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Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Philosophisches Seminar
Proseminar: Kants „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“
Sommersemester 2019
Dozentin: Dr. Miriam Wildenauer
Abgabedatum: 30.09.2019

Je mehr desto besser?


Essay zur Veränderung hypothetischer Imperative durch naturwissenschaftliches Wissen

Jonas Zecher
Hauptstraße 184
69117 Heidelberg
Studiengang: Philosophie/Germanistik
4. Fachsemester
5. Hochschulsemester
Matrikelnummer: 4038454
In diesem Essay werde ich mich der Frage widmen ob mit der wachsenden Qualität und
Quantität naturwissenschaftlichen Wissens einer Person P, die Qualität und Quantität der
hypothetischen Imperative derselben Person P steigt und meine Antwort ebenfalls begründen.
Dabei werde ich mich auf Kants Argumente aus seinem Werk „Grundlegung zur Metaphysik
der Sitten“ bezüglich der hypothetischen Imperative beziehen. Zu Beginn werde ich klären, was
hinter dem Begriff der hypothetischen Imperative steckt.
Imperative im Allgemeinen drücken aus, dass man etwas tun soll, weil dies zu tun gut ist. Man
könnte auch sagen, Imperative sind praktische Vernunftgesetze (Kant, GMdS, II, Absätze 13,
14). Kant unterscheidet außerdem zwischen zwei Arten von Imperativen. Auf der einen Seite
gibt es solche, die hypothetisch sind und auf der anderen Seite einen, der kategorisch ist. Der
kategorische Imperativ drückt aus, dass etwas zu tun gut ist, nur weil die Handlung, ungeachtet
der Absicht an sich gut ist. Die hypothetischen Imperative drücken hingegen aus, dass etwas zu
tun gut ist, um einen möglichen oder wirklichen Zweck zu erreichen (Kant, GMdS, II, Absätze
16, 19). Formeller könnte man die hypothetischen Imperative auch folgendermaßen
ausdrücken: willst du X, dann tue Y. Da hypothetische Imperative auf das Erreichen
verschiedenster Ziele ausgerichtet sind, gibt es von ihnen unendlich viele. Gerade in Bezug auf
die Wissenschaften gibt es unzählige hypothetische Imperative, welche einer Person aufzeigen,
was zu tun ist, um ein gewisses Ziel zu erreichen. Doch wie verändern sich die Imperative in
Bezug auf eine einzelne Person, die einen naturwissenschaftlichen Wissenszuwachs aufweist?
Nehmen wir an, eine Person P beginnt sich mit naturwissenschaftlichen Themen auseinander
zu setzten. Zu Beginn führt Person P einige wenige wissenschaftliche Experimente durch und
erweitert durch das Beobachten der Ergebnisse stets ihr Wissen. Man kann nun davon ausgehen,
dass sich durch das erweiterte Wissen der Person P auch ihre Fragen vermehren und immer
mehr Wissbegierde in ihr entsteht. Um das genauer zu betrachten wähle ich ein Beispiel, indem
Person P ApothekerIn ist und am Beginn ihrer Karriere steht. Zu Beginn ist es ihr, wegen ihres
noch eingeschränkten Wissens, nur möglich auf die Beschwerden weniger Patienten
einzugehen und wenigen Patienten selbst hergestellte Medikamente anzubieten. Doch durch die
ständige Erweiterung ihres Wissens und die empirischen Ergebnisse ihrer Experimente, wird
es ihr möglich immer mehr Patienten zu versorgen und immer bessere Medikamente
herzustellen. Immer öfter kann sie mit Gewissheit sagen: will ich einen Patienten mit
Beschwerden X heilen, so muss ich den Behandlungsweg Y einschlagen. Somit bin ich der
Meinung, dass mit einer wachsenden Quantität naturwissenschaftlichen Wissens auch die
Quantität der hypothetischen Imperative derselben Person steigt. Komplizierter wird es jedoch,

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wenn es darum geht zu klären, ob ebenfalls die Qualität der hypothetischen Imperative bei
wachsender Quantität des naturwissenschaftlichen Wissens steigt.
Dabei sei vorab zu klären worauf sich hier der Begriff der Qualität bezieht. Da hypothetische
Imperative darauf ausgelegt sind eine Handlung anzugeben, welche notwendig ist, um einen
bestimmten Zweck zu erreichen, ist ein hypothetischer Imperativ dann von qualitativ hohem
Wert, wenn der Zweck möglichst einfach und zielgerichtet erfüllt wird. Es ist also nicht von
Wichtigkeit, ob der zu erreichende Zweck gut oder schlecht ist, da es nur darum geht einen
Zweck zu erfüllen und nicht darum wie der Zweck moralisch und sittlich zu bewerten ist (Kant,
GMdS, II, Absatz 20). Wenn Person P also ein immer weiterwachsendes
naturwissenschaftliches Wissen vorweisen kann, so ist es meiner Meinung nach logisch davon
auszugehen, dass die Qualität der hypothetischen Imperative auch steigen wird. Denn als ein
vernünftiges Wesen wird Person P danach streben ihre Ziele schneller und besser zu erreichen
(Kant, GMdS, II, Absatz 37). Nun sei noch zu klären, wie sich die Qualität und Quantität der
hypothetischen Imperative einer Person P verändern, wenn sich die Qualität des
naturwissenschaftlichen Wissens derselben Person verändert. Um Missverständnisse zu
vermeiden, gehe ich im Folgenden davon aus, dass eine höhere Qualität mit einer höheren
Komplexität des Wissens gleich zu setzten ist und der Erwerb dieses komplexen Wissens auch
in Verbindung mit von Person P durchgeführten empirischen Experimenten steht. Ich komme
nun wieder zurück auf das bereits erwähnte Beispiel. Person P ist immer noch ApothekerIn,
und behandelt immer noch Patienten durch selbstproduzierte Medikamente. Nun versucht
Person P jedoch nicht mehr nur ihr Wissen quantitativ zu erweitern, um Medikamente für
möglichst viele Krankheitsbilder herzustellen, sondern auch es qualitativ in bereits ihr
bekannten Bereichen zu erweitern. Person P führt immer mehr Experimente durch und findet
somit nach und nach immer wirksamere Medikamente für bereits zu heilende Krankheitsbilder.
Dadurch vereinfacht sich der Weg bis zur Heilung ihrer Patienten. Durch den Erwerb von
komplexerem Fachwissen, verbessert sich also auch die Qualität der hypothetischen
Imperative. Das verbesserte Wissen sorgt dafür, dass Person P bessere Wege findet ihren
Zweck, in diesem Beispiel das heilen von Patienten mit Hilfe von selbstgemachten
Medikamenten, durch möglichst wenig Aufwand zu erreichen. So gibt es beispielsweise auch
verschiedene Wege, um einen Zauberwürfel zu lösen, welche jedoch unterschiedliche
Schwierigkeitsgrade aufweisen. Der schwierigste Weg ist hierbei auch der schnellste, bedarf
jedoch einer gewissen Expertise. Durch die steigende Qualität des Wissens und die damit
verbundenen neuen empirischen Ergebnisse, findet Person P nicht nur den einfachsten und
besten Weg ihr Ziel zu erreichen, sondern auch viele verschiedene andere Wege, dasselbe Ziel

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zu erreichen oder auch verschiedenste Wege, um neue Ziele zu erreichen. Es ist davon
auszugehen, dass sich Person P beim Erwerb ihres qualitativ hochwertigen Wissens an
mehreren Experimenten bedient hat, um selbstaufgestellte Hypothesen belegen oder
wiederlegen zu können. Dabei ist sie sehr wahrscheinlich nicht immer auf das erwartete
Ergebnis gekommen, hat dadurch aber andere Beobachtungen anstellen können und somit
weitere hypothetische Imperative entdeckt. Man kann also sagen, dass durch eine steigende
Qualität des naturwissenschaftlichen Wissens von Person P auch ein quantitativer Anstieg der
hypothetischen Imperative von Person P zu erwarten ist.

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Bibliographie

Kant, Immanuel (1785): Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, J. F. Hartknoch

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