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Meinungsstreit
1. Was ist ein Meinungsstreit?
1.1. Streit über die Auslegung eines Tatbestandmerkmals
1.2. Streit, ob ein Merkmal zum Tatbestand gehört
1.3. Streit über das Verhältnis von Normen
2. Warum schreibe ich „Meinung“ nicht?
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Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, 15.
56 Kapitel 10: Meinungsstreit
Es kann auch darüber gestritten werden, was zum Tatbestand gehört, also was
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Darüber hinaus gibt es auch Streitigkeiten über das Verhältnis von Normen
untereinander.
Beispiel: Kann der Käufer einer mangelhaften Sache wegen Eigenschaftsirrtums
anfechten und Gewährleistung geltend machen?
Ein Unterfall dieses Streits ist der Streit über den Prüfungsaufbau von Normen.
Sie brauchen nicht zu erklären, warum Sie Ihren Aufbau gewählt haben, denn
damit lösen Sie nicht Ihren Fall. Daher dürfen Sie diese Streitart nicht darstellen.
Beispiele für Aufbau-Streit: Ist Mord eine Qualifikation des Totschlags? Braucht man
eine Vorprüfung für den Versuch? Kann ein Delikt auch zweistufig geprüft werden?
Manchmal erörtern Sie diese Streitart allerdings im Rahmen von anderen Strei-
tigkeiten.
Beispiel: Das Verhältnis von Mord und Totschlag erörtern Sie, wenn in Ihrem Fall jeder
Beteiligte ein anderes Mordmerkmal verwirklicht (gekreuzte Mordmerkmale).
Wann erörtere ich einen Streit und wann nicht? 57
Der Begriff „Meinung“ ist subjektiv, also nicht neutral, und entwertet wissen-
schaftliche Ansichten als bloße Meinungen. Das gilt auch für die „herrschende
Meinung“ und die „Mindermeinung“.
Für die „herrschende Meinung“ gibt es zudem keine klare Definition. Wie
viele Anhänger muss eine Meinung haben, damit sie herrscht? Ein solcher Maß-
stab würde die Bezeichnung weniger subjektiv machen. Mindermeinung müsste
korrekterweise Minderheitsmeinung heißen und klingt, als wäre sie weniger
wert. Die Information, wie viele Anhänger eine Ansicht hat, ist für die Fall-
Lösung nicht relevant, kann aber den Eindruck erwecken, Sie folgen der herr-
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schenden Meinung, ohne sich Gedanken über die Inhalte gemacht zu haben.
Es gibt keine festgelegte Regel, wann Sie einen Streit weglassen können. Ein
Anhaltspunkt ist, dass Sie die engste Ansicht leicht auf Ihren Fall anwenden
können. Dass alle Ansichten zum gleichen Ergebnis führen, ist kein Kriterium,
einen Streit wegzulassen. Hingegen müssen Sie einen Streit immer erörtern,
wenn die Ansichten in Ihrem Fall zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.
Beispiel Streit erforderlich: A will B mittels einer Briefbombe töten. Wann beginnt der
Versuch?
à Wenn A im Supermarkt die nötigen Utensilien kauft?
à Wenn A sich mit Schere und Kleber an den Schreibtisch setzt?
à Wenn A den Brief in den Briefkasten steckt?
à Wenn der Postbote den Brief in den Briefkasten des B steckt?
à Wenn B den Brief öffnet?
58 Kapitel 10: Meinungsstreit
Hier ist der Zeitpunkt des Versuchsbeginns nicht eindeutig, daher ist es wichtig, den
Streit darzustellen.
Beispiel Streit nicht erforderlich: A schießt auf B, der Schuss verfehlt jedoch das Ziel.
A hat bereits geschossen und die tatbestandliche Handlung ausgeführt, dann verzich-
ten Sie auf die Streitdarstellung. In einer Klausur reicht ein Satz wie:
„A hat geschossen, somit bereits die tatbestandliche Handlung ausgeführt, so dass
er nach allen Ansichten unmittelbar angesetzt hat.“
„Setzen Sie Schwerpunkte an den richtigen Stellen“, ist ein Satz, den Sie viel-
leicht schon im Studium gehört haben. Ein Streit ist oft Schwerpunkt – vor
allem, wenn die Ansichten in Ihrem Fall zu unterschiedlichen Ergebnissen füh-
ren. Nur dann argumentieren Sie, was das juristische Arbeiten (Argumentieren
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Für den Aufbau des Streits bietet es sich an, erst den normalen Obersatz zu
formulieren. Normalerweise folgt dann die Definition – nur dass diese gerade
umstritten ist. Statt der Definition stellen Sie die Definitionsvorschläge vor.
Jeden Vorschlag wenden Sie mit Subsumtion und Ergebnis auf Ihren Fall an.
Manche argumentieren schon beim Vorstellen der Ansichten,10 allerdings
ist dies aus zwei Gründen problematisch: Die Argumente müssen Sie in der
Stellungnahme entweder weglassen oder wiederholen, beides ist nicht ideal.
Aufbau Meinungsstreit
1. Normaler Obersatz Fraglich ist / Möglicherweise
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Sie brauchen Konjunktiv II, wenn Sie die Ansichten auf Ihren Fall anwenden.
Sie stellen nämlich fest, wie das Ergebnis für Ihren Fall aussähe, wenn Sie der
Ansicht folgen würden. Beim Darstellen der Ansichten können Sie Konjunk-
tiv I verwenden. Der Konjunktiv I wird gebraucht, um fremde Aussagen wie-
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derzugeben. Allerdings wird beim Darstellen der Ansichten durch den Kontext
deutlich, dass Sie fremde Aussagen wiedergeben. Daher können Sie auf den
Kapitel 10 Meinungsstreit, 9783825245887, 2020
Leiten Sie Ihren Streit ein, indem Sie dem Leser/Korrektor klar machen, warum
in diesem Fall der Streit relevant ist. Machen Sie anhand des Falls deutlich,
warum Sie den Streit erörtern, warum er in Ihrem Fall erörterungswürdig ist.
Beispiel fehlende Relevanz: A könnte Gewalt angewandt haben. Nach einer Ansicht
muss der Täter körperlich auf das Opfer einwirken. Nach einer anderen Ansicht reicht
auch psychische Gewalt aus.
Beispiel mit Relevanz: A könnte Gewalt angewandt haben. Allerdings hat A das Opfer
O nicht berührt, sondern es angeschrien. Fraglich ist, ob dies unter den Gewaltbegriff
fällt. Nach einer Ansicht…
Aufgaben 61
In der Stellungnahme argumentieren Sie für und gegen die Ansichten und ent-
scheiden sich für die mit den überzeugendsten Argumenten. Argumente fin-
den Sie mit den Auslegungsmethoden und den juristischen Argumentations-
techniken. Daher werden diese in den zwei folgenden Kapiteln vor der
Stellungnahme thematisiert.
Aufgaben
Aufgabe 1: Unterstreichen Sie das umstrittene Tatbestandsmerkmal in § 226
I StGB für diesen Fall:
T sticht O mit einem Messer in den Rücken. Dabei wird eine Niere so schwer
verletzt, dass sie versagt.
Hat T sich wegen einer schweren Körperverletzung gem. § 226 I StGB strafbar
gemacht?
Aufgabe 2: Formulieren Sie den Streit bis zur Erforderlichkeit der Stellung-
nahme.
Subsumtion
Kapitel 10 Meinungsstreit, 9783825245887, 2020
Subsumtion
Subsumtion
Kapitel 10 Meinungsstreit, 9783825245887, 2020
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5. Stellungnahme erforderlich
Ergebnis für den konkreten Fall
Aufgaben 63