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Gerste

Als Speisegetreide ist die Gerste in den letzten Jahren ziemlich in


Vergessenheit geraten. Man kennt sie vielmehr fast nur noch als Rohstoff für
der Deutschen liebstes Getränk: das Bier. Doch damit tut man dieser alten
Getreideart Unrecht, denn sie hat geschmacklich und
ernährungsphysiologisch gesehen einiges zu bieten.

Anbau und Herkunft


Nach Einkorn ist Gerste eine der ältesten Kulturgetreidearten. Sie ist
geographisch so weit verbreitet wie wohl sonst kein anderes Getreide. Die
Anbaugebiete liegen nicht nur in den gemäßigten Klimaten. Auch in
Trockengebieten, wie z.B. in Äthiopien, oder in Hochlagen bis zu 4.000 Meter,
wie in Tibet, wächst dieses Getreide. Während in manchen Regionen
zwischen Aussaat und Ernte rund 300 Tage liegen, ist die Gerste in Tibet
bereits nach 60 Tagen reif. Diese große Bandbreite wird durch eine Fülle an
Gerstensorten ermöglicht.
Die Ursprungsgebiete von Gerste liegen im Vorderen Orient und in der
östlichen Balkanregion. Während des Mittelalters wurde Gerste in Mitteleuropa
vor allem als Viehfutter geschätzt. Sie eroberte insbesondere die weniger
fruchtbaren Böden und Standorte mit kürzeren Vegetationszeiten.
In der biologischen Landwirtschaft spielt Gerste eine wichtige Rolle, denn sie
wächst auch auf weniger fruchtbaren Böden und hat insbesondere in der
Fruchtfolge eine große Bedeutung.

Verarbeitung
Das Gerstenkorn ist sehr fest mit seinem ungenießbaren Spelz verwachsen.
Das Entfernen des Spelzes erfolgt rein mechanisch. Das Korn wird dafür
zwischen zwei so genannten Schmirgelzylindern so lange gerieben, bis der
Spelz entfernt ist. Dabei werden jedoch auch Teile des wertvollen Keims
verletzt und abgeschmirgelt. Auf diese Weise erhält man ein poliertes
Stärkekügelchen, die Graupe, die nun zu verschiedenen Speisen oder
Produkten weiterverarbeitet werden kann.
Je nachdem wie intensiv dieser Schmirgelprozess stattfindet, bleibt mehr oder
weniger von dem ballaststoffreichen Samenhäutchen erhalten. In der
konventionellen Lebensmittelwirtschaft kennt man ganz helle Perlgraupen. In
unserer Schälmühle werden die Gerstenkörner nur schonend geschliffen, so
dass ein großer Teil des Samenhäutchens erhalten bleibt. Der Keimling wird
durch die Bearbeitung jedoch so stark verletzt, dass Gerstengraupen
(=geschälte Gerste) nicht mehr keimfähig sind.
Spezielle Sorten
Anders ist das bei Nacktgerste. Sie enthält noch alle wertvollen Bestandteile.
Sie ist eine alte, speziell für den Bioanbau weitergezüchtete Sorte, deren
Spelzen beim Dreschen vollständig abfallen. Dadurch wird die mechanische
Belastung des Korns vermieden und Nacktgerste behält ihre volle
Keimfähigkeit.
Unsere Anbaupartner:innen bauen biodynamische Nacktgerstesorten an, die
von der Getreidezüchtungsforschung Darzau speziell für die Bedingungen des
Ökolandbaus gezüchtet wurden. Sie eignen sich vor allem für leichte
Standorte und besitzen ein hellgelbes Korn. Sie sind besonders resistent
gegenüber Krankheiten.

Ernährungsphysiologische Bedeutung
Im Gegensatz zu Weizen ist Gerste relativ glutenarm, aber sie ist nicht
glutenfrei. Sie ist reich an Vitaminen und Mineralstoffen. Besonders
hervorzuheben ist aber der hohe Gehalt an Ballaststoffen, insbesondere an
Beta-Glucanen. Die löslichen Ballaststoffe des Korns binden bis zum 40-
fachen ihres Eigengewichts an Wasser und quellen entsprechend auf. Sie
binden dabei u. a. Gallensäuren und tragen zur Absenkung des
Blutcholesterinspiegel bei. Zudem sind Beta-Glucane sehr förderlich für eine
positive Darmflora.
Gerste besitzt außergewöhnliche schleimbildende Eigenschaften. Sie bildet
eine Schutzschicht im Verdauungstrakt. Deshalb ist sie als dietätisches
Nahrungsmittel bei Magen-Darm-Krankheiten zu empfehlen.
Aus anthroposophischer Sicht besitzt die Gerste eine zweifache Wirksamkeit.
Die guten Mälzungseigenschaften, die auch beim Bierbrauen genutzt werden,
wirken auf den Zuckerprozess. Die schon äußerlich erkennbare intensiven
Grannenbildung zeigt die enge Verwandtschaft zum Kiesel. Gerste wirkt
deshalb vor allem auf das Gehirn mit dem Nervensystem sowie auf den
Stoffwechsel und die Muskulatur.

Verwendung
Ein wichtiges Nahrungsmittel insbesondere in der Nachkriegszeit
waren Gerstengraupen. Wegen ihres hohen Nährwerts und der guten
Verträglichkeit standen sie regelmäßig auf dem Speiseplan. In den letzten
Jahren ist dies leider in Vergessenheit geraten. Dabei ist eine Graupensuppe
eine schmackhafte und magenfreundliche Speise. Auch können
Gerstengraupen - ähnlich wie Risottoreis - zu einem sämigen Getreidegericht
zubereitet werden.
Wegen des geringen Glutengehalts lässt sich Gerstenmehl alleine nicht zu
Brot verbacken. Unter Zugabe von mindestens 40% Weizen- oder Dinkelmehl
lassen sich aber schmackhafte und gesunde Brote backen.
Im Müsli oder als Brei geben Gerstenflocken einen besonderen Geschmack.
Vor allem aber sorgen sie für gute Verträglichkeit. Ein Gerstenbrei eignet sich
hervorragend als Aufbau-Nahrung nach Magen-Darm-Erkrankungen.
Durch Anquellen oder Rösten lässt sich die Bekömmlichkeit der Gerste noch
weiter verbessern. Dies macht man sich beispielsweise in Tibet zunutze,
wo Tsampa ein wichtiges Grundnahrungsmittel ist. Hierbei handelt es sich um
ein Mehl aus gerösteten Gerstenkörnern.
Seit Urzeiten als Heilmittel bekannt ist auch Gerstenwasser. Hierbei werden
Gerstenkörner mit Wasser aufgekocht und anschließend abgesiebt.
Besonders nährstoffreich ist Gerstengras. Es wird aus Nacktgerste gezogen
und anschließend in Smoothies, Salaten oder als Kräuterzugabe zu
Gemüsegerichten verwendet.
 
Ackerpflanze/Feldfrucht-Kurz-Steckbrief
"Gerste"
Botanischer Name: Hordeum vulgare
Deutscher Name: Gerste
Ordnung: Süßgrasartige (Poales)
Familie: Süßgräser (Poaceae)
Gattung: Gerste (Hordeum)
Weitere Synonyme/Volksnamen: Mehrzeilige Gerste, Saat-Gerste,
Sechszeilige Gerste;
 
Gerste Erkennungsmerkmale/Bestimmungshilfe:
Gerste wird als Winter- und Sommergetreide nahezu weltweit angebaut.
Gerste als eine der ältesten Getreidearten wurde vor 6000 Jahren bereits in
Asien angebaut. Die unterschiedlichen Formen differenzieren in nackt und
bespelzt, mehrzeilige und zweizeilige Varietäten, die dicht- oder
lockerährig, begrannt oder unbegrannt sein können. Auch Kornfarbe und
Spelzenlänge wie –form können sehr unterschiedlich sein.
 
Hinweis: Da es viele Sorten gibt, sind die hier beschrieben
Bestimmungsmerkmale sehr “grob gefasst”. Die Merkmale können von
Sorte zu Sorte stark abweichen. 
 
Wuchshöhe: ca. 70 - 120 cm hoch;
Blattöhrchen: groß, meist halmumfassend; 
Blatthäutchen (Ligula): schmal bis mittelgroß, leicht gezähnt
Deckspelzen: begrannt mit langen Grannen (ca. 8 bis 15 cm), wenn man
darüber mit den Fingern entlang fährt, fühlt sich das ganz rau wie
Sandpapier an;
Kornanlage: zwei- oder mehrzeilig (4-6) (Sommergerste meist 2zeilig)
Ährchen pro Ähre: ca. 25 bis 30 Ährchen. Die Ähren neigen sich oder
hängen im reifen Zustand.
Körner pro Ährchen: 1 Korn (voll und kräftig ausgebildet) bei zweizeilig
und drei Körner (weniger kräftig entwickelt) bei 4- und 6-zeiligen Formen
Körner: Körner sind strohgelb, dick und spitz, Spelze mit Fruchtwand
verwachsen (gibt aber auch Nacktgerste);
Bestäubung: vorwiegend Selbstbefruchtung bei geschlossenen Blüten,
selten Fremdbefruchtung durch Windbestäubung;
 
Verwendungszweck: Wintergerste wird vor allem für Tierfutter verwendet,
Sommergerste wird als Braugerste zu Bier verarbeitet;
Anbau der Ackerpflanze/Feldfrucht
Die Gerste zählt zu den Selbstbefruchtern; man unterscheidet zwischen
Winter- und Sommergerste. Wintergerste, die im September gesät wird, ist
ertragreicher. Ideale Wachstumsbedingungen für die Wintergerste sind
Temperaturen unter 10 °C. Bei länger anhaltenden Temperaturen unter -15
°C erfriert die Wintergerste. Die Ausbildung von Nebentrieben
(Bestockungstrieben) ist vor dem Winter abgeschlossen. Aus ihnen
entwickeln sich im nächsten Frühjahr die Ähren tragenden Halme. Gerste
gedeiht am besten auf tiefgründigen, gut durchfeuchteten Böden, aber auch
mit ungünstigeren Bedingungen kommt sie zurecht. In der Regel beginnt
die alljährliche Getreideernte mit der Wintergerste.

Die Aussaat der Sommergerste erfolgt Ende Februar bis Anfang April. Sie
reift in weniger als 100 Tagen heran. Nach den Phasen der Bestockung,
des Schossens und des Ährenschiebens folgen Blüte und Ernte.

Die Ernte erfolgt bei Voll- bis Totreife. Wintergerste liefert je nach Standort
zwischen 50 und 90 dt/ha, Sommergerste 40-65 dt/ha Fruchtertrag. In
Deutschland wird die Wintergerste auf ca. 1,24 Mio. Hektar angebaut,
während die Sommergerste auf ca. 0,5 Millionen Hektar angebaut wird.
Geschichte & Entwicklung
Ursprungsgebiete der Gerste sind der Vordere Orient und der östliche
Balkan. Die ältesten Nachweise von Gerstenutzung lassen sich bis 15.000
v. Chr. zurückdatieren. Gerste ist eng verwandt mit der im Nahen Osten
vorkommenden Wildgerste (Hordeum vulgare subsp. spontaneum). Als
klassisches Getreide der Antike wurde sie vor mehr als 8000 Jahren im
Zweistromland und am Nil angebaut; Gerste, Einkorn und Emmer waren die
ersten vom Menschen gezielt angebauten Getreidearten. Ab 7000 v. Chr.
begann die systematische Zuchtauswahl und seit der Jungsteinzeit (5500 v.
Chr.) wird auch in Mitteleuropa Gerste angebaut.

Bei Wildgerste fallen die reifen Körner aus der Ähre und müssen mühsam
aufgesammelt werden. Kulturgerste entstand wahrscheinlich durch eine
nicht gezielte Auslese der Menschen, die bevorzugt eine Mutation ernteten
und pflegten, bei der die reifen Körner in der Ähre blieben.

Im Mittelalter wurde die Gerste als ertragreiches Viehfutter geschätzt.


Durch die Züchtung anspruchsloser Sorten können die Erträge mit denen
von Weizen konkurrieren. Neben der Qualitätssteigerung versuchte die
Züchtung, auch eine technisch besser handhabbare grannenlose Gerste zu
erzeugen. Dies ist zwar gelungen (Sorten wie Ogra, Nudinka), die Form hat
sich aber nicht durchgesetzt. Hierbei darf nicht vernachlässigt werden, dass
auch die Granne photosynthetisch aktiv ist.
Beschreibung der Ackerpflanze/Feldfrucht -
Bestimmung
Gerste ist ein einjähriges Gras, das Wuchshöhen von 0,7 bis 1,2 m erreicht.
Die Pflanze ist glatt und unbehaart. Der Halm ist aufrecht. Die
wechselständig und zweizeilig (distich) angeordneten Laubblätter sind
einfach und parallelnervig. Die flache Blattspreite weist eine Länge von 9
bis 25 cm und eine Breite von 0,6 bis 2 cm auf. Die wichtigsten
morphologischen Erkennungsmerkmale sind die zwei langen,
unbewimperten Blattöhrchen der Blattscheide, die den Halm vollständig
umschließt. Das schmale und leicht gezähnte Blatthäutchen (Ligula) ist 1
bis 2 mm lang. Das Tausendkorngewicht liegt bei 35–50 Gramm.

Der ährige Blütenstand besitzt eine flexible, also nicht zerbrechliche


Rhachis, darin unterscheidet sie sich von den anderen Hordeum-Arten. Die
in Reihen stehenden, ungestielten Ährchen sind alle gleich und fertil. Die
Ährchen enthalten meist nur eine Blüte, selten zwei. Die Hüllspelze ist
lineal-lanzettlich. Die Grannen sind 8 bis 15 cm lang.

Der ährige Fruchtstand mit langen Grannen ist im reifen Zustand geneigt
bis hängend. Botanisch betrachtet sind die Körner Karyopsen, also
einsamige Schließfrüchte.

Gerste wird anhand der unterschiedlichen Ähren in zwei- und mehrzeilige


Formen unterschieden. Die zweizeiligen Formen entwickeln pro
Ansatzstelle nur ein Korn, das voll und kräftig ausgeprägt ist. Bei den
mehrzeiligen Formen treten drei Körner pro Ansatzstelle auf, die sich
schwächer entwickeln. Zweizeilige Gerstensorten (überwiegend
Sommergerste) finden vorwiegend bei der Bierherstellung als Braugerste
Verwendung (Malz). Vier- und sechszeilige Gerstensorten sind
überwiegend Wintergerstensorten, die im Herbst gesät werden und eine
Vernalisation zum Schossen benötigen. Durch effektive Nutzung der
Winterfeuchtigkeit sind die Erträge höher und die Nährstoffe günstig für die
Verwendung als Futtergerste.
 
Unterarten und Varietäten[Bearbeiten

 Wildgerste (Hordeum vulgare subsp. spontaneum)


 Kulturgerste (Hordeum vulgare L. subsp. vulgare):

o Zweizeilige Gerste (Hordeum vulgare f. distichon)
o Mehrzeilige Gerste:
o
 Rollgerste (Hordeum vulgare f. hexastichon)
 Hordeum vulgare f. agriochriton
 Hordeum vulgare var. coeleste L.
 Hordeum vulgare var. trifurcatum (Schlechtendal) Alefeld

Nutzung der Ackerpflanze/Feldfrucht


Wintergerste wird überwiegend als Tierfutter verwendet (Futtergerste); sie
zeichnet sich gegenüber der Sommergerste durch höhere Erträge und
mehr Eiweiß (12–15 %) aus.

Für die menschliche Ernährung kommt überwiegend Sommergerste als


Braugerste zum Einsatz. In nicht gemälzter Form wird Gerste zu Grütze
oder Graupen verarbeitet und gelegentlich auch zu Mehl gemahlen.

Der Gerste werden auch Heilwirkungen zugesprochen. Gestampfte Gerste


(Ptisane) wird schon von Hippokrates von Kos ausführlich beschrieben.
Gerstenwasser, auch als „Tisane“ bezeichnet, war im 19. Jahrhundert ein
beliebtes Getränk für Kranke. Schösslinge wirken entwässernd und
fiebersenkend. In Japan und Korea wird Gerstentee getrunken.

Als Nachwachsender Rohstoff wird Gerste bisher kaum genutzt. Die Körner
könnten als Quelle für Stärke genutzt werden. Durch Züchtung konnte der
für technische Nutzungen interessante Anteil verzweigtkettiger Stärke
Amylopektin auf über 95 % der Gesamtstärke erhöht werden.
Zusatzinformationen / Wissenswertes
Die Körner sind, außer bei der Nacktgerste, fest mit den Spelzen
verwachsen. Vor der Zubereitung für die menschliche Ernährung müssen
sie daher entspelzt werden. Dies geschah früher in der Mühle durch einen
Gerbgang, heute wird dieser Arbeitsschritt in einer Schälmühle erledigt.
Gerste enthält Gluten, was bei Personen mit Glutenunverträglichkeit zu
gesundheitlichen Problemen führen kann. Da Bier u. a. aus Gerstenmalz
gebraut wird, wird diesen Personen oftmals auch empfohlen, den
Bierkonsum zu reduzieren.

Gerstenstroh ist im Vergleich zum Weizenstroh zwar weicher und


saugfähiger, aber als Einstreu nur bedingt geeignet. Reste von Grannen
können bei empfindlichen Tieren (Pferde, Schweine) u. a. zu Reizungen der
Atemwege führen.

Gerstengras wird häufig bei der Tiermast eingesetzt. Aufgrund des hohen
Nährstoffgehalts findet es auch Verwendung als Nahrungsergänzungsmittel
und wird in neuerer Zeit auch als Superfood gehandelt. Es enthält neben
den Vitaminen B und C auch Kalzium, Kalium und Eisen in größeren
Konzentrationen. Für den Verzehr werden die Blätter der jungen
Gerstenpflanze gefriergetrocknet. Dieses Pulver wird in kühlem Wasser
aufgelöst und eingenommen. Der Geschmack erinnert ein wenig an
verdünnten Spinat.

Da ein Gerstenkorn eine relativ konstante Größe hat, bildete es früher die
Grundlage für einige Maße und Gewichte.

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