05/2022 Deutschland 4,20 € • Österreich 4,80 €

4
Beauty

195404
304208
Haut &
Hormone

05
SEHNSUC HT L ANDLEBEN

Drei Frauen AB HEUTE OHNE MIC H

finden ihr Glück Warum
gerade so viele
ihren Job
T S C H Ü S , B AU C H !
kündigen
So bleibt
unsere Körpermit te
DÉSIRÉE NOSBUSC H
gesund
„
Ich wollte
zu vielen
gleichzeitig
gefallen

MIT “

LEICHTIGKEIT
DURCHS
Klingt gut, oder? LEBEN
Noch besser: Man kann es lernen
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 EDITOR I A L
05 . 2022
„ I C H H A B E G R OS S E S E H N S U C HT N AC H D I E S E R GA N Z B E SO N D E R E N A R T VO N W E LT,
IN DER M AN ARBEITEN UND ATMEN UND SIC H M ANC HM AL WIE VERRÜC K T FREUEN K ANN“
(ANNA SEGHERS)

L IEBE L ESER IN,

LIEBER LESER,
während ich das schreibe, herrscht Krieg in der
Ukraine, seit einer Woche nun, und uns allen ist
schwer ums Herz. Angst, Ohnmacht, Mitgefühl–
das sind nur einige der vielen Gefühle, die auch
uns in der Redaktion bewegen.
Wenn Sie dieses Heft in den Händen halten, hat
sich die Welt weitergedreht, und niemand weiß
gerade, wohin.
Wie mit alldem umgehen? Darf man in diesen
Zeiten überhaupt so etwas wie Freude oder
Glück empfinden? Ja, das dürfen wir. Denn
niemandem ist damit geholfen, wenn es auch uns
schlecht geht. Und nur wenn wir uns mal aus
dem Geschehen ausklinken und gut auf uns
schauen, können wir anderen wirklich helfen.
Wie wir diese Leichtigkeit, nach der wir uns nach
zwei Jahren Pandemie so sehnen, wieder in unser
Leben holen, und sei es nur für einen Moment,
hat Katja Nele Bode herausgefunden (S. 12).
Und wir sagen Tschüs zu Alena Schröder. Ihre
Kolumnen werden Sie nun in der BRIGITTE
lesen. Danke, liebe Alena, für Deine klugen
Zwischenrufe! WOMAN-Textchefin Miriam
Collée wird ab jetzt die kleinen, großen Fragen
des Alltags ergründen, in ihrer Kolumne „Was
man von hier aus sagen kann“.
Viel Spaß beim Lesen!

1 2 3 HEFTPERLEN
1 Maria Grossmann hat für uns
FOTOS: Martin Kess, privat (3)

vegetarische Grillrezepte köstlich in

Szene gesetzt (S. 90) 2 Mehr Wind?
Das Beauty-Produktionsteam mit
Stylistin Birgit Potzkai (re.) macht
den Test fürs Shooting (S. 44) 3 Peggy
Elfmann schreibt sehr berührend
darüber, wie es ist, mit den alten
Eltern über Pflege zu reden (S. 102)

05 _ 22
BRIGIT TE
WOMAN 3
 Mode
1 9 G R A D, W E S T W I N D

44
Noch kein Bikiniwetter –
aber perfekt für
lässige Casual-Mode mit
Marine-Twist

22 Schönheit
DIE MACHT DER
HORMONE

Sie beeinflussen nicht

nur unsere
Stimmung, sondern
auch das Hautbild.
In welchem Alter
passiert was?
Und welche Pflege ist
dann ratsam?

I N H A LT

ANFÄNGE FÜR DEN MONAT MÄRZ K U LT U R PORTRÄT

06 Schlaf-App, Hüfttaschen, Black-Sheep- 78 Désirée Nosbusch begleitet uns
Pullover – darauf freuen wir uns! auf dem Bildschirm seit über 40 Jahren.
Doch echte Anerkennung erfuhr
PSYCHOLOGIE LEICHTIGKEIT
sie erst mit Mitte 50
12 Alles ist so schwer geworden. Kann
man sich den federnden Gang durchs 86 MAGAZIN
Leben wieder antrainieren? Musik, Filme und Literatur
MODE LUST AUF MEER GENUSS GRILL DEN HALLOUMI
22 Die passende Mode zur Sehnsucht: 90 Vegetarisches für die Gartenküche
locker und leger mit Marine-Flair 98 MAGAZIN
34 MAGAZIN Hefegebäck / Macarons / Weinreise
Karos / Schmuck mit Botschaft /
Mode-Ausstellung GESUNDHEIT WIR SOLLTEN REDEN
102 Unsere Autorin drückte sich lange
GESELLSCHAFT DAS BESONDERE GESPRÄCH davor, mit ihren Eltern über deren
38 Mit erhobenem Zeigefinger Pflege zu sprechen. Wie kann so ein
werden wir die Welt nicht retten, Gespräch gelingen?
sagt der Soziologe Harald Welzer.
Er hat bessere Ideen 108 GEFÄHRLICHES BAUCHFETT
Selbst schlanke Frauen nehmen ab 40
58 WAS SOLL DIE SCHEISSE? an Taillenumfang zu. Warum das so ist
Ein nicht ganz jugendfreies Gespräch und wann es gefährlich wird
mit einer Fluch- & Schimpf-Forscherin
112 MAGAZIN
62 STADT, LAND, TRAUM Vulvodynie / Knochen / Arznei-Müll
Drei Großstädterinnen erfinden sich in
der Provinz neu REISE IM WASSERLAND
120 Der Fünf-Flüsse-Radweg im Nordosten
SCHÖNHEIT HAUT & HORMONE Bayern lässt selbst nordische Flachland-
44 Unser körpereigenes Chemielabor radler jodeln
beeinflusst die Haut in jedem Alter
anders. Ein Pflege-Guide KOLUMNEN WAS MAN VON HIER AUS
20 SAGEN KANN
54 MAGAZIN Miriam Collée vermisst das
Lippenfarbe / Triple-Serum / Highheel-Gefühl
Sonnenpflege
BERUF THE BIG QUIT
130 VORLÄUFIGES ENDERGEBNIS
72 Warum kündigen gerade so viele Till Raether versucht, dem Wunsch
ihren Job? seiner Mutter gerecht zu werden

FINANZEN FRAGEN ZUM GELD AUSSERDEM IMPRESSUM, LESERBRIEFE,

76 Antworten von Helma Sick 7 7, 1 1 6 , 1 2 9 RÄTSEL
 90Genuss
VEGETARISCH GRILLEN

38
Barbecue-Saison heißt in der

78
Regel: viele Fleischlappen,
dazu die üblichen Salate.
Wir können aber auch anders

Gespräch
HARALD WELZER Porträt
DÉSIRÉE NOSBUSCH
Mahnen, Panik verbreiten –
damit ist die Klimabewegung Mit 12 Kinderstar,
gescheitert, sagt der Ökopionier. mit 57 als Schauspielerin
Stattdessen will er Mut und Lust gefeiert. Die Jahre dazwischen?
machen, neue Wege zu gehen Schwierig. Über die
Höhen und Tiefen hat die
Luxemburgerin
ein Buch geschrieben
Reise
BAYERISCHE MÄRCHEN
Der Fünf-Flüsse-Radweg
durch Bayern ist so verwunschen
und idyllisch, dass unsere
Autorin sich zwischendrin zwicken musste
E I N PA A R
F LÜG E ,

120 BI T T E!
Titelthema
WO BLEIBT EIGENTLICH
DIE LEICHTIGKEIT?

Das Leben fühlt sich so verflucht

schwer an, fand unsere Autorin und
machte sich auf die Suche

12
ANFÄNGE Da rauf freuen w ir uns im Ma i

THE SIMPLE LIFE

RAUS AUS DER STADT, REIN IN DIE NATUR, ABER BITTE NICHT
WEIT WEG. DAS IST DIE IDEE DES START-UPS „RAUS“

S E T Z D IC H, L IE BE !
Vo rs c hl ag f ür st ils ich e r e
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BE AUT Y
Klare Luft, weiter Horizont, morgens Kaffee bei Vogelgezwitscher ... So ähnlich
DRAMA, träumen Großstädter vom Landleben. Wer dem urbanen Alltag mal kurz den Stecker
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von Blumen umrankt
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 F RAU N E U MA N N
„ I ch ha b e ni e e i n e n Man n
g e k ü ss t o d er s o w as“

I l l us t r a t or i n
C ha r lot t e Mü ll e r,
5 0 , a r b ei t e t e
e i ne Z e i t l a ng
a l s B e t r eu e r i n
in e in e m
Al t e nhe i m

BUCHTIPP

»Wa s vom L eben übr ig blei bt , sind Bi lder

und G eschicht en«
Max Liebermanns berühmtes Zitat und ein Job im Seniorenheim brachten eine Berliner
Illustratorin auf die Idee: Sie machte aus gesammelten Lebensgeschichten ein bezauberndes Buch

Da ist Frau Wolf, die mit ihrem Mann

E-ROLLER
SCHWALBE, und dann, im Krieg, ihr Zuhause. Was
RELOADED
ERZEU GT DI ES E R ANBL ICK
LEI CHTE S HE RZRAS E N?
DANN HABEN W IR G U TE U ND
S CHL ECH TE NACH RICHTEN:
DI E E -V ERS I O N D ES KU LT-
ROL LER S MAC HT DAS U M WELT-
GE WI S S EN F EDE RLE ICHT.
DI E GELD BÖ RS E ABE R L EID ER
AU CH. AB 5 5 90 EU RO,
gove c s -sc ooter.c om
auf Reisen ging, weil sie keine Kinder
bekommen konnten. Frau Neumann,
die nie heiratete, weil sie ihrem Bruder,
dem Pfarrer, den Haushalt führte. Und
C h ar l o t t e Mü l l e r :
Frau Stenzel, die erst die Tochter verlor „ E i n H a u s m it
v i e le n F e ns t e r n“ ,
8 0 S., 2 4 Eu r o,
diese Menschen verbindet? Sie wohnen zu b ez ie h e n ü be r
im „Haus mit vielen Fenstern“, einem k uns ta n s t i ft e r. d e
Seniorenheim mit vielen Zimmern, und
in jedem steckt eine Lebensgeschichte.
Die Illustratorin Charlotte Müller, der
diese Erinnerungen während ihrer Zeit
als Betreuerin in einem Seniorenheim
anvertraut wurden, hat sie zu Papier ge-
bracht, damit die Geschichten auch nach
dem Tod nicht in Vergessenheit geraten.

05 _ 22
BRIGIT TE
WOMAN 7
MAI

A N DI E WÄ S C H E!
I n i h r e m f rü he r e n L e b e n OOPS-DOG
a r b ei t e t e G eo r g ia L a r se n
a l s Ein k ä uf e r in in d e r Pl ei ten, Pech & Pa nnen gib t ‘s au ch b ei Hu nden .
De s so usb ra nc h e . D a n n
f a nd si e: zu unb e q u e m , z u D i e lu stigs ten f ei er t d ieser Bild ban d
f a r b los . S o g rü n d e t e sie

F
i h r ei ge ne s L a b e l. Bo d y
rauchen hören das nicht gern. ausweglose Situationen. Macht aber
10 5 Eu r o, d ora l a r s e n. co m
Denn natürlich ist ihr Hund nichts, Hauptsache, Sie drücken im
wahnsinnig intelligent, anmu- richtigen Moment auf den Auslöser.
tig und sportlich. Doch bei genauerer
Betrachtung zeigt sich: Unser bester
Freund ist längst nicht so perfekt, wie
„ De r
wir annehmen. Schnappt am Ball he r ab -
vorbei, verheddert sich in Spielzeug, sc ha ue nde
knallt gegen parkende Autos (Nach H und “,
1 4 4 S. ,
vorn schauen, Elmo, nicht zur Hün- 1 2 E ur o,
din gegenüber!) oder bringt sich in Dum ont

W O GE HO B E LT WI RD
Auf der Homepage wird er so beschrieben: „der erste
MUSIK Rasierhobel, der speziell für den geschlechter-
übergreifenden Einsatz entwickelt wurde“. Lassen Sie
K AT F R A N K I E
sich davon nicht abschrecken. Der „Companion“
Die Australierin und hobelt weder Haut noch Späne von Beinen, im
Wahlberlinerin wechselt Gegenteil: Der Rasierkopf ist so designt,
Genres wie andere Leute dass das Schnittverletzungsrisiko bei
Glühbirnen: mal der Körperrasur reduziert wird.
Singer-Songwriterin, mal Weiteres Plus: das Stoffband
Elektropop, mal zum Aufhängen.
a cappella. Aber immer Für a ll e muehle-shaving.com
öffnet sie Herz und Ha utt y p e n:
Hirn mit ihrer zarten, „C om pa ni on“
de r Ma nu-
kraftvollen Musik. „Shiny f ak t ur Müh le ,
Things“, ab 13.5. 3 9 E ur o

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WOMAN 05 _ 22
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AUSSTELLU NG

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Als 1907 Bakelit zum Patent angemeldet
wurde, kam das einer Konsumrevolution gleich.
Die Folgen für die Umwelt sind bekannt,
doch was ist mit Architektur und Design?
Die Ausstellung „Plastik.
Die Welt neu denken“ im Vitra Design Museum
zeigt die Geschichte, Gegenwart und
Zukunft des kontroversen Materials.
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TITELTHEMA ___ LEBENSFREUDE

WO IST
EIGENTLICH
DIE LEICHTIGKEIT
GEBLIEBEN?
Irgendwann in den letzten Jahren ist unserer Autorin
ihr federnder Gang durchs Leben abhandengekommen. Statt sich
morgens auf den Tag zu freuen, sieht sie öden Alltag und To-do-Listen.
Höchste Zeit, alles mal ein bisschen lockerer zu nehmen

TEXT _ _ _ K ATJA NELE BODE

DIE SEHNSUCHT
NACH DIESEM
LOCKEREN SELBST,
DAS KICHERN
UND SPRÜHEN
K ANN, DAS DEM
PESSIMISTISCHEN
BIEST DIE ZUNGE
HERAUSSTRECKT,
IST GIGANTISCH

05 _ 22
BRIGIT TE
WOMAN 13
TITELTHEMA ___ LEBENSFREUDE
F
„F R EU DE “ ST EH T AUF D EM B U CH-
COV ER und darunter: „Über die Ent-
deckung der Leichtigkeit“. Ich stehe
in der Buchhandlung, ein seltsames
Gefühl keimt auf. Ich nehme das
Buch und laufe schnell zur Kasse,
­damit es nicht weggeht. Als würde
mich allein das kleine Wort „leicht“
in einer altmodischen Zirkusshow
über dem Boden schweben
lassen – bunte Farben in
der Freiluft-Arena,
viel Gelächter und
ich in einem schim-
mernden Showdress,
Kopf triumphierend
in den Nacken, die
Mähne luftig wippend.
In Wahrheit fühlen sich meine
Füße an wie mit Gusseisen an den
Boden geschmiedet, mein Kopf
hängt, die Schultern auch, die Haare:
schlapp. Mein Gehirn lässt seit – ja,
seit wann eigentlich? – täglich watte-
dicken „brain fog“ darin aufziehen,
mein Herz kommt mir durchschrotet
vor von diffusen Ängsten und fieser
Adrenalin-Artillerie. So sieht’s aus.
Und doch, die Sehnsucht nach die-
sem lockeren Selbst, das kichern und
sprühen kann, das dem pessimisti-
schen Biest in mir die Zunge heraus-
streckt, ist gigantisch. Gerade jetzt,
am Ende der Pandemie, die auf vie-
len lastet, als wären wir unter trief­
nassem Laub verschüttet. Trotzdem
glaube ich, auch ohne das Virus wäre
uns nicht wirklich leicht ums Herz.
Auch vor Corona haben wir geächzt,
gerödelt wie die Irren, sind zwecks
Stimmungsaufhellung in Therapien
gerannt. Also mache ich mich jetzt
auf die Suche: nach der wunderbar
erträglichen Leichtigkeit des Seins.
WO ANFANGEN?
E R ST M A L Z U M EI N E R IN TE R N I S -
T IN, EIN B LUT BI LD A N FER TI G E N.
Könnte ja doch was sein. Doch die
Werte sind top. Ich bin ein bisschen
enttäuscht. Man bietet mir an, meine
Herzratenvariabilität zu überprüfen.
Da geht es um meinen Umgang mit
Stress. Die schlechte Nachricht: Ich
stehe ziemlich unter Strom. Aufge-
regte Botenstoffe tanzen in meinem
Inneren regelmäßig Hip-Hop. Die
gute Nachricht: Ich habe das Werk-
zeug, die nervigen Dinger im Zaum
zu halten. In einem zweiten Test ge-
lingt es mir, durch ruhiges Atmen
Adrenalin und Konsorten wieder
einzufangen. „Das ist Ihre Waffe, Ihre
Medizin“, tröstet die Ärztin. Ich frage
noch nach einem fancy Nahrungs­
ergänzungsmittel, Rosenwurz viel-
leicht? Sie winkt ab. „Schauen Sie
lieber, was Ihnen guttut.“ Und hält
mir noch einen kleinen Vortrag über
Frauen meines Alters, die sich für
alles verantwortlich fühlen. Für ihre
Ehe, ihre Ausstrahlung, die politische
Lage in der Ukraine. „Lassen Sie das!
Sie sind nur für sich verantwortlich.“
WIR MÜSSEN NICHTS
„AUSHALTEN“
WA S T UT M IR GU T ?Vielleicht weiß
ich das gar nicht – trotz Achtsam-
keitsseminaren, kämpferischer Ge-
spräche mit Freunden und diverser
zerlesener Ratgeber. Da fällt mir
Kim D’Eramo ein. Die ehemalige
Notfallärztin und Osteopathin, die
in den USA ein beliebter Gesund-
heitscoach ist, ist eine Verfechterin
der Mind-Body-Medizin und hat
sich nach einer Autoimmunerkran-
kung und langjährigem Fatigue-­
Syndrom mit Techniken, die den
Energiehaushalt im Körper neu aus-
balancieren, selbst geheilt.
Ihr Ansatz: Alles, woran wir verbis-
sen festhalten, macht uns krank und
schwer – verkrustete Überzeugun-
gen, übersteigerte Erwartungen und
Verpflichtungen, denen wir womög-
lich gar nicht nachkommen müss-
ten. In ihrer saloppen Art sagt sie:
„Eigentlich sind wir alle spätestens
seit unseren Teenagerzeiten ge-
brainwasht. Seit damals lassen wir
uns sagen: Ihr seid nicht gut genug,
hängt euch noch mehr rein.“ Sie
vergleicht unser Leben mit kleinen
Schachteln, in denen wir festsitzen
und überzeugt sind, die schwierige
Beziehung, den nicht optimalen Job,
den einmal gewählten Lifestyle bis
ans Ende fortsetzen zu müssen.
Klingt vielleicht etwas theatralisch,
aber sie trifft einen Ton bei mir: Ja,
vermutlich hat dieses Gefühl, ich
würde wie ein zäher Kaugummi
irgendwo festkleben, viel damit zu
tun, dass ich es trotz der großen
Gier nach Freude und Ausgelassen-
heit nicht schaffe, aus der Reihe
zu tanzen.
DIE WEISHEIT
UNSERES KÖRPERS
ES G I B T EI NE AR T SU PERÜ BU NG,
die D’Eramo allen dreimal pro Tag
verordnet, die sich wieder leichter
fühlen wollen – übersetzt heißt sie
„Sofortige Erhebung“. Zusammenge-
fasst geht es darum, zuerst intensiv
den Zustand seines Körpers zu erspü-
ren, anschließend einige tiefe Atem-
züge zu machen und in einem letzten
Schritt eine Entscheidung zu treffen:
Was würde in diesem Augenblick für
das höchste Wohlbefinden sorgen?
e
„Entscheidend ist der
erste Schritt, in dem Sie
die Aufmerksamkeit
auf Ihren Körper richten,
fragen: Wo ist meine
Energie? Wo ist Schwere?
Wo ist Leichtigkeit?
Dieser Perspektivwechsel
verändert sofort die
gesamte innere Chemie“
KIM D‘ERAMO
Wow, denke ich, da ist es ja wieder,
dieses „Was tut mir gut?“. Für die
Amerikanerin ist klar, dass mir die
Frage nicht mein Kopf beantworten
kann, sondern dass nur „die Weisheit
des Körpers“ in der Lage ist, sie mir
zuzuflüstern. „Entscheidend ist der
erste Schritt, in dem Sie die Aufmerk-
samkeit auf Ihren Körper richten,
fragen: Wo ist meine Energie? Wo ist
Schwere? Wo ist Leichtigkeit? Dieser
Perspektivwechsel verändert sofort
die gesamte innere Chemie, bannt
jede Negativität, die in uns rumort.
Es ist ein Weckruf.“
KOPF AUS, INSTINKT AN!
ICH VE R ST E HE DA S SO : I M KÖR PE R
SCH LUM M E R T E IN E P OW ER , die wir
wachrütteln müssen – und die uns
dann zu unserem ganz persönlichen
Wohlbefinden führt. Aber wie akti-
viert man nun diese Power? Gibt es
einen Schalter dafür? Und dann fällt
es mir wie Schuppen von den Augen:
Sich gut zu FÜHLEN ist das erste
­Gebot für ein fröhlicheres und unbe-
05 _ 22
schwerteres SEIN. Das muss kein
überkandidelter Ego-Trip sein oder
eine Woche in einem teuren Well-
nesshotel. Wer hat mir das vor langer
Zeit eigentlich verboten – einfach so
Gaudi zu machen, sich komplett al-
bern zu benehmen, übermütig High
Five zu klatschen oder über einen
hohen Zaun zu kraxeln, von dem ich
nicht weiß, ob ich rüberkomme?
Was irre ist: Noch bin ich ja Novizin
in der Schule der Leichtigkeit, aber
ich fange an zu durchschauen, dass
der Weg dahin gar nicht so viel mit
wildem Kopfzerbrechen und aus­
gefeilten Ich-mach-es-jetzt-ganz-an-
ders-Plänen zu tun hat. Es geht eher
um einen verlorenen Instinkt, den
ich freilegen muss. Und den ich vor
vollen To-do-Listen und einem hu-
morlosen, durchgetakteten Über-Ich
in Schutz nehmen sollte.
DEN ÜBERMUT WECKEN
Vielleicht habe ich heute mehr Lust,
mit meinen Kindern eine Pfannku-
chenschlacht in der Küche zu starten,
als mit meinem nächsten Auftrag
fristgerecht loszulegen? Ich könnte in
den Nachtzug nach Neapel steigen,
zwei Tage den Vesuv anhimmeln.
Eine Auszeit nehmen von Suppen-
töpfen, Staubflusen und Rundmails
aus der Schule, stattdessen dem Meer
beim Glitzern zuschauen. Würde ge-
hen. Nachtzüge sind toll.
Womöglich dirigiert mich mein Was-
tut-dir-gut-Gefühl auch gar nicht
wirklich zum Kühlschrank, um mir
ein paar Stullen gegen den täglichen
Lagerkoller zu schmieren, sondern
säuselt etwas von beschwingtem
­Spaziergang in der Sonne. Vielleicht
muss ich die Zoomkonferenz schwän-
zen, weil ich jetzt unbedingt eine
­Adriano-Celentano-Platte auflegen
muss und zu den Liedern „über die
Leute, die sich wie die Ölsardinen in
Dosen quetschen lassen“ mitgrölen
möchte. Oder ich will einfach mal
nichts, niente, nada fabrizieren.
BRIGIT TE
WOMAN 15

WENIGER UM UNS
SELBST KREISEN
UM EIN B IS S C HEN MEHR D U R CH
D EN AL LTAG ZU FED ER N, muss nie-
mand sein ganzes Leben, den Job oder
die Beziehung über Bord werfen –
vielmehr geht es darum, den Life­
style, dem wir uns verschrieben ha-
ben, zu überdenken. Er hängt uns
nonstop mit grässlichen Fragen in
den Ohren: Habe ich genug für meine
künftige Rente getan? Kann ich den
Lebensstandard, den ich aufgebaut
habe, auch halten? Bin ich eine tolle
Performerin? Habe ich dekadenlang
guten Sex? Alles Bullshit-Fragen, ver-
weigern Sie die Aussage!
In seinem Buch „Die große Angst“
erklärt der schwedische Soziologe
Roland Paulsen, warum sich unser
komfortables Leben trotz aller An-
nehmlichkeiten (Altbauwohnung,
guter Job, Urlaub, Bio-Essen) so be-
drückend anfühlt: „Wir spekulieren
zu sehr über unsere Zukunft, glauben
zu obsessiv an Ziele, die wir erreichen
müssen. Deshalb findet jeder, der
nur ein Fünkchen Fantasie besitzt,
immer einen Grund, sich Sorgen zu
machen. Obwohl das immer nur
erdachte, erfundene Zukunftsvisio-
nen sind.“
Wie sehr wir uns damit ins eigene
Knie schießen, verdeutlicht sein Ver-
gleich mit dem Alltag unserer Vorfah-
ren, den Jägern und Sammlern: De-
ren „Blick in die Zukunft umfasste
nicht selten nur wenige Tage. Es
herrschte ein zeitloses Gefühl reiner
Lebensintensität. Auch die Vorstel-
lung von einem Selbst nahm ganz
wenig Raum ein“.
Allein diese entzückende Vorstellung
lässt mich gleich ein paar Millimeter
über der Erde schweben. Ja, danach
sehne ich mich sehr – das Heute, das
Morgen gut gestimmt und nicht so
verdammt um mich selbst kreisend
angehen. Nichts sonst! Keinen Bock
mehr auf das blöde Herzklopfen, das
fragt: Und was ist dann übermorgen?
i
„Im Grunde sind wir
ein Homo ludens,
eine verspielte Spezies,
auch als Erwachsene.
Wir wollen
Quatsch machen,
uns freuen, einfach so.
Das haben wir
leider vergessen“
MAREN URNER
QUATSCH MACHEN,
EINFACH SO
DI E N EU R OWI SSEN SCH A F T L E R IN
MAR EN U R NE R , die das erhellende
Buch „Raus aus der ewigen Dauerkri-
se“ geschrieben hat, empfiehlt als
ersten Schritt, die alten Geschichten
über Bord zu werfen: die Story vom
Sichabrackern, vom protestanti-
schen Zähnezusammenbeißen. In
ihren Augen sind das schreckliche
Märchen, „die unserer wahren Natur
komplett widersprechen. Denn im
Grunde sind wir ein Homo ludens,
eine verspielte Spezies, auch als Er-
wachsene. Wir wollen Quatsch ma-
chen, uns freuen, einfach so“. Das
hätten wir leider vergessen, so Urner.
Schuld daran ist unser statisches
Denken, das uns eintrichtert, „an den
Dingen festzuhalten, selbst wenn es
weder vor noch zurück geht“. Dazu
kommt unsere lange antrainierte
Dienst-nach-Vorschrift-Mentalität.
Unser Geist wird quasi jeden Tag „ge-
kidnappt“ – von selbst verordneten
To-dos und dem Frust darüber, ihnen
nicht zu entkommen. „Das Verrückte
ist: Wenn uns jemand tatsächlich kid-
nappen wollte, würden wir uns mit
Händen und Füßen wehren.“
EMOTIONEN ZULASSEN
STATT WEGSCHIEBEN
D IE G UT E NACH R IC H T I ST: Wir
können uns wehren. „Weil wir jeden
Morgen eine Sache selbst bestimmen
können, und das ist unsere Einstel-
lung.“ Statt der miesen Laune, mit der
wir oft den Tag beginnen, die Macht
zu überlassen, geht es auch anders:
„Fragen Sie sich, wenn Sie wütend
oder unglücklich sind: Was genau
fühle ich gerade? Bin ich traurig, eher
aggressiv? Frustriert von mir oder
einem anderen Menschen? Wir sind
ziemlich schlampig im Wahrnehmen
und Sortieren unserer Gefühle. Es
 LEBENSFREUDE ___ TITELTHEMA

05 _ 22
BRIGIT TE
WOMAN 17
TITELTHEMA ___ LEBENSFREUDE

gibt meist nur die drei Tonarten: trau-
rig, genervt, glücklich. Und bei den
unguten sagen wir sofort: weg da-
mit!“ Was leider dazu führt, dass sie
uns nur noch heftiger überrollen.
Klüger sei dagegen: Ein Gefühl wie
ein Signal zu sehen, das ich beobach-
te und respektiere. Und alle Emotio-
nen, die es mit sich bringt, „wie eine
Welle zu nehmen, die irgendwann am
Strand ausrollt“. Anders gesagt: Erst
mal Luft holen, eine drückende Stim-
mung nicht wegschieben, sondern
zulassen, sie auf ihre Körnigkeit, ja,
ihre Farbe untersuchen – dann kann
man sie auch durchwinken.
LEICHTER UMS HERZ,
FREIER IM KOPF
F ÜR MAR EN UR N ER ist diese wohl-
wollende Durchlässigkeit ein großer
Gamechanger: Sie mache leichter
ums Herz, den Kopf frei für gute Ge-
danken und eröffne ungewohnte Per-
spektiven. Als würde man einen
Schalter umlegen, der uns neu polt.
„Probieren Sie es aus. Sie werden
anders vor die Tür treten und plötz-
lich viele kleine Dinge entdecken, die
Sie zufrieden machen.“ Stimmt
übrigens, heute Morgen habe ich
schon die erste Schwermut-Welle
überlebt. Statt wegzulaufen, bin ich
einfach durchgetaucht – war gar
nicht so schwer.

BÜCHER ZUM
W EI T ER L ES EN:

M a r e n U r n e r, „ Ra us
a us d e r ew ig e n Da u er kri s e “ ,
1 6 , 9 9 E ur o, Dro e m e r

A ng e l a Köc k ri tz,
„ Fr eu d e “ , 2 0 E u ro,
B e r l i n Ve r l a g

TIPPS
• E I N E E N T S PA N N E N D E AT E M T E C H N I K
L E R N E N. Die einfachste und nachhaltigste ist das
„Kohärente Atmen“: ca. sechsmal pro Minute möglichst ruhig
und nicht übertrieben bis in den Bauch ein- und wieder
ausatmen. Variabel können Sie das Ausatmen etwas
verlängern: Das stimuliert den Vagusnerv, fährt Panikge-
fühle, Unruhe und Niedergeschlagenheit runter.
• I M M E R W I E D E R I N N E H A LT E N.
Sagen Sie gelassen „time-out“, wenn Sie das Gefühl haben,
mal wieder im allergrößten Tumult unterzugehen. Hetzen
• A L KO H O L G E G E N A L LTAG S F R U S T ?
Das tägliche Gläschen Wein gab es während der Pandemie
häufiger. Dennoch: Alkohol bleibt trotz seiner erleichternden
Wirkung eine toxische Substanz, die in der Summe das
Leben beschwert. Wer nach Leichtigkeit sucht, sollte ihn
maximal drei- bis viermal pro Woche konsumieren.
• I N E I N M I N I -T R A M P O L I N I N V E S T I E R E N.
Kaum ein anderes Sportgerät verschafft so schnell Schwere-
losigkeit, auch für Ungeübte. Der Präventionsmediziner Gerd
Schnack empfiehlt tägliche Übungen, wie z. B. Tanzjogging.
FOTOS: PR; ILLUSTRATIONEN: Getty Images

Sie sich nicht ab, streichen Sie das Gefühl Schon-wieder-zu- Springen auf dem Trampolin regt das parasympathische
spät! möglichst aus Ihrem Repertoire. Netzwerk der Entspannung an. Geräte z. B. von Bellicon.

• A B L E N K U N G S S T R AT E G I E N H I N T E R F R AG E N.
Es kann unheimlich guttun, in ein spannendes Buch, einen
berührenden Film einzutauchen. Genauso beglückend ist
es, sich etwas Tolles zu kochen oder gut zu essen. Trotzdem
sollten Sie hellhörig werden, wenn solche Beschäftigungen
nur mehr dazu dienen, Problemen aus dem Weg zu gehen.
• W I E D E R A N FA N G E N Z U S P I E L E N.
Wir sind zu ernst geworden, setzen unseren Spielmuskel zu
selten ein. Eine Runde Rommé oder eine Partie Badminton
im Park, Wettrennen auf der Wiese oder ein Psychospiel mit
peinlichen Fragen? Wer sich Jux und Tollerei erlaubt, drückt
im neuronalen Netzwerk auf „reset“.

18 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
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KOLUMNE ___ MIRIAM COLLÉE
WA S M A N VO N H I E R AU S S AG E N K A N N
Warum noch mal haben wir früher hohe Schuhe getragen?,
fragt sich BRIGITTE WOMAN-Kolumnistin Miriam Collée
Ne uli ch t r ug i c h z u m er ste n
Ma l sei t La nge m h ohe S ch u -
he, genauer: pinkfarbene Pumps.
Das mag jetzt ein bisschen billig
­klingen, aber wenn man es obenrum
schlicht hält, weißes Shirt und Jeans,
wird ein, Achtung, Schuh draus.
Ich weiß noch genau, wie sich das
anfühlte, damals, als noch keine Del-
tas, Omikrons und Putins das Leben
schwer und die Absätze flach mach-
ten. Ich hab die Pumps morgens in
einen Jutebeutel gepackt und im Büro
gegen die Turnschuhe getauscht, die
mich heil zur U-Bahn brachten. Die-
se bekloppten Schuhe machten etwas
mit mir: Eben noch Stullen ge-
schmiert, jetzt verwegen wie die jun-
ge Kim Wilde, zumindest fühlte ich
mich so, und vermutlich ging ich auch
so, wenn ich den langen Flur zur Kan-
tine stakste. Man musste höllisch
aufpassen auf dem glatten Boden,
damit der Absatz nicht wegrutschte,
den verlagerten Körperschwerpunkt
durch leichte Rückenlage ausglei-
chen, die Knie durchstrecken und
gleichzeitig die Hüften locker lassen,
kurz: Man musste seinen Körper
wahrnehmen und unter Kontrolle
haben – etwas, was ich in den ver­
gangenen zwei Jahren nicht wirklich
von mir behaupten kann.
Natürlich kenne ich die Röntgenbil-
der von Highheel-Füßen, von Hallux
valgus und Hammerzehen. Und na-
türlich gibt es keinen einzigen ver-
nünftigen Grund, ein Menschenge-
wicht auf acht Zentimeter hohen
bleistiftdünnen Stöckchen zu balan-
cieren. Aber genau das ist ja das Tol-
20 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
DIESE SCHUHE
MACHTEN WAS MIT MIR.
ICH FÜHLTE MICH WIE
DIE JUNGE KIM WILDE.
UND VERMUTLICH GING
ICH AUCH SO, WENN
ICH DEN LANGEN FLUR
ZUR KANTINE STAKSTE
le daran: die Absage an die Vernunft,
das trotzige „Na, und?“, die physi-
sche und mentale Erhabenheit.
Voller Sehnsucht kramte ich also die
Pumps aus dem Regal. Ich war einge-
laden, kein Essen, eine richtige Party
mit Musik und doof rumstehen. Doch
genau da war das Problem: Nach einer
halben Stunde konnte ich nicht mehr
stehen geschweige denn zu dem sen-
sationellen Nudelsalat in der Küche
gehen. Meine Füße taten an so vielen
Stellen gleichzeitig weh, am Ballen, an
der Ferse, den Zehen (sind die in der
Pandemie etwa auch breiter gewor-
den?), dass ich den Abend auf einem
Hocker verbrachte, immerhin in
Reichweite der Chips. Ich erhielt sehr
viele Komplimente von sehr vielen
turnschuhtragenden Menschen, aber
es fühlte sich an, als wäre etwas gebro-
chen. Warum noch mal habe ich mir
jahrelang freiwillig Schmerzen zuge-
fügt? Für ein diffuses Kim-Wilde-Ge-
fühl? Habe ich für mich gelitten oder
für andere? Gar für ein sexistisches
System? Überhaupt: Kann man als
emanzipierte Frau so was tragen?
Die amerikanische Autorin Naomi
Wolf schrieb schon in den 90ern in
ihrem Buch „Mythos Schönheit“,
Highheels seien nur dazu da, Frauen
das Fortkommen zu verunmöglichen
– im übertragenen wie im wörtlichen
Sinn. Moralinsaure Emanze, dachte
ich mit Anfang 20 und tanzte einfach
weiter auf meinen hohen Hacken.
Heute, an einen Hocker gefesselt,
sehe ich das etwas anders.
Frustriert griff ich zu einer Tüte
M&Ms. Peanut Butter, neue Sorte.
Eine grüne Schokolinse in Sneakern
zwinkerte mir von der Packung zu.
Trug die nicht mal weiße Absatzstie-
fel? Ich googelte. Tatsache: Der Her-
steller hatte die Maskottchen dem
Zeitgeist angepasst – politisch korrek-
te Sneaker statt sexy Overknees. Man
wolle das „Selbstvertrauen und Selbst-
bewusstsein als starke Frau“ abbilden.
Hallo? War es nicht viel selbstbewuss-
ter, in deplatzierten Go-go-Boots her-
umzulaufen als in gleichgeschalteten
Sneakern? Vielleicht hatte das grüne
Ding in seinem Linsenleben vorher
FOTO: Anatol Kotte
viel mehr Spaß! Ist nicht jede Ent-
scheidung emanzipiert, solange man
sie selbst trifft? Ich stellte die Packung
ab und ging zur Tanzfläche. Barfuß.
DEIN
Accessoire
DEIN LEBEN. DEIN WEG.
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MODE ___ MARITIM

FOTOGR AFIE ___ SAR A WILSON

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Bedeckter Himmel, leichte Brise ---  noch kein

lässigen Casuals mit Marine-Twist Ausgang

Bikiniwetter. Macht aber nichts: Dann haben die neuen
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BRIGIT TE
WOMAN 23
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Tai l l e : E co a lf, ca . 1 2 0 E ur o. S t r ohhut : S p a t z H u t d e s ig n. E i nk a uf s ne t z : P B 0 1 10 . R i e m c he n p um ps : C h ie Mi ha ra
MODE ___ MARITIM
Z W I SC H E N H I M M E L
UND MEER

05 _ 22
BRIGIT TE
WOMAN 25
 HA L LO, S O NN E Bl a z e r au s B a um wol lm i x m i t S t a t e m e nt- G ol d k nö p f e n un d f a r b l ic h a bg es e tz te n De t ai l s: Ga nt, c a. 40 0 Eu ro .

26
S c hm a le S t r e i f en je a n s : Pe t e r H a hn, c a . 1 0 0 E u ro

BRIGIT TE
WOMAN
MODE ___ MARITIM

05 _ 22
 19 G R A D
S T R A N D GU T S t r ic k sh ir t m i t üb e r s ch nit t e ne n S c hul t e r n und Pol ok r a g e n: H e s s n a t ur, c a . 13 0 E u ro .
S t r ick h o se m it S t r e i fe ns a um : E d it e d , c a . 7 0 E ur o. L e d er c log s : L ong c ha mp
28 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
 MARITIM ___ MODE

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We it e Pa p e r b a g- Be r mu d a s a u s Le i ne n mi t Kor d e lg ür t e l und Fr a ns e ns a um : M a c J e a ns, c a . 7 0 E ur o ( Bi l d l in k s )
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CHARITY

LE IT S ÄTZ E
Aktueller denn je sind
die starken Statements,
die Künstlerin
Namastehannah
für die Hilfs-
organisation Plan Mantel und Leinentasche: Boden, ca. 310 und 80 Euro. Pullunder: Edited, ca.
50 Euro. Blazer und Bundfaltenhose: Scotch & Soda, ca. 200 und 140 Euro. Cardigan:
International Oui, ca. 130 Euro. Tasche: Sandro, ca. 275 Euro. Viskosekleid: Givn, ca. 130 Euro
auf Stoff verewigt

D
hat. Baumwoll- ass dieses Muster mehr kann neben Retro-Charme auch viel Leich-
beutel, als brave Hemden, wissen wir tigkeit und Unbeschwertheit mit. Und
ca. 25 Euro. schon lange. Jetzt hat es or- was brauchen wir dringender, nicht
pl an -shop . de dentlich Farbe aufgetragen und bringt nur für die Sommergarderobe?

34 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
MODE ___ MAGAZIN

P OP-A RT

Y E STE R DAY ...
Ohne vier Jungs aus
Liverpool wüssten wir
heute nicht, was
Popmusik ist. Ihr erstes
Konzert spielten die
Beatles 1960 im „Indra
Club“ in Hamburg-
St. Pauli. Von den
M IT STIL U N D SIEGEL
weiteren Stationen Mächtige Männer trugen sie zuerst, dicke und schicke Ringe
ihrer Weltkarriere gehören aber an viele Finger, findet Mode-Ikone Jenna Lyons
erzählt dieses Shirt mit
Ticket-Print.
Ca. 40 Euro. TY PISCH MÄNNLICH, T YPIS CH WE IB LICH? Wie gestrig!
dedicatedb rand. com Jenna Lyons, Ex-Kreativdirektorin der populären US-Modekette
J. Crew, hat sich gerade zum Beispiel von den Männern ihrer Familie
inspirieren lassen: „Sowohl mein Vater als auch mein Großvater
trugen als Symbol ihrer Familiengeschichte Siegelringe am kleinen Finger.“
Also entwarf sie kurzerhand zusammen mit der Schmuckmarke
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REDAKTION: Sabine Eichstedt FOTOS: PR

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g en a n n t, sc hr ä nk t le id e r d ie
S c h u ha u s wa hl e r h e b li c h e in .
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B I S H EU T E . B I S 2 8. 8 . m k g -ha m bu rg .d e

36 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
 N AC H H A LT I G

EL A STHAN? NEIN, DANKE

J e a ns br a uc he n e i n e n S t r e t ch a n te il , u m
b eque m zu se in . H e ssn a t u r ist e s je t z t
g e l u ng e n, N a t u r k a u t s c h u k in B io b a u m-
w o l l f a se r n ei nz u s p in n e n , u m d a s M a t e r i a l
d eh n b ar zu ma ch e n . Da s „C o r e va - De n im“
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DAS BESONDERE GESPRÄCH ___ HARALD WELZER

In ne ha l t e n i n e i ne m
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a uc h i s t : f ü r H a r a l d We l z e r
d i e b e s t e M e t hod e
g e g e n d e n Op t im i e r ung s wa hn

38 BRIGIT TE
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 » DA S
A POK A LY P TISCH E
GEL ABER
N E RV T «
Harald Welzer gilt als einer der streitbarsten
Intellektuellen Deutschlands: ein Ökofreak der ersten Stunde,
der jedoch von Klimapanik ebenso wenig hält
wie vom zwanghaften Weltretten. Sein Vorschlag:
aufhören, mit allem Möglichen!
Warum fällt uns das bloß so schwer?

TEXT _ _ _ K ATJA NELE BODE

FOTOGR AFIE ___ ROBERT RIEGER

BRIGITTE WOMAN: Herr Welzer, Ihr
aktuelles Buch heißt „Nachruf auf mich selbst“.
Ungewöhnlich, denn Sie leben ja noch.
HARALD WELZER: Der Nachruf, den ich meine,
bezieht sich auf das Leben, das noch vor mir liegt, mit der
Leitfrage: Wer will ich gewesen sein? Es war unheimlich
hilfreich, das zu tun. Wir surfen so gedankenlos mit den
Anforderungen der Gegenwart mit. Und merken nicht,
wie wir dauernd vom Weg abkommen. Plötzlich hatte ich
einen Leitfaden, der mich daran erinnert: Was sind
meine Bedürfnisse, meine Werte? Ich habe festgestellt:
So ein Nachruf hat einen starken Effekt.
Was hat sich bei Ihnen verändert?
Ein Punkt in meinem Nachruf heißt: Er konnte gut Zeit
verschwenden. Das Problem ist aber, dass das gar nicht
stimmt. Ich mache immer viel zu viel. Denke dauernd,
dies muss noch erledigt werden, jene Chance darfst du
nicht verpassen. Bis ich neulich diesen Punkt in meinem
Nachruf las und sofort dachte: Verdammt, warum
weichst du schon wieder von dem ab, was du dir vor
einem Jahr vorgenommen hast? Ich habe dann in
meinem Kalender ganz viele Termine gestrichen.
Wir denken ja, wir müssten etwas Tolles
aus unserem Leben machen. Was entgegnen Sie
diesem Aufruf zum Superlativ?
Dass im Grunde das ganze Leben schon super ist. Die
meisten von uns führen ein erstaunlich gutes Leben.
Überraschenderweise sind Erlebnisse, die für uns
wirklich bedeutsam sind, ganz selten Supergeschichten.
Der Augenblick, der berührt, der einem guttut, ist oft
ziemlich unspektakulär, vielleicht auch ganz klein.
Nehmen Sie einen Tag, an dem eigentlich alles stimmt.
Den macht man sich durch den Irrglauben, der nächste
könnte noch besser sein, wieder kaputt.
Was macht dieses Es-muss-noch-besser-Werden
mit uns?
DAS BESONDERE GESPRÄCH ___ HARALD WELZER
Diese Sicht entwertet permanent alles, was schon da ist.
Weil ja immer noch spannendere Dinge kommen
könnten. Wir leben in einer Kultur, die uns das ständig
sagt: Das musst du noch mal erleben, das muss noch
doller werden. Wird es aber leider nicht.
Sie kritisieren, dass wir in diesem Zusammenhang
den eigenen Tod ausblenden. Er passt einfach
nicht zu der Idee, dass sich alles verbessert.
Nee, obwohl diese Idee ja vollkommen verrückt ist –
wir kommen um den Tod nicht herum, Punkt.
Wir führen unser Leben trotzdem so, als müssten wir
nicht sterben. Wie absurd. Ich bin ja ein Ökofreak,
und ich wollte dieses Buch aus einem einzigen Grund
schreiben: Wir werden unsere gigantischen Probleme,
die wir mit Klimawandel und Naturzerstörung haben,
nicht lösen, wenn wir keine Vorstellung von
Endlichkeit entwickeln. Nehmen wir das Artensterben
– da geht buchstäblich etwas zu Ende.
Wenn ich eine Unendlichkeitsvorstellung habe …
… komme ich aufs Optimieren. Wenn ich hingegen
akzeptiere, da kann eines Tages
wirklich Schluss sein, fange ich an,
mich zurückzunehmen. Aber genau WER WILL
ICH
das machen wir nicht – wir leben nie
auf ein gutes Ende hin. Wir schieben
es weg. Wir hätten ein viel erfüllteres
Leben, würden wir den Schluss
aufwerten.
GEWESEN
Würde ich die eigene Endlichkeit
mehr ins Bild nehmen, könnte ich SEIN?
demnach anerkennen,
dass mit dem Klimawandel Dinge für immer
verschwinden können?
Im Moment gehen wir davon aus, wir können mit der
Welt machen, was wir wollen. Wer so denkt, geht davon
aus, dass Menschen etwas anderes sind als Natur. Das
sind wir aber nicht. Erst beim Sterben kommen wir um
die Tatsache nicht mehr herum, dass wir Naturwesen
sind. Da ist auch Jeff Bezos keine Ausnahme. Der kann
zwar zum Mond fliegen oder irgendeinen anderen
Blödsinn machen, aber er wird trotzdem sterben.
Genau das teilt uns die Natur gerade mit: Ihr seid leider
im Irrtum, ihr werdet das mit eurem Optimierungs- und
Unendlichkeitswahn nicht in den Griff kriegen.
Trotzdem kritisieren Sie das ewige Mahnen,
die Untergangsszenarien.
Ich kann das apokalyptische Gelaber nicht mehr hören.
Wir sollten nach einem halben Jahrhundert Ökobewe-
gung einsehen, das hat nichts gebracht. Ich sage lieber:
Leute, das Leben ist doch schön. Uns steht ein gut
ausgestattetes Spielfeld zur Verfügung, auf dem wir
zusammen loslegen können. Wir haben ja seit der
Aufklärung viel geschafft: Ein extrem niedriges Gewalt-
niveau, das Verhältnis zwischen den Geschlechtern ist
um ein großes Stück befriedet, auch die Bindungen
zwischen Eltern und Kindern. Nur ökologisch können
wir nicht so weitermachen wie bisher. Doch darüber
müssen wir aufregende Geschichten erzählen, keine
apokalyptischen.
Welche könnten das sein?
Wir haben vor zehn Jahren die Stiftung „Futurzwei“
gegründet, um Geschichten über Menschen zu erzählen,
die anders wirtschaften, leben, Unternehmen führen.
Die zeigen, der Zustand der Welt ist nicht in Stein
gemeißelt. Ich brauche keinen Atlas der Meeresver-
schmutzung oder der zurückgehenden Gletscher. Nein,
ich möchte einen Atlas der restaurierten Naturräume
durchblättern, von wiedervernässten Sümpfen,
restaurierten Wäldern lesen. Die Storys, die wir erzäh-
len, sind viel motivierender, als zu sagen: Bei 1,5 Grad
mehr kommen wir in die Hölle.
Auch wenn es nur eine kleine Geschichte ist?
Unbedingt. Mir geht es unheimlich auf
den Senkel, wenn es bei einer guten
Idee sofort heißt: Wie können wir die
jetzt mehrheitsfähig machen? Da
erwidere ich: Müssen wir nicht. Aber
wir müssen sie umsetzen. Urban
Gardening ist eine profane Mini-Idee
gewesen: die Stadt als Agrarraum
nutzen und dabei Gemeinschaft
erleben. Sie war aber so bestechend,
dass sie sich innerhalb kürzester Zeit
weltweit ausgebreitet hat. Frage: Ist das jetzt klein
oder ist das groß?
Die eher kleinen Gesten des Klimaschutzes – aufs
Fahrrad umsteigen, weniger duschen, demonstrie-
ren gehen – kommen bei Ihnen allerdings nicht so
gut weg. Ist das nicht ein Widerspruch?
Das betrachte ich eher wie eine Art Gymnastik: schön,
wenn jeder von uns ein neues Weltverhältnis einübt.
Wir müssen nur aufpassen, dass wir so nicht die
politisch zu lösenden Probleme an einzelne delegieren.
Bei vielen Menschen entsteht so außerdem das lähmende
Gefühl: Alles, was ich mache, ist falsch oder genügt
nicht. Genau deshalb darf es nicht heißen: Ihr einzelnen
Leute seid dafür zuständig, das hinzukriegen.
Sie nennen das den „Bullshit vom Weltretten“.
Busfahren, um die Welt zu retten! Schrecklich. So
verniedlicht man die Dinge, macht sie lächerlich. Aber
Politik und Wirtschaft dürfen weitermachen wie bisher.
Die große Veränderung kann nur durch eine vernünftige
Klimaschutzpolitik in Gang kommen, die den Preis
nennt, den wir dafür zahlen müssen.
 HAR ALD WELZER,

geboren 1958 in Bissendorf, ist Soziologe und Sozialpsychologie und einer

der bedeutendsten Publizisten des Landes. Sein großes Thema ist der rabiate
Umgang des Menschen mit der Natur. Mit seiner 2012 gegründeten politischen
Stiftung „Futurzwei“ eröffnete er eine Plattform für Erfolgsstorys von nachhaltigem
und friedfertigem Handeln. Er ist Vater eines Sohnes und lebt in Berlin.

05 _ 22
BRIGIT TE
WOMAN 41
DAS BESONDERE GESPRÄCH ___ HARALD WELZER
Warum bringt uns Klimapanik nicht weiter?
Die macht kein Fenster auf. Viel befreiender ist der
Gedanke: „Hey, da geht ja was.“ Ohne zu romantisieren
– denn wir haben objektiv ein großes Problem. Bloß das
Lamentieren müssen wir lassen. Eine autofreie Stadt ist
auch dann gut, wenn es keinen Klimawandel gibt. Es
kann sehr befreiend sein, über ein lebenswerteres
Dasein nachzudenken, auch ohne negativen Druck.
Gefühlt werden die Autos immer größer, die Staus
in den Straßen immer dichter. Werden wir tatsäch-
lich so etwas wie Städte ohne Verkehr erleben?
Das wird kommen. Weil die Erfahrung, die die Leute in
einem autofreien Quartier erleben, so sensationell gut
ist, dass sie es nicht mehr anders wollen. Schauen Sie
sich die Bürgermeisterinnen an, die ihre Städte umbau-
en. Barcelona, Paris. Das übersetzt sich in eine unmittel-
bare sinnliche Erfahrung.
Was ist mit E-Autos? Wollen jetzt nicht alle darauf
umsteigen?
Das E-Auto ist vergleichbar mit Methadon für Heroin-
süchtige. Man hängt noch an dem
Suchtsystem dran, jetzt produziert
man den Ersatzstoff mit großen WIR
S E LB S T
Hoffnungen. In meinen Augen großer
Blödsinn.
SIND
Ein wesentlicher Gedanke in Ihrem
Buch ist, wir werden erst etwas
verändern, wenn wir begreifen:
Wir selbst sind Teil der Natur.
Wir sollten schleunigst aufhören, jeden TEIL DER
Hinweis zu inhalieren, der uns
angeblich mitteilt, wir Menschen seien N AT U R
etwas Besseres. Mich begeistert, was
die Philosophin Eva von Redecker sagt: Wir denken, die
Natur sei eine Art Bühne, die für uns gebaut wurde.
Und dass wir nicht aus demselben Holz sind wie diese
Bühne. Das ist ein Fehlschluss: Wir sind Tiere, Natur-
wesen, wir sind ihr nicht enthoben.
Vor allem in den Städten haben wir jedoch
Verhältnisse geschaffen, die uns jedes Gespür
dafür nehmen.
Umso mehr müssen wir zur Perspektive zurückkom-
men, dass wir Naturwesen sind. Das ist keine schwär-
merische Romantik, sondern knallharter Realismus.
Den jeder kennt, der extremem Wetter ausgesetzt ist
– was wir in den nächsten Jahren alle erleben werden.
Mit einem anderen Naturverständnis von uns selbst
würden wir nicht mehr argumentieren: Ach, wir
müssen nur schnell von A nach B. Oder: Och, wir wollen
doch nur unsere Energieversorgung sicherstellen.
Weil wir wüssten, wir sägen mit jedem dieser Schritte
an dem Ast, auf dem wir sitzen.
42 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
Warum können wir eigentlich so schlecht aufhören:
mit Dingen, die uns nicht guttun? Mit Gewohn-
heiten, die uns am Ende nicht froh machen?
Das ist unsere Kultur: Es muss immer weitergehen. Es
ist nie fertig. Das lernen die Kinder schon in der Schule.
So sind unsere Karrieren angelegt: das meiste rausholen
und reintun. Nicht mal ein Wissenschaftler darf sagen,
jetzt habe ich wesentliche Dinge erforscht, ich höre auf.
Nehmen wir unsere Klimaforscher, die könnten doch
auch sagen: Na, jetzt wissen wir genug. Jetzt verbringen
wir den Rest unseres Lebens mit Kartenspielen.
Was braucht es denn fürs Aufhören?
Eigentlich nichts. Einfach tun. Das Kampfmodell in mir
aufgeben und gegen etwas Friedfertiges eintauschen.
Wir erwarten von Menschen, die schwer erkrankt sind,
dass sie kämpfen. Aber wer sagt das? Warum ist
Kämpfen besser als Aufgeben? Warum muss man tapfer
sein? Sich das zu fragen kann sehr erleichternd sein. Es
durchkreuzt das Weitermachen-Müssen.
Womit konnten Sie gut aufhören?
Ich habe beruflich schon viel auspro-
biert und wieder bleiben lassen. Ich
konnte Dinge hinter mir lassen, die
mich blockiert und gebunden haben.
Ich bin auch kein schlechter Aufhörer,
was Beziehungen angeht. Ich hänge da
nicht zehn Jahre hinterher. Früher
dachte ich, eine Wohnung oder ein
Haus hätte eine große Bedeutung für
mich. Bis ich gemerkt habe, das ist gar
nicht so. Da bin ich relativ leicht, was
dieses Gepäck angeht.
Wie geht ein Neubeginn
in einem bereits gelebten Leben?
Die Psychoanalyse würde sagen: wenn ich nach einer
gelungenen Therapie eine andere Geschichte über mich
erzählen kann.
In Ihrem Nachruf steht, Sie möchten
auch inkonsequent gewesen sei.
Ja. Denn Konsequenz führt zu Zwanghaftigkeit. Es ist
furchtbar, wenn ich glaube, Dinge auf genau eine Weise
ausführen zu müssen, ohne mich zu korrigieren. Das
Inkonsequente hingegen kann ein Moment von großer
Freiheit sein: Ich darf mir etwas, was ich total einleuch-
tend fand, noch mal anders überlegen.
B U C H T IP P:
H a r a l d We l z e r :
„ N a c hr uf a uf m i c h s e l b s t . “ ,
2 8 8 S. , 22 Eu r o,
F i s c he r
SCHÖNHEIT ___ HORMONE

DIE
M AC HT
DER

H
O
R
M
O
N
PRODUKTION ___ BIRGIT POTZK AI
TEXT ___ SILKE AMTHOR
E
 Die Botenstoffe aus dem körpereigenen Chemielabor beeinflussen
nicht nur unsere Stimmung, sondern auch unsere Haut.
Was genau in welcher Lebensphase passiert, wann welche Pflege angesagt ist
und wann man besser zum Profi gehen sollte – ein kleiner Guide

H o r m o ne beg leiten u ns ein

L e ben l an g. Allein 30 verschie-
dene sind in den Hautzellen aktiv,
neuesten Erkenntnissen zufolge
produziert das Unterhautfettge-
webe sogar selbst Östrogene, die
weiblichen Sexualhormone. Schon
ein winziger Überschuss oder ein
Mikro-Mangel des einen oder an-
deren Botenstoffs kann das fragile
Gefüge durcheinanderbringen –
und zu Pickeln, trockener Haut,
Fältchen, roten Äderchen, Rosa-
zea oder Haarausfall führen. Vor
allem zu spüren bekommen wir
das alles natürlich während der
großen Umbruchphasen, etwa in
den Wechseljahren. Wenn zeit-
gleich auch noch bei unseren Kin-
dern plötzlich die Pickel sprießen,
wird es besonders spannend.

05 _ 22
BRIGIT TE
WOMAN 45
SCHÖNHEIT ___ HORMONE

P U B E R TÄ
IE T

1
D

DAS PASSI ER T:
Durch zu viel männliche Geschlechtshor-
mone (Androgene) und zu wenig
Östrogene produzieren die Talgdrüsen
mehr Fett – die Haut verhornt schneller.
Im Zusammenspiel mit Propionibakterien,
die zur natürlichen Hautflora gehören,
können Entzündungen und Pickel
entstehen. Schokolade ist übrigens eher
selten die Ursache. „Der Schweregrad
einer Akne ist zu 80 Prozent genetisch
bedingt“, erklärt der Hamburger
Endokrinologe Prof. Dr. Christoph
Bamberger.
D IE S E P FL EGE HI LFT:
Talgregulierend wirken Inhaltsstoffe wie
Zink; Salicyl- oder Glykolsäure verhin-
dern übermäßige Verhornung. Wichtig ist
auch viel Feuchtigkeit in Cremes. Denn
trocknet die Haut zu sehr aus, schwächt
das die Barriereschicht, was zu neuen
Pickeln führen kann.
BES S ER Z U M PRO FI:
Wenn Pickel nicht auf Pflegeprodukte
reagieren und sehr schmerzhaft sind.
Hautärztin bzw. -arzt können mit Cremes
behandeln, die schälend und entzün-
dungshemmend wirken, etwa Azelainsäu-
re oder – ganz neu – Trifaroten, ein
Retinoid (mit Vitamin A verwandt). Hilft
KLEID: Eres

das nicht, sind Tabletten mit Antibiotika

wie Tetrazyklin eine Möglichkeit.

46 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
 N DW I C H-P
SA H
AS
E
DI
E
DA S PA SSIE R T:
Ab Anfang, Mitte 20 fordern uns der Start
in den Job oder der Spagat zwischen
Karriere und Kindern. Diese Faktoren
lassen verstärkt Cortisol durch den Körper
fluten, ein Stresshormon. „Es hemmt die
Östrogenproduktion, regt die Produktion
von freien Radikalen an und begünstigt
den Abbau von Bindegewebe. Das macht
die Haut dünner und empfindlicher“, so
Endokrinologe Christoph Bamberger.
DIE SE P F LE G E HIL F T:
Antioxidantien wie Vitamin C und E
können zellschädigende freie Radikale in
Schach halten. Feuchtigkeitsspender wie
Hyaluronsäure oder Glycerin polstern
auf, Süßholzwurzel oder Haferextrakte
beruhigen.
B ESSE R Z UM PR OF I:
Stress plus zu viel (gut gemeinte) Pflege
kann gerade im Alter zwischen 20 und 40
eine periorale Dermatitis auslösen – rote,
brennende Haut mit Pusteln rund um den
Mund. Hilfreich: medizinische Cremes mit
beruhigenden, antibakteriellen Wirkstof-
fen wie etwa Metronidazol.
ANGER
HW
SC
C
3
H
DIE
AF
T
DA S PA SSI E R T:
Diese Zeit ist ein echtes „Let’s dance“ der
Hormone: Nicht nur der Östrogen- und
Progesteronspiegel steigen früh steil an,
andere Botenstoffe mischen ebenfalls
kräftig mit. Das schilddrüsenstimulierende
Schwangerschaftshormon hCG etwa
verstärkt die Durchblutung: Die Haut wird
rosiger – allerdings können sich auch
erweiterte Äderchen und Besenreiser
bilden. Und: „Das in der Plazenta
produzierte Hormon MSH wiederum führt
zu Pigmentveränderungen am Körper,
aber auch im Gesicht, Melasma ge-
nannt“, so Endokrinologe Christoph
Bamberger.
D IE SE P F L E G E H I LFT:
Da in der Schwangerschaft verstärktes
Schwitzen normal ist, sind leichte
Feuchtigkeitscremes ohne schwere Lipide
perfekt. Gegen die Rötungen im Gesicht
hilft Thermalwasserspray, Schwellungen
durch Wassereinlagerungen im Gesicht
lassen sich mit einem kühlenden
Edelstein-Roller lindern. Und bei
schweren Beinen helfen entstauende,
venenstärkende Fluids mit Rosskastanie.
BE SSE R Z UM P R O F I:
Pigmentstörungen im Gesicht verschwin-
den häufig innerhalb eines Jahres nach
der Geburt des Kindes wieder. Anders ist
das mit den erweiterten Äderchen im
Gesicht und an den Beinen. Sie lassen
sich jedoch fast schmerzfrei und ohne
Narbengefahr mit einem KTP- oder
Nd-Yag-Laser behandeln. Wichtig: in den
ersten drei Monaten unbedingt die
Hormonwerte der Schilddrüse bestimmen
lassen, um eine Fehlfunktion auszuschlie-
ßen. Denn diese schadet Mutter und Kind.
 LEREN
IT T AL

4
M

TE
IM

DAS PASSI ER T:
R
Bereits Anfang 40 beginnt der Östrogen-
spiegel bei Frauen langsam abzusinken.
Rasanter dagegen fällt das Hormon
Progesteron ab. Zu dessen Jobs gehört
es, die sogenannten Matrixmetallopro-
teinasen zu hemmen, biochemische
Scheren, die Kollagenfasern zerschnei-
den. Die Folge: Die Haut wirkt weniger
prall und elastisch. Dazu gesellt sich
manchmal noch ein weitere Herausforde-
rung: Erwachsenen-Akne, auch Akne
tarda genannt. „Dieses Problem sieht
man häufig bei Frauen, die die Pille nach
langjähriger Einnahme abgesetzt haben,
aber auch nach einer Schwangerschaft,
da plötzlich die hautschützende Östro-
genwirkung fehlt“, sagt Hormonexperte
Dr. Christoph Bamberger.
D IE S E P FL EGE HI LFT:
Zwar sind die Symptome dann ähnlich
wie in der Pubertät, aber die Hautstruktur
ist doch eine andere. Deshalb ist es
wichtig, Produkte aus einer Serie für
erwachsene Akne-Haut zu verwenden,
die besonders sanft sind. Sie enthalten
statt klassischer Alpha- und Beta-Hy-
droxy-Säuren oft mildere Porenputzer wie
LHAs (Lipo-Hydroxy-Säuren) oder PHAs H OR MO N E
(Poly-Hydroxy-Säuren), die gleichzeitig b eg l e i te n uns er
L e be n . E i ne
beruhigend und feuchtigkeitsspendend gut e I de e , s i ch
wirken, oder kombinieren diese b e ss e r k e nne n-
­Wirkstoffe miteinander. z ul e r ne n
SHIRT: Schiesser HOSE: Christian Wijnants

BES S ER Z U M PRO FI:

Wenn die Spät-Akne sehr hartnäckig ist,
können Medikamente mit antiandrogener
Wirkung helfen. Frauen, die mit der Pille
verhüten, können zum Beispiel auf ein
Präparat umsteigen, das neben Östroge-
nen ein antiandrogenes Gestagen
enthält. Ganz neu: eine Creme mit dem
Androgen-Hemmer Clascoteron.

48 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
 HORMONE ___ SCHÖNHEIT

CHSELJ
WE A

5
E

H
DI

RE
DAS PASSI ERT:
Zum Ende der Perimenopause (die Jahre
unmittelbar vor und das Jahr nach der
letzten Regelblutung) kommt es zu einem
ziemlich schnellen Abfall der Östrogene.
Vertrauen Sie dem wirksamsten Wunder-
Dadurch kann die Haut weniger Wasser
speichern, wird trockener, dünner,
weniger elastisch. Expert*innen vermuten,
dass der sinkende Östrogenspiegel
zudem zu einer verstärkten Ausschüttung
Arbeit. Um Unverträglichkeiten zu vermei-
von Stresshormonen und einer Fehlsteue-
rung des zentralen Thermofühlers im
Gehirn führt – das könnte eine Ursache
für die Hitzeschübe sein. Langsamer wird
auch der Prozess von Kollagenauf- und
-abbau, was erste Hängepartien und rote
Äderchen begünstigt. Das Ungleichge-
wicht von männlichen und weiblichen
Hormonen kann darüber hinaus Haar-
ausfall zur Folge haben.
D IE SE PF LE G E H IL F T:
mittel gegen Alterungsprozesse: Retinol
(Vitamin A). Es regt die Zellerneuerung
an, die Kollagenproduktion und hindert
kollagenabbauende Enzyme an der
den, anfangs nur ein- bis zweimal pro
Woche abends verwenden.
B ESSE R Z UM PR OF I:
Wenn neben Hautveränderungen auch
Wassereinlagerungen, Hitze oder
Stimmungsschwankungen den Körper
belasten, können bioidentische Hormone
wie 17beta-Östradiol und Progesteron
helfen. Diese sind eine 1:1-Kopie davon,
was der Eierstock bisher selbst hergestellt
hat. Nebenwirkungen sollen laut
bisherigem Kenntnissstand kaum
vorhanden sein. Ein erhöhtes Brustkrebs-
oder Thromboserisiko muss jedoch vorher
trotzdem ausgeschlossen werden.
Weitere Behandlungsmöglichkeiten mit
bioidentischen Hormonen: Progesteron
allein als Kapsel geschluckt oder
kombiniert mit einem Östradiol-Gel oder
-Pflaster. Eine sanftere Alternative dazu
sind Phytohormone, zum Beispiel
Diosgenin aus der Yamswurzel oder
Stigmasterin aus Sojabohnen.

Erhält die Spannkraft.

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SCHÖNHEIT ___ HORMONE

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H O R M ON E
e i nst e ig e n – m i t
de r ri c h ti g en
P fl e g e

S T- M E N O
O P

6
P
A
E

US
 D I

DAS PASSIER T:
Die Östrogen- und Progesteronproduk­
tion ist fast erloschen, nur das Fettgewebe
stellt noch geringe Mengen Östrogen her.
Die Folge: Die Haut wird extrem trocken
und durch schwindendes Unterhautfettge-
webe sowie eine geschwächte Haut-
schutzbarriere sehr dünn und empfind-
lich. Auch die Schleimhäute von Augen,
Nase und Genitalbereich sind betroffen.
D I ES E PFL EGE HI LF T:
Wichtig sind vor allem hautähnliche
pflanzliche Fette, die die Barriereschicht
der Haut aufbauen und so Trockenheits-
symptome lindern. Ideal: Produkte mit
reichhaltigen Lipiden wie Sheabutter,

FOTOS: Bettina Lewin HAARE + MAKE-UP: Eva Hennings MODEL: Maja/Spin Model

Färberdistel-, Argan- oder Nachtkerzenöl.
Gegen trockene Schleimhäute helfen
befeuchtende Augen- und Nasentropfen
mit Hyaluronsäure (mindestenz zwei
Prozent) und Panthenol. Scheidentrocken-
heit mindern Salben, Gele und Zäpfchen,

Management BODY: American Vintage ROCK: Vera Mont

die ebenfalls Hyaluronsäure, Glycerol
und teils auch Fette enthalten.
B ES S ER ZU M PR OFI:
Bei einer extrem trockenen Genitalzone,
die oft auch psychisch belastet, können
verschreibungspflichtige Salben und
Zäpfchen mit dem niedrig dosierten
Östrogen Östriol (0,03 bis 0,5 Prozent)
helfen. Hormonexperte Bamberger:
„Östriol hat etwa zehn Prozent der biolo-
gischen Wirkung des Östrogens Östradiol
und wirkt, lokal aufgetragen, kaum
systemisch, also auf den ganzen Körper.“

50 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
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WECHSELJAHRE
Ihre Haut
spürt sie auch
In Deutschland kommen jährlich 500.000 Frauen in die Wechsel­jahre.
Ein Lebensabschnitt, der viele Veränderungen mit sich bringt.
Was vielen Frauen gar nicht bewusst ist: Die hormo­nellen Schwan­kungen
führen auch zu sichtbaren Veränderungen der Haut. Doch wenn man weiß,
was sie in den verschiedenen Stadien der Wechseljahre braucht, kann man
mit der passenden Pflege gezielt entgegenwirken.

D
DIE HAUT FÜHLT SICH ANDERS AN –
WARUM? HAUT UND WECHSELJAHRE
Die hormonellen Schwankungen in und
nach den Wechseljahren werden von ei-
ner Reihe körperlicher
Nebenwirkungen be-
gleitet, wie beispiels-
weise Hitzewallungen,
Stimmungsschwankun-
gen oder auch Schlaf-
störungen. Außerdem
führen sie zu sicht- und
DR. MELANIE
HARTMANN spürbaren Veränderun-
gen der Haut. „Nach neuesten wissenschaft-
lichen Erkenntnissen beschleunigen die
hormonellen Veränderungen die Hautalte-
rung“, so Dermatologin Dr. Melanie Hart-
mann aus Hamburg. „Eine wichtige Rolle
spielt hier die schrittweise Abnahme von
Östrogen und parallel dazu der Anstieg
von Cortisol in und nach den Wechseljah-
ren.“ Folge: Die Kollagenproduktion sinkt
in den ersten fünf Jahren der Wechseljahre
um etwa 30 Prozent, und der Lipidgehalt
um 57 Prozent. Sichtbare Zeichen: Fal-
ten werden tiefer, Konturen schlaffer, die
Haut wird dünner und trockener, weil
sie Feuchtigkeit nicht mehr optimal spei-
chern kann.
WAS KANN MAN TUN?
PASSGENAUE PFLEGE-INNOVATIONEN
Inspiriert von dieser wissenschaftlichen
Erkenntnis bietet der Pflege-Experte
VICHY eine individuelle Pflegeroutine
für jede Phase der Wechseljahre: Die
NEOVADIOL Pflegeroutine für die Haut
in den Wechseljahren redefiniert die Kon-
„
#MENOPOSITIVITY
„Täglich beraten wir in
der Apotheke Frauen in
den Wechseljahren und
turen, sorgt dank Hyaluron für eine verbes- so unterstützen wir sie
serte Feuchtigkeitsversorgung und schenkt dabei, die Anzeichen zu
so ein festeres und pralleres Hautbild. erkennen und sich mit
Die Pflegeroutine für die Haut nach den ihnen auseinanderzu­
BIRGIT SCHADE,
setzen. Denn dank einer
Wechseljahren gleicht dank vitalen Ölen APOTHEKERIN
professionellen Beratung
mit Omega-Fettsäuren 3, 6 und 9 den und hilfreichen Tipps lässt sich das Wohl­
Lipidverlust aus, mildert Falten und strafft befinden in und nach den Wechseljahren
die Haut. Proxylane und Cassia-Extrakt signifikant steigern. Dabei kann auch eine
unterstützen die Kollagen-Synthese und neue Hautpflege-Routine unterstützen.
sorgen in beiden Pflege-Routinen für eine Lassen Sie sich in Ihrer Apotheke beraten.“
Verbesserung der Festigkeit und Spann-
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**Wissenschaftl. Test mit 219 Frauen, Ergebnis nach 3 Monaten, Anwendung NEOVADIOL NACH DEN WECHSELJAHREN TAG 2 x täglich.
SCHÖNHEIT ___ HORMONE

P F L E GT S E H R B E R UH IGT d i e v on de r
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e t w a na c h d e r M e n op au s e : Kop f ha ut u nd r ei n i g t
„ N u t r i - Lum i è r e Re vi v e ” v o n g a nz s an f t: „ Me n o
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Von C au d a l í e, 5 0 m l c a. 8 9 Eu r o

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L i nd er t u nd b e r u h i g t
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sc ha f t : „ B i o l og y Ca l m“ -
C r e m e v on A - De r m a,
40 m l c a . 2 0 Eu r o

M E H R S PA N N K R A F T, e t wa
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AB G E S T IM M T a u f d i e j e w e i l s v i e r „ I nv i t i v e S m oo th i n g &
Z y kl u sw o che n ( v o r d e r M eno p a us e ) : Pe r f ec t i ng N i g h t S e r um“
„Wom an“ - Se r e n mi t W i r k s t o f f e n w i e v on Dr. Ir en a E r i s mi t
H y alu ro n säu r e , V it a m i n C und Z i nk vo n Kol l ag e np e p t i d en u n d
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52 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
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I S T E I N A L L E S KÖ N N E R :
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Geflucht wurde schon immer.

Doch seit der Pandemie ist verbales Dampfablassen
scheinbar zum Volkssport geworden.
Die Germanistin Oksana Havryliv freut sich darüber
– sie erforscht seit über 20 Jahren
den dreckigen Teil unserer Kommunikation
INTERVIEW ___ KIRSTIN BOCK

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BRIGIT TE
WOMAN 59
INTERVIEW ___ FLUCHEN

O K SA N A H AVRY L I V
s t ud i e r t e G e r m a ni s t i k
BRIGITTE WOMAN: Frau Havryliv, i n d e r U k r a i ne .
in der Pandemiezeit aber nicht nur positive
Sie sind Germanistin und Expertin Se it 20 0 6 f o r s c ht u nd Funktionen, sondern mündet auch nicht
für aggressive Sprechakte und l e hr t s ie a n selten in verbaler Gewalt, der bestimmte
d er U n iv e r s i t ä t W i en .
Schimpfwörter in der deutschen Spra- Vor Kur z em is t ihr
Berufsgruppen, etwa Politiker*innen,
che. Welches ist denn Ihr liebstes? B uc h „ S c hi m p f e n Polizist*innen, Journalist*innen, verstärkt
OKSANA HAVRYLIV: „Scheiße“ – das z wi s c he n S c he r z u nd ausgesetzt sind.
S c hm e r z “ i m
gebrauche ich so oft, dass weder ich noch P ic us Ver la g W ie n
Unabhängig von Corona: Was sind die
meine Familie es mehr als Schimpfwort e r s ch ie ne n häufigsten Schimpfwörter?
wahrnehmen. Als meine Mutter mal die In zwei Umfragen mit rund tausend Perso-
Haustür nicht öffnen konnte, weil sie klemmte, meinte nen, die ich vor einigen Jahren gemacht habe, wurden
mein kleiner Sohn: „Du musst Scheiße sagen. Das sagt am häufigsten „Trottel“, „Arschloch“, „Idiot“ genannt.
Mama immer, und dann geht die Tür auf.“ In der Reihenfolge. Ich glaube nicht, dass sich bis heute
Fluchen wir alle mehr seit der Pandemie? viel verändert hat. In Österreich sind bei den aggressi-
Grundsätzlich kann man sagen: In Krisenzeiten ven Aufforderungen „Schleich di“ und „Geh scheißen“
aktiviert die Sprache ihr expressives und kreatives beliebt, der Deutsche sagt im selben Zusammenhang
Potenzial. So sind in der Pandemie viele neue Wörter „Verpiss dich“.
entstanden, die neue Sachverhalte bezeichnen wie Klingt fast etwas antiquiert.
zum Beispiel „Corona-Gruß“ oder „Einkaufswagen- Na ja, in einer Konfliktsituation oder im Affekt haben
pflicht“. Und natürlich auch neue Schimpfwörter Sie keine Zeit, etwas Neues zu kreieren. Sie greifen auf
wie „Aluhut“, „Maulkorb“ für den Mund-Nasen- Bekanntes zurück, gern auch im Dialekt, weil der uns
Schutz oder Wortkreuzungen wie „Covidiot“. Interes- in emotionalen Situationen näher ist. Ein bayerischer
sant zu beobachten ist übrigens, wie viele Wörter und österreichischer Klassiker: „Bist du deppert!“ Der
in kreativen Corona-Schöpfungen ineinander Dialekt hat mich übrigens erst dazu gebracht, mich mit
­verschmelzen, während wir im realen Leben zuein­ Schimpfwörtern zu befassen.
ander auf Distanz gehen. Als in Tirol letztes Jahr Wie das?
eine Mutation des Virus festgestellt wurde, entstand Als die Ukraine 1991 unabhängig wurde, kamen
sofort die Bezeichnung „Virol“. erstmals westliche Gastdozenten an die Uni, darunter
Die Krise macht also erfinderisch. der renommierte österreichische Germanist Peter
Das ist ja eigentlich etwas Positives. Wiesinger. Er hat einen Vortrag über das österreichi-
Flüche und Schimpfwörter erfüllen eine Reihe positiver sche Deutsch gehalten, der mich so verunsichert wie
Funktionen. Die wichtigste ist die kathartische. Man fasziniert hat. Verunsichert, weil ich Germanistik
reagiert damit sich und starke Emotionen ab. Dem studierte und überhaupt nichts verstand. Fasziniert hat
kommt in der Pandemie natürlich eine besondere Rolle mich dagegen die Wucht der Expressivität der
zu, da durch das Schimpfen negative Gefühle, die in der Ausdrücke, die bei allen Dialekten drin ist. 1994 bin ich
Coronakrise verstärkt auftreten – Unsicherheit, Angst, dann das erste Mal nach Wien gekommen, und als ich
Hilflosigkeit, Ohnmacht, die nicht selten in Ärger und Kommilitonen erzählte, wie beeindruckt ich von den
Wut münden –, ein Ventil finden. vielen Schimpfwörtern sei, sagte jemand zu mir: Du
Wir erleichtern uns selbst. Zwischenmenschlich suchst doch ein unerforschtes und lebendiges Thema
gesehen sind Beschimpfungen aber vermutlich für deine Promotion – was Besseres findest du nicht.
weniger hilfreich. Also habe ich meine Doktorarbeit über Schimpfwörter
Nicht unbedingt. Wer zum Beispiel im Freundeskreis geschrieben.
über bestimmte Sachverhalte schimpft, reagiert damit Gibt es etwas typisch Deutsches beim Fluchen?
nicht nur negative Emotionen ab, sondern unterstreicht Das Deutsche ist sehr in der fäkal-analen Schimpfkultur
damit auch gemeinsame Sichtweisen und Werte, das verankert, genauso wie das Ukrainische, meine Mutter-
stärkt das Gemeinschaftsgefühl. Man nennt das die sprache. Im Russischen, Englischen und Serbischen hat
phatische Funktion. Leider erfüllt verbale Aggression man eine sehr sexuelle Schimpfkultur.

60 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
 Warum das denn?
„ ein Zeichen von Emanzipation
Das sind die Tabus der Kulturen.
Beim Schimpfen gibt es immer den Du musst
Tabubruch. Nationen, die ursprüng-
lich eher keusch und prüde sind, Scheiße sagen.
kennen deshalb stark sexualisierte
Schimpfwörter. Deutsche gelten als
Das sagt
besonders ordentliche und reinliche Mama immer,
Nation, also wird alles Gegenteilige
davon abwertend gebraucht. Auf und dann
dem Balkan oder im Nahen Osten
ist Familie sehr wichtig, die Mutter
geht die Tür auf.
steht über allem, daher finden wir
in diesen Sprachen Flüche wie „Ich
fick deine Mutter“.
“ habe gesagt: So ärgert man sich
Das ist mittlerweile auch im
Deutschen etabliert.
Ja, das ist in seiner Häufigkeit mit
„Scheiße“ vergleichbar – und ein
gutes Beispiel dafür, dass diese Wörter keine direkte
Bedeutung mehr haben. Man kann sie auch aus Ver-
wunderung oder Freude rufen, etwa: „Scheiße, ist das
gut!“ Bei Jugendlichen spielt dazu die provozierende
Funktion eine sehr wichtige Rolle. Außerdem grenzen
sie sich damit von Erwachsenen und anderen Gruppen
ab. Und sie gebrauchen sie zur Selbstdarstellung, je
gröber, desto besser: „Ich bin cool, ich bin abgebrüht,
was geht, Motherfucker?“
Pöbelt die Jugend immer internationaler?
Es gibt weiterhin Ausdrücke wie Schlappschwanz,
Perversling, Lutscher. Bis vor etwa zehn Jahren waren
englischsprachige Einflüsse bei den Schimpfwörtern
sehr groß, geblieben sind davon „fuck“ oder „shit“. In
den letzten Jahren beobachten wir viel den Gebrauch
von Ausdrücken aus Sprachen der Minderheiten im
Land, verbreitet von sozialen Medien. Etwa „AMK“ –
die Abkürzung für Amina Koyim, Türkisch für „Ich
fick dich“. Oder „Sippi“ aus dem Arabischen. Das
bedeutet Schwanz. Und dann gibt es noch den Schre-
cken aller Eltern: den Rapper Capital Bra. Der hat
ukrainisch-russische Wurzeln und benutzt viele
Schimpfwörter aus seinen Muttersprachen, die begeis-
FOTO: Heribert Corn; ILLUSTRATION: Getty Images
tert aufgenommen werden. Diese Wörter werden oft
auch gebraucht, um einem Gespräch Rhythmus zu
verleihen. „Suka Bljad“ zum Beispiel ist ein sehr hartes
Schimpfwort, man kann es vielleicht mit „Hündin-
Hure“ übersetzen.
Auf deutschen Schulhöfen heißt das dann wohl
„eine ganz schlimme Bitch“.
Nein, bei den Schimpfwörtern spielt der Kontext eine
wichtige Rolle, Bitch ist längst kein Schimpfwort
mehr. Es kann von Mädchen und Frauen mittlerweile
wie eine Auszeichnung benutzt werden. Die Jungs
wurden enteignet und das Wort aufgewertet. Das ist
durch Sprache.
Die Begeisterung für Kraftaus-
drücke fängt schon bei kleinen
Kindern an. Woran liegt das?
Kinder saugen diese Wörter auf,
weil sie merken, der Ausdruck hat
große emotionale Bedeutung.
Dann sagen sie zu Hause „Arsch-
loch“ und stellen fest – oh, das wirkt
aber toll! Mein jüngster Sohn kam,
wenn er sich über mich ärgerte, mit
dem Spruch: „Mama ist blöd.“ Ich
nicht. Wenn man sich ärgert, sagt
man: „Ach, du liebes Mamilein!“
Das hat eine Zeit lang echt funktio-
niert. Er hat als Knirps mit dem Fuß
aufgestampft, geweint und gebrüllt:
„Ach du liebes Mamilein!“ Das war sehr lustig.
Wer flucht in Ihren Ohren besonders schön?
Ich mag die Verwünschungen im Wienerischen: „Geh
in’ Arsch, in’ Himmel kommst eh net“, „Rutsch mir den
Buckel runter und brems mit der Zunge“. Vieles davon
steht unter dem Einfluss von jiddischen Verwünschun-
gen. Das Jiddische hat da eine lange Tradition und eine
unglaubliche Kreativität: „Du sollst Krätze am Arsch
kriegen und zu kurze Arme, um dich zu kratzen“, „Alle
Zähne sollen dir ausfallen, bis auf einen, damit du
weißt, was Zahnschmerzen sind“. Bei besonders
heimtückischen Verwünschungen wird im ersten Teil
etwas Gutes gewünscht, das sich dann im zweiten Teil
gegen einen wendet: „Du sollst ein Haus mit zehn
Zimmern haben. In jedem soll ein Bett stehen, und das
Fieber treibt dich von einem Bett ins nächste“, „Du
sollst eine Million Euro gewinnen, und alle deine
Freunde sollen es erfahren“.
Das ist in der Tat kreativ. Gibt es eine Kultur,
die sich nicht beschimpft?
Ich glaube, geschimpft wird überall. Ich habe von einer
Sprache in Asien gelesen, da gibt es angeblich keine
Schimpfwörter. Das Härteste dort ist „grüner Affe“.
Aber vielleicht ist ein grüner Affe dort etwas ganz
Schlimmes, wer weiß. Wir können das bei einer
anderen Kultur schlecht beurteilen. Wenn Sie einem
Ukrainer wörtlich „Arschloch“ übersetzen, kann der
damit nichts anfangen. Das ist für ihn ein anatomischer
Vulgarismus. Ich übersetze „Arschloch“ deswegen mit
dem ukrainischen Wort für „Hodensack“, einer dort
sehr häufigen und ebenso derben universalen Be-
schimpfung. Das trifft den richtigen Ton. Im Ukraini-
schen haben wir übrigens eine ganze Reihe von Wör-
tern für korrupte Personen, die ich nicht ins Deutsche
übersetzt bekomme. Für Vorschläge bin ich offen!
GESELLSCHAFT ___ NEUANFANG

N EU E F RE UN D E Die
Mo ors c hn u c k e n g e h ö r t e n
m i t zu d em H of, d e n
A r c hi t ek t in A nja Kl u g e
(S.  6 4 ) im S c h wa r z w a l d
g ek a uft und r e no vie r t h a t

62 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
 STA DT,
L A ND,
TR AUM
Immer mehr Menschen sehnen sich
nach einem Leben im Grünen.
Doch wie schafft man es,
in der Provinz Fuß zu fassen?
Ganz einfach: indem man sich traut.
Drei Frauen, die ihr Glück
gefunden haben
TEXT ___ KERSTIN RUBEL
FOTOGR AFIE _ _ _ ULRIKE SCH ACHT

05 _ 22
BRIGIT TE
WOMAN 63
 „
Die harte Arbeit
in der Landwirtschaft
schreckte mich nicht
„
ANJA KLUGE, 47,
SCHWARZWALD

Die Stuttgarter Architektin Anja Kluge restaurierte mit ihrem Lebenspartner
einen Schwarzwaldhof und wurde zur Landwirtin im Nebenerwerb
D
ie Schwalben fliegen aus dem Stall, auf den
warmen Bruchsteinplatten sonnt sich ein Sa-
lamander, am Himmel kreist der Rotmilan.
Rund um den Kienzlerhansenhof ist Leben.
Auf dem Hof ebenso, Anja Kluge zieht alte Haustierrassen:
Hinterwälder Kühe, Moorschnucken, Schwarzwaldzie-
gen. Vor neun Jahren hat die Architektin zusammen mit
ihrem Lebenspartner Ingolf Gössel den Bauernhof ge-
kauft, obwohl sie eigentlich im Schwarzwald eine Wan-
derhütte suchte. In Stuttgart betreibt das Paar ein Archi-
tekturbüro. Da beide gern mit Rucksack unterwegs in den
Bergen sind, suchten sie eine Unterkunft als Ausgangs-
punkt für längere Touren. 2013 sahen sie, dass die Ge-
meinde Schönwald den Kienzlerhansenhof verkaufen
wollte, einen 431 Jahre alten Schwarzwaldhof. Anja und
ihr Partner sind begeistert von der traditionellen Archi-
tektur der Berge, den tief heruntergezogenen Walmdä-
chern, dem Ständerbohlenbau, der ohne Nägel auskommt.
Sie bekamen den Zuschlag, sanierten das Haus – und wur-
den zu Landwirten im Nebenerwerb, das war beim Kauf
die Auflage der Gemeinde. „Das schreckte uns nicht“, sagt
Anja. „Ingolf brachte einige Kenntnisse aus der Schafhal-
tung mit, ich aus dem Pferdestall. Alles andere haben wir
05 _ 22
NEUANFANG ___ GESELLSCHAFT
ALT E MAU E RN
Di e g e m ü t li c h e
Küc he i st wi e fr ü h e r
d a s Z e nt ru m d e s
his t or is c he n H a u s e s
SC H Ö N E R SC H U T Z
U nt e rm Wa l m d ac h
s i nd au c h di e T i e re
und G e rä ts c h a f t e n
unt e r ge b ra c ht
uns in den Jahren angeeignet.“ Im Notfall greift auch ein
Nachbar den beiden unter die Arme. Außerdem gibt es
eine Stallhilfe im Ort, die nach den Vierbeinern schaut,
wenn das Paar in sein Stuttgarter Büro muss.
Hinter der Landidylle steckt viel Mühe. „Ohne die Liebe
zur Natur und zu den Tieren ginge es nicht“, sagt die
47-Jährige und blickt Ingolf hinterher, der mit einer Mo-
torsäge auf den Trecker steigt: Unten am Bach hat der
Sturm einen Baum umgerissen, „schwere Arbeit“, da
muss Anja gleich noch helfen. Und später – am Sonntag-
nachmittag – will sie ausmisten, während ihr sechs Jahre
alter Sohn mit der Holzeisenbahn spielt. „Die Rinder
freuen sich, wenn der Stall wieder frisch ist.“ Auch der
Artenschutz liegt der Neu-Schwarzwälderin am Herzen:
Auf ihren Feuchtwiesen und den steil ansteigenden Kräu-
terweiden gedeihen Sumpfdotterblume, Knabenkraut,
Trollblume, Arnika, Schachblume oder wilde Orchidee.
„Wir mähen unsere Wiesen erst im Juli und August. Vor-
her können die Pflanzen weitgehend aussamen. Das be-
kommt nicht nur ihnen, sondern auch den Insekten, all
den Schmetterlingen, die hier leben, und damit den Vö-
geln.“ Anja ist immer froh, wenn sie die Stadt verlassen
kann, um ins Grüne zu fahren.
BRIGIT TE
WOMAN 65
GESELLSCHAFT ___ NEUANFANG

FAM I LI EN B A N D E
M it vie l S t i l u n d
H e r z h auc h t e n
T he r e s u nd G e o r g
O p as Br e nn e r e i
n eue s L eb e n e i n .
D a s H an d w e r k
bra c h te ihn e n ih r
Va t e r b e i

Edel verfeinerter Korn statt Mode: Designerin Theres Glitz-Ehringhausen, 41,

übernahm mit ihrem Bruder die Destillerie des Großvaters im Münsterland

K
orn kann mehr.“ Der Satz prangt an der weiß
gekalkten Lehmwand, ein Statement in fetten
schwarzen Lettern. „Korn ist nur ein Grund-
produkt, eine Alkoholbasis, die sich veredeln
lässt“, sagt Theres Glitz-Ehringhausen. Gemeinsam mit
ihrem Bruder Georg ist sie angetreten, mehr aus dem rasch
an der Theke heruntergekippten Kneipenschnaps zu
­machen. Das Geschwisterpaar übernahm 2012 die Bren-
nerei Ehringhausen in Werne, von ihren Großeltern vor
60 Jahren gegründet, um das selbst angebaute Getreide
zu verarbeiten. Sie steht auf dem jahrhundertealten Bau-
ernhof der Familie, wo Georg und Theres ihre Kindheit
verbrachten. Im ehemaligen Kornspeicher sitzt Theres an
ihrem Schreibtisch, neben dem Bild ihres Ururgroßvaters.
In den Regalen die Produktpalette der Brennerei: sorgsam
verfeinerter Korn in Apothekerflaschen, die so schön
sind, als kämen sie aus einem Kopenhagener Concept­
store. Das gesamte Ehringhauser Design stammt von The-
res, der ehemaligen Modedesignerin. Ihr Bruder Georg,
Agrarwirt, ist der Brennmeister. Die hauseigene Destil-
lerie sorgt für die 96-prozentige Alkoholbasis, 15 000 bis
20 000 Liter davon produziert das Geschwisterpaar pro
Jahr. Und lassen sie zu dunklen, fassgelagerten Dinkel-
und Kornbränden mit vollen Aromen reifen, aus einem
Edelstahltank kommen klare Destillate. 2018 investierten
die beiden in eine zweite Destillerie, die sich für Gin und
Obstbrände eignet.
Der Vater zeigte dem Geschwisterpaar das Handwerk. In
Kursen an der Uni haben sie sich die neuesten Techniken
angeeignet. Georg und Theres haben ähnliche Ideen und
den gleichen Geschmack. „Wenn wir unabhängig von­
einander einzelne Fässer verkosten, dann kommen wir
zu fast identischen Ergebnissen“, sagt die vier Jahre älte-
re Schwester. Die beiden haben sich schon als Kinder gut
verstanden – „wir können uns blind aufeinander verlas-
sen“. Sie diskutieren nicht lange über anstehende Ent-
scheidungen, stimmen sich kurz ab und gehen direkt in
die Umsetzung. Und sie teilen ihre Vorstellungen vom
Leben. „Georg und ich sind Familienmenschen, wir ha-
ben beide zwei eigene Kinder und fühlen uns im familiä-
ren Umfeld wohl“, sagt Theres. Dazu gehört natürlich
auch der ältere Bruder Heiner. Er führt die Landwirt-
schaft auf dem Hof. „Seine Biogasanlage produziert die
Energie für unsere Brennerei.“

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 „
Wir brennen
für die Familie
„
THERES GLITZ-EHRINGHAUSEN, 41,
WERNE
 „
Die Feldarbeit
war für mich
vollkommen neu
„
JESSICA SCHÖNFELD,
35, PFALZ

Zitronenverbene, Marzipansalbei, Basilikum – die Leipzigerin Jessica Schönfeld
baute mit ihrem Mann im Pfälzer Weinland eine eigene Teegärtnerei auf
O
h, ihr wollt Tee machen, das ist aber sympa-
thisch!“ Herzlich wurde Jessica Schönfeld in
ihrer neuen Heimat auf dem Land begrüßt.
„Die Pfälzer sind ein geselliges, freundliches
Volk“, erzählt sie. „Hier leben viele entspannte Men-
schen, die ihr Leben genießen, die es sich gut gehen las-
sen.“ Dazu passt eine gute Tasse Tee, meint die 35-Jähri-
ge. Mit ihrem Ehemann Christian Weiß produziert sie
nachhaltig angebauten regionalen Kräutertee. Die Idee,
Teegärtnerin zu werden, hat sich Schritt für Schritt ent-
wickelt. Kennen und lieben lernte sich das Paar an der
Hochschule Geisenheim: Jessica studierte Internationale
Weinwirtschaft, Christian Getränketechnologie. Den Im-
puls, sich auf die eigenen Beine zu stellen, hatten sie schon
früh, über Freunde lernten sie die nahe Pfalz kennen.
Beide arbeiteten dort erst mal im Weinanbau. „Letztlich
suchten wir ganz bewusst nach einer Nische im Lebens-
mittelmarkt, die wir für uns besetzen konnten“, sagt Jes-
sica. Christian war ausgebildeter Landschaftsgärtner,
und in der sonnenverwöhnten Pfalz wurden früher Pfef-
ferminze und Tabak gezogen. Das Paar fand erste Anbau­
flächen und probierte das Kultivieren von Kräutern aus.
Schließlich konnte es einen kleinen Winzerhof kaufen,
05 _ 22
NEUANFANG ___ GESELLSCHAFT
T EE STAT T W E I N
J e s s i c a s F a m i l ie
f üh lt si c h au f de m
f r ü he r en We i n gu t
wo hl . G ä st e
b e k o m m e n e in e
H of f ü hr un g g ra t i s
KOR N BLUM E N s in d
d a s i -Tü pf e lc h e n
i m Krä u te rt e e
der direkt gegenüber ihrer Wohnung in Ruppertsberg lag.
Der Start für die Marke „Schönfeld – Die Teegärtner“.
„Für mich war die Feldarbeit vollkommen neu“, erinnert
sich Jessica. Sie ist in Leipzig aufgewachsen, hat vor ihrem
Studium in der Hotellerie gearbeitet. „Was ich bieten
konnte, waren Begeisterung und Leidenschaft.“ Sie lern-
te, schaute sich bei Christian vieles ab, sie begann, die
Arbeit draußen auf dem Acker an der frischen Luft zu
lieben. Im Herbst 2016 standen die ersten 400 Teepackun-
gen vor den beiden. Fünf Sorten, die sie Cafés und klei-
neren Geschäften in der Umgebung anboten. Christian
kündigte seine Festanstellung, investierte seine komplet-
te Arbeitskraft in das eigene Geschäft. Heute bauen die
beiden – inzwischen Eltern eines kleinen Sohnes – mehr
als 30 verschiedene Kräuter auf ihrem Acker an: Zitro-
nenverbene, Marzipansalbei, Basilikum, Thymian, Zitro-
nengras, Schokominze, aber auch dekorative Kornblu-
men und Zistrosen. Im April und Mai pflanzen die beiden
und jäten Beikräuter. Im Juni beginnt die Ernte, sie zieht
sich bis in den September hinein. Zwischendrin wird ge-
trocknet, geschnitten, gemischt und verpackt. Wenn Gäs-
te zur Hofführung kommen, verkostet Jessica mit ihnen
den Tee, fast wie auf einem Weingut.
BRIGIT TE
WOMAN 69
GESELLSCHAFT ___ NEUANFANG

„
Die Provinz ist nicht Wir müssen davon ausgehen,
dass ihnen die Provinz, also das
Arkadien konservative Lebensmodell, zu

„ wenig Chancen bietet.

Trotzdem kann ich zig Frauen
aufzählen, die in der Provinz
leben und dort ihr Ding machen.
Der ländliche Raum bietet viel mehr
Freiräume als die Stadt. Hier ist es
möglich, einen Resthof oder eine
abgelegene Scheune zu kaufen, sich
dort zu verwirklichen, kreativ zu
werden. Die ländliche Lebensquali­
Großstädterinnen, die aufs Land ziehen: tät ist ungeheuer hoch und reicht
Kann das gut gehen? Die Soziologin Dr. Claudia Neu heute sicherlich an die der Städte
plädiert für mehr Realitätssinn heran. Die Provinz bietet viel Gutes,
ein soziales Miteinander etwa oder
einen großen Garten, das kann
schon glücklich machen.
Wo liegen die Stolpersteine für
BRIGITTE WOMAN: Aktuell krank machenden, schmutzigen Großstädter*innen, die aufs
ist von einer „neuen Ländlich- Großstadt. Wenn ich mich nun Land ziehen?
keit“ die Rede. Was halten Sie während der Pandemie aufs Land Ich habe ein paar Jahre in Mecklen­
von dem Phänomen? sehne, weil mich mein Nachbar im burg- Vorpommern gelebt und
CLAUDIA NEU: Die „neue Treppenhaus anatmet, dann zeigt konnte beobachten, wie manch ein
Ländlichkeit“ ist das, was sie schon sich genau dieser Antagonismus. Großstädter ein ehemaliges Gut
immer war: eine Welt imaginierten Sie bezeichneten einmal das übernahm. Nicht wenige sind an
Glücks, ein Arkadien, das in Dorf als einen „Ort für Jungs“. ihren kulturell und moralisch

unruhigen Zeiten Orientierung
bietet. Ihre gegenwärtigen Akti­
vist*innen bilden wohl eher eine
kleine Gruppe. Sie könnte aber, da
medial gehypt, das Grundrauschen
einer neuen gesellschaftlichen
Stimmung liefern. Im besten Falle
ebnet sie den Weg zu mehr Nach­
haltigkeit, Ressourcenschonung
und Solidarität.
Wie weit spielt da Corona
hinein?
Zu dieser Frage gibt es eine Tradi­
tion: Galt im Mittelalter noch
„Stadtluft macht frei“, änderte sich
das mit dem Aufkommen der
Industriegesellschaft und der
zunehmenden Verstädterung im
19. Jahrhundert. Das Urbane bekam
ein krank machendes Element, die
Stadt wurde zum Moloch, der selbst
Kinder verschlang. Auf dem Land
fand sich der Gegenentwurf zur
Dabei beziehen Sie sich
auf den traditionell männlich
geprägten Freizeitraum:
Fußball, Schützenverein oder
freiwillige Feuerwehr. Sehen Sie
das immer noch so?
Ja, absolut! Natürlich treten heute
auch junge Frauen in die Feuerwehr
ein, aber sie müssen sich in dem
männlich markierten Terrain
fortwährend beweisen. Eine
wirkliche Veränderung wäre erst
dann auszumachen, wenn die
Männer auch zum Yoga gingen
– aber das tun sie nicht. Nein, das
Dorf ist das letzte Refugium der
Männlichkeit. Frauen führen hier
ein abgeleitetes Leben, wollen sie
gesellschaftlich mitmachen, brau­
chen sie einen Partner. Es zeigt sich
übrigens weltweit ein interessantes
Phänomen: Junge Frauen zieht es
vergleichsweise mehr in die Städte.
FOTOS: Mit freundlicher Genehmigung des Callwey Verlags (12), Nadira Arkoumanis, Getty Images
überlegenen Ansätzen gescheitert.
Die Dörfler kamen auch ganz gut
ohne die neuen Beglückungsversu­
che aus. Man muss es den Leuten
vor Ort schon selbst überlassen, wie
sie leben möchten, auch wenn das
nicht zu den eigenen Vorstellungen
passt. Wer dazu mehr lesen möchte,
dem empfehle ich den Roman
„Unterleuten“ von Juli Zeh.
„G E KOM ME N, U M Z U B LE IB E N “
Aut o r i n Ke r s t i n Rub e l u n d Fo to g ra-
f i n U lr ik e S ch a c ht s t e ll e n i n i hr em
wun d e r v ol le n B uc h n och 1 7 w e it e re
Fr a ue n vo r, d ie s ic h a uf de m L a n d
n ie d e r g e la s s en und i h r e i g en e s
U nt e r ne hm e n g e g r ünd e t h a be n .
2 2 4 S e it e n, 4 5 E ur o, C a l l we y Ve r l ag

70 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
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I G Q U I T
TH E B

FOTOS: Peter Franck/Plainpicture, PR

72 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
 Den Job hinschmeißen, ohne zu wissen,
wie es weiter geht? Keine so gute Idee, könnte
man meinen. Dennoch entscheiden sich
seit der Pandemie immer mehr Menschen
für diesen Weg. Warum?
TEXT ___ CAROLA KLEINSCHMIDT

N
ormalerweise sinkt
in Krisenzeiten die
Bereitschaft, den Job
zu kündigen. Doch
Corona hat dieses
Muster aus dem Takt
gebracht. In den USA reichten 2021
trotz schlechter Arbeitsmarkt­ lage
45 Millionen Beschäftigte ihre Kün­
digung ein, so viele wie nie zuvor. Das
Phänomen hat einen Namen: „The
Big Quit“, die große Kündigungswel­
le. Und sie schwappt langsam auch
nach Deutschland. Eine Umfrage des
Personaldienstleisters Robert Half
von Juni 2021 unter 300  Personal­
verantwortlichen bestätigt: In jedem
fünften Unternehmen gingen frei­
willig mehr Beschäftigte von Bord als
vor der Pandemie. Die Gründe: feh­
lende Entwicklungsmöglichkeiten,
die Unvereinbarkeit von Werten,
Probleme mit dem Vorgesetzten, ein
unsicherer Arbeitsplatz. Wir fragten
bei Emine Yilmaz, Managing Direc­
tor bei Robert Half in Stuttgart, nach.
BRIGITTE WOMAN:
Frau Yilmaz, warum hängen so
viele ihren Job an den Nagel?
EMINE YILMAZ: Unserer
Umfrage nach haben viele im Zuge
E MI N E Y I L MA Z , der Pandemie ihre Prioritäten
3 4 , i s t M a n a g i ng überdacht. Wenn man im Home­
D i r e c t or b e im
Pe r s ona l d i e ns t-
office mit etwas Abstand auf seine
l e is t e r Rob e r t Arbeit schaut, sieht man offensicht­
H a lf in S t ut t g a r t lich manches klarer. Die Pendelei
wurde kritisch hinterfragt. Viele
stellten fest, dass ihnen flexible
Arbeitszeiten wichtig sind. Auch
fehlende Entwicklungsmöglichkei­
ten oder zu wenig Wertschätzung
im Job wurden einem bewusster.
Und dann kündigt man einfach?
Derzeit zumindest mehr als vorher.
Interessant ist auch, dass viele
Arbeitnehmer sagen: Ich bin sofort
verfügbar. Diese kurzfristige
Flexibilität ist neu.
Ist es momentan denn so leicht,
einen neuen Job zu finden?
Die Wirtschaft befindet sich aktuell
in einem Arbeitnehmermarkt. Das
BERUF ___ KÜNDIGEN
bietet Bewerbern gewiss eine gute
Position, um Forderungen zu
stellen, denn Firmen möchten, dass
gute Leute zu ihnen kommen.
Das gilt derzeit für alle Branchen.
Insofern ist die Zeit für einen
Wechsel durchaus gut.
Auch für Menschen 45 plus?
45? Das ist doch kein Alter! Die
Berufschancen sind sehr gut. Für
Arbeitgeber haben reifere Menschen
aufgrund ihres Erfahrungsschatzes
und ihrer Lebenssituation viele
Vorteile: Sie wissen, was sie wollen,
sind im Leben angekommen. Bei
jüngeren Bewerbern muss der
Arbeitgeber erst vieles rausfinden:
Gibt es Karriereziele, wie sehen sie
aus? Ist der aktuelle Job nur eine
Zwischenstation? Steht bald die
Familienplanung an? Ab 45 ist die
Familienplanung in der Regel abge-
schlossen, auch ein Job-Hopping
eher nicht zu erwarten. Nach unse-
rer Erfahrung bleiben die meisten
dann die nächsten 10 bis 15 Jahre
bei ihrem aktuellen Arbeitgeber.
Allein diese Gewissheit ist für viele
Arbeitgeber sehr attraktiv.
Gerade Frauen haben jedoch
oft das Gefühl, dass ihnen eine
Qualifikation fehlt, um sich
beruflich zu entwickeln. Oder
dass zu viele Lücken im Lebens-
lauf sind.
Wir hören oft in Gesprächen die
Sorge, nicht gut genug zu sein. Aus
Erfahrung kann ich sagen, dass
Frauen selbstbewusster agieren
sollten in dem, was sie machen und
was sie wollen! Viele sind durch die
Kombination von Beruf und Privat-
leben mit ihrem Alltag so beschäf-
tigt, dass ihnen gar nicht bewusst
ist, was sie im Job alles leisten,
welche Stärken und Fähigkeiten sie
45?
Das ist doch kein Alter!
Die Berufschancen
sind sehr gut. Für den
Arbeitgeber haben
reifere Menschen ja viele
Vorteile: Man weiß,
was man möchte,
ist in gewisser Weise im
Leben angekommen
haben. Da hilft es, nüchtern zu
schauen: Was kann ich gut, und
welche berufliche Entwicklung wäre
damit möglich? Hier können
übrigens Personaldienstleister
beratend helfen, Tipps oder Rich-
tungen aufzeigen, an die man
vielleicht gar nicht gedacht hat.
Kriegt man das auch ohne
Hilfe hin?
Schon ein Persönlichkeitstest kann
viel Aufschluss geben, inzwischen
gibt es auch online gute, selbst
kostenfreie. So manche Frau
arbeitet 15 Jahre im sozialen
Bereich und weiß gar nicht, was
alles in ihr steckt. Vielleicht hat sie
Führungsqualitäten oder ein
ausgeprägtes Organisationstalent
– das alles sind interessante Fähig-
keiten für eine berufliche Weiterent-
wicklung. Man kann gezielt
Freunde fragen: Wo siehst du meine
Stärken? Was kann ich in deinen
Augen besonders gut? Aber auch
Kolleginnen und Kollegen oder
Führungskräfte geben oft hilfreiche
Rückmeldungen.
Warum sind wir für unsere
Fähigkeiten im Job oft blind?
Viele Frauen denken: Ich arbeite
seit zehn Jahren als Zahnarzthelfe-
rin –wenn ich mehr könnte, würde
man mir das sagen und mir Verän-
derung anbieten. Aber das passiert
häufig nicht. Stattdessen ist der
Arbeitgeber einfach froh, dass ich
gute Arbeit mache.
Wie stelle ich es an, wenn ich die
Branche wechseln möchte?
Auch hier zählt, dass man um seine
Stärken weiß, die zur gewünschten
Branche passen. Vielleicht arbeitet
eine in der Bildungsbranche –
aber zu Hause erledigt sie die
Steuerklärung mit leichter Hand.
Sie liebt Zahlen und ist gut
strukturiert. Ein Wechsel in die
Finanzbranche wäre durchaus
denkbar. Ein Blick ins Privatleben
zeigt oft ebenfalls Entwicklungs-
möglichkeiten. Bin ich Elternspre-
cherin? Habe ich einen Verein
gegründet? Sage ich jeden Trend
voraus? All das sind Fähigkeiten,
die man für den Beruf ausbauen
 GEKÜ N DIGT – U N D DA N N?

5 TIPPS FÜR DIE BERUFLIC HE NEUAUSRIC HTUNG

WA S IS T MI R W I C H TI G ?
Fragen Sie sich: Wie möchte ich arbeiten?
In einer sehr temporeichen Branche? Dann passt IT, Start-up oder Marketing. Beständigkeit und die nächsten
Oder eher ruhiger und sicher? Das bieten Konzerne. Jahre einfach einen guten Job
Eher klein und persönlich? Dann im Mittelstand schauen. machen, dann passen vielleicht eher
Industrieunternehmen oder Firmen
WA S KAN N I C H ? in der Finanzbranche.
Augen und Ohren auf: Was fällt mir leicht? Das klingt ja fast zu schön,
Worin bin ich vielleicht sogar besser als viele Kolleg*innen? um wahr zu sein. Sind die
Persönlichkeitstest machen. Personaldienstleister ansprechen. Unternehmen wirklich schon
so weit?
D I E ST E L LE NAUS S C H R E I BU N G VE R L AN GT SO V IE L , WA S I C H N I CH T B I ET E .. . Hier gibt es gerade viel Bewegung.
Es muss nicht immer die formale Qualifikation sein. „Schauen Sie, Die Angebote für Homeoffice und
welche Tätigkeiten oder Interessen in Ihrem Leben auf die Punkte Flexibilität sind in vielen Unterneh-
der Stellenanzeige passen“, erklärt Yilmaz. Ich habe die Abrechnung für men Normalität geworden. Heute
meine Abteilung gemacht? Das passt als Kenntnis in Finanzangelegenheiten. möchten zahlreiche Firmen auch
Ich habe auf Projektebene Verantwortung übernommen? Das zählt Menschen, die „out of the box“
als Führungsqualität. Yilmaz: „Es geht nicht nur um Diplome oder Abschlüsse. denken können. Und das können
Es geht darum, glaubhaft zu machen, was man kann.“ Frauen besonders gut, weil sie so
vielfältige Verantwortungsbereiche
B E W E R B U NG S C H REI B EN – HO R R O R ? in ihrem Leben haben. Und: Wenn
Yilmaz: „Das klassische Anschreiben hat an Bedeutung verloren – das ist eine Frau mit 45 oder 50 so viel Mut
eher im Motivationsschreiben aufgegangen. Also dem Absatz, in dem zeigt, sich zu verändern – und ein
steht, warum ich denke, dass ich für die Firma und auf diese Stelle passe.“ Unternehmen lehnt sie ab –, dann
Der Lebenslauf ist auch sehr wichtig. Bei meinen Berufserfahrungen muss man sich auch fragen, ob man
mache ich Bulletpoints, die näher beschreiben, was ich da gemacht habe. für so eine Firma, die gar nicht
Hier kann ich die Tätigkeiten herausstellen, die zu flexibel denkt, überhaupt arbeiten
der Stellenbeschreibung passen, auf die ich mich bewerbe. möchte. Mein Rat: Fühlen Sie sich
nicht schlecht, wenn es mal nicht
D I E L Ü C K E I M LEB E NS L AU F? klappt. Suchen Sie weiter!
Heutzutage sind Pausen vom Job wie Sabbaticals oder Kinderzeiten Es gibt Unternehmen da draußen,
viel mehr akzeptiert als früher. Emine Yilmaz: „Ein halbes Jahr die Sie unbedingt haben wollen.
Auszeit verstehen heutzutage viele Arbeitgeber. Wenn es eine längere Also sollten wir einfach
Phase war, sollte man dies einfach kurz begründen.“ kündigen, wenn es im Job nicht
mehr passt? Selbst ohne Plan B?
Das kommt immer auf die
individuelle Lebenssituation an.
Wir empfehlen, besser aus einer
kann, vielleicht sogar mit einer Wie meinen Sie das? Anstellung heraus einen neuen Job
passgenauen Weiterbildung. Eine Jede Branche hat ihr eigenes Tempo zu suchen – auch weil es einen in
weitere Option sind Personalbera- und ihre eigene Atmosphäre. eine bessere Verhandlungsposition
tungen, die sich auf eine oder Wer grundsätzlich flexibler arbeiten bringt. Und oftmals ist der Impuls
mehrere Branchen spezialisiert möchte und Lust auf Tempo und zu kündigen gar kein echter
haben. Wir sind unter anderem auf Wandel hat, für den oder die kann Wechselwille. Vielleicht stört einen
die IT- und Finanzbranche speziali- die IT-Branche extrem interessant eigentlich nur eine bestimmte
siert. Allerdings sollte man sich im sein. Oder auch ein Marketing­ Phase oder Person. Da sollte man
Voraus über die Wunschbranche gut unternehmen oder ein Start-up. lieber die Konflikte lösen, als
informieren. Wenn man aber sagt: Ich möchte alles hinzuwerfen.

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BRIGIT TE
WOMAN 75
BERUF ___ MAGAZIN
FINANZCHECK
FR AGEN ZUM GELD
Antworten von Helma Sick
Ö KO F O N D S
TATSÄCHLICH OHNE ATOMKRAFTWERKE?
Ich möchte gern in einen ökologischen Fonds inves-
tieren. Nun sollen plötzlich auch Atomkraftwerke
nachhaltig sein, was ich überhaupt nicht verstehen
kann. Wie kann ich sicher sein, dass in einem Fonds
nicht Atomkraftwerke enthalten sind?
Es gibt Bewertungsportale, zum Beispiel das „Forum
nachhaltige Geldanlagen“. Dort können Sie sich infor-
mieren, worin die ökologischen Fonds, für die Sie sich
interessieren, tatsächlich investieren.
A LT E R S VO R S O R G E
MUSS ICH ALLE PAPIERE AUFBEWAHREN?
Ich habe drei private Rentenversicherungen bei ver-
schiedenen Gesellschaften. Jedes Jahr bekomme ich
also Post von drei Versicherungsgesellschaften. Mei-
ne Ordner fassen das Papier schon nicht mehr. Muss
ich das alles aufbewahren, oder ersetzen die neuen
Mitteilungen jeweils die vorherigen?
Unbedingt aufbewahren müssen Sie den Originalversi-
cherungsschein sowie den letzten Nachtrag zum Versi-
cherungsschein. Denn diese Dokumente gelten als Nach-
weis für den bestehenden Versicherungsschutz. Der
Versicherungsschein beurkundet den zustande gekom-
menen Vertrag, im Nachtrag werden Vertragsänderun-
gen dokumentiert.
E R Z I E H U N G SZ E I T
WIE HOCH IST DIE ZU SCHLIESSENDE
RENTENLÜCKE?
Ich bin Ärztin und zahle in die Ärzteversorgung ein.
Nun sind wir gerade Eltern geworden, ich werde
deshalb einige Jahre zu Hause bleiben. Wie kann
ich erfahren, wie hoch dadurch meine Rentenlücke
ist? Mein Mann wird diese durch einen Sparplan
ausgleichen.
Am besten fragen Sie bei Ihrem Ärzteversorgungswerk
nach. Die berufsständischen Versorgungswerke geben
aber meines Wissens in der Regel keine Informationen
über die entstehende Rentenlücke heraus. Wenn Sie dort
nicht weiterkommen, sollten Sie sich an zugelassene
Rentenberater*innen wenden (rentenberater.de). Diese
Profis können Ihnen – gegen Honorar – die gewünschten
Auskünfte geben.
SCHEIDUNG
UNTERHALT TROTZ NEUEM PARTNER?
Stimmt es, dass man als Frau im Fall einer Scheidung
keinen Unterhalt bekommt, wenn man einen neuen
Partner hat?
Unsere Juristin sagt: Das ist zutreffend. Zwar wurde das
sogenannte Schuldprinzip bei Ehescheidungen abge-
schafft, es spielt also keine Rolle, ob eine Seite für das
Scheitern der Ehe verantwortlich ist. Trotzdem gibt
es noch eine Regelung, die in der Realität meist Frauen
trifft: Geht man eine sogenannte „eheähnliche Gemein-
schaft“ ein, also eine verfestigte Partnerschaft, so kann
ILLUSTRATION: Yvonne Kuschel FOTO: PR
man nacheheliche Unterhaltsansprüche verwirken.
Die finanzielle Stellung des neuen Partners spielt hierfür
keine Rolle.
P R I VAT E R E N T E N V E R S I C H E R U N G
VORTEILHAFT FÜR DEN KAUF VON ETFS?
Mir ist eine fondsgebundene Rentenversicherung
mit mehreren ETFs angeboten worden. Was sagen
Sie: Hat so etwas irgendeinen Vorteil gegenüber ei-
nem direkten Kauf von ETFs?
Mit Ihrer monatlichen Einzahlung investieren Sie in
mehrere unterschiedliche ETFs, haben also eine viel
­größere Risikostreuung. Die Erträge sind in der Anspar-
phase steuerfrei, es fällt also keine Abgeltungssteuer an.
Ein Fondswechsel ist mehrmals jährlich möglich, ohne
Steuernachteil. Gegen Ende der Laufzeit gibt es meist
ein sogenanntes Ablaufmanagement, Ihre Aktien-ETFs
werden in risikolosere Fonds umgeschichtet, um Verlus-
te zu vermeiden.
GOLD K AUFEN
am liebsten all meine Anlagen auflösen und in Gold
investieren. Ist das vernünftig?
Nein, denn hier wird gezielt Panik geschürt, um Geschäf-
te zu machen. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs gab es
international immer wieder schwere Krisen. Das
menschliche Gedächtnis neigt zum Glück dazu, sie zu
vergessen. Und jüngere Menschen kennen sie sowieso
nicht. Aber keine einzige dieser Krisen hat zum Zusam-
menbruch des Weltwirtschaftssystems geführt. Trotz-
dem kann es sinnvoll sein, Gold als Teil einer gut gestreu-
ten Vermögensanlage zu betrachten, ob als Goldbarren,
Goldmünzen oder Ähnliches. Aber alles auf Gold zu
setzen ist meiner Meinung nach unsinnig.

BRICHT DAS WELTWÄHRUNGSSYSTEM

ZUSAMMEN?
Vor Kurzem bekam ich eine E-Mail, in der vom kom- B R IG I T T E W O MA N - F IN AN ZE X P E RT I N
H E L MA S IC K f ühr t mi t Re na t e Fri t z
menden Zusammenbruch des Weltwährungssys- d a s U n t er ne hm e n „ Fr a u un d G e ld “ i n Mü n c h e n
tems die Rede war. Ich habe nun Angst und würde un d i s t e r f o lg r e ic he B uc ha u to ri n

IMPRESSUM
GRAFIK-BOARD WOMEN + PEOPLE: Anne Ellerkamp, Sibylle Friese,
Jennifer Georgi (stv. Creative Director), Heike Hähnle, Jill Hartmann-vom Hau,
Natascha Hendricks, Bettina Kindler, Merve Lindloff, Susanne Meyer, Nina Roberts,
MODEL: Simona/Boss Models Cape Town Lev-Frederik Schacht, Philipp Schubel, Kirsten Sobek, Niklas Suxdorf, Richard Wistrach
FOTO: Bettina Lewin ART BUYING: Sophia Bokelberg, Ebba Ramsay-Bokelberg, Sandra Hintze
STYLING: Bronwyn Henning/Gloss Artist Management FACHLICHE BERATUNG GELD-SEITE: Sara Haußleiter, Rechtsanwältin/München;
Manuela Budewell, Deutsche Rentenversicherung Bund
HAARE & MAKE-UP: Kelly Paitaki/Gloss Artist ­M anagement SCHLUSS­REDAKTION: UK Schlussredaktion & Lektorat
mit Produkten von Chanel BRIGITTE-WOMAN.DE: Doris Brückner
KLEID: privat VERIFIKATION: G+J Informationsrecherche
PUBLISHER: Iliane Weiß, Margaretha Schmitt (stellv. Publisherin)
VERMARKTER: Ad Alliance GmbH, Brieffach 12, 20444 Hamburg
VERLAG UND SITZ DER REDAKTION: SALES DIRECTOR: Christina Fischer, DPV Deutscher Pressevertrieb GmbH
Gruner + Jahr Deutschland GmbH, Am Baumwall 11, 20459 Hamburg HERSTELLUNG: G+J Herstellung, Heiko Belitz (Ltg.), Horst Conrad
CHEFREDAKTEURIN: Brigitte Huber KOMMUNIKATION + MARKETING: Maike Pelikan (Ltg.),
REDAKTIONSLEITUNG: Tatjana Blobel Sophie Herzberg, Frauke Meier
CREATIVE DIRECTOR: Kerstin Peters VERIFIKATION: Quality Board G+J
ART DIRECTOR: Veronika Baehr SYNDICATION: ­d dp media GmbH, info@ddpimages.com
TEXTCHEFIN: Miriam Collée BRIGITTE WOMAN erscheint in der Gruner + Jahr Deutschland GmbH,
CHEFIN VOM DIENST: Tanja Kuge Am Baumwall 11, 20459 Hamburg. Druck: Quad/Graphics Europe Sp. z o.o.,
GESCHÄFTSFÜHRENDE REDAKTEURIN: Britta Brenneisen 07-200 Wyszków, Polen. © 2022 by Gruner + Jahr Deutschland GmbH. Nachdruck
REDAKTION: Alexandra Busse-Richter, Sabine Eichstedt, Melanie Golly (Ass.), Sarah Harms, nur mit schriftlicher Genehmigung der ­R edaktion. Für unverlangt ­e ingesandte
Leonie Heilig, Ariane Heimbach, Eylin Alice Heisler (Ass.), Diana Helfrich, Hannah Bilder, Manuskripte, Waren keine Haftung. Alle Angaben erfolgen nach bestem
Jabs (Ass.), Astrid Joosten, Katja Jührend, Swolke Karberg, Jana Kruse (Fashion-Di- Wissen, aber ohne Gewähr. Nachdruck, ­A ufnahme in Onlinedienste und ­I nternet
rector), Sandra Krutzsch (Deputy Head of Fashion), Antje Kunstmann, Nicole Lötters ­s owie ­Ver­v iel­­fälti­g ung auf Datenträger wie CD-ROM, DVD-RO£M etc. nur nach
(Deputy Head of Beauty), Alicia Martens (Ass.), Isa Petereit (Head of Fashion), Birgit vor­h eriger schriftlicher Zustimmung des Verlages. Verantwortlich für den
Potzkai, Frauke Prien, Merle Rebentisch (Head of Beauty), Angela Schöneck, ­r edaktionellen Inhalt: Brigitte Huber, Am Baumwall 11, 20459 Hamburg;
Charlotte Schwarck, Paulina Sonnenschein (Ass.), Sina Teigelkötter, Isabelle Wedel verantwortlich für Anzeigen (v.i.S.d.P.): Astrid Bleeker,
(Ass.), Leonie Wojta (Ass.) stv. General Director, Brieffach 12, 20444 Hamburg.
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PORTRÄT ___ DÉSIRÉE NOSBUSCH
AUF DEM NG
RU
SP
Sie war der eloquente, unerschrockene Teenager der Nation und fühlte sich doch
stets unzulänglich. Jetzt, mit 57, hat sich Désirée Nosbusch endlich befreit
TEXT ___ BEATRIX GERSTBERGER
FOTOGR AFIE ___ JEANNE DEGR A A
DÉ SI RÉ E N OS BUS C H ist so
jemand, den man eigentlich persön-
lich treffen möchte und nicht nur in
einem Videocall. Weil sie bei ihren
Moderationen eine warmherzige
Leichtigkeit vermittelt, weil man ihr
Interesse am Gegenüber spürt, wenn
sie Menschen befragt. Aber auch,
weil sie in der Erfolgsserie „Bad
Banks“ so durchdringend spielt –
eine Bankerin, die gegen ihren
Machtverlust kämpft, oder in der
ZDF-Reihe „Der Irland-Krimi“ eine
deutsche Kriminalpsychologin, de-
ren Leben erst in Trauer, dann im
Alkohol absäuft und die sich aus all-
dem jeden Tag neu hochkämpft und
vielleicht gerade deshalb eine gute
Ermittlerin ist.
Désirée Nosbusch ist jetzt 57 Jahre alt
und wird zu ihrer eigenen Überra-
D
schung nach dem Grimme-Preis für
ihre Rolle in „Bad Banks“ endlich als
über ihre Biografie führen, die sie in
den letzten beiden Corona-Jahren
verfasst hat, und ist gleichzeitig da,
wo sie immer war: auf dem Sprung.
Sie ist mittendrin in einem Projekt,
vor dem sie Respekt hat und die
­Ahnung, dass sie sich wieder etwas
­aufgehalst hat, was ihr am Ende die
das wahrgenommen, was sie immer Filmkritik um die Ohren schlagen
sein wollte: eine Schauspielerin, in könnte: ihre erste eigene Regie, ein
der man nicht mehr die alte Désirée, Film mit den Kinostars Tim Roth und
das Moderationswunder der 70er- Trine Dyrholm.
und 80er-Jahre, sucht, sondern eine Aufgeregt hält sie ihr Handy in die
Frau sieht, die weiß, wie sich Schmerz Kamera ihres Laptops. Ein knallgel-
anfühlt, und trotzdem darin nicht un- bes Schild hat sie diesen Morgen beim
tergegangen ist. „Ich habe nach dem Spazierengehen fotografiert. Diese
,Bad Banks‘-Erfolg lange gedacht: Straße ist ab morgen für Dreharbeiten
Das ist bestimmt bald vorbei, das kann gesperrt, steht darauf. „Meine Dreh-
nicht so gut weitergehen“, sagt sie. arbeiten“, sagt sie. „Ich stand davor
Nun sitzt sie da also auf einem Hotel- wie vor einem Weihnachtsbaum und
bett in Amsterdam, soll ein Interview verstehe selbst nicht, wie mir das
05 _ 22
BRIGIT TE
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PORTRÄT ___ DÉSIRÉE NOSBUSCH
01 02

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04

05

FOTOS: Jeanne Degraa/Photoselection (2), PR (4), Horst Galuschka/Fotex, ddp, United Archives/
06
07

Frank Hempel/ActionPress, Splash News, Eva von Maydell/picture alliance

0 1 A L S C O OL E B A N K E RI N i n d e r
S e r ie „ B a d B a nk s ” , h ie r m i t Pau l a Be e r,
e r hie l t D é s ir é e N o s bu sc h 2 0 1 9
d e n D e ut s c he n F e r n se h pre i s
02 M AN N F ÜR S L E B E N 2 0 1 8 h e i r at e t e
s ie d en Ka m e r a m a nn Tom B i e rb au m e r
0 3 D I E B Ö SE SC H W I E G E R MU T T E R s p i e lt
s ie i n d e r ne u en „ S i s i” - S e ri e a uf R T L +
0 4 MO D E R ATI ON SP R OF I i st si e
d a s c ho n l ä ng s t : 1 9 8 9 b e i
d e r E r öf f nung s s how d e r I FA i n Be rl i n
05 E R M IT T LE R I N M I T S OR G E N A ls K r im i na l p s y c hol og i n C a t hr in B l ak e i m
I r la n d - K r i mi „ D a s Ve r s c hw in d e n” 20 2 1
0 6 N AC KT IM P OO L a l s J ung s t a r f ü r e i n F o t os hoo t in g
07 MI T F R A N K E L S T N E R , d e r d a ma ls Pr og r a m m d i r e k t or b e i R T L Lu xe m bu rg w a r,
a ls 1 5- j ä h r i g e Ra d i om od e r a t or i n b ei m P l a t t e na us w ä h l e n
08 MI T A N K E E N G E LK E ( r e c ht s ne b e n d e r M ic k e y- F ig ur ) , d i e a u c h s c ho n
08
a l s Tee n a g e r m od e r i er t e , 1 9 7 9 i n D i s ne y la nd

80 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
passieren kann – mir, die immer
denkt, ich würde nicht genügen.“

DAS S A N D ERE S IE ER ST
IN D EN H IM MEL LOBEN ,
um sie kurz danach durch den Dreck
zu ziehen, ist sie gewohnt, seitdem
sie mit zwölf Jahren in Luxemburg
von Frank Elstner als junge Radio-
moderatorin entdeckt wurde. Seit-
dem ist sie ein fester Bestandteil der
deutschen Fernsehwelt. Sie mode-
riert zusammen mit Anke Engelke
live von der Berliner Funkausstel-
lung die Sendungen „Hits von der

®Lizenz der Marke BRIGITTE durch Gruner + Jahr Deutschland GmbH

Schulbank“, „Stars in der Manege“
und den „European Song Contest“.
Sie ist auf dem Titel der „Bravo“,
singt ein Duett mit Falco, hat eine
Interviewreihe im Südwestfunk und
fliegt als 15-Jährige für ein Interview
Klaus Kinski in die USA hinterher.
Er sperrt sie in sein Haus ein, sie
flüchtet durch ein Fenster, spricht
trotzdem mit ihm am nächsten Tag
und lässt sich vor laufender Kamera
von ihm beschimpfen. Sie ist der in
sechs Sprachen eloquente unerschro-
ckene Teenager der Nation, obwohl
sie aus Luxemburg kommt. Ein Teen-
ager, dem man eine Nacktszene in
dem Film „Der Fan“ nicht verzeiht
und der in einer Sendung seine Mei-
nung gegenüber einem körperfeind-
lichen Spruch von Franz Josef Strauß

Braten mit
vertritt, woraufhin sie ein Sendever-
bot vom Bayerischen Rundfunk und
Morddrohungen bekommt.

gutem Gewissen
Über all das berichtet sie in ihrem
Buch. „Endlich noch nicht angekom-
men“ heißt der Titel und deutet
schon an, was sie immer war und
immer bleiben wird. „Ich bin wahr-
scheinlich jemand, der nie ganz an-
Das Byodo Bratöl Raps besteht aus reinem, 100 %
kommen wird“, sagt sie. „Ich habe biologischem Rapsöl. Es ist reich an ungesättigten Fett-
darunter jahrelang gelitten und Men- säuren und einzigartig mild im Geschmack.
schen aus tiefstem Herzen beneidet, Dank seiner hitzestabilen Eigenschaften gelingen
die wissen, wo sie hingehören, wo sie
herkommen und wo sie hinwollen.
köstliche Brat-Rezepte, wie die vegetarischen Gemüse-
Ich habe nie einen Plan gehabt und Puffer, im Handumdrehen!
dachte immer, das ist ein Fehler oder
Mehr Informationen unter:

www.byodo.de
PORTRÄT ___ DÉSIRÉE NOSBUSCH

ALS KIND IST

SIE EINE
R I N“
eine Krankheit, aber jetzt merke ich,
I N E
es bedeutet auch, eine Kraft zu ha-
L L E
ben.“ Woher diese Kraft kommt?
„Von meinen Eltern“, sagt sie. „A
SI E B E U GT IH R GES IC H T
E TWAS VOR UN D ERZ Ä H LT
VON D E R MUTTER, einer Ita-
lienerin, die immer nur dann leuch-
„ I ch b i n
tet, wenn sie im Sommer in ihrer wa hr s c he in li c h
Heimat Italien ist, und der in Luxem- j e ma nd , d e r
burg das Wort „Spaghettifresser“ hin- n ie g a nz
an k om m en wi r d ”
terhergerufen wurde. Und sie spricht
von ihrem Vater, einem Lkw-Fahrer,
„hochintelligent, begabt, aber er hat-
te nicht den Mut, rauszugehen aus
seinem Leben“. Der Vater geizt mit
Zärtlichkeiten, und als dieser knurri-
ge, wortkarge Mann sie endlich ein-
mal umarmt und tröstet, läuft sie am
nächsten Tag eilig von der Schule
nach Hause in der Hoffnung, dass er
in der Mittagspause kommt und sie
wieder umarmt. Aber er setzt sich
wortlos an den Küchentisch, isst und
geht wieder weg. „Für mich brach
eine Welt zusammen“, sagt sie.
Sie übernimmt Verantwortung für
den jüngeren Bruder, wenn die El-
tern arbeiten müssen und nicht zu
Hause sind. Ihr Vater bringt ihr bei,
wie man Zement mischt, einen Was-
serhahn abdichtet. „Désirée schafft
das schon“, heißt es in der Familie,
und das soll sie ein Leben lang beglei-
ten – auch als unausgesprochene An- und betrachtete alles aus der Ferne. es ausgenutzt, dass wir jungen Frau-
forderung an sich selbst. „Um Hilfe Ich ging nicht gern auf Partys, weil en ausbrechen wollten, dass wir auf
bitten ist mir immer wahnsinnig ich in Wahrheit unsicher und schüch- der Suche waren und noch in keiner
schwergefallen, das habe ich nicht tern war.“ Ein bisschen, sagt sie, sei Welt lebten, die ernst nahm, was wir
gelernt. Ich will niemandem auf den davon bis heute geblieben. dachten und sagten.“
Geist gehen, stören, nerven, mich Ihr öffentliches Bild ist damals ein
nicht aufdrängen.“ anderes. Altklug, vorlaut, schreiben SIE FLIE HT MIT 17 N ACH
Als Kind ist sie eine „Alleinerin“, wie die Medien über die Teenagerin Dé- NE W YORK, geht auf eine Schau-
sie es nennt. „Geh doch mal raus, sag- sirée. „Ich wusste nicht mehr, wer ich spielschule und hat das erste Mal das
ten meine Eltern immer, aber ich saß war, ich habe sogar das Wort vorlaut Gefühl von Angekommensein. „In
lieber in meinem Zimmer, habe ge- erst mal nachgeschlagen. Ich war oft New York war es egal, ob jemand jung
malt, gelesen, Musik gehört oder mir die Projektionsfläche von Vorstellun- oder alt, klug oder unwissend ist, be-
Gedanken über das Leben gemacht. gen anderer Menschen“, sagt sie, rühmt oder nicht. Dort musste ich in
Ich stand immer einen Schritt abseits „meistens Männern. Und die haben keine Schublade passen, da hat man

82 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
 NO 2 ENTDECKUNGEN 2022

»Mit meiner Geschichte

möchte ich an die muti-
AUFGE- gen Frauen erinnern, die
BLÄTTERT es gegen viele Widerstän-
de wagten, ihre Stimme
zu erheben und Rechte
zu erkämpfen. Vor ihnen

AUFBRUCH
verneige ich mich.«
MICAELA A. GABRIEL

DER FRAUEN
In ihrem neuen Roman erzählt
Micaela A. Gabriel die Geschichte
einer jungen Frau, für die sich 1918
mit dem Wahlrecht der Frauen ein
Freiheit” ist Micaela A. Gabriel der Auftakt
einer spannenden Serie um außergewöhnliche
Heldinnen gelungen, die sich für die Rechte
der Frauen einsetzen. Ein sehr atmosphäri-

FOTO: ©AVA PIVOT

Lebenstraum erfüllt – ein Buch für
alle, die mit einer mutigen Heldin
mitfiebern wollen
Marlene von Runstedt ist eine engagierte Juris-
tin, die sich in einer Beratungsstelle für Frau-
en starkmacht. Im November 1918 geht für
sie mit der Einführung des Frauenwahlrechts
ein Lebenstraum in Erfüllung. Endlich wird
ihre Stimme gehört und ihre Ideen zur Kennt-
nis genommen. Zum ersten Mal hat sie das
Gefühl, wirklich etwas bewegen zu können.
Ermutigt von ihrem Vater, einem Rechtspro-
fessor, und ihrem Verehrer Max Emden, tritt
sie der neu gegründeten liberalen DDP bei. Es
herrscht Aufbruchstimmung, in die unverhofft
Justus von Ostwald hineinplatzt, dem Marlene
vor Jahren das Herz brach. Trotz ihrer Vergan-
genheit sind beide noch innig miteinander ver-
bunden, woran auch Justus‘ Beziehung zu der
Schauspielerin Sonja Grawitz, die gleichzeitig
auch Marlenes Jugendfreundin und nunmehr
Mitglied der kaisertreuen DNVP ist, nichts
ändert. Eine heikle Situation, da Sonja ein
Kind von Justus erwartet … Mit „Stimmen der
sches Leseerlebnis, in dem die Leser:innen auf
Zeitreise gehen. Gleichzeitig berührt sie mit
einer Heldin, die so schnell niemand vergisst.
Micaela A. Gabriel, Die Frauen vom
Reichstag, Stimmen der Freiheit, Originalaus-
gabe, 400 Seiten, Preis: € 16,00 (D)
LESEPROBE
Gott sei Dank war sie eine Frau!
Marlene von Runstedt registrierte mit einer
gewissen Erleichterung, dass sie in dem Ge-
tümmel unsichtbar zu sein schien.
Frauen standen nicht im Mittelpunkt des
allgemeinen Interesses, die Schaulustigen vor
dem Bahnhof wollten prominente Politiker
wie Matthias Erzberger sehen, Ulrich von
Brockdorff oder Philipp Scheidemann. Selbst
die zweite Garde unter den Männern sorgte für
mehr Aufruhr als eine einzige Frau. Das war
erstaunlich, weil sich zum ersten Mal in der
Geschichte der Republik auch Parlamentarie-
rinnen auf den Weg zu einer Sitzung machten,
aber Marlenes Geschlecht bot ihr in dem
Gedränge vor dem Militärbahnhof tatsächlich
einen gewissen Schutz.
MICAELA A. GABRIEL stammt
aus Hamburg und wuchs im Tessin
auf. Sie arbeitete viele Jahre als
Redakteurin, als Ressortleiterin und
als stellvertretende Chefredakteu-
rin für verschiedene Zeitschriften,
bevor sie sich ganz dem Schreiben
von Romanen widmete. Sie ist Ihnen
vielleicht besser unter ihrem Mäd-
chennamen Micaela Jary bekannt.
Und als Michelle Marly landete sie
mit dem Roman „Mademoiselle
Coco und der Duft der Liebe“ einen
internationalen Bestseller.
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PORTRÄT ___ DÉSIRÉE NOSBUSCH
nicht versucht, meine Ecken abzufei-
len, damit ich irgendwo reinpasse wie
ein Puzzleteil. Wenn ich mir heute
Bilder aus dieser Zeit anschaue, sehe
ich eine Désirée, die endlich ihre Ver-
zagtheit hinter sich gelassen hat.“
Was sie in New York nicht abschüt-
teln kann, ist der 26 Jahre ältere
Mann, den sie im Buch nur den
„Schatten“ nennt. Der als Leiter der
Kinderredaktion von RTL zuerst ihre
Termine organisiert und dann immer
mehr ihr Leben kontrolliert, ihre Ver-
träge, ihr Geld, ihre Gefühle. Und ihr
sagt, dass sie nichts wäre ohne ihn.
Sie schämt sich, es ihren Eltern zu
erzählen, die ohnehin das Gefühl ha-
ben, ihre Tochter ist ihnen entglitten.
„Ich habe heute noch einen Kloß im
Hals und Steine im Bauch, wenn ich
an die Zeit von damals denke“,
schreibt sie. „Aber er konnte mich
nicht zerbrechen, und er kam mir
sehr viel näher, als ich es je wollte.
DÉSIR ÉE NOSBUSCH,
geboren 1965 in Luxemburg, verließ nach
der Mittleren Reife die Schule, mit 18 machte
sie eine Schauspielausbildung in New York.
Bereits als Zwölfjährige moderierte sie in
Kindersendungen bei Radio Luxemburg,
mit 14 bekam sie dort eine eigene Sendung.
1984 präsentierte sie in sechs Sprachen
den „Grand Prix d’Eurovision“. Es folgten
über 25 Jahre lang viele weitere Filmrollen
und TV-Moderationen, dann flauten die
Angebote ab. Nosbusch schloss in dieser
Zeit ein Regiestudium ab und baute eine
Produktionsfirma auf. Später Erfolg: Für
ihre Rolle in der Fernseherie „Bad Banks“
erhielt sie den Grimme- und den Deutschen
Fernsehpreis. Désirée Nosbusch hat zwei
erwachsene Kinder aus der Ehe mit dem
Komponisten Harald Kloser. 2018 heiratete
sie den Kameramann Tom Bierbaumer. Sie
lebt in Luxemburg und in Berlin.
84 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
Dieser Mann hat mich vergewaltigt.
Ich wollte es nicht, und was Liebe
war, wusste ich nicht.“
Sie will anfangs in ihrer Biografie
nicht über den 1995 Verstorbenen
schreiben. „Ich bin schon so oft geprü-
gelt worden, wenn ich ehrlich war.
Und ich hatte keine Lust, mich wie-
der zu öffnen und dann links und
rechts eins um die Ohren zu bekom-
men. Ich habe die Kraft nicht mehr
dafür, aber dann war das Schreiben
darüber fast wie eine Therapie.“
E NDGÜLT IG D E N S CHAT-
T E N AUS IHRE M LE B E N
ZU WERFE N , schafft sie erst, als
sie ihren ersten Ehemann, den Film-
komponisten Harald Kloser, trifft.
„Er war das Licht für mich, ganz
­einfach“, sagt sie, „mit ihm habe ich
meine Zukunft gesehen.“ Sie ziehen
nach Los Angeles, bekommen 1995
und 1998 zwei Kinder. Die Ehe zer-
bricht nach elf Jahren. Désirée Nos-
busch wird am Ende 27 Jahre in Los
Angeles leben. Wegen der Kinder.
Aber sie bleibt eine Zerrissene zwi-
schen den Konti­nen­ten. Kämpft stän-
dig mit Jetlag und Zeitverschiebung.
Zwischen 1995 und 2005 spielt sie in
21 Filmen mit, meistens in Deutsch-
land und Italien, sie moderiert Shows
und Galas. „Aber ich habe nirgends
mehr richtig dazugehört. Als geschie-
dene Frau Kloser und Single Mom
hatte ich im System Hollywood keine
Bedeutung mehr.“
Die Drehbücher, die sie ab den
90er-Jahren geschickt bekommt, wer-
den besser, die Rollen erwachsener.
Trotzdem merkt man beim Zuschau-
en, dass da jemand spielt, als sei er
in sich selbst gefangen. Ein Mensch,
der nach einem Rhythmus sucht, im-
mer wieder ins Stolpern gerät, wenn
er scheinbar gerade angekommen ist.
„Ich wollte zu vielen Menschen
gleichzeitig gefallen“, sagt sie. „Und
wenn ich das eine machte, hatte ich
Angst, das andere zu verpassen. Also
habe ich alles und noch mehr ge-
macht. Irgendwie.“ Aber dann ver-
pflichtet Regisseur Christian Schwo-
chow sie 2017 für „Bad Banks“, diese
Rolle hat alles verändert. „Ich konnte
loslassen“, sagt sie, „ich wurde nicht
mehr reduziert auf mein Alter und
mein Äußeres. Ich habe mich nicht
mehr gefragt: Bin ich schön, mag man
mich?, weil ich in der Kategorie nicht
mehr spiele.“
Sie heiratet 2018 einen Mann, den sie
schon seit 30 Jahren kennt, den Ka­
me­ramann Tom Bierbaumer. Weil er
so ist, wie ihr erster Ehemann und
auch ihr Vater waren, hat sie einmal
gesagt: „Bodenständige, ehrliche, ge-
rade Männer, auf die man sich verlas-
sen kann. Männer, die mich rühren.“
Mit ihm und Hund Bowie lebt sie nun
abwechselnd in einem Haus mit Blick
auf einen Wald in Luxemburg und in
einer Wohnung in Berlin. Alles klingt
also nach dem Endlich-angekom-
men-Sein, und trotzdem ist er noch
da, dieser Gedanke, der immer mal
wieder durch ihren Kopf kullert: Was
ist, wenn man ihr demnächst sagen
würde: „Désirée, niemand will dich
mehr vor einer Kamera oder auf einer
Bühne sehen. Du bist eine Null.“
Könnte sie dann noch Freude im Le-
ben haben, fragt sie sich.
Sie nimmt für einen Augenblick die
schwarze Brille vom Gesicht und
überlegt. „Wenn morgen alles vorbei
wäre, weiß ich damit umzugehen,
denke ich. Aber ob ich danach wirk-
lich glücklich sein könnte? Ich habe
Freunde, die gehen jetzt in Rente und
freuen sich. Und ich denke nur: Was
machst du denn dann? Ich will inten-
siv leben, ich werde immer auf der
Flucht vor dem Stillstand sein.“
B UC H T I P P
Dé s i ré e N o sb us c h:
„ E nd li c h no c h
ni cht ang e k om m e n” ,
3 5 2 S. , 2 2 , 99 E uro,
U l ls te i n
Willkommen in einem Märchenland, das traditionelle Märchen neu erzählt, diverse Rollenbilder in die
Kinderzimmer bringt und dadurch Orientierung schafft. Der STERN hat das umstrittene Kinderbuch aus
Ungarn nach Deutschland geholt und setzt damit ein Zeichen für Vielfalt, Toleranz und Meinungsfreiheit.

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M AG A ZIN
K U LT U R 05.2 2

EIN GANZ NETTER

MUSIK
Heutzutage kann man sich ja
quasi auf nichts mehr
einigen. Aber eine Ausnahme N OVE MB E R
gibt es: Dass Michael Bublé U LT R A
„ B e d r oom Wa ll s“
einer der lustigsten und ( U ni v e r s a l )
nettesten Menschen im
Popgeschäft ist, dem stimmen
alle zu. Eine schöne Stimme
hat der Kanadier außerdem,
und er covert gekonnt die
Klassiker des Jazz und Pop.

M I CH A EL BU BL É :
„ H i g h er “ ( Re pr is e / Wa r n e r )

H AU P TSACHE , HOCH R ÄTSELH A FT SCHÖN

Cover und Titel verraten es: Puh. Wow. Echt jetzt mal: Es ist nicht so einfach,
Emöke Baráth singt Händel­ für das Debüt von NOVEMBER ULTRA die richtigen Worte
arien, die für Frauenstimmen, zu finden – es bleibt einem glatt die Spucke weg
aber auch für männliche
Sopranisten geschrieben

wurden. Ob Kleopatra oder
Radamisto – Baráth meistert
beide Geschlechter mit
stimmlicher Bravour.
E M Ö KE BAR ÁT H:
„D ual it à“ ( Er a t o )
A
ls November Ultra angefan-
gen hat mit dem Songschrei-
ben, war ihr gleich klar: Ihre
Mutter darf nicht verstehen, wovon
sie da singt, darf nichts erfahren von
ihren unerfüllten Sehnsüchten, von
der tief liegenden Melancholie in ihr.
Ihre Mutter ist Spanierin, ihr Vater
Franzose, sie lebten in Paris. Aber die
Texte von November Ultra waren im-
mer auf Englisch, schon damals, als
sie 2014 mit zwei Jungs die Band
Agua Roja gegründet hat, mit der sie
vier Jahre lang ziemlich ausgezeich-
neten Indie-Pop gemacht hat – um
nach der Trennung (in aller Liebe,
darauf legt sie Wert) weitgehend auf
krachende Gitarren zu verzichten.
Ihr Solodebüt „Bedroom Walls“ ist
sphärisch, angefolkt, sanft elektro-
nisch und geheimnisvoll wie die gan-
ze Frau, deren wundervolle Stimme,
die manchmal nach Adele klingt und
manchmal nach Rumer und meistens
viel schöner als beide, diese Platte im
Alleingang trägt. Und ganz ehrlich:
Es gibt Momente voller Intimität, in
denen sie einen aus den Socken haut.

86 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
 KINO

V ER BA LE S GEM ETZEL
Sönke Wortmann bedient in „Eingeschlossene Gesellschaft“
höchst unterhaltsam Klischees aus dem Lehrerzimmer (ab 14.4.)

S
echs in Geiselhaft genommene
Lehrkräfte und ein bewaffne­
ter Vater, der Amok läuft. Da­
raus macht Sönke Wortmann eine
Schulgroteske, die wie schon „Frau
Müller muss weg“ keine Pointe aus­
lässt und sich am verbalen Gemetzel
vermeintlich Gebildeter ergötzt. Und
das ist ein großer Spaß. Anke Engel­
SERIE
ke mimt in erdbrauner Verhuschtheit
die Verbitterte, Justus von Dohnanyi
den eiskalten Technokraten, der see­ DR EI SIND
lenruhig Apfelschnitze isst, Florian EINER ZU VIEL
David Fitz den spät puber­tierenden
Sportlehrer. Das krass Überdrehte
verzeiht man dem Film, der am Ende
sehr berührend die Weisheit eines
Schulversagers triumphieren lässt.

F U N ER AL FO R A D OG ( S KY)

In einem kolumbianischen
Hilfscamp verlieben sich zwei
Deutsche, der Literaturstudent
Mark (Friedrich Mücke) und
der Freigeist Felix, in die junge
Ärztin Tuula. Schon nach kur-
zer Zeit muss das Trio wegen
politischer Unruhen das Land
verlassen und macht sich als
Ménage-à-trois auf eine Reise
um die Welt. Jahre später wird
Mark über diese ungewöhnli-
che Liebe einen Weltbestseller
I N W U T V ER EI N T geschrieben haben und Felix
nicht mehr am Leben sein (kein
Die Heldin dieses ko­ (Valeria Bruni Tedeschi) Spoiler!). Ein Journalist (Al­
mi­schen, traurigen und und der Lastwagenfah- brecht Schuch) recherchiert,
politischen Films ist rer Yann (Pio Marmaï), was sich wirklich zwischen den
Kim, Pflegerin in der der schwer verletzt von dreien abgespielt hat. Dieser
Notaufnahme eines der Demo kommt. Zwei Achtteiler von Max Dietl (Sohn
Pariser Krankenhau- Welten, die aufeinan- von Helmut Dietl) ist ein ge­nial
ses, die gerade ihre derprallen. Doch was gemachtes, soghaftes Epos
sechste Nachtschicht „ I n d e n b e s t e n Hä nd e n“ m it die beiden eint, ist ihre zwischen flirrender Lovestory,
Va le r i a Br u n i Te d e s c hi ( a b 2 1. 4 . )
macht. „Notaufnahme Wut. Raf, über 50, ma- melancholischem Thriller und
in Not“ steht am Eingang. Zu wenig Per- rodiert aus Liebeskummer, ihr Furor lässt süffigem Schicksalsdrama.
sonal, keine Betten, der Wartesaal ist über- sie mehrmals aus dem Bett fallen. Yann Und wie die Hauptdarsteller
füllt. Und draußen tobt ein Krieg zwischen wütet gegen das System. Stunden verge- das spielen – Glück, Eifersucht,
Gelbwesten und Polizei. In dieses Chaos hen, man kommt sich näher. Aber nicht Besoffen­sein –, ist einfach nur
geraten die gestürzte Comiczeichnerin Raf alles wird heilen in dieser Nacht … fantastisch gut.

05 _ 22
BRIGIT TE
WOMAN 87
KULTUR ___ MAGAZIN

BÜCHER

C L A I R E T H O MA S :
„ Di e F e ue r “,
Ü: E v a B on né , 2 5 6 S. ,
2 3 E ur o, H a ns e r

MEMOIR
BIS ZU M H A LS
Der Klimawandel tobt, drei Frauen gehen ins Theater: „Die

VIGNETTEN: Arezu Weitholz FOTOS: Gerald von Foris, Andreas Markus Roessl, PR (10)
ANDREA Feuer“, das brandaktuelle Debüt der Australierin Claire Thomas
ROEDIG

„Man kann Müttern nicht
trauen.“ Der erste Satz,
ein Paukenschlag. Doch
was folgt, ist keine Ab-
rechnung, sondern das
bewegende Protokoll einer
Annäherung an die
ersehnte und abgelehnte
Mutter, der Andrea Roedig
ebenso wenig traut wie
sich selbst. In mal kühlen,
mal brennenden Sätzen,
die diese Ambivalenz ein-
fangen, erkundet sie die
Biografie der 1938 Gebo-
renen, das Scheitern ihrer
Ehe, den Absturz in Armut
und ihr Verschwinden,
als die Tochter zwölf ist.
G
ibt es einen besseren Ort, um
nachzudenken, als während
der Vorführung eines Thea­
terstücks, das man schon kennt? Vor
allem, wenn es sich um Samu­el Be­
cketts „Glückliche Tage“ handelt, bei
dem eine Frau bis zur Taille (später
bis zum Hals) in einem Erdhaufen
feststeckt. Das Geschehen auf der
Bühne löst Gedanken aus, die nichts
bremst – schließlich sitzt man selbst
nur rum und hört zu. Oder eben auch
nicht, wie die drei Frauen im Publi­
WA S A N DER S WA R
kum: eine junge Platz­anweiserin, die
mit Panikattacken kämpft, eine Pro­
fessorin, die mit der Demenz und den
Prügeln ihres Mannes ringt und eine
Mittvierzigerin, die eine verdrängte
Trauer einholt. Virtuos verzahnt
Claire Thomas das Innere der Frauen
mit den komischen und treffenden
Dialogen des Stücks. Und entlarvt
zugleich die bildungsbürgerliche Bla­
se der Selbstbespiegelung, während
draußen Buschfeuer toben – der Kli­
mawandel fordert seinen Tribut.

TEXTE: Ariane Heimbach, Stephan Bartels, Meike Schnitzler, Katja Nele Bode
Roedigs Memoir ist intim
Julia Schoch verknüpft furios Ich- und Alltagsgeschichte
und zugleich eine Re­
flexion über die verpasste

Emanzipation der Mütter.
A ND R EA RO E DI G :
„M a n k an n Mü t t e r n
n i c h t t r au e n“ , 2 4 0 S. ,
2 0 E ur o, d t v
W
ir haben übrigens densel­ der DDR? Julia Schoch spürt einer
ben Vater.“ Diese Äuße­ wachsenden Verunsicherung nach,
rung einer fremden Frau die alle betrifft. Ihr Auftakt zur Tri­
sät in der Ich-Erzählerin in diesem lo­gie einer Frauengeschichte macht
Roman einen nagenden Zweifel. gespannt auf das, was noch kommt.
Plötzlich misstraut sie allem, der Idee
von Familie, Erfolg, ihren Erinnerun­
gen. Während sie mit Mutter und
zwei Kindern für eine Gastprofessur
in die USA geht, entfremdet sie sich J ULI A S C HO C H:
von ihrem Mann. Aber auch ihr eige­ „ Das Vorkomm-
nes Muttersein erscheint ihr zuneh­ nis – B i og ra fi e
e i n e r Fr au “ ,
mend suspekt. Und welche Rolle 1 9 2 S.,
spielt bei all dem ihr Aufwachsen in 2 0 E u r o, dt v

88 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
 Z W ISCH EN A M T
U N D A NSTA N D
Lucy Frickes neuer Roman handelt von einer
Diplomatin, die mit ihrem Job hadert: „Ich stehe
da rum und bin nur Deutschland.“ Genial!

ist da diese Frauenfigur, Konsulin Fred, um die

50, Single, kinderlos, sehr schlagfertig, für die
man dieses Buch einfach feiern muss. Fred, die
viel Zeit mit Repräsentieren zubringen muss,
sagt Sätze wie „Ich stehe da rum und bin nur

E
s ist der Tonfall in diesem Roman, der einen sofort
mitreißt, eine Mischung aus lakonischem Schmerz,
Vergeblichkeit und trockenem Humor. Manche
kennen ihn schon aus dem Bestseller „Töchter“, jenem
wunderbaren Roadmovie, das mit Alexandra Maria Lara
und Birgit Minchmayr genial verfilmt wurde und Lucy
Fricke vielleicht erst richtig bekannt machte. Und dann
Deutschland“. Wegen eines Fehlers wird sie von
der Botschaft in Montevideo nach Istanbul straf-
versetzt, wo sie zwischen die Fronten von Amt,
Willkür und Freiheitskampf gerät. Wird sie einer
inhaftierten Deutsch-Kurdin helfen können?
­Packend bis zum überraschenden Showdown.
LUC Y F R I C K E : „ D ie D i p l om a t in“ , 2 56 S. , 2 2 Eu ro, C l aa s s e n

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Teilnahme online auf brigitte.de/Gewinnspiele

Mord auf Capri – die

Erfolgsserie geht weiter
Auf Capri wird auf einem Felsvorsprung über dem Meer
eine Frau tot aufgefunden. Maria Grifo war die Leiterin
des berühmten Konservatoriums von Neapel. Hat der
Mord womöglich mit dem Verschwinden der einzigarti-
gen Stradivari-Harfe aus ihrem Institut zu tun? Ihr Klang
– erfahren die Inselpolizisten Enrico Rizzi und Antonia
Cirillo – ist von einer Schönheit, für die manche Men-
schen töten würden.

Sehnsucht nach dem Süden? Lesen Sie sich nach Capri!

Der dritte Fall der Spiegel-Bestseller-Serie.

Jetzt gewinnen!
Der Diogenes Verlag verlost 5 x 1 Set zum Capri-Krimi
»In einer stillen Bucht« von Luca Ventura bestehend aus
Paperback und Hörbuch.

Ab dem 06.04.2022 gibt es 5x der Capri-Krimi „In einer stillen Bucht“ von Luca Ventura als Paperback und Hörbuch im Gesamtwert von je ca. 40 € zu
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Weitere Details und Hinweise dort.
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GRILL DEN
HALLOUMI
 Bald sitzen wir wieder draußen um die Feuerstelle, 
 aber diesmal kommt kein Fleisch auf den Rost, Männer! 
FOTOGR AFIE ___ CELIA BLUM/BLUEBERRY FOOD STUDIOS
STYLING ___ MARIA GROSSMANN
FOODSTYLING ___ JAN SCHÜMANN/BLUEBERRY FOOD STUDIOS

B R O KKOLI -T E M P E H -
SPIESSE MIT
TA H I N -LI M E T T E N - D I P
Re ze p t S e it e 9 6

90 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22

G E F ÜL LT ER
P OR TO BE L LO -
PI LZ M IT F E TA ,
RA D IE S C H E N
UN D
B ÄR LAUC H -
V I N AI GRE T T E
Rez ep t S ei te 9 6
05 _ 22
G E G R I LLTE R R OM A N A S A L AT
M IT K I C H E R E R B S E N -
V I N A I G R E T TE , KO R I A N D E R
UND ERDNÜSSEN
4 Po r ti on en • ve g e t a ris ch
ZU TATEN:
1 r o te Zw i e b e l,
S a lz,
Z u cke r,
4 E L O l iv e n öl ,
4 Mi ni - Rom a n a he r z en,
1 E L We ißw e i ne s s i g,
P f e f f er,
50 g g eg a r t e K ic he r e rb s e n ( z. B. au s de r D os e ) ,
2 B io - L i m e tt en ,
2 E L Se sa m ö l ( g e r öst et ) ,
½ T L Kr e uz küm m e l p ulve r,
4 S tä ng e l Kor i a nd e r,
4 E L g e s a lz en e E r d nu s sk erne
ZUBEREITUNG:
1. Zwiebel schälen und in feine Ringe schneiden.
Mit je 1 Prise Salz und Zucker und 1 EL Olivenöl
vermengen. Zwiebeln beiseite stellen und etwa
30 Min. ziehen lassen.
2. Den Grill auf kleine bis mittlere Temperatur
(etwa 150 bis 200 Grad) vorheizen.
3. Salatherzen waschen, trocken schleudern und längs
halbieren. Restliches Olivenöl mit Weißweinessig
vermengen, mit Salz und Pfeffer würzen, über die
Salatherzen geben und ca. 10 Min. marinieren.
4. Inzwischen Kichererbsen in einem Sieb abtropfen
lassen. Limetten halbieren und den Saft auspressen.
Kichererbsen, Limettensaft, Sesamöl und 5 EL Was­
ser in ein hohes Gefäß geben und mit einem Schneid­
stab pürieren. Mit Salz, Pfeffer, Kreuzkümmelpulver
und 1 Prise Zucker würzen. Koriander waschen,
trocken schütteln, grob hacken und unter die Kicher­
erbsen-Vinaigrette mischen.
5. Salatherzen auf dem heißen Grillrost direkt
rundherum 3–4 Min. grillen. Salatherzen mit Vinai­
grette beträufeln und mit marinierten Zwiebeln und
mit den Erdnüssen bestreut servieren.
BRIGIT TE
WOMAN 91
GENUSS ___ VEGETARISCH GRILLEN
H A LLO U M I - B U R G E R
M IT G E G R I LLTE R PA P R I K A

4 Por ti on e n • v eg e t a r is ch
ZUTATE N:
F Ü R DI E BU RG E R- BRÖ T C H E N:
275 g Me hl Typ e 4 05, 1 E L Zu ck er, ½ E L S alz,
½ Wür f e l f r is ch e He f e , 30 g w e ich e B ut t e r,
1 E i g e lb, 1 E L Mi lc h, 2 E L Ha f e rf lock en

F Ü R DE N H A L L OU M I :
4 Stä n g el Thy m ia n , 1 r ot e C hi li sc hot e,
2 E L O li v e nö l, 50 0 g H a ll oum i

F Ü R DA S P E S T O :
1 B un d Ba s i li kum , 2 E L P i ni e nk erne ,
4 E L O l iv e nö l

AUS S E R DE M :
4 r o te Sp i tzp a p r i ka , 20 g Ruco la,
50 g i ta l . H a r tkä s e , 4 E L S a la t m ay on na is e

ZUBEREITUNG:
1. FÜR DIE BURGER-BRÖTCHEN Mehl, Zucker und Salz
in einer Schüssel mischen, Hefe hineinbröckeln. Weiche
Butter und 200 ml lauwarmes Wasser zugeben, alles zu
einem glatten Teig kneten. Zugedeckt 1 Std. ruhen lassen.
2. Backofen auf 200 Grad (Umluft 180 Grad) vorheizen.
Teig auf einer leicht bemehlten Arbeitsfläche durchkneten,
in 4 Portionen teilen. Jede Portion zu einer Kugel rollen, auf
ein mit Backpapier ausgelegtes Blech legen. Zugedeckt ca.
30 Min. ruhen lassen. Eigelb mit Milch verquirlen. Brötchen
damit bestreichen, mit Haferflocken bestreuen. Im Back­ofen
auf
der 2. Schiene von unten 20 Min. backen.
3. FÜR DEN HALLOUMI Thymianblätter abzupfen. Chili
putzen und hacken. Halloumi in etwa 1 cm breite Scheiben
schneiden, mit Thymian und Chili bestreuen. Olivenöl
darüberträufeln, Halloumi für ca. 30 Min. kühl stellen. Den
Grill auf mittlere Hitze (etwa 200 Grad) anheizen.
4. FÜR DAS PESTO Basilikum fein hacken. Pinienkerne in
einer Pfanne ohne Fett 3–4 Min. rösten, dann fein hacken.
Basilikum, Pinienkerne und Olivenöl verrühren.
5. Spitzpaprika auf dem heißen Grillrost rundum direkt
6–8 Min. grillen. Vom Grill nehmen, mit feuchtem Geschirr-
tuch abdecken. Nach 10 Min. die Paprika häuten.
6. Die Hälfte des Käses fein reiben und mit der Salatmayon­
naise verrühren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken und kühl
stellen. Restlichen Käse fein hobeln. Brötchen halbieren und
mit der Schnittfläche nach unten auf dem heißen Grillrost
anrösten. Vom Grill nehmen und beiseite stellen. Halloumi
aus der Marinade nehmen und direkt von jeder Seite
4–5 Min. grillen. Rucola waschen und trocknen. Die
Unterseiten der Brötchen mit Mayonnaise bestreichen.
Rucola, Paprika, Halloumi und Käse daraufgeben und mit
 G E G R I LLTE Q U E S A D I LL A
M IT S C H WA R Z E N B O H N E N

8 Stü cke • v e g e ta r i s ch
ZU TATEN:
1 Sch a lo tt e, 1 Kno b la u c hz eh e,
3 E L O l iv e nö l, Pa p ri ka p ulv er,
40 g Bl a tts p i na t, ¼ B un d Schn itt la uch ,
1 Dose schwarze Bohnen (Abtropfgewicht 240 g),
4 Sti e le Pe t er s i li e, 4 Frü hl i ng sz wie be ln,
10 E L S chm a nd , 15 0 g Ma nche go,
8 e in g el e g te Mi ni -M a is ko lb e n (z . B. G la s ) ,
4 Vo ll ko r nto r ti ll a - Fla d en (z. B. von Re w e )

F Ü R DI E M AYON NA I S E :
1 r e if e Av oc a d o, 2 00 g Ma n g o fruc ht fle is ch,
3 St ä ng e l E s tr a g on , Sa f t u . Scha le v on 1 B io -
L i m e tt e, 1 00 m l Ra p s öl , 1 E L Wei ßwe ine ss i g,
1 E L r os a P f e f f e r, 1 E L Se n f, 2 E ig e lb

ZUBEREITUNG:
1. Schalotte und Knoblauch schälen und hacken.
2 EL Öl in einer großen Pfanne erhitzen und Schalotte
und Knoblauch darin bei mittlerer Hitze 2–3 Min. glasig
dünsten. Geputzten Spinat dazugeben und ca. 5 Min.
dünsten, bis der Spinat zusammengefallen ist. Mit Salz,
Pfeffer würzen, vom Herd nehmen und beiseite stellen.
2. Bohnen in eine Sieb abgießen, kalt abspülen und
abtropfen lassen. Petersilie hacken. Bohnen, Petersilie und
2 EL Schmand verrühren, mit Salz und Pfeffer würzen.
3. Mini-Maiskoben abtropfen lassen und in feine Schei-
ben schneiden. Frühlingszwiebeln in Ringe schneiden.
Manchego in Streifen schneiden oder hobeln. Den Grill
auf mittlere Temperatur (etwa 200 Grad) vorheizen.
4. Tortillafladen nebeneinander auf einer Arbeitsfläche
ausbreiten und von beiden Seiten mit restlichem 1 EL Öl
bestreichen. Bohnen, Maiskoben, Spinat, Frühlingszwie-
beln und Manchego auf 2 Fladen verteilen. Mit restlichen
Fladen belegen und leicht andrücken.
5. Quesadilla auf dem heißen Grillrost indirekt 4–5 Min.
grillen, bis der Käse geschmolzen ist.
6. Schnittlauch in Ringe schneiden. Mit 8 EL Schmand
verrühren, mit Salz, Pfeffer und Paprikapulver würzen.
Quesadillas vierteln, mit Schnittlauch-Schmand servieren.

1. FÜR DIE MAYONNAISE Avocado-Fruchtfleisch

herauslösen und in Stücke schneiden. Mit Eigelb, Limet-
tensaft und -schale, Senf und Rapsöl pürieren, dabei
Schneidstab langsam auf und ab führen, bis die Soße
dicklich ist. Dann mit Salz und Pfeffer würzen. Mango­
fruchtfleisch fein würfeln. Estragon grob hacken.
Rosa Pfeffer im Mörser grob zerstoßen. Mango, Estragon,
rosa Pfeffer und Essig vermengen und unter die Mayon­
naise heben. Bis zum Servieren kühl stellen.

05 _ 22
BRIGIT TE
WOMAN 93
GENUSS ___ VEGETARISCH GRILLEN

F E TA - PÄC KC H E N M IT
F I N G E R MÖ H R E N
4 Por ti on e n • v eg e t a r is ch
ZUTATE N:
8 00 g F et a (4 Pa cku ng e n à 20 0 g) ,
1 ro te Pe p e r on i, 2 Sch a lot te ,
2 Kn ob l a uc hz eh e n, 2 Z w e i g e Ros m a ri n ,
Sa lz, P f e f f e r, 4 E L O l iv e nöl ,
500 g b un te Fi ng e r m öh r e n m it G rü n,
1 B i o -Z it r on e, 4 E L f l üs s ig e r H oni g

U T E N S I L I E N:
4 B ög e n of e n f es t es Pe r g a m e n tp ap ie r,
f e u er f e s te Au f la u f f or m ,
Küc he n g a r n, G r il l , Ar b ei ts b ret t,
Me ss e r, Küc he nr e i b e

ZUBEREITUNG:
1. Den Grill auf mittlere bis hohe Temperatur (etwa
200–250 Grad) vorheizen. Fetastücke auf je 1 Bogen
Pergament geben. Peperoni in Ringe schneiden. Schalotten
schälen und ebenfalls in Ringe schneiden. Knoblauch
schälen und fein hacken. Rosmarin waschen, trocken
schütteln und die Nadeln fein hacken.
2. Peperoni, Schalotten, Knoblauch und Rosmarin über
den Feta verteilen, mit Salz und Pfeffer würzen und mit
Olivenöl beträufeln. Pergament zusammenschlagen und
mit Küchengarn fest zu kleinen Päckchen binden.
Feta-Päckchen in eine feuerfeste Auflaufform geben und
auf dem heißen Grillrost indirekt geschlossen etwa
25 Min. grillen.
3. Inzwischen Möhren waschen und gründlich abbürsten;
das Grün knapp abschneiden und beiseite legen. Möhren
in kochendem Salzwasser etwa 4–5 Min. garen. Heraus-
nehmen, kalt abschrecken und abtropfen lassen.
4. Zitrone heiß abspülen, trocken reiben und die Schale
abreiben. Zitrone halbieren und den Saft auspressen.
Zitronensaft, - abrieb und Honig verrühren, mit Salz und
Pfeffer würzen und die Möhren damit bestreichen.
5. Möhren auf dem heißen Grillrost rundum 3–4 Min.
direkt grillen. Das beiseite gelegte Grün fein hacken.
6. Feta und Möhren vom Grill nehmen. Feta-Päckchen
öffnen, mit Möhren anrichten und mit etwa
2 EL Möhrengrün bestreut servieren.

94 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
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mensgruppe ALDI Nord. Firma und Anschrift der ALDI-Regionalgesellschaften sind unter aldi-nord.de unter „Filialen und Öffnungszeiten“
zu finden. Ferner steht unsere kostenlose automatisierte telefonische Hotline unter 0800 7234870 zur Verfügung. | ALDI SÜD Dienst-
leistungs-SE & Co. oHG, Burgstr. 37, 45476 Mülheim an der Ruhr, Firma und Anschrift unserer regional tätigen Unternehmen findest du
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GENUSS ___ VEGETARISCH GRILLEN
B R O K KO LI -TE M P E H - S P I E S S E
4 Po r tio n en / 8 Spieß e • Fo to Se it e 9 0
Z U TATEN:
FÜR DIE SPIESSE:
1 Br o kko li (ca. 60 0 g), 4 0 0 g Te m p e h,
2 gr ü n e Ch ilisch o ten, 2 Bio -Li m e tt e n,
3 EL So jas oß e, 2 EL Sesam ö l,
1 EL Ho n ig
F Ü R DE N DI P:
1 Bi o -Limette, 4 Stän gel Th ai -Ba s il i kum ,
1 00 g Tah in (Sesam paste) ,
1 E L S es amö l, ½ TL Ch ili flock en ,
½ TL Ras el-Han o u t
(n o rdaf rikan is ch e Gewü rz misc hu ng )
U T E N S I L I E N:
8 Gr ills pieße
ZUBEREITUNG:
1. FÜR DIE SPIESSE Brokkoli in kleine Röschen teilen
und in kochendem Salzwasser 2–3 Min. blanchieren.
Anschließend abgießen und unter kaltem Wasser abschre-
cken. Brokkoli beiseite stellen.
2. Tempeh in etwa 2 cm große Würfel schneiden.
Chilischote hacken. Limetten heiß abspülen, trocknen und
die Schale fein abreiben. Limetten halbieren, Saft auspres-
sen. Chili, Limettenschale, -saft, Sojasoße, Sesamöl und
Honig verrühren, mit Salz und Pfeffer würzen.
3. Tempeh und Brokkoli abwechselnd auf Grillspieße
stecken. Chili-Limetten-Marinade über die Spieße geben
und etwa 30 Min. im Kühlschrank marinieren lassen.
4. Inzwischen den Grill auf mittlere bis hohe Temperatur
(etwa 200–250 Grad) vorheizen.
5. FÜR DEN DIP Limette heiß abspülen, trocknen und
die Schale fein abreiben. Limette halbieren und den Saft
auspressen. Limettenschale, -saft, Tahin, Sesamöl und Ras
el-Hanout verrühren. Basilikum waschen, trocken
schütteln und in feine Streifen schneiden. Basilikum und
Chiliflocken unter den Dip rühren.
6. Spieße auf dem heißen Grillrost direkt rundum etwa
2–3 Min. grillen. In der indirekten Zone weitere 3 Min.
grillen. Mit Tahin-Limetten-Dip servieren.
96 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
G E F Ü LLTE R P O R TO B E LLO
M IT F E TA
4 Por ti on e n / 8 P il ze • Fo to Se it e 9 1
ZUTATE N:
150 g Bu lg u r,
½ B u nd Sc hn itt la u ch ,
1 B u nd B ä r la u ch,
2 00 g Ra d ie s ch en ,
2 00 g Z ie g e n- Fe t a ,
f r i sc h g e m a h le n er s ch w a r ze r P f eff er,
8 Po rt ob e l lo - P i lze
( R ie s e n- Ch a m p ig n on s ),
5 E L O li v en öl ,
1 TL Se nf,
1 TL f lü ss i g er H on ig,
Sa f t v on 1 Z itr o ne ,
3 E L We ißw e in e s si g
ZUBEREITUNG:
1. Bulgur nach Packungsanleitung in kochendem
Salzwasser garen, anschließend etwas abkühlen
lassen. Schnittlauch in feine Ringe schneiden. Feta
zerbröseln und mit abgekühltem Bulgur, Schnittlauch
und Zitronensaft vermengen. Bulgur mit Salz und
Pfeffer würzen und beiseite stellen.
2. Den Grill auf mittlere Temperatur (etwa 200 Grad)
vorheizen. Portobello-Pilze putzen, die Stiele aus­
lösen. Die Lamellen vorsichtig mit einem Teelöffel
von der Unterseite der Pilzhüte abschaben. Pilze
anschließend mit 1 EL Olivenöl bestreichen und auf
dem heißen Grillrost von jeder Seite direkt 2–3 Min.
grillen.
3. Pilze vom Grill nehmen, mit der Bulgur-Feta-Masse
füllen und auf dem heißen Grillrost indirekt mit
Deckel etwa 10 Min. weitergrillen.
4. Inzwischen Radieschen putzen, waschen und in
feine Scheiben schneiden oder hobeln. Bärlauch
waschen und fein hacken. Bärlauch mit restlichen
4 EL Öl, Weißweinessig, Senf und Honig vermengen
und mit Salz und Pfeffer würzen.
5. Gefüllte Portobello-Pilze mit Radieschenscheiben
und Bärlauch-Vinaigrette servieren.
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Pressevertrieb GmbH auf mein Konto gezogenen Lastschriften einzulösen. Die Mandatsreferenz wird mir separat
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Straße | Hausnummer
Widerrufsrecht: Sie können die Bestellung binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen formlos widerrufen.
Die Frist beginnt an dem Tag, an dem Sie die erste bestellte Ausgabe erhalten, nicht jedoch vor Erhalt einer
PLZ | Wohnort
Widerrufsbelehrung gemäß den Anforderungen von Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB. Zur Wahrung der Frist
genügt bereits das rechtzeitige Absenden Ihres eindeutig erklärten Entschlusses, die Bestellung zu widerrufen.
Telefon | E-Mail-Adresse Sie können hierzu das Widerrufs-Muster aus Anlage 2 zu Art. 246a EGBGB nutzen. Der Widerruf ist zu richten an:
BRIGITTE WOMAN-Kundenservice, 20080 Hamburg, Telefon: +49(0)4055558991, E-Mail: kundenservice@dpv.de

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M AG A ZIN
GENUSS 05.2 2

KO M MT, I H R H A S E N !
Aufstehen, Osterfrühstück! Dieses Jahr mit Hefeküken und -kranz,
Ohrenservietten und Kresse, in der Eierschale gezogen

s ch la g en , s o d a s s z we i Ö hr c he n e nt s t e he n. Mi t e i ne m Le d e rba n d z us c hn ü re n
Fü r d ie H a s en k öp f e S t of f s e r v i et t e n d i a g ona l a uf r o ll e n, um ge f ä rbt e Ei e r

D A S P E R LT
LISA TOD D S
KO LLEKT I ON
U BUN TU ( ZU LU
F Ü R „ IC H BI N ,
WE IL D U BI ST “ )
W IRD VO N
E INEM FRAU-
ENKOLLE K TI V
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Messing haben ein mischen. 1 EL braunen Zucker in einer Schüssel mit Sc h al e n v o n fü n f
leistungsstarkes 300 ml lauwarmer Milch verrühren. Mehlmischung und ro te n u nd fü n f
w e iß e n Z w i eb e l n ,
Keramik- 50 ml Rapsöl dazugeben. Mit den Knethaken des Hand- dre i Av o c ad o s,
mahlwerk rührgeräts zu einem glatten Teig kneten, zu einer Kugel dr e i Ro t e Be t e n ,
FOTOS: Jonas von der Hude (3), PR (3)

mit verstell- formen und abgedeckt an einem warmen Ort 1 Std. e i n e Ku rku m a w u r-
z e l s ow i e 1 0 0  g
barem gehen lassen. Den Teig halbieren. Eine Hälfte dritteln Kaf fe e j e w e i ls i n
Mahlgrad und zu einem Kranz flechten. Aus der anderen Hälfte einem Liter
und sind zehn 20 cm lange Stränge für die Küken rollen. Jeden Wa s se r a u fk o -
c h e n. Ei e r fü r
leicht zu Strang einmal knoten, mit einer Schere den Schnabel m in d e st en s ze h n
befüllen. einschneiden und mit je ¼ Rosine die Augen dekorieren. Mi n u te n da ri n
2er-Pack 1 Eigelb mit 1 El Milch verquirlen und den Kranz und k oc h e n la s s e n –
j e l ä ng e r, d e s t o
95 Euro, die Küken damit bestreichen. Im vorgeheizten Backofen in t e ns iv e r w i rd
erkmann.de bei 200 Grad (Umluft 180 Grad) ca. 15 Minuten backen. de r F a rbt o n .

98 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
GENUSS ___ MAGAZIN

DOPPEL-
DECKER
DI E M ACA RONS ,
D IE PATIS SI ER
T IM TEGT M E I ER
IN S EIN E R
PURE-PAST RY-
BACK ST U BE
IN V IELEN S ORT E N
K REIERT, SI ND D as S tä d tch e n D ol ce ac qu a
E IN GRUND , N ACH i s t s o b e z aub e rn d wi e s e i n N am e ,
DÜSS ELDOR F de r „ Süßw as se r “ be d e ute t

ZU Z IEH EN .
SI E LAS SE N S IC H
A B ER AU C H
B ES TEL LE N .
LIGURIEN BESCHWIPST
BOX À 18 ST Ü CK Eine Weinwanderung erkundet die herrliche Riviera,
( MIX & MAT CH ), wo Italien auf Frankreich und die Berge auf das Meer treffen
CA . 2 2 E U RO,

D
p ure-p astry . de ie Besuche der Weingüter
und all die Probierschlück­
chen sind nur eine Attrak­
tion der Weinwanderung durch
Westligurien und an der Côte d’Azur.
Die anderen sind das Mittelmeer,
die Alpen und die vielen, charmanten
kleinen Orte am Wegesrand, in de-
nen man Spezialitäten der Region
genießt. Anbieter: Wein und Wan­
dern, Mai und September, ab ca.
1220 Euro/Person, wein-wandern.it

U NTERW EGS

UDO GEHT MIT

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Go l d ha se f e ie r t L in d t mit
ei n er E di t ion i m Gla mo u r-
Lo o k . I m H a nde l sin d sie b e n
G o l dh a s e n de r J u b ilä u m s -­
E d i t i o n, i n de r en B a u ch si c h
ei ne G o l d has en f igu r v e r b ir g t .
SC HO N WI E D ER D E N TO ­- GO -
KA FFE BE C H ER I RG E NDW O
ST EH EN G EL A SSE N? M AC H T
NI C HT S, M EH R WE GD E C K EL
„UD O“ H IL FT: EI NFAC H AU F D IE
FRÜ H ST ÜC KSTA SSE D R ÜC KE N –
U ND LOS. PA SST AU F A L LE TA SSE N
MI T E I NEM IN NEND U R C H M ESSE R VO N 7 2 BI S
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WOMAN 05 _ 22
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um z u f eie r n, da s s e s
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d a b ei e in t ä g li c h v o r g e g e b e n e s Z u t a t e nb ud g e t v on 2 , 9 9 b i s Gourmet-Frühstück Erdbeere
9 , 9 9 E ur o f ü r e i n Zw e i - Po r t i o n e n - G e r i ch t ei nha l te n: lieben, denn es schmeckt so
Di ese r A uf ga b e st e l le n sic h b e i „C h e f k o ch TV – L e ck e r m us s
TEXTE: Katja Jührend

n i c h t t e ue r s e i n“ j e d e Wo ch e v ie r ne ue Ka nd i da t*i nne n . unvergleichlich fruchtig.

De r Mo de r at or, 2 - S t e r n e - G a st r o n o m A le xa nd e r H er r m ann , st e ht
m i t Ra t u nd Ta t z u r S e it e , d ie S p it z e n k öc h*i nne n Sa ra h He nk e Schon probiert?
u n d Ta ri k Rose b e w e r t e n d ie Er g e b n is se . S p a nne nd und i ns pi r i e -
r en d! M on t a g s b is f r e it a g s, 1 1 U h r, b e i R TL und auf R T L + ;
Re ze p t e un d I n f o s e t w a z u m B e w e r be n a uf c h ef k och .d e/ t v
 WA RUM FÄ LLT
DA S SO SCH WER?
Peggy Elfmanns Mutter hat Alzheimer.
Eines Tages wird sie Pflege benötigen.
Klar, sie sollten reden.
Aber wie geht das, ohne zu verletzen?
Und wie kann es gelingen?

ILLUSTR ATIONEN ___ JULES JULIEN

102 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
 PFLEGE ___ GESUNDHEIT

TE AUF D EN ANR U F MEI NES VATER S.

zur Untersuchung im Krankenhaus, ich bin überzeugt
E
ES IS T AB EN D S, I CH HÄN GE WÄSCHE AU F UND WA R-
Meine Mutter ist

davon, dass sie einen Burn-out hat, und warte auf die be-
stätigende Diagnose. Doch stattdessen sagt mein Vater:
„Deine Mutti hat Alzheimer.“ ALZHEIMER. Wie ein
Werbebanner zieht das Wort vor meinen Augen vorüber,
während ich das Telefon in der einen und ein nasses
T-Shirt in der anderen Hand halte. Ich fühle mich gelähmt.
In meinem Kopf sehe ich meine Mama einsam und verlo-
ren in dem tristen Flur eines Pflegeheims sitzen. Aber das
Bild schiebe ich schnell weg. Wir haben ja noch viel Zeit.
GESUNDHEIT ___ PFLEGE

W I R H A B E N J A N OC H ZE IT  …
FRÜHER HABEN WIR OFT TELEFONIERT.
ICH HABE SIE UM RAT GEFRAGT, ODER WIR HABEN VON UNSEREM TAG ERZÄHLT.
WENN ICH SIE JETZT MAL ANS TELEFON BEKOMME,
SAGT SIE LEERE FLOSKELN ÜBER DAS WETTER. DAS TUT WEH.

W ENI G E TAG E SPÄTER : WI R KOMMEN ALS FA M IL IE
Z US AM M EN. „Wie geht es weiter?“, diese Frage stellen
meine Eltern, mein Bruder und ich. Wir haben keine Ant-
wort, und wir wagen es kaum, auf die Suche danach zu
gehen. Wir alle wollen nur an das Jetzt und nicht an die
Ferne denken. Mein Bruder und ich versprechen meinem
Vater, für Mama da zu sein. In den Tagen danach recher-
chiere ich, wann immer ich ein wenig Zeit finde: nach
Therapien, nach Ärzten, nach Medikamenten – in der
Hoffnung, auf etwas zu stoßen, das meine Mutter wieder
gesund macht. Dabei hatte ihr Arzt es klipp und klar ge-
sagt: Alzheimer ist nicht heilbar. Es ist ein unaufhaltsa-
mer Prozess, der dank Medikamenten vielleicht etwas
langsamer voranschreitet, aber es gibt keine Heilung.

104 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
Mama wird immer mehr Unterstützung und Pflege benö-
tigen. Und eines Tages ein Pflegeheim. Wir sprechen nicht
über dieses „eines Tages“. Wir regeln die Vorsorgevoll-
macht und Patientenverfügung, und schon das fällt wahn-
sinnig schwer. Wenn wir über die Krankheit sprechen,
egal ob zu Hause oder beim Arzt, fängt Mama an zu wei-
WAS EINEM
nen. Wir reden nicht über das Thema Pflegeheim. Ich
möchte meine Mutter nicht traurig machen. Und ich bin
sicher, wir haben noch viel Zeit.
IM GARTEN
DI E VERÄN D ERU N GEN N EHMEN ZU, ER ST D IE K LE I-
NEN, DANN D I E GR ÖSSER EN. Meine Mama wird ruhi-
SO ALLES
BLÜHEN KANN
ger. Sie nimmt das Telefon nicht mehr ab, wenn ich an-
rufe. Früher haben wir oft telefoniert. Ich habe sie um Rat
gefragt, oder wir haben von unserem Tag erzählt. Wenn
ich sie jetzt mal ans Telefon bekomme, sagt sie leere Flos-
keln über das Wetter. Das tut weh. Irgendwann spreche
ich nur noch mit meinem Papa. Aber nicht über das The-
ma Pflegeheim. Denn wir haben ja noch Zeit.
Mamas Bewegungsdrang und ihre Unruhe nehmen zu.
Sie geht manchmal stundenlang im Haus umher. Wenn
wir im Wohnzimmer sitzen und fernsehen, zieht sie ihre
Kreise im Esszimmer. „Warum geht die Oma immer um
den Tisch herum?“, fragen meine Töchter. Ich fahre häu-
figer nach Hause und reise mit einem schlechten Gewis-
sen ab. Wir erleben Schreckmomente, als Mama sich ver-
läuft und Papa sie im Dorf suchen muss. Er lässt sie nicht
mehr allein. Die Tagespflege, zu der mein Vater sie dreimal
in der Woche bringt, wird die erste Hilfsmaßnahme. Nach
erster Skepsis gehört sie bald fest zu Mamas Tag. Sie fühlt
sich dort wohl, Papa hadert jedes Mal mit seinem schlech-
ten Gewissen, wenn er sie hinbringt. Mama lebt immer
häufiger in ihrer Welt, der Austausch mit ihr wird immer
schwieriger. Über das Thema Pflegeheim reden wir nicht.
Es wäre sehr schwierig, und wir haben ja auch noch Zeit.
In der Corona-Zeit merke ich, wie fragil das Pflege-Netz-
werk um meine Mama ist. Es besteht aus Papa, ihrer Ta-
gespflege und uns Kindern, die Hunderte Kilometer ent-
fernt leben. Was wäre, wenn Papa einen Unfall hätte?
Plötzlich nicht mehr pflegen könnte? Diese Frage trage
ich mit mir herum, sie ist schwer wie ein Stein.

FÜR M IC H S TEHT FEST, DASS I CH DA NN E IN SPR ING E

Das Buch
UND M I C H U M MAMA KÜ MME RE . Doch bei einem mei- zur beliebten
ner Besuche merke ich, dass das eine Illusion ist. Meine SPIEGEL-
Mutter kann die Treppen kaum mehr steigen. Sie kann Gartenkolumne
nicht allein auf die Toilette gehen, sie braucht Hilfe beim
An- und Ausziehen, beim Essen, bei eigentlich allem. Wie
soll ich mit meinen drei Kindern die Pflege übernehmen?
Das ist nichts weiter als Wunschdenken, weil es mir un-
erträglich erscheint, nicht für sie da zu sein.
Und dann: Mama kommt eines Abends die Treppe gar
nicht mehr hoch. Kein Reden, Bitten, Schieben oder Zie-
hen hilft, sie weiß nicht mehr, wie man eine Stufe nimmt.
GESUNDHEIT ___ PFLEGE
GUT ZU W ISSEN
Wie kann es gelingen, sich über das Thema
Pflege auszutauschen? Sechs Tipps von
Pflegewissenschaftlerin Prof. Margareta Halek
und Altenpflegerin Janina Herbst
1. FA N G E N S IE FRÜH A N: Pflege wird immer
mit hohem und sehr hohem Alter verbunden,
tatsächlich kann jeder durch einen Unfall oder eine
Krankheit auf Pflege angewiesen sein. Wenn die Eltern
kein Gespräch beginnen, sollten die Kinder das Thema
auf den Tisch bringen. Denn auch Eltern, die nicht über
ihre Zukunft sprechen möchten, haben für gewöhnlich
Erwartungen und Vorstellungen. Im Idealfall gelingt es,
NOCH ZEIT FÜR SO EIN GESPRÄCH MIT IHR ZU HABEN.
sich mit diesen auseinanderzusetzen und
sich offen und ehrlich darüber auszutauschen.
2. FR AG E N S IE NACH WÜ NS CH EN FÜR
D IE ZUK UNF T. So offen einzusteigen ist
aussichtsreicher, als ein Gespräch einzufordern oder
gleich das Pflegeheim ins Spiel zu bringen. Denken Sie
gemeinsam darüber nach, was der oder die zu Pflegende
brauchen würde, damit es ihm oder ihr gut geht.
3. F IND E N S IE HE R AUS , WAS AN G ST
M AC H T. Ist es die Angst vor Schmerzen im hohen
Alter? Dann kann man beruhigen und von der modernen
Schmerztherapie erzählen. Ist es die Angst vor Armut?
Dann hilft oft schon ein gemeinsamer Blick auf die
Finanzen. Oder ist es die Angst vor Bevormundung in
einem Pflegeheim? Dann kann man ein Heim besuchen
und/oder Bewohner befragen.
4. N U T ZE N S I E DIE AN GE B O TE D ER
P FLEG E HE I ME . Mittlerweile bieten viele Heime
Führungen und Vorträge für Interessierte an,
oft am Tag der offenen Tür. Besuchen Sie das Café des
Pflegeheims und spüren das Klima vor Ort.
5. VOR S IC HT VO R ZU S AG E N: Den wenigsten
ist klar, was Pflegen tatsächlich bedeutet, welche
Aufgaben damit einhergehen und wie viel Zeit das
braucht. Bevor Sie etwas versprechen, sollten Sie wissen,
wie viel und welche Unterstützung Sie tatsächlich leisten
können und mögen.
6. BL EI B E N S IE G E DUL DI G: Pflege ist kein
Thema, das sich an einem Nachmittag beim Kaffee klären
lässt. Es kommen immer wieder neue Fragen und Gefühle
hoch, über die man in Ruhe nachdenken muss.
106 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
Papa steht vor ihr, fleht sie an und zieht an ihrem Arm
– es ist eine Szene, die mich erschaudern lässt und mir
Tränen in die Augen treibt. Ein Riesenschreck, und zum
ersten Mal denke ich, dass es in einem Pflegeheim für
beide einfacher wäre. Und kaum habe ich das gedacht,
dämmert es mir, ganz, ganz langsam: Ich habe keine Ah-
nung, ob und unter welchen Umständen meine Mutter
sich vorstellen könnte, in einem Heim zu leben. Was sie
sich wünschen würde, was ihr wichtig wäre. Ich weiß nur,
dass ich jetzt nicht mehr mit ihr darüber reden kann. Und
dass ich einen großen Fehler gemacht habe. Weil ich zu
lange geglaubt habe, noch Zeit für so ein Gespräch mit ihr
zu haben. Und jetzt ist es zu spät.
ICH HABE EINEN GROSSEN FEHLER GEMACHT.
WEIL ICH ZU LANGE GEGLAUBT HABE,
UND JETZT IST ES ZU SPÄT.
JE T Z T KA NN I CH N UR NO C H M IT M E IN E M VAT ER
SP R EC H EN. Und das muss ich dringend tun. Ich will wis-
sen, was er sich vorstellt, in welcher Umgebung er sich
wohlfühlen könnte, worauf ich bei der Suche nach einem
Pflegeheim achten müsste. Ich nehme meinen Mut zusam-
men und frage: „Papa, hast du dir mal darüber Gedanken
gemacht, ob es nicht besser wäre, wenn ihr beide in ein
Pflegeheim zieht?“ Er schaut mich entrüstet an und sagt:
„So weit ist es noch nicht. Das schaffe ich schon.“ Mir
fehlen die Worte. „Mache ich es etwa nicht gut genug?“,
fragt er dann. Ich spüre seine Kränkung und seinen Ärger.
Ich hatte gehofft, dass wir uns über seine Wünsche und
Vorstellungen austauschen. Stattdessen stehe ich wei-
nend im Flur und versichere ihm, wie gut er alles macht.
AU F D ER H EI M R EI SE Z ER M A R T E R E I CH M I R D EN KO P F:
Warum fällt es so verdammt schwer, über das Thema Pfle-
ge zu reden? Wie kann es sein, dass ich hier hilflos bin wie
eine Achtjährige? Wieso fühle ich mich so wahnsinnig
schlecht damit? Weil wir nicht nur über das Inhalt­liche
sprechen, sondern unsere Emotionen und Ängste hervor-
holen, sagt Margareta Halek, Professorin für Pflegewis-
senschaft an der Universität Witten/Herdecke. Wir ver-
handeln also noch viel mehr als nur die Frage, wie viel
Pflege zu Hause möglich ist und unter welchen Umständen
ein Heim denkbar wäre. Noch dazu stecken wir alle in
unseren Rollen und haben unsere Aufgaben im Familien-
geflecht, das mache es oft besonders schwer, damit umzu-
gehen. Erst recht, wenn wir wenig Erfahrung mit solchen
Gesprächen haben, und wer hat das schon. Dann könne
es passieren, dass wir plötzlich wieder die kleine Tochter
werden und uns vollkommen hilflos fühlen, statt als Er-
wachsene zu reflektieren, zu diskutieren und zu handeln.
Und das lässt uns machtlos und sehr unglücklich zurück.
H I NZ U KOM MT EI N GR OSSES MI SSV ER STÄ NDN IS, so
jedenfalls sieht es Janina Herbst, Leiterin der Hamburger
Angehörigenschule: Weil die meisten Menschen so lange
wie möglich zu Hause bleiben wollen, fühlt es sich ver-
meintlich richtig an, das Thema Pflegeheim auszusparen.
Dabei seien die eigenen vier Wände oft gar nicht die bes-
te Lösung, sagt die gelernte Altenpflegerin. Etwa wenn
man sich zu Hause nicht mehr versorgen kann, verein-
samt oder mit potenziellen Gefahrenquellen nicht mehr
umgehen kann, den Treppen oder dem Herd. Ein ambu-
lanter Pflegedienst kann unterstützen, aber für gewöhn-
lich nicht vollumfänglich für die zu pflegende Person da
sein. Die meisten beschäftigten sich aber erst dann mit
dem Thema Pflegeheim, wenn plötzlich klar ist, dass es
wie bisher nicht weitergeht, der Leidensdruck mit einem
Mal hoch ist. Sprich, wenn sie mit der Pflege zu Hause
überfordert sind oder die Pflegeperson ausfällt.
S O WI E I C H, AL S MAMA AU F D E R T R E PP E I HR E N
B LAC KOU T H AT. Ich will diesen Fehler nicht wiederho-
len. Also starte ich erneut das Gespräch: „Papa, was ma-
chen wir denn, wenn dir was passiert?“ Er wird still und
sagt: „Da denke ich jeden Tag dran.“ Es sei seine größte
Sorge, nicht mehr für Mama da sein zu können. Aber noch
bevor ich das Wort „Pflegeheim“ erwähne, schaltet er in
seinen väterlichen Beschützermodus: „Ich schaffe das
schon. Ich möchte dich nicht belasten.“ Ich traue mich
und erzähle ihm, wie sehr es mich belastet, nicht zu wis-
sen, was sie wollen. Dass ich Angst vor der Zukunft habe
und davor, nicht zu wissen, was ich tun soll, wenn Mama
noch mehr Pflege benötigt und er vielleicht auch.
SO FA NG E N W IR A N Z U R ED EN. IM ME R M A L W I ED ER .
Das Sprechen fällt mir und meinem Papa schwer. Wir ha-
ben wenig Übung darin, uns ehrlich auszutauschen. Unser
Thema verlangt sehr viel Offenheit, es bringt Gedanken,
Sorgen und tiefe Ängste zutage. Ich habe noch immer­
keine klare Vorstellung von dem, was sie wollen, keine
Liste mit ihren Anforderungen und Wünschen und keinen
Plan, aber es ist okay. Ich stelle mir unseren Austausch vor
wie einen Weg. Wir sind nicht am Ende, aber den wich-
tigsten Schritt, den ersten, den haben wir getan.
Ü b e r d i e Al z h e ime r- E rkr an ku n g
ih r e r M ut t e r und d e n Um g a n g d a m i t
ha t Peg g y E l f ma nn e i n Bu c h
g e s c hr i e b e n: „M am as Al zh e i m e r und
wir“, 19,95 Euro, Mabuse Verlag
GESUNDHEIT ___ BAUCHFETT

UC H MU
BA

SS
DER

WEG!

108 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
 Tschüs, schmale Taille:
Ab 40 nimmt selbst bei den schlanksten
Frauen der Bauchumfang zu.
Macht nichts, da stehen wir drüber?
Wissenschaftsjournalistin Alexandra Kraft
weiß, wann das Bauchfett harmlos ist –
und wann gefährlich

I
ch er in nere mich n och
sehr genau , mit welchem
Gefühl ich eines Morgens
nach dem Duschen nass und
nackt vor dem Spiegel in un-
serem Schlafzimmer stand,
mich von der Seite betrachtete. Wie
ich mir schönredete, was ich längst
sah: Ach, ist schon okay, ich habe ja
kein Übergewicht. Mir aber trotzdem
durch den Kopf ging: Ist diese Wöl-
bung hier noch harmlos – oder schon
ungesund? Dieser Tag liegt nun drei
Jahre zurück. Seitdem habe ich mich
intensiv mit Bäuchen beschäftigt –
mit meinem eigenen und denen von
anderen. Es gibt dicke, runde, weiche,
schwabbelige und feste.
FOTOS: Sergey Filimonov / Stocksy United, PR

Und weil ich in der Zeitschrift

„stern“ und auf stern.de über das
Ringen mit meinem Bauch schrieb,
vertrauten mir Menschen ihre Ge-
schichten an – Leserinnen, Leser,
Verwandte, Freundinnen, entfernte
Bekannte. Die Erzählungen sind sich
sehr ähnlich. Nur die Zahl der Kilos,
um die es geht, variiert. Mal sind es
drei, mal fünfzehn.
GESUNDHEIT ___ BAUCHFETT
De r Wu nsc h, de n Ba uc h l os-
zuwe rden , i st groß . Nicht nur
aus ästhetischen Gründen, sondern
vor allem aus gesundheitlichen. Als
Wissenschaftsredakteurin kenne ich
die Studien und Zahlen zu Bauch,
Fett und Gesundheit. Frauen in
Deutschland haben im Durchschnitt
einen Bauchumfang von 90 Zenti­
metern, Männer von etwa 100. Für
beide Geschlechter ist das zu viel.
Frauen sollten nicht mehr als 80 Zen­
timeter haben, Männer nicht mehr
als 94. Mit jedem Zentimeter steigt
das Risiko für Herz-Kreislauf-Er­
krankungen und Diabetes Typ 2.
Ni m m t d a s Ba u ch fett ü b er-
ha nd, funktionieren Reparatur­
mechanismen des Organismus nicht
mehr. Die „guten“ Botenstoffe und
das Immunsystem können Entzün­
dungen nicht mehr lindern oder
bremsen. In der Medizin spricht man
in diesem Fall von Metainflammati­
on. Man kann sich das vorstellen wie
kleine Feuer, die überall im Körper
lodern. Das Tückische: Diese chroni­
schen Entzündungen verursachen in
der Regel keine oder ganz diffuse Be­
schwerden – gelten aber als wichtige
Auslöser für schwere Krankheiten.
Es gibt darum auch einen Zusam­
menhang zwischen Bauchumfang
und Krebs.
Und all das passiert, lange bevor
der Body­-Mass-­Index (BMI) Über­
gewicht anzeigt. Der BMI, das wird
immer klarer, ist ein eher unbrauch­
barer Wert. Denn Fett ist nicht gleich
Fett. Ob es uns schadet, hängt da-
von ab, wo am Körper wir es mit
uns herumtragen. Vor allem das am
Bauch löst einen ganz langsamen,
aber eben doch wahren Krankheits-­
Tsunami aus. Und während es in
jüngeren Jahren vor allem bei Män­
nern zu sehen war, setzen ab der
Lebensmitte auch wir Frauen das
­ dass Bauchfett für mittelalte Frauen
110 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
s
Seit einigen
Jahren registrieren
Mediziner*innen,
dass immer mehr
Menschen an einer –
nicht durch Alkohol
verursachten –
Fettleber leiden.
Und die macht vor allem
Frauen Probleme
Fett am Bauch an. Unsere Figur wird
von „Birnen-“ auf „Apfelform“ um­
gebaut, weil männliche Hormone
wie Testosteron, die auch im weibli­
chen Körper vorhanden sind, nach
den Wechseljahren zunehmend das
Regime übernehmen.
In dieser Phase nehmen viele deutlich
an Gewicht zu – am Bauch. Denn
Östrogen hilft auch beim Muskelauf­
bau, nicht so stark wie Testosteron,
aber dennoch: Wenn es in der Lebens­
mitte nachlässt, beschleunigt das den
Verlust von Muskelmasse, der alters­
bedingt sowieso schon angezogen
hat. Und weniger Muskelmasse be­
deutet auch weniger Grundumsatz.
Also weniger Kalorien, die der Körper
braucht – bei gleichem Appetit.
Und zu guter Letzt hat auch die Leber
und ihre unmittelbare Nähe zur Pro­
blemzone Bauch etwas damit zu tun,
gar nicht gut ist. Blut, dass durch das
Bauchfett geflossen ist, erreicht das
Filterorgan als Nächstes. Über die
große Portalvene gelangen entzün­
dungsfördernde Substanzen wie Zy­
tokine schnell in den Leberkreislauf
und alle anderen Organe. Und wenn
die Leber mehr Fette aufnimmt, als
sie verarbeiten und speichern kann,
lagert sich zusätzlich Fett im Leber­
gewebe ab. Seit einigen Jahren regis­
trieren Mediziner*innen, dass im­
mer mehr Menschen an einer – nicht
durch Alkohol verursachten – Fett­
leber leiden. In Industrieländern hat
laut Studien fast jeder dritte Erwach­
sene eine krankhaft verfettete Leber.
Leberzirrhose sowie Leberkrebs kön­
nen die Folge sein. Ist das Organ chro­
nisch entzündet, lassen die Stoffe, die
daraus in den Körper gespült werden,
unter anderem das Risiko, an einer
Herz-Kreislauf-Erkrankung zu ster­
ben, dramatisch steigen – vor allem
bei Frauen. Warum es diesen Unter­
schied bei den Geschlechtern gibt,
konnte bislang noch nicht geklärt
werden.
Der B au ch mu s s a lso we g.
Aber wie, in Würde und ohne Diät?
Dafür lohnt sich der Blick zurück auf
unsere Vorfahren aus Urzeiten. Denn
Evolution schreitet nur langsam vor­
an, so gleichen unsere Gene heute
noch weitgehend denen der früheren
Jäger und Sammler. Damals gab es
lange Phasen, in denen das Essen
knapp war. Heute dagegen snacken
wir bis zu zehnmal am Tag, es wird
also zehnmal am Tag das Hormon
Insulin ausgeschüttet, das Energie
aus der Nahrung in die Zellen
schleust. Die Folge ist, dass der Insu­
linspiegel niemals richtig absinkt,
was Abnehmen fast unmöglich
macht. Intervallfasten ist also eine
super Sache. Möglichst spät zu früh­
stücken ist sicher der bequemste Weg,
die empfohlenen Essenspausen von
14 bis 16 Stunden zu erreichen.
Und: Damals ernährte man sich
hauptsächlich pflanzlich, mit viel
Obst und Gemüse, Fleisch stand nur
selten auf dem Speiseplan. Daran
sollten wir uns orientieren. Das mag
simpel klingen, ist aber erstaunlich
wirkungsvoll, wie Studien belegen.
3
PHASEN
GUTER
Eine besonders aussagekräftige Un-
tersuchung aus den USA begleitete
Probanden über fast 30 Jahre. Bei
denen, die sich vor allem von Obst
und Gemüse ernährten, sanken Ge-

SCHLAF NEU
samtsterblichkeit und das Risiko für
Herz- und Kreislauferkrankungen
deutlich. Es gibt Hinweise darauf,
IN DER APOTHEKE
dass vor allem das Mikrobiom von
dieser Art der Ernährung profitiert.
Also jene Billionen Bakterien, die
unseren Magen und den Darm besie-
deln. Einige Wissenschaftler vermu-
ten, dass der Darm unsere Ernährung
und damit unser Gewicht in beinahe
so großem Maße steuert wie der Kopf.

D as ka nn fun kti oni eren? Ja,

sehr gut sogar. Mein Bauch ist der
Beweis. Vor drei Jahren entschied ich
mich, Zucker zu meiden, von Fertig-
essen und Fleisch weitestgehend die
Finger zu lassen. Seitdem stehen viel
Obst und Gemüse auf meinem Spei-
seplan. Ich habe gelernt, dass in Oli-
venöl angebratene Shiitake-Pilze fast
wie Fleisch schmecken. Aber vor
allem verlor ich sieben Zentimeter
Bauchumfang. Als ich vor Wochen
MIT DER 3-PHASEN-INNOVATION
wieder einmal nach dem Duschen in Sofort- Freisetzung von Baldrian &
den Spiegel schaute, war mein Bauch Phase Melatonin in 10 Minuten
ziemlich flach. Depot- Verzögerte Freisetzung von Passions-
Phase blume & Melatonin bis zu 8 Stunden

Chrono- Kontinuierliche Freisetzung von

Phase Weißdorn & Zitronenmelisse

Z UM W E IT E R L E S EN:
A le x a n d r a Kr a f t : 1. Baldrian und Zitronenmelisse unterstützen das Einschlafen. 2. Baldrian trägt zur Aufrecht-
erhaltung des Schlafs und zur Entspannung bei. Zitronenmelisse trägt zu einem ruhigen Schlaf
„ D as Ba u c h f e t t m u s s w e g ! “ ,
und zur Entspannung bei. Passionsblume hat einen beruhigenden Effekt und unterstützt einen
2 24 S., 1 8 E u r o, ruhigen Schlaf. 3. Baldrian und Zitronenmelisse unterstützen das Durchschlafen.
S ü dw e st Ve r l a g

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 M AG A ZIN
GESUNDHEIT
S-
„Als ich in die Wechseljahre kam,
L JA H R E
W ECHSE
KOL U M N E hatte ich ständig Schmerzen in den Schamlippen
und der Klitoris. Geholfen hat mir
MIR
D A S H AT eine Lasertherapie.“ Daniela, 52, aus Rostock
EN
GEHOLF
A
ls würde die Vulva mit
Stromstößen oder Nadelsti­
chen traktiert. So beschrei­
ben mir Patientinnen ihre Beschwer­
den, wenn sie unter einer Vulvodynie
leiden. Damit ist ein Krankheitsbild
gemeint, das die äußeren Geschlechts­
organe betrifft, also den Venushügel,
die Schamlippen und die Klitoris.
Oft treten die brennenden, stechen­
den Schmerzen oder der Juckreiz
grundlos aus heiterem Himmel auf.
Häufig aber auch bei Berührung oder
Druck, wie beim Geschlechtsverkehr
oder Fahrradfahren.
Die Ursachen der Vulvodynie sind
vielschichtig und können im der­
matologischen, gynäkologischen und
psychologischen Bereich liegen. Das
macht sowohl die Diagnose als auch
die Therapie nicht ganz einfach. Be­
troffene laufen dann von Praxis zu
Praxis, schauen in ratlose Gesichter
und bekommen nicht selten ein Anti­
depressivum oder irgendeine Salbe
in die Hand gedrückt. Das finde ich
ganz schlimm! Denn der Leidens­
druck der Frauen ist groß, vor allem
wenn durch die Schmerzen noch eine
Spastik hinzukommt, die Scheide
sich also verkrampft. Manche kön­
nen nicht mal Tampons benutzen
und mögen nicht mehr mit ihrem
Partner schlafen, weil der Verkehr so
weh tut oder ein Eindringen gar nicht
mehr möglich ist.
112 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
05.2 2
Die Vulvodynie kann Frauen jeden
Alters treffen und gilt nicht als klas­
sische Begleiterscheinung der Wech­
seljahre. Dennoch sind überdurch­
schnittlich viele Frauen ab der
Lebensmitte betroffen. Und das hat
auch mit Scheidentrockenheit zu
tun, die nach den Wechseljahren,
wenn der Östrogenspiegel dauerhaft
niedrig ist, häufiger wird.
Gegen die Trockenheit verschreiben
Ärztinnen oft Salben mit Hormonen.
Auch Kortison – leider noch viel zu
oft, denn es führt tendenziell zu einer
noch stärkeren Trockenheit. Falsch
oder ohne medizinische Notwendig­
keit verwendet, können alle vagina­
len Präparate die sensible Flora aus
dem Gleichgewicht bringen und eine
Überempfindlichkeit auslösen, die
wahrscheinlich zu den Beschwerden
führt bzw. diese verstärkt.
Als sehr hilfreich haben sich dann
Botox- und Laserbehandlungen er­
wiesen. Bei Spastiken wirken Injek­
tionen in die Scheidenmuskulatur
entkrampfend. Innerliche Anwen­
dungen mit dem Laser führen dazu,
dass sich die in die Jahre gekommene
Schleimhaut regeneriert und quasi
verjüngt. Sie wird wieder besser
durchblutet, praller und feuchter, das
lindert die Schmerzen am besten. Sie
können sich das so vorstellen, als
würde man trockene Gartenerde um­
wälzen und die frische, saftige Erde
nach oben befördern. Für beide The­
rapien ist nicht einmal eine Betäu­
bung notwendig. Und Nebenwirkun­
gen sind extrem selten.
Gerade die Laserbehandlung würde
ich persönlich sogar grundsätzlich
jeder Frau empfehlen, wenn mehr als
50 Kerzen auf der Geburtstagstorte
stehen. Zur Prophylaxe, wie eine in­
nere Wellness-Kur. Eine Kassenleis­
tung ist sie aber nicht. Die Kosten von
ILLUSTRATION: Barbara Ott FOTO: PR
einigen Hundert Euro pro Anwen­
dung müssen selbst gezahlt werden.
PROTOKOLL: Stephanie Arndt
Für gewöhnlich sind drei Sitzungen
notwendig.
D R . N E G IN PAK R AV E SH,
H a u t ä r z t in mi t S ch we r p u nk t
A nt i-A g i ng i n H a m bu rg
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DER KÖRPER
ÖSTROGEN VERÄNDERT SICH
Haut wird
Scheidentrockenheit gehört zu den
dünner & trockener
unangenehmen Begleiterscheinungen
Menopause
der Wechseljahre. Es wird Zeit, etwas
gegen sie zu tun
Fast jede zweite Frau über 45 hat Erfah-
Alter 30 40 50 60 rung mit Scheidentrockenheit.*
W I E M AC H T
S I C H SC H E I D E N - Kein Wunder, die Hormonveränderungen in
T RO C K E N H E I T den Wechseljahren können einiges durcheinan-
B E M E R K BA R? derbringen. Über Symptome wie Hitzewallun-
∙ Trockenheitsgefühl gen oder Schlafstörungen wird viel gesprochen.
∙ Juckreiz Dass der sinkende Östrogenspiegel aber auch
∙ Brennen einen Einfluss auf die Haut in der Scheide und
∙ Schmerzen beim
im äußeren Intimbereich haben kann, ist selten
Sex Thema. Doch aufgrund des Östrogenmangels
wird die Scheidenhaut dünner, trockener und
empfindlicher. So hat fast jede zweite Frau über
45 Jahren mit einem unangenehmen Trocken-
heitsgefühl im Intimbereich zu tun – es juckt,
brennt und schmerzt beim Sex. Daher unser
ANN-MARLENE HENNING
Sexualtherapeutin Tipp: die hormonfreie Vagisan FeuchtCreme. Sie
versorgt die trockene Haut im äußeren Intimbe-
Ann-Marlene Henning führt in
reich und in der Scheide nicht nur mit Feuchtigkeit,
Hamburg eine Praxis für Paar- und sondern auch mit pflegenden Lipiden. Dadurch
Sexualtherapie und ist Autorin hält sie die empfindliche Haut geschmeidig und
mehrerer Bücher. kann helfen, die Beschwerden zu lindern. Und
dann kommt auch die Lebensfreude wieder.
Ist Scheidentrockenheit für Frauen 50+ ein gravieren- Zusätzliche Informationen erhalten Sie in
des Thema? Viele Frauen bringen die Schmerzen beim der Apotheke oder unter vagisan.de.

Sex oder das Piksen beim Sitzen nicht in Verbindung mit

der Scheidentrockenheit nach den Wechseljahren. Sie * Quelle: NAMS Position Statement 2013.
Menopause 2013; 20(9):888-902.
denken eher, nur bei ihnen würde etwas nicht mehr stim-
men, und nehmen es schamvoll hin.
Warum ist es dabei so wichtig, den eigenen Körper zu
kennen? Wenn ich weiß, dass diese Trockenheit in mei-
ner Vagina zu einem ganz natürlichen Prozess gehört,
kann ich viel selbstbewusster damit umgehen und
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J e de mit t e la lt e Fr a u
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f es t un d st ar k b l e i b e n ,
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e i n e Ge le ge n he it : „ H a p p y
B o n e s. B ess er le b e n mi t
g e s und en K no ch e n u n d
G el enk e n“ vo n Or t h o p ä d e
Pr o f. Vo lk m ar Ja n sso n u n d
B R I G ITT E WOM A N-A u t o r i n
Be t t i na Rub ow i n f o r m ie r t
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die Hände mit einem Papiertuch
abwische und sie erst danach
wasche. Eine Studie mit einem
das Bundesumweltministerium
einen runden Tisch gestartet, der
eine Strategie zum Umgang mit
Diclofenac finden soll.
Was sind andere
gut gemeinte Irrtümer?

7
Schmerzgel mit dem Wirkstoff Eine flüssige Arznei in den Abguss
Diclofenac zeigte kürzlich, dass das zu gießen, damit man die Flasche
den Eintrag ins Abwasser um zum Altglas geben kann. Medika-
66 Prozent reduzieren kann. Das mente sollten niemals ins Klo oder
Tuch dabei am besten nicht einfach in die Spüle, fast alle gehören in den
PROZE NT zwischen den Händen zerknüllen, Hausmüll, fest verknotet in einer
sondern nach dem Abreiben einer Tüte, sodass weder spielende
Hautpartie in der Mitte falten und Kinder noch Süchtige drankommen
MEHR ANRUFE
mit der noch salbenfreien Oberflä- können. Der Müll wird nahezu
VERZEICHNETE
DIE US-HOTLINE FÜR che an der nächsten Hautpartie überall verbrannt, und das zerstört FOTOS: Stephanie Brinkkötter, Getty Images (3), PR
SUIZIDPR ÄV E NTION, weitermachen. Eine Alternative die Wirkstoffe zuverlässig.
NACHDEM IM JAHR sind Einweghandschuhe.
2017 DER RAPPER
Aber das macht doch auch Müll!
LOGIC DIE RUFNUMMER
MIT SEINEM SONG Ja, aber gerade bei den sehr belieb-
„1- 8 00 -2 7 3 - 82 5 5“ ten äußerlichen Diclofenac-Zuberei-
PUBLIK GEMACHT tungen ist es einfach wichtig, dass
H AT TE . DIE Z A H L
DER SELBSTMORDE
so wenig Wirkstoff wie möglich in D I A N A H E L F R I C H, Re d ak te u ri n
SANK UM die Umwelt gelangt. Der Arzneistoff und A p ot he k e r i n, s c h re ib t au f
F Ü N F P R OZ E NT. gehört zu den besonders problema- d ie-A p ot h e k er in -I hres- Ver tra uen s . d e
üb e r G e s un d he it und ha t e in e n
tischen in puncto Umweltverträg- I ns t a g r a m -Ac c o u nt
Q ue l l e: Uni ve r si t ä t W i e n lichkeit, er kann sich zum Beispiel z um T he ma We c h se l j a hre

114 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
 MAGAZIN ___ GESUNDHEIT

HER Z UND K R EISL AUF

WANN MAN SICH Z wisch en 22 u nd 23 Uh r

ist ei ner brit is chen S tu di e
zu fo l ge der o pti ma l e

B E T T E T  . . . Zeitpu nk t zu m
Sch laf engehen f ür H e rz
un d Kreisl auf. Bei Fr au e n
fü hrten früh ere u n d
spätere Ei nschl afz ei t e n z u
ei nem deu tl ic h er hö h te n
R isi ko fü r Herz-K rei s l au f-
E rkran kun gen , M än n e rn
tat nu r das E i n sch l a fe n
nach der o pti mal e n
U hrzeit n ich t gu t. I n d i e
Ausw ert un g g i ng e n
di e D aten v on ü b e r
8 8  00 0 Frau e n u n d M än-
n ern ein (von denen mehr
als drei Viertel erst nach
23 Uhr zu Bett gingen).

Wenn dein Workout zum

Workaua wird.
Nimm Ibu – aus der Tube
Tube.
Bei entzündungsbedingten
Rücken- und Gelenkschmerzen
zur äußerlichen Anwendung.

So wirksam wie Tabletten.**

Aber besser verträglich.

* IMS, dataview: Umsatz Apotheke MAT 1/2022

** 3 x täglich Ibuprofen Schmerzgel (5 %) im Vergleich zu 3 x täglich 400 mg Ibuprofen-Tabletten bei akuten Weichteilverletzungen.
doc® Ibuprofen Schmerzgel. Gel. Wirkstoff: Ibuprofen. Anwendungsgebiete: Zur alleinigen oder unterstützenden äußerlichen Behandlung bei Schwellungen bzw. Entzündung
der gelenknahen Weichteile (z. B. Schleimbeutel, Sehnen, Sehnenscheiden, Bänder und Gelenkkapsel), Sport- und Unfallverletzungen wie Prellungen, Verstauchungen, Zerrungen.
Enthält u. a. Benzylalkohol, Benzylbenzoat, Citral, Citronellol, Cumarin, Eugenol, Farnesol, Geraniol, D-Limonen und Linalool. Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Pack-
ungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Stand 07/2021
POSTEINGANG ___ BRIEFE AN BRIGITTE WOMAN

IHRE MEINUNG
ist uns wichtig

OVERSHARING ___ PSYCHOLOGIE

ICH WILL’S O H N E FI LT E R
NICHT WISSEN!
Früher vertraute man intime Details, Gefühle und Sorgen
T E I LE N
guten Freunden oder seinem Therapeuten an.
Heute teilen Wildfremde ihre Darmprobleme, Ehekrisen oder Essstörungen
auf allen Kanälen. BRIGITTE WOMAN-Autorin
Karina Lübke bittet um weniger „Oversharing“ und mehr Privatsphäre
S chl us s m i t
O v e r sha r in g

J v on Pr i va t e m
JEDER WIRD IM LEBEN MAL SEINE Und das war sogar noch vor Corona! Nach
15 MINUTEN BERÜHMTHEIT ERHALTEN, zwei Jahren Isolation und Sozialleben­
prophezeite Popkünstler Andy Warhol Entzug hat längst auch der letzte Grenz­
1968, aber das war vor der Erfindung des schutzbeamte des Privatbereichs deser­

a uf a l le n
Internets. Heute wäre ich schon dankbar tiert. Wir sind kommunikativ einfach
dafür, 15 Minuten Ruhe vor all den Mit­ nicht mehr im Training, welche Mittei­
teilungsbedürftigen zu haben – und „be­ lung wo und wie angemessen wäre.
dürftig“ ist hier wörtlich gemeint. Wann „Corona hat uns den Filter genommen“,
fing das eigentlich an, dass man ungefragt las ich neulich in einem Interview mit der

mit privatesten Informationen und Ge­
schichten zugetextet wird? Ich erinnere mich da exem­
plarisch an ein formelles Essen in einem Restaurant, ich
wurde neben einer mir völlig unbekannten Frau platziert.
UNGEFRAGT AUSKÜNFTE?
Nein, danke
Wir tauschten unsere Namen und ein paar freundliche
Worte aus, dann kam der Gruß aus der Küche. Bis zum
Ka nä le n, bi t te t
amerikanischen Therapeutin Shontel
Cargill. „Oversharing“, das Preisgeben unnötiger privater
Details, sei eine der vielen Nebenwirkungen der Pande­
mie. All die angestauten Gefühle, Gedanken und Sorgen
– die muss man doch einfach teilen, um sich zu erleich­
tern! Wir senden, ohne uns zu fragen, ob es dafür den

Dessert hatte sie so ungefragt wie routiniert ihre Seele vor
mir entblößt: ihre kaputte Kindheit, die alkoholkranken
Eltern, sexuelle Übergriffe, Körperhass, Bulimie und die
dadurch geschädigten Zähne. Ich saß in Schockstarre da­
neben und wusste nicht, was ich außer „Das ist ja schreck­
uns e r e A ut ori n
passenden Empfänger gibt. Und die Kassiererin, die einen
schönen Tag wünscht – und im Gegenzug eine Tirade
über die starrsinnige alte Mutter der Kundin mitkassiert,
ist es mit Sicherheit nicht.
Lang entbehrte emotionale Nähe, Wärme, Mitmensch­

lich!“ und „O Gott, das tut mir leid“ sagen sollte. Noch
vor dem Espresso sprang sie plötzlich auf und verließ die
Veranstaltung. Ich habe nie wieder etwas von ihr gehört.
Wochen später teilte mir dann eine gemeinsame Bekann­
te mit: „Übrigens, die xy hasst dich!“ Ich, perplex: „Wie­
so das denn? Die kennt mich doch gar nicht!“ Die ge­
meinsame Bekannte: „Ja, aber du weißt zu viel über sie.“
Danke, das hätte ich mir auch gern erspart.
i n He f t 3 / 2 2
lichkeit und Verständnis sollen so im Durchlauferhitzer
hergestellt werden. Und ist nicht sprichwörtlich geteiltes
Leid halbes Leid? Äh – nein. Oft ist es einfach komplett
unangemessen. Oversharing stellt keine Instant­Intimi­
tät her, sondern ist pure Selbstbezogenheit, die sich als
Verletzlichkeit tarnt. Ich sende, also bin ich!
Prinzipiell interessieren sich Menschen seit Urzeiten,
als man plaudernd und lästernd ums Höhlenfeuer saß,

03 _ 22
BRIGIT TE
WOMAN 41

HEFT 3/2 2
I C H W I L L’ S N I C H T
WISSEN!
SENSIBLE DATEN
Ja, früher vertraute man intime De-
tails höchstens guten Freunden an.
Heute vertraut man „sensible Daten“
oder seinen „Status“ jedem an – je-
dem (von wem?) autorisierten „Kon-
trolleur“, bevor man ein Restaurant
oder ein Geschäft betreten will, das
mehr als Nudeln und Klopapier ver-
kauft. Vor ein paar Jahren wurde eine
Riesenkampagne, genannt DSGVO,
durchgezogen. Für teures Geld und
so immens wichtig zum Schutze un-
serer „sensiblen Daten“. Das scheint
absolut nichts mehr zu bedeuten.
Diese Entwicklung halte ich in
höchstem Maße für bedenklich. Wo-
bei „bedenklich“ nicht genau das
trifft, was ich meine. Und fühle.
BA RB ARA S EEFE LD ER , PER E -MAI L
DISTANZ EINNEHMEN,
GRENZEN SETZEN
Ich habe den Artikel mit großem In-
teresse gelesen und stimme der Auto-
rin in vielem zu. Was mir gefehlt hat,
ist das „Nein-Sagen“ auf der Empfän-
gerseite. Was hält Menschen davon
ab, einen Rahmen bzw. Grenzen zu
setzen, wenn sie Informationen be-
kommen, die sie nicht hören wollen? egal ist, wer davon wie viel für was
Es ist nicht einfach, aber vielleicht auch immer ausgibt, erscheint mir die
dürfen gerade wir Frauen lernen, in Wahl der Steuerklasse unerheblich.
unserer Haltung etwas mehr Distanz Meine Frau und ich praktizieren das
einzunehmen, damit wir weniger seit Jahrzehnten. Keiner hat das Ge-
nonverbale Einladungen aussenden fühl, benachteiligt zu werden.
zum grenzenlosen Informationser- WE R N ER HA EP E , P E R E -M A I L
guss. Was das Thema „Posten“ des
gesamten privaten Lebensinhalts bei HEFT 1/2 2
Instagram, Facebook etc. angeht, ha- A L L E S A U F A N FA N G
ben wir Menschen aus meiner Sicht
auch viele Optionen, uns abzugren- MEINE KUGELHANTEL
zen: nicht lesen; selektiv lesen; nicht Schön zu lesen, wo der Schlüssel zu
von jedem eine Freundschaftseinla- einem glücklicheren Leben von Frau
dung annehmen etc. Ich habe mich Schröder verborgen liegt: in einer Ru-
entschieden, in keinem dieser sozia- dermaschine. Und noch besser, dass sie
len Netzwerke einen Account zu er- ihn gefunden hat. Ähnliche Erfahrun-
öffnen, weil ich mein Privatleben gen habe ich mit meiner Kugelhantel
nicht mit Hinz und Kunz teilen will. gemacht, wenngleich ich sie nicht so
B ET T INA HO F FM A N N, P ER E -M A I L amüsant teilen könnte.
WILMA WUNDERLICH, PER E -MAIL
HEFT 3/2 2
S T E U E R N? L I E B E I C H HEFT 2/22
WIE IC H WINTER-
STEUERKLASSE – EGAL
SCHWIMMERIN WURDE
Der Artikel suggeriert, dass der- bzw.
diejenige mit Steuerklasse 5 grund- GELUNGENE AUSGABE
sätzlich schlechter gestellt ist als die Ein dickes Lob für die Februar-Aus-
Person, die mit Steuerklasse 3 besteu- gabe. Endlich wieder schöne Ge-
ert wird. Mir fehlt der Hinweis, dass schichten, tolle Porträts und guter
der monatliche Steuerabzug eine Vo- Inhalt. So kenne ich die „Brigitte Wo-
rauszahlung auf die fällige Jahressteu- man“ noch von früher. Vor allem die
erzahlung ist. Wenn das Ehepaar ein Porträts berühmter Paare waren im-
gemeinsames Konto hat, auf dem bei- mer klasse. Ich freue mich sehr, dass
de Einkünfte eingehen und es völlig die Ausgabe wieder an die alte Form

116 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
anknüpft. Vor allem die Geschichte
über die Winterbader fand ich gran-
dios und zauberhaft geschrieben. Bit-
te weiter so.
K RI S TI AN E BAC KHEU ER

HEFT 2/22
YO GA VO N I N N E N
ZUCKERHALTIGES MÜSLI
Vielen Dank für Ihre immer wieder
interessanten Hefte, die ich gern lese!
Ihr Themenmix ist großartig. Im ak-
tuellen Heft bin ich allerdings im Ge-
nuss-Magazin auf das „zuckerfreie“
Yoga-Müsli gestoßen. Ein Blick auf
die vorgeschriebene Nährwertliste
zeigt: 100 Gramm Müsli enthalten
31,1 Gramm Zucker! Richtig ist, dass
kein Zucker zugesetzt ist, aber viele
Zutaten sind stark zuckerhaltig. Al-
lein getrocknete Datteln enthalten zu
65 Prozent Zucker. Ich würde mich
freuen, wenn Sie einen Artikel brin- äsent
iert:
b a ria pr Rezepte
gen über die Aussagekraft der gesetz- He r
ische ch
tar rla
lich vorgeschriebenen Zutatenlisten Vege Hans Ge
von
und Nährwerttabellen bei industriell
hergestellten Lebensmitteln.
RE IN H IL D BER GER AU S
KOR NTAL-MÜ NC HIN GEN

ALLGEM EIN

G E L D F R AG E N
HELMA SICK
Mit Freude lese ich seit Jahren diese Weiße Bohnen Piccata
tolle Zeitschrift und kann nur großes
Lob über viele interessante Themen
mit Tomatensauce
der Zeit ausstellen. Zum Thema Fi- und DUFT DER MACCHIA
nanzen hätte ich eine Frage. Kann ich
Helma Sick direkt per Mail erreichen? Für 4 Personen Zuerst die Tomatensauce vorbereiten: Zwiebel schälen,
1 Zwiebel klein würfeln und mit 2 EL Olivenöl anbraten. Duft der Mac-
S A N D RA HAR TMAN N, PER E -MAI L
6 EL Olivenöl chia unterrühren und mit den Stücktomaten auffüllen, Oli-
®Lizenz der Marke BRIGITTE durch Gruner - Jahr GmbH - Alle Rechte vorbehalten

1 EL Herbaria Duft der ven zugeben. Aufkochen, dann mit Deckel auf sehr kleiner
Liebe Frau Hartmann, Macchia und eine Prise für Flamme 15 Min köcheln lassen.
schicken Sie Ihre Frage gern an info die Piccatamischung
Bohnen abgießen kurz abtropfen. Die Eier mit dem Parme-
line@brigitte-woman.de. Wir leiten 500 g stückige Tomaten san verquirlen und mit einer Prise Duft der Macchia würzen.
2 EL kleine Oliven
sie an Frau Sick weiter. Herzlich Bohnen in die Käsemischung geben, 2 EL Olivenöl in einer
ca. 400 g gekochte großen Pfanne erhitzen, mit einem großen Löffel knapp
Ihr BRIGITTE WOMAN-Team weiße Bohnenkerne
handtellergroße Bohnen-Fritter in die Pfanne setzen und bei
(Abtropfgewicht)
geringer bis mittlerer Hitze von beiden Seiten insgesamt
2 Eier
D I E RE DAKT IO N b e h ä lt sic h vo r, etwa 5 Min goldbraun ausbacken. Bohnenpiccata aus der
L e se rb r ie f e z u k ü r z e n . 100 g geriebener
Pfanne nehmen und im restlichen Olivenöl die restliche Boh-
Parmesan
B RIG IT T E W OM A N - L e s e r se r vi ce , nenmasse ausbacken.
B r ie f f ac h 22 , 2 0 4 4 4 H a m b u r g,
Fax : 0 40 / 3 7 0 3 - 56 3 4, Bohnenpiccata mit Tomatensauce servieren.
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REISE ___ BAYERN

Der Fünf-Flüsse-Radweg führt durch ein Wimmelbild

aus Klöstern, Kirchen, denkmalgeschützten Wirtshäusern und
zauberhaften Städtchen. Beatrix Gerstberger,
erprobte Flachlandradlerin, wagte sich auf dem E-Bike an die Hügel
im Nordosten Bayerns – und wurde reich belohnt

IM
WASSER-
LAND FOTOGR AFIE ___ SEBASTIAN LOCK
 KA LLMÜ NZ i n de r
Ob e rpf al z w i rk t
m i t se i n e n bu n t e n
H ä us e rn , de n
v ie l e n G a l e ri en
un d de r s i l br ig
g li t ze rn de n N a a b
fa s t s üd l än d is c h

05 _ 22
BRIGIT TE
WOMAN 121
REISE ___ BAYERN

A N KO M ME N, A B S C H N AUBE N, GE N IE SS E N lau t e t d i e An we is ung d e s „ S p e r b er “ -W ir t s a m e r s t e n E t a p p e nz ie l S ul zb a c h .

K nö de l, B r at e n u nd S a u e r k r a u t w e ck e n d ie L eb en s g eis t er. D e n Re s t e r le d i g t e i n k a lt e s Fuß b a d im Z us a m m e nf lu ss v o n N aa b u n d Vi l s

A
m ersten Abend
meiner Reise
durch Bayern sit-
ze ich mit hoch-
rotem Kopf und
schweißnassen
Haaren in Sulzbach-Rosenberg vor
einem großen selbst gebrauten Bier.
Das Abendlicht legt sich rosig auf die
pastellfarbenen, prächtigen Bürger-
häuser gegenüber der Hotelterrasse,
vor mir steht ein Oberpfälzer Schäu-
ferl, eine Schweineschulter mit kna-
ckig-knuspriger Haut, dazu ein paar
Semmelknödel, und fast schon ist das
Tief vor drei Stunden vergessen.
Verzweifelt hockte ich sieben Kilo-
meter vor Sulzbach am Feldrand ne-
ben einer mild lächelnden, kindsgro-
ßen Marienfigur. Es war der Moment,
in dem ich mich fragte, wie ich als
Flachlandradlerin glauben konnte,
mit einem E-Bike die bayerischen
Hügel bezwingen zu können. 322 Ki-
lometer in sechs Tagen, 43 bis 64 pro
Etappe, das Gepäck wird von Station
zu Station transportiert, das klang
nach einer gemütlichen Tour. Noch
dazu mit tollen Ausblicken: immer
am Wasser entlang durch die roman-
tischen Flusstäler der Donau, Naab,
Vils, Altmühl und Pegnitz.
Nun stand ich da, hatte naiv die Leis-
tungskraft meines Akkus bis zum
letzten Strich ausgenutzt, schaute auf
Sulzbach mit dem mächtigen Wittels-
bacher Schloss, das noch ziemlich
weit weg und ziemlich weit oben auf
einem Berg lag, und auf ein E-Bike,
das ohne Akku nur sehr schwer zu
schieben ist. Der Wirt des „Hotels
Sperber“ hatte das alles bei meiner
Ankunft mit einem einzigen Blick
erfasst und mir sofort ein großes Hel-
les rübergeschoben. „Ankommen,
abschnauben und erst mal genie-
ßen”, grinste er.
Als ic h in Nü rnb erg zur e rs -
ten E tapp e au fb rec he, ist der
Wind frisch, es regnet leicht. Am Len-
ker klemmt mein GPS-Gerät, ich rau-
sche vorbei an alten Villen in üppig
grünen Gärten. Nach zehn Minuten
bin ich auf dem Fünf-Flüsse-Radweg,
neben mir plätschert die Pegnitz. Der
Weg, der im Mittelalter als „Goldene
Straße“ bezeichnet wurde und einer
der wichtigsten europäischen Han-
delswege war, ist flach, mein Tempo

122 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
 RO U T E NC H E C K A u t o r in Be a t r ix G e r s t b e r g e r ( re . ) k a nnt e d ie Ob er p f a l z noc h ni c ht u nd f r e ut s i c h a uf ihre r To ur ü b e r d as
sü d lic h e F la ir – F a c h we r k hä u s e r, la u s ch ig e Mü hle n und üp p i g b ühe nd e We g r ä n d e r u nd W ie se n
gut. Menschen mit Hunden joggen
mir entgegen, ein Bademeister sitzt
verträumt am menschenleeren Be-
cken eines Naturbades.
Die Orte wechseln quasi im Vorbei-
fliegen, ich fahre durch Neubausied-
lungen, über Marktplätze mit lachs-
und karmesinroten jahrhunderteal-
ten Häusern, die sich mir leicht schief
entgegenneigen. Meist ist es so ruhig,
als sei hier jeder Tag ein Sonntag.
Lange begleitet mich eine Eisenbahn-
linie, kleine, bescheidene Häuser ste-
hen an ihrem Rand, langsam verliert
sich der Protz der kopfsteingepflas-
terten Flaniermeilen der stolzen
Handelsstadt Nürnberg.
In Lauf bin ich dann mittendrin im
ersten Staunen. Ich sitze auf einer
Bank im Zentrum an der Pegnitz, vor
mir eine lauschige Mühle mit Biergar-
ten, weiß strahlende, blumenge-
schmückte Fachwerkhäuser, Tortür-
me und verwinkelte Gassen – ein
Anblick, der den abgegriffenen Aus-
druck „malerisch“ wirklich verdient.
In einem Brunnen neben mir fließt
Wasser aus einer Figur, eine Frau
wäscht einen der Äpfel, den sie auf
dem Markt gegenüber gekauft hat,
die rot-weiß gestreiften Dächer der
Stände glänzen in der Sonne, die end-
lich durch die Wolken bricht. Es ist
ein einziges Idylle-Wimmelbild – so
sollte es bleiben auf dieser Reise.
Jedes Mal, wenn ich denke, mehr
blank geputzte und geranienbehäng-
te Behaglichkeit geht nicht mehr, fah-
re ich in ein Städtchen ein, das noch
hübscher zu sein scheint als das letz-
te. Amberg zum Beispiel, mit seinen
Stadtmauern am Fluss, dem Wochen-
markt zwischen Basilika und dem
gotischen Rathaus. Für einen kurzen
Moment sitze ich im kühlen Innern
der Kirche, jemand spielt Orgel, es ist
ein ruhiger Moment, bevor es weiter-
geht an der Vils entlang.
20 Kilometer fahre ich auf einer ehe-
maligen Bahntrasse unter Alleebäu-
men, ich springe zwischendurch mit
den Beinen in die kleinen mit Was-
serpflanzen überwucherten Weiher.
Konfetti fü r die Au ge n ist am
nächsten Tag das fast südländisch
wirkende Kallmünz. Am Zusammen-
fluss von Naab und Vils drängen sich
knallbunte Häuser unterhalb eines
100 Meter hohen Kalkfelsens ans
 REISE ___ BAYERN
„
WIR
BRAUCHEN
KEINEN
SCHNICK-
SCHNACK,
SONDERN EIN
WIRTSHAUS
OHNE
TISCHDECKEN,
WO ALLE
BEIEINANDER-
HOCKEN
KÖNNEN
“
FRANZISKA LUBER

FEL S EN FES T is t d as Da ch d ie se r Wo h n u n g, sie l ie g t in e in er H öh le i m

Ka l lm ü n z er Kal k s t ein , ob e n a u f d e m B e r g sp o r n s t e h t d ie we it s ic ht b a r e B ur g r ui ne d e s D or f s

Ufer, über allem schwebt eine Burg- unser Haus“, erzählt Franziska
ruine. Anfang des 20. Jahrhunderts ­Luber. „Ich leite es in sechster und
pilgerten viele Künstler nach Kall- in vierter weiblicher Generation.“
münz, unter ihnen Wassily Kandins- Selbstbewusst ist sie, es anders
ky, heute gibt es noch viele Galerien ­machen und trotzdem Altbewährtes
und Ateliers im Ort. bewahren will sie. Biobier und eine
eigene Destillerie gehören für sie
Kuns ta u s st e ll u ngen un d d a - dazu, genau wie die Rückkehr zum
zu exz el le nt e s Ess en, das ha- zünftigen Beisammensein. „Wir
ben die Wirtsleute Luber im „Golde- brauchen keinen Schnickschnack,
nen Löwen“ miteinander verbunden. sondern ein Wirtshaus ohne Tisch-
Heute leitet Tochter Franziska zu- decken, wo alle beieinanderhocken
sammen mit ihrem Mann den Be- können.“ Volltätowierte Hipster ne- N AT U RN A H
trieb, der nun ein Brauereigasthof mit ben Familien, Stammtischgruppen Wi rt i n Fran zi s ka
Hofladen und einem märchenhaften und Jagdhornbläsern. L u b er i n i h re m m i t
K r ä ut er n u n d B l ü t e n
Innenhof ist. Blumen wachsen aus Das mit dem Beieinanderhocken ist b e w ac h se n e n H o f.
alten Fässern, Skulpturen stehen ne- in Pandemiezeiten eher selten auf Re c h t s :
ben Kräutern, Blüten rieseln auf das dieser Tour durch Mittelfranken und E i ne d e r v i e l e n
St re u ob st w i e s e n
in Jahrhunderten krumm getretene die Oberpfalz. Das Wasser ist einer am ­u n te r e n L au f
Kopfsteinpflaster. „450 Jahre alt ist der Hauptdarsteller und der Weg d e r Al t m ü h l
05 _ 22
BRIGIT TE
WOMAN 125
REISE ___ BAYERN
NICHTS IST SCHÖNER ALS
DIE LANGSAMKEIT DES SEINS
entlang seiner Ufer oft einsam. Aus
manchen Flüssen wie der Naab glau-
be ich trinken zu können, so sauber
scheint das Wasser. Andere wie die
Donau wälzen sich wie ein großes
graubraunes Band kilometerlang vor-
bei oder umspülen bei Kehlheim stei-
le Felsen, die Klösterl, Eidechse oder
Napoleons Reisekoffer heißen, den
soll dieser hier vergessen haben.
Am Ludwig-Donau-Main-Kanal win-
ke ich Kanufahrern zu, im Altmühl­
tal halte ich alle paar Meter, um einen
Apfel von einer Streuobstwiese zu
pflücken oder einen Obstbrand zu
kosten, den ein Bauer in einem klei-
nen Verschlag am Rand des Radwegs
anbietet. Ich schneide eine Sonnen-
blume ab, die über einen alten Sta­
ketenzaun ragt. Am Ludwigskanal
radle ich auf alten Treidelwegen, auf
denen Menschen oder Zugtiere frü-
her Frachtkähne zogen. An der Vils
126 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
suche ich an einer der vielen Karst-
quellen nach dem Bachflohkrebs, fo-
tografiere einen goldglänzenden Je-
sus am Eisenkreuz, der aus einem
Gebüsch ragt, und mache Pause in
einem ehemaligen Bahnhof.
Im „Radlbahnhof Theuern“, einem
alten Schmuckstück mit Kiosk, Ti-
schen und Stühlen, gibt es Getränke
und Radfahrer, die mich am Tag zu-
vor überholt haben. Funktionsklei-
dung, Wasserflaschen am Lenker,
Rucksack mit Proviant – ich fühle
mich etwas bescheiden ausgestattet
neben all den Sportlern und stram-
men Waden, auch körperlich. Aber
schon wird mir eine Birne, ein hart
gekochtes Ei angeboten, ein Müslirie-
gel. Die meisten fahren die gleiche
Runde wie ich. Ich fachsimple mit
zwei Husumern, die seit Jahren in
Bayern leben, wo es schöner ist. Im
lieblichen Süden, finden sie, nicht in
der steifen Brise des Nordens. „Wo-
hin wollen Sie heute noch?“, fragen
sie. „Nach Schmidmühlen.“ – „Dann
sieht man sich.“
S c hmid mü hlen ist eine A rt
Kno tenp u nkt des F ü nf- F lüs-
s e-Rad wegs. Es gibt dort ein Obe-
res und eine Unteres Schloss, ein
Heimatmuseum und das „Gasthaus
zum Goldenen Lamm“. Senior-Wir-
tin Elfriede Altenbuchner sitzt gera-
de an ihren Steuern an einem Tisch
im kleinen Innenhof, die Husumer
schon an einem anderen Tisch mit
einer großen Apfelschorle vor sich.
„Mein Sohn bringt gleich was zum
Trinken“, ruft mir die Wirtin zur Be-
grüßung zu, als wäre ich eine alte
Bekannte. „Ruhen Sie sich erst mal
in unseren Garten aus.“
Durch ein Scheunentor betrete ich
den Garten: knöchelhohes Gras, ein
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u n d a n M a i b ä um e n
vo r b e i führ t
d e r Ra d we g

Schuppen, eine Holzbank unter ei-

nem Kirschbaum, ein Liegestuhl und
eine Tür in der Mauer, hinter der die
Lauterach fließt. Es ist der heißeste
Tag meiner Tour. Ich setze mich auf
die Stufen, die zum Bach hinunter-
führen und in dem die berühmten
Forellen schwimmen, die abends im
„Goldenen Lamm“ serviert werden.
Das Wasser ist kühl, eine Forelle stößt
gegen meine Füße. Die Sonne bricht
sich im hellen Gelb des Biers, das
Sohn Klaus mir hingestellt hat. Hin-
ter mir wehen auf einer Leine die Un-
terhosen, Hemden und Trockentü-
cher der Familie, eine Kirchturm-
glocke schlägt. Es ist einer der unspek-
takulärsten und gleichzeitig einer der
besten Momente meiner Reise. Nichts DAS ORIGINAL
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BRIGIT TE
WOMAN 129
KOLUMNE ___ TILL RAETHER
VO R L ÄU F I G E S E N D E R G E B N I S
BRIGIT TE WOM AN-Kolumnist Till Raether hat heimlich Blumenzwiebeln gesetzt
Me in e M u t t er ha t es u ns ni e
lei cht g em a c ht, ih re Erwa r-
tu ngen z u e rf ü l le n. Nehmt kei­
ne Rücksicht auf mich, macht euch
nicht so viel Arbeit, ich brauch doch
nichts. Damit wird es dann schwieri­
ger für die anderen, denn natürlich
braucht jeder Mensch allerhand, nur
müssen das dann die anderen erra­
ten. So war es dann auch mit ihrem
Grab. Ich glaube, sie wollte es uns
leicht machen, aber dadurch wurde
es nicht einfacher.
Jahrelang, bevor sie starb, schwankte
sie zwischen zwei Geschichten, die
sie sich und uns immer wieder er­
zählte, ihren Tod betreffend. Manch­
mal erzählte sie, sie wolle ihren Kör­
per nach ihrem Tod der Wissenschaft
überlassen. Manchmal sagte sie aber
auch, sie wolle einfach unter einem
Baum begraben werden, ohne Grab­
stein, ohne Markierung. Damit sich
niemand kümmern muss, das
schwang in beiden Fällen mit.
Als sie Anfang vorigen Jahres starb,
erkundigten wir uns über beide
Möglichkeiten. Wen es interessiert:
Seinen Körper der Wissenschaft
überlassen kann man nur selbst, das
muss man zu Lebzeiten regeln, mit
Unterschrift, das können nicht die
Hinterbliebenen einfach so entschei­
den. Man muss also ein bisschen vor-
ausschauend handeln, zumal es da
zurzeit ziemlichen Andrang gibt.
„Einfach unter einem Baum“ ist aber
auch leichter gesagt als getan. In un­
serer Nähe gibt es keine Friedwälder,
man müsste ein, zwei Stunden in
­Gegenden fahren, die weder meiner
Mutter noch uns etwas bedeuten. Ich
DIE NÄCHSTE BRIGITTE WOMAN ERSCHEINT AM 4. MAI
130 BRIGIT TE
WOMAN 05 _ 22
DIES IST JA NICHT
BEPFLANZEN,
NUR REINDRÜCKEN.
ODER, WIE MEINE MUTTER
SAGTE, WENN ETWAS
UNGEWÖHNLICHES
VORFIEL: WIE DIE NATUR
SO PINKELT
stellte fest: Hierfür bin zu sentimen­
tal. Auf dem Friedhof in unserem
Stadtteil gibt es zwar unmarkierte
Urnengräber unter Bäumen, aber
dieser Bereich hätte, damit möchte
ich niemanden verletzen, unserer
Mutter nicht gefallen. So nah an der
Straße! Auch hier versuchen meine
Schwester und ich, voraus- oder bes­
ser nachzuahnen, was sie gesagt
hätte – über die Schrift der Messing­
schilder auf dem Sammelstein, die
Ablagestelle für Schnittblumen, Ted­
dys und Kerzen. Als letztes Lebens­
zeichen meiner Mutter bleiben ihre
ästhetischen Empfindlichkeiten.
„Es gibt“, sagt der Friedhofsleiter,
„noch einen alten Bereich, wo wir die
Gräber sich selbst überlassen. Das hat
Waldcharakter. Da können Sie ein
reguläres Urnengrab haben, aber un­
ter Bäumen, ohne Stein, ohne Be­
pflanzung.“ Wir finden einen sehr
schönen Ort für die Urne. Er wird,
hoffen wir, mit der Zeit zuwuchern.
Eine hohe, gut gewachsene Kiefer
wacht darüber. Einmal im Monat
oder so schaue ich vorbei, und schon
im letzten Frühjahr registriere ich:
Die Natur wuchert, wie sie will. Vor
allem: so langsam, wie sie will. Daher
ist dort, wo die Urne versenkt wurde,
ein seltsam unpassender unbewach­
sener Erdkreis im Waldboden. Im
Sommer sprießt darauf ganz zart
Gras, ein hellgrüner Flaum, der „die
Stelle“, wie ich sie jetzt nenne, eher
noch betont. Im Herbst kaufe ich
zwei ­Tüten Blumenzwiebeln, Nar­
zissen, Tulpen, Krokusse, und wie
ein Garten-Guerillero stecke ich sie
in den weichen Boden in und um
„die Stelle“. Das ist ja nicht bepflan­
zen, nur reindrücken. Niemand wird
beweisen können, dass ich das war,
Mit­ inhaber dieser Grabstelle. Viel­
leicht war es die Natur. Oder, wie
meine Mutter sagte, wenn etwas
­Ungewöhnliches vorfiel: Wie die Na­
tur so pinkelt.
Jetzt, im Frühjahr, sprießen dort ge­
mischte Blumen, verteilt, wie zufällig.
Nicht das, was meine Mutter wollte.
Oder vielleicht genau das, was sie
FOTO: Volker Wenzlawski
wollte. Jedenfalls ist selbst nach dem
Tod alles ein Kompromiss und Tasten
im Dunkeln, aber das ist auch schön,
wie gelbe Tulpen im Waldboden.
Me h r von Till Ra et h er
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