hauptsächlich diagno-
‘endgültig beweisen’ — ‘erfolglos argumen- stische und therapeutische Aufgaben, und
tieren’, ‘sich klar erinnern’ — ‘sich vergeb- zwar vor allem in bezug auf die in §§ 1—88
lich besinnen’, usw. Aus den Verwendungs- kritisierten Theorien, denen die Vorstellung
regeln für Erfolgswörter können abwegige gemeinsam war, die Bedeutungen sprachlicher
Folgerungen gezogen werden, die dem Dua- Ausdrücke müßten verwendungsunabhängig
lismus Vorschub leisten, z. B. daß die ei- festliegen. In den §§ 89—108 wird aufgedeckt,
gentlichen Akte des Sehens, Wahrnehmens, wie diese Vorstellung mit bestimmten Auffas-
Wissens, Sicherinnerns usw. unfehlbar sein sungen über die Logik und die Philosophie
müßten, da sie ja nicht erfolglos sein kön- der Logik zusammenhängt und durch sie be-
nen. Analytische Aussagen wie ‘Man kann günstigt wird. Angenommen, logische Unter-
nichts Falsches wissen’ werden als inhaltli- suchungen gehen auf das Wesen der Dinge,
che Einsichten über besondere geistige Akte insbesondere auf das Wesen des Satzes, der
mißverstanden. Sprache, des Denkens. Welchen Charakter
haben sie dann?
60.  Das Normalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 865

Glaubt man, man müsse als Logiker von nicht fehlzudeuten, damit man sich nicht un-
allen tatsächlichen Unterschieden — etwa bemerkt in falschen Vorstellungen vom Funk-
zwischen Sätzen — absehen, so liegt nicht tionieren der Sprache verfängt, aus denen
mehr offen zu Tage, was der Satz (die Spra- dann allerhand philosophische Probleme ent-
che, das Denken) leistet (bzw. leisten). Es muß stehen können. Das sicherste Mittel, solche
daher, so überredet man sich, unter der Ober- Fehldeutungen zu vermeiden, besteht darin,
fläche verborgen sein. Um es zu erforschen, sich an die gewöhnlichen Verwendungen der
muß man unter die Oberfläche gehen, es rei- Ausdrücke zu halten; denn unter den beson-
nigen und freilegen. An sich harmlose Wen- deren Umständen, unter denen man sie tat-
dungen, mit denen man die Tätigkeiten des sächlich verwendet, haben die Zeichen einen
Logikers beschreiben kann, wie ‘klären’, ‘ana- Sinn (vgl. §§ 116, 117). Die Beschränkung auf
lysieren’, ‘exakter machen’, werden nun im alltägliche Gebrauchsweisen stellt keine wirk-
Sinne der verfehlten Vorstellung von der Tiefe liche Einschränkung dar, da die normale
(der Logik und des Wesens) mißverstanden. Sprache für alles ausreicht, was überhaupt
Man glaubt etwa, die ›Analyse‹ müsse auf sinnvoll gesagt werden kann. Was darüber
letzte, einfache, nicht weiter zerlegbare Ein- hinaus geht, läuft Gefahr, keine sinnvolle
heiten führen, die eine eindeutige Struktur Äußerung, z. B. keine sinnvolle Frage zu sein.
(des Satzes, des Sachverhaltes o. ä.) festlegen. Der Eindruck, die alltäglichen Ausdrucks-
Das Wesen müsse eine ideale Ordnung ver- weisen genügten nicht für die Zwecke der
körpern, die in allem stecke, aber nach außen Philosophie, verkennt, daß das Fehlen einer
verdeckt werde und daher freigelegt werden übersichtlichen Darstellung unserer Aus-
müsse. Beispielsweise muß ein Satz, meint drucksformen gerade eine Hauptq uelle für
man, doch einen bestimmten Sinn haben, und philosophische Verwirrungen und Irrtümer ist
dieser muß doch schon in ihm (wenngleich (§§ 122—125). Da die Philosophie zum
verborgen) stecken, damit man mit ihm etwas Zwecke einer Übersicht über das Funktionie-
meinen und ihn verstehen kann. — Man sieht ren der Sprache nur bekannte Einzelheiten zu
die Ideale (der vollkommenen Ordnung, der sammeln und zu ordnen braucht, würden sich
Exaktheit, der Kristallreinheit) nicht als das, rechtverstandene philosophische Feststellun-
was sie sind, nämlich durch Extrapolation gen durch Selbstverständlichkeit auszeichnen
von Vergleichen gewonnene Idealisierungen (§§ 126—129). — Die eigens konstruierten
oder Maßstäbe, sondern postuliert das Ideal oder vorgefundenen einfachen Sprachformen
in die Dinge hinein: Tief im Inneren müsse es (die sogenannten ›Sprachspiele‹) dienen bei
verwirklicht sein. So entpuppt sich das Ideal dem Vorhaben der übersichtlichen Darstel-
als Vorurteil (§ 108). Die gewöhnliche Sprache lung nicht als Maßstäbe, Ideale oder Reform-
wird am Ideal gemessen, und da man glaubt, ziele, sondern als Vergleichsgegenstände, die
daß sich das Ideal in der Wirklichkeit finden durch den Kontrast das wirkliche Funktio-
müsse, erscheint die normale Sprache unvoll- nieren der normalen Sprache erkennen lassen.
kommen und unrein. Die Lösung besteht in Was die Untersuchungen ordnen soll, ist nicht
der Einsicht, daß die Postulierung der Exi- die Sprache, sondern unser Wissen über den
stenz eines solchen Ideals auf einem Mißver- tatsächlichen Sprachgebrauch. Die Sprach-
ständnis beruht. In der Philosophie der Logik regeln sollen nicht verbessert, etwa verfeinert
konstruieren wir keine idealen Sprachen als oder vervollständigt werden (§ 133); nicht die
Ersatz der normalen; der Logiker konstruiert Sprache, sondern unsere Übersicht über die
ideale Sprachen zum Zwecke des Vergleichs, Sprache soll besser werden. Dann verschwin-
zu Beschreibungszwecken. Zum Gegenstand den auch die philosophischen Probleme,
hat die Philosophie der Logik also die Lei- meint Wittgenstein. — Wittgenstein behaup-
stungen gewöhnlicher Sätze. tet nicht, daß Sprachreformen nicht auch für
Philosophische Betrachtungen bilden aber bestimmte Zwecke sinnvoll sein können — im
keine Wissenschaft, die kausale Erklärungen Gegenteil (siehe § 132). Nur für philosophi-
für das Zustandekommen von Bezeichnun- sche Zwecke kommt eine solche Reform nicht
gen, Beschreibungen und anderen Leistungen in Frage, da es hier nicht darum geht, für
der Sprache gibt und dabei innere Mechanis- praktische Zwecke einen praktischen Ge-
men postuliert. Es geht vielmehr darum, eine brauch zu verbessern. „Die Verwirrungen, die
übersichtliche beschreibende Darstellung be- uns beschäftigen, entstehen gleichsam, wenn
kannter Einzelheiten unserer sprachlichen die Sprache leerläuft, nicht wenn sie arbei-
Ausdrucksweisen zusammenzustellen. Dabei tet“(§ 132). — In § 133 wählt Wittgenstein den
muß man sich hüten, diese Ausdrucksweisen Begriff der Therapie, um einen Aspekt seiner
866 III. Positionen

philosophischen Methode zu bezeichnen. Die daß die Erforschung der Sprachspiele zu


Konzeption wird in § 255 auf die Formel ge- brauchbaren Hypothesen über komplexere
bracht: „Der Philosoph behandelt eine Frage; Teile unserer Alltagssprache führen kann;
wie eine Krankheit“. Was Wittgenstein vor zum anderen, daß wir uns den komplizierte-
dem Strichpunkt sagt, könnte wohl auf all- ren Formen durch schrittweise Anreicherung
gemeine Zustimmung rechnen; es würde dann der Sprachspiele mit weiteren Formen annä-
verstanden als: Der Philosoph handelt eine hern können.
Frage ab, versucht eine Antwort auf sie zu In den Philosophischen Untersuchungen
geben. Nach dem Strichpunkt folgt Wittgen- liegt ein erweiterter Sprachspielbegriff vor. Er
steins Korrektur; der Zusatz bewirkt eine umfaßt nun jede geregelte Form menschlichen
Umdeutung von ‘behandeln’. Die Frage soll Handelns, bei der sprachliches und nicht-
nicht beantwortet werden, sondern der Frager sprachliches Verhalten miteinander verknüpft
soll von der q uälenden Frage befreit werden. sind, sowie „das Ganze: der Sprache und der
Im Kern ist damit die therapeutische Verwen- Tätigkeiten, mit denen sie verworben ist“ (§ 7)
dung der normalen Sprache beschrieben, die (s. Art. 77). — Die Wahl des Ausdrucks
vor allem Wittgenstein, aber auch Ryle, Au- ‘Sprachspiel’ hat eine ganze Reihe von Poin-
stin und viele andere praktiziert haben. Der ten; und die Methode der Sprachspiele ver-
therapeutische Rückgriff auf die Sprache voll- folgt eine ganze Reihe verschiedener Ziele.
zieht sich in mehreren Schritten: In der Frage Durch die Komponente ‘-spiel’ soll betont
wird eine Unterstellung, d. h. eine nicht in werden, daß es zahlreiche, heuristisch überaus
Frage gestellte, oft auch nicht bewußte Vor- fruchtbare Analogien zwischen dem Ge-
aussetzung aufgezeigt und als falsch erwiesen. brauch sprachlicher Zeichen und dem Spielen
Dann wird ermittelt, warum die Falschheit von Spielen gibt. Es lohnt sich, einigen dieser
der Voraussetzung unentdeckt blieb. In der Analogien nachzugehen.
Regel liegt dies daran, daß sie als Neufor- Wie es viele verschiedene Spiele gibt, so
mulierung einer harmlosen Feststellung auf- gibt es eine große Mannigfaltigkeit von
gefaßt wird. Der Fehler, der mit der Neufor- Sprachspielen. Den Sprachspielen (wie den
mulierung begangen wurde, muß dargelegt Spielen) braucht kein gemeinsames Wesen in-
werden. Schließlich müssen so ausführlich wie nezuwohnen; sie sind bloß durch Familien-
möglich die Sprachgewohnheiten beschrieben ähnlichkeiten auf vielfache Weise miteinander
werden, die solche fehlerhaften Umformulie- verbunden. Die Menge der Sprachspiele wie
rungen begünstigen, so daß die Therapie zu- die der Spiele ist in ständigem Wandel; es
gleich Rückfällen vorbeugt. kommen neue hinzu, andere können ver-
schwinden. Die enorme Vielfalt und Verschie-
3.2. Sprachspiele und die denheit der Sprachspiele fällt nicht so leicht
Sprachspielmethode auf, da die Zeichen in den verschiedenen
Sprachspielen häufig dieselben sind, so wie
Sowohl für Wittgensteins Arbeitsweise als mit denselben Steinen (Figuren, Karten, etc.)
auch für seine Sprachphilosophie ist der Be- völlig verschiedene Spiele gespielt werden
griff des Sprachspiels ein Schlüsselbegriff (s. können. Spiele (Sprachen) definieren Rollen
Art. 96). Im sogenannten Blauen Buch be- (Bedeutungen), und nur damit die Rollenträ-
zeichnet der Terminus ‘Sprachspiel’ primitive ger (Ausdrücke) unterschieden werden kön-
Sprachformen oder primitive Sprachen, mit- nen, müssen sie unterschiedlich aussehen. Wie
hin verhältnismäßig überschaubare Formen es beispielsweise beim Schachspiel im übrigen
des Gebrauchs sprachlicher Ausdrücke. Witt- nicht auf die Gestalt und das Material der
genstein untersucht im Blauen und im Brau- Figuren ankommt, so kommt es auch bei den
nen Buch vor allem konstruierte Sprachspiele, sprachlichen Ausdrücken auf ihre Rolle im
weist aber darauf hin, daß man sich einfache jeweiligen Sprachspiel an — darauf, was man
Sprachen einer Gruppe, etwa eines Stammes, mit ihnen machen kann, und nach welchen
oder die Anfänge des kindlichen Sprachge- Regeln. Sprachspiele haben wie Spiele und
brauchs als Beispiele solcher Sprachformen andere Praktiken im allgemeinen einen be-
vor Augen halten kann. An solchen Sprach- stimmten Witz, den sie verlieren können,
spielen können sprachphilosophische Fragen wenn sich in ihrer Umgebung eine einschnei-
studiert werden; die gesamte Sprache ist für dende Änderung vollzieht (§ 142). — Die Be-
diese Zwecke zunächst zu unübersichtlich. deutung von Ausdrücken hängt nicht nur von
Der Übergang von primitiven zu komplizier- ihrer Einbettung in einzelne Sätze und Äuße-
teren Sprachformen ist graduell. Für die rungen ab, sondern auch von ihrer Einbet-
Sprachspielmethode bedeutet dies zum einen,
60.  Das Normalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 867

tung in ›kleinere‹ und ›größere‹ Sprachspiele Gegnern kommt er in extremer Weise entge-
und letztlich in Lebensformen. Zum Beispiel gen, indem er sogar Sprachspiele betrachtet,
kann es ein Wort mit der Bedeutung von die ausschließlich durch sogenannte Hinweis-
‘schenken’ nur in einer Lebensform geben, die definitionen eingeführte Namen enthalten.
das Eigentum kennt. Durch Änderungen der Ein Wort ist selbst in solchen Sprachen nur
Lebensform kann sich der Status und der deshalb ein Name, weil es von allen in typi-
Witz von Sprachspielen ändern, was sich wie- scher Weise verwendet wird; und Hinweisde-
derum auf die Bedeutung der im Sprachspiel finitionen sind nur möglich, wenn es einen
verwendeten Zeichen auswirkt. Um eine Spra- solchen öffentlichen Namensgebrauch bereits
che zu verstehen, muß man die Lebensform gibt. — Das zweite Beispiel liegt in der so-
kennen, von der das Sprechen der Sprache genannten Privatsprachenargumentation vor.
ein Teil ist. Neben der Lebensform muß man Wittgenstein macht sich hier ein noch extre-
die Regeln des einzelnen Sprachspiels kennen, meres Gegenbeispiel: Ist nicht eine private
nach denen sich richtet, wann ein Ausdruck Sprache denkbar, z. B. eine private Empfin-
sprachrichtig gebraucht wird und welches dungssprache, in der jemand über seine pri-
umgebende Verhalten als richtig gilt. Die vaten Empfindungen mit privaten Namen
Sprachspielregeln sind nicht die eines explizit spricht? Wittgenstein malt sich mehrere sol-
geregelten Kalküls, genausowenig wie Spiele che Sprachspiele aus und versucht an ihnen
gewöhnlich erst explizit geregelt und anschlie- zu zeigen, daß die Zeichen in solchen privaten
ßend gespielt würden: ausdrückliche Regelun- Sprachspielen keine Bedeutung hätten, da für
gen halten, eher deskriptiv, die Regeln der sie keine Bedeutung festgelegt werden könnte.
vorherrschenden Übung fest. Wir gebrauchen Die hypothetischen privaten Sprachspiele
die Sprache nicht nach vorher explizit fest- sind, so zeigt sich, gar keine möglichen
gelegten und im voraus bekannten Regeln. Sprachspiele. Durch die fortschreitende An-
Die richtige Befolgung liegt nur in der allge- reicherung der Sprachspiele kann weiterhin
meinen, durch gegenseitige Kritik sich stabi- deutlich gemacht werden, (a) welche Verein-
lisierenden Übereinstimmung in dem Verhal- fachungen und Einseitigkeiten von bestimm-
ten, das den Zeichengebrauch ausmacht und ten Sprachtheorien begangen werden, und (b)
umgibt. Daher liegen nicht für alle denkbaren wie Teile der Sprache wirklich funktionieren.
Fälle, z. B. der Anwendung eines Wortes, Mit der Beschreibung tatsächlicher Sprach-
schon vorher Regeln bereit, durch die eindeu- spiele wird schließlich ein Teil der übersicht-
tig bestimmt ist, was zu tun falsch und was lichen Darstellung unserer Ausdrucksformen
richtig ist. geleistet. Auf solche Beschreibungen wird bei
Wozu dienen Wittgenstein seine Beschrei- Klärung und (eventuell) Therapie philoso-
bungen konstruierter und vorgefundener phischer Fragen und Thesen zurückgegriffen.
Sprachspiele? Zum einen kann mit ausge-
dachten Sprachspielen veranschaulicht wer-
den, wie die Sprache aussähe, wenn be- 4. John Langshaw Austin
stimmte Sprachtheorien, z. B. die ›Augusti-
nische‹ (§ 1), zuträfen (und damit vorgeführt 4.1. Die Annahme von der natürlichen
werden, welches Bild vom Funktionieren der Ökonomie der Sprache und die
Sprache zu Grunde liegt). Die Sprachspiel- heuristische Verwendung der normalen
methode erlaubt es, den Vorstellungen der Sprache
jeweiligen Sprachtheorie weitestgehend ent- Austin untersuchte als erster und in großem
gegenzukommen. Man kann die primitiven Umfang die normale Sprache nicht nur in
Sprachformen schlicht nach den Annahmen klärender und therapeutischer, sondern auch
der jeweiligen Theorie bauen. Wenn sich zei- in heuristischer Absicht; d. h. um durch sie
gen läßt, daß die Theorie nicht einmal bei auf philosophische Hypothesen zu kommen.
diesem Entgegenkommen haltbar ist, so hat Nimmt man die Ausdrucksformen der nor-
man eine besonders starke Zurückweisung ge- malen Sprache ernst und achtet auch feine
leistet. — Diese Taktik kann an zwei Beispie- Unterschiede nicht gering, dann kann man zu
len illustriert werden. In den ersten Paragra- Vermutungen über Unterschiede und Verbin-
phen der Philosophischen Untersuchungen will dungen zwischen den untersuchten Sachen
Wittgenstein zeigen, daß sprachliche Aus- oder Phänomenen gelangen. Diese Hypothe-
drücke nur dann bedeutungsvoll werden, man sen müssen dann freilich unabhängig über-
nur dann etwas mit ihnen meinen kann, wenn prüft werden. — Austin ging von der An-
ihre Verwendung sozial eingebettet ist. Seinen
nahme einer natürlichen Ökonomie der histo-
868 III. Positionen

risch gewachsenen Sprachen aus. Das riesige die jeweiligen Äußerungsumstände. Schon
und in der Regel recht alte Vokabular enthält aus diesen Gründen tut man gut daran, nach-
eine Fülle von Unterscheidungen, Klassifi- dem man eine (vorläufige) Liste erstellt hat,
kationen und dergleichen, welche die Sprach- sich in einem nächsten Schritt an Situationen
benutzer nützlich gefunden haben. Nicht jede zu erinnern, in denen die Ausdrücke tatsäch-
Sprache signalisiert alle wichtigen Unter- lich verwendet wurden. Ersatzweise kann man
schiede; da das Englische indirekte Rede und sich plausible Situationen vorstellen oder aus-
Relativsatz nicht auffällig unterscheidet, zieht denken, in denen die Ausdrücke sprachrichtig
Austin das Lateinische heran. Solche Annah- gebraucht werden könnten. Austin verließ sich
men stehen hinter dem heuristischen Prinzip, bei seinen Feststellungen über die normale
aufgrund des Bereitstehens mehrerer Aus- Sprache nicht allein auf seine eigenen Urteile,
drücke für (scheinbar) dasselbe Phänomen zu sondern zog in Seminaren, Diskussionen und
vermuten, es liege ein Unterschied in der Sa- auch sonst die Urteile anderer Muttersprach-
che vor. Den Luxus der vollständigen Aus- ler hinzu. Der sorgfältige Vergleich vieler Ver-
tauschbarkeit mehrerer Ausdrücke leistet sich wendungen kann den philosophischen Feld-
die Sprache nur selten. Feine und feinste forscher auf interessante Hypothesen über
sprachliche Nuancen können auf kleine, aber sachliche Unterschiede führen. Gleichzeitig
bedeutende Unterschiede in der Sache auf- schützt er sich durch diese empirischen
merksam machen. Die Unterscheidungen in Sprachuntersuchungen vor einem vereinfach-
der Sprache sind bisweilen subtiler, als Phi- ten Bild vom Funktionieren der Sprache.
losophen zu glauben geneigt sind, und oft
subtiler als die von den Philosophen neuge- 4.2. Der Zugang über die Fehler
prägten Distinktionen. — Für das angespro-
chene heuristische Verfahren ist als erster Austin hat vor allem in seinen Arbeiten zur
Schritt eine Sichtung und Zusammenstellung Handlungstheorie einen originellen und äu-
des für das jeweilige philosophische Problem- ßerst fruchtbaren Ansatzpunkt gewählt. Er
feld belangvollen Ausschnitts aus dem Schatz ist von den möglichen Fehlern von Handlun-
der Worte und Wendungen unumgänglich. gen ausgegangen. Wie wir sehen werden, spie-
Ein gutes Wörterbuch — wie das Oxford Eng- len Überlegungen zu verschiedenen Arten von
lish Dictionary — kann dafür eines der geeig- Fehlschlägen in der Theorie der Sprechakte
netsten Hilfsmittel sein, wenn es kritisch, aber ebenfalls eine bedeutende Rolle.
aufgeschlossen zu Rate gezogen wird. Verläßt Den Ausgangspunkt in der Handlungs-
man sich hingegen auf sein Gedächtnis, um theorie bilden, genauer gesagt, sprachliche Si-
die einschlägigen Ausdrucksmöglichkeiten zu gnale für Fehler, nämlich Entschuldigungen.
sammeln, so erfaßt man nur einen Bruchteil Austin untersucht sehr eingehend die sprach-
der relevanten Wendungen. Dem professio- lichen Ausdrucksformen und Verfahren, mit
nellen Philosophen kommen häufig nur die- denen die Leute, wenn etwas schiefgegangen
jenigen in den Sinn, die in den abgenutztesten ist, ihr Verhalten entschuldigen, rechtfertigen,
und am stärksten vorbelasteten Beispielen aus beschönigen und dergleichen. Dieser origi-
der philosophischen Tradition und der zeit- nelle Zugang führt unmittelbar ins Zentrum
genössischen Diskussion vorkommen. Mit der Angelegenheit. Alle Schlüsselwörter der
den alten Beispielen wurden nicht selten alte Handlungsphilosophie kann man so auf
Einseitigkeiten und Irrtümer mitgeschleppt. einem reichhaltigen, philosophisch wenig vor-
Austin hat (wie Wittgenstein) die Gefahren belasteten Anschauungsfeld studieren. Bei
einer zu schmalen und einseitigen Beispieldiät Entschuldigungen und Rechtfertigungen be-
erkannt, gebrandmarkt und bei seiner eigenen ruft man sich beispielsweise darauf, man habe
Arbeit zu meiden versucht. — Wie gesagt, das es nicht absichtlich getan, man sei gezwungen
Wörterbuch muß kritisch benutzt werden. worden, man habe nicht frei gehandelt, es sei
Einzelne Angaben über den Wortgebrauch ein Versehen gewesen oder aber Zufall, man
können unvollständig, unklar, veraltet, ver- habe es nicht gewollt oder nicht so gemeint.
steckterweise präskriptiv oder einfach falsch Gemäß seiner Annahme von der natürlichen
sein. Ferner sind die Beispielsätze, die in vie- Ökonomie der sprachlichen Mittel erforscht
len Wörterbüchern den Wortgebrauch bele- Austin solche Ausdrücke in allen erdenkli-
gen und illustrieren, meist der Schrift- oder chen Varianten, immer darauf gefaßt, daß
gar der Literatursprache entnommen; dies scheinbar geringfügige Änderungen im Aus-
kann ein verzerrtes Bild geben. Schließlich druck auf einen Unterschied in der Sache
fehlen meist ausreichende Informationen über hindeuten. Daher untersucht er nicht nur die
Schlüsselwörter (vor allem Adverbien, die
60.  Das Normalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 869

Handlungsverben modifizieren), sondern ach- der Handlungstheorie (Austin 1979, 192),


tet auf die Form des gesamten Ausdrucks: sondern auch in seinen Vorlesungen zur
den Einfluß bestimmter Vor- und Nachsilben, Wahrnehmungsphilosophie (Austin 1962 b,
den Einfluß der genauen Stellungen des Ad- 70 f). Bei dem gefährlichen englischen Wört-
verbs, abstrakte Substantive, Präpositionen, chen ‘real’, dem Austin die VII. Vorlesung
die zur Bildung adverbialer Bestimmungen widmet, hat nämlich der negative Gebrauch
benutzt werden. Besondere Aufmerksamkeit die Hosen an, d. h.
schenkt er den Gegensatzpaaren. Schließlich „a definite sense attaches to the assertion that
kann sogar die Berücksichtigung der Ety- something is real, a real such-and-such, only in the
mologie eines Ausdrucks heuristisch frucht- light of a specific way in which it might be, or
bar sein. Insbesondere kann man auf diesem might have been, not real“ (Austin 1962 b, 70).
Wege oft auf zugrundeliegende Bilder oder Austin gibt ein Beispiel
Modelle stoßen, die noch auf die gegenwär- „‘A real duck’ differs from the simple ‘a duck’ only
tige Verwendung nachwirken, die ja, wie na- in that it is used to exclude various ways of being
türlich auch Austin weiß, für die Bedeutung not a real duck — but a dummy, a toy, a picture,
des Ausdrucks ausschlaggebend ist. Neben a decoy, etc.; and moreover I don’t know just how
den umgangssprachlichen Ausdrucksformen to take the assertion that it’s a real duck unless I
bezieht Austin auch fachsprachliche Differen- know just what, on that particular occasion, the
zierungen und Klassifikationen ein; für die speaker has in mind to exclude“ (Austin 1972 b,
Handlungstheorie sind die Fachsprachen des 70).
Rechts, der Psychologie und der Verhaltens- Aus diesem Grund ist es verfehlt, nach
forschung besonders einschlägig. einer Gemeinsamkeit aller Dinge zu suchen,
Austins akribische Arbeiten wie A Plea for die (im Englischen) ‘real’ genannt werden.
Excuses oder Three Ways of Spilling Ink sollen
ersichtlich Modellcharakter haben. Viele me- 4.3. Zur Theorie der Sprechakte
thodische Lehren und inhaltliche Ergebnisse
sind für andere Gebiete der Philosophie nütz- Am stärksten wirkte Austin zweifellos durch
lich, wie anhand der Ausführungen über Ge- seine Theorie der Sprechakte, die in den post-
gensätze veranschaulicht werden soll. — hum unter dem Titel How to do things with
Nicht jede Handlung muß entweder freiwillig words veröffentlichten Vorlesungen vorliegt.
oder unfreiwillig, absichtlich oder unabsicht- Austin hat durch diese Arbeit bekanntlich
lich sein. Gegensätze dieser Art erschöpfen eine neue Forschungsrichtung in Gang ge-
den Bereich nicht; ihre sinnvolle Anwendung setzt. Weder die Ergebnisse dieser Forschun-
ist begrenzt. Austin kämpfte auch auf anderen gen, noch die Sprechakttheorie in ihrer
Gebieten gegen die Neigung vieler Philoso- Austinschen Gestalt können an diesem Ort
phen, alle Gegensatzpaare als erschöpfende dargestellt werden (s. Art. 54). Stattdessen
Einteilungen aufzufassen (man denke nur an geben wir eine knappe Charakteristik vor dem
seine Attacken gegen den ›Wahr/Falsch-Fe- Hintergrund unserer Beschreibung von Au-
tisch‹). ›Negative‹ Ausdrücke werden nicht stins Methoden und deuten die systematische
immer auf dieselbe Weise gebildet; verschie- Bedeutung der Sprechakttheorie für eine phi-
dene Präfixe, Suffixe und andere Mittel stehen losophische Theorie der Sprache an.
zur Verfügung. Zu manchen Stämmen werden
mehrere positive und negative Formen gebil- 4.3.1. Abriß der Sprechakttheorie
det (‘absichtlich’, ‘absichtsvoll’, ‘beabsich- Die Theorie der Sprechakte wird strengge-
tigt’, usw.; ‘unabsichtlich’, ‘absichtslos’, ‘un- nommen erst in den letzten fünf Vorlesungen
beabsichtigt’, usw.). Manche negativen Wör- des Buches entwickelt. Davor schlägt sich Au-
ter, die morphologisch möglich wären, sind stin mit der Untersuchung einer besonderen
nicht im Gebrauch (z. B. ‘unversehens’ wird Art von Äußerungen herum, den ›explizit per-
verwendet, aber nicht ‘versehens’). Austin rät formativen Äußerungen‹, wie z. B. ‘Ich ver-
dazu, sich in solchen Fällen zu fragen, warum spreche, morgen zu kommen’, ‘Ich warne
bestimmte Formen oder bestimmte Verwen- dich, die Katze hat scharfe Krallen’. Für sol-
dungen nicht vorkommen. — Nicht immer che Äußerungen ist charakteristisch, daß sie
erlaubt die Frage „Was ist der Gegensatz von — im Unterschied zu ähnlichen Äußerungen
F?’ eine eindeutige Antwort. Für viele Wörter wie ‘Er verspricht es dir’, ‘Ich habe dich ge-
sind mehrere Gegensätze im Gebrauch; für warnt’ — keine Behauptungen sind; sondern
andere liegt keiner auf der Hand. Häufig, aber mit ihnen wird eine Handlung vollzogen,
nicht immer hat der positive Gebrauch ›die nämlich gerade die Art von Handlung, die
Hosen an‹. Dies betont Austin nicht nur in
870 III. Positionen

das finite Verb des Hauptsatzes in der Äuße- saying something we do something)“ (Austin
rung bezeichnet (in unseren Beispielen also 1962 a, 91).
ein Versprechen bzw. eine Warnung). Ein Ver- Was tut man also damit, daß man einen
sprechen kann ich auch mithilfe der kürzeren Satz äußert? Nun, erstens sagt man etwas
Äußerung ‘Ich komme morgen’ (oder ‘Mor- (terminologisch: man vollzieht einen lokutio-
gen komme ich’) geben; aber dazu müssen die nären Akt). Dazu gehört vielerlei: Man äußert
Umstände der Äußerung so sein, daß ‘Ich bestimmte Laute (ein Phon und vollbringt
komme morgen’ eindeutig als Versprechen einen phonetischen Akt). Man äußert Wörter
aufzufassen ist. Denn unter Umständen kann einer bestimmten Sprache, in einer bestimm-
diese Äußerung eine Drohung (oder etwas ten grammatischen Konstruktion, mit einer
anderes) sein. Explizit performative Verben bestimmten Intonation u. ä. (man äußert ein
sind ein besonders sicheres Mittel, um die Phem, vollzieht einen phatischen Akt). Die
Rolle der Äußerung klar zu machen. ›Primär Äußerung hat ferner ›reference‹ und ›sense‹,
performative‹ Äußerungen enthalten keine d. h. man spricht über etwas und sagt etwas
expliziten sprachlichen Signale, die anzeigen, Bedeutungsvolles darüber (man äußert ein
welche Art Handlung vollzogen werden soll. Rhem, vollzieht einen rhetischen Akt) (s. Art.
Freilich gibt es neben den expliziten Formeln 81). Mit allen diesen Aspekten des Gebrau-
eine Reihe weiterer sprachlicher und nicht- ches der Äußerung liegt aber noch nicht fest,
sprachlicher Mittel, um die Rolle der Äuße- welche Art Handlung ich mit ‘Ich komme
rung mehr oder weniger eindeutig zu signa- morgen’ vollbringe, ein Versprechen, eine
lisieren: den Modus (z. B. Imperativ), gewisse Drohung, eine Mitteilung oder was sonst
Hilfsverben, das Register der Tonfälle und noch. Der propositionale Gehalt (das Rhem)
Betonungen, verdeutlichende adverbiale Be- läßt noch offen, welche Funktion oder Rolle
stimmungen, fein andeutende Konjunktio- die Äußerung hat. Man verwendet Sätze in
nen, Gesten und anderes Verhalten, welches bedeutungsvollen Äußerungen mit bestimm-
das Sprechen begleitet. — Austin glaubte an- ten illokutionären Rollen (›illocutionary for-
fangs, die performativen Äußerungen, wobei ces‹ — ›force‹ von Austin als Übersetzung
er vor allem an die expliziten Fälle dachte, von ‘Kraft’ bei Frege gebraucht), z. B. als
klar von sogenannten konstativen Äuße- Warnungen, Drohungen oder Mitteilungen;
rungen — grob gesagt, Aussagen oder Fest- man vollzieht, anders gesagt, lokutionäre
stellungen, die sinnvoll nach Wahrheit oder Akte als illokutionäre Akte bestimmten Typs
Falschheit beurteilt werden können — ab- (s. Art. 95). Die illokutionäre Rolle ist kon-
grenzen zu können. Performative Äuße- ventional festgelegt; Rhem und illokutionäre
rungen können auf andere Weise kritisiert Rolle bestimmen gemeinsam die Äußerungs-
werden; denn freilich kann selbst bei explizit bedeutung. Schließlich tut man mit der Äuße-
performativen Äußerungen vielerlei schiefge- rung von ‘Ich komme morgen’ in der Regel
hen. Wie in A Plea for Excuses gewinnt Austin auch insofern etwas, als man beim Adressaten
grundlegende theoretische Einsichten auf dem gewisse Wirkungen erzielt, sei es, daß man
Wege der Betrachtung verschiedener Arten Erwartungen, Gefühle o. ä. hervorruft, oder
von möglichen Fehlern. An den Fehlern kann daß man Verhaltensweisen mitbedingt, die
man ablesen, welche Regeln dafür maßgeblich nicht (oder jedenfalls nicht vollständig) durch
sind, ob ein Versprechen, eine Warnung, eine Konventionen festgelegt sind. Charakterisiert
Taufe, eine Bitte etc. gut oder überhaupt voll- man die Sprechhandlung unter diesem Ge-
zogen worden sind (vgl. Vorlesungen II—IV). sichtspunkt, so charakterisiert man sie als per-
Die Unterscheidung zwischen performativen lokutionären Akt. — Auch in der Sprechakt-
und konstativen Äußerungen beruhte auf der theorie hat Austin die normale Sprache zu
Vernachlässigung bestimmter Aspekte ihres heuristischen Zwecken verwendet. Er benö-
Gebrauchs zugunsten anderer. Vor allem in tigte ja eine große Menge von Beispielen für
den Vorlesungen IV—VII (vgl. auch den illokutionäre Akte. Um sie zu finden, setzte
Rückblick in XI) treten die Schwierigkeiten er das folgende heuristische Prinzip an: Für
der mutmaßlichen Dichotomie zu Tage, die jedes explizit performative Verb ein illokutio-
Austin (am Ende von VII) veranlassen, das närer Akttyp. Mit diesem Grundsatz kann
Thema neu anzugehen: man das Wörterbuch durchstöbern und sich
„We want to reconsider more generally the senses bei jedem Verb fragen, ob es als (finites) Verb
in which to say something may be to do something, in einer explizit performativen Äußerung auf-
or in saying something we do something (and also treten kann. Ist dies der Fall, so bildet Austin
perhaps to consider the different case in which by die Hypothese, daß sich der mit dieser Äuße-
60.  Das Normalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 871

rung vollzogene illokutionäre Akt dem Typ sind sprachrelativ; sie sagen, wie man es in
nach von allen anderen unterscheidet. Diese einer bestimmten Sprache anstellt, z. B. ein
Hypothese kann durch weitere Forschung be- bestimmtes Versprechen zu geben (etwa durch
stätigt oder erschüttert werden. Äußern von ‘Ich komme bestimmt’ oder von
‘I’ll come for sure’). Die Annahme, gewisse
4.3.2. Die sprachtheoretische Bedeutung der Handlungen seien Äußerungen mit gewissen
Sprechakttheorie Bedeutungen, anders gesagt: so sehe die Spra-
che der Gruppe aus, hat sich daran zu be-
Unter systematischem Blickwinkel ist Austins währen, daß mit ihrer Hilfe für die Verände-
Sprechakttheorie ein überaus bedeutsamer rungen der konventionalen Lagen, die in der
Beitrag zur Klärung und Systematisierung der Gruppe auf diese Handlungen folgen, also für
von Wittgenstein, Ryle und Austin im Kern
geteilten Auffassung, für die Bedeutung den Gebrauch der Äußerungen, die beste
sprachlicher Ausdrücke sei ihr Gebrauch aus- theoretische Erklärung gegeben werden kann.
schlaggebend. Die Ersetzung von Bedeutung
durch Gebrauch hatte in Wittgensteins Hän- 5. Ausblick
den gute klärende, therapeutische und kriti-
sche Dienste geleistet. Was Wittgenstein über Bisher haben wir die therapeutische und heu-
Sprachspiele und Lebensformen, über die ristische Verwendung der normalen Sprache
Rolle des Meinens und des Verstehens sowie dargestellt. Außerdem wurde der klärende
über Regeln ausführt, weist darüber hinaus Rückgriff auf die normale Sprache erwähnt,
konstruktiv in die Richtung einer gebrauchs- bei dem für eine sprachwidrige und daher
regelorientierten Bedeutungstheorie (s. Art. unverständliche Formulierung verständliche
68). Aber Wittgenstein hat die Ausarbeitung Umformulierungen vorgeschlagen werden,
einer solchen Theorie nicht in Angriff genom- um das Problem dann in seiner neuen Form
men; und er gibt häufig seiner Meinung Aus- zu erörtern (falls sich durch die Klärung nicht
druck, eine systematische Bedeutungstheorie bereits herausgestellt hat, daß gar keine ge-
sei aus mancherlei Gründen weder möglich haltvolle philosophische Frage vorlag). —
noch wünschenswert. — Steht man dieser Eine vierte besonders strittige Verwendung
Skepsis skeptisch gegenüber, kann man ver- haben wir hingegen überhaupt noch nicht ge-
suchen, mit Hilfe von Austins Sprechakttheo- nannt: die beweisende, bei der von Feststel-
rie wenigstens in den Grundsätzen die Form lungen über die normale Sprache auf das Be-
einer Gebrauchstheorie zu beschreiben. stehen von Sachverhalten geschlossen wird.
Äußerungsbedeutungen sind Paare aus einer Solche Argumentationsformen wurden vor
illokutionären Rolle und (in der Regel) einer allem unter dem Titel ›Paradigm Case Argu-
Proposition (einem Rhem). Austin hatte nun ment‹ diskutiert. Diese Standardbeispiel-Ar-
gesehen, daß die illokutionäre Rolle einer gumentation tritt in vielen Varianten auf —
Äußerung den Sprecher oder den Adressaten je nach den Aspekten, die die Feststellungen
in charakteristischer Weise verpflichtet: das über die normale Sprache (als Prämissen der
Versprechen legt den Sprecher fest, das Tau- Schlüsse) hervorheben. Das Schlußschema,
fen jedermann (auf einen Namensgebrauch). bei dem aus der Tatsache, daß bestimmte
Das Versprechen zu kommen legt auf etwas Dinge Standardbeispiele für F sind, geschlos-
anderes fest als das Versprechen daheimzu- sen wird, daß diese Dinge F sind bzw. daß es
bleiben: Äußerungen haben konventionale Fs gibt, ist selbst nur ein Fall aus einer großen
Folgen, durch die ihre Bedeutungen charak- Familie von Argumentationsstrategien. — Da
terisiert werden. — Im Zusammenhang mit wir auf die beweisende Verwendung nicht nä-
illokutionären Akten sind deshalb zwei Sor- her eingehen können, soll nur darauf hinge-
ten von Regeln zu unterscheiden: Zum einen wiesen werden, daß die Schlüssigkeit und
solche, die Äußerungsbedeutungen mit kon- Brauchbarkeit solcher Argumentationen
ventionalen Folgen verknüpfen, zum anderen nicht im Handstreich gezeigt werden kann,
solche, die Handlungen bestimmte Äuße- sondern jede Variante getrennt zu untersu-
rungsbedeutungen zuweisen. Erstere sind chen und beurteilen ist. Trotz der grundlegen-
sprachinvariant; wer untersucht, ob eine be- den Bedeutung, die die Frage nach Gültigkeit
stimmte Gruppe das Versprechen kennt, hat von Schlüssen von der Sprache auf die Dinge
zu untersuchen, ob sich ihre Mitglieder durch nicht nur für die ›ordinary language philo-
Handlungen (die dann als Versprechen iden- sophy‹ hat, wird die Standardbeispiel-Argu-
tifiziert werden) verpflichten können. Letztere mentation kaum noch erörtert.
872 III. Positionen

6. Literatur in Auswahl Ryle 1949, The Concept of Mind.


Ryle 1954, Dilemmas.
Austin 1962 a, How to Do Things With Words.
Ryle 1971, Collected Papers.
Austin 1962 b, Sense and Sensibilia.
v. Savigny 1974, Die Philosophie der normalen Spra-
Austin 1979, Philosophical Papers.
che.
Fann (ed.), 1969 Symposium on J. L. Austin.
v. Savigny 1981, Das sogenannte ‘Paradigm Case
Kemmerling 1975, Gilbert Ryle — Können und
Argument’: Eine Familie von Anti-skeptischen Ar-
Wissen, in Grundprobleme der großen Philosophen
gumentationsstrategien, in Grazer Philosophische
— Philosophie der Gegenwart 3, Speck (Hg.).
Studien 14.
Kemmerling 1976, Kategorienfehler, in Historisches
v. Savigny 1983, Zum Begriff der Sprache.
Wörterbuch der Philosophie, Band 4.
Wittgenstein 1960, Schriften, Bd. 1.
Kemmerling 1979, Zur Empirie der Semantik, in
Wittgenstein 1970, Schriften, Bd. 5.
Forschungsberichte des Instituts für Phonetik und
sprachliche Kommunikation der Universität Mün- Eike von Savigny, Bielefeld (Deutschland)Oliver
chen 12. Scholz, Marburg (Deutschland)
Pitcher/Wood (ed.) 1970, Ryle.

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