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4.

Digressionen und ihr Vorkommen im epischen Heldengedicht Beowulf

Der unbekannte Verfasser des Heldengedichtes Beowulf verwendet zahlreiche Digressionen in


seinem Werk. Diese literarischen Digressionen und ihre Bedeutungen sind ein wichtiger Bes-
tanteil der Beowulf-Forschung. (-> bessere Einleitung finden!!)
Das folgende Kapitel handelt von ausgewählten Digressionen im Gedicht Beowulf, welche in
den filmischen Beowulf-Adaptionen verwendet wurden. Zunächst erfolgt ein kurzer Ausblick
über die Definition und den Funktionen von Digressionen. Anschließend werden die ausge-
wählten Digressionen des Gedichts Beowulf näher erläutert.

4.1 Digression? – Unterbrechung oder Erweiterung?

Digressionen sind literarische Abschweifung, welche im Verlauf einer Erzählung vorkommen


und dabei verschiedene Funktionen erfüllen. Sie fungieren meist als ein Einschub, eine Unter-
brechung oder eine Erweiterung im Text, und trotz ihrer enormen Interpretationsvielfalt sind
literarische Digressionen dem Inhalt der Haupthandlung untergeordnet. Die Ereignisse in den
Digressionen werden in den Handlungsverlauf einer Erzählung eingefügt, wobei sie oftmals zur
Komplexität des Inhaltes und somit zur Verwirrung führen. Andererseits können Digressionen
verwendet werden, um das Textverständnis zu unterstützen und damit die Kernaussage eines
Werkes verdeutlichen. Diese Definition von Digressionen basiert auf eine von Strukturalisten
beschriebene frühe Form der Narration, in welcher die Linearität und Klarheit eines Textes
zentral ist. Literarische Digressionen werden hierbei als einen Einschnitt oder einen Bruch in
der Linearität einer Narration betrachtet, welche trotz ihrer abschweifenden Charakteristik ein
Ziel für die Gesamthandlung erfüllen und diese sogar ergänzen. Atkin spricht hierbei von einer
„anti-narrativen Ergänzung“. (Atkin: 15-16)
Nach Olivia Santovetti, welche sich mit Digressionen in italienischen Texten beschäftigt, ist
eine wichtige Funktionen von einer Digression die Handlungszeit im Text zu beeinflussen. San-
tovetti erläutert, dass das Ende eines Textes durch die ständigen Unterbrechungen und Ab-
schweifungen hinausgezögert wird und die Handlungszeit dadurch länger erscheint (Santovetti:
21/233). Bestätigen lässt sich diese Theorie vor allem anhand des epischen Heldengedichts Be-
owulf. Vereinfacht lässt sich das Gedicht mit seinen 3182 Versen in drei große Kämpfe unter-
teilen. Es sind aber nicht nur die Kämpfe, die sich auf diese Menge an Versen aufteilen lassen,
vielmehr sind es die zahlreichen Digressionen, welche der Verfasser in seinem Werk eingefügt
hat und somit den Umfang der Handlung um einiges erweitern konnte.

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4.2 Digressionen in Beowulf

Die Digressionen im Heldengedicht Beowulf bestimmen den Handlungs – und Leseverlauf des
gesamten Werkes. Ähnlich wie Santovetti es beschreibt, verwendete der Beowulf Verfasser die
Digressionen, um die Handlung zu ergänzen. Sie handeln bespielweise von Erzählungen aus
der Vergangenheit, welche für die Haupthandlung von Bedeutung sind, oder sie sagen zukünf-
tige Geschehnisse hervor, die die einzelnen Figuren und Völker im Gedicht betreffen. Die
Struktur des Gedichtes wird durch die Digressionen weder gebrochen noch gestört, sondern
mithilfe der Digressionen werden einige Ereignisse näher erläutert und aufgeklärt. Die Hand-
lung und somit das gesamte Werk erlangt erst dadurch seine Einzigartigkeit.
Nach Bonjour existieren zwei Formen von Digressionen, zum einen die Episoden, welche di-
rekt mit der Haupthandlung in Verbindung gesetzt werden können, und Digressionen, welche
als Unterbrechungen im Text definiert werden, die nicht mit der Haupthandlung im direkten
Zusammenhang stehen, sondere diese auf andere Ebenen erweitern. Die Digressionen in Beo-
wulf nehmen inhaltlich einen multidimensionalen Charakter ein, indem sie sich auf allgemeine
Aspekte beziehen, wie der Darstellung einer bösen Königin, um den Vergleich zu einer guten
Königin herzustellen, oder Digressionen über den geschichtlichen Hintergrund der Gescheh-
nisse und Figuren als auch Digressionen, die christliche Elemente enthalten und noch viele
mehr. Bonjour unterteilt die Digressionen im Gedicht in drei Untergruppen. Die erste Gruppe
umfasst die Digressionen, die sich mit Beowulfs Leben und der Geschichte der Gauten beschäf-
tigen. Die zweite Gruppe umfasst die restlichen historischen Ereignisse. Die zahlreichen bibli-
schen Bezüge im Gedicht bilden dritte Gruppe von Digressionen. Digressionen aus den drei
Gruppen lassen sich in den meisten filmischen Beowulf-Adaptionen, auch wenn in umgewan-
delter Form, wiederentdecken. (Bonjour: xi-xvi)
Die erste Digression im Heldengedicht handelt von der Geschichte der Scyldings und die Be-
erdigung des dänischen Königs Scyld (1-52). Nach Bonjours Unterteilung ist diese Digression
der historischen Gruppe zuzuordnen.

Listen! We --of the Spear-Danes in the days of


Hwæt! Wé Gárdena in géardagum
yore,
þéodcyninga þrym gefrúnon of those clan-kings-- heard of their glory
how those nobles performed courageous
hú ðá æþelingas ellen fremedon
deeds
Oft Scyld Scéfing sceaþena þréatum Often Scyld, Scef's son, from enemy hosts

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monegum maégþum meodosetla from many peoples seized mead-benches;
oftéah
(1-5)

Die Geschichte handelt von Scyld, welcher als kleiner Junge nach Dänemark gelangt, einem
Land, in welchem damals kein König herrschte. Scyld wurde zu Dänemarks ersten König und
regierte als erfolgreicher und geliebter Herrscher. Er nahm viele Gebiete ein und stärkte damit
sein Königreich. Seinem Volk hinterließ er seinen Sohn Beowulf als erfolgreichen Nachfolger.
Sein berühmter Sohn Beowulf, von dem hier gesprochen wird, ist nicht der Beowulf in dem
Heldengedicht. Es existieren verschiedene Theorien, um den Zweck und die Herkunft dieser
Digression zu erklären. Eine davon ist die Annahme, dass dies eine Einleitung zu einer anderen
Erzählung sein könnte, in welcher Beowulf der Sohn von Scyld ist.
Nach dem Scyld verstorben ist, wurde am Tag seiner Beerdigung ein Schiffsgrab hinauf auf
das Meer geschickt und nach traditionellen germanischen Ritten beerdigt. (Bonjour: 1-3) Auch
in den filmischen Beowulf-Adaptionen kommen diese traditionellen Begräbnisse vor.

álédon þá léofne þéoden they then laid down the beloved prince,
the giver of rings and treasure, in the bosom of the
béaga bryttan on bearm scipes
boat,
maérne be mæste þaér wæs mádma
the mighty by the mast; many riches were there,
fela
from far-off lands ornate armour and baubles were
of feorwegum frætwa gelaéded·
brought;
ne hýrde ic cýmlícor céol gegyr-
I have not heard of a comelier keel adorned
wan
hildewaépnum ond heaðowaédum with weapons of battle and war-dress,
billum ond byrnum him on bearme
bill-blades and byrnies; there lay on his breast
læg
mádma mænigo þá him mid
many treasures, which with him must,
scoldon
on flódes aéht feor gewítan· in the power of the waves, drift far off;
(34-42)

Die nächste Digression handelt von Beowulfs Kampf gegen die Riesen (Beowulf’s Fight
Against The Giants). Mithilfe dieser Digression werden Beowulfs Stärken und sein Erfolg
nochmal hervorgebracht, um zu zeigen, dass er der richtige Mann ist, um gegen Grendel zu
kämpfen.

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Then I was advised that, by my people,
þá sélestan snotere ceorlas,
the best ones, the clever chaps,
þéoden Hróðgár, þæt ic þé sóhte sovereign Hrothgar, that it were thee I should seek,
for þan híe mægenes cræft míne
for that they the force of the strength of mine knew;
cúþon
selfe ofersáwon ðá ic of searwum themselves had looked on, when I returned from
cwóm battle,
fáh from féondum þaér ic fífe
stained with the blood of foes, where I bound five,
geband·
ýðde eotena cyn ond on ýðum slóg destroyed ogrish kin, and amid the waves slew
nicors by night; I weathered distress in many a tight
niceras nihtes nearoþearfe dréah· corner,
(416-422)

In dieser Digression betont Beowulf, dass die Weisen unter seinem Volk die Kraft in ihm kann-
ten und ihn dazu aufforderten, nach Heorot zu reisen, um Hrothgar zu helfen (Bonjour: 13-14).
Auch in den Adaptionen werden zu Beginn oder im Laufe der Filme Gründe genannt, weshalb
Beowulf nach Heorot gekommen ist. Sei es wegen seiner Stärke, seinem eigenen Entschluss
gegen das Böse zu kämpfen, oder wegen der Vision einer alten Dame, sowie es die Weisen in
der Digression getan haben. Ähnlich wie im Gedicht, wird auch in den Filmen Beowulfs Mut
und Stärke hierbei zum Vorschein gebracht.
Beowulfs Ankunft in Heorot ist jedoch nicht bei jedem willkommen. König Hrothgar hat eben-
falls viele Krieger, die die fremde Hilfe eines Gauten nicht annehmen möchten. Insbesondere
Unferth, einer von Hrothgars wichtigsten Männern, verspürt Eifersucht gegenüber Beowulf. Er
möchte ihm und seiner Kraft keinen Glauben schenken. Unferth hat schon vorher von Beowulf
und seinen Abenteuern gehört. Er akzeptiert es nicht, dass es einen besseren und stärkeren Mann
gibt, welcher auch noch aus einem anderen Königreich gekommen ist, um sich gegen Grendel
zu stellen und Hrothgar zu helfen.

Hunferð maþelode Ecgláfes bearn Unferth spoke, the son of Edgelaf,


þe æt fótum sæt fréan Scyldinga
who sat at the feet of the lord of the Scyldings
onband beadurúne --wæs him Bé- he unbound battle-runes --for him was the venture
owulfes síð of Beowulf,
módges merefaran micel æfþunca brave seafarer’s, a source of great displeasure,

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forþon þe hé ne úþe þæt aénig óðer
because he did not grant that any other man
man
aéfre maérða þon má middangeardes ever glorious deeds the more on middle-earth
gehédde under heofenum þonne hé heeded under the heavens than he himself--:
sylfa--: (499-505)

Um sein Können auch bei den anderen Gefolgsleuten von Hrothgar in Frage zu stellen, erzählt
Unferth von Beowulfs Niederlage während eines Schwimmwettkampfs. Beowulf schwamm
sieben tagelang auf offener See gegen seinen Gegner Breca, welcher am Ende des Wettkampfes
den Triumph für sich erzielen konnte.
Jedoch entspricht Unferths Wissen über diesen Schwimmkampf nicht ganz der Wahrheit, und
so ist es nun Beowulf selbst, welcher ihn korrigiert und belehrt: Beowulf und Breca schwam-
men fünf tagelang zusammen, bis die Wellen sie voneinander trennten. Während dieser ganzen
Zeit war Breca nicht schneller als Beowulf gewesen. Beowulf musste auf seiner Reise nun allein
gegen Seeungeheuer kämpfen und er landete irgendwann an der Küste der Finnen. Unferths
Intention Beowulfs Stärke anzuzweifeln scheitert damit und Beowulfs Potential Grendel zu be-
siegen wurde mit seiner Abenteuergeschichte erneut verstärkt. Nun ist es Beowulf, welcher
Unferth als schwachen und illoyalen Mann darstellt. Würde er wirklich so stark sein, wie er
sich gibt, dann sollte Unferth eigentlich in der Lage sein Grendel zu töten, aber es war weder
ihm noch einem anderen Mann möglich das Unheil zu verhindern. Beowulf ist sich sicher, dass
nur er Grendel töten kann und er weiß, dass Grendel ihn ebenfalls nicht unterschätzen wird. So
macht sich auch Beowulf über ihn lustig, indem er hervorhebt, dass Unferth noch nie solch ein
Abenteuer durchgemacht hat, wie er es einst getan hatte. Ganz im Gegenteil, Unferth ist nicht
der Mann, den er vorgibt zu sein, er ist ein eifersüchtiger Krieger, welcher seinen eigenen Bru-
der umgebracht hat (Bonjour: 17-19).

--nó ic þæs gylpe-- with bright swords --I do not boast of this--

þéah ðú þínum bróðrum tó banan


nevertheless, you your brothers' killer were,
wurde
héafodmaégum þæs þú in helle scealt near relatives; for that you must with Hel
werhðo dreogan þéah þín wit duge· suffer torment, though your mind is strong;
secge ic þé to sóðe, sunu Ecgláfes, I say to you in truth, son of Edgelaf,
þæt naéfre Grendel swá fela gryra ge- that Grendel would have never so many atrocities
fremede committed,

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atol aéglaéca ealdre þínum, --that terrible demon-- to your leader,
hýnðo on Heorote gif þín hige waére humiliation on Heorot, if your heart were,
sefa swá searogrim swá þú self talast and your spirit so battle-fierce as you yourself tell
ac hé hafað onfunden þæt hé þá faéhðe
but he has found that the fight he needs not,
ne þearf
(586-595)

Unferth gehört zu Männern Hrothgars, die ein hohes Ansehen genießen, und insbesondere we-
gen aufgrund dessen fühlt er sich durch Beowulf in seiner Position bedroht aber auch er erkennt
und akzeptiert sogar am Ende die Hilfe, die sie von Beowulf erhalten. Nachdem Beowulf nicht
nur Grendel, sondern auch Grendels Mutter besiegen konnte, gratuliert ihm Unferth und akzep-
tiert seine Kraft.
Die meisten Filmemacher der Beowulf-Adaptionen machten Gebrauch von dieser Digression
und führten eine Figur ein, welche sich gegen Beowulf stellt und ähnlich wie Unferth an seiner
Stärke, seinen Absichten oder auch seiner Herkunft zweifelt. Die Figur ist auch in den Filmen
einer von Hrothgars Männern, aber seine Rolle ist nicht immer die gleiche, so handelt es sich
bei ihm um einen von seinen Kriegern, seinen zukünftigen Thronfolgern oder auch seine Toch-
ter.
Die Tatsache, dass sie Hilfe von einem Nicht-Dänen annehmen müssen, scheint auch Hrothgar
nicht ganz unberührt zu lassen. Nachdem sich Beowulf zuerkennen gab und offenbarte, dass er
nach Heorot gekommen ist, um Grendel zu besiegen, erzählt Hrothgar von seiner Begegnung
mit Beowulfs Vater Ecgtheow (The Ecgtheow Digression, 459-472). Ecgtheow ist der Vater
Beowulfs, und in seinem Erfolg scheint Beowulf nicht anders als sein Vater zu sein. Sein Vater
ist nicht mehr am Leben, und so ist es auch in den meisten filmischen Beowulf-Adaptionen. Er
wird in den Filmen nicht erwähnt, es sei denn, es wird nebenbei über seine Abstammung gere-
det. Hrothgar berichtet, wie Beowulfs Vater Ecgtheow einst Hetholaf getötet hatte, und dies
zum Ausbruch eines Krieges geführt hat. Ecgtheow wurde gezwungen seine Heimat zu verlas-
sen und er kam bei denen Dänen an. Hrothgar half ihm, indem er Schätze nach Wulfing
schickte, um so dem Krieg ein Ende setzen konnte.

sende ic Wylfingum ofer wæteres hrycg I sent the Wylfings across the water's ridge
ealde mádmas hé mé áþas swór. ancient treasures; he swore oaths to me.
(470-471)

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Diese Digression deutet auf zwei Bedeutungen hin, zum einen wird hier von Ecgtheows Aben-
teuer erzählt und wie er einen anderen Mann umgebracht hat, ähnlich wie bei Beowulf wird
hier seine Stärke betont. Diese Digression könnte demnach eine Vorhersage und erneute Bestä-
tigung von Beowulfs Kräfte sein, und auf einen erfolgreichen Kampf gegen Grendel hindeuten.
Zum anderen erzählt Hrothgar davon, wie er einst Beowulfs Vater geholfen hat, und dies könnte
ein Vorwand sein, um Beowulfs Hilfe anzunehmen. Sie sind zwar im Kampf gegen Grendel
gescheitert, aber einst war es Hrothgar, welcher Beowulfs Vater geholfen hat und somit den
Krieg beenden konnte. Vermutlich versucht Hrothgar durch diese Erzählung zu verhindern,
dass seine Männer in ihrem Stolz verletzt werden (Bonjour: 15-16).
Die dritte Gruppe von Digressionen hat weder mit Beowulfs Vorgeschichte noch mit den Ge-
schehnissen im Gedicht direkt zu tun. Nach Bonjour kann es verschiedene Gründe für das Vor-
kommen dieser Digressionen geben, einer von diesen ist der Ausbau des Gedichtes mithilfe der
Verwendung von spannenden und interessanten Erzählungen: „[…] – because the poet, wan-
timg a wider background to his story, incidentally drew on material which he thought fit to
fascinate his audience – […]“. (Bonjour: 44) Viele dieser Digressionen sagen aber auch mög-
liche zukünftige Ereignisse voraus.
Interessanterweise verwenden die Regisseure einige dieser Digressionen in ihren Adaptionen.
Ein Grund hierfür könnte der interpretative Freiraum sein, den sie mit diesen Digressionen ha-
ben. Es könnte auch an der Tatsache liegen, dass diese Abschweifungen einen interessanten
Inhalt zu bieten haben, denn wie bereits erwähnt ist dies ein Grund, weshalb der Verfasser diese
Digressionen in seinen Text inkludiert hat.
Eine dieser Digressionen ist ein kurzer Abschnitt, welcher das wohlmögliche Ende von Heorot
andeutet.

Sele hlífade The hall towered,


héah ond horngéap· heaðowylma
high and horn-gabled; it awaited the cruel surges
bád
láðan líges·ne wæs hit lenge þá
of hateful flames; nor was the time yet nigh
gén
that the furious edge-malice of son-in-law and father-
þæt se ecghete áþumswéoran
in-law,
æfter wælníðe wæcnan scolde.
(81-85)

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Unmittelbar nach der Vorstellung der glorreichen Halle Heorot, erscheint eine Digression dar-
über, wie Heorot in Flammen untergehen wird. Wann genau dies geschehen soll wird jedoch
nicht genannt. Diese Digression wird auch in den Beowulf-Adaptionen verwendet. In manchen
Adaptionen erwartet Heorot das gleiche Schicksal, jedoch meist am Ende des Filmes und nicht
unmittelbar zu Beginn, wie es im Gedicht geschieht. Tatsächlich diskutieren auch Kritiker dar-
über, weshalb diese Digression zu Beginn erscheint, obwohl hier offensichtlich ein Abschluss
dargestellt wird. Auch dies ist eine Strategie, die zur literarischen Ästhetik des Heldengedichtes
Beowulf beiträgt.
Beowulfs finaler Kampf im Gedicht ist sein Kampf gegen den Drachen. Tatsächlich wird dieser
Kampf bereits vorher von einer Digression hervorgesagt. In den Versen 871 bis 915 wird von
dem erfolgreichen Drachentöter Siegmund erzählt.

þæt hé fram Sigemunde secgan hyrde that he of Sigmund had heard said,

ellendaédum: uncúþes fela of his deeds of glory: many uncanny things,


Wælsinges gewin wíde síðas the striving of Wael's son, his great journeys;
(875-877)

Auch Siegmund war in seinem Ruhm und seiner Stärke nicht weniger bekannt als Beowulf.
Beowulf und Siegmund sind sich in vielerlei Hinsicht ähnlich, und deshalb kann diese Digres-
sion als eine Vorahnung zu Beowulfs Kämpfen betrachtet werden. Sie beide töteten Monster,
und standen einem Drachen gegenüber. Die beiden Drachenkämpfe gehen aber nicht gleich aus.
Siegmund überlebt den Kampf, jedoch Beowulf wird durch das Gift in der Klaue des Drachen
umgebracht. In den meisten filmischen Beowulf-Adaptionen konzentrieren sich die Filmema-
cher auf zwei der drei großen Kämpfe von Beowulf, nämlich die gegen Grendel und Grendels
Mutter. Der Drachenkampf wird entweder komplett weggelassen oder durch drachenähnliche
Figuren angedeutet. Die Kämpfe gegen Grendel und Grendels Mutter werden eher verwendet,
da diese als zusammenhängende Geschehnisse eine Grundbasis für einen Film bieten.

Viele der Digressionen in Beowulf enthalten weibliche Figuren, die oft zum Vergleich der an-
deren Figuren in der Haupthandlung fungieren, die Zukunft vorhersagen oder erneut dem Inte-
resse des Lesers dienen. In vielen Theorien und literaturwissenschaftlichen Auseinandersetzun-
gen mit Beowulf, werden den weiblichen Figuren wenig Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl
diese einige wichtige Funktionen haben. In den Beowulf-Adaptionen nehmen weibliche

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Figuren eine bedeutende Rolle ein. Ob dies nun der Fall ist, weil die Regisseure Potential in
den Frauen in Beowulf sehen, oder es der Hollywood-Tradition und dem unumgänglichen Vor-
kommen einer Protagonistin geschuldet ist, ist nicht eindeutig. Die Namen oder das Leben die-
ser weiblichen Figuren ähneln den Figuren im Heldengedicht. Meist ist es Hrothgars Tochter,
welche als Protagonistin verwendet wird und auch für den Helden Beowulf eine wichtige Rolle
spielt. Im Heldengedicht kommt Hrothgars und Wealhtheows Tochter Freawaru kaum vor.
Freawaru soll als peace waver Ingeld heiraten, und somit dem Krieg wischen den Dänen und
dem Heathobard Königreich ein Ende zu setzen.

þæt hé mid ðý wífe wælfaéhða that he with this woman a great part of the slaughter-
daél feuds,
sæcca gesette. Oft seldan hwaér conflicts will settle. Very seldom anywhere
æfter léodhryre lýtle hwíle after the fall of a leader (even) a little while
bongár búgeð þéah séo brýd the murderous spear bends down, though the bride be
duge. good.
(2028-2031)

Freawaru kommt in Beowulfs Bericht an seine König Hygelac vor, nachdem er in seine Heimat
zurückgekehrt ist. In seiner Rede erzählt Beowulf von der anstehenden Heirat zwischen Frea-
waru und Ingeld. Beowulf zweifelt daran, dass die Ehe Frieden bringen wird, sondern der Krieg
wird erneut anfangen und Freawaru wird es nicht möglich sein, ihre Funktion als peace weaver
zu erfüllen. Die Wut und der Schmerz, den die beiden Völker empfinden, sind zu groß und
deshalb kann ein Frieden nicht gesichert werden. So ist sich Beowulf sicher, dass dieser Krieg
und die Feindschaft Kälte zwischen Ingeld und Freawaru bringen wird. Freawarus Geschichte
ähnelt der von Hildeburh, welche in einer weiteren Digression vorkommt.

Þonne bíoð brocene on bá healfe Then are broken on both sides


áðsweorð eorla· syððan Ingelde the sworn oaths of earls; then in Ingeld
weallað wælníðas ond him murderous hate will well up and in him the love of
wíflufan woman
æfter cearwælmum cólran
surges of grief will become cooler;
weorðað·
(2063-2066)

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Das Thema der Rache spielt in diesen Digressionen eine wichtige Rolle, aber auch an weiteren
Punkten im Gedicht, so greift Grendels Mutter Heorot an, um Rache für ihren Sohn zu nehmen.
Auch in den Beowulf-Adaptionen ist Rache oftmals ein Ausgangspunkt der meisten Kämpfe.
Hildeburh erscheint in der Digression Finnsburg Episode (1065-1158), in welcher es um den
Krieg zwischen den Friesen und Dänemark handelt. Die Erzählung von Finn erfolgt, während
der Feier, die zu Ehren Beowulfs gehalten wird, nachdem er Grendel besiegt hat. Um den Krieg
zu beenden, heiratete Hildeburh, welche die Schwester des dänischen Königs Hnaef ist, den
friesischen König Finn. Auch sie soll Frieden zwischen zwei Königreiche bringen, jedoch ist
ihr das nicht möglich. Es kommt erneut zu einer tödlichen Auseinandersetzung, bei welcher
Hnaef und der Sohn von Finn und Hildeburh sterben. Zwar war es Hildeburh nicht möglich
ihren Bruder oder ihren Sohn zu beschützen, jedoch will sie ihre Rolle als peace weaver noch
durchsetzen und lässt ihren Bruder und ihren Sohn zusammen als Zeichen einer Vereinigung
bestatten. Bei einer späteren Auseinandersetzung wird auch Finn umgebracht und Hildeburh
kehrt zurück nach Dänemark.

Né húru Hildeburh herian þorfte Truly, Hildeburh did not have need to praise
eotena tréowe· unsynnum wearð the good faith of the Eotens; she was guiltless,

beloren léofum æt þám hildplegan bereft of her dear ones: --in the war-play--

bearnum ond bróðrum· híe on gebyrd her son and brother; they fell, in accorance
hruron with Fate,
wounded by spear; that was a mournful
gáre wunde· þæt wæs geómuru ides. woman.
(1071-1075)

Hildeburh war trotz dieser Auseinandersetzungen sowohl ihrem Mann als auch ihrem Bruder
treu geblieben. Sie repräsentiert eine Frau mit einem starken Charakter und viel Durchhaltever-
mögen. Diese Charakterzüge lassen sich ebenfalls bei den meisten Protagonistinnen in den fil-
mischen Beowulf-Adaptionen erkennen.

Sowohl im Heldengedicht Beowulf als auch in den Adaptionen treffen heidnische Elemente auf
christliche Elemente. Es besteht die Theorie, dass die christlichen Elemente in das berühmte
Heldengedicht eingebaut wurden, um den Lesern das Christentum näher zu bringen. Unklar

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bleibt aber, ob der Dichter selbst die Elemente eingefügt hat, oder ob dies zu einem späteren
Zeitpunkt durch eine fremde Hand geschehen ist. Auffallend sind die Bezüge zu vielen bibli-
schen Erzählungen, aber auch die Figuren in Heldengedicht, welche in ihren Reden oftmals von
Gott und christlichen Bezügen sprechen.

--nó ic þæs gylpe-- with bright swords --I do not boast of this--
þéah ðú þínum bróðrum tó banan wurde nevertheless, you your brothers' killer were,
héafodmaégum þæs þú in helle scealt near relatives; for that you must with Hel
werhðo dreogan þéah þín wit duge· suffer torment, though your mind is strong;
(586-589)

In seiner Rede gegen Unferth und seinen Behauptungen gegen Beowulf, spricht Beowulf davon
wie Unferth einst seinen eigenen Bruder getötet hat und deswegen in der Höhle verbrennen
wird. Auch andere Figuren reden von Gott, wie zum Beispiel Hrothgar, welcher davon spricht,
dass Gott Beowulf geschickt hat, um ihnen gegen Grendel zu helfen. Die Macht wird also nicht
nur in Beowulf gesehen, sondern auch in Gott, obwohl die Figuren im Gedicht an germanische
Götter glauben.

hine hálig god him holy God,


for árstafum ús onsende in benevolence, has sent to us,
tó West-Denum· þæs ic wén hæbbe· to the West-Danes, of this I have hope,
wið Grendles gryre· against Grendel's terror;
(381-384)

Im Heldengedicht erfährt der Leser mehr über die Herkunft von Grendel und seiner Mutter. Sie
beide stammen von Kain ab. Kain ist der erste Sohn von Adam und Eva. In der biblischen
Erzählung tötet Kain seinen Bruder Abel und begeht damit den ersten Mord in der Geschichte
des Menschen. Als Bestrafung hierfür wurde er auf die Erde verbannt.

wæs se grimma gaést Grendel


this ghastly demon was named Grendel,
háten
maére mearcstapa sé þe móras infamous stalker in the marches, he who held the
héold moors,
fen and desolate strong-hold; the land of marsh-
fen ond fæsten· fífelcynnes eard
monsters,

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wonsaélí wer weardode hwíle the wretched creature ruled for a time
siþðan him scyppend forscrifen
since him the Creator had condemned
hæfde
in Caines cynne þone cwealm
with the kin of Cain; that killing avenged
gewræc
éce drihten þæs þe hé Ábel slóg· the eternal Lord, in which he slew Abel;
(102-108)

In den meisten Beowulf-Adaptionen wird ebenfalls etwas zu Grendels Ursprung offenbart, je-
doch bezieht sich dies nicht auf Kain. Aber auch in den Beowulf-Adaptionen bleibt die Ge-
schichte von Kain nicht ganz ausgeschlossen und wird mitverwendet.
Der Kampf gegen Grendels Mutter erinnert ebenfalls an die biblische Erzählung von David und
Goliath. David kämpft gegen den Riesen Goliath und seine Lage schien zunächst aussichtlos,
dennoch gelang es ihm Goliath zu besiegen und als Zeichen seines Triumphs nahm er Goliaths
Kopf als Trophäe mit. Auch Beowulfs Kampf gegen Grendels Mutter war schwieriger als er
befürchtet hatte. Er hatte keine Waffe, um dieses Monster zu bekämpfen, und dadurch war er
im Nachteil. Als es nun auch für ihn aussichtlos erschien, entdeckte er in der Höhle von Gren-
dels Mutter ein Schwert und konnte sie damit besiegen. Als seine Trophäe nimmt Beowulfs
Grendels Kopf mit.Viele dieser christlichen Digressionen lassen sich auch in den filmischen
Beowulf-Adaptionen wiederfinden.
Neben den christlichen Elementen verfügt Beowulf selbstverständlich auch über heidnische
Elemente, die in den Beowulf-Adaptionen integriert werden. Dabei fallen insbesondere die ger-
manischen Bestattungsriten auf. In den Digressionen über Scyld und Finn wird beschrieben,
wie ihre leblosen Körper auf einem Schiff hinaus auf das Meer geschickt werden. Auf dem
Schiff befinden sich viele kostbare Schätze. Auch Beowulfs Bestattung wird nach seinem Tod
im Gedicht beschrieben (Irving: 177-178):

Him ðá gegiredan Géata léode Then for him prepared the people of the Geats

ád on eorðan unwáclícne a pyre on the earth, not trifling,

helmum behongen hildebordum hung with helmets, with battle-shields,


beorhtum byrnum swá hé béna wæs· with bright byrnies, as he had requested;
álegdon ðá tómiddes maérne þéoden they laid then in the midst the famed chieftain,
hæleð híofende hláford léofne· the lamenting heroes, their belovèd lord;
(3137-3142)

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