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KAPITEL

1 Götz Geldner

Einleitung
1.1 Der Wunsch nach Organersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

1.2 Geschichte des Organersatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

1.3 Transplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

1.4 Zunahme der Patienten mit Organersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

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2 1 Einleitung

1.1 Der Wunsch schichte oft erst das zu ersetzende Organ als solches
nach Organersatz anatomisch und physiologisch erkannt und seine
Funktion definiert werden, was an einigen Beispie-
1 len im Folgenden aufgezeigt werden soll.
Sehr früh hatten Menschen den Wunsch, Organe er- Das Herz war schon früh als zentraler Faktor des
setzen zu können, so z. B. eine in kriegerischen Aus- Lebens erkannt und daher auch stark erforscht wor-
einandersetzungen verlorene Gliedmaße. Es wurden den. Im 4. Jahrhundert v. Chr. hatte Protagoras erst-
schon früh in der Geschichte Amputationen durch- malig Gefäße, die wie das Herz schlagen, als Arte-
geführt, insbesondere im Hinblick auf die damals rien definiert und das Herz als die treibende Kraft
meist lebensbedrohlich verlaufenden Wundinfekte erkannt. Jedoch ging er davon aus, dass die Arterien
einer schwer verletzten Gleidmaße. Noch bis ins nicht Blut, sondern Luft transportieren. Ein Jahr-
letzte Jahrhundert hinein wurden offene oder kom- hundert später teilte Herophilos den arteriellen Puls
plizierte Knochenbrüche meist durch eine Amputa- in seine Qualitäten Frequenz, Rhythmus, Amplitu-
tion versorgt und Prothesen angelegt, die Knochen de und Härte ein. Eine Definition, die über mehrere
jedoch nicht rekonstruiert. Entsprechend weit ent- Jahrtausende hinweg Bestand hatte. Ebenfalls führ-
wickelt hat sich auch das Handwerk der Prothesen- te er den Begriff der Extrasystole ein. Im gleichen
bauer. Heute werden diese zum Teil auch mit einer Jahrhundert postulierte Erasistrasos die Existenz
Verbindung zum Nervensystem weiterentwickelt. eines Kapillarkreislaufs, wobei seiner Meinung
Auch der Wunsch, Blut zu ersetzen, ist schon sehr nach das Blut durch die Anziehung der Venen aus
alt, und es gab hierzu viele meist frustrane Versuche. den Venen in die Arterie gelangen sollte. Die lokale
Trotz des Einsatzes von immensen finanziellen Mit- Störung dieser Mikrozirkulation im Rahmen einer
teln, vor allem im Rahmen von medizinischen Mit- Entzündung definierte Celsus in der gleichen Zeit
teln in militärischen Budgets, ist dieses Ziel bis heute als Störung mit den Symptomen Rubor, Calor, Do-
noch nicht komplett erreicht. lor und Tumor. Ebenfalls eine Definition, die über
Das vorliegende Werk soll sich jedoch auf den Er- Jahrtausende ­weiterbestehen sollte und auch heute
satz von soliden Organen beschränken, sodass die noch in der Definition von lokalen Entzündungs-
oben aufgezeigten Problemfelder hier nicht ange- bzw. Schmerzreaktionen Verwendung findet. Nach
sprochen werden. den großen Beiträgen griechischer Ärzte wurde um
das Jahr 1 030 n. Chr. von dem arabischen Arzt Abu
Ali al-Husain die These aufgestellt, dass in Wirk-
lichkeit das Herz die treibende Kraft und Quelle des
1.2 Geschichte Arteriensystems darstellt. Daraus hat er abgeleitet,
des Organersatzes dass das Herz per se eine eigene Kraft besitzen
müsste.
Bis ins Mittelalter hinein wurde das Herz noch
Bei Organersatzverfahren kann man prinzipiell eher als Sitz der Seele und des Geistes angesehen.
unterscheiden zwischen einer Transplantation eines Erst im 15. allgemeinen Konzil unter der Leitung
soliden Organs und einem künstlichen Ersatz des von Papst Clemens V. 1311/1312 wurde klargestellt,
soliden Organs oder seiner Funktion oder Teilen sei- dass die Seele des Menschen nicht nur im Herzen
ner Funktion. Der Wunsch, Organe ersetzen zu kön- wohnt, sondern im ganzen Körper. Im Rahmen der
nen, ist so alt wie die Menschheit selbst. Seien es Aufklärung wurde das Herz endgültig in direkten
zum einen Gliedmaßen oder Organe mit altersbe- Zusammenhang mit dem arteriellen und venösen
dingter Dysfunktion wie z. B. die Augen bzw. hier Gefäßsystem gebracht und Vesal beschrieb erstmals
die Kornea. Die Menschheit, wie auch die Sage von den Kreislauf. Nach wie vor wurden Teile der Seele
Prometheus zeigt, dessen vom Adler gefressene Le- und auch des ­kognitiven Systems lange Zeit im Be-
ber täglich nachwuchs, hat schon immer der reich des Herzen mit angesiedelt. Allerdings wurde
Wunsch beseelt, diese Organe bzw. deren Funktion dieser Gedanke mit Beginn der Neuzeit nun nicht
zu erneuern. Allerdings mussten im Laufe der Ge- mehr in wissenschaft­lichen Publikationen verfolgt,
1.3 Transplantation 3

sondern nur noch in romantischen Beschreibungen nung zuteil. Hamilton Naki war der zweite genauso
von Emotionen. wichtige Operateur dieses ersten Herztransplanta-
Man hat durchaus versucht, die Funktion des tionseingriffs, jedoch wurde er damals in Südafrika
Herzens zu ersetzen. Jedoch konnte 1885 Franz von wohl aufgrund seiner Hautfarbe nicht im gleichen 1
Frey mit einem Respirationsapparat für isolierte Or- Maße mitbenannt.
gane eben nur im Tierversuch Organe mit Blut und Zwei Jahre später wurde von Denton Cooley erst-
Sauerstoff versorgen. 1890 entwickelte Karl Jakoby malig ein Kunstherz eingesetzt, das für 64 Stunden
ebenfalls einen Apparat zur Durchblutung isolier- die Zeit bis zu einer Transplantation überbrücken
ter  überlebender Tierorgane. Parallel hierzu wurde sollte.
nahezu zeitgleich von Charles Truax in Chicago In den 1970er-Jahren wurden dann modifizierte
eine handkurbelgetriebene Doppelrollenpumpe ent­ Herz-Lungen-Maschinen zur längeren extrakorpo-
wickelt – ein Prinzip, das heute noch bei pumpen- ralen Membranoxygenierung (ECMO) eingesetzt.
betriebenen Organersatzverfahren wie Dialyse und Eine große Studie der FDA konnte keinerlei Vorteil
Herz-Lungen-Maschine (HLM) eingesetzt wird. dieses neuen Therapieverfahrens zeigen, sodass kei-
Die Problematik der Blutgerinnung an Fremd- ne Empfehlung dafür ausgesprochen wurde. Erst ab
oberflächen hat zu diesem Zeitpunkt eine Weiter- 1980 konnte die Arbeitsgruppe um Gattinoni in
entwicklung der oben genannten Verfahren stark Mailand einen Überlebensvorteil der ECMO-Thera-
eingeschränkt bzw. unmöglich gemacht. 1884 hatte pie beim Einsatz bei schwerem therapierefraktärem
John Berri Heykraft in Birmingham zwar versucht, Lungenversagen bei Erwachsenen zeigen.
mit Hirudin, das aus Blutegeln gewonnen wurde, die Auch andere solide Organe versuchte man in
Koagulation des Bluts zu verhindern. Jedoch wurde einem ähnlichen zeitlichen Kontext zu ersetzen. So
erst 1916 mit der Entdeckung des Heparins der wurden 1869 von Langerhans die gleichnamigen
Quantensprung in der Antikoagulation vollzogen. Inseln im Pankreas erstmals beschrieben, 1909 wur-
Damit waren die Wege frei, Blut in extrakorporale den sie als Produktionsstätte des Insulins erkannt.
Systeme umzuleiten und dort zu bearbeiten. So In der Folge wurden Versuche mit Insulin durchge-
führte Georg Haas in Gießen Anfang des letzten führt, aber auch hier konnte erst ab 1954 der breite
Jahrhunderts Versuche durch, um das Blut von Einsatz des aus Tieren gewonnenen Insulins in der
harnpflichtigen Substanzen zu befreien. Die erste er- Therapie erfolgen.
folgreiche Dialyse am Menschen gelang ihm 1924.
Nahezu zeitgleich führte Sergei Brukhonenko ähn­
liche Versuche mit dem Vorläufer einer Herz-­
Lungen-Maschine durch. Jedoch wurde erst 1936 1.3 Transplantation
diese um einen Bubble Oxygenator erweitert. Am
Ende des 2. Weltkriegs wurde durch eine Weiterent-
wicklung der Dialyse eine „künstliche Niere“ von Die andere nicht artifizielle Art des Organersatzes
Wilhelm Kolff in den Niederlanden ent­wickelt. Bei ist, wie oben erwähnt, die Transplantation. Hier gibt
diesen Versuchen erkannte man quasi als Neben- es mehrere Unterscheidungsmerkmale. Die autologe
produkt, dass eine extrakorporale Oxygenierung oder autogene Transplantation, bei der körpereige-
wohl ebenfalls möglich ist. nes Gewebe zum Ersatz von nicht mehr funktions-
Schließlich gelang am 6.5.1953 John Gibbon in fähigen Körpergewebe herangezogen wird, z. B. ein
Philadelphia die erste erfolgreiche Herzoperation Herz-Bypass durch die A. mammaria oder Kreuz-
unter Mitbenutzung einer Herz-Lungen-Maschine. bandplastiken aus Muskelsehnen.
Diese wurde dann auch eingesetzt, um die erste Sehr seltene Transplantationen sind syngene oder
Herztransplantation 1967 durchzuführen. Der Er- isogene Transplantationen von genetisch nahezu
folg dieser Operation wurde allgemein nur identischen Individuen wie z. B. eineiigen Zwillin-
­Christiaan N. Bernard zugeschrieben, der die Opera- gen. Die momentan häufigste eingesetzte Transplan-
tion in Kapstadt durchgeführt hat. Leider wurde erst tation beim Ersatz von soliden Organen ist wohl die
Jahre später Hamilton Naki die gleiche Anerken- allogene Transplantation oder auch früher homoge-
4 1 Einleitung

ne Transplantation, bei der Spender und Empfänger durch eine sinkende Organspendebereitschaft ge-
derselben Art angehören. Die xenogene Transplan- kennzeichnet und damit limitiert. Die allgemein üb-
tation, bei der Spender und Empfänger nicht der liche Praxis der Organentnahme bei nur hirntoten
1 gleichen Art angehören (früher heterogene oder he- Patienten (Ausnahme: Lebendspende) limitiert
terologe Transplantation), wird ebenfalls häufig, al- ebenfalls das Angebot an Spenderorganen. Auch in
lerdings nicht für solide Organe durchgeführt, son- anderen Ländern mit deutlich liberaleren Trans-
dern eher im Bereich von bradytrophem Gewebe, plantationsgesetzen und einer Widerspruchslösung,
z. B. der Einsatz von Schweineherzklappen. Bei der bei der der Spender zu Lebzeiten nicht einer Organ-
alloplastischen Transplantation wird kein Gewebs- spende zustimmen, sondern diese explizit verneinen
material, sondern künstliches Material als Implantat muss, um eine Explantation zu vermeiden, ist die
eingesetzt. Der Zahnersatz ist hier sicherlich ein sehr Zahl der Spender deutlich kleiner als die Zahl der
weitverbreitetes Beispiel. wartenden potenziellen Empfänger.
Auch werden die Transplantationen nach dem Aus dem Gesagten lässt sich folgern, dass die Zahl
Ort der Transplantation unterschieden. Zum einen der künstlichen Organersatzverfahren weiter zuneh-
isotope Transplantationen, bei denen Ort und Gewe- men muss – und mit ihr auch die Zahl der zu betreu-
be identisch sind, und zum anderen orthotope enden Patienten. Daher ist es für den klinisch tätigen
Transplantationen, bei denen es nur eine örtliche Arzt sowohl im ambulanten wie auch im stationären
Übereinstimmung gibt z. B. Herztransplantationen. Bereich unabdingbar, sich mit diesen Verfahren
Und zuletzt heterotope Transplantationen, bei auseinanderzusetzen. Dabei können Probleme
denen die einzusetzenden Organe an einen anderen durch Dysfunktion und auch Fehlfunktionen auftre-
Ort als das Ursprungsorgan eingesetzt werden. Als ten oder es können sich ganz neue Komorbiditäten
Beispiel hierfür sei die Nierentransplantation ge- ergeben. All dies sollte den klinischen Kollegen ge-
nannt, bei der normalerwiese das Spenderorgan im läufig sein. Patienten, die regelmäßig mit einer Hä-
Bauchraum und nicht retroperitoneal reanastomo- modialyse versorgt werden müssen, sind mittlerwei-
siert wird. le absolut alltäglich in unserem Gesundheitssystem,
Patienten, die mit einer extrakorporalen Oxygenie-
rung oder einem Kunstherz versorgt sind, dagegen
noch eher außergewöhnlich. Die Zahlen sind aller-
1.4 Zunahme der Patienten dings auch hier steigend und werden sicher über die
mit Organersatz nächsten Jahre in den fünfstelligen Bereich pro Jahr
anwachsen. Durch die Globalisierung begünstigt
werden wir uns stetig mit neuen RSV, Grippe- und
Mit der deutlichen Zunahme gewisser „Wohlstands- SARS-Viren auseinandersetzen müssen, und gerade
erkrankungen“ wie Diabetes mellitus, dem metabo- diese haben in großem Umfang Patienten mit aku-
lischen Syndrom und der KHK und der sich daraus ten Lungenversagen nach sich gezogen. Es waren
ergebenden Morbidität, insbesondere der Bevölke- dabei, wie auf der Homepage des ARDS-Netzwerks
rung in westlichen Industrieländern, ist eine stei- Deutschland zu erkennen, oft fast alle verfügbaren
gende Nachfrage nach Organersatzmethoden klar zu Behandlungsbetten in Deutschland belegt.
erkennen. Auch die Alterspyramide, die sich immer Eine Verbesserung der extrakorporalen Ersatz-
mehr nach oben zuspitzt, führt dazu, dass häufiger systeme hat in den letzten Jahren zu einer deutlichen
Organe in ihrer Funktionsfähigkeit nachlassen bzw. Zunahme der Kliniken geführt, die diese Systeme
diese aufgeben. Aus diesem Grund ist von einer wei- einsetzen. Hier ist zu erwarten, dass sich dieser
teren deutlichen Zunahme der Nachfrage nach Or­ Trend schon aufgrund wirtschaftlicher Interessen
gan­ersatzmethoden auszugehen. Folgerichtig wird der Hersteller weiter fortsetzen wird und damit auch
auch damit verbunden die Zahl von Patienten, bei die Zahl der Anwendungen steigen wird.
denen genau diese Organersatzverfahren eingesetzt Ähnlich sieht es mit Geräten zur Unterstützung
werden, in gleichem Maße ansteigen. Die Zahl der der kardialen Pumpfunktion aus. Wurde vor 10 Jah-
Transplantationen ist nicht zuletzt in Deutschland ren in Deutschland fast ausschließlich das Ber-
1.4  Zunahme der Patienten mit Organersatz 5

lin-Heart eingesetzt, sind auch auf diesem Gebiet als ambulant tätiger Facharzt. In all diesen Berei-
immer mehr und neue Hersteller aktiv und bieten chen ist ein Überblick über die gängigen Verfahren
weiterentwickelte, sehr gute Geräte an. Auch die In- unabdingbar und auch für die adäquate Behandlung
zidenz der Herzinsuffizienz steigt stark an und das der Patienten notwendig. Durch die angesproche- 1
nicht nur wegen des demografischen Wandels. So nen Verfahren werden nicht nur Probleme gelöst,
entstehen in den Krankenhäusern neben den schon sondern sicher auch neue entstehen. Angefangen bei
seit Jahren etablierten Chest-Pain-Units zunehmend der Antikoagulation über die Unmöglichkeit der un-
auch Herzinsuffizienz-Einheiten. Neben dem Ein- blutigen Blutdruckmessung bei kardialen Assist-­
satz dieser Kreislauf unterstützenden Geräte als Zwi- Systemen bis hin zur Problemlösung bei Dysfunk-
schenlösung im Sinn einer Bridge to Transplant tionen. Besonders bei der Versorgung dieser Patien-
nimmt auch der Einsatz bei Patienten mit Kardio- ten in Notfallsituationen ist die Hinzuziehung eines
myopathien zu, um die Zeit bis zur Erholung der Experten meist nicht oder nur telemedizinisch mög-
Herzfunktion zu überbrücken. Auch werden die Sys- lich. Daher ist es empfehlenswert, die Grundzüge
teme bei Patienten in der Endphase der Erkrankung der Organersatzverfahren und deren mögliche Kom-
eingesetzt, um Lebenszeit und Lebensqualität für die plikation zu kennen.
Patienten zu gewinnen. Hierzu kann das vorliegenden Werk jedem kli-
Daher wird bald jeder klinisch tätige Arzt mit die- nisch Tätigen eine Unterstützung bzw. Hilfsstellung
sen Patienten konfrontiert werden, sei es als Mitbe- geben.
handler im stationären Bereich, als Hausarzt oder

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