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Das Thema, mit dem sich die vorliegende Arbeit beschäftigt, diskutiert
hauptsächlich die Frage: Sind „Rasse“ und „Geschlecht“ Begriffe, unter de-
nen es möglich wäre, eine latente Philosophie des Körpers bei Heidegger zu
finden? Zunächst zeigen wir aus Heideggers Annäherung an die Leiblichkeit
in den Zollikoner Seminaren, wie sich der Körper als „Prothese“ nicht auf
die ontologische Differenz zwischen der „Vorhandenheit“ und dem „Leiben“
als mitbestimmende Bedingung des „In-der-Welt-Seins“ reduzieren lässt.
Zweitens werden wir sehen, wie Heideggers Auffassung der „Rasse“ analog
zu der der Körperlichkeit ist, indem ihr naturalistisches oder biologisches
Verständnis abgelehnt wird, um sie ontologisch in das „Rassige“ zu transpo-
nieren, ähnlich wie die Unterordnung des „Blutes“ unter die „Stimmung“,
der „Erde“ unter den „Boden“ und der „Körperlichkeit“ unter die Faktizität
der „Geworfenheit“. Diese Transposition wird ihre Aporie insofern zeigen,
als sie gleichzeitig einen „Rest“ aus sich herausschneiden muss. Im Fall der
Rasse geht es um ein Volk, das sein eigenes Volkstum ablehnt. Einerseits
würde das jüdische Volk sein Volkstum als „Rasseprinzip“ verstehen; ande-
rerseits hätte es aufgrund dieses Rassenprinzips indirekt zur „Entrassung“
aller Völker geführt und damit in sich selbst seine „Selbstvernichtung“ auch
als geschichtlichen Charakter des Volkes mit sich gebracht. Drittens werden
wir uns mit dem Versuch befassen, die Rasse in ihrer Materialität als irre-
duzibel auf ihre ontologisch geschichtliche Aneignung zu betrachten, aus
ihrer „phänotypischen Variation“ heraus oder, wie wir vorschlagen, aus der
Unentschlossenheit der „mestizaje“ mittels Deleuze und Guattari1.
Ángel Alvarado Cabellos
In der Philosophie müssen wir den Namen Gebärde nicht auf die Deutung
„Ausdruck“ beschränken, sondern müssen damit alles Sich-Betragen des
Menschen als ein durch das Leiben des Leibes bestimmtes In-der-Welt-Sein
kennzeichnen. [...] Vielmehr hält sich das Betragen schon immer in einer be-
stimmten Gegend auf, die offen ist durch das Ding, auf das ich bezogen bin,
wenn ich zum Beispiel etwas in die Hand nehme2.
Das Leibliche ist fundiert in dem Entsprechen. Das Leibliche ist nicht zu-
nächst für sich da und dann wird ein Bezugsstrom durch es, zum Beispiel
durch die Hand, durchgeschickt. Der Leib ist die notwendige, aber nicht zu-
reichende Bedingung für den Bezug8.
Bemerkungen zu „Körper“, „Rasse“ und „mestizaje“...
„Rasse“ meint nicht nur Rassisches als das Blutsmäßige im Sinne der Verer-
bung, des Erbblutzusammenhanges und des Lebensdranges, sondern meint
zugleich auch oft das Rassige. Dies ist aber nicht beschränkt auf leibliche
Beschaffenheit, sondern wir sagen z. B. auch „rassiges Auto“ (wenigstens die
Jungen). Das Rassige verwirklicht einen bestimmten Rang, gibt bestimmte
Gesetze, betrifft nicht in erster Linie die Leiblichkeit der Familie und der Ge-
schlechter. Rassisch im ersteren Sinne braucht noch lange nicht rassig zu sein,
es kann vielmehr sehr unrassig sein16.
Diese Auffassung nach der „Rasse“, sagt Heidegger, würde das „Volk“
als „Bevölkerung, Einwohnerschaft, Zusammenhang der Geschlechter“ ver-
stehen, d. h. als „Volkskörper im Sinne des leiblichen Lebens“17. Wenn man
sich beeilt, zusammen mit Heidegger die Bestimmung des Volkes auf der
Grundlage seiner Rasse abzulehnen und dann auch die Transposition vom
„Rassischen“ zum „Rassigen“ beiseitezulassen, müsste man darauf achten,
dass die erste Ablehnung dem „körperlichen“ und „sexuellen“ Charakter
DIVINATIO, volume 48, autumn-winter 2019
Wir sagen z. B.: „Ein Magenleiden drückt auf die Stimmung“, und wir re-
den von „Magenverstimmung“; wir denken dabei aber nicht daran, dass eine
Stimmung ein Magenleiden verursachen kann. Was ist Krankheit? Krankheit
ist nicht die Störung eines biologischen Ablaufes, sondern ein geschichtliches
Geschehen des Menschen, etwas, das unter anderem im Gestimmtsein grün-
det18.
Die Stimme des Blutes kommt aus der Grundstimmung des Menschen“19. 93
Jedoch ist die Stimmung, mit der sich Heidegger hier beschäftigt, im Ge-
gensatz zu der Priorität, die den Stimmungen von Angst und Langeweile
eingeräumt wird, die von „Verärgerung“, „die aufkochen, brodeln und ver-
dampfen wie das Wasser im Kochtopf“20.
Dem analogen Platz der Begriffe „Körper“ und „Rasse“ in der Heideg-
ger’schen Ontologie wollen wir entnehmen, dass die gleiche Geste in beiden
Fällen stattfindet, nämlich den biologischen Charakter der Körperlichkeit
zurückzuziehen und das Phänomen des „Körpers“ auf den der „Stimmung“,
also letztlich auf den der „Geworfenheit“ des Daseins, zu reduzieren. So wie
Heidegger im Falle des „Körpers“ von einer notwendigen, aber nicht zurei-
chenden Bedingung“ spricht, so erklärt er im Falle der Rasse:
Was in dieser Geste ausgeschlossen ist, ist gerade der Charakter der
Körperlichkeit, nicht als „Gegenstand“, sondern, wie J. Benoist feststellt,
als „Prothese“:
Meine Zahngeschichte ist langwieriger und lästiger als ich dachte; vor allem
macht die Prothese des Unterkiefers Schwierigkeiten beim Essen und Spre-
chen22.
Daher sollten wir uns fragen, was im Begriff des „Rassigen“ nach-
klingt. Das „rassige Auto“ – auch „rassiges Pferd“ sagt man, um nicht von
der Einheit „Pferdestärke“ zu sprechen – ist kein Beispiel eines bloßen „Lei-
bens“, sondern der Notwendigkeit der „Prothese“ als Erweiterung meines
Körpers, ebenso wie des Körpers als das, was die Grenze zwischen dem
Dasein und dem Tier, oder zwischen dem Dasein und der Technik ver-
wischt. Das rassige Auto ist kein Beispiel für eine Ablehnung des biologi-
schen Charakter der Rasse, sondern ist im Gegenteil eine Biologisierung der
Technik (im Englischen gibt es dafür beispielsweise den Begriff „muscle
car“), in einem Sinne des „Biologischen“, der über einen „naturalistischen
Determinismus“ hinausgeht. Das rassige Auto ist weder Vorhandenheit als
„Ausstellungswagen“ noch Zuhandenheit als „Transportfahrzeug“, sondern
Ángel Alvarado Cabellos
94 „Waffe“. In seiner Bestimmung als Prothese zeigt es nicht nur die Alterität
meines eigenen Körpers, sondern auch den Körper der Alterität, d. h. dass
es im Bereich des „Körperlichen“ nur „Symbiose“, Mischung und Mutation
der Grenzen gibt. Von A. Warhols Autounfallbildern bis zu D. Cronenbergs
Crash schwingt der Fetisch des „Vollblutautos“ mit der Spannung des „Le-
bensdrangs“, den Heidegger als einen naturalistischen Determinismus abtun
will, nämlich dass der Lebenstrieb auch der Todestrieb ist. Wie P. Trawny
hinsichtlich der „Stimme des Blutes“ bei Heidegger sagt: „Blut ja, die Kör-
perflüssigkeit selbst nein“23.
Es ist vielleicht interessant festzustellen, dass der Begriff „Rasse“ nicht
ausschließlich dem Menschen zugeschrieben wurde und wird. Bei Pflanzen
wurde er als taxonomischer Klassifikationsbegriff zusammen mit der „Sor-
te“ und der „Zucht“ verwendet und dann endgültig entfernt. Sicherlich zielt
die „Rasse“ darauf ab, aufgrund ihrer zweideutigen Etymologie zwischen
„Wurzel“ (radix) und „Grund“ (ratio), gleichzeitig einen genealogischen
Charakter von Physis und Eidos zu haben. Bei den Tieren sehen wir jedoch
deutlicher die Spannung, die diesem Wort zugeschrieben wird, denn „Ras-
se“ ist ein Begriff, der nur für Haustiere verwendet wird, also gerade für Tie-
re, die der Mensch nicht nur als Nahrung, Packtier oder Haustier gezähmt
hat, sondern zu diesem Zweck durch Selektion und Kreuzung manipuliert
hat (im Englischen ist der Begriff breeding für „Zucht“ derselbe wie für
„Rasse“). So beginnen wir, die Spannung zwischen dem „Rassischen“ und
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dem „Rassigen“ in den Beispielen des „rassigen Autos“ und des „rassigen
Pferdes“ zu sehen.
Es ist üblich, von Rassen von Hunde oder Kühen zu sprechen, aber es
wäre seltsamer, von Rassen von Tigern oder Schlangen zu sprechen. In Wirk-
lichkeit bezieht sich der Begriff „Rasse“, und damit sein fortschreitender
Abbruch im Bereich der Biologie, einerseits auf die „phänotypische Varia-
tion“ innerhalb einer bestimmten Spezies, d. h. auf die Menge der Merkma-
le eines Organismus, sowohl physisch als auch verhaltensbezogen, auf den
„Ausdruck“, der zwischen dem „Genotyp“ und seiner Umgebung stattfindet.
Die „phänotypische Variation“ ist nicht nur die sichtbare Manifestation des
Genotyps, eine Art ontischen Vorhandenseins einer biologischen Bestim-
mung, sondern ist wie der „Schlag“ oder die „Spur“, die die verschiedenen
Arten des Zusammenspiels mit der Welt erklären; in einer Vernetzung, in der
wir uns und die Welt verändern, einer materiellen Vernetzung, die sich nur
in dieser Materialität „sehen“ lässt. Andererseits, obwohl die „Rasse“ auf
dieser „phänotypischen Variation“ beruht, macht sie gleichzeitig den Willen
aus, sie zu domestizieren und zu klassifizieren, wie bei Tieren, aber auch
Bemerkungen zu „Körper“, „Rasse“ und „mestizaje“...
Wenn die neutrale und transzendentale Streuung unter der Figur des Mitseins
der a priori sowohl des in das neutrale Man zerstreuten Miteinanderleben,
als auch des in der Entschlossenheit gegründeten Miteinanderleben ist, das in
einer Art von Gegen-Zerstreuung besteht, wie kann man und wer – welches
Dasein, unter welcher Seinsweise – kann zwischen der neutralen transzenden-
talen Streuung und der Zerstreuung in das neutrale Man unterscheiden [...]?28
Alles Rassedenken ist neuzeitlich, bewegt sich in der Bahn der Auffassung
des Menschen als Subjektum. Im Rassedenken wird der Subjektivismus der
Neuzeit durch Einbeziehung der Leiblichkeit in das Subjektum und die voll-
ständige Fassung des Subjektums als Menschentum der Menschenmasse voll-
endet29.
Bemerkungen zu „Körper“, „Rasse“ und „mestizaje“...
Und zwar deshalb weil für Heidegger ein „Volk“ nicht dadurch de- 97
finiert ist, dass es eine „Rasse“, ein „Geschlecht“ oder eine „Kultur“ ist,
sondern es besteht in einer Macht des geschichtlichen Anfangs, die aus
einer Entgegnung des Wesens von Gottschaft und Menschentum entschie-
den wird, also aus einer Antwort oder einer Entscheidung gegenüber einer
Aufgabe. Das „Volk“ ist in diesem Sinne das, was sich aus dieser Aufgabe
ergibt, und die Entscheidung ist das, was seine geschichtliche Möglichkeit
darstellt30. So Heidegger:
„Die Entscheidung ist aber diese: ob der Mensch des Abendlandes sich dem
Seienden als Gegenstand überlässt oder ob er das Seyn als Ab-grund erringt
und aus diesem die Not einer Gründung seines Wesens aus der Zugewiesen-
heit zum Sein“31.
98 lässt, d. h. des Körpers, der im Rahmen der Geschichte des Seins in sei-
ner notwendigen Ipseität als „Volk“ im Sinne einer „Rasse“ durchscheint.
Wie J.-L. Nancy sagt: „Heideggers Seyn lässt sich in dem zusammenfas-
sen, was das Sich-selbst-sein oder das Sein als Sich-selbst übersteigt. Aber
der Heidegger der Schwarzen Hefte hat das Selbst in eine Art Feind von
jedem anderen verzerrt“33. Das ist es, was gleichzeitig durch eine ontolo-
gische Transposition des „Rassischen“ in das „Rassige“, des „Blutes“ in
die „Stimmung“, der „Erde“ in den „Boden“ und der „Körperlichkeit“ in
die Faktizität der „Geworfenheit“ ausgetrieben werden muss. Diese Geste
muss gleichzeitig einen „Rest“ hinausschneiden, im Falle des Körpers, wie
wir gesehen haben, seine Bestimmung als Prothese; im Falle der Rasse, ein
Volk, das sein eigenes Volkstum ablehnt. Zum einen würde das jüdische
Volk sein Volkstum genau als „Rasseprinzip“, als naturalistische Bestim-
mung der Rasse verstehen, analog zum Seienden als Gegenstand und zum
Ende der Metaphysik in seinen Bestimmungen von „Machenschaft“ und
„Bodenlosigkeit“. Zum anderen hätte das jüdische Volk aufgrund solcher
Bestimmungen indirekt zur Entrassung der Völker geführt und damit in sich
selbst seine Selbstvernichtung auch als geschichtliche Bestimmung des Vol-
kes mit sich gebracht:
Durch den Rassengedanken wird „das Leben“ in die Form der Züchtbarkeit
gebracht, die eine Art der Berechnung darstellt. Die Juden „leben“ bei ihrer
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Ergänzt wird dies wiederum durch die Figur des „anderen Anfangs“,
die in der aporetischen Geste der „Mimesis“ verwurzelt ist, d. h. den ersten
griechischen Anfang zu „imitieren“, um einen Ursprung zu gründen. Wie
Ph. Lacoue-Labarthe bereits sagte, geht es um die Geste der mimetischen
Aneignung aller politischen Bildung – welche er „Nationalästhetizismus“
nennt –, der Maxime: „imitiere mich, um dich selbst zu sein“35. Damit ist
verbunden, dass das Wesen des Volkes, das seine eigene Selbstzerstörung
verkörpert, auf einem historischen und nicht auf einem geschichtlichen
Antisemitismus beruht, dessen Ursprung Heidegger nicht in Frage stellt
und der, wie J.-L. Nancy und D. Franck feststellen, seinen Ursprung in der
Bemerkungen zu „Körper“, „Rasse“ und „mestizaje“...
100 Auffassung der Rasse zu denken. In diesem Sinne fasst die Kritik an Hei-
degger den Begriff „Rasse“ auf als wäre sie nur ein „soziales oder diskur-
sives Konstrukt“. Im Gegensatz dazu, wie A. Saldanha sagt, wird „Rasse“
nach einer materialistischen Auffassung nicht einfach als eine willkürliche
Bestimmung verstanden, die den Körpern auferlegt wird, sondern ist eine
„unnötige und irreduzible Wirkung der Art und Weise, wie die Körper mit-
einander und mit ihrer Umgebung interagieren“, und ihre Räumlichkeit „ist
nicht eine von Ebenen oder Dialektiken des Selbst und der anderen, sondern
eine ,Viskosität‘, die Körper werden allmählich klebrig und organisieren
sich in Aggregaten“38. So würde die Anprangerung des Antisemitismus in
den Schwarzen Heften nicht den Begriff „Rasse“ leugnen, sondern „ihre
Energien gegen die Klebrigkeit der Rassentrennung kultivieren“39. Wie
kann man sich nach einer materialistischen Auffassung an den Begriff „Ras-
se“ bei Heidegger annähern? Gerade durch die Geste, die im „Rassischen“
keinen verborgenen Rassismus, sondern seine Unfähigkeit, mit seiner „Vis-
kosität“, mit einer sozusagen „ontologischen Mischung“, umzugehen, an-
prangert. Warum stört das Wort „Rasse“ die Exegese so sehr? Es scheint
auf eine ebenso ideologische Voraussetzung des Westens zurückzuführen
zu sein, um einen Kosmopolitismus zu erreichen, der über die vermeintlich
unbedeutenden phänotypischen Unterschiede hinausgeht, die die Europäer
Jahrhunderte lang als „Rasse“ bezeichnet haben.
Wie wir jedoch in Bezug auf den Körper als „Prothese“ in seiner Irre-
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Der Begriff der „Kontamination“ ist für das Folgende auf eine spezifische 101
Weise wichtig. Der Antisemitismus, der bestimmte Passagen der „Schwar-
zen Hefte“ befällt, kon-taminiert, berührt anderes mit. Die Folge ist, dass Ge-
danken, die bisher als neutrale theoretische Einsichten aufgefasst wurden, in
einem anderen Licht erscheinen. Das geschieht, weil die Kontamination die
Ränder von Gedanken angreift, sie auflöst, verwischt42.
Was in der „Rasse“ als Name des Körpers genau nachklingt, ist der
„Rest“, der sich nicht in die Struktur des In-der-Welt-Seins einordnen lässt,
für die er gleichzeitig mitbestimmend würde. Es ist das, was als die Alterität
des Körpers in der „Krankheit“ und im „Virus“ schwingt. Es ist gerechtfer-
tigt, von „Kontamination“ in Bezug auf die Rasse zu sprechen, nicht weil
es sich um eine ontische Bestimmung handelt, die die ontologische Reinheit
des Daseins verunreinigt, sondern weil das Wesen der Rasse die „Kontami-
nation“ ist. Das ist es, was G. Deleuze und F. Guattari zum Ausdruck brin-
gen, wenn sie behaupten, dass das „nomadische Denken“ gegen das klas-
sische Gedankenbild, das mit zwei „Universalen“ operiert, das Ganze als
letzte Grundlage des Seins oder des umfassenden Horizontes, und das Sub-
jekt als Prinzip, das das Sein in Für-uns-Seins verwandelt, d. h. „Imperium“
und „Republik“, kein universelles Denksubjekt, sondern eine „einzigarti-
ge Rasse“ beansprucht. Und dieser „Rassenstamm“ basiert nicht auf einer
allumfassenden Totalität, sondern entfaltet sich in „einer Umgebung ohne
Horizont als glatter Raum, Steppe, Wüste oder Meer“43. So bekräftigen sie:
Der Rassenstamm existiert nur auf der Ebene einer unterdrückten Rasse und
im Namen einer erlittenen Unterdrückung: es gibt nur eine untergeordnete,
minoritäre Rasse, es gibt keine dominante Rasse, eine Rasse wird nicht durch
ihre Reinheit definiert, sondern im Gegenteil durch die Unreinheit, die ein
Herrschaftssystem ihr verleiht. Bastard und Mischling sind die wahren Na-
men der Rasse44.
102 Warum sollte nicht die Reinigung und Sicherung der Rasse dazu bestimmt
sein, einmal eine große Mischung zur Folge haben: die mit dem Slaventum
(dem Russischen – dem ja der Bolschevismus nur aufgedrängt und nichts
Wurzelhaftes ist)?46.
Wenn gesagt wurde, dass der Begriff „Volk“ keinen ontischen Charak-
ter hat, sondern den geschichtlichen Charakter der Entscheidung und dass
er dennoch in einer „Figur“ „verleiblicht“ werden muss, was nützt es dann,
von einer „Mischung“ zwischen den Völkern zu sprechen, wenn nicht in das
Ontische zurückzukehren? Außerdem ist es gewissermaßen keine horizon-
tale Mischung, sondern eine Mischung, in der „der deutsche Geist in seiner
höchsten Kühle und Strenge ein echtes Dunkel meistern und zugleich als sei-
nen Wurzelgrund anerkennen müsste“47. Und diese Einigung zwischen Ger-
manentum und Russentum besteht in der Aufnahme der „Unerschöpflichkeit
der russischen Erde in die Unwiderstehlichkeit des deutschen Planens und
Ordnens“48. Wie kommt es, dass das deutsche Volk, das sich in einem „Bo-
den“ verleiblichen muss, der jede ontische Bestimmung ablehnt, und der aus
der „Geworfenheit“ verstanden werden muss, eine unerschöpfliche „Erde“
braucht, aus der es Wurzeln schlagen kann? Besteht aus der Betrachtung der
„Mischung“ nicht die Möglichkeit, die Irreduzibilität der Räumlichkeit und
des Körperlichen im Hinblick auf die vermeintliche Selbstbestimmung des
Volkes, auch in ihren ontologisch geschichtlichen Charakter, zu erkennen?
Trotz seiner Ablehnung des „Amerikanismus“, scheint Heidegger die glei-
DIVINATIO, volume 48, autumn-winter 2019
sondern vielmehr als die dem Westen eigene Wunde in Bezug auf die „Ras- 103
se“. Eine Verurteilung der Verwendung des Begriffs bei Heidegger würde dem
Willen gehorchen, ihn durch einen „Kosmopolitismus“ zu überwinden, der die
Gefahr mit sich bringt, seine „Präsenz“ im gegenwärtigen Kontext unsichtbar
zu machen, d. h. wenn ein großer Teil der Bevölkerung weiterhin nicht nur unter
den damit verbundenen Vorurteilen lebt, sondern auch nach Wegen sucht, sie zu
bekämpfen. Ihre Unsichtbarkeit wäre in der Tat ein Privileg, das sich diejenigen,
die nicht unter ihrer Bestimmung leben, leisten können.
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Notes
1
Es ist zu beachten, dass die Irreduzibilität des „materiellen“ Charakters der
„Rasse“ in Bezug auf die ontologische Transposition Heideggers im vorliegen-
den Text mit einem Wort „geschlagen“ wird, dessen „Geschlecht“ im Sinne von
„mestizaje“ auch auf das Deutsch irreduzibel bleibt. Wie Derrida in Geschlecht
III betont, führt Heidegger das Wort „fremd“ auf seine „ursprüngliche“ Bedeu-
tung im Althochdeutschen als „fram“ zurück, d.h. als „anderswohin vorwärts“,
letztlich als „unterwegs nach“, in dem es aber kein „Irren“, sondern „Bestim-
mung“ gibt. Eine solche „etymologische“ Annäherung hat bei Heidegger den
Charakter, die Sprache selbst wieder auf das „Ungesprochene“ zurückzuführen,
also das Wort „fremd“ zu etwas „Fremdem“ zu machen. Jedoch transponiert
Heidegger gleichzeitig die lateinische Bedeutung des „Fremden“ als „das Orts-
fremde“ und „das Ungewohnte“ (extraneus) in etwas, das sich im Deutschen
selbst unter Ausschluss jeder „fremden“ Sprache abspielt und das eine solche
lateinische „Fremdheit“ zu einer „immanenten“ Fremdheit macht. Wie Derrida
feststellt, kann man, wenn diese Transposition einmal vollzogen ist, „ein Aus-
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länder oder ein Fremder von innen heraus sein“ (S. 61). So ist es gerechtfertigt,
den „Rest“ des „Fremden“ als bestimmungslose Nomadisierung in einer frem-
den Sprache als „mestizaje“ zu sagen, wofür das Deutsche ein Wort in Anspruch
nehmen muss, das entweder an seine eigene Kontamination als „Mischlingkeit“
erinnert, also als etwas, das an den jüdisch-arischen Mischling oder an die jüdi-
sche Prägung des Christentums appelliert, oder eine lateinische Kontamination
der eigenen Sprache als „Mestize“ durchsagt.
2
Heidegger, M., Zollikoner Seminare, S. 118.
3
Ebd., S. 113.
4
Benoist, J., „Chair et corps dans les séminaires de Zollikon: La différence et le
reste“, S. 115.
5
Heidegger, M., a. a. O., S. 244.
6
Ebd.
7
Ebd., S. 293-294.
8
Ebd., S. 232.
9
Vgl. Benoist, J., a. a. O., S. 116.
10
Heidegger, M., Sein und Zeit, GA 2, S. 190.
11
Heidegger, M., Zollikoner Seminare, S. 58.
Bemerkungen zu „Körper“, „Rasse“ und „mestizaje“...
12
Benoist, J., a. a. O., S. 119. 105
13
Ebd.
14
Ebd., S. 121.
15
Trawny, P., Heidegger und der Mythos der jüdischen Weltverschwörung, S. 59.
16
Heidegger, M., Logik als die Frage nach dem Wesen der Sprache, GA 38, S. 65.
17
Ebd., S. 65-66.
18
Ebd., S. 153.
19
Ebd.
20
Ebd., S. 151.
21
Heidegger, M., Überlegungen II-IV (1931-1938), GA 94, S. 189.
22
Heidegger, M., Zollikoner Seminare, S. 345.
23
Trawny, P., Heidegger-Fragmente, S. 238.
24
Heidegger, M., Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Ausgang von Leib-
niz, GA 26, S. 173.
25
Ebd., S. 174; vgl. auch Franck, D., Heidegger et le problème de l’espace, S. 36.
26
Ebd., S. 174-175.
27
Heidegger, M., Sein und Zeit, S. 390.
28
Franck, D., a. a. O., S. 38.
29
Heidegger, M., Überlegungen XII-XV (1939-1941), GA 96, S. 48.
30
Ebd., S. 48; vgl. auch Nancy, J.-L., Banalité de Heidegger, S. 19.
31
Heidegger, M., Überlegungen VII-XI (1938-1939), GA 95, S. 339-340.
32
Ebd., S. 340.
33
Nancy, J.-L., a. a. O., S. 60.
34
Heidegger, M., Überlegungen XII-XV (1939-1941), GA 96, S. 56.
35
Lacoue-Labarthe, Ph., La fiction du politique. Heidegger, l’art et la politique, S.
114-133.
36
Vgl. Nancy, J.-L., a. a. O., S. 43-49; Franck, D., „Hors du Judaïsme, c.-à-d. du
Christianisme“, S. 209-252.
37
Nancy, J.-L., a. a. O., S. 85.
38
Saldanha, A., „Reontologising Race: the machinic geography of phenotype“, S. 10.
39
Ebd.
40
Saldanha, A., „Introduction. Bastard and Mixed-Blood are the True Names of
Race“, S. 7.
41
Ebd.
42
Trawny, P., Heidegger und der Mythos der jüdischen Weltverschwörung, S. 12.
43
Deleuze, G. und F. Guattari, Mille Plateaux, S. 469.
44
Ebd., S. 470.
45
Saldanha, A., a. a. O., S. 23.
46
Heidegger, M., Überlegungen VII-XI (1938-1939), GA 95, S. 402.
47
Ebd.
48
Ebd., S. 403.