Sie sind auf Seite 1von 31

Anerkennung und Gegenseitigkeit

Zum konstellativen Personbegriff des Alten Testaments


Bernd Janowski

I. Vorbemerkungen
Wer nach dem Begriff der Person im Alten Testament1 fragt, stößt sehr
schnell auf Sachverhalte, die im Gegensatz zum neuzeitlichen Personbe-
griff und seiner verzweigten Problemgeschichte stehen. Das hat seinen
Grund nicht nur im Fehlen eines dem lat. persona („Maske, Rolle, Sta-
tus“) bzw. dem griech. pro,swpon („Angesicht, Maske, Vorderseite“)2
entsprechenden hebräischen Terminus,3 sondern auch und vor allem in
der unterschiedlichen Sicht des Menschen. So ist, wie die Geschichte der
neuzeitlichen Identität zeigt, für den modernen Personbegriff eine spezifi-
sche Form der Innen/Außen-Relation bestimmend:
„Unsere Gedanken, Vorstellungen oder Gefühle sind nach unserer Auffassung
‚in‘ uns, während die Gegenstände in der Welt, auf die sich diese geistigen Zu-
stände beziehen, ‚draußen‘ sind. Außerdem meinen wir, unsere Fähigkeiten oder
Möglichkeiten seien etwas ‚Inneres‘, das auf die Entwicklung wartet, durch die
dieses Potentielle in der öffentlichen Welt kundgetan oder verwirklicht wird. Das
Unbewußte befindet sich nach unserer Vorstellung innen; und die Tiefen des Un-
gesagten, des Unsagbaren, der sich anbahnenden heftigen Gefühle, Neigungen
und Ängste, mit denen wir um die Beherrschung des eigenen Lebens ringen, fas-
sen wir ebenfalls als etwas Inneres auf. Wir sind Geschöpfe mit innerer Tiefe, mit
einem Inneren, das zum Teil unerforscht und dunkel ist.“4

————
1
Zum alttestamentlichen Personbegriff s. Neumann, Person, 339f, ferner Frevel /
Wischmeyer, Menschsein, 26ff (Frevel); di Vito, Anthropologie, 213ff u.a. – Die
folgenden Überlegungen knüpfen an meinen Aufsatz: Der Mensch im alten Israel,
107ff an und führen ihn weiter.
2
S. dazu Cancik, Person, 1120f. Was in der westlichen Moderne unter „Person,
Personalität, Persönlichkeit“ thematisiert wird, ist in der griech.-röm. Antike den
Begriffen „Selbst“ (se, ipse), „besondere Natur“ (propria natura), „Bewußtsein,
Gewissen“ (conscientia), „Vernunft“ (ratio) u.a. zugeordnet, vgl. aaO 1120.
3
Dafür kämen am ehesten ble „Herz“ als somatischer Personbegriff und ~XOe „Na-
me“ als sozialer Personbegriff in Frage, zum „Herz“ in der alttestamentlichen An-
thropologie s. Janowski, Konfliktgespräche mit Gott, 166ff.437 und Krüger,
„Herz“.
4
Taylor, Quellen des Selbst, 207, s. zur Sache ferner Schönpflug / Schrader, Selbst;
di Vito, Anthropologie, 213ff; Köpping / Welker / Wiehl, Person u.a. Zur Unter-
scheidung von Innen und Außen und zur Entstehung des Topos vom „Inneren
182 Bernd Janowski

Dieses Gefühl der „Innerlichkeit“ ist nicht von zeitloser Gültigkeit, son-
dern abhängig von einer „historisch begrenzten Art der Selbstinterpretati-
on, die im neuzeitlichen Abendland zur Vorherrschaft gekommen ist“5.
Seine Wurzeln liegen Ch. Taylor zufolge bei Platon, der in seinem Dialog
Phaidros (246a–257a) anhand der Metapher von der „Seele“ (yuch,) als
Lenkerin eines geflügelten Zweigespanns seine Auffassung der menschli-
chen Person entwickelt hat.6 Der Schlüssel zum „wahren“ Selbst liegt da-
nach in der Auffassung der Seele als einer vernunftbegabten Kraft, die
der Außenwelt ordnend gegenübertritt und zwar so, als hätten wir „ein
Selbst in der gleichen Weise, in der wir einen Kopf oder Arme haben, und
innere Tiefe in der gleichen Weise wie Herz oder Leber“7. Die Gedanken,
Vorstellungen und Gefühle der autonomen Person sind nach dieser Kon-
zeption „‚in‘ uns, während die Gegenstände in der Welt, auf die sich die-
se geistigen Zustände beziehen, ‚draußen‘ sind“8.
Im Unterschied zu diesem „homogenen Interpretationsmodell von
Person“9, dessen Geschichte hier nicht aufzurollen ist,10 geht die alttesta-
mentliche Anthropologie, wie man sich am Beispiel von Ps 84,3 klar ma-
chen kann, von anderen Parametern aus:
Es lechzt, ja es sehnt sich mein Leben (vp,n)< nach den Vorhöfen JHWHs,
mein Herz (ble) und mein Fleisch (rf'B') jubeln dem lebendigen Gott zu.
Mit „Leben(skraft), Vitalität“, „Herz“ und „Fleisch“ sind hier verschiede-
ne Aspekte der Person – ihre Bedürftigkeit, ihre Vernunft 11 und ihre Hin-
fälligkeit – gemeint, die damit zwar unter diesen Einzelaspekten, aber
immer in ihrer Ganzheit erscheint.12 Vielleicht sollte man genauer von
————
Menschen“ s. die Beiträge in Assmann (Hg.), Erfindung und Baumgarten (ed.),
Self sowie Markschies, Innerer Mensch, 266ff und Gladigow, Seele, 53ff. Daß
der Mensch nur eine Seele (Psyche) besitzt, und diese seine Person in ihrer Ge-
samtheit repräsentiert, ist in der europäischen Tradition zum erstenmal bei Pytha-
goras und vor allem bei Heraklit faßbar; die Opposition Körper vs. Seele taucht
dann erst im späten 5.Jh. v.Chr. auf, s. dazu Vernant, Individuum, 22ff; Burkert,
Mikroskopie der Geistesgeschichte, 168ff; Thommen, Körpergeschichte; Brem-
mer, Karriere der Seele, 497ff und Meyer, Wandel des Psyche-Begriffs, 9ff.
5
Taylor, Quellen des Selbst, 207.
6
S. dazu Taylor, Quellen des Selbst, 214ff und Halfwassen, Seelenwagen, 111ff.
7
Taylor, Quellen des Selbst, 208.
8
Taylor, Quellen des Selbst, 207.
9
Gladigow, Seele, 53, vgl. Bremmer, Karriere der Seele, 507ff.
10
S. dazu Welker, Autonomous Person und ders., Person, 251ff.
11
S. dazu Janowski, Konfliktgespräche mit Gott, 166ff.
12
Vgl. Jerome, Psalm 84, 105ff, die den Aspekt der Ganzheit in Ps 84,3 bereits für
vp,n< annimmt (aaO 120: „the entire human person“), der dann vom Merismus
„mein Herz und mein Fleisch“ in seiner inneren und äußeren Dimension entfaltet
werde (aaO 106 Anm.64).
Anerkennung und Gegenseitigkeit 183

einer komplexen und differenzierten Ganzheit, d.h. vom menschlichen


Körper nicht als Organismus, sondern als Kompositum seiner Glieder und
Organe und deren spezifischen Funktionen sprechen. Eine Sachparallele
hat diese Auffassung in der ägyptischen Sicht des menschlichen Körpers,
die E. Brunner-Traut mit Hilfe des Begriffs der „Aspektive“ gedeutet hat:
„Der Körper wird ... auch nach Ausweis des Vokabulars nicht etwa als Organis-
mus verstanden, selbst wenn das Herz vielfach als eine Art Zentrum gesehen
worden ist, von dem außer Gedanken und Gefühlen auch die Gefäße ausgehen.
Der Körper wird aus einer Anzahl von Teilstücken zusammengesetzt, ‚verknotet,
zusammengeknüpft‘, er ist etwa das, was wir eine ‚Gliederpuppe‘ nennen.“13
Diesem Prinzip der Aspektive, das den menschlichen Körper nicht als
eine organische Einheit wahrnimmt, sondern in seine Einzelteile („Glie-
der“) zerlegt, ist – wie J. Assmann14 in Weiterführung des Ansatzes von
Brunner-Traut gezeigt hat – das Prinzip der Konnektivität an die Seite zu
stellen, das nach dem die Einzelteile verbindenden Ganzen fragt15 und das
sowohl auf der Ebene des Körperbildes, wo es um „Zergliederung“ und
„Zusammenfügung“, als auch auf der Ebene der Sozialstruktur hervortritt,
wo es um „Isolation“ und „Einbindung“ geht.16 Die ‚Schnittstelle‘ zwi-
schen der Leibsphäre und der Sozialsphäre ist das Herz, das sowohl in
leiblicher wie in sozialer Hinsicht die personale Identität des Menschen
herbeiführt und garantiert:
Körperbild Sozialstruktur
Der Körper und seine Glieder: Individuum und Gemeinschaft:
Zergliederung Isolation
„Herz“ als
Zentralorgan
Zusammenfügung Einbindung
(„Verknotung“) („Vergesellschaftung“)

durch durch

„Blut“ (= Leben) als konnektivem „Gerechtigkeit“ als konnektivem


Prinzip vs. Tod, Krankheit u.a. als Prinzip vs. Ungerechtigkeit, Habgier
Kräften des Zerfalls u.a. als Kräften des Zerfalls
Auch nach alttestamentlichem Verständnis beruht das, was wir als die
personale Identität des Menschen bezeichnen, auf dem komplexen Zu-
————
13
Brunner-Traut, Frühformen des Erkennens, 72, vgl. den Zusammenhang 71ff und
zum Begriff „Aspektive“ dies., Aspektive, 474ff; dies., Gliederpuppe, 8ff.
14
Assmann, Tod und Jenseits, 34ff.
15
Dieses Verbindende sieht Assmann in Übereinstimmung mit Brunner-Traut im
„Herzen“ als dem Zentralorgan des wahrnehmenden und erkennenden Menschen.
16
Vgl. Assmann, Tod und Jenseits, 36 und seinen Beitrag in diesem Band.
184 Bernd Janowski

sammenhang von Körperbild und Sozialstruktur.17 Was sich auf der einen
Ebene (Leibsphäre) als Krankheit vs. Gesundheit oder als Trauer vs.
Freude zeigt, das wird auf der anderen Ebene (Sozialsphäre) als Schande
vs. Ehre oder als Rechtsnot vs. Gerechtigkeit / Rechtfertigung erlebt.18
Diese Zusammenhänge lassen sich mit Hilfe des konstellativen Personbe-
griffs19 beschreiben und zwar in einem doppelten Sinn: einerseits wird
der menschliche Körper als eine konstellative, d.h. aus einzelnen Teilen
oder Gliedern zusammengesetzte Ganzheit gedacht; andererseits bedeutet
menschliches Leben die Eingebundenheit in soziale Zusammenhänge
oder Rollen.20 Diese Form der Konstellation steht im folgenden im Vor-
dergrund. Ihre Plausibilität beruht darauf, daß der Mensch bestimmt ist
durch „ein Netzwerk vorgegebener Relationen, aus dem er sich nicht her-
ausnehmen kann, innerhalb dessen sich ihm aber ein definierter Gestal-
tungsraum eröffnet ...“21, in dem er mit anderen kommuniziert bzw. inter-
agiert. Dieses vormoderne Konzept personaler Identität hat R.A. di Vito
anhand von vier ‚Identitätsmarkern‘ charakterisiert:
„Das Subjekt ist (1) zutiefst eingebettet in seine soziale Identität bzw. eng damit
verbunden. Es ist (2) vergleichsweise dezentriert und undefiniert im Blick auf die
Grenzen seiner Person. Es ist (3) relativ transparent, ins gesellschaftliche Leben
eingebunden und darin verkörpert (mit anderen Worten: es ermangelt all dessen,
was mit ‚inneren Tiefen‘ bezeichnet ist). Und schließlich ist es (4) ‚authentisch‘
gerade in seiner Heteronomie, in seinem Gehorsam anderen gegenüber und in
seiner Abhängigkeit von anderen.“22

————
17
S. dazu Janowski, Konfliktgespräche mit Gott, 7ff.50ff und ders., Art. Mensch,
1057f.
18
S. dazu Janowski, Konfliktgespräche mit Gott, 50ff.
19
Zum konstellativen Personbegriff s. bereits die Hinweise bei Janowski, Konflikt-
gespräche mit Gott, 43.50.110 u.ö., ferner Schüle, Prolog, 95f („relationales Per-
sonkonzept“); Frevel, Anthropologie, 1ff; ders., Körper, 280ff; Neumann, Kultur,
38ff; Assmann, MaQat, 23ff und den Beitrag von J. Assmann in diesem Band. Der
Begriff der „Konstellation“ wird von Keel / Uehlinger, Göttinnen, 18f auch auf
die Ikonographie Palästinas / Israels angewendet, für Beispiele s. etwa Schroer /
Keel, Ikonographie 1, 23ff.
20
Das heißt nicht, daß der rollenkonform agierende Mensch keine Freiheit zum
Handeln und zur Ausbildung seiner Individualität hätte. Die „Einbindung in die
Gemeinschaft gibt den Fortschritten der Individualisierung“, wie J.-P. Vernant im
Blick auf das antike Griechenland formuliert, aber „ein ganz anderes Gesicht: Sie
vollziehen sich im sozialen Rahmen, in dem das allmählich sich herausbildende
Individuum nicht als Entsagendes in Erscheinung tritt, sondern als Rechtssubjekt,
politischer Akteur, Privatperson in der Familie oder im Kreis der Freunde“ (Ver-
nant, Individuum, 25f). Im Alten Testament wird die Reflexion über das eigene
Geschick besonders im Hiob- und im Koheletbuch greifbar.
21
Schüle, Prolog, 94, vgl. Taylor, Quellen des Selbst, 29.
22
Di Vito, Anthropologie, 217.
Anerkennung und Gegenseitigkeit 185

Die personale Identität kommt danach nicht durch eine die Selbst- und
Außenwahrnehmung steuernde „Rationalität“,23 sondern durch Konstella-
tionen24 zustande, die komplexe, auf Gegenseitigkeit (Mann / Frau, Indi-
viduum / Gemeinschaft, Gott / Mensch) ausgerichtete Beziehungen des
Menschseins zum Ausdruck bringen. Wie grundsätzlich das Alte Testa-
ment diese Konstellationen reflektiert hat, zeigt schon die definitorische
Gestalt der anthropologischen Leitsätze von Gen 2,18 („Es ist nicht gut,
daß der Mensch allein ist“), Mi 6,8 („Man hat dir gesagt, Mensch, was
gut ist“) und Ps 8,5 („Was ist der Mensch, daß du an ihn denkst?“). Sie
bilden den Ausgangs- bzw. Zielpunkt der folgenden Überlegungen, die
die Aspekte der Entsprechung der Geschlechter (Gen 2,18–25), der Aner-
kennung des anderen (Mi 6,6–8) und des Gegenübers von Gott und
Mensch (Ps 8,4f) ins Zentrum stellen.

II. Texte und Themen


1. Gen 2,18–25 – die Entsprechung der Geschlechter
Zu den grundlegenden Charakteristika alttestamentlicher Anthropologie
zählt der die personale Identität konstituierende Zusammenhang von Leib
und „Seele“ (vp,n)< oder – wie wir genauer sagen müßten – von Leib und
„Leben(skraft)“.25 Wie dieser Zusammenhang zustande kommt, läßt sich

————
23
Demgegenüber definiert mit entlarvender Offenheit Schütt, Person, 1122:
„P.(ersonen) sind ‚Vernunftwesen‘, die denken und überlegen können, außerdem
haben sie einen Begriff von sich selbst, der sich einerseits nicht nur auf ihre un-
mittelbare Gegenwart bezieht, sondern auf ihr ganzes eigenes Leben (was ein
Bewußtsein der eigenen diachronen Identität einschließt), und sie andererseits als
lediglich ein Individuum unter anderen vorstellt.“ Nicht thematisiert werden dabei
die Bereiche des Sozialen und des Psychischen. Daß eine philosophische Anthro-
pologie auch anders begründet werden kann, zeigen die sich auf H. Plessner u.a.
berufenden Ansätze, s. dazu Hartung, Anthropologie und Fischer, Anthropologie.
24
Der Begriff der Konstellation ist anders gelagert als der Begriff der „Corporate
Personality“, den H.W. Robinson vor über 70 Jahren in die Diskussion um eine
Anthropologie des Alten Testaments eingeführt hat, s. dazu die Kritik von Roger-
son, Corporate Personality, 43ff.
25
Hebr. vp,n< bedeutet nicht „Seele“ im metaphysischen Sinn, sondern „Le-
ben(skraft), Vitalität“, s. dazu Seebass, vp,n<, 531ff; Kaiser, Gott, 291ff; di Vito,
Anthropologie, 223ff; Janowski, Konfliktgespräche mit Gott, 204ff (Lit.); Frevel /
Wischmeyer, Menschsein, 27f.29f (Frevel); Liess, Weg des Lebens, 216ff; Wag-
ner, Körperbegriffe, 307ff u.a. Die Polemik gegen diese Interpretation von Loretz,
Theoxenie, 467ff führt weder im Blick auf die Gesamtentwicklung des europäi-
schen „Seele“-Begriffs seit Homer (s. dazu die Hinweise oben Anm.4) noch im
186 Bernd Janowski

Gen 2,4b–7, dem anthropologischen locus classicus der nichtpriesterli-


chen Schöpfungsgeschichte entnehmen:
4b Am Tag, als JHWH Elohim Erde und Himmel machte,
5a während noch kein einziges Gesträuch des Feldes auf der Erde entstanden
5b und noch kein einziges Kraut des Feldes gesproßt war,
5c weil JHWH Elohim es noch nicht hatte regnen lassen auf die Erde,
5d und kein Mensch da war, den Ackerboden zu bearbeiten,
6a wobei ein Wasserstrom aus der Erde aufzusteigen
6b und die ganze Oberfläche des Ackerbodens zu tränken pflegte,
7a da formte JHWH Elohim den Menschen aus Erde vom Ackerboden,
7b und blies in seine Nase den Hauch des Lebens (~yYIx; tm;v.nI).
7c Da wurde der Mensch zu einem lebenden Wesen (hY"x; vp,n<).26
Der Verbalsatz Gen 2,7 besteht aus zwei Teilsätzen, die jeweils ein Han-
deln JHWHs beschreiben – JHWH „formte“ den Menschen zunächst wie
ein Tongebilde „aus (feuchter) Erdkrume vom Ackerboden“ (Gebunden-
heit des ~d"a' an die hm'd"a])27 und „blies“ dann „Lebensatem in seine Na-
se“ (Abhängigkeit des ~d"a' vom Schöpfer)28 – und einer Folgeschilde-
rung, die besagt, daß der erschaffene Mensch nicht ein vitales Selbst hat,
sondern ein vitales Selbst ist: „Da wurde der Mensch zu einem lebenden
Wesen / Lebewesen (hY"x; vp,n<)“29. Der Zusammenhang zwischen der
Vergabe des „Lebensatems“ (~yYIx; tm;v.nI) durch Gott und dem Werden
des aus Erde vom Ackerboden gebildeten Menschen zu einem „lebenden
————
Blick auf die Interpretation der relevanten alttestamentlichen Belege weiter. So
belegt – um nur ein Beispiel zu nennen, dem bei Loretz, aaO 469.475f aber zen-
trale Bedeutung zukommt – Gen 35,18 nach Loretz die „Vorstellung, daß beim
Tod eines Menschen seine npš ‚Seele‘ den Leib verläßt und zum Totengeist (npš,
npš mt) wird“ (aaO 475). Demnach besage der Text „klar, daß der Mensch beim
Tod in einen Teil zerfällt, der so schnell wie nur möglich begraben werden muß,
und in einen Totengeist, der in der Unterwelt haust“ (ebd.). Daß die „Seele“ beim
Tod eines Menschen dessen Leib verläßt, steht aber nicht in Gen 35,18, sondern
vielmehr, daß Rahel das Leben (vp,n<) verließ: „Als ihr (sc. der Rahel) Leben sie
verließ, denn sie starb (ht'me yKi Hv'p.n: taceB.), nannte sie seinen Namen ‚Sohn
meiner Trauer‘; aber sein Vater nannte ihn ‚Sohn zur Rechten‘ (Benjamin).“ ac'y"
meint hier nicht, daß die „Seele“ den Leib verläßt – von ihm ist keine Rede –,
sondern daß Rahels Leben (vp,n<) „dahinschwindet“ (// tWm „sterben“), s. dazu
auch Ges18 481 s.v. acy qal 1g und Preuß, acy, 801. Zu Gen 2,7 s. im folgenden.
26
Zur Struktur des Satzes Gen 2,4b–7 s. Weippert, Schöpfung, 15ff.
27
Zur Bedeutung von rp'[' s. Keel / Schroer, Schöpfung, 145 und Waschke, Mensch,
498ff.
28
Mit dem Lebensatem ist auch die Fähigkeit des Menschen zur Benennung der
Tiere (Gen 2,19) und zum Loben Gottes (Ps 150,6) verbunden, s. dazu Koch, Gü-
ter, 245f; Zenger, „Aller Atem“, 565ff; Hossfeld / Zenger, Psalmen 101–150,
871ff (Zenger) und Janowski, Tempel aus Worten.
29
Vgl. Wolff, Anthropologie, 25f, ferner Seebass, Genesis I, 106f u.a.
Anerkennung und Gegenseitigkeit 187

Wesen, Lebewesen“ (hY"x; vp,n<) ist dabei so eng wie möglich, d.h. die Er-
schaffung des Menschen vollzieht sich in einer materialen Herstellung
(Formung aus „Erde vom Ackerboden“) und einer Belebung (Einhau-
chung des „Lebensatems“), wodurch der Mensch insgesamt zu einer vp,n<
hY"x; wird.30 Damit hat der Mensch eine irdische und eine göttliche Seite,
ohne allerdings Anteil am Göttlichen zu erhalten (vgl. Gen 3,19!), sche-
matisch:

Der Mensch entsteht durch den Schöpfer


aufgrund der beiden Akte

Formung: + Belebung:
„Erde vom Ackerboden“ „Hauch des Lebens“
(hm'd"a]-!mi rp'[') (~yYIx; tm;v.nI)

mit dem Ergebnis:


„da wurde der Mensch zu einem lebenden Wesen / Lebewesen (hY"x; vp,n<)“
Nachdem der ersterschaffene und geschlechtlich undifferenzierte Mensch
von Gott in den Garten Eden gesetzt (Gen 2,8.9a) und mit Nahrung von
allen Bäumen des Gottesgartens bis auf den „Baum des Wissens von gut
und böse“ versorgt worden war (Gen 2,16f), setzt Gen 2,18 damit ein, daß
dieser Mensch eine „Hilfe“ braucht, die ihm entspricht (vgl. V.20, ferner
Tob 8,6).31 Gen 2,18–25 schildert diesen neuen Schritt auf dem Weg zur
Menschwerdung als ein zweifaches Experiment Gottes, dessen erster Teil
einen negativen Ausgang hat:
18a Da sprach JHWH Elohim:
18b „Es ist nicht gut, daß der Mensch allein ist,
18c ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht.“
————
30
Vgl. Hieke, Staub, 245.247ff; Schüle, Prolog, 162f und Waschke, Mensch, 500f,
anders Loretz, Theoxenie, 472 Anm.84, demzufolge „die npš zu einem Tongebil-
de hinzukommt. Dieser Vorgang impliziert von Anfang an wieder eine zukünftige
Trennung der beiden Elemente des Menschen (Gen 3,19) ...“ (Hervorhebung von
mir). Die vp,n< kommt hier aber nicht zu einem Tongebilde hinzu, sondern sie ist
das lebendige Resultat zweier Schöpfungsakte des Deus faber: der Formung der
„Erde vom Ackerboden“ und deren Belebung durch den „Hauch des Lebens“.
Das so entstandene „Lebewesen“ (hY"x; vp,n)< und nicht nur ein Teil desselben kehrt
beim Tod zur/m unbelebten hm'd"a] bzw. rp'[' zurück, von der/dem es genommen
ist: „Im Schweiß deines Angesichts wirst du Brot essen, bis du zurückkehrst zum
Ackerboden, von dem du genommen bist. Ja, Erdkrume bist du, und zur Erdkru-
me wirst du zurückkehren“ (Gen 3,19).
31
Zu Tob 8,6 s. Schüngel-Straumann, Tobit, 135f.
188 Bernd Janowski

19a Da formte JHWH Elohim aus dem Ackerboden alle Tiere des Feldes
und alle Vögel des Himmels,
19b und er brachte (sie) zu dem Menschen,
19c um zu sehen, wie er sie nennen würde,
19d und alles, was der Mensch ihnen als lebendes Wesen zurief,
19e das wurde ihr Name.
20a Da gab der Mensch Namen allem Vieh, den Vögeln des Himmels
und allen Tieren des Feldes,
20b aber für den Menschen fand sich/man keine Hilfe, die ihm entspricht.
Der erste Versuch, die Tiere als eine „Hilfe“ für den Menschen zu er-
schaffen, die ihm entspricht, gelingt nicht, weil sie dem Menschen keine
entsprechende Hilfe bieten (2,19f). Worin diese bestehen könnte, läßt sich
zunächst via negativa bestimmen. Eine „Hilfe“ für die Arbeit des Men-
schen im Garten (Gen 2,5, vgl. 2,15) ist damit jedenfalls nicht intendiert,
weil die Tiere – die Tiere des Feldes und die Vögel des Himmels32 – da-
für von vornherein ungeeignet sind. Was der Mensch braucht, ist nicht
Assistenz, sondern Geselligkeit bzw. Vergesellschaftung (vgl. 2,18.20).
Diese können ihm die Tiere – trotz ihrer geschöpflichen Verwandtschaft
und ihrer Schicksalsgemeinschaft mit dem Menschen – aber nicht bieten,
was der Mensch offenbar an ihrer aneignenden Benennung erkennt
(2,20b).33
So unternimmt Gott einen zweiten Versuch und „baut“ eine der „Rip-
pen“ ([l;ce)34 des ~d"a' zu einer Frau aus, die er zu dem Menschen bringt,
um zu sehen, wie er reagiert (2,21f). Diese Reaktion faßt der Text in die
hymnisch-poetische Verwandtschaftsformel (V.23), die bei geschlechtli-
cher Differenz von Mann und Frau ihre somatische Gleichheit (V.23a:
„Gebein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch“) betont,
was durch die Benennung (V.23b: hV'ai ← vyai)35 noch unterstrichen
wird. Diese Formel besagt, daß der Mensch nicht dem Tier, sondern nur
dem Menschen verwandt ist und sich allein in ihm als seinem „Gegen-
über“ erkennt. Ihr wird in V.24 eine Metareflexion angehängt, die davon
spricht, daß ein Sohn seine Eltern um der Liebe zu seiner Frau willen ver-
läßt.36 V.25 formuliert schließlich ein Summarium und bildet gleichzeitig
den Übergang zu Gen 3,1–24:

————
32
Nicht die Fische des Meeres, vgl. Keel / Schroer, Schöpfung, 146 Anm.24.
33
Zum Akt der Namengebung als symbolisches Ordnen der Welt s. Link, Mensch,
22f und Koch, Güter, 245f.
34
S. dazu Keel / Schroer, Schöpfung, 149.
35
S. dazu die Hinweise bei Kaiser, Gott, 289 Anm.50.
36
Daß V.24 ein Reflexionstext ist, ist auch daran zu erkennen, daß das Urmen-
schenpaar keine Eltern hat, vgl. Schüle, Prolog, 170ff: „Vermutlich will Gen 2,24
demgegenüber gar nicht an vorfindliche Lebensverhältnisse anschließen, sondern
Anerkennung und Gegenseitigkeit 189

21a Da ließ JHWH Elohim einen Tiefschlaf auf den Menschen fallen,
21b und er schlief ein,
21c und er nahm eine von seinen Rippen,
21d und er verschloß das Fleisch an ihrer Stelle.
22a Und JHWH Elohim baute die Rippe,
22b die er von dem Menschen genommen hatte,
22c zu einer Frau
22d und brachte sie zu dem Menschen.
23a Da sprach der Mensch:
23b „Dieses mal ist es Gebein von meinem Gebein und Fleisch von meinem
Fleisch;
23c und diese wird man Qiššāh nennen,
23d denn vom Qīš ist diese genommen.
24a Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen
24b und seiner Frau anhängen,
24c und sie werden zu einem Fleisch.“
25a Und beide waren nackt, der Mensch und seine Frau,
25b und sie schämten sich nicht voreinander.
Der Impuls zur Erschaffung der Frau geht danach nicht vom Motiv der
Zeugung und Aufzucht der Kinder, sondern von dem Gedanken aus, daß
es für den ~d"a' nicht gut ist, allein (db;l.) zu sein. Die Verhinderung der
Einsamkeit durch Zweisamkeit – und wie der Reflexionstext V.24 präzi-
siert: durch Liebe – ist, wie der Schöpfer nach V.18 feierlich deklariert,
der eigentliche Sinn der Erschaffung der Geschlechter:
ADb;l. ~d"a'h' tAyh/ bAj-al{
ADg>n<K. rz<[E AL-Hf,[/a,
Es ist nicht gut, daß der Mensch allein ist,
ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht.
Wie das Syntagma ADg>n<K. rz<[e (V.18b, vgl. V.20b) zeigt, wird die Zwei-
samkeit der Geschlechter durch zwei Aspekte konkretisiert: zum einen
durch die Hilfsbedürftigkeit des ~d"a' (rz<[e-Aspekt) und zum anderen
durch die Entsprechung der Geschlechter (dg<n-< Aspekt). Entgegen der
Auslegungsgeschichte von Gen 2,18–2537 – wie sie etwa, den hebräischen
Wortlaut von Gen 2,18.20 gleichsam karikierend, in vielen Übersetzun-
gen38 zum Ausdruck kommt – besteht die „Hilfe“ der Frau für den Mann
————
dazu eine Gegenwelt entwerfen. Der Liebe zwischen Mann und Frau eignet eine
Intimität, die soziale Konventionen übersteigt und im Garten Eden ihren eigentli-
chen, wenngleich imaginären Ort findet“ (aaO 172).
37
S. dazu Schüngel-Straumann, Frau, 103ff.
38
S. z.B. die Lutherbibel in der revidierten Fassung von 1984: „ich will ihm eine
Gehilfin machen, die um ihn ist“. Immerhin wird anmerkungsweise die richtige
Übersetzung mitgeteilt: „ich will ihm eine Hilfe schaffen als sein Gegenüber (d.h.
die zu ihm passt).“
190 Bernd Janowski

nicht in der Entlastung bei der Arbeit im Gottesgarten,39 sondern gemäß


der Abfolge der Satzteile V.18ab und V.18b in der Überwindung der Ein-
samkeit. Nicht derjenige, der Hilfe braucht, ist stark – er ist im Gegenteil
„allein“ und „elend“ (Ps 25,16; 72,12; 107,12 u.ö.) –, sondern derjenige,
der anderen eine Hilfe ist.40 Von einer Unterordnung des Helfers unter
den Hilfsbedürftigen ist dabei nirgends die Rede. Das zeigt mit wün-
schenswerter Deutlichkeit die Nebenprädikation ADg>n<K., die syntaktisch als
pleonastische Variante zu K. „wie“ fungiert41 und mit „wie sein Gegen-
über“ oder vereinfachend mit „ihm entsprechend“ bzw. „seinesgleichen“
zu übersetzen ist.42 Diese von Lebenserfahrung geprägte Einsicht, daß
Einsamkeit für einen Menschen nicht gut ist, findet sich auch in der
Weisheitsliteratur und hier besonders im Kohelet- und im Sirachbuch.43

Exkurs 1: Kohelet und das Problem des Alleinseins


Gleich zu Beginn der Entfaltung seiner Position (Pred 4,1–6,9) kommt Kohelet auf
die Gefahren des Alleinseins zu sprechen, wobei er zwei alternative Lebensentwürfe –
den des einsamen (V.7f) und den des vergesellschafteten Menschen (V.9–12) – einan-
der gegenüberstellt:
7 Und wiederum sah ich Windhauch unter der Sonne:
8aa Jemand steht allein (dx'a,) und hat niemanden bei sich,
ja, er besitzt nicht einmal einen Sohn oder Bruder,
aber seine Arbeit nimmt kein Ende,
ab und überdies kann sein Auge vom Reichtum nicht genug bekommen.
ba Doch für wen strenge ich mich an,
und (warum) gönne ich mir nichts Gutes?
bb Auch das ist Windhauch, ja, ein schlechtes Geschäft ist es.
9 Zwei sind besser als einer allein (dx'a,),
wenn ihnen guter Lohn aus ihrer Arbeit zuteil wird.

————
39
Das wäre auch deswegen nicht plausibel, weil die Arbeit (Gen 2,5, vgl. 2,15) of-
fenbar „mühelos“ vonstatten geht und von einer Arbeitsbelastung („unter Müh-
sal“) erst im Strafspruch für den Mann (3,17–19) die Rede ist.
40
S. dazu Hieke, Staub, 148; Keel / Schroer, Schöpfung, 148 und den Beitrag von I.
Fischer in diesem Band. Diese Lebenshilfe ist auch dort gemeint, wo Gott das
Subjekt von rz<[e bzw. von rz:[' ist (Ps 25,5; 27,9f; 33,20; 70,6; 115,9–11; 121,1f;
124,8; 146,5 u.ö. ) und den Beter / Israel aus Gewalt, Unterdrückung oder Todes-
not errettet.
41
S. dazu Jenni, Pleonastische Ausdrücke, 210 und ders., Präposition Kaph, 44; zur
Konstruktion ist die Wendung yKir>[,K. vAna/ „ein Mensch, der mit mir gleichrangig
ist / meinesgleichen“ in Ps 55,14 zu vergleichen.
42
S. dazu auch Ges18 778 s.v. dg<n<.
43
Vgl. Sir 6,13 („Ein getreuer Freund ist ein starker Schutz, und der, der ihn gefun-
den hat, hat einen Schatz gefunden“, innerhalb von 6,4–16); 37,1–6 u.ö., s. dazu
die Hinweise bei Krüger, Kohelet, 193 und Schwienhorst-Schönberger, Kohelet,
303.
Anerkennung und Gegenseitigkeit 191

10 Denn wenn sie hinfallen, kann der eine seinem Gefährten


aufhelfen (~Wq hif.).
Doch wehe dem, der allein (dx'a,) ist, wenn er hinfällt,
ohne daß einer bei ihm ist, der ihm aufhilft (~Wq hif.)!
11 Außerdem: Wenn zwei zusammenschlafen, wärmen sie einander,
doch einem allein (dx'a,) – wie soll ihm warm werden?
12 Und wenn jemand den überwältigt, der allein ist,
zwei können ihm standhalten,
und eine dreifache Schnur reißt nicht so schnell. (Pred 4,7–12)44
Um was es Kohelet hier geht, ist die Frage nach dem Sinn des Lebens, konkret die
Frage nach dem „Guten“ bzw. dem „Glück“ (bAj / hb'Aj).45 Glück im Sinn von
„glücklich sein“ – und nicht von „Glück haben“ – ist „kein direkter Gegenstand
menschlichen Strebens, sondern die Begleiterscheinung im Falle des Gelingens: die
Qualität eines zufriedenstellenden, weil sinnvollen, eben guten Lebens“46. Zum Glück
kann man sich nicht entschließen. Wohl aber zu einer Lebensform, die das sinnvolle,
gute Leben erhoffen läßt. Ein derartiges Glück besteht „weder im Zustand höchsten
Wohlbefindens noch in einer überragenden Einzelleistung, vielmehr in einer Qualität,
die man für seine Biographie als ganze gewinnt, so daß man sie für insgesamt gelun-
gen hält“47.
„Nicht im Menschen gründet das Glück“ hatte Kohelet am Ende der Köngistrave-
stie (Koh 1,12–2,26) erkannt und dazu ausgeführt:
Nicht im Menschen gründet das Glück, wenn er ißt und trinkt
und er seine næpæš Gutes sehen läßt bei seiner Arbeit.
Vielmehr habe ich selbst gesehen,
daß dies aus der Hand Gottes stammt. (Pred 2,24)
Das Lebensglück, von dem hier die Rede ist, besteht „in einer spezifischen Form von
Erfahrung“48. Später, in der Auseinandersetzung mit einem vorphilosphischen
Glücksverständnis (Pred 4,1–6,9), kommt er zu der Einsicht, daß „zwei besser sind als
einer allein“ (Pred 4,9a). Das ist die Alternative zum Individualismus von Pred 4,7f.
Während Gen 2,18.20 die Frage nach der Zweisamkeit schöpfungstheologisch beant-
wortet, entfaltet Pred 4,9–12 diese Frage anhand einer sprichwörtlichen These
(V.9.12b), die er dreifach begründet:
9 Zwei sind besser als einer allein,
wenn ihnen guter Lohn aus ihrer Arbeit zuteil wird.
10 Denn wenn sie hinfallen, kann der eine seinem Gefährten aufhelfen.
Doch wehe dem, der allein ist, wenn er hinfällt,
ohne daß einer bei ihm ist, der ihm aufhilft!
11 Außerdem: Wenn zwei zusammenschlafen, wärmen sie einander,
doch einem allein – wie soll ihm warm werden?
12a Und wenn jemand den überwältigt, der allein ist,
————
44
Übersetzung Schwienhorst-Schönberger, Kohelet, 297f.
45
S. dazu Krüger, Erwägungen, 53ff.
46
Höffe, Glück, 115.
47
Höffe, Glück, 115.
48
Schwienhorst-Schönberger, Kohelet, 240 (Hervorhebung im Original). Zu ha'r"
„sehen“ in der Bedeutung von „erfahren, erleben“ s. Fuhs, ha'r", 232ff, bes. 241f.
192 Bernd Janowski

12b zwei können ihm standhalten,


und eine dreifache Schnur reißt nicht so schnell.
Sturz (V.10), Frieren (V.11) und Überfall (V.12a) beschwören typische Gefahren des
Alleinseins und warnen damit vor einem fragwürdigen Individualismus.49 In allen drei
Gefahren – dem Sturz als Gefahr des Alters, dem Frieren unter der Betttdecke und
dem Überfall mit Todesgefahr – melden sich „Nöte des menschlichen Lebens, in de-
nen der Tod als Bote vernehmbar wird“50. Natürlich meint Kohelet nicht, daß die Ge-
fahren des Todes durch Zweisamkeit gebannt werden könnten, sondern vielmehr, daß
der Alleinstehende ihnen in besonderer Weise ausgesetzt ist. In der von ihm propa-
gierten Hochschätzung von körperlicher und sozialer Nähe wirken somit Vorstellun-
gen nach, die wir dem konstellativen Personbegriff zuordnen können, „um damit ein
Selbstbewußtsein zu beschreiben, das sich nicht aus der Abgrenzung gegenüber ande-
ren, sondern gerade aus den Beziehungen zu ihnen herleitet“51. (Ende des Exkurses)

Für den konstellativen Personbegriff des Alten Testaments, so können wir


unsere bisherigen Überlegungen zusammenfassen, ist Gen 2,18–25 von
zentraler Bedeutung: zum einen, weil die Entsprechung der Geschlechter
schöpfungstheologisch begründet wird, und zum anderen, weil dieser
Text der von Hierarchie, Konkurrenz und Mißachtung geprägten Alltags-
erfahrung, wie sie im Strafspruch für die Frau (Gen 3,16) zum Ausdruck
kommt, die Vision der geschlechtlichen und sozialen Ebenbürtigkeit ent-
gegensetzt. Was aus dieser Vision des Anfangs wird, das ist eines der
großen Themen der nachfolgenden Menschheits- und Israelgeschichte
außerhalb des Gottesgartens. Hier, in der realen Welt der Erzähler, herr-
schen härtere, sozusagen realistische Lebensbedingungen. Wie diese ge-
meistert werden können, ist das Thema der prophetischen Gerechtigkeits-
theologie.

2. Mi 6,6–8 – die Anerkennung des anderen


In seinem Buch „Kampf um Anerkennung“ hat der Sozialphilosoph A.
Honneth Elemente einer „moralischen Grammatik sozialer Konflikte“ (so
der Untertitel) untersucht, um von ihnen her eine normativ anspruchsvolle
Gesellschaftstheorie zu entwickeln. Danach sind soziale Konflikte durch
bestimmte Typen von Mißachtung motiviert, die sich als Mißhandlung
und Vergewaltigung,52 als Entrechtung und Ausschließung sowie als
————
49
Zur Auslegung s. Krüger, Erwägungen, 190ff und Schwienhorst-Schönberger,
Kohelet, 299ff, dort auch jeweils Hinweise auf ägyptische, mesopotamische und
griechische Sachparallelen.
50
Schwienhorst-Schönberger, Kohelet, 300.
51
Weippert, Welterfahrung, 186.
52
Als Beispiel ließe sich der Text Ps 55,13–15 anführen, den Bail, Schweigen,
160ff., bes. 170ff auf dem Hintergrund der Vergewaltigung von Frauen liest.
Anerkennung und Gegenseitigkeit 193

Entwürdigung und Beleidigung des anderen bestimmen lassen.53 Alle drei


Mißachtungsformen stellen Angriffe auf die physische, die soziale und
die moralische Integrität der Person und ihrer Interaktionsfähigkeit dar.
Ihnen stehen drei Formen intersubjektiver Anerkennung gegenüber, die
als Liebe / Freundschaft, als rechtliche Anerkennung und als soziale
Wertschätzung eine ungestörte Selbst- und Gemeinschaftsbeziehung er-
möglichen.54
Wie aber kommt solche Anerkennung zustande, und was garantiert
ihre Verbindlichkeit? Diese Frage ist in der Soziologie und Sozialphilo-
sophie nach wie vor Gegenstand der Diskussion. Im Blick auf das Alte
Testament dürfte dies das Prinzip „Gerechtigkeit“ sein, denn Gerechtig-
keit ist im Alten Testament der Rahmen für den Gemeinschafts- und den
Gottesbezug. Durch den Zusammenhang beider Bezüge, des ethischen
und des religiösen, wird die Integrität des Menschen definiert. Wo durch
Formen der Mißachtung einer dieser Bezüge verstellt oder verhindert
wird, ist die Integrität der Person verletzt.
Diese Verletzung des anderen wird in den Klageliedern des einzelnen
und im Hiobbuch55 mit dem Auftreten des Feindes und dessen „Verlet-
zungsmacht“ in Zusammenhang gebracht. Die Verletzungsmacht ist als
direkteste Form von Macht „die Macht, anderen in einer gegen sie gerich-
teten Aktion Schaden zuzufügen, – anderen ‚etwas anzutun‘“56. Was dem
anderen an Verletzung zugefügt werden kann, wird dabei schonungslos
benannt. So stößt man bei der Analyse des Feindbildes in den Psalmen
immer wieder auf die Anonymität des Feindes / der Feinde, was sich auch
in den offenen Begriffen „viele“ (~yBir: / WBr:)57 oder „alle < Gesamtheit
von“ (lK{)58 widerspiegelt. Das Moment der Anonymität beinhaltet ein
Element von Überlegenheit, das den Beter dazu veranlaßt, seine Feinde
zahlen- und kräftemäßig zu überhöhen, z.B.:
————
53
S. dazu Honneth, Anerkennung, 212ff, ferner Popitz, Gewalt; Sofsky, Gewalt;
Paris, Stachel und Speer.
54
„Anerkennung“ beruht auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit / Reziprozität zwi-
schen Personen. Im Unterschied zur distributiven oder Verteilungsgerechtigkeit
repäsentiert sie eine Form der kommunikativen oder Tauschgerechtigkeit, die den
Verzicht von Gewalt voraussetzt bzw. einschließt, s. dazu außer Honneth, Aner-
kennung, 148ff noch Vossenkuhl, Wechselseitigkeit, 337f; Ricœur, Wege der An-
erkenntnis und die Beiträge bei Schmidt am Busch (Hg.), Anerkennung. Zur „Ge-
genseitigkeit“ als allgemeinem Prinzip des Sozialen s. Ritter, Gegenseitigkeit,
119ff und neuerdings Adloff / Mau, Geben sowie Caillé, Anthropologie der Gabe.
55
S. dazu Janowski, Gerechtigkeit Gottes, mit der dort genannten Lit.
56
Popitz, Gewalt, 43.
57
S. dazu Blum, br:, 294ff.
58
Vgl. Ps 3,2.3; 6,8; 22,8; 31,14; 38,20; 52,4; 71,7 u.ö.
194 Bernd Janowski

Eine Schar von 10.000, die sich ringsum gegen


mich aufstellen. (Ps 3,7)
Mehr sind als Haare auf meinem Kopf, die mich
grundlos hassen. (Ps 69,5aa)59
So zahlreich wie die Feinde sind auch die Formen und Aktionen sozialer
Mißachtung, die von ihnen ausgehen. Eine Stufenfolge dieser Mißach-
tungsformen, wie sie aus den Klageliedern des einzelnen erhoben werden
kann, könnte folgendermaßen aussehen:
– spöttisches Augenzwinkern als Zeichen eines den anderen ausschließenden
Einvernehmens (Ps 35,19, vgl. Spr 6,13; 10,10 u.ö.);
– Kopfschütteln als Ausdruck des ungläubigen Erstaunens (Ps 22,8; 109,25,
vgl. Ps 44,15; Hi 16,4; Klgl 2,15 u.ö.);
– Lippenverziehen (Ps 22,8) und Zähnefletschen/-knirschen (Ps 35,16; 37,12;
112,10, vgl. Hi 16,9; Klgl 2,16) als Zeichen der Erniedrigung;
– verbale Beschimpfung (Ps 69,8), Verachtung (Ps 22,7; 31,19) und Be-
schämung (Ps 69,21);
– prahlerisches Reden (Ps 35,26; 38,17; 41,10; 55,13, vgl. Jer 48,26.42
u.ö.).60
Wie reagiert der Beter auf diese Äußerungen der Mißachtung? Mit einer
Fülle von Klagen, in denen er seinem Schmerz Ausdruck verleiht und
seine Angst unverhohlen hinausschreit:
2 Vernimm, Gott, mein Gebet,
und verbirg dich nicht vor meinem Flehen.
3 Achte auf mich und erhöre mich.
Ich irre umher in meiner Unruhe,61 und ich bin verwirrt
4 wegen des Geschreis des Feindes, wegen der Bedrängnis
seitens des Frevlers.
Ja, sie wälzen auf mich Unheil,
und im Wutschnauben beschuldigen sie mich.
5 Mein Herz bebt in meiner Mitte,
und Schrecken des Todes sind auf mich gefallen.
6 Furcht und Zittern kommen zu mir,
und es hat mich Schrecken bedeckt.
————
59
Vgl. Ps 25,19; 62,4 u.ö.
60
Vgl. Lamp / Tilly, Öffentlichkeit, 46ff, s. zur Sache auch Bail, Schweigen, 31ff.
Es handelt sich bei diesen Verhaltensformen in der Hauptsache um körpersprach-
liche Gesten, die durch verba gesticulationis ausgedrückt werden, s. dazu auch
Jenni, Verba gesticulationis, 150ff, mit der aufschlußreichen Tabelle 159ff. Daß
Worte verletzen und kränken können, gehört auch heute leider zur Alltagserfah-
rung, s. dazu Herrmann / Krämer / Kuch, Verletzende Worte.
61
Die Wendung dWr + x:yfi bezeichnet ein depressives Verhalten, s. dazu Barré,
„Wandering about“, 184 und zur Sache den Beitrag von P.A. Kruger in diesem
Band.
Anerkennung und Gegenseitigkeit 195

7 Und ich sprach: Hätte ich doch Flügel wie die Taube –
ich wollte fliegen und mich niederlassen.
8 Siehe, ich möchte in die Ferne flüchten,
übernachten in der Wüste62 – Sela
9 Eilen möchte ich zu meinem Zufluchtsort
vor dem reißenden Wind, vor dem Sturm. (Ps 55,2–9)63
Wenn man sich vergegenwärtigt, daß Einsamkeit und Ausschluß aus der
– Nahrung, Schutz und Recht gewährenden – sozialen Gemeinschaft
(Dorf oder Stadt) für den Beter lebensbedrohlich waren,64 dann ermißt
man das Ausmaß seines Leidens, das Ps 55,7f mit den Fluchtbildern
„Ferne“ und „Wüste“ vor Augen stellt:
„In normalen Zeiten gilt die Stadt als ein Zufluchtsort, in dem man sicher leben
kann, während die Wüste der Ort des Todes, der Ausweglosigkeit und des Unbe-
wohnbaren ist. Diese Verhältnisse haben sich umgekehrt: Die Stadt ist unbe-
wohnbar geworden, und die Wüste wird zur einzigen Chance für das Überle-
ben.“65
Was bleibt, ist nicht die stumme Ergebenheit ins Schicksal, sondern der
Weg der (An-)Klage, die sich an JHWH als den Gott der Gerechtigkeit
wendet. Diesen Weg, der oft genug steinig war, weil „die Treuen unter
den Menschen verschwunden sind“ (Ps 12,2, vgl. Ps 14,1–3), beschreiten
die Klagelieder des einzelnen, indem sie nicht müde werden, ihre Stimme
gegen das Unrecht zu erheben:
1 Für den Chormeister. Nach der Achten. Ein Psalm Davids.
2 Rette, JHWH, denn der Fromme schwindet dahin,
ja, verschwunden sind die Treuen unter den Menschen. Klage
3 Nichtiges reden sie untereinander, (+ Invocatio)
mit glatter Lippe, mit zweierlei Herzen reden sie.
4 Ausrotten soll JHWH alle glatten Lippen,
die Zunge, die Großes redet,
5 die da sagen: „Mit unserer Zunge sind wir mächtig, Bitte
unsere Lippen sind mit uns, wer ist Herr über uns?“
6 „Wegen der Vergewaltigung der Schwachen, wegen des
Stöhnens der Armen Antwort
stehe ich jetzt auf“, spricht JHWH, JHWHs
„ich bringe Rettung dem, gegen den man schnaubt.“

————
62
Vgl. Ps 102,7f.
63
Vgl. Ps 22,7f.15f; 31,13; 69,21; 102,7f u.ö., ferner Jer 9,1 u.ö. Zur Interpretation
von Ps 55,2–9 s. Bail, Schweigen, 160ff; Riede, Netz des Jägers, 279ff und Hoss-
feld / Zenger, Psalmen 51–100, 93ff (Hossfeld).
64
Vgl. Lamp / Tilly, Öffentlichkeit, 54f.
65
Hossfeld / Zenger, Psalmen 51–100, 98f (Hossfeld).
196 Bernd Janowski

7 Die Worte JHWHs sind lautere Worte,


Silber, im Schmelztiegel geschmolzen zur Erde hin (?), Lobpreis
gereinigt siebenmal.
8 Du, JHWH, wirst sie behüten,
du wirst ihn erretten vor diesem Geschlecht für immer, Vertrauens-
9 auch wenn ringsum Frevler (frei) umhergehen bekenntnis
und Niedertracht sich erhebt unter den Menschen. (Ps 12)66
Daß der Beter zu diesem Unrecht nicht schweigt – ebenso wie die Pro-
pheten nicht dazu geschwiegen haben –, macht bei all seinem Leiden sei-
ne Würde aus. Der Preis dafür war unter Umständen hoch. Aber auch in
diesem Fall wäre Schweigen gotteslästerlich, weil es der „Auflösung des
altüberlieferten JHWH-Ethos, bei dem Gottes- und Nächstenliebe die
Grundsäulen gedeihlichen Zusammenlebens waren“67, nur Vorschub lei-
sten würde.
Wie wir sehen, vermitteln die angeführten Texte das Todesbild der
sozialen Mißachtung und via negationis das Lebensbild der sozialen An-
erkennung oder Konnektivität. Danach ist einer allein gar nicht lebensfä-
hig und deshalb auch nicht im vollen Sinn lebendig. Es muß einer da sein
– Gott, ein Familienangehöriger, Nachbar oder Freund –, der ihn in sei-
nem Leben geleitet, der sich um ihn kümmert und dafür sorgt, daß seine
Ehre, wie Ps 7,6 formuliert, nicht „in den Staub“ gelegt wird.68

Exkurs 2: „Ehre“ als anthropologischer Grundbegriff


Ein Zentralbegriff des Alten Testaments für soziale Anerkennung ist der Begriff der
„Ehre“ (dAbK') vs. „Schande“ (tv,Bo, hM'liK). . Wie in den mediterranen Kulturen der
Antike (und noch der Gegenwart) sind „Ehre, (Sozial-)Prestige“ und „Schande, Miß-
achtung“ auch im alten Israel Werte, die das soziale Mit- bzw. Gegeneinander durch
Markierung sozialer Grenzen regeln.69 „Ehre“ bezeichnet den „... Wert, den eine Per-
son sich selbst gibt (d.h. auf den sie Anspruch erhebt), und den Wert, den eine Person
in den Augen ihrer sozialen Gruppe hat. Ehre ist also der Anspruch auf Wertschät-
zung verbunden mit der sozialen Anerkennung dieses Wertes“70.
Im Psalter kommen immer wieder Fälle von Ehrverletzung des Beters durch seine
Feinde, ja von regelrechter Bloßstellung bzw. Entehrung vor, die nur durch das rich-
terliche Eingreifen JHWHs beendet und kompensiert werden kann. Ein sprechendes
————
66
Zu diesem Text s. Bail, Schweigen, 45ff.72f.
67
Hossfeld / Zenger, Psalm 1–50, 94 (Zenger), vgl. auch Lamp / Tilly, Öffentlich-
keit, 55ff.
68
S. dazu im folgenden.
69
Vgl. Spr 11,16; 29,23 u.ö., s. dazu Westermann, dbk, 800; Lamp / Tilly, Öffent-
lichkeit, 52; Klopfenstein, Ehre und Schande, 485f; Müller, Psalm 30, 199; Liess,
Weg des Lebens, 331f; Neumann, Ehre, 138ff und jetzt grundsätzlich den Beitrag
von J. Dietrich in diesem Band. Zum Ehrbegriff in der mediterranen Welt s. Ma-
lina, Welt des Neuen Testaments, 40ff und die Beiträge bei Vogt / Zingerle, Ehre.
70
Malina, Welt des Neuen Testaments, 42.
Anerkennung und Gegenseitigkeit 197

Beispiel dafür ist Ps 7, wo auf die Eingangsbitten (V.2f) eine Unschuldsbeteuerung


des Beters (V.4–6) folgt, die die Gerichtsappellation an den himmlischen Richter
(V.7–12) vorbereitet; die Unschuldsbeteuerung rekurriert in V.6 dabei auf die „Ehre“
des Beters, die durch den Angriff der Feinde „in den Staub“ gelegt zu werden droht:
2a JHWH, mein Gott, bei dir habe ich Zuflucht gesucht,
b rette mich vor allen meinen Verfolgern und reiß mich heraus,
3a damit er nicht zerreißt wie ein Löwe mein Leben / meine Kehle (vp,n<)
b als einer, der packt, und keiner ist da, der rettet!
4a JHWH, mein Gott, wenn ich dieses getan hätte:
b wenn Unrecht an meinen Händen wäre,
5a wenn ich dem etwas angetan hätte, der mir (nun) mit Bösem vergilt,
b und den beraubt hätte, der mich (jetzt) grundlos bedrängt,
6aa dann soll der Feind mein Leben / mich (vp,n<) verfolgen
und einholen
ab und zu Boden treten mein Leben
b und meine Ehre (dAbK') in den Staub legen – Sela.71
Umgekehrt beklagen die Beter ihre „Schande“ oder „Beschämung“ durch die Feinde,
erbitten deren Aufhebung (vgl. Ps 31,2) und wünschen sie für die Feinde herbei (vgl.
Ps 83,18), etwa in der Bitte von Ps 69,20–30:
20 Du, du hast erkannt meine Verhöhnung,
vor dir sind alle meine Bedränger.72
21 Die Verhöhnung hat mein Herz zerbrochen,
meine Schande (tv,Bo) und meine Beschämung (hM'liK). sind heillos.
Und ich hoffte auf Mitleid, und es gab keines,
und auf Tröster, aber ich fand keine.
...
28 Häufe ihnen Schuld auf Schuld,
daß sie nicht hineinkommen in deine Gerechtigkeit.
29 Sie sollen ausgelöscht werden aus dem Buch des Lebens,
und zusammen mit den Gerechten sollen sie nicht
eingeschrieben werden.
30 Ich aber, ich bin arm und voller Schmerzen,
deine Rettung, Gott, bringe mir Schutz.73
Besteht der Sinn der Ehre darin, als „... eine Art sozialer Einschätzung zu dienen, die
den einzelnen in die Lage versetzt, in spezifischer Weise mit Gleichgestellten, Höher-
gestellten und Niedrigeren zu interagieren, und zwar in Übereinstimmung mit den
festgelegten kulturellen Leitfäden einer Gesellschaft“74, so beschreiben die Psalmen,
in denen von „Ehre“ und „Schande“ die Rede ist, das Zerbrechen dieser empfindli-
chen sozialen Balance. (Ende des Exkurses)
————
71
S. dazu Janowski, Konfliktgespräche mit Gott, 141ff und zur „Ehre“ des Beters
noch Ps 4,3 (Minderung der Ehre durch Feinde) und Ps 3,4; 16,9; 30,13; 62,8;
73,24; 84,12; 91,15 (dbk pi., jeweils Wiederherstellung der Ehre durch Gott).
72
Die Verhöhnung des Beters bleibt also nicht im Verborgenen, sondern wird „vor“
JHWH aufgedeckt, der den Bedrängern „gegenüber“ (dg<n<) steht.
73
S. dazu Groenewald, Psalm 69, 98ff.
74
Malina, Welt des Neuen Testaments, 63.
198 Bernd Janowski

Der „Kampf um Anerkennung“ durchzieht die Feindpsalmen also wie ein


cantus firmus. Entsprechend stark ist der Schrei nach Gerechtigkeit in
einer Welt voller Ungerechtigkeit. Die prophetische Theologie hat dieses
Thema im Rahmen ihrer Sozial- und Kultkritik ebenfalls aufgegriffen und
es in dem frühnachexilischen Text Mi 6,6–8, der zugleich eine Zusam-
menfassung prophetischer Theologie75 darstellt, ins Grundsätzliche ge-
wendet:
6 Womit soll ich dir entgegentreten,
mich beugen vor dem Gott der Höhe?
Soll ich ihm entgegentreten mit Brandopfern,
mit einjährigen Kälbern?
7 Hat JHWH Gefallen an Tausenden von Widdern,
an zehntausenden von Ölbächen?
Soll ich (ihm) meinen Erstgeborenen hingeben für mein Verbrechen,
meine Leibesfrucht für mein verfehltes Leben?
8 Man hat dir gesagt, Mensch, was gut ist
und was JHWH von dir fordert:
nichts als Recht tun und Hingabe lieben
und einsichtig gehen mit deinem Gott.
Wie J. Jeremias76 gezeigt hat, erschließt sich der Sinn dieses Textes – der
in V.6f aus ratlosen Fragen des ‚kollektiven Ich‘ Israel und in V.8 aus
einer generalisierenden Antwort des „frühnachexilischen Lehrer-Pro-
pheten“77 besteht –, wenn er von V.8 aus gleichsam rückwärts gelesen
wird. Diese Antwort besteht aus einer Kombination zentraler Stichworte
prophetischer und weisheitlicher Theologie, die das Gemeinschafts- und
Gottesverhältnis betreffen und den Charakter einer Grundorientierung für
das „gute Leben“ haben. Ungewöhnlich ist dabei die zweite der beiden
hm'-Fragen, die – entgegen der sonstigen Suchrichtung – von einer Bewe-
gung Gottes hin zum Menschen spricht und dessen Forderung durch drei
Verben im Infinitiv konkretisiert, die „eine sich steigernde Linie“78 bil-
den, d.h. „Hingabe lieben“ schließt „Recht tun“ ein, und beides ist in
„einsichtig gehen mit deinem Gott“ enthalten:79

————
75
S. dazu Kessler, Micha, 270f und Jeremias, Joel, Obadja, Jona, Micha, 204f.
76
S. dazu Jeremias, Joel, Obadja, Jona, Micha, 196ff, ferner Kessler, Micha, 256ff.
77
Jeremias, Joel, Obadja, Jona, Micha, 205.
78
Kessler, Micha, 270.
79
Vgl. Kessler, Micha, 270.
Anerkennung und Gegenseitigkeit 199

^M.mi vrEAD hw"hy>-hm'W bAJ-hm; ~d"a' ^l. dyGIhi


`^yh,l{a/-~[i tk,l, [;nEc.h;w> ds,x, tb;h]a;w> jP'v.mi tAf[]-~ai yKi
Man hat dir gesagt, Mensch, was gut ist Parallelismus: das Gute //
und was JHWH von dir fordert: die Forderung JHWHs
nichts als Recht tun und Hingabe lieben Steigerung: Recht → Hingabe
und einsichtig gehen mit deinem Gott. → Weg mit Gott

Während der dritte Infinitiv – „einsichtig gehen mit deinem Gott“ – das
menschliche Leben als „Weg mit Gott“ beschreibt, bei dem es auf die
praktische (!) „Einsicht“80 in die „Heilstaten JHWHs“ (hw"hy> tAqd>ci
V.5bb) ankommt – aus den göttlichen Zuwendungen (vgl. V.3–5) soll der
einzelne „besonnen“ die entsprechenden Folgerungen für sein Verhalten
ziehen, gerade gegenüber dem anderen –, rekurrieren die beiden ersten
Infinitive – „Recht tun“ // „Hingabe lieben“ – in expliziter Antithese zu
Mi 3,8 (Verbrechen Jakobs // Verfehlung Israels, vgl. Mi 6,7!) auf das
Tun des „Rechts“ (jP'v.mi) und das Lieben der „Hingabe“ (ds,x,). Dadurch
erhält das Zusammenleben seinen Maßstab („Recht“) und seine Ausrich-
tung („Hingabe“), was in der abschließenden Wegmetapher bündig zu-
sammengefaßt wird.
Im Blick auf unser Thema ist schließlich zu beachten, daß der mittlere
Infinitiv „Hingabe lieben“ von zwei Infinitiven umgeben wird, die das
rechte Gemeinschafts- und Gottesverhältnis umschreiben. Die Verbin-
dung von ds,x, und bhea' (Inf.cstr.) ist dabei ungewöhnlich und zeigt, daß
die Hingabe „über das reine ‚Tun‘ hinausgeht und die innerste Intention
bezeichnet“81. Die liebende „Hingabe“ bzw. „Huld, Güte, Solidarität“ ist
die konnektive Kraft, die der Gemeinschaft Sinn und Zusammenhalt ver-
leiht, weil sie verläßlich ist und „dem anderen mehr gibt, als rechtlich ge-
fordert ist“82. Dieses Mehr ist das soziale Band, das zwischen den Mit-
gliedern einer Gemeinschaft geknüpft wird und das man als Füreinander-
Handeln83 bezeichnen kann. Wo die Kraft des Füreinander-Handelns
nachläßt, treten Kräfte auf den Plan, deren Destruktivität Mi 3,1–12 und
die Individualpsalmen in kaum zu überbietender Deutlichkeit beschwö-
ren. Mi 6,8 stellt dem das Handlungsprinzip der konnektiven Gerechtig-
keit entgegen und verbindet es mit dem Gottesbezug. Der Mensch, so der
Beitrag von Mi 6,1–8 zum konstellativen Personbegriff des Alten Testa-
————
80
Zur Bedeutung von [nc qal und hif. (außer in Mi 6,8 noch in Spr 11,2; Sir 16,25;
34,22 [LXX 31,22]; 35,3 [LXX 32,3]; 42,8) s. Stoebe, [nc; Ringgren, [nc; Kess-
ler, Micha, 271 und Jeremias, Joel, Obadja, Jona, Micha, 204.
81
Jeremias, Joel, Obadja, Jona, Micha, 204, vgl. Kessler, Micha, 271.
82
Kessler, Micha, 271, vgl. Jeremias, Joel, Obadja, Jona, Micha, 203f.
83
S. dazu Janowski, Tat, 175ff.
200 Bernd Janowski

ments, bleibt nur Mensch, wenn er diesen Zusammenhang von Gottes-


und Nächstenliebe als für sein Leben bestimmend sein läßt.

3. Ps 8,4f – das Gegenüber von Gott und Mensch


Das dritte Beispiel für den konstellativen Personbegriff, mit dem wir
zu den schöpfungstheologischen Ausgangsüberlegungen zurückkehren,
kommt aus Ps 8, der so etwas wie ein „poetisches Kompendium klassi-
scher psalmtheologischer Anthropologie“84 darstellt. Den Mittelteil dieses
Textes bilden die sachlich parallelen JHWH-Prädikationen V.2b–3 und
V.4–9, die von den beiden JHWH als Weltherrscher und Schöpfergott
preisenden Bewunderungsrufen V.2a und V.10 gerahmt werden. Diese
theozentrische Perspektive des Psalms bringt in prägnanter Weise auch
V.5 zum Ausdruck, wenn er die Frage nach dem Wesen des Menschen –
„Was ist der Mensch?“ (V.5a) – durch den Hinweis auf das „Gedenken“
(rk;z)" und das „Nachsehen, In-Augenschein-Nehmen“ (dq;P') durch
JHWH beantwortet (V.5b) und damit konstatiert, daß sich die Men-
schenwerdung des Menschen nach biblischem Zeugnis in der Situation
„vor Gott“ (coram Deo) ereignet:
2a JHWH, unser Herr, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde!
2b Der du deine Hoheit gelegt (‹ gegeben) hast auf den Himmel.
3 Aus dem Mund von Kindern und Säuglingen hast du eine Macht
gegründet
um deiner Bedränger willen, um zum Aufhören zu bringen Feind
und Rachgierigen.
4 Wenn ich sehe deinen Himmel, die Werke deiner Finger,
Mond und Sterne, die du festgesetzt hast –
5 Was ist der Mensch, daß du an ihn denkst,
und ein Menschenwesen, daß du (sorgend) nach ihm siehst?
6 Du hast ihm nur wenig fehlen lassen zu(r) Gott(heit),
und mit Ehre und Pracht hast du ihn gekrönt.
7 Du hast ihn zum Herrscher eingesetzt über die Werke deiner Hände,
alles hast du gelegt unter seine Füße:
8 Kleinvieh und Rinder, sie alle,
und auch die Tiere des Feldes,
9 die Vögel des Himmels und die Fische des Meeres,
was durchzieht die Pfade der Meere.
10 JHWH, unser Herr, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde!
————
84
Spieckermann, Heilsgegenwart, 237, s. zu Ps 8 bes. Irsigler, Frage nach dem
Menschen, 10ff.16ff; Kaiser, Gott, 279ff; Neumann-Gorsolke, Menschenwürde,
44ff; dies., Herrschen, 20ff; Weber, Werkbuch Psalmen I, 72ff; Meinhold,
Menschsein, 13ff; Frevel, „Theologie der Menschenwürde“ und Schnieringer,
Psalm 8, passim.
Anerkennung und Gegenseitigkeit 201

Der Mensch ist Mensch, weil Gott an ihn denkt und wohlwollend nach
ihm sieht (vgl. Ps 144,3) oder weil er – wie Hi 7,17f den Gedanken der
fürsorglichen Aufmerksamkeit Gottes bezeichnenderweise abändert –
sein „Herz“ prüfend auf ihn richtet.85 dq;P' führt die Aussageintention von
rk;z" weiter und steigert sie sogar, indem es zum mentalen („denken an“)
noch einen sinnlichen Aspekt („nachsehen, in Augenschein nehmen“),
nämlich denjenigen des Entschlusses zum handelnden Eingreifen hinzu-
fügt.86 Die dem Verb rk;z" eignende intentionale Ausrichtung – „geden-
ken ‹ denken an“ und daraus resultierendes Handeln87 – ist auch für das
parallele dq;P' charakteristisch, das die Zuwendung JHWHs im Sinn eines
wohlwollenden Interesses am Geschick des Menschen88 zum Ausdruck
bringt („nachsehen, in Augenschein nehmen“), d.h.: JHWH überläßt den
Menschen in Situationen akuter Bedürftigkeit nicht sich selbst, sondern er
ist „ihm darin stets anteilnehmend und wohlwollend zugetan, so daß er
aufmerksam nach ihm sieht und erkundet, wessen er bedarf“89. Diese
Aufmerksamkeit Gottes gilt allen Menschen und sie gilt, wie die Protasis
V.4 mit ihrem Hinweis auf die majestätische Höhe und Weite des nächtli-
chen Himmels mit seinen Gestirnen (Mond und Sterne) deutlich macht,
dem Menschen in seiner Kleinheit und Hinfälligkeit. Damit steht sie im
Dienst der Herausstellung der Größe des Schöpfers von Himmel und Erde
(V.2b + 10!) und damit „der Gnade, die darin besteht, daß dieser so große
Gott sich dem so kleinen / hinfälligen Menschen zuneigt“90.
Nur von Gott her läßt sich nach alttestamentlichem Verständnis also
sagen, was oder wer der Mensch ist. Und nur von ihm her wächst dem
Menschen, wie der weisheitliche Frage-Antwort-Zusammenhang von
V.4–991 verdeutlicht, auch die Fähigkeit zu, seine Stellung in der Welt
wahrzunehmen (V.6–9). Diese Stellung wird nicht wie in Gen 1,26–28
unter Rückgriff auf die imago Dei-Tradition, sondern anhand der Meta-
pher vom „königlichen“ Menschen und seiner Herrschaft über die Tiere
präzisiert:92
————
85
Zu Hi 7,17f s. zuletzt Frevel, „Theologie der Menschenwürde“, 244ff.
86
S. dazu Schnieringer, Psalm 8, 231 und zur Parallelität der beiden Verben Jer
14,10; 15,15; Hos 8,13; 9,9 und Ps 106,4 (jeweils mit Subj. JHWH).
87
S. dazu Janowski, Schöpferische Erinnerung, 172ff.
88
S. dazu Schottroff, dq;P', 476 („aufmerksam sehen nach, achten bzw. schauen auf,
sich jemandes annehmen“), vgl. André, dq;P', 709 („genau beobachten“); Brünen-
berg, Jahwes Widerstand, 55f und Schnieringer, Psalm 8, 229ff.
89
Schnieringer, Psalm 8, 231 (Hervorhebung im Original).
90
Schnieringer, Psalm 8, 233, vgl. Irsigler, Psalm 8, 12f.21f.25.39ff.42ff.
91
Zu diesem Ausdruck s. Irsigler, Psalm 8, passim.
92
S. dazu Kaiser, Gott, 301ff; Neumann-Gorsolke, Menschenwürde, 59ff; dies.,
Herrschen, 79ff und zur Verbindung von Gottebenbildlichkeit und Herrschafts-
202 Bernd Janowski

6 Du hast ihm nur wenig fehlen lassen zu(r) Gott(heit),


und mit Ehre und Pracht hast du ihn gekrönt.
7 Du hast ihn zum Herrscher eingesetzt über die Werke deiner Hände,
alles hast du gelegt unter seine Füße:
8 Kleinvieh und Rinder, sie alle,
und auch die Tiere des Feldes,
9 die Vögel des Himmels und die Fische des Meeres,
was durchzieht die Pfade der Meere.
In der philosophischen Tradition der Neuzeit ist dieser Bezug zur außer-
menschlichen Kreaturwelt in der Regel übersehen und die Frage nach
dem Wesen des Menschen vornehmlich subjekttheoretisch beantwortet
worden. Der Kronzeuge dafür ist Immanuel Kant.

Exkurs 3: Kant und Psalm 8


Die Frage nach dem Wesen des Menschen, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhun-
derts zu einer zentralen Thematik der philosophischen Reflexion geworden ist,93 hat
Kant in seiner Logik als letzte von vier anthropologischen Grundfragen – „Was kann
ich wissen?“, „Was soll ich tun?“, „Was darf ich hoffen?“, „Was ist der Mensch?“ –
zwar gestellt, aber nicht ausdrücklich bearbeitet. Gleichwohl geht er davon aus, daß
sie in einer spezifischen, dem abendländischen Denken verpflichteten Weise beant-
wortet ist, nämlich in der These von der doppelten Bedeutung des Menschen als Ver-
nunftwesen und als Naturwesen. Das Vernunftwesen Mensch (animal rationale) ist als
animal zwar ein Teil der Natur, durch seine ratio dieser aber zugleich enthoben. Deut-
lich wird dies an dem berühmten Schlußabschnitt der Kritik der praktischen Vernunft,
in dem „die Nichtigkeit des Menschen in kosmologischer Hinsicht seiner unendlichen
Würde in moralischer Hinsicht gegenübergestellt wird“94:
„Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmenden (sic!) Be-
wunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender das Nachdenken sich damit
beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir.
Beide darf ich nicht als in Dunkelheiten verhüllt, oder im Überschwenglichen,
außer meinem Gesichtskreise, suchen oder bloß vermuten; ich sehe sie vor mir
und verknüpfe sie unmittelbar mit dem Bewußtsein meiner Existenz. (...) Der er-
stere Anblick einer zahllosen Weltenmenge vernichtet gleichsam meine Wichtig-
keit als eines tierischen Geschöpfs, das die Materie, daraus es ward, dem Planeten
(einem bloßen Punkt im Weltall) wieder zurückgeben muß, nachdem es kurze
Zeit (man weiß nicht wie) mit Lebenskraft versehen gewesen. Der zweite erhebt
dagegen meinen Wert, als einer Intelligenz, unendlich, durch meine Persönlich-
keit, in welcher das moralische Gesetz mir ein von der Tierheit und selbst von der
ganzen Sinnenwelt unabhängiges Leben offenbart, wenigstens so viel sich aus der
zweckmäßigen Bestimmung meines Daseins durch dieses Gesetz, welche nicht

————
auftrag in Gen 1,26–28 Janowski, Gottebenbildlichkeit, 1159f und ders., Statue
Gottes, 183ff.
93
S. dazu Brandt, Anthropologie.
94
Schoberth, Einführung, 28.
Anerkennung und Gegenseitigkeit 203

auf Bedingungen und Grenzen dieses Lebens eingeschränkt ist, sondern ins Un-
endliche geht, abnehmen läßt.“95
Ob Kant sich auf Ps 8 bezogen hat, läßt sich, da ein expliziter Hinweis dafür fehlt,
nicht mit Sicherheit feststellen. Allerdings enthält der zitierte Text dermaßen enge
Anklänge an den biblischen Text, daß man ihn als Hintergrund für Kants doppelte
Bestimmung des Menschen vermuten kann und auch immer wieder vermutet hat. Al-
lerdings sind in Kants Bestimmung folgenreiche Implikationen enthalten, die sie kate-
gorial von Ps 8 und der biblischen Anthropologie unterscheiden. So wird die Würde
des Menschen mit seinen geistigen Fähigkeiten gleichgesetzt und dadurch seine Leib-
lichkeit zur „Tierheit“ herabgestuft. Dieser ‚Weg nach innen‘ – „das moralische Ge-
setz in mir“ – ist nicht deswegen problematisch, weil er das unsichtbare und nur dem
Verstand zugängliche Selbst96 betont, sondern weil er auf Kosten eines jeden ‚Bezugs
nach außen‘ geht.
Der erste und grundlegende Unterschied zwischen dem biblischen und dem philo-
sophischen Text ist deshalb die Adressierung der anthropologischen Grundfrage an
Gott, der des Menschen gedenkt (Ps 8,5). Damit aber verändert sich, wie W. Scho-
berth zu Recht bemerkt hat, diese Frage von Grund auf: „Für den Psalm ist die Frage
nach dem Menschen keine, die Menschen von sich aus beantworten könnten; sie ist
vielmehr nur als an Gott gerichtete sinnvoll.“97 Gott aber wendet sich dem Menschen
– und das ist die Antwort auf diese Frage! – in schöpferischer Freiheit zu und „ge-
denkt“ seiner, indem er „(sorgend) nach ihm sieht“. So hat Gott auf dem Höhepunkt
der Flut an Noah und die Tiere in der Arche „gedacht“ (Gen 8,1) und sie errettet, in-
dem er das Wasser durch einen Wind sinken ließ; und ebenso hat er an seinen Bund
mit Abraham, Isaak und Jakob „gedacht“, als die Israeliten über ihre Knechtschaft in
Ägypten stöhnten und klagten (Ex 2,23–25; 6,2–5).98 Der zweite – und damit zusam-
menhängende – Unterschied besteht in der Stellung des Menschen zwischen Gott
(V.6) und den Tieren, über die er von ihm als „Herrscher“ eingesetzt ist (V.7–9).
So bleibt der Mensch an die Bedingungen seiner Lebenswelt und die Erfahrungen
mit ihr gebunden, von denen er sich nicht einfach distanzieren kann. Konstitutiv für
das Wesen des Menschen ist demnach nicht der vernunftbestimmte Selbstbezug, son-
dern der Sachverhalt, daß menschliches Leben Leben in Beziehungen ist, und zwar in
Beziehungen, die vom Schöpfergott gestiftet werden: „du denkst an ihn“, „du siehst
sorgend nach ihm“, „du hast ihm nur wenig fehlen lassen“, „du hast ihn gekrönt“, „du
hast ihn zum Herrscher eingesetzt“ und „du hast alles unter seine Füße gelegt“. Für
das Gelingen dieser Beziehungen gibt es keine Garantie, die sich der Mensch selbst
geben könnte, sondern nur die Gewißheit der göttlichen Aufmerksamkeit und Fürsor-
ge (V.5). (Ende des Exkurses)

————
95
Kant, Kritik der praktischen Vernunft, 300 (Hervorhebung im Original).
96
An einer anderen Stelle desselben Texts, die oben aber ausgelassen wurde, nennt
Kant die Persönlichkeit das „unsichtbare Selbst“: „Das zweite (scil. das morali-
sche Gesetz in mir) fängt von meinem unsichtbaren Selbst, meiner Persönlichkeit,
an, und stellt mich in einer Welt dar, die wahre Unendlichkeit hat, aber nur dem
Verstande spürbar ist, und mit welcher (dadurch aber auch zugleich mit allen je-
nen sichtbaren Welten) ich mich nicht, wie dort, in bloß zufälliger, sondern all-
gemeiner und notwendiger Verknüpfung erkenne“ (ders., ebd.).
97
Schoberth, Einführung, 32.
98
S. dazu Janowski, Schöpferische Erinnerung, 181ff.
204 Bernd Janowski

In der Betrachtung des gestirnten Himmels, so können wir resümieren,


kommt der Mensch von Ps 8 also zu einer anderen ‚Einsicht‘ als das Ver-
nunftwesen Kants. Denn was er sieht, ist nicht der, sondern „dein“, näm-
lich Gottes Himmel. Und ebenso sind die Gestirne nicht „bloße Punkte im
Weltall“ (Kant), sondern „die Werke deiner (scil. Gottes) Finger“. Auch
richtet sich sein Blick nicht nach innen auf sein „unsichtbares Selbst“,99
sondern nach außen auf Gott, der seiner gedenkt und sorgend nach ihm
sieht (V.5). Das ist ein wesentlich anspruchsvolleres Konzept als die re-
duktionistische Selbstbezüglichkeit des vernunftbestimmten Menschen.
Sein Blick zum Himmel leitet ihn nicht an, seine Nichtigkeit in kosmolo-
gischer Hinsicht seiner Hoheit in moralischer Hinsicht gegenüberzustel-
len, sondern angesichts der Größe und Herrlichkeit des Schöpfers seine
Geschöpflichkeit und Hinfälligkeit zu bedenken und vertrauensvoll in die
Geschichte Gottes mit dem Menschen einzutreten, die „mit der Schöp-
fung beginnt und auf Gottes Zukunft hin unterwegs ist“100.
Und Gott der Schöpfer? Er hat sich nicht wie der ägyptische Sonnen-
gott Re im Mythos von der Vernichtung des Menschengeschlechts
(„Buch von der Himmelskuh“)101 an den fernen Himmel zurückgezogen,
um die Welt und den Menschen sich selbst zu überlassen, sondern er ge-
denkt (rk;z)" seines Geschöpfs und kommt ihm helfend nahe (dq;P'), wenn
dieses seiner Hilfe bedarf.102 Die Aussage, daß Gott „gedenkt“, richtet
sich dabei nicht darauf, daß er sich punktuell einer Sache erinnert und
eine andere vergißt, sondern darauf, daß er „in den Zusammenhängen ge-
schöpflichen Lebens eine Wirklichkeit stiftet, die durch solche duale Ab-
straktionen selbst nicht zureichend erfaßt wird“103. Es geht in Ps 8 also
nicht um den Menschen an sich oder um den Menschen in seiner Selbst-
bezüglichkeit, sondern um die Relation von Schöpfer und Geschöpf. Wie
stark diese Relation ist und wie ausschließlich sie vom Schöpfergott her
gedacht ist, zeigt schließlich auch die Komposition des Psalms, die mit
dem rahmenden Bewunderungsruf V.2a / V.10 den Ausgangs- und den
Zielpunkt des Menschseins angibt.

————
99
Zu Kants Definition der Persönlichkeit als „unsichtbares Selbst“ s. oben Anm.96.
100
Schoberth, Einführung, 34.
101
S. dazu die Hinweise bei Janowski, Schöpferische Erinnerung, 193f.
102
Vgl. Schoberth, Einführung, 231f.
103
Schüle, Gottes Handeln, 269.
Anerkennung und Gegenseitigkeit 205

III. Ausblick
Ziehen wir ein Fazit. Die Frage, was der Mensch ist, ist die Grundfrage
aller Anthropologie, der philosophischen und theologischen ebensogut
wie der medizinischen, psychologischen oder soziologischen. Das Alte
Testament stellt sie mehrfach (Ps 8,5; 144,3; Hi 7,17f), gibt aber jedesmal
eine etwas andere Antwort. Dies deutet darauf hin, daß es das alttesta-
mentliche Menschenbild nicht gibt, sondern nur „sich ergänzende und
z.T. auch in Kontrast stehende Aspekte“104. Statt von der Anthropologie
des Alten Testaments wäre also angemessener von dessen Anthropologi-
en oder von anthropologischen Entwürfen des Alten Testaments zu spre-
chen. Wie das Gottes- und das Weltbild hat sich auch das Menschenbild
des alten Israel über die Zeiten hin verändert und entwickelt.105
Dennoch gibt es so etwas wie anthropologische Konstanten, die die
unterschiedlichen Menschenbilder des Alten Testaments jenseits aller Va-
riabilität prägen. Dazu zählt neben der Korrelation von Leibsphäre und
Sozialsphäre und dem Axiom der Geschöpflichkeit auch der konstellative
Personbegriff. Der Begriff der „Konstellation“ verweist auf komplexe
Beziehungen, die dem menschlichen Leben Sinn und Richtung verleihen.
Drei dieser Beziehungen sind im Vorhergehenden besprochen worden.
Was sie eint, ist die Auffassung von der Eingebundenheit des Menschen
in Zusammenhänge (Konstellationen), die auf dem Prinzip der Gegensei-
tigkeit – Entsprechung der Geschlechter, Anerkennung des anderen, Ge-
genüber von Gott und Mensch – beruhen und der Eingebundenheit ihre
geschlechtsspezifische, soziale und religiöse Konkretion verleihen.
Ausblickhaft sei hinzugefügt, daß der konstellative Personbegriff auch
in anderen Lebensbereichen des alten Israel begegnet, die im Vorherge-
henden nur gestreift werden konnten: im Kult (homo ritualis), in der
Wirtschaft (homo oeconomicus) oder in der Politik (homo politicus). Sie
sind ebenso zentral und komplex wie etwa der Bereich des Rechts mit
seiner Leitvorstellung der „konnektiven Gerechtigkeit“. So könnte man
am Beispiel des Kults zeigen, daß für den homo ritualis unterschiedliche
– geschlechtsspezifische, soziale, religiöse – Aspekte der Person konstitu-
tiv sind und je nach Anlaß, Ort, Zeit oder Zweck eines Ritus in den Vor-
————
104
Frevel, Anthropologie, 1.
105
Dies detailliert zu beschreiben, wäre die Aufgabe einer „Historischen Anthropo-
logie des Alten Testaments“, die noch geschrieben werden muß. Das ist zwar ein
schwieriges Unterfangen, sollte – aller z.T. berechtigten Skepsis zum Trotz (s.
etwa Gertz, Menschenbild, 21f) – aber doch zu den Zukunftsaufgaben der altte-
stamentlichen Wissenschaft gehören, s. dazu die vorläufigen Hinweise bei Ja-
nowski, Konfliktgespräche mit Gott, 2ff.433 (Nachträge zur 2. Aufl.).
206 Bernd Janowski

dergrund treten.106 Besonders deutlich wird dies an den Vorschriften zu


Rein und Unrein,107 die nicht nur die Einbindung des einzelnen in soziale
und religiöse Zusammenhänge, sondern – unter bestimmten Bedingungen
– auch dessen Ausgrenzung thematisieren. Eine konstellative Anthropo-
logie des Alten Testaments, die alle diese Aspekte erfaßt und systema-
tisch darstellt, ist erst noch zu schreiben.

Literatur
Adloff, F. / Mau, St. (Hg.), Vom Geben und Nehmen. Zur Soziologie der Reziprozi-
tät, Frankfurt a.M. 2005
André, G., Art. dq;P', ThWAT 6 (1989) 708–723
Assmann, J. (Hg.), Die Erfindung des inneren Menschen. Studien zur religiösen An-
thropologie (Studien zum Verstehen fremder Religionen 6), Gütersloh 1993
— , Tod und Jenseits im alten Ägypten, München 2001
— , MaQat – Gemeinschaftskunst im alten Ägypten, in: ders. / H. Schmidt-Glintzer /
E. Krippendorff, MaQat – Konfuzius – Goethe. Drei Lehren für das richtige Le-
ben, Frankfurt a.M. 2006, 23–69
Bail, U., Gegen das Schweigen klagen. Eine intertextuelle Studie zu den Klagepsal-
men Ps 6 und Ps 55 und der Erzählung von der Vergewaltigung Tamars, Güters-
loh 1998
Barré, M.L., „Wandering about“ as a Topos of Depression in Ancient Near Eastern
Literature and in the Bible, JNES 60 (2001) 177–187
Baumgarten, A.I. (ed.), Self, Soul and Body in Religious Experience (SHR 78), Lei-
den / Boston / Köln 1998
Blum, E., Art. br:, ThWAT 7 (1993) 294–315
Brandt, R., Die Anthropologie I. Kants, Hamburg 2007
Bremmer, J.N., Die Karriere der Seele: Vom antiken Griechenland ins moderne Euro-
pa, in: H.G. Kippenberg / J. Rüpke / K. von Stuckrad (Hg.), Europäische Religi-
onsgeschichte. Ein mehrfacher Pluralismus, Bd.2 (UTB 3206), Göttingen 2009,
497–524
Brünenberg, E., Wenn Jahwes Widerstand sich regt. Überlegungen zum alttestament-
lichen Verständnis von Strafe, in: K. Kiesow / Th. Meurer (Hg.), Textarbeit.
Studien zu Texten und ihrer Rezeption aus dem Alten Testament und der Um-
welt Israels (FS P. Weimar) (AOAT 294), Münster 2003, 53–74
Brunner-Traut, E., Art. Aspektive, LÄ 1 (1975) 474–484
————
106
S. dazu jetzt Caillé, Anthropologie der Gabe, 125ff und Hénaff, Preis der Wahr-
heit, 241ff.
107
S. dazu etwa Douglas, Reinheit und Gefährdung; Erbele-Küster, Körper und Ge-
schlecht und das Themenheft „Opfer“ BiKi 64 (2009) Heft 3.
Anerkennung und Gegenseitigkeit 207

— , Der menschliche Körper – eine Gliederpuppe, ZÄS 115 (1988) 8–14


— , Frühformen des Erkennens. Am Beispiel Altägyptens, Darmstadt 21992
Burkert, W., Mikroskopie der Geistesgeschichte. Bruno Snells „Entdeckung des Gei-
stes“ im kritischen Rückblick, Ph. 148 (2004) 168–182
Caillé, A., Anthropologie der Gabe, Frankfurt a.M. 2008
Cancik, H., Art. Person I, RGG4 6 (2003) 1120f
Douglas, M., Reinheit und Gefährdung. Eine Studie zu Vorstellungen von Verunrei-
nigung und Tabu, Berlin 1985
Erbele-Küster, D., Körper und Geschlecht. Studien zur Anthropologie von Leviticus
12 und 15 (WMANT 121), Neukirchen-Vluyn 2008
Fischer, J., Philosophische Anthropologie. Eine Denkrichtung des 20. Jahrhunderts,
Freiburg / München 2008
Frevel, Ch., „Eine kleine Theologie der Menschenwürde“. Ps 8 und seine Rezeption
im Buch Ijob, in: F.-L. Hossfeld / L. Schwienhorst-Schönberger (Hg.), Das
Manna fällt auch heute noch. Beiträge zur Geschichte des Alten, Ersten Testa-
ments (FS E. Zenger) (HBS 44), Freiburg / Basel / Wien 2004, 244–272
— , Art. Anthropologie, in: ders. / A. Berlejung (Hg.), Handbuch theologischer
Grundbegriffe zum Alten und Neuen Testament, Darmstadt 2006, 1–7
— , Art. Körper, in: ders. / A. Berlejung (Hg.), Handbuch theologischer Grundbegrif-
fe zum Alten und Neuen Testament, Darmstadt 2006, 280–284
— / O. Wischmeyer, Menschsein. Perspektiven des Alten und Neuen Testaments
(NEB.Themen 11), Würzburg 2003
Fuhs, H.F., Art. ha'r," ThWAT 7 (1993) 225–266
Gertz, J.Chr., Der zerbrechliche und zugleich königliche Mensch – Anmerkungen
zum Menschenbild des Alten Testaments, in: F.M. Brunn u.a. (Hg.), Theologie
und Menschenbild. Beiträge zum interdisziplinären Gespräch (FS W. Härle),
Leipzig 2007, 19–31
Gladigow, B., Art. Seele, HrwG 5 (2001) 53–56
Groenewald, A., Psalm 69: Its structure, redaction and composition (ATM 18), Mün-
ster 2003
Halfwassen, J., Art. Seelenwagen, HWP 9 (1995) 111–117
Hartung, G., Philosophische Anthropologie, Stuttgart 2008
Hénaff, M., Der Preis der Wahrheit. Gabe, Geld und Philosophie, Frankfurt a.M. 2009
Herrmann, St.K. / Krämer, S. / Kuch, H. (Hg.), Verletzende Worte. Die Grammatik
sprachlicher Mißachtung, Bielefeld 2007
Hieke, Th., Staub vom Ackerboden oder weniger als Gott? Menschenbilder des Alten
Testaments in spannungsvoller Beziehung, LebZeug 53 (1998) 245–261
Höffe, O., Art. Glück, in: ders. (Hg.), Lexikon der Ethik, München 72008, 114–118
Honneth, A., Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatik sozialer Konflik-
te (stw 1129), Frankfurt a.M. 1992
208 Bernd Janowski

Hossfeld, F.-L. / Zenger, E., Die Psalmen I. Psalm 1–50 (NEB.AT 29), Würzburg
1993
— , Psalmen 51–100 (HThK.AT), Freiburg / Basel / Wien 2000
— , Psalmen 101–150 (HThK.AT), Freiburg / Basel / Wien 2008
Irsigler, H., Die Frage nach dem Menschen in Psalm 8. Zu Bedeutung und Horizont
eines kontroversen Menschenbildes im Alten Testament, in: ders., Vom Adams-
sohn zum Immanuel (ATSAT 58), St. Ottilien 1997, 1–48
Janowski, B., Die Tat kehrt zum Täter zurück. Offene Fragen im Umkreis des Tun-
Ergehen-Zusammenhangs, in: ders., Die rettende Gerechtigkeit. Beiträge zur
Theologie des Alten Testaments 2, Neukirchen-Vluyn 1999, 167–191
— , Art. Gottebenbildlichkeit I, RGG4 3 (2000) 1159f
— , Art. Mensch IV, RGG4 5 (2002) 1057f
— , Die lebendige Statue Gottes. Zur Anthropologie der priesterlichen Urgeschichte,
in: M. Witte (Hg.), Gott und Mensch im Dialog (FS O. Kaiser) (BZAW 345/I–
II), Berlin / New York 2004, 183–214
— , Konfliktgespräche mit Gott. Eine Anthropologie der Psalmen, Neukirchen-
Vluyn 22006
— , Der Mensch im alten Israel. Grundfragen alttestamentlicher Anthropologie, in:
ders., Die Welt als Schöpfung. Beiträge zur Theologie des Alten Testaments 4,
Neukirchen-Vluyn 2008, 107–139
— , Schöpferische Erinnerung. Zum „Gedenken Gottes“ in der biblischen Fluterzäh-
lung, in: ders., Die Welt als Schöpfung. Beiträge zur Theologie des Alten Te-
staments 4, Neukirchen-Vluyn 2008, 172–198
— , Ein Tempel aus Worten. Zur theologischen Architektur des Psalters, in: E. Zen-
ger (ed.), The Composition of the Book of Psalms (BEThL), Leuven 2009 (im
Druck)
— , „Die Erde ist in die Hand eines Frevlers gegeben“ (Hi 9,24). Die Frage nach der
Gerechtigkeit Gottes im Hiobbuch, in: H. Lichtenberger / H. Zweigle (Hg.), Wo
ist Gott? Die Theodizee-Frage und die Theologie im Pfarramt (Theologie Inter-
disziplinär 7), Neukirchen-Vluyn 2009 (im Druck)
Jenni, E., Die hebräischen Präpositionen, Bd.2: Die Präposition Kaph, Stuttgart / Ber-
lin / Köln 1994
— , Verba gesticulationis im Hebräischen, in: ders., Studien zur Sprachwelt des Al-
ten Testaments, Stuttgart / Berlin / Köln 1997, 150–161
— , Pleonastische Ausdrücke für Vergleichbarkeit (Ps 55,14; 58,5), in: ders., Studi-
en, 206–211
Jeremias, J., Die Propheten Joel, Obadja, Jona, Micha (ATD 24,3), Göttingen 2007
Jerome, O.M., „How lovely is your dwelling place“: The desire for God’s house in
Psalm 84 (Diss.T 87), St. Ottilien 2004
Kaiser, O., Der Gott des Alten Testaments. Theologie des Alten Testaments Bd.2
(UTB 2024), Göttingen 1998
Anerkennung und Gegenseitigkeit 209

Kant, I., Kritik der praktischen Vernunft, in: ders., Schriften zur Ethik und Religions-
philosophie, Bd.4, hg. von W. Weischedel, Darmstadt 1963
Keel, O. / Schroer, S., Schöpfung. Biblische Theologien im Kontext altorientalischer
Religionen, Göttingen / Freiburg (Schweiz) 22008
— / Uehlinger, Chr., Göttinnen, Götter und Gottessymbole. Neue Erkenntnisse zur
Religionsgeschichte Kanaans und Israels aufgrund bislang unerschlossener iko-
nographischer Quellen (QD 134), Freiburg u.a. 52001
Kessler, R., Micha (HThK.AT), Freiburg / Basel / Wien 1999
Klopfenstein, M., Art. Ehre und Schande, NBL 1 (1991) 485f
Koch, K., Der Güter Gefährlichstes, die Sprache dem Menschen gegeben ... Überle-
gungen zu Gen 2,7, in: ders., Spuren des hebräischen Denkens. Beiträge zur alt-
testamentlichen Theologie, Neukirchen-Vluyn 1991, 238–247
Köpping, K.-P. / Welker, M. / Wiehl, R. (Hg.), Die autonome Person – eine europäi-
sche Erfindung?, München 2002
Krüger, Th., Erwägungen zur Bedeutung von bAj und hb'Aj im Qoheletbuch, ThZ 53
(1997) 53–63
— , Kohelet (Prediger) (BK XIX. Sonderband), Neukirchen-Vluyn 2000
— , ach ja die seele. Der Verlust der Seele – ein Gewinn für die theologische An-
thropologie?, Hermeneutische Blätter 1/2 (2005) 34–41
— , Das „Herz“ in der alttestamentlichen Anthropologie, in: A. Wagner (Hg.), An-
thropologische Aufbrüche. Alttestamentliche und interdisziplinäre Zugänge zur
historischen Anthropologie (FRLANT 232), Göttingen 2009 (im Druck)
Lamp, E. / Tilly, M., Öffentlichkeit als Bedrohung. Ein Beitrag zur Deutung des
„Feindes“ im Klagepsalm des Einzelnen, BN 50 (1989) 46–57
Liess, K., Der Weg des Lebens. Psalm 16 und das Lebens- und Todesverständnis der
Individualpsalmen (FAT II/5), Tübingen 2004
Link, Chr., Der Mensch als Geschöpf und als Schöpfer, in: J. Moltmann (Hg.), Ver-
söhnung mit der Natur (KT 92), München 1986, 15–47
Loretz, O., Die postmortale (himmlische) Theoxenie der npš „Seele, Totenseele“ in
ugaritisch-biblischer Sicht nach Psalm 16,10–11, UF 38 (2006) 445–497
Malina, B.J., Die Welt des Neuen Testaments. Kulturanthropologische Einsichten,
Stuttgart u.a. 1993
Markschies, Ch., Art. Innerer Mensch, RAC 18 (1998) 266–312
Meinhold, A., Menschsein in der Welt vor Gott. Alttestamentliche Perspektiven, in:
ders., Zur weisheitlichen Sicht des Menschen. Gesammelte Aufsätze (ABG 6),
Leipzig 2002, 13–34
Meyer, M.F., Der Wandel des Psyche-Begriffs im frühgriechischen Denken von Ho-
mer bis Heraklit, ABG 50 (2008) 9–28
Müller, H.-P., Formgeschichtliche und sprachliche Beobachtungen zu Psalm 30, ZAH
12 (1999) 192–201
210 Bernd Janowski

Neumann, K., Art. Kultur und Mentalität, in: Chr. Frevel / A. Berlejung (Hg.), Hand-
buch theologischer Grundbegriffe zum Alten und Neuen Testament, Darmstadt
2006, 35–42
— , Art. Ehre, in: Frevel / Berlejung (Hg.), Handbuch, 138–140
— , Art. Person, in: Frevel / Berlejung (Hg.), Handbuch, 339f
Neumann-Gorsolke, U., „Mit Ehre und Hoheit hast Du ihn gekrönt“ (Ps 8,6). Altte-
stamentliche Aspekte zum Thema Menschenwürde, JBTh 15 (2000) 39–65
— , Herrschen in den Grenzen der Schöpfung. Ein Beitrag zur alttestamentlichen
Anthropologie am Beispiel von Psalm 8, Genesis 1 und verwandten Texten
(WMANT 101), Neukirchen-Vluyn 2004
Paris, R., Stachel und Speer. Machtstudien, Frankfurt a.M. 1998
Popitz, H., Phänomene der Macht. Autorität, Herrschaft, Gewalt, Technik, Tübingen
1986
Preuß, H.D., Art. ac'y," ThWAT 3 (1982) 795–822
Ricœur, P., Wege der Anerkennung. Erkennen, Wiedererkennen, Anerkanntsein,
Frankfurt a.M. 2006
Riede, P., Im Netz des Jägers. Studien zur Feindmetaphorik der Individualpsalmen
(WMANT 85), Neukirchen-Vluyn 2000
Ringgren, H., Art. [nc, ThWAT 6 (1989) 1078–1080
Ritter, H.H., Art. Gegenseitigkeit, HWP 3 (1974) 119–129
Rogerson, J.W., The Hebrew Conception of Corporate Personality: A Re-examina-
tion, in: B. Lang (ed.), Anthropological Approaches to the Old Testament, Phila-
delphia / London 1985, 43–59
Schmidt am Busch, H.-Chr., Anerkennung (DZPh.Sonderband 21), Berlin 2009
Schnieringer, H., Psalm 8. Text – Gestalt – Bedeutung (ÄAT 59), Wiesbaden 2004
Schoberth, W., Einführung in die theologische Anthropologie, Darmstadt 2006
Schönpflug, U. / Schrader, W.H., Art. Selbst, HWP 9 (1995) 292–313
Schottroff, W., Art. dq;P', THAT 2 (51995) 466–486
Schroer, S. / Keel, O., Die Ikonographie Palästinas, Israels und der Alte Orient
(IPIAO) Bd.1: Vom ausgehenden Mesolithikum bis zur Frühbronzezeit, Fri-
bourg 2005
Schüle, A., Gottes Handeln als Gedächtnis. Auferstehung in kulturtheoretischer und
biblisch-theologischer Perspektive, in: H.-J. Eckstein / M. Welker (Hg.), Die
Wirklichkeit der Auferstehung, Neukirchen-Vluyn 2002, 237–275
— , Der Prolog der hebräischen Bibel. Der literar- und theologiegeschichtliche Dis-
kurs der Urgeschichte (Genesis 1–11) (AThANT 86), Zürich 2006
Schüngel-Straumann, H., Die Frau am Anfang. Eva und die Folgen, Freiburg / Basel /
Wien 1989
— , Tobit (HThK.AT), Freiburg / Basel / Wien 2000
Schütt, H.-P., Art. Person II, RGG4 6 (2003) 1121–1123
Schwienhorst-Schönberger, L., Kohelet (HThK.AT), Freiburg / Basel / Wien 2004
Anerkennung und Gegenseitigkeit 211

Seebass, H., Art. vp,n,, ThWAT 5 (1986) 531–555


— , Genesis I: Urgeschichte (1,1–11,26), Neukirchen-Vluyn 1996
Sofsky, W., Traktat über die Gewalt, Frankfurt a.M. 1996
Spieckermann, H., Heilsgegenwart. Eine Theologie der Psalmen (FRLANT 148),
Göttingen 1989
Stoebe, H.-J., Art. [nc, THAT 2 (51995) 566–568
Taylor, Ch., Quellen des Selbst. Die Entstehung der neuzeitlichen Identität, Frankfurt
a.M. 1994
Thommen, L., Antike Körpergeschichte (UTB 2899), Zürich 2007
Vernant, J.-P., Individuum, Tod, Liebe. Das Selbst und der andere im alten Griechen-
land, in: G. Gebauer (Hg.), Anthropologie, Leipzig 1998, 22–48
di Vito, R.A., Old Testament Anthropology and the Construction of Personal Identity,
CBQ 61 (1999) 217–238 (dt. Übers. in diesem Band unten 213–241)
Vogt, L. / Zingerle, A. (Hg.), Ehre. Archaische Momente in der Moderne (stw 1121),
Frankfurt a.M. 1994
Vossenkuhl, W., Art. Wechselseitigkeit, in: O. Höffe (Hg.), Lexikon der Ethik, Mün-
chen 72008, 337f
Wagner, A., Körperbegriffe als Stellvertreterausdrücke der Person in den Psalmen, in:
ders., Beten und Bekennen. Über Psalmen, Neukirchen-Vluyn 2008, 289–317
Waschke, E.-J., Der Mensch „aus Staub“ und „Gottes Ebenbild“ – Anmerkungen zu
unterschiedlichen anthropologischen Perspektiven, in: A. Drost-Abgarjan u.a.
(Hg.), Vom Nil zur Saale (FS A. Mustafa), Halle 2008, 489–505
Weber, B., Werkbuch Psalmen I. Die Psalmen 1 bis 72, Stuttgart 2001
Weippert, H., Altisraelitische Welterfahrung. Die Erfahrung von Raum und Zeit nach
dem Alten Testament, in: dies., Unter Olivenbäumen. Studien zur Archäologie
Syrien-Palästinas, Kulturgeschichte und Exegese des Alten Testaments. Ge-
sammelte Aufsätze (AOAT 327), Münster 2006, 179–198
Weippert, M., Schöpfung am Anfang oder Anfang der Schöpfung? Noch einmal zu
Syntax und Semantik von Gen 1,1–3, ThZ 60 (2004) 5–22
Welker, M., Is the Autonomous Person of European Modernity a Sustainable Model
of Human Personhood?, in: N.H. Gregersen / W.B. Drees / U. Görman (ed.), The
Human Person in Science and Theology, Edinburgh 1999, 95–114
— , Person, Menschenwürde und Gottebenbildlichkeit, JBTh 15 (2000) 247–262
Westermann, C., Art. dbk, THAT 1 (51994) 794–812
Wolff, H.W., Anthropologie des Alten Testaments, München 41984
Zenger, E., „Aller Atem lobe JHWH!“. Anthropologische Perspektiven im Hallel Ps
146–150, in: M. Bauks / K. Liess / P. Riede (Hg.), Was ist der Mensch, daß du
seiner gedenkst? (Psalm 8,5). Aspekte einer theologischen Anthropologie (FS B.
Janowski), Neukirchen-Vluyn 2008, 565–579

Das könnte Ihnen auch gefallen