Sie sind auf Seite 1von 1

Übung Bürgerliches Recht, WS 2022/23 Univ.-Prof.in Dr.

in Erika Wagner
LVA-Nr.: 145.210/190.099

AK UE BR (11.01.2023)
Silvesterknallerei mit Folgen

In der an der Grenze zu Deutschland liegenden oberösterreichischen Gemeinde Oberpeng befindet sich
das Pyrotechnikunternehmen des Unternehmers Freddy (F). F plant, eine zusätzliche Produktionsstraße
mit weiteren einzelnen Kleinhallen zu errichten und bringt im März 2022 einen diesbezüglichen
Baubewilligungsantrag in der Gemeinde ein. Obwohl die in der deutschen Gemeinde Unterpeng lebende
Nachbarin, Pferdewirtin Petra (P) im Verfahren wegen der von der Fabrik ausgehenden Gefährdung
(Explosionsgefahr) ihrer Landwirtschaft und ihrer Tierhaltung Einwendungen erhebt, übergeht der
Bürgermeister Bruno (B) trotz der negativen Stellungnahme des Amtssachverständigen zur Bauführung
bewusst diese Einwendungen, da er P aufgrund ihrer regelmäßigen Beschwerden in Hinblick auf die
mangelnde Rücksichtnahme auf ihre Pferde nicht leiden mag. B erteilt daher dem F die Baubewilligung
im April 2022. Aufgrund der Auftragslage will F keine Zeit verlieren und beginnt mit der Bauführung. Dies
insbesondere deshalb, da nach der Oö. BauO in der gegenständlichen Konstellation (Einräumung einer
Berechtigung) Beschwerden an das LVwG keine aufschiebende Wirkung zukommt. Im November 2022
wird allerdings der gegen die Baubewilligung erhobenen Beschwerde der P durch das LVwG Folge
gegeben mit der Begründung, dass an diesem Standort wegen der Gefährdung ihrer Liegenschaft ein
weiterer Ausbau der Pyrotechnikfabrik nicht mehr möglich sei. Die bislang aufgelaufenen Kosten der
Bauführung seitens F iHv € 70.000,- sind dadurch frustriert.

Am 31.12.2022 feiert wie jedes Jahr die in der Gemeinde allein regierende „Mir san Mir-Partei“ (MSNP)
im Gemeindesaal Silvester. Zu fortgeschrittener Stunde lassen es – wie jedes Jahr (bis auf die
Coronajahre 2020 und 2021) – der Parteiobmann und Bürgermeister B mit seinen Parteifreunden
„ordentlich krachen“. Dies geht wie folgt vonstatten: Die Raketen werden von F unentgeltlich als
„Parteispende“ zur Verfügung gestellt, der stellvertretende Obmann Sepp (S) positioniert das Feuerwerk,
B zündet die Raketen und die restlichen Parteimitglieder dürfen es bestaunen. Dass der Abschuss von
Raketen im Ortsgebiet nach dem Pyrotechnikgesetz (ohne Ausnahme) eigentlich verboten ist, wissen
zwar alle Anwesenden, stört diese aber nicht. Bereits des Öfteren in der Vergangenheit ist es
vorgekommen, dass leere Raketenhülsen am Heulagerplatz in Unterpeng bei P landen. P, die ihren
Pferdehof vorbildlich führt, hat das wiederholt, anlässlich von Vorsprachen im Gemeindeamt Oberpeng
bei B moniert und wahrheitsgemäß darauf hingewiesen, dass das verschmutzte Heu als Pferdefutter dann
unbrauchbar sei (Schaden zuletzt im Jänner 2020 iHv € 2.000,-). Auch am 20.12.2022 hat sie dies im
Großraumbüro des Gemeindeamts gegenüber B vorgebracht. Dieser hat sie daraufhin als „hysterische
Pferdenärrin“ beschimpft und hinzugefügt: „Dei angeblicher Pferdestoi is in Wahrheit a dreckiger
Saustoi!“1, worauf die anwesenden fünf GemeindemitarbeiterInnen in schallendes Gelächter verfallen
sind.

Als B am 31.12.2022 die Kracher zündet, kommt es zu folgendem Zwischenfall: Aufgrund einer
fehlerhaften Serie erreichen diese die vorgesehene Höhe und Reichweite nicht und treffen durch den
offenen Paddock-Ausgang2 den sportlichen und wertvollen Zuchthengst Zeus (Z) (im Zeitpunkt des Unfalls
18 Jahre alt; Wert € 200.000,-) in seiner Pferdebox bei P. P wendet für die veterinärmedizinische
Versorgung ihres Lieblings € 25.000,- auf. Da Z in Folge des Unfalls neben der Abnahme seiner
sportlichen Leistungsfähigkeit auch zeugungsunfähig ist, sinkt der Wert des Pferdes auf € 20.000,-. Zudem
entgehen P weitere Einnahmen, die bisher durch jährlich etwa 10 Deckungen, für die sie je € 3.000,-
Deckungstaxe eingehoben hat, lukriert wurden. Z hätte noch vier Jahre für Deckungen in diesem Ausmaß
herangezogen werden können.

Wie ist die Rechtslage? (Gehen Sie jeweils von einer internationalen Zuständigkeit eines
österreichischen Gerichts aus. Sollten Sie bei der Prüfung der IPR-Fragestellungen auf die Anwendbarkeit
des ausländischen Rechts kommen, prüfen Sie den Anspruch dennoch nach österreichischem Recht.)

1 Aus dem oberösterreichischen Dialekt übersetzt: „Dein angeblicher Pferdestall ist in Wahrheit ein
schmutziger Saustall!“.
2 Pferdebox mit ganzjährigem offenem Auslauf (artgerechte Tierhaltung).

Das könnte Ihnen auch gefallen