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4. Advent 19.12.

2021
Lk 1,26-38 Pfr. M. Schmid-Lorch

Wie die Jungfrau zum Kind – Kurzpredigt zum 4. Advent über Lukas 1,26-38
Alle Jahre wieder
Jüngst waren meine Konfis bitter enttäuscht. Der Grund: Ich habe ihnen gesagt, dass wir gar
nicht genau wissen, wann Jesus Geburtstag hat. Daraufhin haben die Konfis gesagt: „Das ist ja
voll blöd, dann könnte ja jeder Tag das echte Weihnachten sein.“ Ich verstehe, warum sie so
geschockt waren: Vielen Menschen tut es gut, dass das Jahr sich an wiederkehrenden
Traditionen und Festen orientiert. Man weiß, was kommt, „alle Jahre wieder“, the same
procedure as every year. Das Weihnachtsfest tut vielen Menschen gut.
Kommt das Christuskind
„Alle Jahre wieder kommt das Christuskind“, dieses volkstümliche Lied sagt: Weihnachten
wird es immer wieder. Aber das hängt nicht an irgendeinem Datum im Kalender und dazu
braucht es kein Fest – so schön das auch sein mag. Weihnachten hängt auch nicht am
Christbaum, am Kerzenschein oder den Geschenken. Weihnachten heißt: Das Christuskind
kommt. Das Christkind, das ist mittlerweile erwachsen: Jesus Christus, der Herr, der Herrscher
– er kommt!
Auf die Erde nieder, wo wir Menschen sind
Aber wie kommt es eigentlich, das Christkind? Wie kommt Jesus Christus zu uns, „auf die Erde
nieder, wo wir Menschen sind“ – zu dir, zu mir? Wie kommen wir zu Christus? Man könnte ja
denken: „Sicher kommt er zu uns, wenn wir uns auf die richtige Weise vorbereiten. Wenn wir
nur alles schön für ihn einrichten, es ihm gemütlich machen bei uns, ihn herzlich in unser Leben
einladen, dann wird er schon kommen.“ Die vorweihnachtlichen Mühen scheinen mir
manchmal so: „Alles muss perfekt sein! Dass nur der Baum schön gerade ist und der Braten
nicht verbrannt! Der Baum soll kerzengerade stehen, der Weihnachtsbraten genau richtig durch,
das Haus blitzeblank, ja dann kann das Christkind kommen.
Kehrt mit seinem Segen ein in jedes Haus
Aber so tickt das Christkind nicht: Es „kehrt mit seinem Segen ein in jedes Haus“, jedes! Du
musst nicht erst auskehren, damit Jesus bei dir einkehrt. Christus kommt bedingungslos, auch
wenn du nicht darauf vorbereitet bist, wenn du es nicht einmal erwartest. Schau dir mal die
allererste Person überhaupt an, zu der das Christkind gekommen ist: Maria. Die ist noch kaum
erwachsen, hat nichts vorzuweisen, hat keine Erfahrung als Mutter, ja noch nicht einmal einen
Mann hat sie – doch zu ihr sagt der Engel: „Du wirst schwanger werden und einen Sohn
gebären, den sollst du Jesus nennen!“ Und sie steht da und kann es sich nicht erklären.
Ist auch mir zur Seite
Das ist die einzige Art, wie ein Mensch zu Jesus kommt – wie die Jungfrau zum Kind! Das
Christuskind kommt nicht deshalb zu dir, weil du dich perfekt dafür eingerichtet hast, weil du
alle Voraussetzungen erfüllst und es höflich eingeladen hast. Um es mal so zu sagen: Das
Christkind kommt nicht zu den braven Kindern! Jesus Christus kommt zu dir, unerwartet,
unvorhergesehen, unverdient – weil er dich bedingungslos liebt. Er kommt zu dir, wo die
Botschaft des Engels dein Herz berührt, so wie es bei Maria war: „Du Begnadete, du
Begnadeter, der Herr ist mit dir! Du hast Gnade bei Gott gefunden, Jesus kommt zu dir, steht
auch dir zur Seite!“
An der lieben Hand
Das ist das Evangelium, die frohe Botschaft: Jesus kommt in dein Leben – nicht erst, wenn du
dafür bereit bist, sondern immer wieder, auch hier und heute durch sein Wort! Du bist ihm lieb
und wichtig, auch wenn du es dir selbst nicht erklären kannst. Das Christuskind will dich an
seiner lieben Hand halten, es will dich durch das Leben begleiten auf allen Wegen. Manchmal
bleibt es still und unerkannt, aber niemals wird es dich verlassen. Seine liebe Hand hält dich
fest und lässt dich nicht los – im Leben und im Sterben und in alle Ewigkeit.
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4. Advent 19.12.2021
Lk 1,26-38 Pfr. M. Schmid-Lorch

Informationen zum 4. Advent


Thema: Die nahende Freude (Schwerpunkt Maria)
Wochenspruch: „Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch.
Der Herr ist nahe.“ (Philipper 4,4-5b)
Wochenlied: Nun jauchzet, all ihr Frommen (EG 9)
oder O komm, o komm, du Morgenstern (EG 19)
Wochenpsalm: Psalm 102 (EG 741)
oder Lobgesang der Maria (Text: EG 761; mit Noten: EG 781.6)
Predigttext:
Lukas 1,26-38 (Reihe IV)

Arbeitsübersetzung des Predigttextes:


26 Im sechsten Monat aber wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa geschickt,
die Nazareth heißt, 27 zu einer Jungfrau,1 die verlobt war mit einem Mann namens Josef aus
der Nachkommenschaft Davids, und der Name der Jungfrau war Maria. 28 Und er ging zu ihr
hinein und sagte: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir!“2 29 Die aber erschrak über
das, was er gesagt hatte, und dachte: „Was für ein Gruß ist das?“ 30 Und der Engel sagte zu ihr:
„Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast Gnade gefunden bei Gott. 31 Und siehe, du wirst
schwanger werden und einen Sohn gebären und du wirst ihm den Namen Jesus geben. 32 Der
wird groß sein und man wird ihn `Sohn des Höchsten´ nennen und Gott wird ihm den Thron
seines Vorfahren David geben, 33 und er wird herrschen über die Nachkommenschaft Jakobs
in Ewigkeit und seine Herrschaft wird kein Ende haben.“ 34 Maria aber sagte zu dem Engel:
„Wie soll das möglich sein, wo ich doch mit keinem Mann verkehrt habe?“ 35 Und der Engel
antwortete, indem er zu ihr sagte: „Heiliger Geist wird auf dich kommen und Kraft des
Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, was geboren wird, `Sohn
Gottes´ genannt werden.3 36 Und siehe, auch Elisabeth, deine Verwandte, ist mit einem Sohn
schwanger im sechsten Monat, sie, von der man gesagt hat, sie sei unfruchtbar; 37 denn kein
Ding ist unmöglich bei Gott.“ 38 Maria aber sagte: „Siehe, ich bin die Dienerin des Herrn. Mir
geschehe nach deinem Wort!“ Und der Engel ging von ihr.

1
Παρθένος/parthenos = Jungfrau, d. h. eine Frau, die im heiratsfähigen Alter ist, aber noch keinen
Geschlechtsverkehr gehabt hat (vgl. Lk 1,34). Bisweilen ist im medialen Diskurs zu hören, das Wort lasse sich auch
als „junge Frau“ übersetzen. Dabei handelt es sich um eine Verwechslung mit dem Hebräischen ‫ﬠַ למָ ה‬/almah aus
Jes 7,14, für das in der Tat beide Übersetzungen möglich sind. Für das griechische παρθένος/partenos hingegen
ist die Jungfräulichkeit bestimmend, weshalb der Begriff – wie im Deutschen – auch auf Männer angewandt
werden kann (z. B. Offb 14,4).
2
Dieser Satz wird auch als „englischer Gruß“, also Gruß des Engels bezeichnet. Er ist einer der zwei Verse, aus
denen sich das Ave Maria zusammensetzt. Der andere ist Lk 1,42. Das ursprüngliche Ave Maria besteht nur aus
diesen beiden Versen, die dann in unterschiedlichen Traditionen auf je eigene Weise erweitert wurden.
3
Der Geist ist Gottes Lebenshauch, sein schöpferischer Atem (griech: πνεῦμα/pneuma), der auf Maria kommt.
Seine schöpferische Kraft legt sich sanft wie ein Schatten über sie. Aus diesem Grund wird ihr Kind ein Gottessohn
genannt werden (vgl. Lk 1,32). Viele Ausleger sind der Ansicht, dass diese behutsame Wortwahl dem
Missverständnis einer sexuellen Vereinigung einer Gottheit mit einem Menschen – eine in der Antike verbreitete
Vorstellung – vorbeugen soll. Vielmehr wird von Jesus gesagt: „Seine Existenz fängt an mit Gottes besonderer
Handlung, er ist als Mensch in Gott begründet, er ist wahrer Gott. Das Subjekt der Geschichte Jesu Christi ist also
Gott selber, so wahr da ein Mensch lebt und leidet und handelt. […] Noch einmal handelt Gott als Schöpfer, aber
nun nicht als Schöpfer aus dem Nichts, sondern Gott tritt auf den Plan und schafft innerhalb der Schöpfung einen
neuen Anfang“ (K. BARTH, Dogmatik im Grundriss, S. 113).

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