Aufbau "Im Kongo"

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Leseprojekt «im Kongo» Liam Haller

Aufbau des Textes

«Im Kongo» ist ein genial aufgebauter Roman, so finde ich. Einzigartig in vielerlei Hinsicht und
unterhaltsam. Deshalb freue ich mich auch ein wenig, hier über den Aufbau zu schreiben und ihn zu
analysieren.

Erzählt wird die Geschichte fast immer von Kuno, der Hauptperson. Um ihn dreht sich die Geschichte,
weshalb die Geschehnisse aus seiner «Ich-Perspektive» geschildert werden. Der erzählende Kuno ist
in keiner Weise übermenschlich und fest an Ort und Zeit gebunden. Die Handlung im Buch unterliegt
einer chronologischen Abfolge. Diese Perspektive, in der man sich in einem Grossteil des Buches
befindet, ist das Rückgrat, die Struktur der Erzählung. In ihr hat man einen klaren Überblick über alle
Charaktere und man kommt schnell in einen angenehmen Lesefluss. Obwohl das jetzt mal noch nicht
so spektakulär und virtuos klingt, hat auch diese Wahl der Beschreibung ihren Charm. Kuno ist
meiner Meinung nach sehr intellektuell. Ausserdem spühre ich eine Art Filter, durch die er die Welt
sieht. Nichts Greifbares, aber alles wirkt etwas verschwommen und verträumt. Vielleicht ist das auch
nur mein individueller Eindruck und eine zweite Leserin oder ein zweiter Leser empfindet vielleicht
anders. Aber alles, was Kuno beschreibt, sei es auch noch so absurd, traurig oder wütend, wird mit
einer sanften Gleichgültigkeit angehaucht. Wie zum Beispiel auf Seite 56, als Cindy, Kuno und sein
Vater Herr Berger im Altersheim antreffen: «Weil Herr Berger in einer Wasserlache stand, hob Cindy
seine Arme nach oben, zog ihm die Anzugsjacke und das Hemd aus, dirigierte seine mageren Arme in
ein trockenes Hemd, auch eins aus den Feldgrauen Vorräten meines Vaters, und knöpfte es zu. «Sie
holen sich sonst den Tod», sagte sie, als sie fertig war. Jetzt trugen alle drei Feldgraue Hemden.»
Verstehen Sie mich nicht falsch, Kuno zeigt sehr wohl Emotionen, sogar sehr stark. Aber der Stil hat
für mich eine Prise von Schläfrigkeit und Ironie. Vielleicht liegt es auch nur an dem sehr
konzentrierten, unheimlich genau beschreibenden Inhalt.
Wie gesagt, wenn wir «in Kuno sind», machen wir nie zeitliche Sprünge hinter bereits Geschehenes.
Es werden auch nie grosse Zeiträume übersprungen. Alles ziemlich normal. Interessant wird eine
derartige Analyse aber, wenn wir sie in den «Kongo-Passagen» machen. Hier gibt es keinen Roten
Faden oder überhaupt eine Zeit. Die Texte fühlen sich an, als wären sie abgekoppelt von der Zeit.
Man könnte meinen, man befinde sich in einer Art hektischen Traums, die Zeilen fühlen sich an, als
wären sie durchzogen von einem dicken Dunst. Der Erzähler ist in jeder Passage anders. Mal ist es
jemand, der aus der «Ich-Perspektive» Kritik an der zivilisierten Welt äussert, wahrscheinlich ein
Häuptling der zu seinem Stamm spricht. Einmal ist der Text als Brief an «dich» geschrieben, wer auch
immer das sein mag. Diese Passagen sind eine Art Binnengeschichte in der sonst so klaren,
gegliederten Ordnung der «Kunolinie». Sie sind erfrischend und abwechselnd, wenn man sich mal
wieder zu lange in Kuno aufgehalten hat. Dieser Kontrast macht den Aufbau des Buches für mich
einzigartig, grotesk, unverschämt, einfach meisterlich.

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