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Sie war jung, sie war schön und sie war ungestüm. Und sie spielte eine nicht unerhebliche Rolle im Leben des
Dichters Clemens Brentano, einem der Hauptvertreter der Deutschen Romantik. Die Rede ist von Auguste
Bußmann, Nichte und Ziehkind des Bankiers Simon Moritz von Bethmann, einem der damals reichsten
Männer Europas.
Wir schreiben das Jahr 1807. Auguste ist 16 Jahre alt und verliebt sich unsterblich in den um 12 Jahre älteren
Clemens. Der Dichter erliegt dem stürmischen Werben der jungen Schönheit aus gutem Haus und stolpert in
die extremste Liebesgeschichte seines Lebens. Das Mädchen habe sich ihm "mit erschrecklicher Gewalt" an
den Hals geworfen, wie Brentano später schreibt. Nach einer dramatischen Flucht, von der jungen Auguste in
überspannter Manier inszeniert, heiraten die beiden im Dom zu Fritzlar.
Von der unzüchtigen Kleidung bis zum unhäuslichen und unweiblichen Verhalten reichen die Vorwürfe. Der
große romantische Dichter, der wortreich die Liebe außerhalb bürgerlicher Konventionen besingt, entpuppt
sich in diesem Konflikt als engherziger Spießer. Als einer, der ein angepasstes Weibchen am Herd zur Frau
wünscht, und der sich philisterhaft über jedes verrutschte Brusttuch aufregt. Nach einem Beziehungskampf
bis aufs letzte Messer, der auch die familiären Umgebungen beider Streithähne arg in Mitleidenschaft zieht,
trennen sich die beiden schon bald wieder.
Der deutsche Autor Hans Magnus Enzensberger hat diese Geschichte aufgrund der vielen Briefe der
Dichterrunde um Brentano und dessen Schwester, der romantischen Dichterin Bettina vom Arnim,
rekonstruiert. Enzensberger, der mit einer Arbeit über Brentanos Poetik promoviert hatte, wollte der wahren
Romantikerin Auguste Bußmann, dieser furchtlosen und in allen ihren Lebensäußerungen sehr extremen
Frau, ein möglichst authentisches Denkmal setzen.
Enzensbergers dokumentarische Briefcollage erschien 1988 in der Friedenauer Presse. Das Hörspiel folgt
diesem Buch, und lässt uns an einem Drama teilhaben, das sich auch unter geänderten historischen
Bedingungen heute noch genauso abspielen könnte. Denn es ist eine überaus konfliktreiche Geschichte von
männlichen Normierungswünschen, von weiblichem Aufbegehren, sowie von fatalen kulturellen
Missverständnissen zwischen den Geschlechtern!
Service
Hans Magnus Enzensberger, "Requiem für eine romantische Frau. Die Geschichte von Auguste Bußmann und
Clemens Brentano", Suhrkamp Verlag
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