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Die überarbeitete 15.

Auflage des bewährten Lehrbuchs soll Einblick in die STEFAN SEILER

15. Aufl.
Grundzüge des österreichischen Strafprozessrechts geben. Die inhaltliche
Gewichtung orientiert sich vorrangig an den Bedürfnissen der Praxis. Die
herangezogenen Beispiele sind zum überwiegenden Teil der Judikatur ent-

Strafprozessrecht
nommen worden. Sie sollen die oft sehr komplexe Gesetzesmaterie einpräg-
sam veranschaulichen und gleichzeitig einen Überblick über die einschlägige
Rechtsprechung vermitteln.
Die Neuauflage berücksichtigt bereits das Strafprozessrechtsänderungsgesetz I
2016 (BGBl I 2016/26). Die Judikatur ist bis August 2016 eingearbeitet worden. 15., überarbeitete Auflage

Dr. Stefan Seiler ist ao.Univ.-Prof. für Strafrecht und Strafverfahrensrecht.

SEILER Strafprozessrecht

ISBN 978-3-7089-1371-1

facultas.at/verlag
Strafprozessrecht
von

Dr. Stefan Seiler


ao. Universitätsprofessor für Strafrecht und Strafverfahrensrecht

15., überarbeitete Auflage

Wien 2016
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen


Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Angaben in diesem Fachbuch erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne


Gewähr, eine Haftung der Autoren oder des Verlages ist ausgeschlossen.

15., überarbeitete Auflage 2016


© 2016 Facultas Verlags- und Buchhandels AG
facultas Universitätsverlag, 1050 Wien, Österreich
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der ­Verbreitung
sowie der Übersetzung, sind vorbehalten.
Satz: Wandl Multimedia-Agentur
Druck: Finidr, s.r.o., Český Těšín
Printed in the EU
ISBN: 978-3-7089-1371-1
Vorwort

Das vorliegende Lehrbuch soll Einblick in die Grundzüge des österreichi-


schen Strafprozessrechts geben. Die inhaltliche Gewichtung orientiert sich
vorrangig an den Bedürfnissen der Praxis. Die herangezogenen Beispiele sind
zum überwiegenden Teil der Judikatur entnommen worden. Sie sollen die oft
sehr komplexe Gesetzesmaterie einprägsam veranschaulichen und gleichzeitig
einen Überblick über die einschlägige Rechtsprechung vermitteln. Die Wich-
tigkeit, sich bereits während des Studiums eine Kenntnis der einschlägigen
Judikatur zu verschaffen, kann nicht genug betont werden. Nach dem Ver-
ständnis der StPO kann es immer nur eine „rechtsrichtige“ und damit allein
maßgebliche Rechtsansicht geben, nämlich die des OGH (OGH 14.4.2011,
11 Os 25/11b EvBl-LS 2011/129; dazu auch Ratz Anm zu EvBl-LS 2016/31).
Die Neuauflage berücksichtigt bereits das Strafprozessrechtsänderungsge-
setz I 2016 (BGBl I 2016/26). Die Judikatur ist bis August 2016 eingearbeitet
worden.

Zitierte §§ ohne nähere Bezeichnung sind solche der StPO.

Stefan Seiler

Seiler, Strafprozessrecht15 5
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ......................................................................................................... 15
Abkürzungsverzeichnis . ............................................................................... 17

1. Kapitel
Einführung in das Strafprozessrecht
§ 1. Die Aufgabe des Strafprozesses . ......................................................... 21
§ 2. Schrifttum und Judikaturfundstellen..................................................... 22
§ 3. Die Auslegung strafprozessualer Normen ........................................... 22
§ 4. Der Geltungsbereich strafprozessualer Normen .................................. 23
I. Der zeitliche Geltungsbereich . ................................................... 23
II. Der räumliche Geltungsbereich................................................... 23
III. Der sachliche Geltungsbereich ................................................... 24
IV. Der persönliche Geltungsbereich . .............................................. 24
§ 5. Die leitenden Grundsätze des Strafprozessrechts ................................ 25
I. Der Grundsatz der Amtswegigkeit (§ 2) ..................................... 26
A. Allgemeines ......................................................................... 26
B. Privatanklagedelikte . ........................................................... 26
C. Ermächtigungsdelikte .......................................................... 27
D. Legalitätsprinzip .................................................................. 28
II. Der Anklagegrundsatz (§ 4) ........................................................ 29
III. Der Grundsatz der objektiven Wahrheitserforschung ................. 31
IV. Der Grundsatz der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit
(§§ 12, 13) . ................................................................................. 34
V. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung –
in dubio pro reo (§ 14) ................................................................ 36
VI. Der Grundsatz der Öffentlichkeit (§ 12) ..................................... 38
VII. Der Grundsatz der Laienbeteiligung ........................................... 40

2. Kapitel
Gerichtsaufbau und Zuständigkeit
§ 1. Allgemeines ......................................................................................... 41
§ 2. Die sachliche Zuständigkeit ................................................................. 41
I. Im Ermittlungsverfahren . ........................................................... 41
II. Im Haupt- und Rechtsmittelverfahren ........................................ 42
A. Das Bezirksgericht (BG) ...................................................... 42
B. Das Landesgericht (LG) . ..................................................... 43

Seiler, Strafprozessrecht15 7
Inhaltsverzeichnis

C. Das Oberlandesgericht (OLG).............................................. 46


D. Der Oberste Gerichtshof (OGH) .......................................... 46
§ 3. Die örtliche Zuständigkeit ................................................................... 47
I. Im Ermittlungsverfahren.............................................................. 47
II. Im Hauptverfahren ...................................................................... 49
§ 4. Zuständigkeit bei Vorliegen eines Zusammenhanges
zwischen mehreren Tätern bzw mehreren Straftaten ........................... 49
I. Konsequenzen der Konnexität im Ermittlungs-
verfahren (§ 26) .......................................................................... 50
II. Konsequenzen der Konnexität im Hauptverfahren (§ 37) .......... 50
§ 5. Die Trennung von Verfahren . .............................................................. 51
I. Im Ermittlungsverfahren (§ 27) .................................................. 52
II. Im Hauptverfahren (§ 36 Abs 4).................................................. 52
§ 6. Delegierung der Zuständigkeit (§§ 28, 39) .......................................... 53
§ 7. Die Beachtung der Unzuständigkeit .................................................... 54

3. Kapitel
Gerichtspersonen und Ausschließungsgründe

§ 1. Richter und Protokollführer ................................................................. 55


§ 2. Ausschließungsgründe ......................................................................... 56
I. Ausschließungsgründe für das gesamte Verfahren
(§ 43 Abs 1) . ............................................................................... 56
II. Ausschließungsgründe für bestimmte Verfahrensteile . .............. 58
III. Anzeige der Ausgeschlossenheit (§ 44) ...................................... 60
IV. Die Entscheidung über die Ausschließung (§ 45) ....................... 60
V. Befangenheit von Kriminalpolizei und
Staatsanwaltschaft (§ 47) ............................................................ 62

4. Kapitel
Prozessparteien

§ 1. Der Beschuldigte . ................................................................................ 63


I. Allgemeines ................................................................................ 64
II. Verdächtiger – Beschuldigter (§ 48 Abs 1 Z 1 u 2) ..................... 64
III. Die Rechte des Beschuldigten (§ 49) .......................................... 65
IV. Rechtsbelehrung (§ 50)................................................................ 68
§ 2. Der Verteidiger . ................................................................................... 69
I. Allgemeines – Rechte des Verteidigers . ..................................... 69
II. Wahlverteidiger............................................................................ 72
III. Notwendige Verteidigung (§ 61 Abs 1) . ..................................... 73

8
Inhaltsverzeichnis

A. Amtsverteidiger (§ 61 Abs 3) ............................................... 73


B. Verfahrenshilfeverteidiger (§ 61 Abs 2) ............................... 74
IV. Verteidigung des festgenommenen Beschuldigten...................... 75
§ 3. Der Machthaber (§ 455 Abs 2) . ........................................................... 76
§ 4. Der Haftungsbeteiligte (§ 64) .............................................................. 76
§ 5. Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Verbänden .............................. 77
§ 6. Die Staatsanwaltschaft (StA) ............................................................... 78
§ 7. Der Privatankläger (PA) . ..................................................................... 81
§ 8. Das Opfer ............................................................................................. 83
I. Opferbegriff ................................................................................ 83
II. Die Rechte des Opfers (§ 66) ...................................................... 84
III. Besonders schutzbedürftige Opfer (§ 66a) ................................. 86
IV. Der Privatbeteiligte (PB) ............................................................ 86
A. Das Opfer als Privatbeteiligter (§ 65 Z 2) ............................ 86
B. Die Rechte des Privatbeteiligten (§ 67 Abs 6)...................... 88
C. Schadenersatzansprüche ...................................................... 88
D. Entscheidung über die Schadenersatzansprüche .................. 89
§ 9. Der Subsidiarankläger (SA) ................................................................. 90

5. Kapitel
Entscheidungsarten – Zustellung – Fristen

§ 1. Urteile .................................................................................................. 92


§ 2. Beschlüsse (§§ 85ff) – Verfügungen .................................................... 93
§ 3. Die Entscheidungsfindung bei Kollegialgerichten .............................. 93
§ 4. Zustellung ............................................................................................ 95
§ 5. Fristen .................................................................................................. 96

6. Kapitel
Amtssprache – Rechtshilfe – Informationstechnik

§ 1. Die Amtssprache .................................................................................. 97


§ 2. Amts- und Rechtshilfe ......................................................................... 97
§ 3. Einsatz der Informationstechnik .......................................................... 98

Seiler, Strafprozessrecht15 9
Inhaltsverzeichnis

7. Kapitel
Ermittlungsmaßnahmen und Beweisaufnahme

§ 1. Der Beweis . ....................................................................................... 100


§ 2. Die freie Beweiswürdigung ............................................................... 102
§ 3. Die einzelnen Beweismittel und ihre Aufnahme . .............................. 104
I. Erkundigungen und Vernehmungen . ........................................ 104
A. Der Zeuge . ......................................................................... 104
B. Der Beschuldigte . .............................................................. 116
C. Kontradiktorische Vernehmung (§ 165) . ........................... 121
II. Sachverständiger – Dolmetscher .............................................. 123
A. Der Sachverständige (SV) . ................................................ 123
B. Der Dolmetscher ................................................................ 125
C. Bestellung .......................................................................... 125
III. Augenschein und Tatrekonstruktion (§§ 149f) ......................... 127
IV. Der Urkundenbeweis ................................................................ 128
V. Zwangsmaßnahmen .................................................................. 128
A. Sicherstellung und Beschlagnahme (§§ 110ff) .................. 128
B. Auskunft aus dem Kontenregister und Auskunft
über Bankkonten und Bankgeschäfte (§ 116) .................... 131
C. Identitätsfeststellung (§ 118) . ............................................ 133
D. Durchsuchung von Orten und Gegenständen sowie
von Personen (§§ 119ff) ..................................................... 133
E. Körperliche Untersuchung (§ 123) .................................... 136
F. Molekulargenetische Untersuchung (§ 124) ...................... 138
VI. Heimliche Informationseingriffe .............................................. 139
A. Observation (§ 130) ........................................................... 139
B. Verdeckte Ermittlung (§ 131) . ........................................... 139
C. Scheingeschäft (§ 132) . ..................................................... 140
D. Formelle Voraussetzungen ................................................. 141
VII. Überwachung von Nachrichten und Personen .......................... 141
A. Beschlagnahme von Briefen und Papieren
(§ 135 Abs 1) . .................................................................... 142
B. Nachrichten (§ 135 Abs 2 u 3) ........................................... 142
C. Optische und akustische Überwachung von
Personen (§ 136)................................................................. 144
D. Formelle Voraussetzungen ................................................. 146
VIII. Automationsunterstützter Datenabgleich (§§ 141ff) ................ 147
IX. Schutz der geistlichen Amtsverschwiegenheit und
von Berufsgeheimnissen ........................................................... 148
X. Rechtsschutz und Schadenersatz .............................................. 149

10
Inhaltsverzeichnis

8. Kapitel
Fahndung, Festnahme und Untersuchungshaft

§ 1. Ladung – Vorführung ......................................................................... 150


§ 2. Die Fahndung (§§ 167ff) ................................................................... 151
§ 3. Das private Anhalterecht (§ 80 Abs 2) ............................................... 151
§ 4. Die Festnahme (§§ 170ff) .................................................................. 152
I. Betreten auf frischer Tat (§ 170 Abs 1 Z 1) . ............................. 153
II. Fluchtgefahr (§ 170 Abs 1 Z 2) ................................................. 153
III. Verdunkelungsgefahr (§ 170 Abs 1 Z 3) ................................... 153
IV. Tatbegehungs- oder Ausführungsgefahr (§ 170 Abs 1 Z 4) ...... 154
V. Obligatorische Festnahme (§ 170 Abs 2) . ................................ 155
§ 5. Anordnung der Festnahme ................................................................. 155
§ 6. Die Untersuchungshaft (§§ 173ff) ..................................................... 157
I. Die Voraussetzungen . ............................................................... 157
II. Zuständigkeit für die Verhängung der Untersuchungshaft ....... 160
III. Die Haftverhandlung (§ 176) .................................................... 160
IV. Höchstdauer der Untersuchungshaft ......................................... 162
V. Gelindere Mittel ........................................................................ 163
VI. Die Anrechnung der Untersuchungshaft ................................... 164
§ 7. Die Auslieferungshaft ........................................................................ 164
§ 8. Besonderer Rechtsschutz ................................................................... 165
§ 9. Die Entschädigung für erlittene Haft ................................................. 167
I. Allgemeines .............................................................................. 167
II. Entschädigungsfälle .................................................................. 168
III. Ausschluss oder Minderung des Ersatzanspruchs .................... 169
IV. Das Verfahren ........................................................................... 170

9. Kapitel
Der Gang des Verfahrens in erster Instanz

§ 1. Die Strafanzeige . ............................................................................... 171


§ 2. Das Ermittlungsverfahren................................................................... 173
I. Allgemeines .............................................................................. 173
A. Beginn des Strafverfahrens ................................................ 173
B. Kooperationsmodell ........................................................... 174
C. Protokollierung (§§ 95ff) ................................................... 174
II. Die Kriminalpolizei im Ermittlungsverfahren .......................... 176
III. Die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren ..................... 177
IV. Das Gericht im Ermittlungsverfahren ....................................... 178
A. Beweisaufnahme (§ 104) ................................................... 178

Seiler, Strafprozessrecht15 11
Inhaltsverzeichnis

B. Bewilligung von Zwangsmitteln (§ 105) ........................... 179


C. Rechtsschutz im Ermittlungsverfahren (§§ 106, 108) . ...... 179
§ 3. Die Beendigung des Ermittlungsverfahrens ...................................... 183
I. Einstellung (§ 190) . .................................................................. 183
II. Einstellung wegen Geringfügigkeit (§ 191) . ............................ 183
III. Einstellung bei mehreren Straftaten (§ 192).............................. 185
IV. Prozessuale Konsequenzen........................................................ 186
A. Allgemeines ....................................................................... 186
B. Fortführung auf Anordnung der StA (§ 193) . .................... 187
C. Fortführung auf Antrag des Opfers (§ 195) . ...................... 187
V. Abbrechung des Ermittlungsverfahrens gegen Abwesende
und gegen unbekannte Täter (§ 197) . ....................................... 189
§ 4. Diversion (§§ 198ff): Alternative Beendigungsmöglichkeiten
des Verfahrens im Bereich der leichten und mittelschweren
Kriminalität ........................................................................................ 190
I. Allgemeines .............................................................................. 190
A. Voraussetzungen für eine diversionelle Erledigung............ 190
B. Prinzip der Freiwilligkeit.................................................... 193
C. Stellung des Opfers ............................................................ 194
II. Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines
Geldbetrages (§ 200) . ............................................................... 195
III. Rücktritt von der Verfolgung nach gemeinnützigen
Leistungen (§ 201) .................................................................... 195
IV. Rücktritt von der Verfolgung nach einer Probezeit (§ 203) ...... 196
V. Rücktritt von der Verfolgung nach einem Tat-
ausgleich (§ 204) . ..................................................................... 197
VI. Nachträgliche Einleitung oder Fortsetzung des
Strafverfahrens (§ 205) ............................................................. 198
VII. Diversion durch das Gericht ..................................................... 199
§ 5. Die Anklage ....................................................................................... 199
I. Allgemeines .............................................................................. 199
II. Die Anklageschrift .................................................................... 200
III. Der Anklageeinspruch (§§ 212ff) ............................................. 202
IV. Der Strafantrag . ........................................................................ 203
§ 6. Vorbereitungen zur Hauptverhandlung .............................................. 203
§ 7. Die Hauptverhandlung (HV) ............................................................. 204
I. Die Zusammensetzung des Gerichts ......................................... 205
II. Die Prozessleitung .................................................................... 208
III. Der Gang des Verfahrens in der Hauptverhandlung ................. 208
A. Formalien am Beginn der HV............................................. 208
B. Die Vernehmung des Angeklagten ..................................... 208
C. Das Beweisverfahren ......................................................... 209
D. Unterbrechung und Vertagung der Hauptverhandlung ...... 213

12
Inhaltsverzeichnis

E. Die Erhebung einer weiteren Anklage in der


Hauptverhandlung . ............................................................ 214
F. Schlussvorträge .................................................................. 216
IV. Das Protokoll ............................................................................ 217
V. Abwesenheitsverfahren (§ 427) ................................................ 218
§ 8. Das Urteil ........................................................................................... 220
I. Der Freispruch .......................................................................... 222
A. Der Freispruch als Formalurteil ......................................... 222
B. Der Freispruch als Sachurteil ............................................. 223
II. Der Schuldspruch . .................................................................... 224
III. Das Unzuständigkeitsurteil ....................................................... 226
IV. Strafnachsicht ........................................................................... 227
V. Urteilsverkündung und Urteilsausfertigung . ............................ 229
A. Mündliche Urteilsverkündung ........................................... 229
B. Schriftliche Urteilsausfertigung ......................................... 229
C. Protokollvermerk – Urteil in gekürzter Form
(§ 270 Abs 4; § 271 Abs 1a) ............................................... 233

10. Kapitel
Die besonderen Verfahrensarten

§ 1. Das Geschworenenverfahren (§§ 301ff) ............................................ 235


I. Die Arten der Fragen . ............................................................... 236
A. Die Hauptfrage (§ 312) ...................................................... 236
B. Die Eventualfrage (§ 314) . ................................................ 238
C. Die Zusatzfrage (§§ 313, 316) ........................................... 239
II. Das weitere Verfahren . ............................................................. 242
III. Das Monitur- oder Verbesserungsverfahren (§ 332 Abs 4) . ..... 245
IV. Die Aussetzung der Entscheidung (§ 334) . .............................. 246
V. Das Verfahren bis zur Urteilsfällung . ....................................... 247
§ 2. Das Verfahren vor dem Bezirksgericht (§§ 447ff) ............................. 247
§ 3. Das Verfahren vor dem Einzelrichter des LG (§§ 484ff) ................... 249
§ 4. Das Mandatsverfahren (§ 491) . ........................................................... 249

11. Kapitel
Das Rechtsmittelverfahren

§ 1. Die Rechtskraft .................................................................................. 252


§ 2. Die Rechtsmittel (RM) . ..................................................................... 253
I. Die wichtigsten Rechtsmittel im Überblick .............................. 254

Seiler, Strafprozessrecht15 13
Inhaltsverzeichnis

A. Nichtigkeitsbeschwerde (NB) ............................................ 254


B. Strafberufung ..................................................................... 254
C. Berufung gegen Urteile des BG bzw ER des LG ............... 254
D. Beschwerde ........................................................................ 255
II. Die Berechtigung zum Erheben eines Rechtsmittels ................ 255
III. Der Umfang eines Rechtsmittels .............................................. 257
IV. Das Einbringen eines Rechtsmittels ......................................... 258
A. Die Anmeldung eines Rechtsmittels .................................. 259
B. Die Ausführung eines Rechtmittels..................................... 260
§ 3. Die Nichtigkeitsbeschwerde (NB) ..................................................... 263
I. Allgemeines .............................................................................. 263
A. Prozessuale – materielle Nichtigkeitsgründe ..................... 264
B. Absolute – relative Nichtigkeitsgründe . ............................ 264
II. Die prozessualen Nichtigkeitsgründe........................................ 265
A. Formelle Fehler im Ermittlungsverfahren . ........................ 265
B. Formelle Fehler im Stadium der Hauptverhandlung . ........ 266
C. Formelle Fehler im Urteil .................................................. 274
III. Die materiellen Nichtigkeitsgründe .......................................... 284
A. Unrichtige Beurteilung der gerichtlichen Strafbarkeit ....... 285
B. Unrichtige Beurteilung von Strafbarkeits- oder
Verfolgungshindernissen . .................................................. 286
C. Unrichtige Beurteilung der Verfolgungsbefugnis .............. 287
D. Unrichtige rechtliche Beurteilung der gerichtlich
strafbaren Handlung............................................................ 287
E. Nichtdurchführung der Diversion ...................................... 289
F. Gesetzwidrige Strafzumessung .......................................... 290
IV. Die prozessuale Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde........ 293
A. Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde durch die
erste Instanz ....................................................................... 293
B. Entscheidung des OGH über die Nichtigkeits-
beschwerde.......................................................................... 294
§ 4. Die Strafberufung .............................................................................. 298
§ 5. Die Berufung gegen Urteile des Bezirksgerichts und des
Einzelrichters des LG . ....................................................................... 301
I. Die Nichtigkeitsberufung (§ 464 Z 1) . ..................................... 302
II. Die Schuldberufung (§ 464 Z 2) ............................................... 302
III. Die Strafberufung (§ 464 Z 2) .................................................. 303
IV. Die Bekämpfung der Entscheidung über privatrechtliche
Ansprüche (§ 464 Z 3) .............................................................. 303
V. Die prozessuale Behandlung der Berufung . ............................. 303
§ 6. Die Beschwerde (§§ 87ff) .................................................................. 304

14
Inhaltsverzeichnis

12. Kapitel
Rechtsbehelfe

§ 1. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 364).......................... 306


I. Allgemeines .............................................................................. 306
II. Voraussetzungen........................................................................ 306
III. Verfahren . ................................................................................. 308
§ 2. Die ordentliche Wiederaufnahme des Strafverfahrens (§§ 352ff)...... 308
I. Die Wiederaufnahme eines durch Urteil beendeten
Verfahrens ................................................................................. 309
A. Die Wiederaufnahme zum Vorteil des
Beschuldigten (§ 353) ........................................................ 309
B. Die Wiederaufnahme zum Nachteil des
Beschuldigten (§§ 355, 356) .............................................. 311
II. Die Wiederaufnahme eines eingestellten Verfahrens (§ 352) ... 312
III. Das Verfahren bei der Wiederaufnahme.................................... 313
A. Antrag ................................................................................ 313
B. Bewilligung . ...................................................................... 313
§ 3. Die außerordentliche Wiederaufnahme des Verfahrens...................... 314
I. Die formlose Wiederaufnahme (§ 363) . ................................... 315
II. Die außerordentliche Wiederaufnahme durch den
OGH (§ 362).............................................................................. 315
§ 4. Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes (§ 23) . ....... 316
§ 5. Die Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a) . .................................. 319
§ 6. Die nachträgliche Änderung der Strafe............................................... 320

13. Kapitel
Die Kosten des Strafverfahrens

§ 1. Die Pauschalkosten ............................................................................ 323


§ 2. Die sonstigen Kosten ......................................................................... 324
§ 3. Die Kostenlast . .................................................................................. 325
§ 4. Die Kostenbestimmung . .................................................................... 328

14. Kapitel
Die Vollstreckung der Urteile

§ 1. Der Vollzug der ausgesprochenen Freiheitsstrafe .............................. 329


§ 2. Die Einbringung der ausgesprochenen Geldstrafe . ........................... 329
§ 3. Strafregistergesetz und Tilgungsgesetz . ............................................ 330

Seiler, Strafprozessrecht15 15
Inhaltsverzeichnis

I. Die Führung des Strafregisters................................................... 330


II. Die Strafregisterauskunft .......................................................... 330
III. Die Strafregisterbescheinigung . ............................................... 330
IV. Die Beschränkung der Auskunft ............................................... 331
V. Die Tilgung ............................................................................... 332
§ 4. Das Gnadenverfahren ........................................................................ 333

Stichwortverzeichnis . ................................................................................. 335


1. Kapitel
Einführung in das Strafprozessrecht

§ 1. Die Aufgabe des Strafprozesses


Bertel Auf dem Weg zum Polizeistaat: Das StrafprozessreformG, in Burgstaller-FS
(2004), 239; ders Die Willkür der Justiz und die Ohnmacht des Bürgers – Was man
aus einem Fehlurteil lernen sollte, Juridikum 2004, 121; Hollaender Die „Fairness des
Strafverfahrens“ und das „richtige Verfahrensergebnis“, AnwBl 2005, 275; Lambauer
Ziele des Strafprozessreformgesetzes in Österreich, LJZ 2004, 93; Ratz Wechselwir-
kungen zwischen Judikatur und Legislative im Strafprozessreformgesetz, ÖJZ 2005/42.

Die Strafprozessordnung (StPO) regelt das Verfahren über die Aufklärung 1


von Straftaten, über die Verfolgung verdächtiger Personen und über damit zu-
sammenhängende Entscheidungen. Der Strafprozess gehört zum Bereich des
öffentlichen Rechts. Das Recht zu strafen (ius puniendi) steht nur dem Staat
zu, auch wenn der zur Anklage Berechtigte eine Privatperson ist (Privatankla-
gedelikte, zB Üble Nachrede, § 111 StGB).
An das Strafverfahren wird die Anforderung größtmöglicher Effizienz bei 2
der Überführung von Straftätern gestellt. Durch die Strafverfolgung wird tief in
die Rechte und Privatsphäre eines Tatverdächtigen eingegriffen. Zur Verwirk-
lichung des staatlichen Strafanspruchs dürfen daher nur Mittel zum Einsatz
kommen, welche im Verhältnis zur aufzuklärenden Tat angemessen erschei-
nen (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, § 5) und die rechtliche Stellung des
Beschuldigten als selbständiges Prozesssubjekt und Prozesspartei wahren.
Das Strafverfahrensrecht muss vor allem auch einen wirkungsvollen Schutz 3
vor rechtswidrigen Eingriffen bieten. Gleichberechtigt neben dem Erfor-
dernis der effektiven Strafverfolgung steht die Gewährleistung des prozess-
ordnungsgemäßen Zustandekommens einer gerichtlichen Entscheidung als
weitere Aufgabe des Strafprozessrechts. Der Gesetzgeber erachtet es sogar für
erforderlich, in § 5 ausdrücklich auf den Gesetzmäßigkeitsgrundsatz hinzuwei-
sen, obwohl dieser eigentlich zum Selbstverständnis eines Rechtsstaates gehö-
ren sollte. In der gesetzmäßigen Korrektheit eines jeden Strafverfahrens spie-
gelt sich der Stellenwert wider, den die einzelnen Strafverfolgungsorgane der
Wahrung der Rechtsstaatlichkeit beizumessen gewillt sind. Damit verbindet
sich unmittelbar die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates in der Bevölkerung.
Das Strafverfahren gliedert sich in drei Abschnitte: Ermittlungsverfahren, 4
Hauptverfahren, Rechtsmittelverfahren. Das Ermittlungsverfahren schafft
die Basis für das anschließende Hauptverfahren. In einem Rechtmittelverfah-
ren kann das Urteil, mit dem das Hauptverfahren abgeschlossen wurde, über-
prüft werden.
Eine wichtige Alternative zum gerichtlichen Strafverfahren stellt die Di- 5
version dar (§§  198–209). Zahlreiche Delikte im Bereich der leichten und

Seiler, Strafprozessrecht15 21
Einführung in das Strafprozessrecht

mittelschweren Kriminalität werden mittlerweile verfahrensökonomisch di-


versionell erledigt. Es wird damit versucht, die Stigmatisierungseffekte von
strafrechtlichen Verurteilungen zu vermeiden, ohne die Resozialisierung des
Täters aus den Augen zu verlieren (Rz 685ff).

§ 2. Schrifttum und Judikaturfundstellen


6 Kommentare: Bertel/Venier Kommentar zur Strafprozessordnung (2012); Fabrizy
Die österreichische Strafprozessordnung, Kurzkommentar12 (2014), Fuchs/Ratz (Hrsg)
Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung (WK-StPO); Mayerhofer/Hollaender Das
österreichische Strafrecht, Zweiter Teil, Strafprozessordnung, 1.6 u. 2.Halbbd6 (2011,
2013).

7 Judikaturveröffentlichungen (Auswahl): Sammlung der Entscheidungen des


Obersten Gerichtshofes in Strafsachen (zit: SSt Bandzahl/Nummer bzw Jahr/Nummer);
Evidenzblatt der Österreichischen Juristenzeitung (zit: EvBl Jahr/Nummer); Juristische
Blätter (zit: JBl Jahr, Seite); Österreichischen Richterzeitung (zit: RZ Jahr, Seite; ab
dem Jahre 1973 zit: RZ Jahr/Nummer); Zeitschrift für Verkehrsrecht (zit: ZVR Jahr/
Nummer). Bloß die Leitsätze von Entscheidungen finden sich in der Leitsatzkartei (zit:
ÖJZ-LSK bzw EvBl-LS Jahr/Nummer) und der Beilage „Neue Rechtsprechung“ (zit:
NRsp Jahr/Nummer) der Österreichischen Juristenzeitung.

8 Systematische Darstellungen des Strafverfahrens: Bertel/Venier Strafprozess-


recht9 (2016); Birklbauer Strafprozessrecht2 (2014); Nimmervoll Das Strafverfahren
(2014); Schroll/Schillhammer Rechtsmittel in Strafsachen2 (2014); Einblicke in die
Praxis des Strafprozesses gewinnt man bei Hoinkes-Wilflingseder/Lambauer Musterakt
Strafprozess (2008).

§ 3. Die Auslegung strafprozessualer Normen

9 Die StPO enthält keine speziellen Regeln über die Auslegung ihrer Vor-
schriften. Es ist daher auf die allgemein geltenden Vorschriften und Grundsät-
ze bei der Auslegung von Gesetzen (insb §§ 6 bis 8 ABGB) zurückzugreifen.
10 Das Analogieverbot (§ 1 StGB) besitzt für den Bereich prozessualer Nor-
men keine Geltung (EvBl 1997/38; EvBl 2000/56). Die analoge Anwendung
prozessualer Vorschriften auf Verhältnisse, die den im Gesetz geregelten nur
ähnlich sind, aber nicht ausdrücklich von der Norm erfasst werden, ist daher
grundsätzlich zulässig. Eine Einschränkung wird nur insoweit anzunehmen
sein, als der Beschuldigte dadurch nicht in seiner rechtlichen Stellung benach-
teiligt werden darf. In Bezug auf Grundrechtseingriffe lässt sich daher aus § 5
Abs 1 ein Analogieverbot ableiten (EvBl 2015/28).

22
§ 4. Der Geltungsbereich strafprozessualer Normen

§ 4. Der Geltungsbereich strafprozessualer Normen


Rosbaud Die Vorabentscheidung des EuGH im Fall Van Esbroeck, Rs C-436/04,
ÖJZ 2006/43; R.Seiler Die zeitliche Geltung von Strafgesetzen, in: Platzgummer-FS
(1995), 39; Zagler Die eingeschränkte Verantwortlichkeit und Verfolgbarkeit öffentli-
cher Mandatare (1977); ders Probleme der parlamentarischen Immunität, ÖVA 1970,
141; ders Das Privileg der beruflichen Immunität, JBl 1971, 604.

I. Der zeitliche Geltungsbereich

Grundsätzlich hat im Strafprozess jenes Recht Anwendung zu finden, wel- 11


ches im Moment der Vornahme der Verfahrensschritte Geltung besitzt. Ändern
sich prozessuale Vorschriften nach Begehung der Tat, kommt immer das neue
Recht zur Anwendung, sofern nicht Übergangsbestimmungen Gegenteiliges
anordnen.
Ein Günstigkeitsvergleich zwischen den verfahrensrechtlichen Bestim- 12
mungen zum Tatzeitpunkt und der herrschend geltenden Verfahrensordnung
findet nicht statt (EvBl 1998/213). Dies kann nachteilige Konsequenzen für
den Beschuldigten nach sich ziehen, wenn zB Beweismaterial, welches auf ge-
setzwidrige Art und Weise gewonnen wurde und unverwertbar gewesen wäre,
verwertet wird, wenn eine spätere Gesetzesänderung eine derartige Beweisge-
winnung für zulässig erklärt.

II. Der räumliche Geltungsbereich

Bei allen Verfahrensschritten österreichischer Gerichte sind die österreichi- 13


schen strafprozessualen Normen anzuwenden. Die Bestimmungen der öStPO
gelten auch dann, wenn österreichische Gerichte für ein ausländisches Gericht
im Rechtshilfeweg tätig werden. Ein Ausländer, der wegen einer Auslandstat
in Österreich verfolgt wird, untersteht genauso wie ein Inländer, der eine Tat
im Ausland begangen hat und in Österreich verfolgt wird, der österreichischen
StPO. Nur für den Bereich des StGB sieht § 65 StGB teilweise eine Berück-
sichtigung ausländischen Rechts vor. Das Verfahren wird aber immer auf der
Grundlage der öStPO durchgeführt, und auch das Urteil ergeht nach inländi-
schem Recht.
Die Anhängigkeit eines Verfahrens vor einem ausländischen Strafgericht 14
bildet mangels inländischer Rechtsanhängigkeit oder Rechtskraftwirkung kein
Verfolgungshindernis. Der Grundsatz „ne bis in idem“ ist aber hinsichtlich
einer ausländischen Verurteilung nach § 65 Abs 4 StGB zu beachten, was dazu
führt, dass die Strafbarkeit im Inland unter bestimmten Voraussetzungen ent-
fällt (vgl Art 54 SDÜ, JBl 2005, 328; Seiler AT I3, Rz 974ff).

Seiler, Strafprozessrecht15 23
Einführung in das Strafprozessrecht

III. Der sachliche Geltungsbereich


15 Die Bestimmungen der StPO finden auf alle strafbaren Handlungen Anwen-
dung, die nach einem Bundes- oder Landesgesetz den Gerichten zur Aburtei-
lung zugewiesen sind (§ 1 Abs 1). Neben den im StGB genannten Delikten
findet die StPO somit auch auf Delikte, welche in Nebengesetzen enthalten
sind, Anwendung. Nebengesetze können jedoch verfahrensrechtliche Sonder-
bestimmungen enthalten (zB Finanzvergehen, welche in die gerichtliche Zu-
ständigkeit fallen, vgl Seiler/Seiler Finanzstrafgesetz4, §§ 53, 195). Eine pri-
vate Vereinbarung hinsichtlich der Verfolgung und Bestrafung von Delikten
(ausgenommen Privatanklagedelikte, § 71) ist ohne Relevanz.

IV. Der persönliche Geltungsbereich

16 Die österreichische Strafgerichtsbarkeit erstreckt sich grundsätzlich auf alle


Personen, die sich im Inland aufhalten. Niemand darf seinem gesetzlichen
Richter entzogen werden (Art 83 Abs 2 B-VG). Es wird nicht dem Anklä-
ger überlassen, vor welchem Gericht der Prozess stattfinden soll, sondern dies
bestimmt das Gesetz mit seiner Zuständigkeitsordnung und den Regeln der
Geschäftsverteilung.

17 Ausnahmen von der österreichischen Strafgerichtsbarkeit finden sich:


A. Völkerrecht: Personen, die für sich diplomatische Immunität (Exter-
ritorialität) in Anspruch nehmen können, unterliegen nicht der österreichi-
schen Gerichtsbarkeit. Eine Beschlagnahme oder Untersuchung ist bei ihnen
nicht zulässig. Sie unterstehen auch nicht als Zeugen den inländischen Ge-
richten (vgl Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen, BGBl
1966/66; Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen, BGBl
1969/318; Bundesgesetz über die Einräumung von Privilegien und Immuni-
täten an internationale Organisationen, BGBl 1977/677). Die konsularische
Immunität greift hingegen nur ein, wenn die Straftat in Wahrnehmung kon-
sularischer Aufgaben begangen wurde (Art 43 Abs 1 des Wiener Übereinkom-
mens über konsularische Beziehungen, NJW 2004, 3273).

18 B. Immunität von Abgeordneten: Immunität besitzen die Mitglieder des


Nationalrates, des Bundesrates und der Landtage (Art 57, 58, 96 B-VG).
19 Nach Art 57 Abs 1 B-VG können Abgeordnete für Abstimmungen im Na-
tionalrat sowie für mündliche oder schriftliche Äußerungen in Ausübung ih-
rer Abgeordnetenfunktion nicht strafrechtlich verantwortlich gemacht werden.
Eine Verantwortung für Reden im Parlament, für Interpellationen und für Äu-
ßerungen in den Ausschüssen hat nur vor dem Nationalrat zu erfolgen. Auch
Äußerungen im Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit eines Abge-

24
§ 5. Die leitenden Grundsätze des Strafprozessrechts

ordneten, zB Reden in Wahlversammlungen, sind immunisiert, um jegliche


durch ein Strafverfahren bedingte Behinderung des Mandats auszuschließen
(Art 57 Abs 2 bis 5 B-VG). Die Rede bei einem Tierschutzverein, dessen Prä-
sident der Abgeordnete ist, wird davon aber nicht erfasst. Ob eine Äußerung in
einem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Abgeordneten steht,
hat die Behörde grundsätzlich selbst zu entscheiden. Eine Entscheidung des
Vertretungskörpers ist jedoch einzuholen, wenn der Abgeordnete oder ein Drit-
tel der Mitglieder des Immunitätsausschusses dies verlangt. Die Immunität des
Abgeordneten stellt ein Verfolgungshindernis dar. Eine Verhaftung darf nur
mit Zustimmung des Nationalrates erfolgen, außer der Abgeordnete wird auf
frischer Tat wegen eines Verbrechens betreten. Dasselbe gilt für eine Haus-
durchsuchung.
Nicht immunisiert sind Handlungen, welche offensichtlich in keinem Zu- 20
sammenhang mit der politischen Tätigkeit stehen: Ein Abgeordneter begeht
zB einen Raub. Verschuldet ein Abgeordneter auf dem Weg zur Sitzung des
Nationalrates einen Verkehrsunfall, hängt dies ebenfalls nicht spezifisch mit
seiner politischen Funktion zusammen.
Die Immunität befreit Abgeordnete nicht von der Zeugenpflicht. Weigert 21
sich ein Abgeordneter, vor Gericht zu erscheinen, oder sagt er dort nicht aus,
kann auch gegen ihn eine Beugestrafe (§§  93f) verhängt werden (JBl 1984,
679). Diese Art von Strafe stellt nur eine Zwangsmaßnahme zum Erreichen ei-
ner Aussage dar, nicht aber eine Sanktion aufgrund eines geschehenen Delikts.

C. Bundespräsident: Dieser darf, selbst wenn er auf frischer Tat betreten 22


wird, nur mit Zustimmung der Bundesversammlung verfolgt werden (Art 63
Abs 1 B-VG).

§ 5. Die leitenden Grundsätze des


Strafprozessrechts
Auer Zu den Auswirkungen eines internationalen „ne bis in idem“ für Österreich,
RZ 2000, 52; Höpfel Staatsanwalt und Unschuldsvermutung (1988); Hollaender
Grundrechte und Verfassungsprinzipien im österreichischen Strafprozessrecht (2005);
ders Wo kein Kläger, da (k)ein Richter?, JBl 2006, 25; Schmid Grundrechte im strafge-
richtlichen Verfahren, RZ 2009, 153; Schwaighofer Das Angehörigenverhältnis durch
gemeinsame Elternschaft zu einem Kind – personenstandsrechtlich oder/und biologisch
begründet?, ÖJZ 2001, 661; Seiler Die Stellung des Beschuldigten im Anklageprozess
(1996); Thienel Anklageprinzip und Zeugnisentschlagungsrecht (1991); ders Anklage-
prinzip und Verwertung erzwungener selbstbelastender Aussagen im Strafprozeß, JBl
1992, 484; Wiederin In allen Instanzen getrennt, ÖJZ 2011/38.

In den §§ 2 bis 17 werden Grundsätze festgelegt, von denen das Strafverfah- 23
ren geleitet wird. Sie stellen eine Ergänzung zu den verfassungsgesetzlichen

Seiler, Strafprozessrecht15 25
Einführung in das Strafprozessrecht

Vorgaben dar: zB Legalitätsprinzip, Art 18 Abs 1 B-VG; Prinzip der Öffent-


lichkeit, Art 90 Abs 1 B-VG; Prinzip der Laienbeteiligung, Art 91 B-VG.

I. Der Grundsatz der Amtswegigkeit (§ 2)

A. Allgemeines

24 Das Recht, jemanden wegen einer Straftat zu bestrafen (ius puniendi),


steht nur dem Staat zu. Auch das Verfolgungsrecht zur Realisierung eines
gesetzlichen Strafanspruchs liegt grundsätzlich in der Hand des Staates. Der
Täter wird von Amts wegen verfolgt: Dies wird Grundsatz der Amtswegigkeit
oder Offizialprinzip genannt.
25 Die Aufgabe der Verfolgung und Aufklärung von Straftaten wird im Er-
mittlungsverfahren von der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft
(StA) wahrgenommen. Das Offizialprinzip hat zur Konsequenz, dass bei Of-
fizialdelikten das Opfer der Straftat eine einmal erstattete Anzeige nicht zu-
rückziehen kann, um den Täter vor weiteren Strafverfolgungsmaßnahmen zu
schützen. Der durch die Straftat Verletzte kann nur durch das Nichterstatten
einer Anzeige allenfalls verhindern, dass die Polizei bzw die StA Kenntnis von
einer Straftat erlangt.
26 Im Hauptverfahren obliegt es dann dem Gericht, von Amts wegen die der
Anklage zugrunde liegende Tat aufzuklären und die Schuld des Angeklagten
zu prüfen.

B. Privatanklagedelikte

27 Privatanklagedelikte stellen eine Ausnahme vom Grundsatz der Amtswe-


gigkeit (§ 2) dar. Bei diesen Delikten, zu denen ua verschiedene Formen der
Ehrenbeleidigung (§§ 111ff StGB) und die Verletzung des Briefgeheimnisses
(§ 118 StGB) zu zählen sind, liegt das Recht zur Verfolgung allein in der Hand
des Verletzten. Dieser muss als Privatankläger (PA) auftreten, wenn er eine
Bestrafung des Täters herbeiführen will (§ 71).
28 Der Grund für diese Ausnahme vom Grundsatz der Amtswegigkeit liegt da-
rin, dass diese Delikte nicht das öffentliche Interesse berühren. Es kann daher
nicht Aufgabe der StA sein, sie zu verfolgen. Begeht zB jemand einen Dieb-
stahl (§ 127 StGB), so handelt es sich um ein Offizialdelikt, da das Interesse
der Allgemeinheit auf Schutz des Eigentums verletzt wird. Bestiehlt der Sohn
seinen Vater, so ist dieses Delikt nur auf Verlangen des Vaters zu verfolgen
(Privatanklagedelikt), da hierbei in der Regel keine Allgemeininteressen ver-
letzt werden (§ 127 iVm § 166 Abs 1 u 3 StGB, Begehung im Familienkreis).

26
§ 5. Die leitenden Grundsätze des Strafprozessrechts

Bei den Privatanklagedelikten fallen Verfolgungsrecht und ius puniendi 29


auseinander: Die Verfolgungsinitiative hängt ausschließlich vom Verletzten
ab, die Urteile werden aber im Namen der Republik ausgesprochen, und die
Strafen werden vom Staat vollstreckt. Die Privatanklage ist beim zuständigen
Gericht einzubringen. Sie hat den Erfordernissen einer Anklageschrift zu ent-
sprechen (§ 71 Abs 3).
Aus verfahrensökonomischen Gründen kann in ein und demselben Ver- 30
fahren auch eine Offizialanklage mit einer Privatanklage verbunden werden
(JBl 1969, 98). Privatanklagen wegen Jugendstraftaten sind unzulässig
(§ 44 JGG). Privatanklagedelikte sind in diesen Fällen nur von der StA über
Ermächtigung des Verletzten zu verfolgen, wenn dies aus pädagogischen
Gründen oder im Interesse des Verletzten, welches über das Vergeltungsbe-
dürfnis hinausgeht, notwendig erscheint (§§ 92; Rz 33ff).

C. Ermächtigungsdelikte

Eine Einschränkung des Grundsatzes der Amtswegigkeit stellen Er- 31


mächtigungsdelikte dar. Diese sind, sobald sie den Strafverfolgungsorganen
zur Kenntnis gelangen, von Amts wegen zu verfolgen. Die ermittelnde Be-
hörde hat jedoch unverzüglich nach Ausforschung eines Tatverdächtigen die
Ermächtigung zur weiteren Verfolgung von der dazu gesetzlich berechtigten
Person einzuholen. Man will damit in bestimmten Bereichen das Interesse von
Personen anerkennen, ihre privaten oder beruflichen Geheimnisse nicht zu of-
fenbaren oder eine außergerichtliche Regelung herbeizuführen.
Die Ermächtigung muss sich auf eine bestimmte Person beziehen. Sie ist 32
spätestens bei Einleitung diversioneller Maßnahmen oder dem Einbringen
der Anklage nachzuweisen. Die Ermächtigung kann auch bis zum Schluss
des Beweisverfahrens erster Instanz wieder zurückgenommen werden (§  92
Abs 2). Die Beleidigung des Bundespräsidenten stellt zB ein Ermächtigungs-
delikt dar, da durch diese Beleidigung (auch) öffentliche Interessen tangiert
werden (§ 117 Abs 1 StGB).
Die Ermächtigung gilt als verweigert, wenn sie nicht binnen 14 Tagen nach 33
Zustellung der Anfrage erteilt wird. Bei öffentlicher Beleidigung eines ver-
fassungsmäßigen Vertretungskörpers muss die Ermächtigung innerhalb von
6 Wochen erfolgen (§ 92 Abs 1). Die Erklärung, als Privatbeteiligter am Ver-
fahren mitzuwirken (§ 67), gilt als Ermächtigung (§ 92 Abs 2). Eine bloße An-
zeigeerstattung bedeutet hingegen noch nicht die Erteilung einer Ermäch-
tigung, auch nicht die an die Polizei gerichtete Aufforderung, einzuschreiten
(RZ 2011/18).
Das Fehlen oder spätere Zurückziehen der Ermächtigung ist ein Ver- 34
folgungshindernis und führt zur Einstellung des Verfahrens (RZ 2011/18).
Erfolgte die Zurücknahme der Ermächtigung erst in der Hauptverhandlung,

Seiler, Strafprozessrecht15 27
Einführung in das Strafprozessrecht

muss das Gericht einen Freispruch (§ 259 Z 3) fällen (EvBl 1980/74). Für das
Vorliegen der Ermächtigung hat die StA zu sorgen. Es ist nicht Aufgabe des
Gerichts, eine fehlende Ermächtigung erst zu erfragen (EvBl 2006/79).
35 Ermächtigungsdelikte sind ua: Hausfriedensbruch (§ 109 StGB), Entwen-
dung (§ 141 StGB), Erschleichung einer Leistung (§ 149 StGB), Kindesent-
ziehung (§ 195 StGB, Verfolgung mit Ermächtigung des Erziehungsberech-
tigten).

D. Legalitätsprinzip

R.Seiler Legalitätsprinzip und Weisungsrecht im Strafprozeß, JBl 1965, 1; E.Stei­


ninger Die Neuorientierung des strafprozessualen Legalitätsprinzips, JBl 1986, 216,
289; Zipf Kriminalpolitische Überlegungen zum Legalitätsprinzip, in: Peters-FS
(1974), 487.

36 § 2 Abs 1 betont das in Art 18 Abs 1 B-VG festgelegte Legalitätsprinzip.


Die Kriminalpolizei und die StA sind im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufga-
ben verpflichtet, jedem ihnen zur Kenntnis gelangenden Anfangsverdacht
(§  1 Abs  3) einer strafbaren Handlung von Amts wegen nachzugehen. Sie
haben bei Erfüllung ihrer Aufgaben immer die gesetzlichen Rahmenbe-
dingungen einzuhalten (§ 5 Abs 1). Es besteht hierbei kein Ermessen. Diese
Verpflichtung trifft auch die jeweils vorgesetzten Behörden. Eine Weisung, die
mit dem Legalitätsprinzip in Widerspruch steht, gleichgültig, ob sie von einem
vorgesetzten Staatsanwalt oder vom Justizminister erteilt wurde, ist rechtswid-
rig. Die Befolgung einer rechtswidrigen Weisung kann (richtig: muss) verwei-
gert werden (Art 20 Abs 1 B-VG), wenn mit ihrer Befolgung gegen Normen
des Strafgesetzes (§ 302 StGB, Mißbrauch der Amtsgewalt) verstoßen würde
(Rz 245).
37 Das Legalitätsprinzip soll Gewähr dafür bieten, dass nicht politische oder
sonstige rechtlich nicht relevante Kriterien für die Verfolgung maßgebend
werden, und die theoretische Gleichheit aller vor dem Gesetz garantieren.
38 Die StA wird jedoch auch immer erwägen müssen, ob aufgrund der gegebe-
nen Sach- und Rechtslage überhaupt ein hinreichender Anlass zur (weiteren)
Verfolgung besteht. Ein Unfallopfer hat keinen Anspruch auf Durchführung
von Erhebungen, welche aus strafrechtlicher Sicht zwecklos sind und nur dazu
dienen, dem Verletzten die Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche zu
erleichtern (JBl 2009, 55). Eine Anklage darf nur eingebracht werden, wenn
die Verurteilung des Beschuldigten wahrscheinlicher ist als ein Freispruch.
Ist eine Überführung des Verdächtigen nicht zu erwarten, hat die StA die
Einstellung des Verfahrens zu veranlassen (§ 190 Z 2). Dies ist vor allem im
Hinblick darauf zu beachten, dass ein unschuldig Verdächtigter nicht ziellosen
und willkürlichen Strafverfolgungsmaßnahmen ausgesetzt werden darf.

28
§ 5. Die leitenden Grundsätze des Strafprozessrechts

Eine Einschränkung erfährt das Legalitätsprinzip durch § 192: Aus verfah- 39


rensökonomischen Gründen wird danach der StA unter bestimmten Vorausset-
zungen die Befugnis eingeräumt, bei mehreren strafbaren Handlungen von der
Verfolgung Einzelner abzusehen (Rz 671f).

Im Gegensatz zum Legalitätsprinzip steht das Opportunitätsprinzip, wel- 40


ches sehr eingeschränkt der StA die Möglichkeit bietet, bei Bagatelldelikten
wegen Geringfügigkeit von einer Verfolgung abzusehen (§ 191). Das Oppor-
tunitätsprinzip wird vor allem bei Jugendstraftaten zum Tragen kommen (§ 6
Abs 1 JGG).

Ein Instrument zur Wahrung des Legalitätsprinzips ist die Möglichkeit des 41
Privatbeteiligten (Opfer der Straftat, § 65 Z 2), eine von der StA zurückgezo-
gene Anklage als Subsidiarankläger aufrechtzuhalten (§ 65 Z 4, § 72 Abs 1;
Rz 287ff).

II. Der Anklagegrundsatz (§ 4)


Bertel Die Identität der Tat (1970); Birklbauer Der Prozessgegenstand im österrei-
chischen Strafverfahren (2009); Ratz Zur Unzulässigkeit einer Subsumtionseinstellung,
JBl 2006, 291.

A. Die Trennung von Richter und Ankläger im Anklageprozess (Art 90 42


Abs 2 B-VG) macht die Einrichtung einer eigenen Anklagebehörde erforder-
lich: die Staatsanwaltschaft (StA). Der Anklagegrundsatz bedeutet, dass eine
Straftat nur dann gerichtlich verfolgt werden darf, wenn dies von einem be-
rechtigten Ankläger, sei dies ein Staatsanwalt oder ein Privatankläger, ver-
langt wird. Das Gericht darf nicht von sich aus eine Strafverfolgung einleiten.
Der StA obliegt die Entscheidung darüber, ob gegen jemanden Anklage 43
eingebracht wird oder nicht. In bestimmten Fällen ist zusätzlich die Ermäch-
tigung des Verletzten erforderlich (§ 92). Gegen den Willen der StA darf kein
Strafverfahren geführt werden (§ 4 Abs 1). Nicht einmal kriminalpolizeiliche
Ermittlungen dürfen gegen den erklärten Willen der StA eingeleitet oder fort-
gesetzt werden (§ 101 Abs 1).
Fehlt ein berechtigter Ankläger oder tritt dieser von seiner Verfolgung 44
zurück, hat das Gericht, soweit sich das Verfahren bereits im Stadium der
Hauptverhandlung befindet, den Beschuldigten mit Urteil freizusprechen
(§ 259 Z 1 bzw 2).

B. Aus dem Anklagegrundsatz leitet sich das Erfordernis einer Identität 45


zwischen Anklagefaktum und Urteilsfaktum ab: Gerichtliche Entscheidun-
gen dürfen die Anklage nicht überschreiten (§ 4 Abs 3). Gegenstand der Ankla-

Seiler, Strafprozessrecht15 29
Einführung in das Strafprozessrecht

ge ist immer ein in der Vergangenheit liegendes Ereignis, nämlich die Invol-
vierung einer Person in einen bestimmten Vorfall. Nach Ansicht des Anklägers
muss von dieser Person dadurch ein strafgesetzliches Tatbild erfüllt worden
sein. Das Gericht darf nur jenes Geschehen rechtlich beurteilen, welches
in Form eines konkreten Sachverhalts unter Anklage gestellt worden ist.
Das Gericht ist dabei nur an den Sachverhalt gebunden, nicht an die rechtli-
che Beurteilung dieses Sachverhalts, welche die StA in ihrer Anklageschrift
bereits vorgenommen hat (§ 4 Abs 3; EvBl 2009/35; Wiederin WK-StPO § 4
Rz 82ff):
46 Die Identität zwischen Anklagefaktum und Urteilsfaktum ist immer zu wah-
ren. Eine Verletzung dieses Grundsatzes liegt noch nicht vor, wenn sich zB im
Verfahren herausstellt, dass der Mord an einem anderen Ort oder zwei Stunden
vor dem Zeitpunkt begangen worden ist, der in der Anklage angegeben ist.
In einem Privatanklageverfahren wegen einer üblen Nachrede (§ 111 StGB)
bleibt das Prinzip der Identität gewahrt, wenn sich in der Hauptverhandlung
herausstellt, dass die angeklagte Äußerung anders gelautet hat. Wichtig ist je-
doch, dass es sich um dieselbe Kontroverse zwischen Kläger und Beschul-
digtem handelt, in der die ehrenbeleidigenden Worte gefallen sein sollen und
welche als konkreter Sachverhalt unter Anklage gestellt wurde. Maßgeblich
ist das Gesamtverhalten des Angeklagten. Das Gericht darf alle im Rahmen
dieses Gesamtverhaltens vorgenommenen Handlungen in den Kreis seiner Be-
urteilung einbeziehen (EvBl 1999/165).
47 In der Frage, wie der unter Anklage gestellte konkrete Sachverhalt rechtlich
zu beurteilen ist, ist das Gericht nicht an die Anklageschrift gebunden (§  4
Abs 3, EvBl 2013/69): Wurde vollendeter Diebstahl (§ 127 StGB) angeklagt,
kann es zu einer Verurteilung wegen bloß versuchten Diebstahls kommen. Es
kann auch statt des angeklagten Diebstahls eine Verurteilung wegen Veruntreu-
ung (§ 133 Abs 1 StGB) erfolgen, wenn das Gericht zur Auffassung gelangt,
der Beschuldigte habe keinen Gewahrsam gebrochen, da ihm die Sache bereits
anvertraut war (SSt 48/66). Erweist sich die angeklagte schwere Körperver-
letzung (§ 84 Abs 1 StGB) als nicht so gravierend, ist eine Verurteilung bloß
nach dem Grunddelikt (§ 83 Abs 1 StGB) denkbar. Das Gericht kann auch ide-
alkonkurrierend ein weiteres Delikt annehmen, zB ein Finanzvergehen, denn
dies ist ebenfalls nur eine Frage der rechtlichen Beurteilung des angeklagten
Sachverhalts (RZ 1982/14).
48 Das Gericht ist auch nicht an die in der Anklage angeführten Folgen der
Tat gebunden. Stellt sich erst in der Hauptverhandlung heraus, dass durch die
Tat noch eine weitere Person verletzt worden ist, darf sich das Urteil auch da-
rauf erstrecken (EvBl 1989/140). Es handelt sich dabei ebenfalls bloß um eine
rechtliche Beurteilung des unter Anklage gestellten Geschehens.

30
§ 5. Die leitenden Grundsätze des Strafprozessrechts

III. Der Grundsatz der objektiven Wahrheitserforschung


Eder-Rieder Die amtswegige Wahrheitsforschung, ÖJZ 1984, 645; L. Fuchs Zur
Bindungswirkung des verurteilenden Straferkenntnisses im Bereich der Kfz-Haft-
pflichtversicherung, ÖJZ 2001, 821, 880; Graff Zur Bindungswirkung des Strafurteils
im Zivilprozeß nach Aufhebung des § 268 StPO, AnwBl 1996, 7; Grohmann/Scheck
Die bisherige Rechtsprechung zur Bindung des Strafrichters an entscheidungsrelevante
Präjudizien im Hinblick auf die Besonderheiten des Verbandsverantwortlichkeitsgeset-
zes, RZ 2007, 234; Kier/Bockemühl Verständigungen in Strafverfahren – Ein Plädoyer
gegen die Kodifizierung einer „StPO light“ in Österreich, AnwBl 2010, 402; Mahrer
Der „ewige“ Konflikt um die Reichweite der Bindungswirkung, ÖJZ 2007/4; Moos
Absprachen im Strafprozess, RZ 2004, 56; Ratz Verfahrensbeendende Prozessabspra-
chen in Österreich, ÖJZ 2009/102; Schmoller Bindung des Strafgerichts an rechtskräf-
tige Vorentscheidungen?, ÖJZ 2006/52; R.Seiler Die Bedeutung der Vorfragen für den
Strafrichter, JBl 1981, 561; Velten Die Geister, die ich rief – oder wie Deutschland
vergeblich versucht, die Folgen einer BGH-Entscheidung zu revidieren, JSt 2009, 181.

A. Allgemeines: Kriminalpolizei, StA und Gericht haben die Pflicht, mit 49


allen rechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln die Wahrheit zu erforschen
(§ 3 Abs 1). Eine rechtsstaatliche Einschränkung besteht dahingehend, dass die
Beweisaufnahme nicht gegen gesetzliche Beweisverbote verstoßen darf. Die
Strafverfolgungsorgane dürfen bei der Ausübung ihrer Befugnisse und bei der
Aufnahme von Beweisen nur so weit in Rechte von Personen eingreifen, als
dies gesetzlich ausdrücklich zulässig und zur Aufgabenerfüllung erforderlich
ist Aus § 5 Abs 1 (Grundsatz der Gesetzmäßigkeit) lässt sich ein Analogie-
verbot für Grundrechtseingriffe ableiten (EvBl 2015/28). Es erscheint löblich,
dies zur Betonung der Rechtsstaatlichkeit als eigenen Verfahrensgrundsatz
festzulegen, wenngleich es bloß den Wert eines Lippenbekenntnisses hat, so-
weit gesetzwidrig erlangtes Beweismaterial im Strafverfahren verwertet wer-
den darf, weil ein entsprechendes Verwertungsverbot fehlt.
Bei der Beweisgewinnung wird auch der Grundsatz der Verhältnismäßig- 50
keit zu beachten sein. Der OGH zeigt sich in diesem Punkt sehr tolerant: Selbst
zur Aufklärung einer Bagatellstraftat, die bloß in die Zuständigkeit des Be-
zirksgerichts fällt, wird eine Hausdurchsuchung noch als verhältnismäßig an-
gesehen (EvBl 2009/131). Besteht die Wahl zwischen mehreren Ermittlungs-
handlungen oder Zwangsmaßnahmen, ist jene zu wählen, welche die Rechte
des Betroffenen am Geringsten beeinträchtigt (§ 5 Abs 2).
Belastende und entlastende Umstände sind mit gleicher Sorgfalt zu er- 51
mitteln (Grundsatz der Objektivität, § 3 Abs 2).
Von Amts wegen sind alle Beweismittel aufzunehmen, von denen zu 52
erwarten ist, dass sie zur Klärung der Sachlage beitragen können. Allein die
Tatsache, dass eine Zeugenladung nicht zugestellt werden kann, reicht noch
nicht aus, um von einem nicht zugänglichen Beweismittel zu sprechen. Es
müsste zumindest versucht werden, durch Anfrage beim Melderegister oder
durch Ermittlungen der Polizei den Aufenthalt des Zeugen auszuforschen

Seiler, Strafprozessrecht15 31

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