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Untersuchungen zur Taxonomie und

Verbreitung des nordwesteuropäischen Lilium


bulbiferum sensu lato

Dr. R. Jürgen Koch

Exkursionstagung zum Schutz der


Ackerwildkräuter
27. - 29.6.2019

Die beiden Bilder stammen aus dem Altenceller Industriegebiet (1735). In den letzten
20 Jahren wurden dort zahlreiche Kleinvorkommen erfasst, die heute i.d.R. erloschen
sind. In einer kleinen Fläche, die der Stadt Celle gehört, war im Winter 2016/17
Verbuschung entfernt worden; es konnten sich sehr kräftige Exemplare entwickeln.

Alle Pflanzen gehören zum Taxon „Typ 3“; Samen wird nicht angesetzt.

1
1. Einleitung Gliederung
1. Die Gattung Lilium
2. Untersuchungsgebiet
2. Literaturübersicht
1. Autoren des 19. Jhdts.
2. Fragestellung
3. Beschreibung der Taxa
4. Zur vegetativen Vermehrung
5. Zur generativen Vermehrung
1. Pollen-Kompatibilität
2. Weibliche Fertilität
6. Diskussion

2
Die Gattung Lilium
• Verwandte Gattungen: Fritillaria, Cardiocrinum, Nomocharis
• Lilium
• Sehr große Chromosomen, nur diploide Arten mit 2n = 24 Chromosomen. 1 Taxon
3n = 36
• Mannigfaltigkeitszentrum Ostasien
• ~ 110 Arten Eurasien, Nordamerika
• In Europa Sektion Liriotypus (Südeuropa), L. martagon, L. bulbiferum sensu lato

• Gestalt • Vermehrung
• Schuppenzwiebel, -rhizom, -stolon • Generativ, SI. Samen flach,
• Basalwurzeln langlebig Verbreitung durch Wind
• Stängelwurzeln 1-jährig • Vegetativ durch isolierte Schuppen,
• Stängel aufrecht oder stoloniform Brutzwiebeln
• Blätter verstreut oder quirlförmig • Nutzung
• Blüten mit 2x3 Tepalen, 2x3 Antheren, • Taxa mit farbigen Zwiebeln nur als
3 Fruchtblättern Zierpflanzen
• Taxa mit weißen und gelben Zwiebeln
als Nahrungsmittel (KH)

Eine Besonderheit der hier aufgeführten Gattungen ist die einheitliche Zahl von
Chromosomen 2n = 24. Ausnahme ist das triploide Taxon „Lilium lancifolium“ (und in
einer neueren koreanischen Arbeit einige triploide Klone des L. leichtlinii var.
maximowiczii).

Noda und Schmitzer hatten einen triploiden Klon aus L. bulbiferum var. bulbiferum
gefunden, weitere untersuchte Klone waren diploid.

In Südeuropa ist die Sektion Liriotypus endemisch. Die Sektion zerfällt in


Artengruppen, die innerhalb der Artengruppen kreuzungsfertil sind, zwischen den
Artengruppen jedoch hohe Kreuzungsbarrieren aufweisen. L. martagon ist
namengebend für die ostasiatische Sektion Martagon. L. croceum (Safranlilien) und L.
bulbiferum (Feuerlilien) sind eng verwandt mit den Arten der ostasiatischen (Unter-
)Sektion Daurolirion aus der Sektion Sinomartagon. Kreuzbarkeit zu Daurolirion
besteht uneingeschränkt.

Schließlich: Alle Lilien sind essbar, unterschiedlich ist der Geschmack. Alle
europäischen Arten sind wohlschmeckend.

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Untersuchungsgebiet
Fast nur
Gärten mit
Wildlilien
• Natur-Standorte
• NLWKN
• LK Goslar
• Bos, Brechmann
• Garten-Standorte
• LAND & Forst 2016, 2017
LK

Fast nur
Gärten mit
Garten-
hybriden

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2. Literaturübersicht
Autoren des 19. Jahrhunderts

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2 Taxa
(Ascherson & Graebner 1905-1907; Vilmorin 1896)

Merkmal L. croceum L.bulbiferum Literatur


Blätter Sehr zahlreich Mäßig viele A&G
Keine Brutzwiebeln in ihren In ihren Achseln (beim A&G
Achseln tragend Typus) stets Brutzwiebeln
tragend
Tepalen Safrangelb Leuchtend rot oder gelbrot A&G
Blütezeit 2-3 Wochen später 2-3 Wochen früher Vilm.
Frucht Länglich birnförmig, stumpf, Verkehrt eiförmig, stumpf, A&G
doppelt so lang als breit 6-kantig
Ausläufer Bis 2 dm lang - A&G
Verbreitung Aus Dauphiné beschrieben. Die Mittelgebirge. A&G
Alpen Oberharz: Andreasberg!
Meiste Fundorte der in NW- Vollkommen eingebürgert A&G
Deutschland verwilderten auf Äckern des NW-
Feuerlilie deutschen Flachlandes,
Groningen, Drenthe

6
2 Taxa
(Buchenau 1894; Focke 1883)
Merkmal L. croceum Chaix L. Buchenavii nom. inv.
Blütenfarbe brandgelb hochrot
Blütengröße kleiner größer
Blätter Keine Brutzwiebeln in obersten Meist Brutzwiebeln in den
Achseln obersten Achseln
Früchte Am Grunde verschmälert Prismatisch
Verbreitung Aschendorf, Emsbüren, Papenburg, Ritterhude
Haselünne, Neuenkirchen, Löningen,
Lastrup, Cloppenburg, Zwischenahn
Gärten, Äcker, an einzelnen Stellen in Nur von Äckern bekannt
großer Menge und ganz unausrottbar

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Fragestellung
• Taxa aus dem 19. Jahrhundert
– L. croceum Chaix
– L. bulbiferum (Typus)
– L. Buchenavii mit Achselbulbillen
– L. Buchenavii ohne Achselbulbillen
– L. pensylvanicum (frühe, rot blühende Gartenlilien)
• Zuordnung zu den 2015 – 2019 gefundenen Taxa
aus dem L. bulbiferum Aggregat
• Bewertung der Unterschiede in vegetativer und
generativer Vermehrung

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Lilium croceum Chaix “Croceum 3” “Typ 3” Lilium bulbiferum L.

Safranlilie Tiefland-Feuerlilie Hochland-Feuerlilie

Abb. 1. Vier niedersächsische Taxa: Safranlilie (Lilium croceum) und die


Feuerlilien als Tieflandform mit den beiden Taxa „Croceum 3“ und „Typ 3“
sowie L. bulbiferum als Hochlandform

9
3. Beschreibung der Taxa

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Lilium croceum Chaix – die Safranlilien des Emslandes

• Die zierliche Version der


östlichen Feuerlilien
• Früher im Westen der
norddeutschen Tiefebene
häufig; ein Lästling der
armen Bauern
• Heute nur noch wenige
Klone.
• Sehr ausdauernde
Gartenpflanze, die an
ihrem Platz bleibt, ihn aber
ausdehnt.

Ein verträglicher Partner in


Prairie-Pflanzungen, zur
Verwendung im öffentlichen
Grün?

11
Lilium croceum Chaix – die Safranlilien des Emslandes

Schloss Holte-Stukenbrock,
Vollmar

Papenburg 1991,
Lothar Juffa

12
Normal ausgebildete Defekte Antheren
Antheren

Abb. 5 Lilium croceum Chaix – defekte Antheren

Eine besondere Form der Papenburger Safranlilien, schon vor über 100 Jahren
beschrieben. Der bisher einzige gesicherte Klon aus Papenburg gehört zu dieser Form,
die von Lothar Juffa fotografierte Lilie wohl nicht.

Wobei auch Ludwig Steffen dieses Phänomen im letzten Heft der deutschen
Irisgesellschaft (1960) beschrieben hat. Danach firmierte die Gesellschaft in Iris- und
Liliengesellschaft um. Er schrieb das Phänomen einer in Schleswig-Holstein
verbreiteten Lilie zu. Seine Beschreibung dieser Pflanze liest sich sehr „safran“mäßig.

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Abb. 1 Lilium croceum Chaix - normale
(links) vs. defekte (rechts) Antheren

1836 1838

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Tiefland-Feuerlilie
Lilium buchenavii „Typ 3“

• Im Osten Niedersachsens stark


verbreitet.
• Oft in sehr kleinen Beständen.
• Nur einmal als bestätigte
Naturentnahme.
• Sonst entweder „schon
immer“ vorhanden oder
spontan aufgetreten.
• Taucht immer wieder an
neuen Stellen auf.

Das ist quasi die Siegerlilie in meinen Untersuchungen. „Typ 3“ ist offensichtlich das
am besten an die Kulturlandschaft angepasste Taxon, denn in einem verhältnismäßig
großen Gebiet treten diese Pflanzen immer noch auf. In der Kulturlandschaft sind sie
zwar unstet, aber schaffen es doch immer wieder, an neuen Standorten aufzutreten.
„Croceum 3“ ist nur im Goveliner Feldbestand häufig. Die Beziehung phänotypisch
entsprechender Pflanzen in Mischbeständen im Westen des Verbreitungsgebiets zu
„Croceum 3“ ist noch zu untersuchen.

Die Safran-/Roggenlilie ist dagegen praktisch ausgestorben.

Auch die Bulbiferum-Feuerlilien im Harz sind allenfalls 2. Sieger. Aus den


Naturschutzwiesen haben sie sich in die Böschungen zurückgezogen, wo es noch
kräftige blühende Pflanzen gibt. Ich vermute, dass sie eine Art der spät gemähten
Streuwiesen mit Abfuhr des Heus als Einstreu waren. Vielleicht ist der Mahdtermin
für diese Art heute zu früh.

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Lilium buchenavii Typ 3 / Kulturlandschaft

Verschiedene Naturaufnahmen. Ganz rechts das fast zerstörte Vorkommen in einem


ehemaligen Wildacker bei Neu Darchau. Oben mitte und links in der Lüneburger
Heide, mitte/rechts in Bredenbock bei Govelin, Unten im Industriegebiet Altencelles

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Lilium buchenavii Typ 3 / Gärten

Verschiedene Gartenaufnahmen. Oben links der Typus-Standort in Ebstorf. Oben


rechts und unten rechts in Loxstedt, der nordwestlichste Standort. Unten links
Dedelstorf, rechts daneben Bomlitz/1834, halbrechts Lünzen bei Schneverdingen, ein
kürzliches spontanes Auftreten.

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Tiefland-Feuerlilie
Lilium buchenavii
„Croceum 3/Typ 3-“

1834/13

Govelin,
A07/17

• Sympatrisch mit „Typ 3“.


• In Govelin, Schlag 85/1
komplementär zu „Typ 3“.

Das ist quasi die Siegerlilie in meinen Untersuchungen. „Typ 3“ ist offensichtlich das
am besten an die Kulturlandschaft angepasste Taxon, denn in einem verhältnismäßig
großen Gebiet treten diese Pflanzen immer noch auf. In der Kulturlandschaft sind sie
zwar unstet, aber schaffen es doch immer wieder, an neuen Standorten aufzutreten.
„Croceum 3“ ist nur im Goveliner Feldbestand häufig. Die Beziehung phänotypisch
entsprechender Pflanzen in Mischbeständen im Westen des Verbreitungsgebiets zu
„Croceum 3“ ist noch zu untersuchen.

Die Safran-/Roggenlilie ist dagegen praktisch ausgestorben.

Auch die Bulbiferum-Feuerlilien im Harz sind allenfalls 2. Sieger. Aus den


Naturschutzwiesen haben sie sich in die Böschungen zurückgezogen, wo es noch
kräftige blühende Pflanzen gibt. Ich vermute, dass sie eine Art der spät gemähten
Streuwiesen mit Abfuhr des Heus als Einstreu waren. Vielleicht ist der Mahdtermin
für diese Art heute zu früh.

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Bergland-Feuerlilie
Lilium bulbiferum
1865 1864/1

• Blühende Pflanzen meist nur noch


an Böschungen
• In der Wiese meist nur noch
juvenile Pflanzen.

Die Lilien im Harz, die klassische Feuerlilie mit starker Bulbillenbildung, auch an
jungen Trieben, und einer feuerroten Blüte mit ausgeprägtem orangefarbenen
Spiegel, eher wenige Punkte. Heinricher hielt diese Lilien für Hybriden, weil sie nicht
in sein Schema passten. Die Bulbiferum-Feuerlilien Österreichs waren blasser
hellorange gefärbt.

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4. Zur vegetativen
Vermehrung

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„Typ 3“ Lilium bulbiferum L. Vergleich der Stängelbulbenbildung
an nicht blühfähigen und
Stängel adult (blühfähig) blühfähigen Stängeln von „Typ 3“
und L. bulbiferum L.
Stängel juvenil (nicht
blühfähig)

21
L. buchenavii Generativ durch
„Typ 3“ Bestäubung mit
Vermehrung kompatiblem Pollen

oben
oder unten
Safranlilie / L. croceum Bild: Vollmar

vegetativ

Die Art der generativen und vegetativen Vermehrung ist nicht nur taxonomisch
bedeutsam. Sie ist auch entscheidend für die Anpassung der Taxa an ihre
Lebensräume, mit deren Untergang auch die Taxa untergehen werden.

Es wäre spannend, diese Merkmale in spaltenden Hybridschwärmen zu untersuchen.

Diese Unterschiede sind wirklich sehr deutlich. Es ist schon sehr bedauerlich, dass sie
in den letzten 100 Jahren von der botanischen Forschung einfach übersehen wurden.

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Beitrag adulter (blühfähiger) und juveniler (nicht
blühfähiger) Pflanzen zur vegetativen Vermehrung

juvenil adult

L. bulbiferum L. + +
L. croceum Chaix + 0
"Typ 3" 0 +
"Croceum 3" 0 0
0 kein Beitrag
+ hoher Beitrag

Das ist ein Schema, abgesichert nur für die oberirdische Bulbillen-Bildung. In
Boldebuck habe ich im Herbst 2019 mit der Scheibenegge hochgeholte Zwiebeln mit
Trieben gesehen (Typ 3), die etwas stoloniform gewachsen waren und gut mit
Brutzwiebeln besetzt waren.

23
Ein einfacher Bestimmungsschlüssel

1. Achselbulben an blühenden / adulten Trieben


1. Vorhanden. Weiter bei 3.
2. Fehlend. Weiter bei 2.
2. Stoloniformer Wuchs der Jungpflanzen (1), Ausprägung von
Anthozyanen in der Blüte (2), Blühzeitpunkt (3)
1. (1) ja, (2) gering, (3) spät. → Lilium croceum Chaix. Safranlilie
3. (1) nein, (2) deutlich, (3) früh. → „Croceum 3“. Tiefland-Feuerlilie
4. Achselbulben am unteren, vegetativen Stängelteil (1), an juvenilen
Trieben (2)
1. (1) ja, (2) ja. → Lilium bulbiferum L.. (Berg-) Feuerlilie
2. (1) nein, (2) nein. → „Typ 3“. Tiefland-Feuerlilie

24
5. Zur generativen
Vermehrung
Ich hatte Vorabinformationen:
• Lilien sind generell selbstinkompatibel (SI).
• Spontan werden eher keine Samenkapseln angesetzt.
• Pollen anderer Taxa ist kompatibel.
• Triploidie wurde in einem Fall nachgewiesen.

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Blütenarbeiten mit der Pflanze
„Govelin-Feld 1745/A10“
A10 x A06: Bonitur 3
(leichte Schwellung),
keine Samen
A10 x A09: Bonitur 1,
keine Samen

Knospen werden
geöffnet, die Narbe A10 x A04: Bonitur 8,
bestäubt und mit 141 Samen
Alu-Folie abgedeckt.

Beide Aufnahmen wurden ungefähr aus dem gleichen Blickwinkel gemacht. „A10“
wie auch „A06“ und „A09“ gehören zur Morphe „Croceum 3“. „A04“ gehört dagegen
zu „Typ 3“. Der Pollen von „A04“ bewirkte einen guten Samenansatz. Die beiden
weiteren Kapseln entstanden spontan aus freier Abblüte. Sie sind ausgeprägter
birnenförmig, weil im unteren Bereich die Samenanlagen nicht ausgebildet sind.

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Erfassung des Merkmals Samen / Kapsel

1739 x A07: 133 Samen mit Embryo, 13 voll


entwickelte Samen ohne Embryo, dazu viele
leere, dennoch sehr gut ausgebildete
Samenhüllen
1742: spontan
gebildete Kapsel
aus offener
Bestäubung.
6 Samen mit
Embryo

1760 x 1754: 248 Samen mit


Embryo, 3 Samen ohne
Embryo. Die Samen fühlten
sich schwer und „fettig“ an.

Im Durchlicht kann man den Embryo als dunklen Strich erkennen. Die Unterscheidung
zu tauben Samen wird dadurch bei gut ausgereiften Samen eindeutig.

27
Tab. 1 Feuerlilien – Kreuzungsdiallel 2016
quantitative Auswertung

• Typ III x Typ III : meist keine Samenbildung


• Typ III x Croceum: mit einer Ausnahme sehr gute Samenbildung
• Croceum Mutterpflanzen: kleine Kapseln, wenige kleine Samen

Die Sortierung entlang der Achsen folgte dem Längengrad von West nach Ost.
„Croceum“ im Westen bezeichne ich heute als „Garten-Croceum“. Die „Croceum“ im
Osten bezeichne ich heute als „Croceum 3“. Die Pflanzen wuchsen in der Umzäunung;
ich hatte sie nur als Pollenelter eingesetzt.

28
Samenansatz in Abhängigkeit vom Taxon des Pollenelters
(Govelin, 2017)

29
Kein Samenansatz in „Typ 3“ x „Typ 3“ Kombinationen

54
Ort
Hamburg
"Typ 3"
L. croceum
Lüneburg
L. bulbiferum
Papenburg kein Ansatz
<10 Samen/Kapsel
53 Bremen

Berlin
Hannover
Osnabrück
52
Wittenberg

Göttingen

Dresden
51
7 8 9 10 11 12 13 14

Die geprüften Bestäubungskombinationen


sind durch Striche verbunden.

Die Lilien aus Kemberg bei Wittenberg wachsen seit vielen Jahren in einem Uelzener
Garten. Die Besitzerin stammt aus Kemberg und hat ihre Gartenpflanzen aus dem
mütterlichen Garten bezogen. Sie hat keine Erinnerung daran, dass die Lilien bereits
bei der Mutter wuchsen. Sie könnten also auch ein spontaner Gast sein.

30
"Typ 3“ als Samenelter
- Anzahl Samen in Abhängigkeit vom Taxon des Pollenelters.

L.
"Croceum L. croceum div. Garten-
"Typ 3" bulbiferum
Jahr 3" Chaix lilien
L.
Mittel Anz. Mittel Anz. Mittel Anz. Mittel Anz. Mittel Anz.

2016 0,7 32 147 2 145 7

2017 0,7 26 111 20 157 3 118 15

2018 0,0 14 114 2 130 7 82 4

Angeben sind der mittlere Samenansatz/Kapsel und


die Anzahl durchgeführter Bestäubungen.

Der Versuchsaufbau erlaubt keine seriöse quantitative Auswertung, denn er war auch
nicht darauf ausgelegt. Ganz eindeutig ist jedenfalls die Klassenbildung.

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Samenansatz normal fertiler Taxa in
Abhängigkeit vom Taxon des Pollenelters

Taxon
Frage- Kreuzungs-
stellung typ L. bulbi- L. croceum
„Typ 3“ „Croceum 3“
ferum L. Chaix
Pollen-
Taxon x Taxon - 0,6 72 0 11 136 2
kompatibilität

Samenfertilität Taxon x diverse 204 3 121 60 118 20 -

Pollenfertilität diverse x Taxon 138 10 123 19 115 22 137 3

Mittlere Anzahl Samen / Kapsel Anzahl Bestäubungen

Soweit geprüft gibt es keine Unterschiede in der Samen- und Pollenfertilität. Ein
Hinweis: Mütter mit schwacher weiblicher Fertilität (die Garten-Croceum) sind in die
Mittelwertbildung nicht einbezogen worden.

32
6. Diskussion

33
Abb. 14 Historische vs. aktuelle Nachweise
Abb. 161 aus Behre 2008, Landschafts-
geschichte Norddeutschlands

Einer Kartenabbildung aus der Literatur werden georeferenzierte Fundorte der


verschiedenen Taxa überlagert. Die Karte gibt historische Bodennutzungsformen
wider. Die Häufung der gelben Kreisflächen in den Regionen mit langjährigem
„ewigem“ Roggenanbau deutet auf eine Anpassung der Safranlilien, in den Regionen
auch Roggenlilie (niederländisch Roggelelie) genannt, hin.

Die Roggenlilie, die man vielleicht als eine Anpassung an den besonderen
Lebensraum „Immerwährender Roggenanbau mit Plaggenhieb“ verstehen kann, war
noch vor 100 Jahren verbreitet und sogar ein lästiges Unkraut. In den 1990er Jahren
fanden sie unabhängig voneinander der Niederländer Fred Bos und der Papenburger
Lothar Juffa noch als Einzelfunde an Böschungen und als Naturentnahmen in Gärten
im Raum Papenburg. Davon ist sehr wenig übrig geblieben, wirklich gesichert nur je
ein Klon aus Papenburg und Schloss Holte-Stukenbrock.

34
N
Lilium croceum Chaix

Safranlilien mit
• Brandgelber Blüte
• Stoloniformem Wuchs
juveniler Triebe

Direkter Vergleich?
S Unterschiede z.B. im Blühbeginn?

Die Safranlilien des Emslands stellen quasi die Nordpopulation dar, die Lilien der
Dauphiné die Südpopulation. Stammen die N-Lilien ursprünglich aus dem Süden?
Oder sind beide Populationen der Überrest eines einstmals größeren geschlossenen
Gebiets? Ich tendiere zu Letzterem. Übrigens waren die Dauphiné-Lilien bereits aus
den Äckern verschwunden, als sie von Chaix im 18. Jahrhundert beschrieben wurden.

35
Lilium bulbiferum var. croceum in der englischen Literatur -
Vergleich zwischen Fig. 7 und 8 (Stoker, 1939) und „Sarastro“
(= 1874/2)

Von 1874/2 wird als Herkunft Oberitalien/Wildstandort angegeben. Auch blühfähige Triebe
weisen einen stoloniformen Wuchs auf. Die schwache Samenfertilität könnte auf hybride
Herkunft hinweisen.

Die Ähnlichkeit der Sarastro-Lilie mit der Abbildung aus dem Stoker-Paper ist schon
sehr auffallend. Die Zeichnung der Samenkapsel gibt jedenfalls keine voll ausgebildete
Samenkapsel wieder.

36
Boden-Klima-
Räume

Feuerlilien:
Lehm
Lehmböden trennen
die Tiefland-Form von
der Hochland-Form.
Lehm

Das Konzept der „Boden-Klima-Räume“ (BKR) wurde entwickelt, um die regionale


Beschreibung von landwirtschaftlichen Pflanzensorten zu verbessern. Die „Räume“
umfassen Gebiete mit eher einheitlichen Anbaubedingungen. Da Feuer- und
Safranlilien Pflanzen der Kulturräume sind, wollte ich die BKR für diese Darstellung
einsetzen.

Die Abbildung macht deutlich, dass die Tieflandform L. buchenavii von der
Hochlandform L. bulbiferum durch eine Zone von schweren Lehmböden abgetrennt
wird. Eine Einzelbeobachtung, aber auch Angaben in floraweb lassen mich vermuten,
dass L. buchenavii eine weitere östliche Verbreitung hatte, wobei zumindest in
Deutschland immer Regionen mit Lößböden die südliche Grenze waren. Tieflandform
und Hochlandform sind also sehr gut voneinander isoliert.

37
„Typ 3“ auch in Polen?
Sehr geehrter Herr Dr. Bos,

würden Sie diese Aufsammlung aus Polen


(Pieninen Gebirge, Westkarpaten, ca. 600 m a.s.l.)
noch zu Lilium bulbiferum subsp. bulbiferum
rechnen? Oder schon zu subsp. croceum ?

Mit freundlichen Grüßen

Zbigniew Szeląg
Cracow, Poland

Wie weit sind bzw. waren die Tiefland-Feuerlilien in Europa verbreitet? War der
Pollen dieser Feuerlilien, soweit sie Stängelbulben im Blütenstand ausbildeten,
vielleicht sogar immer inkompatibel? Ich vermute, dass der Typ 3 im Osten
Niedersachsens nur ein Restvorkommen ist.

38
Danke sehr für Ihre
Aufmerksamkeit

Das Felsbild stammt aus der Grotta di Fumane, die am Fuße des Monte Baldo liegt.
Die dort noch vorkommende Feuerlilien-Population sieht wohl der Sarastro-Lilie sehr
ähnlich, die Umzeichnung stammt von mir. Das Bild ist von Menschen des Proto-
Aurignacien gemalt worden, die europäische Zeitgenossen des Neandertalers waren.
Sie waren die ersten modernen (Sapiens) Menschen in Europa.

39
Gartenhybriden in der Sinomartagon und Daurolirion
Sektion und im Bulbiferum Aggregat
Daurolirion Bulbiferum L. bulbiferum L.
L. dauricum L. croceum Chaix
„Safranlilie“ L. buchenavii „Typ 3“
L. maculatum
L. buchenavii
L. aurantiacum
„Croceum 3“
Weston „Safranlilie“
Sinomartagon

L. x elegans Bulbiferum
Hybridschwarm Hybridschwarm vor dem 19. Jhdt.
(Japan, NW Europa)

L. tigrinum
L. cernuum L. x hollandicum Bulbiferum
L. davidii Hybridschwarm
L. maximowiczii
19. Jahrhundert
L. amabile
Daurolirion (UK, Niederlande)

Gärtnerische Division 1 20. Jahrhundert


Hybridschwarm (USA, Niederlande)

Anmerkung vom 17.2.2019:


Die Abbildung war 15 Monate alt und entsprach nicht mehr ganz meiner Auffassung.
Deshalb habe ich sie heute verändert. L. bulbiferum ist die Feuerlilie der subalpinen
Bergwiesen (Mittelgebirge, Alpen), L. buchenavii ist dagegen die Tieflandform der
Feuerlilie, verbreitet als „Typ 3“. „Croceum 3“ ist eine merkwürdige Form.
Nachgewiesen bisher nur im Lilienfeld in Govelin (www.lilienpfad.de), dort
vorherrschend. Diese Pflanzen sind außerordentlich schön mit pyramidalen
Blütenständen. Sie stehen in einer merkwürdigen komplementären Beziehung zu „Typ
3“ (s.a. Folie 18). In Schloss Holte-Stukenbrock habe ich sie nicht gezeigt.

Die Folie stellt quasi mein persönliches Arbeitskonzept dar. L. dauricum/L.


pensylvanicum, L. croceum Chaix, L. bulbiferum und Typ 3 sind nach meiner
Auffassung die fertilen Arten. Das L. aurantiacum von Weston halte ich bereits für
eine Hybride; das wilde Gegenstück wäre Croceum 3. Die systematische Stellung von
L. maculatum ist ziemlich unklar. So wird in der älteren Literatur geschrieben, dass die
Keimung sofort epigäisch erfolgt, wie bei den Sinomartagon-Arten. Ich wäre nicht
überrascht, wenn sich bei L. maculatum Introgression aus Sinomartagon-Arten, bei
dem L. bulbiferum-Aggregat Introgression aus (kaukasischen) Liriotypus-Arten
nachweisen ließe. Schaun mer mal.

46
L. croceum Chaix ist eine Wildlilie, L. aurantiacum Weston ist (bzw. war) eine
Kulturlilie. Es lässt sich zeigen, dass Weston Gartenlilien beschrieb, von denen ich
vermute, dass sie hybrider Herkunft waren und die deshalb eher zum Bulbiferum
Hybridschwarm gehörten. Notabene: Schon Bock und Fuchs beschrieben im 16.
Jahrhundert Feuerlilien, die Merkmale von Safran- und Feuerlilien trugen. Wieso
sollten diese Lilien nicht bereits Hybridnachkommen sein? Chaix beschrieb dagegen
Wildlilien mit Eigenschaften, wie wir sie auch bei den Safranlilien des Emslandes
finden. Im Gegensatz zur heute vorherrschenden Auffassung versuche ich zu
begründen, dass beide Namen nicht synonym sind.

Die Safranlilien aus dem Westen Niedersachsens sind übrigens sehr zierliche und
doch wüchsige Pflanzen. Sie sind gärtnerisch noch zu entdecken!

Anmerkung vom 2.6.2019:

Im Brainstorming für die Juni-Vorträge weitere kleinere Veränderungen (Croceum 3


blass, Sektionsbezeichnungen doppelt, neue hypothetische Verbindungen)

46

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