Sie sind auf Seite 1von 22

FUNDAMENTALPHILOSOPHISCHE

BETRACHTUNGEN
von Hermann Glockner, Braunschweig

1. Zur Theorie der Begriffsbildung

Worte bezeichnen Etwas: sie beziehen sich als Etwas auf Etwas, sie bringen
Etwas symbolisch zum Ausdruck, sie nennen Etwas beim Namen.
Begriffe bedeuten Etwas: sie werden definierend gebildet; die zur Definition
verwendeten Worte müssen selbst definiert, d. h. zu Begriffen gemacht sein; ihre
Beziehung auf Etwas muß eindeutig feststehen.
Individualbegriffe bedeuten Etwas vorzüglich als Dieses; Allgemeinbegriffe
bedeuten Etwas vorzüglich als Generelles, d. h. allen Derartigen Gemeinsames;
Inbegriffe bedeuten Etwas vorzüglich als gegliedertes Erscheinungsganzes.
Individualbegriffe bedürfen als solche keiner Definition; die Bedeutung des
(Eigen-)Namens ist jeweils durch ,diesen' Namensträger bestimmt und kann
jallgemein* im individuellen Sinne nicht genauer bestimmt werden (Individuum
ineffabile). — Die Bezeichnung Eigen-Name wird von mir nicht nur für Per-
sonen, sondern für jede Individualität gebraucht, d. h. nicht nur für Einzelwesen,
sondern auch jeweils für eine (,diese*) Art, Gattung, Familie, für ,dieses* Volk,
,diesen* Zeitraum usw. In allen diesen Fällen kann der Individualtypus charakteri-
siert werden, wobei die Beschreibung des Erscheinungsganzen eine größere Rolle
spielt als die Abgrenzung durch Ausschließung.
Allgemeinbegriffe werden vorzüglich rational durch unterscheidende Spezifi-
kation und verallgemeinernde Zusammenfassung von Gleichem (Generalisation)
gebildet, wobei jedoch zu beaditen ist, daß der Definierende zwar das Gemeinsame
vom Nichtgemeinsamen unterscheidet, aber stets auch Erscheinungsganzes im Be-
wußtsein hat, anschaut oder imaginiert. Es wird also nicht nur durch Unter- und
Überordnung determiniert, sondern auch innerhalb eines Ganzen nebenordnend
Ganzes mit Ganzem verglichen, beschrieben, charakterisiert und in seiner Eigen-
tümlichkeit festgestellt und zu „verstehen" versucht, so daß das generalisierende
und das individualisierende Verfahren ineinandergreifend zusammengehen.
Zum Inbegriff wird jeder Begriff, wenn es weniger auf Über- und Unterordnung,
mehr auf das Nebeneinander ankommt1. In der Begriffspyramide kann jeder

* Vgl. Wolfgang Ritzel, Lessing (1966), S. 14CK-155.

267
Begriff als Allgemeinbegriff wie als Inbegriff bezeichnet werden. Ja sogar als In-
dividualbcgriff, insofern ,dieserf Begriff ,diese' Art kennzeichnet.
Man sollte sich wohl überhaupt hüten: den Begriff (etwa im Unterschied zur
Sache) für etwas ausschließlich und wesentlich Verstanderzeugtes zu halten. Der
Begriff ist nicht rationaler als das Wort und die Zahl, mit welchen beiden „Ge-
genständen" er als „Symbol" die Gegenstandsklasse teilt. Es gibt keinen Begriff,
der nicht leibhaftig erschiene, wenn er von einem menschlichen Bewußtsein gedacht,
gebildet oder begriffen wird: allemal jetzt, als dieser und von diesem leibhaftigen
Menschen — er mag so allgemein gelten wie nur immer möglich!
Diese meine Auffassung weicht von der üblichen ab und hat'weitreichende
Konsequenzen. Wenn der Allgemeinbegriff auch Inbegriff und sogar Individualbe-
griff ist und — als Begriff von Etwas — sein muß, dann kann es auch umgekehrt
beim Individualbegriff nimmermehr ohne Rationalität abgehen. Unterscheidung
und Einbeziehung in einen Zusammenhang'von Allgemeinerem und Speziellerem
werden stets auch eine Rolle dabei spielen müssen. Ebenso beim Inbegriff.
Begriffsbildung ist als Vergegenständlichung allemal nur theoretisch-praktisch-
poietisch möglich. Der Mensch „macht" sich Begriffe von „Etwas"; das dient prak-
tisch-pragmatisch seiner Selbsterhaltung und beruht nichtsdestoweniger fundamen-
tal auf der Voraussetzung, daß sich der Denker und Begriffsbildner von dem
Lebensbetrieb und der Sorge um die Erhaltung" und Mehrung seiner Macht be-
trachtend (theoretisch) distanziert.
Wenn wir Begriffe bilden, machen wir Etwas aus Etwas. In dem Satze des
Selbstbewußtseins „Ich bin Ich" fungiert das zweimal vorkommende Wort Ich in
begrifflich verschiedener Weise als Subjekt und als Objekt; es bedeutet mich aber
auch einmal als Vergegenständlichenden und zweimal als Gegenstand, nämlich
zuerst als natürlich-bewußtes Wesen, zuletzt (verwandelt) als selbstbewußten
Menschen.
Die Worte bezeichnen, die Begriffe bedeuten Etwas, das nur gegenständlich,
niemals exklusiv-rational (rationalistisch) begriffen zu werden vermag. Würde
ich gegen das Wort „Sein" nicht so viele grundsätzliche Bedenken hegen, so würde
ich sagen: Worte und Begriffe sind Etwas. Ich würde in diesem Falle (wie Lotze
in dem berühmten Kapitel seiner Logik, wo er das ,Sein' der platonischen Ideen als
,Gelten' deutet) Bezeichnen und Bedeuten als Seinsweisen auffassen: als Modi des
Esse. Aber ich könnte midi zu dieser Terminologie nur unter umständlichen Absiche-
rungen entschließen, — und die vielgeliebte Onto-theo-logie wäre das dann selbst-
verständlich doch nicht mehr. Darum halte ich es nach wie vor für besser, den
Gebrauch des Wortes „Sein" zugunsten des Wortes „Etwas" einzuschränken.

2. Zum „Ding an sich"


Man sollte als Fundamentalphilosoph auch nicht mehr vom Ding an sich, son-
dern besser von Etwas an sich sprechen. Erkennen heißt stets Etwas erkennen;
aber nicht Alles und Jedes, das erkannt zu werden vermag, ist als Ding zu be-

268
zeichnen. Es gibt Gegenstände (Etwas) verschiedener Art; die Dinge machen
nur eine Gegenstandsklasse neben anderen aus.
Etwas an sich kann dann zweierlei bedeuten. Man kann darunter eine dem Er-
kennen unerreichbare Tiefenschicht verstehen: den eigentlichen Inhalt, falls das
Erkennen als Formung gefaßt wird — oder auch das hinter der Erscheinung
Befindliche, falls man die Wissenschaft mit Kant auf die Erkenntnis von etwas
Erscheinendem beschränkt.
Etwas an sich kann aber auch das vor aller Erkenntnis, das von Erkenntnis
noch Unangetastete, durch Erkenntnis noch Unverformte bedeuten. Hegel spricht
in diesem Sinne vom An sich. Er versteht unter Erkennen speziell die unter-
scheidend-beziehende Reflexion, d. h. die Verstandeserkenntnis, die das Unter-
schiedene jeweils für sich nimmt.
Auch Kant versteht unter Erkennen das analytisdi-synthetische, rational-rela-
tionale, das Eine gegen das Andere abgrenzende und die Beziehung des Unter-
schiedenen feststellende Erkennen. Wer sich das deutlich macht, sieht unschwer ein,
daß die zu dem Grenzbegriff des sogenannten Ding an sich führende Frage-
stellung als notwendige Konsequenz aus seiner kritisch unterscheidenden Er-
kenntnislehre hervorging.
Die Marburger Kantschule hat sich zu dieser Auffassung am entschiedensten be-
kannt. Cassirer meinte: Kant verwandelte den Dingbegriff grundsätzlich in
einen Relationsbegriff, den Substanzbegriff in einen Funktionsbegriff. Aber
diese Verwandlung konnte unmöglich absolut durchgeführt werden, weil sie ja
doch prinzipiell auf Relativierung beruhte. Ein restlos in Beziehungszusammen-
hänge aufgelöstes Etwas wäre dieses Etwas nicht mehr; unser Natürliches Be-
wußtsein jedoch, das von keiner Dialektik weiß, hält das Gegenständliche auch
dann noch als Etwas fest, wenn es der analytisch-synthetische Verstand schon
ganz und gar zerdacht und als Beziehungsbündel festgestellt hat. Was das Na-
türliche Bewußtsein unbekümmert um alle wissenschaftlichen Ergebnisse treu be-
wahrt, nennt der Erkenntnistheoretiker den Gegenstand an sich — wohl wissend,
daß dieses streng genommen für die Erkenntnis gar nicht Formulierbare er-
kenntnistheoretisch nur einen Grenzbegriff bedeutet.
Wer meinen Ausführungen bis hierher folgen mochte, steht jetzt unmittelbar vor
der entscheidenden Einsicht der Fundamentalphilosophie.
Etwas ,an sich' darf weder ,hinter' noch ,vor' der rational-relationalen Er-
kenntnis gesucht werden, sondern die beiden Worte „an sich" bezeichnen im Unter-
schiede zu dem jeweils durch Abstraktion vom Anderen festgestellten Ein-und-
Anderen — das gar nicht „ist" (im substantiellen Sinne), sondern lediglich als
Beziehungszusammenhang feststellbar „fungiert" (wenn festgestellt, „besteht") —
dieses Ganze, dessen Erscheinung und Individualität das für sich allein in der
Welt überhaupt nicht mögliche Relationale überhaupt erst zu Etwas macht.
Daß das von Kant als Ding an sich Bezeichnete gar kein Ding ist, sondern bloß
ein Grenzbegriff, weiß heute jeder philosophisch Gebildete, d. h. jeder Kenner
der Transzendentalphilosophie. Aber was ich Etwas an sich nenne, trägt diese

269
Bezeichnung auch nur unter der Bedingung mit Recht, daß wir dieses Erscheinungs-
ganze (wie es allerdings anders auch gar nicht möglich wäre) auch als ein rational-
relational Bestimmtes bzw. Bestimmbares feststellen.
Dem Gegenstand über die Feststellung als dieses in der Einheit seiner Mannig-
faltigkeit rational-irrational feststellbare (bestimmbare) Erscheinungsganze hinaus
noch einen die Erscheinung tragenden ,substantialen' Wesenskern zuzusprechen, ist
nicht nur überflüssig, sondern geradezu falsch. Ein solcher Wesenskern wäre
nämlich auch wieder nur als Etwas in der Welt möglich, d. h. er würde die leib-
haftige Erscheinung nicht entbehren können. Wir dürfen also sagen, daß die
Fundamentalphilosophie das Problem des Ding an sich nicht nur gelöst, sondern aus
der Welt geschafft hat.

3. Zum Möglichkeitsproblem

Wenn wir sagen: in der Eichel schlummere die Möglichkeit, sich zum Eichbaum
zu entfalten, so bedeutet solche „Potentialität" eigentlich Notwendigkeit. Wenn
die Voraussetzungen oder Bedingungen erfüllt sind, geht die Entwicklung ihren
notwendigen Gang und es ist unmöglich, daß eine Linde heranwächst. Immerhin
sind im Ganzen dieser organischen Entwicklung — einem Zusammentreffen der
verschiedensten Notwendigkeiten zufolge — unvorhersehbar verschieden gestaltete
Einzelexemplare und sogar zur Entstehung neuer Arten führende Abwandlungen
des Eichentyps möglich. Ich habe dafür den Begriff der Freizügigkeit2 eingeführt,
der zeigen soll, wie Mutation und Selektion innerhalb des Naturgeschehens erklär-
bar werden, wenn man die rational-relationale Sphäre des Beziehungs- und Wir-
kungszusammenhangs im gegenständlichen Ganzen jeweils individuell erscheinen
läßt.
Während sich ,diese* Eichel entwickelt, werden die Bedingungen, unter denen
eine Eichel zu einer Eiche heranwächst, nicht bloß im Allgemeinen erfüllt, sondern
auch in individueller Weise. So entwickelt sich unter ,diesen* Umständen not-
wendig (und auch wieder nicht notwendig; denn es sind durchaus andere je-
weils hie et nunc individuell gelagerte Umstände vorstellbar) ,diese5 Eiche. Aus
,dieser' Eichel wäre unter anderen Umständen eine andere Eiche geworden, die
nichtsdestoweniger ebenso notwendig die Entfaltung ,dieser' individuellen Eichel
gewesen wäre.
Das Beispiel zeigt das innige Ineinander der „Sphären" und damit auch von
Notwendigkeit und Möglichkeit in der Welt. Es geschieht alles notwendig und
doch allemal jetzt und hier etwas Einmaliges als dieses (historisch zu würdigende)
Ereignis. Nur Notwendiges ist möglich; aber eine geradezu unendliche Fülle
von „so" noch nie Dagewesenem und „so" nie wieder Erscheinendem begibt sich
nichtsdestoweniger beständig in der Welt.
2
Gegenständlichkeit und Freiheit, Bd. I, S. 240. Weitere Stellen verzeichnet das Be-
griff sregister am Schluß des II. Bandes.

270
Nur der selbstbewußte Mensch hat die Fähigkeit, das Notwendige zu erkennen,
indem er nach freien Entwürfen Etwas aus Etwas macht: wissenschaftliche Begriffe,
anschaulich gestaltete Kunstwerke, geschichtlidi erinnerte Vergegenständlichungen
individueller Schicksale.
Audi nach den Bedingungen dieser seiner Fähigkeit kann der Mensch fragen —
und damit nach den Voraussetzungen von Möglichkeit in der ontologischen wie
in der erkenntnistheoretisch-transzendentallogischen Bedeutung dieses Begriffs.
Der Versuch ist lehrreich; denn er führt den Nachkantianer zunächst einmal
zur kritischen Abgrenzung des in keiner Weise weiter zu verdeutlichenden dy-
namischen Quellpunkts (d. h. der ihre Potentialität aktualisierenden Entelechie an
sich] gegenüber dem in selbstbewußt-vergegenständlidiender Vergegenständlichung
geleisteten Etwas. Ein solches Etwas wäre z. B. das aisthetisch überschaubare Ent-
wicklungsganze eines und desselben aus dieser Eichel heranwachsenden, in der
geschlossenen Folge seiner unterscheidbar zusammenhängenden Erscheinungs-
phasen betrachteten und beurteilten Eichbaums, der selbst wieder Eicheln trägt.
Reflektieren wir auf dieses anschaulich wahrgenommene, in unserer Erinnerung
festgehaltene, in unserer Einbildung reproduzierbare, durch wiederholte Beobach-
tungen zu überprüfende und zu bereichernde Ganze, so sind wir zur Bildung der
Begriffe Möglichkeit, Wirklichkeit, Notwendigkeit imstande und berechtigt;
denn wir deuten uns mit Hilfe dieser verdeutlichenden Begriffe lediglich das
Ganze dieses unseres Selbstbewußtseins, dessen Existenz als solche außer Frage
steht. Wir lernen nur eine Potentialität kennen, deren Fundament wir nicht
transzendieren, obwohl wir mit seinen Bausteinen ein Modell errichten, welches
der Struktur unseres Selbstbewußtseins entspricht.
Daß der Begriff Möglichkeit unter allen Umständen der Reflexion verdankt
wird, liegt auf der Hand. Aber nun unterscheidet sich der Fundamentalphilosoph
vom Erkenntniskritiker dadurch, daß er den Reflexionsbegriff anders gebraucht,
insofern er die unterscheidend-feststellende Funktion der Ratio nicht verabsolutiert,
d. h. unsere selbstbewußte Inderweltbefindlichkeit nicht nur auf Relationen
reduziert. Zwar ergänzte auch Kant die gedankliche Subjekt-Objekt-Korrelation
durch phänomenale Anschauung; aber er ließ doch abermals eine Form-Inhalt-
Beziehung walten, wo das relationale Verhältnis als unmittelbar in Erscheinung
schwebendes Ganzes zu begreifen gewesen wäre, das in der Kunst ebenso ge-
steigert zum Selbstbewußtsein gebracht zu werden vermag wie der rational-
relationale Beziehungszusammenhang in der exakten Wissenschaft.
Der Fundamentalphilosoph ist sich bewußt, daß ihm der unmittelbare Besitz
seines „ganzen" Leibes, mit dem er sich identifiziert, den er mit Hilfe seiner
eigenen Sinnesorgane anschaut, durch den er sich selbst und anderen gestalthaft er-
scheint, noch eine ganz andere Möglichkeit des selbstbewußt vergegenständlichenden
Verstehens bietet als die ausschließlich Getrenntes verbindende und auf solche
Weise allgemeine Beziehungen feststellende Ratio. Er vermag ein organisch'es
Entwicklungsganzes ebenso zu verstehen wie einen mechanischen Beziehungszu-
sammenhang, weil organhafte Anschaulichkeit der Erscheinung zum Fundament

271
der Indcrweltbefindlichkeit gehört und demzufolge auch im Selbstbewußtsein
zum Ausdruck gelangt, dem also nicht nur rational-relationale Selbsterkenntnis,
sondern konkrete Sdbstvergegenständlicbung möglich ist.
Der rationale Möglichkeitsbegriff, den Christian Wolff auf die Formel brachte:
„Möglich ist, was nichts Widersprechendes in sich enthält", wurde schon von
Kant für formal, d. h. inhaltsleer gehalten und dahin erweitert, daß im tran-
szendentallogischen Sinne nur das mit den formalen Bedingungen der Erfahrung
(wozu auch die ,Formen' der Anschauung gehören) Übereinkommende möglich
sei. Wenn Kant nun aber von solcher Möglichkeit zur Wirklichkeit weiterging, so
unterschied er sich kaum vom kritischen Positivismus Humes, indem er er-
klärte: Wirklich ist, was mit den materialen Bedingungen der Erfahrung (d. h.
mit der Empfindung) zusammenhängt. Dem widersprach schon Fichte; und
zwar nicht, weil ihn der sogenannte Realismus störte, sondern wegen des Rück-
falls in den rationalen Dogmatismus, der mit der Lehre vom „Ding an sich"
eklatant wurde.
Den fundamentalphilosophischen Gegenstandbegriff treffen diese Bedenken
nicht mehr; denn er ist nicht mehr ausschließlich am trennend-verbindenden Er-
kennen orientiert und auf die Form-Inhalt-Korrelation aufgebaut. Das „Ding
an sich" darf hier für eine schlechterdings überwundene Aporie gelten.
Wenn Fichte erklärte: „Alle bloße Möglichkeit gründet sich auf die Abstrak-
tion von der bekannten Wirklichkeit. Alles Bewußtsein geht sonach aus von einem
Wirklichen" — so vertrat er keinen romantischen Idealismus. Wir teilen seinen
Standpunkt mit der gebotenen Unvoreingenommenheit, d. h. wir verstehen unter
dem Worte Wirklichkeit nichts Transzendentes, sondern „Etwas", das sich am
Menschen, seinem Bewußtsein und Allem und Jedem, wessen er sich bewußt sein
mag, exemplifizieren läßt. Und nun zeigt sich sofort, wieso die Notwendigkeit
eintritt, das Mögliche vom Wirklichen zu unterscheiden. Alles in der Welt ist in
Bewegung und verändert sich, wie der Mensch erkennt, mit Notwendigkeit.
Indem der Mensch jedoch den Begriff der Notwendigkeit bildet, hat sich mitten
in der Wirklichkeit die Möglichkeit einer Freiheitsleistung erwiesen. Mit seinem
Natürlichen Bewußtsein bleibt der Mensch ein Geschöpf der Natur, bleibt er Etwas.
Es gibt also Etwas, das sich selbst bewußt als Etwas erfaßt, sich selbst vergegen-
ständlicht! Diese (wie man zu sagen pflegt: geistige) Möglichkeit ist von der
natürlichen Potentialität der Eichel, sich zur Eiche zu entwickeln, so weit ver-
schieden, daß unsere Vorstellungen von Entwicklung zur Erklärung nicht aus-
reichen.
Nur diese natürlichen Vorstellungen sind es jedoch, zu denen der selbstbewußte
Mensch vernünftigerweise zu gelangen die — wie die ,Existenz als solche' un-
erklärbare — ,Freiheit' hat. Er vermag dieses „Wunder" nur ebenso zu konsta-
tieren wie das Wunder, daß ,es überhaupt Etwas gibt'. Gleichwohl sieht er sich
dadurch, daß er selbstbewußt Etwas aus Etwas zu machen imstande ist, über
die Natur hinausgehoben. Dies verwirrt den Menschen und er beginnt Irrtümern an-
heimzufallen, deren Phänomenologie wohl noch niemand vollständig entwarf.

272
Die drei hauptsächlichsten Richtungen lassen sich aber unschwer namhaft machen;
denn sie sind bekannt genug.
Der erste Irrtum ist, daß sich der Mensch im Hochgefühl seiner Spitzenstellung
alles für möglich zu halten vermißt. Aber nur unproduktive Kulturmitläufer 3
beharren in diesem eitlen Wahn. Den Intelligenten klärt sein Verstand bald
darüber auf, daß jedenfalls das Sich-Widersprechende unmöglich ist. Doch auch
im Reiche der Anschauung sieht sich der Schaffende als Künstler bewogen, nicht
alle Entwürfe seiner freischweifenden Imagination für der Ausführung wert
zu halten, selbst wenn er sie ausführen kann. Das Abscheuliche wird (vielleicht nicht
sofort und nicht von jedem, aber gewiß nach einiger Zeit von den Urteilsfähigen)
zurückgewiesen. Auch das handelnde Individuum setzt sich selbst Schranken, da es
um der Freiheit willen die unterscheidende Anerkennung des Gesetzlichen von
dem gesellschaftlich Untragbaren auch von anderen fordern muß. Die Vorstellung
einer Weltordnung bildet sich heraus, über die sich nicht einmal ein Gott hinweg-
setzen dürfte. Ja man meint, daß gerade Gott das nicht einmal wollen kann.
Reflexionen der letzteren Art waren es, die vor allem philosophierende Theolo-
gen auf das halsbrecherische Gelände der sogenannten Theodizee lockten. Die
faszinierende Idee der absoluten Freiheit wurde irrtümlicherweise als eine mit
der Feststellbarkeit des In-der-Welt-Befindlichen vergleichbare „Wirklichkeit"
erachtet, die „dort" faktisch besteht, „von woher" Freiheit in die Menschenwelt
kam, wo sie doch „natürlicherweise" gar nicht möglich ist. Immer wieder nahm die
metaphysisch-spekulative Onto-theo-logie nun das Möglichkeitsproblem im Hin-
blick auf die Frage in Angriff, ob diese unsere vom Schöpfer „gewählte" Welt tat-
sächlich die „bestmögliche" ist.
Die dritte Hauptrichtung des Irrens eröffnet sich infolge der Resignation,
welche nicht mehr transzendiert, sich aber nur umso einseitiger auf den Stand-
punkt des einzelwissenschaftlich verkrusteten Verstandes stellt. Der Natur-
forscher bescheidet sich nicht nur innerhalb der Grenzen des menschlichen Be-
wußtseins, sondern er leugnet geradezu die Kluft, welche sein Begriffe bildendes
Selbstbewußtsein vom Natürlichen Bewußtsein trennt. Er sieht hier nichts grund-
sätzlich Unerklärbares, sondern nur das Ergebnis einer zwar außerordentlich ver-
wickelten und große Zeiträume in Anspruch nehmenden, aber durchaus natür-
lichen Entwicklung. Im Grunde gibt es gar keine Freiheit, sondern nur notwendige
Evolution, bei deren Inszenierung Mutation und Selektion gewissermaßen die
Regie führen. —
Der Fundamentalphilosoph hält es für eine seiner wichtigsten Aufgaben,
Aporien aus der Welt zu schaffen. Die meisten Aporien erzeugt die Reflexion
durch isolierende Hypostasierung der Gegenständlichkeitsmomente, die zwar be-
grifflich zu unterscheiden, aber nimmermehr für sich allein als „Etwas" in der
Welt anzutreffen („möglich") sind, obwohl sie der zu freien Kulturschöpfungen

3
Sie sind in Aufklärungszeiten häufig, wo die.fortschrittsgläubige Masse stets gern von
„unbegrenzten Möglidikeiten" spridit.

273
fähige Mensch („möglicherweise") in konkreter Vergegenständlichung jeweils
derartig steigern kann, daß sie dem ganzen Gegenstand (z. B. als wissenschaft-
licher Feststellungszusammenhang oder als Kunstwerk, als praktische Liebes-
tat oder als biographische Vergegenwärtigung einer individuellen Persönlichkeit)
das Gepräge geben.
Dies alles eingesehen und zugestanden, ist und bleibt „Möglichkeit" einer der
ersten und wertvollsten Begriffe, zu denen der reflektierende Verstand gelangt.
Nur den einseitigen Rationalisten wird dieser Begriff in Aporien führen, wie
alle reinen Reflexionsbegriffe — und in diesem Falle reicht der transzendental-
logische Hinweis auf die „Amphibolie" nicht aus! Der Fundamentalphilosoph
muß die überwiegend negative Kritik des Erkenntnistheoretikers auf der Ebene
einer konkreten Gegenstandslehre erneuern, wo sie zu befriedigenderen Ergeb-
nissen gelangt, weil die Vergegenständlichung von „Etwas überhaupt" der kon-
kreten Selbstbewußtseinsleistung des Menschen entspricht, wie an einem und dem-
selben frei entworfenen Modell alles und jedes Inderweltbefindlichen gezeigt wer-
den kann.

4. Kontinuität und Individualität bei Leibniz und in der


Fundamentalphilosophie

Leibniz hat, wie Erich Heintel zu zitieren nicht müde wird, die Kontinuität
und die Individualität als die beiden Labyrinthe der Metaphysik bezeichnet: ein
Ausspruch, der mir wenig gefällt, weil sich der nackte Rationalismus hier eines
Bildes bedient, das Leibniz unmöglich imaginiert haben kann; nicht die An-
schauung bzw. Vorstellung eines Labyrinths, sondern der Gedanke der Ausweglosig-
keit wird nämlich zum Ausdruck gebracht.
Leibniz hätte also besser von Aporien gesprochen, in die der Metaphysiker gerät,
wenn er sowohl individuell verschiedene wie unterscheidend und verbindend
perzipierende Monaden substantiell erkennen will, d. h. als fensterlose und gleich-
wohl leibhaftige, naturgebundene wie begnadete, sozusagen wirklidi-wirkende
Geister.
Mit Kants Kritik des theologischen, kosmologisdien und psychologischen Rationa-
lismus war der Begriff der Monade als Substanzbegriff unmöglich geworden.
Aber durch diesen Sieg des sich selbst als Relationalismus erkennenden und ver-
absolutierenden Rationalismus über die vorkantische Metaphysik wurde die
Aporie zwar niedergeschlagen und aus der Welt geschafft, aber keineswegs be-
griffen, wieso es zu ihr kommen mußte. Mit der Erklärung der rationalen Uner-
kennbarkeit der „Substanz" war dieser allerdings weder klare noch deutliche Be-
griff einfach gestrichen; er hatte aber einen wertvollen Sinn gehabt und bedarf
statt der Ausrottung der Läuterung.
Wenn wir von Substanz, Seele, Welt sprechen, meinen wir allemal „Etwas",
und wenn wir uns auch keinen wissenschaftlich brauchbaren klaren und deutlichen
Begriff „davon" zu machen vermögen, so entbehren wir doch nicht einer gewissen

274
verschwommenen Vorstellung. Je entschiedener der vage Substanzbegriff durch einen
Relationsbegriff ersetzt wird, je eindeutiger unsere Vorstellung von Seele, Welt
oder auch wohl von der unser Unsterbliches ausmachenden Entelediie auf einen
feststellbaren Relations- oder Funktionszusammenhang zurückgeführt und so dem
Verstand angepaßt wird, um so klarer wird uns, daß wir eigentlich etwas anderes
intendieren, wenn wir von Substanz oder Seele sprechen: „Etwas", von dem gerade
das Wesentliche durch die Maschen des Rational-Relationalen fällt.
Es mußte also in der Nachfolge Kants einmal grundsätzlich die Frage nach „Et-
was überhaupt" gestellt werden, um das Fundament zu ergründen, welches dem
menschlichen Bewußtsein mit Allem und Jedem gemeinsam „ist". Der Funke der
Forschungsenergie springt dabei immer von Pol zu Pol: zwischen Gegenstand und
Vergegenständlichendem. Alle produktiven Philosophen sind sich darüber min-
destens seit Descartes im Großen und Ganzen einig: Kantianer, Phänomenologen,
Lebensphilosophen, Kulturphilosophen, Existenzialisten.
Das in meiner Fundamentalphilosophie entworfene Gegenstandsmodell beant-
wortet die Frage nach „Etwas überhaupt" folgendermaßen. Etwas „ist" allemal
dieses Erscheinungsganze, welches durch rational-relationales (trennend-verbinden-
des) Erkennen als in Beziehungszusammenhänge verflochtenes Ein-und-Anderes fest-
gestellt zu werden vermag. (Das ist nur eine Formulierung neben mehreren anderen.
Ich bemühte mich immer um Mannigfaltigkeit im sprachlichen Ausdruck, um
keinesfalls in Dogmatismus zu fallen; nicht einmal beim sogenannten Definieren
wollte ich durch stereotype Formulierung die Verwechselung der Worte mit dem
begrifflidi Gemeinten fördern.)
Daraus geht hervor, daß Substanz als Etwas unmöglich auf bloße Rationalität
allein reduziert werden darf. Beziehungszusammenhänge für sich allein kann es
in der Welt nicht geben. Wenn sie sich auch allenthalben feststellen lassen, so ist
dazu doch immer die Erscheinung eines Anschauungsganzen notwendig, welches
sich außerdem noch jeweils jetzt und hier als dieses herausstellt.
Damit ist nun aber der Begriff Substanz zwar vor der Verwechselung mit dem
Begriff der abstrakten Relationalität bewahrt, aber doch noch keineswegs gerecht-
fertigt, insofern er sich doch wohl von dem Begriff Etwas unterscheidet. Worin
besteht der Unterschied?
Gewöhnlich lautet die Antwort: darin, daß die Substanz an sich Etwas ist,
während sich Begriffe als Produkte der menschlichen Vernunft allemal nur als
Etwas auf Etwas beziehen, das sie bedeuten. Und nun neigt sich die Waagschale
allerdings zugunsten der kantischen Kritik der Ontotogie. Das Ansichsem der
Substanz nämlich fällt mit dem Sein von Etwas überhaupt schlechterdings zusam-
men; man kann auch sagen: mit dem Inderweltsein. In der Welt sind die Begriffe
wie die Menschen, welche sie zu bilden vermögen und ihre Bedeutung sowohl von
dem Wortlaut wie von dem Gemeinten selbst unterscheiden.
Der Begriff „Substanz" ist also tatsächlich überflüssig, wenn der Begriff
„Etwas" so gebildet wird, daß er Alles und Jedes in der Welt umfaßt: nicht nur
die rational-relationale Feststellbarkeit von Allem und Jedem, sondern auch

275
seine Haecccitas (Diesesheit, Individualität) und seine Erscheinung. Der vorkan-
tische Rationalismus unterschied die Substanz von ihrer Erscheinung; der kanti-
sche Rationalismus unterschied die Form vom Inhalt und ließ nur die rationale Fest-
stellung (die sich allemal als rational-relationale herausstellt) gelten. Wegen dieser
Verabsolutierung der Korrelationalität blieb immer ein „Inhalt" übrig, der an
sich unbestimmbar bei Fichte als Nicht-Ich oder Material der Pflichterfüllung
funktioniert.
Nicht so in der Fundamentalphilosophie, in der das rational-phänomenal-indivi-
duale Modell von „Etwas" sowohl das Gegenstandmodell wie das Vergegen-
ständlichungsmodell darstellt und also mit dem Weltmodell (d. h. dem in der
Welt entworfenen Modell von Allem und Jedem in der Welt Möglichen) zu-
sammenfällt. Die Form-Inhalt-Korrelation funktioniert hier nur „momentan"
als Moment, wie an der Selbstbewußtseinsleistung nachgewiesen wird. Es bleibt
also prinzipiell kein Inhalt an sich übrig; wohl aber bleibt die Existenz von Etwas
überhaupt ein schlechterdings unbegreifliches Wunder.
Dieses Wunder rationalisiert die Substanzmetaphysik, was in der Fundamental-
philosophie abgelehnt wird. An die Stelle der rationalen Ontologie tritt hier nicht
die gleichfalls rationale Theologie, sondern die fromme Ehrfurcht vor dem
Unerforschlichen.
Spinoza und Leibniz waren Substanzmetaphysiker; beide waren Theologen.
Leibniz vertrat im Unterschied zu Spinoza eine christlich-individualistisdie Meta-
physik, die aber der Form nach universalrationalistisch war — und an dieser
Form hielt audi Kant, der unerbittliche Kritiker aller rationalen Theologie,
Kosmologie und Ontologie, zunächst noch fest.
*
Nach dieser Einleitung wende idi midi nun endgültig zu den beiden Aporien
der Individualität, und der Kontinuität, in deren „Labyrinthik" sich Leibniz
immer wieder begab.
Er trat beiden Problemen als Rationalist gegenüber; dem Individuum wie dem
Kontinuum ging er mit den Mitteln des unterscheidenden, begrenzend-fest-
stellenden und das exakt Analysierte synthetisch-verbindenden Verstandes zu
Leibe.
Bezeichnend dafür ist, wie er das Irrational-Individuelle, das eigentlich rational
nicht auszudrücken ist („Individuum ineffabile"), durch das principium identitatis
indiscernibilium aus einem allgemeinen Satz abzuleiten sucht. Die nicht zu leug-
nende Mannigfaltigkeit ist bei anscheinender Ähnlichkeit des Einzelnen (ein Ei
gleicht dem anderen; es hat den Anschein, als müßten sich zwei ununterscheidbare
Blätter finden lassen) für den scharfsinnigen Analytiker ein Beweis der absoluten
Verschiedenheit (also Individualität) der Monaden; denn wären sie nicht prinzipiell
unterscheidbar, so würden sie identisch sein.
Ebendieser metaphysische Pluralismus jedoch, der keine zwei ununtersdieid-
baren Wesen für möglich hält, weil sie in diesem Fall einunddasselbe Wesen wären,
macht die Annahme eines Kontinuums äußerst problematisch.

276
Leibniz verwarf den leeren Raum; es ist alles voll von lebendigen Wesen, die
jedoch durchwegs unterscheidbar und in diesem Sinne individuell sind: wahre
Atome, die als Kraftzentren einen jeweils verschiedenen Grad von Aktivität ent-
falten. Vom Minimum zum Maximum sind „lückenlos" „alle" Perzeptionsgrade in
Funktion; wo jeweils Aktivität an ihre Grenze gelangt, setzt Passivität (Perzipiert-
werden) ein. Diese Grenzen lassen die Welt materiell erscheinen; sie machen die
Körperlichkeit der an sich geistigen Monade jeweils aus.
Kein Zweifel: der Monadologie zufolge funktioniert das Weltgeschehen als
ein absolut diskretes Kontinuum. Gerade weil das Prinzip der Unterscheidbar-
keit absolut durchgeführt ist, kann der lex continui gleichfalls absolut genügt
werden: ohne Lücke, ohne quantitativen Sprung ersdneint das Qualitativ-Indi-
viduelle materiell allenthalben verschieden und unterscbeidbar, aber geistig
(als unterscheidende, aktiv unterscheidend feststellende, den Funktionalismus
erkennende Vernunft) betätigt es sich allenthalben als dieses Einzige.
Die Prästabilierte Harmonie erstreckt sich also in der Tat auf den Gesamtplan
der Schöpfung: es ist bei jeder einzelnen Monas auf alle anderen Rücksicht ge-
nommen. Das aber heißt: das Geistig-Unteilbare steht nirgends im Wider-
spruch zum Materiell-Bestimmten, Notwendig-Vereinzelten, Schlechterdings-Be-
grenzten. Das Geistig-Unteilbare regiert im Reich der Gnade; das Materiell-
Mannigfaltige unterliegt im Reich der Natur der gleichen Notwendigkeit, die als
Geistig-Einziges „so vollkommen wie möglich" handelt.
Nicht nur Gott handelt so vollkommen wie möglich, sondern auch jede Kreatur;
aber während Gott absolut vollkommen handelt, verhält sich die Kreatur über-
haupt immer nur in einem gewissen Grade aktiv — und selbst der Mensch,
dessen Geist dem Absolut-Göttlichen am nächsten kommt, herrscht nur jeweils
in seinem Idiokosmos aus der einzigen Mitte der schöpferischen Freiheit, die
ihm als Kind mit dem Vater gemeinsam ist. (Leibniz spricht nicht von Gottes-
kindschaft, sondern von ,Ausblitzungen' der Gottheit).
Religiöse Menschen, die zugleich hinreichend rational begabt sind, pflegen
sich an dieser philosophischen Theologie des Leibniz nicht zu stoßen; sie fin-
den sich zuredit, obwohl die entscheidend bedeutungsvolle Behauptung der
Fensterlosigkeit der Monade meist unbegriffen bleibt. Wo aber das religiöse
Organ für das unbegreifliche Wunder dieser unserer Menschenwelt fehlt oder
nur schwach entwickelt und infolgedessen unter dem Einfluß der bei uns Europäern
heute schon im zartesten Kindesalter einsetzenden Aufklärung nicht zum Be-
wußtsein gekommen ist, da wird man geneigt sein, die überragende Bedeutung
des großen Mathematikers, Naturforschers und Polyhistors nicht gerade in seiner
Theodizee zu erblicken. Der Begriff einer geistigen Substanz ist jedoch nicht nur
den Unreligiösen, sondern auch den zum Glauben Geneigten unglaubwürdig ge-
worden. Wir billigen, was dieser Begriff meint. Aber wir bezweifeln, daß er das
Gemeinte vergegenständlicht und uns in gesteigerter Weise zum Bewußtsein bringt!
Die Monade ist ein Verstandesprodukt, dem die Anschaulichkeit fehlt. Wenn wir
uns etwas darunter vorstellen (was wohl immer der Fall ist), so stellen wir uns

277
eben Etwas vor, aber durchaus nicht das „wahre Atom", über welches Leibniz
ebenso hintergründig wie verständig reflektiert. Jede Monade ist durch die Ein-
maligkeit dieses ihres Perzeptionsgrades (ihrer „Strahlkraft") von jeder anderen
verschieden; nur darin besteht im Grunde ihre Individualität: sie beruht auf
Relationalität. Um Individuum heißen zu dürfen, genügt diese rational-rela-
tionale Gradbestimmung jedoch nicht; die Kraft ist mit ihrem Grad nicht iden-
tisch; es muß durchaus Etwas in einem allenthalben verschieden starken Grade
funktionieren; die Grad- oder Maßbestimmung existiert nicht als solche; Leibniz
bezeichnet die Monade zwar als Perzipierendes, aber das bedeutet ohne Zweifel:
als perzipierendes Wesen, als etwas Perzipierendes, das Etwas perzipiert.
Hier wird deutlich, inwieferne das Individuum bei Leibniz problematisch
bleibt und also durch das Principium identitatis indiscernibilium so wenig aus-
reichend vergegenständlicht wird wie das Ich durch die Feststellung der Identi-
tätsbeziehung Ich = Ich. Die nur individuell zu leistende Setzung „bin" muß
hinzukommen — und das Ich, welches sich im „Ich bin Ich" selbstbewußt setzt
und identifiziert, nimmt dabei allemal anschaulich seinen ganzen Mundus sensi-
bilis in die Leistung mit hinein: das Natürliche Bewußtsein so zum Selbstbewußt-
sein erhebend.
Leibniz versuchte vergeblich, das Kontinuum rational-relational zu verstehen;
seine Möglichkeit setzt Anschauung eines Ganzen voraus: Phänomenalität, die
am Gegenstand das ausmacht, was Kant später als Anschauungs/orw abermals in
ähnlicher Weise rational bestimmte wie Leibniz die Individualität.
Ich fasse zusammen. Kein Philosophierender verfuhr jemals voraussetzungslos.
Jeder setzt Etwas voraus. Damit ist sowohl Individualität wie Anschauungsganzes
vorausgesetzt; ebenso wie der trennend-feststellbare Beziehungszusammenhang
eines Mannigfaltigen. Das Kontinuum ist nicht vorausgesetzt bzw. jedenfalls nur
insofern vorausgesetzt als phänomenale Ganzheit kontinuierlich ausgedehnt er-
scheinen müßte, falls sie überhaupt vom Beziehungszusammenhang des Ein-
und-Anderen losgelöst in der Welt vorkommen könnte. Es ist aber nur dem
abstrahierenden Mathematiker möglich, mit solchen Gebilden zu arbeiten. Kon-
tinua, Punkte und dergleichen kommen nur in der Mathematik vor, und Leibniz
hat also in seiner Monadologie in der Tat „Individualmetaphysik mit Univer-
salmathematik verbunden" (Mahnke). Wenn er die Monaden als mathematische
Punkte bezeichnete, dann durfte er sie nicht als Substanzen bezeichnen; denn Sub-
stanzen „sind" Etwas, Punkte dagegen kommen nur „an" Etwas vor; ebenso
Kontinuität4. Etwas läßt sich nicht aus Punkten zusammensetzen, sondern wir
müssen Etwas voraussetzen, wenn wir einen Punkt setzen wollen.

4
Der leere Raum, den Leibniz mit Recht leugnet, würde kontinuierlich sein. Die Geo-
metrie gilt streng genommen nur im leeren Raum, in dem auch nichteuklidische Geometrien
möglich sind.

278
5. Gegenstand und Vergegenständlichung

Das Wort Gegenstand ist noch verhältnismäßig jung; es wurde im 18. Jahr-
hundert als deutsche Bezeichnung für Objekt gebildet; früher hatte man dafür
Gegenwurf gesagt. Wie das lateinische gehörte auch das deutsche Wort ursprünglich
vor allem der philosophischen Fachsprache an; die unbestimmte Bedeutung, welche
es heute hat, erhielt es erst im Laufe der Zeit.
Diese Unbestimmtheit macht es mir möglich, das Wort Gegenstand allgemein
im Sinne von Etwas zu gebrauchen und ihm damit zum zweiten Male die Be-
deutung eines philosophischen Terminus zu geben. Es soll nun gerade keine Ver-
deutschung des lateinischen Wortes Objekt mehr sein, sondern jenes lateinische
Wort wird bei mir stets in einem spezielleren Sinne, nämlich im Unterschiede
zum Subjekt und in Beziehung auf das Subjekt, also rational-korrelational
gebraucht.
Dabei kann idi mich bereits auf zwei Vorgänger berufen. Zunächst auf
Johann Christian August Heinroth, der 1822 in seinem Lehrbuch der Anthropolo-
gie Goethes Verfahrungsweise und Denkvermögen als gegenständlich bezeichnete.
Schon für Heinroth bedeutete gegenständlich keineswegs objektiv, sondern er
wählte das deutsche Wort ohne Zweifel gerade deshalb, weil der Hörer oder
Leser dabei nicht sofort an einen zweiten Begriff erinnert wird, dessen korrelative
Bedeutung auch den ersten Ausdruck — und zwar in einem von ihm nicht
gewünschten Sinne —begrifflich festlegt. Goethe verstand die Absicht; er akzeptier-
te die Bezeichnung in dem kleinen Bekenntnisaufsatz Bedeutende Fördernis durch
ein einziges geistreiches Wort und erklärte: Heinroth wollte mit diesem Worte
„aussprechen, daß mein Denken sich von den Gegenständen nicht sondere; daß
die Elemente der Gegenstände, die Anschauungen in dasselbe eingehen und
von ihm auf das innigste durchdrungen werden; daß mein Anschauen selbst ein
Denken, mein Denken ein Anschauen sei".
Ein gegenständliches Denken wäre also ein anschauliches Denken; die Gegen-
stände stehen hier nicht grundsätzlich dem Subjekt als Objekte gegenüber, sondern
der Denker hat sie unmittelbar im Bewußtsein, wie dies bei der Anschauung der
Fall ist.
Soll nun aber damit gesagt sein, daß Goethe im Anschauen derartig absolut
aufgehe, daß die rational-relationale Subjekt-Objekt-Beziehung überhaupt keine
Rolle spielt? Offensichtlich ist das nicht der Fall. Denken und Anschauen durch-
dringen sich bei Goethe nur mit solcher Innigkeit, daß sie (im Unterschiede zu
Kants Synthesis, die allemal nur als Verbindung eines Einen und eines Anderen
funktioniert) ein einziges Ganzes bilden. Kant hatte gesagt, daß Denken ohne
Anschauung leer, Anschauung ohne Denken blind sei; seine Synthesis entspricht
der Parabel von dem Blinden, der einen Lahmen auf dem Rücken trägt. Notge-
drungen teilen sich hier Einer und ein Anderer in die menschliche Gesamtleistung,'
ohne dodi jemals die Einheit eines einzigen ganzen Menschen zu erreichen. Das
ist bei Kant schon deshalb unmöglich, weil' in seiner Erkenntnislehre die An-

279
schauung als rezeptiv gilt, während dem Denken Spontaneität zukommt. Bei
Goethe dagegen sind Denken und Anschauen nicht zwei verschiedene Vermögen,
sondern zwei spezifische Momente einer und derselben Leistung des menschlichen
Geistes. Man könnte sagen: die Anschauungsganzheit überwiegt mit ihrer Unmit-
telbarkcit; aber Subjekt und Objekt lassen sich nichtsdestoweniger auch unter-
scheiden und in ihrer Beziehung als rational-relationales Erkennen feststellen,
dessen Ergebnisse allerdings, insoferne sie allgemein ausgesagt werden, einer Nach-
prüfung bedürfen, bei welcher die Anschauung allemal wieder unmittelbar gegen-
wärtig ist. Diese Nachprüfung heißt Experiment oder Versuch. — Daß Goethe
mit dem soeben Vorgetragenen einverstanden gewesen wäre, zeigen Titel und
Inhalt einer Abhandlung, auf die er auch in dem bereits angeführten Heinroth-
Aufsatz hinweist: Der Versuch als Vermittler von Subjekt und Objekt.
Goethe steht also nicht etwa diesseits der Subjekt-Objekt-Korrelation, sondern
er hat ihre rationale Einseitigkeit in dem Anschauungs-Ganzen aufgehoben, als
welches ihm die Gegenstände jeweils anschaulich zum Bewußtsein kommen. Ein
solches Anschauungsganzes könnte unmöglich auf den Begriff „Rezeptivität" ge-
bracht werden, obwohl Goethe gewiß nichts gegen die Unterscheidung eines rezep-
tiven und eines schöpferischen Moments gehabt hätte. Er war kein absoluter Feind
der Analysis, sondern nur ein Gegner der einseitigen Anwendung analytisch-
abstrahierender Verstandesmethoden.
In der Ablehnung alles nur zerlegenden und reflektierenden Erkennens war
Hegel mit Goethe einverstanden; er bezeichnete sich deshalb als seinen Schüler,
ja einen seiner Söhne; was Hegel als „konkretes Denken" anstrebt, deckt sich in
der Endabsicht mit Goethes „Gegenständlichkeit". Wenn aber Hegel dieses Ziel
dialektisch zu erreichen hoffte, so konnte Goethe darin keine Ähnlichkeit mit
seinem gegenständlichen Verfahren bemerken, und er machte in seiner späteren
Zeit auch kein Hehl daraus, daß er Kants Philosophie dem Hegelianismus vor-
zog 5.
Zum zweiten Male wurde das Wort Gegenstand philosophisch von Alexius Mei-
nong in einem von der ursprünglichen Bedeutung entschieden abweichenden Sinne
verwendet. Auch bei Meinong bedeutet Gegenstand nicht nur das Objekt, sondern
darüber hinaus schlechterdings alles, was es überhaupt gibt. Werte oder Imperative
oder Desiderative sind keine Objekte und stehen auch gar nicht im Korrelatverhält-
nis zum Subjekt; gleichwohl werden sie von Meinong als Gegenstände bezeichnet, so
daß also Gegenstand bei ihm geradezu der allgemeinste Ausdruck für irgendetwas
ist.
Auf Goethe und Meinong konnte ich mich also berufen, wenn ich eine Gegen-
standslehre und dementsprechend auch eine Vergegenständlidiungstheorie aufbaute.
Gegenstand bedeutet bei mir in der Tat „Etwas überhaupt"; ich gebrauche das
Wort so allgemein wie Meinong und so spezifisch wie Goethe. Aber ich frage
mit Kant: Wie ist Etwas überhaupt möglich? — Daß es Etwas gibt, setze ich im

5
Vgl. Eckermann am 11. April 1827 (Kant) und am 18. Oktober 1827 (Hegel).

280
vollsten Umfange voraus. Die Frage, welche ich stelle, ist die fundamentalste, all-
gemeinste und umfassendste, welche gestellt werden kann.
Zur Zeit Fidites und Sdiellings wurden die beiden Pole, von denen aus die
transzendentale Frage fundamental in Angriff genommen werden kann und muß,
der Subjekt-Objekt-Synthesis Kants entsprechend als „Ich" und als „Natur" be-
zeichnet. Aber weder Fichte noch Schelling gelangten zu einem Gegenstandsmodell,
das der Gegenständlichkeit Goethes entspricht. Die Identitätsphilosophie war
und blieb Rationalismus. Schelling erkannte diesen Mangel; er bemerkte auch,
daß Hegels Panlogismus mit der „Reflexionsphilosophie" keineswegs fertig wurde,
zu deren Vernichtung sie seinerzeit gemeinsam ihr Kritisches Journal gegründet
hatten. Selbst jedoch fiel er in seiner Philosophie der Offenbarung wieder
, in eine vorkantisch-dogmatisdie Theologie zurück.

Bei dem Aufbau des Gegenstand-Modells wurde immer wieder darauf hinge-
wiesen, daß das „Zusammen" oder „Ineinander" des rationalen, des aisthetischen
und des individuellen Moments nicht nur gedanklich als Beziehungszusammenhang
zu konstituieren, sondern vollgegenständlich zu entwerfen, d. h. in meditieren-
der Betrachtung theoretisch als einziges Ganzes zu vergegenständlichen, also
auch praktisch und poietisdi gegenständlich zu machen sei. Daß ein „reiner"
Beziehungszusammenhang (d. h. „Relation an sich", ohne Etwas, das sich als
Eines auf Anderes bezieht) in der Welt so wenig angetroffen werden kann wie „rei-
ne" Erscheinung oder ein „bloßes" Dieses, das einzig und allein als Dieses da wäre,
ohne auch irgendwie leibhaftig zu erscheinen und als Eines mit Anderem unter-
scheidbar zusammenzuhängen, wurde immer wieder betont.
Mit der nämlichen Eindringlichkeit wurde dem Problem nachgegangen, daß und
wieso für den Menschen sowohl die Möglichkeit wie die Gefahr besteht: die Ge-
genstands„momente" jeweils an und für sich schon für „Etwas" zu halten 6. Es
wurde gezeigt, wie die Fähigkeit, nicht nur unterscheiden, sondern auch ab-
strahieren zu können, dem Menschen Etwas aufzubauen gestattet, das Etwas
„an" Etwas „bedeutet" und so „momentan" über Etwas hinausweist. In allen
„Sphären" vermag der Mensch dadurch, daß er Relationales begrifflich fixiert,
Erscheinungsganzes künstlerisch gestaltet, Individuell-Einmaliges geschichtlich
vergegenwärtigt, zu gesteigerter Selbstbewußtheit zu gelangen.
Diese Steigerung der Konszienz ist die Bestimmung des Mensdoen und der Zweck
des Absolutheitsstrebens, welches er als freier Kulturschöpfer allenthalten
„momentan" an den Tag legt, obwohl ihn doch die Endlichkeit jeder gegenständ-
lichen Werkleistung jedesmal in den Grenzen des Notwendig-Relativen festhält.

6
Soldie Vergegenständlichung der (begrifflich-rational-abstrahierend isolierbaren, aber«
nicht für sich bestehenden) Gegenstandsmomente führt unausweichlich zu Aporien. Diese
Erkenntnis wurde für midi so wichtig wie für Kant die Erkenntnisses Ursprungs der
Antinomien.

281
Allemal nämlich „macht" der Mensch wieder Etwas aus Etwas; er vermag sich
über das Fundament zu erheben, aber nicht von ihm zu lösen 7. Und nichtsdesto-
weniger verführt ihn die abstrahierende Reflexion nur allzu leicht: das geleistete
Neue nicht nur auf eine den „Sinn" anzeigende Weise zu interpretieren, sondern
dieses „momentan" als wesentlich zum Bewußtsein Gebrachte selbst mit „etwas"
Gegenständlichem zu verwechseln, während die momentane Bewußtheitssteigerung
doch allemal nur durch die momentane Vernachlässigung ebenso wesentlicher Mo-
mente möglich wird. Also z. B. Erhebung und Bearbeitung eines Gegenstands
in der Rationalen Sphäre durch Vernachlässigung des Ersdieinungsganzen und
der Individualität.
Nun handelt es sich gegenwärtig nicht um eine Wiederholung der Fundamen-
talphilosophie und Philosophischen Anthropologie, sondern um ergänzende Be-
trachtungen, die einzelne Partien beleuchten und um eine Klärung von Problemen
bemüht sind, die in meinem ohnehin nicht in einem geschlossenen System, sondern
in einer Folge von Meditationen dargebotenen Gesamt-Entwurf noch nicht hin-
reichend klar zum Ausdruck gelangten.
Ein solches Hauptproblem scheint mir die Leistung der Vergegenständlichung,
die in der gleichen Weise als ein „Zusammen" oder „Ineinander" von heterogenen,
nicht aufeinander zurückführbaren Leistungsmomenten zum Bewußtsein gebracht
werden muß wie der Gegenstand.
War das gegenständliche „Ineinander" als konkretes „Zusammen" von Bezie-
hungszusammenhang, Erscheinungsganzheit und Einzigkeit (Diesesheit) begriffen,
so gilt es nun zu zeigen, daß die Vergegenständlichung in entsprechender Weise nur
als ein Zusammen oder Ineinander von Betrachtung, Tat und poietischer Her-
stellung möglich wird. „Poietisch" macht der Mensch Etwas aus dem sich der
„theoretischen" Betrachtung erschließenden Etwas; er setzt sich jedoch auf
diese Weise zugleich in der Tat „praktisch" ein und durch: er bringt sich und an-
deren durch seine Handlung wie durch sein Werk zum Ausdruck, daß er exi-
stiert und sich durch seine Wirksamkeit zu behaupten die Macht besitzt8.
Jeder Mensch vermag auf die Dauer nur zu bestehen, insofern er in Aktion
tritt und „etwas tut" ( ); da aber jede Handlung notwendig
in Bestehendes verletzend eingreift, so geht sogleich die Forderung durch die Men-
schenwelt, daß Etwas poietisch (positiv) aus Etwas gemacht werde, das den
(negativen) Macht-Einsatz, der „an sich" unrecht wäre, rechtfertigt. Auch erreicht
der Mensch sein eigentliches Ziel, das stets auf Erhaltung (ja geradezu auf Ver-
ewigung) gerichtet ist, umso weniger, je mehr er „momentan" im Tun aufgeht:
nur Werke bestehen in einer über das Momentane hinausgehenden Weise als Etwas.
Und die geschichtlich fortdauernde Erinnerung in der ingens aula memoriae

7
Alles und Jedes in der Welt erweist sich als Etwas notwendig in Relationen verstrickt,
mithin relativ. Absoluthcit eröffnet sich (wie der Frciheitseinbruch) momentan.
8
Der theoretisch-rational erkannte /tez/eAwHgJZusammenhang manifestiert sich praktisch
allenthalben in der Welt als W/rßKwg5Zusammenhang von Etwas.

282
zeigt dem Verstehend-Vergegenwärtigenden allemal, daß die wertvollsten Leistun-
gen des menschlichen Vergegenständlichungsvermögens am wenigsten dem prak-
tischen Bedürfnis, der pragmatischen Betriebsamkeit und dem Machtwillen, son-
dern primär und zumeist der befreienden entsprangen, die sidi so in
Wahrheit als erweist.
Alles dies wurde nun zwar bereits in meinen Meditationen Gegenständlichkeit
und Freiheit (vor allem in der Philosophischen Anthropologie und in dem Er-
gänzungsband Kulturphilosophische Perspektiven) zur Sprache gebracht. Gleich-
wohl fürchte ich, an einigen Stellen zu kurz und infolgedessen zu dunkel, an an-
deren nicht eindringlich genug gewesen zu sein.
Zu kurz war ich jedenfalls bei der Darstellung des konkreten Ineinander von
l Theorie, Praxis und Poiesis. Darum sei hier noch einmal in einer speziell der
i Vergegenständlichung gewidmeten Ausführung darauf hingewiesen, daß uns Men-
i sehen in der Welt keine Betrachtung möglich ist, ohne daß wir uns zugleich prak-
I tisch um unsere Erhaltung bemühen und dabei auch Etwas aus Etwas machen — und
j wären es auch nur die natürlich-leibhaftigen Umwandlungsleistungen, von denen
unser physisches Weiterleben abhängt. £5 gibt keine Produktion ohne Aktion;
erst recht jedoch gibt es keine kulturschöpjerische Tätigkeit ohne Kontemplation.
Doch hätte ich wohl in diesem Zusammenhang überhaupt in viel höherem Grade
damit rechnen müssen, daß die fundamentale Bedeutung der in der Vergegen-
ständlichungslehre neu hinzutretenden Begriffe Theorie, Praxis und Poiesis nicht
sogleich einleuchten würde.
Der bisher nur in die Terminologie der Gegenstandslehre (Rationalität, Phäno-
menalität, Individualität) eingeführte Leser hatte sich möglicherweise an
die Auffassung gewöhnt, daß es nur einer „Ergänzung" bedürfe, um die Er-
kenntnislehre zur Gegenstandslehre zu erweitern. Daß das rational-relationale
Erkennen nur Beziehungszusammenhänge feststellt und also seinem Gegenstand
immer nur in der Rationalen Sphäre entspricht, hatte er begriffen. Um einem
„konkreten Etwas" vollgegenständlich gerecht zu werden, mußten also die aisthe-
tische Anschauung des Erscheinungsganzen und die liebende Identifikation mit
der individuellen Einzigkeit „noch hinzukommen.
Zur Demonstration des Gegenstand-Modells war eine solche vereinfachende
Zurechtlegung hinreichend gewesen, und ich interpretierte infolgedessen auch
selbst sowohl den „konkreten Gegenstand" wie das fertige „Modell von Etwas
überhaupt" zu wiederholten Malen auf diese „verständliche" Weise 9.
Geht es jedodi um die eigentliche Vergegenständlidiungs/ewtatfg, so reicht
das lediglich vom Gegenstand abstrahierte Ineinander nicht aus, um die Ver-
wandlung von Etwas in Etwas zu begreifen, die wir Menschen faktisch vollbrin-
gen, wenn wir z. B. aus dem Sternenhimmel eine Astronomie, aus den Pflanzen

9
Vor allem in meinem Büdilein Einführung in das Philosophieren, das auf die Verge-
genständlidumgsleistung gar nicht eingeht, weshalb ich audi eine erweiterte Neuausgabe
vorbereite.

283
eine Botanik, aus dem Frühling eine Dichtung oder aus unserem Leben eine Bio-
graphie maacn. Hier kommt das neue Ineinander von Betrachtung, Handlung
und Wcrkgestaltung in Sicht.
Ich möchte den ganzen Problemkomplex einmal recht drastisch anpacken und
behaupten: das Vorurteil, welches bisher alle Bemühungen der Erkenntnistheorie
rationalistisch stigmatisierte, entsprang dem fundamentalen Irrtum, daß das
den Menschen aus einem Tier in ein besonnenes Wesen verwandelnde Selbstbe-
wußtsein ausschließlich der sich von sich selbst unterscheidenden und ihre Funk-
tion als Verhältnis des subjektiven Ich zur Objektivität feststellenden Reflexion
verdankt werde. Dieser angebliche Ursprung des Selbst-Bewußtseins aus bloßer
Selbst-Erkenntnis abstrahiert nämlich paradoxerweise von alledem, was das Na-
türliche Bewußtsein des Tieres bereits vermag und doch nicht verloren gehen
darf, wenn das Bewußtsein als Bewußtsein zu sich selber kommen soll. Was
durch rational-abstrahierende Reflexion erkannt wird, macht das konkret als
Etwas in der Welt befindliche Natürliche Bewußtsein keineswegs zu einem konkre-
ten Selbstbewußtsein, sondern es bedient sich der Existenz des Natürlichen Be-
wußtseins nicht nur zur theoretischen Distanzierung, sondern auch zur rationalen
Verallgemeinerung der festgestellten Subjekt-Objekt-Korrelation, wobei das
Natürliche Bewußtsein ein für allemal auf die Seite der Objekte tritt, „über"
welche der vermeintlich selbstbewußte Mensch nun ein für allemal verbindlich ur-
teilt — obwohl er es damit doch erst bis zu dem Prinzip einer abstrakten Ver-
standesaufklärung gebracht hat.
Würde Homo sapiens dem Animalischen als ein schlechterdings Anderer ge-
genüberstehen, so würde die Reduktion aller philosophischen Bemühungen auf
rational-relationales Erkennen richtig und jeder „ins Innere der Natur" dringende
Vergegenständlichungsversuch aussichtslos sein. Jeder kritische Denker müßte in
diesem Fall erklären, daß uns die tierische Bewußtseinswelt „an sich" so wenig
zugänglich sei wie alles „Unmittelbar"-Konkrete. Nun besteht hier aber gar
kein sich gegenseitig ausschließendes Zweierlei, sondern die natürliche Leibhaftig-
keit des Tieres ist auch dem Menschen gegeben. Das Selbstbewußtsein, welches uns
auszeichnet, erstreckt sich nicht nur als Aisthetisch-Ganzes über unseren ganzen
leiblichen Organismus und durch ihn unmittelbar auf die Erscheinungswelt, son-
dern es behauptet sich auch jeweils als dieses Einzige, welches nicht nur sein ra-
tionales Ichbewußtsein von dem aisthetisch-natürlichen Bewußtsein erkennend
unterscheidet, sondern sich auch als dieser ganze Mensch individuell bewußt ein-
setzt, wirkend zum Ausdruck bringt und mit seinen Werken identifiziert.
Das von mir im Anschluß an die Überlieferung als „Satz des Selbstbewußt-
seins" bezeichnete Ich bin Ich wurde dementsprechend als Selbstvergegenständli-
chungsleistung jeweils dieses ganzen Menschen interpretiert.
Als „Etwas in der Welt" betrachtet, darf das im „Ich bin Ich" behauptete
menschliche Selbstbewußtsein als konkretes Zusammen oder Ineinander von ra-
tional-relationaler Selbsterkenntnis, aisthetisch-leibhaftiger Selbstanschauung und
individuell-einziger Selbstidentifikation bezeichnet werden.

284
Nun wird aber das dabei als Muster dienende Gegenstandmodell selbst einem
Entwurfe verdankt, der nimmermehr von einem „fertig" in der Welt befindlichen
Etwas „abgelesen" werden kann, sondern als ursprünglich freie Leistung nur
möglich ist, insofern einzig und allein das menschliche Bewußtsein nicht nur als
fertiger Gegenstand vorkommt, sondern auch als eine sich jeweils diesem Einzigen
eigentümlich offenbarende Mitte: das an sich zeitlose Ereignis der Verwandlung
des (gegebenen) natürlich-animalischen Bewußtseins in eine (aufgegebene) mensch-
liche Conscientia, welche als Möglichkeit und Quelle aller Kulturschöpfungen ein
fortdauerndes Freiheitswunder in sich schließt.

| Als den Entwurf des Gegenstand-Modells ermöglichende Vergegenständli-


| chungsleistung repräsentiert in dem Ich bin Ich der ,Satzgegenstand* das Tierische
Bewußtsein, das auch bei hochspezialisierten Sinnesorganen, wachstem Unter-
! Scheidungsvermögen und perfekt funktionierendem Assoziationsmechanismus in
\ der Unmittelbarkeit eines nur der Erhaltung dienenden Tuns gefangen bleibt: ein
Ich, das diesen Namen nicht verdient, weil es ihn nicht versteht, sondern sich noch
vor dem Moment des Zerfalls in Momente befindet. Ohne die jSatzaussage* (das
„bin Ich") wäre auch das gesprochene „Ich" nichts weiter als das Schnattern der
Gans oder das Bellen des Hundes, d. h. zwar keinesfalls sinnlos, aber ohne die
Möglichkeit, den Sinn von seinem Ausdruck getrennt zum Ausdruck zu bringen.
Die ganze Selbstbehauptung „Ich bin Ich" jedoch schließt eine Verwandlung in sich,
deren überzeitliche Bedeutung sich in der Zeit expliziert — und zwar so, daß das
eigentliche Wunder immer sdion der Vergangenheit angehört.
Als dieser Verwandelte ist der Mensch der entwerfenden Vergegenständlichung
fähig. Bei der Betrachtung seiner ganzen (Erinnerung, Tat und Hoffnung um-
fassenden) Leistung wird er des Freiheitwunders inne. Das aber ist es, was Kant
einmal als „die größte Angelegenheit des Menschen" bezeichnete und wovon er
sagt: „Ich würde midi viel unnützer finden als die gemeinen Arbeiter, wenn ich
nicht glaubte, daß diese Betrachtung allen übrigen einen Wert geben könne, die
Rechte der Menschheit herzustellen." „Wenn es irgendeine Wissenschaft gibt, die
der Mensch wirklich bedarf, so ist es die, welche ich lehre .. und aus der er lernen
kann, was man sein muß, um ein Mensch zu sein" 10.
Gegenstand und Vergegenständlichungsleistung gehören zusammen und ver-
halten sich zueinander wie Fundamentalphilosophie und Philosophische Anthro-
pologie. Die entsprechenden Begriffe Kants lauten: Kanon der theoretischen Ver-
nunft und Autonomie der praktischen Vernunft. Aber mit der Unterscheidung
des Theoretischen und des Praktischen hat es die nämliche Bewandtnis wie mit
der Unterscheidung von Stoff und Form. Diese rationalen Grundbegriffe meinen
nur Momente, die zwar als die fundamentalen Voraussetzungen von Allem und*
Jedem in der Welt dem Menschen (prinzipiell an Zerfall und Vergegenständ-
10
Brwhstü&e aus dem Nachlaß. Nadi Wilhelm Schuberts Erstausgabe.

285
lichung seines Nat rlichen Bewu tseins selbst) allenthalben feststellbar werden,
aber keinesfalls „f r sich" als „in der Welt befindlich" vorkommen. In der Welt
gibt es allemal nur Etwas, das sich allenthalben in Ver nderung befindet, aber
auch verwandeln kann. So auch der Mensch, dessen „Geist" an dem Wunder der
Verwandlung erinnernd und entwerfend teilnehmen darf, wenn er auch das Ge-
heimnis der „Existenz von Etwas berhaupt" nicht zu enth llen vermag.

Ich versuchte also zu zeigen, da und wie sich das Animalisdie Bewu tsein in
momentanem Zerfall in Selbstbewu tsein verwandelt. Sechs Momente wurden be-
grifflich unterschieden, die ich jetzt noch einmal in einer anderen Reihenfolge in
Erinnerung bringen m chte als in meinen fundamentalphilosophischen Medita-
tionen, die „Alles" voraussetzen und mit der Frage nach „Etwas" einsetzen.
Den Anfang mache nun die dem Tier unm gliche Betrachtung (θεωρία), die
sich von allem um die Erhaltung besorgten Betrieb (πραξις) distanziert. Die-
se F higkeit des Menschen kann weder erkl rt noch mit ausschlie ender Einseitig-
keit ge bt werden; aber wir verstehen ihre hervorragende Bedeutung, wenn wir uns
den griechischen Geist in Erinnerung rufen, der an ihr erwachte und sidi ihrer zuerst
„selbstbewu t" r hmte. Gegenst ndlich erschlie t sidi der theoretischen Betrachtung
unmittelbar das Ph nomenale: die αΐσθησις bet tigt sich als θέασις in jenem
„uninteressierten" Sinnenspiel, das nat rlicherweise in Schlummer bergeht,
beim selbstbewu ten Menschen jedoch zu der gesteigerten aisthetischen Wachheit
des k nstlerischen Schaffens f hren kann.
Diese Verwandtschaft des theoretisdnen Vergegenst ndlicbungsmoments mit dem
aisthetischen Gegenstandsmoment beruht im Grunde darauf, da Betrachtung
(θεωρία) und anschauliche Leibhaftigkeit (αΐσθησις) fundamental vom Ganzen
kommen und zum Ganzen streben.
Insofern sich jedoch der Betrachtende von den praktischen Notwendigkeiten des
Animalischen soviel wie m glich distanziert, erkennt er sich selbst allerdings auch
als den rational-relational Erkennenden im Unterschied zu dem zwar Unmittel-
bar-Ansdiauenden, aber auch Sinnlich-Gebundenen — und so verstehen wir recht
gut, da sich gerade die Griechen als die ersten europ ischen Theoretiker auch am
entschiedensten der rationalen Erkenntnis zuwandten, wobei sie jedoch in ihrer
klassischen Zeit die ideale Schau des Ganzen keineswegs vernachl ssigten, sondern
die Feststellung des Allgemeinen mehr im Sinne des καθ' όλου als des alle
Einzelnen betreffenden κοινόν zu erreichen suchten. Mit dem Hochkommen
der „pullulierenden Masse" siegten die praktisch-pragmatischen Interessen. Die
Theorie b te ihren aristokratischen Charakter ein und w re vielleicht ber-
haupt der Geringsch tzung anheim gefallen, wenn nicht schon die Sophisten die
N tzlichkeit der Verstandeswissenschaft im praktisch-politischen Daseinskampf
entdeckt und „Erkenntnis als Werkzeug und Waffe" propagandistisch verbreitet
h tten.

286
Aber erst in der Neuzeit sollte sich die Spezialisierung des Theoretischen auf das
Rationale bis zur Verwechselung und Gleichsetzung der beiden Begriffe steigern.
Und zwar im engsten Zusammenhang mit der gang und gäben Bevorzugung der
exakt-mechanistisch denkenden und experimentierend verfahrenden Naturfor-
schung, die dem Menschen in ihrer praktisch-technischen Anwendung eine geradezu
grenzenlose Macht gibt und ihn so zu beglücken scheint, während sie ihn doch in
Wirklichkeit an die Relativität des Quantitativen ausliefertn.
Das poietische („Etwas" als „Stoff" bearbeitende und dadurch „verändernde")
Moment ist dabei geradezu mit Händen zu greifen. Aristoteles hat es als erster
mit dem von mir wieder aufgenommenen Worte ( ) bezeichnet, dessen
ursprünglich allgemein-prinzipielle Bedeutung später auf die Stoffbearbeitung des
Dichters eingeschränkt wurde, der z. B. aus einem dem Homer entnommenen
ein macht. Dazu gehört ein „Können" — griechisch gesprochen:
die Beherrschung einer — was Sokrates in seiner fundamentalen Bedeutung
durchschaute. /
Die Aristokraten der - nahmen auch deshalb von jeder praktischen
Beschäftigung Abstand, weil dergleichen leicht den Charakter eines als ,banausisdi'
verachteten Handwerkbetriebs annimmt und mit Manipulationen verbunden ist,
die nach hellenischer Ansicht eines freien Mannes unwürdig sind. Sokrates da-
gegen demonstrierte mit Vorliebe an Handwerkern, wie nahe das Wissen des Rech-
ten und das rechte Können beieinander liegen, und Platon wie Aristoteles erwiesen
sich darum als wahre Sokratiker, wenn sie lehrten, daß weder der Name noch die
begriffliche Definition des Kreises genügt, sondern auch etwas rund „gemacht"
werden muß, wenn Idee, Sinn oder Zweck einer solchen Sache offenbar werden
soll. Nicht anders Kant, der geradezu erklärte, daß menschliche Vernunft etwas
allenthalben nur insoweit begreift, als sie sich entwerfend eine Vorstellung (ge-
wissermaßen ein Modell) davon „machen" kann.
Daß hier nicht mehr von Handarbeit die Rede ist, leuchtet ein. Aber Hand-
arbeit selbst ist ein Begriff des leibhaftigen Menschen, dessen Selbstbewußtsein nur
als mögliche Selbstvergegenständlichung eines Natürlichen Bewußtseins be-
greiflich „gemacht" werden kann!
Das Moment der Individualität nenne ich hier zuletzt; denn wenn es auch nie
fehlte, so blieb es doch wie der Name Jehovas ebenso unausgesprochen wie un-
aussprechlich, bis „die Zeit erfüllt war" 12.
Platon hatte noch keine andere Möglichkeit: Macht und Ohnmacht des sich alle-
mal notwendig als „Einer" — bald im Guten, bald im Bösen, immer aber korrela-
tional — mit „Anderen" auseinandersetzenden Menschen zu zügeln und zu spornen,
als durch den Hinweis auf das Allgemeine und das Ganze gegenüber dem an sich

11
Ich verweise hier auf meine Meditation „Macht und Freiheit in der Maschinenwelt"
(Gegenständlichkeit und Freiheit, Bd. I, S. 388—-419).
12
Charakteristischerweise hat unter den Philosophen der christlichen Zeit vor allem
Spinoza wieder sich selbst als diesen persönlidien Urheber seines Werks nadi antiker Art
„unerinnert" gelassen.

287
nichtigen Vielen. Das Animalische Bewußtsein und das Selbstbewußtsein des
Menschen bilden zwar ein Ganzes; aber dieses Ganze gibt sich bei Platon eben
doch wieder als ein Zusammengesetztes zu erkennen: es besteht gleichsam aus
zwei Pferden und einem Lenker und einem Wagen. Als jeweils diesen Absolut-
Einzigen vermag sich der Mensch erst heute — im ewig-gegenwärtigen Lichte
der christlichen Freiheit — zu vergegenständlichen.
Wie diese Worte gemeint sind, kann keinem Leser unklar bleiben, der mir in
meinen immer wieder um das Problem der jeweils fensterlos-einzigen Monade
kreisenden Meditationen zu folgen vermag. Ich spreche nicht von Substanzen
wie Leibniz, ja ich vermeide sogar das Wort Ontologie; denn nicht „das Sein"
wird festgestellt, sondern „dieses einzige Ganze von allem unterscheidbar In-
Beziehung-Befindlichen" tut sich jeweils in jedem Menschen auf, insofern er „sich
selbst vergegenständlicht". Mit geistiger Freiheit tritt er damit als „Ich" in die
„Welt" der Notwendigkeit.
„Ich" bedeutet hier Etwas, das als Etwas zu sich selber kommt und an dieser
seiner Selbstvergegenständlichung den Schlüssel zu „Allem und Jedem" gewonnen
hat. Denn: wer „Welt" sagt, meint nichts anderes als „Alles und Jedes in der
Welt". Alles und Jedes in der Welt jedoch heißt in der Fundamentalphilosophie
„Etwas" oder „Gegenstand". Damit ist die Aufgabe umschrieben: jeweils Ich
selbst als Gegenstand und Vergegenständlichung.

288-

Das könnte Ihnen auch gefallen