Still mit Nebelglanz, Lösest endlich auch einmal Meine Seele ganz;
Breitest über mein Gefild
Lindernd deinen Blick, Wie des Freundes Auge mild Über mein Geschick.
Jeden Nachklang fühlt mein Herz
Froh- und trüber Zeit, Wandle zwischen Freud' und Schmerz In der Einsamkeit.
Fließe, fließe, lieber Fluß!
Nimmer werd' ich froh; So verrauschte Scherz und Kuß Und die Treue so.
Ich besaß es doch einmal,
was so köstlich ist! Daß man doch zu seiner Qual Nimmer es vergißt!
Rausche, Fluß, das Tal entlang,
Ohne Rast und Ruh, Rausche, flüstre meinem Sang Melodien zu!
Wenn du in der Winternacht
Wütend überschwillst Oder um die Frühlingspracht Junger Knospen quillst.
Selig, wer sich vor der Welt
Ohne Haß verschließt, Einen Freund am Busen hält Und mit dem genießt,
Was, von Menschen nicht gewußt
Oder nicht bedacht, Durch das Labyrinth der Brust Wandelt in der Nacht.
(Johann Wolfgang von Goethe)
Literatur des 18. Jahrhunderts WS 2021 Goethe: Prometheus
Bedecke deinen Himmel, Zeus, Mit Wolkendunst! Wähntest du etwa, Und übe, Knaben gleich, Ich sollte das Leben hassen, Der Disteln köpft, In Wüsten fliehn, An Eichen dich und Bergeshöh'n! Weil nicht alle Knabenmorgen- Mußt mir meine Erde Blütenträume reiften? Doch lassen steh'n, Und meine Hütte, Hier sitz' ich, forme Menschen Die du nicht gebaut, Nach meinem Bilde, Und meinen Herd, Ein Geschlecht, das mir gleich sei, Um dessen Glut Zu leiden, weinen, Du mich beneidest. Genießen und zu freuen sich, Und dein nicht zu achten, Ich kenne nichts Ärmeres Wie ich! Unter der Sonn' als euch Götter! Ihr nähret kümmerlich Von Opfersteuern Und Gebetshauch Eure Majestät Und darbtet, wären Nicht Kinder und Bettler Hoffnungsvolle Toren.
Da ich ein Kind war, Nicht wußte, wo aus, wo ein, Kehrt' ich mein verirrtes Auge Zur Sonne, als wenn drüber wär Ein Ohr zu hören meine Klage, Ein Herz wie meins, Sich des Bedrängten zu erbarmen.
Wer half mir Wider der Titanen Übermut? Wer rettete vom Tode mich, Von Sklaverei? Hast du's nicht alles selbst vollendet, Heilig glühend Herz? Und glühtest, jung und gut, Betrogen, Rettungsdank Dem Schlafenden dadroben?
Ich dich ehren? Wofür? Hast du die Schmerzen gelindert Je des Beladenen? Hast du die Tränen gestillet Je des Geängsteten? Hat nicht mich zum Manne geschmiedet Die allmächtige Zeit Und das ewige Schicksal, Meine Herren und deine?
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