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Zwei Jahre später als geplant erschienen die beiden letzten Bände der voluminösen
Berliner Universitätsgeschichte. Der zeitlich und inhaltlich erste Band war dann so-
gar der letzte. Damit ist dieses Unternehmen glücklich und überzeugend abge-
schlossen worden. Dass Rüdiger vom Bruch, der den Anstoß dazu gegeben hatte,
nicht mitwirken konnte, wird kommentarlos erwähnt. Heinz-Elmar Tenorth, der
neue/alte Herausgeber und Autor verstand die Aufgabe dieser Geschichte als eine,
die „Forschung und Erkenntnis, Studium und Lehre, Bildung als eigene Lebensform
in spannungsreichen Umwelten“ darzustellen habe. Er eröffnet mit einem Über-
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NEUE HISTORISCHE LITERATUR
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Lund widmet sich einer bisher selten behandelten Thematik „Universität in der
Stadt 1810–1840 – Geselligkeit – Kultur – Politik“. Sie schreibt einen ebenso glänzen-
den wie überzeugenden Beitrag zum gesellschaftlichen Umfeld einer Universität,
einer, die gerade gegründet worden war und unter besonderen Bedingungen ihren
Platz zu finden hatte.
Der „disziplinär organisierten Forschungsuniversität, 1860–1918“ widmet sich
Charles McClelland. Dem ausgewiesenen und souveränen Kenner der deutschen Uni-
versitäten dieser Jahre gelingt erneut ein zuverlässiger, informativer und intelligen-
ter Beitrag zu dieser Geschichte. Ausgehend von allgemeinen Gesichtspunkten, ge-
stützt auf vielfältige quantitative Befunde stellt er die Entwicklung dieser Jahre dar.
Die allgemein bekannten Berliner Professoren erfahren zum Teil neue Zuordnung,
McClelland ergänzt zuverlässig die von Lenz eigentlich nicht behandelten Vorgän-
ge und Ereignisse. Eine Geschichte der inneren Entwicklung der Universität in ihren
Fakultäten und Personen kommt so freilich nur bedingt in den Blick. Aber das tut
dem Beitrag keinen Abtrag. Er bringt viel Neues, nicht nur faktisch, sondern auch in
den abgewogenen Urteilen. Ob freilich ab 1910 die Universität in eine Krisenphase
eintrat, ob das nicht als anpassende Veränderung gekennzeichnet werden müsste,
kann zumindest gefragt werden.
Der dritte Band behandelt die Jahre von 1945 bis 2010. Auch er besticht durch
gute Gliederung und einleuchtende Urteile. Konrad H.Jarausch stellt in seiner einlei-
tenden Einführung diese Geschichte unter das Motto „Universität in Umbrüchen“.
Der DDR-Zeit bescheinigt er auf dem Bildungssektor, den Gesamtzeitraum betrach-
tend, Stagnation und „einfallsreiche Eigenentwicklungen“ bei zugleich „tiefem Pro-
vinzialismus“. Entsprechend schwierig und langwierig musste der Erneuerungspro-
zess sein.
Den Band leitet Reimer Hansen ein mit einem Kapitel: „Von der Friedrich-Wil-
helms- zur Humboldt Universität zu Berlin“. Neuanfang, Wiedereröffnung, Grün-
dung der Freien Universität, die Umbenennung als Programm und im Deutungs-
konflikt werden ausführlich, profund und klar dargestellt. Ebenso zuverlässig, infor-
mativ und ausgewogen beschäftigt sich Annette Vogt mit dem „Wiederaufbau der
Berliner Universität bis zum Universitäts-Jubiläum 1960“. Wie bei der Kennerin die-
ser Verhältnisse nicht anders zu erwarten, stellt sie die vielfältigen und oft wider-
sprüchlichen Pläne und Vorgaben der DDR-Führung, die sogenannten Reformen,
aber auch Remigranten, Studenten, die Beziehungen zur Sowjetunion, Frauenfrage,
Dozenten und Professoren klar dar. Sie zeichnet ein eindrucksvolles Bild dieser Jah-
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das Resultat war. Die Umwandlung habe weder eine Volks- noch eine Eliteuniversi-
tät geschaffen, wie teilweise und abwechselnd erstrebt. Vielmehr könne das Ergeb-
nis als „erneuerte Hauptstadtuniversität mit tendenziell linker Studentenschaft“
chrakterisiert werden. Nach der langwierigen Stabilisierung habe sie inzwischen je-
doch Ansehen, Qualität und Attraktivität wiedergewonnen.
Harm Klueting (Hrsg.), Das Herzogtum Westfalen. Bd. 2: Das ehemalige kurköl-
nische Herzogtum Westfalen im Bereich der heutigen Kreise Hochsauerland,
Olpe, Soest und Märkischer Kreis (19. und 20. Jahrhunder). 2 Teilbde. Hrsg. in
Zusammenarb. mit Jens Foken. Münster, Aschendorff 2012. 1172 S., € 35,–.
// doi 10.1515/hzhz-2014-0078
Peter Burg, Münster
Harm Klueting hat mit der Herausgabe des in zwei Halbbände gegliederten Bandes
2 zur Geschichte des Herzogtums Westfalen die wissenschaftliche Aufarbeitung der
ehemaligen kurkölnischen Provinz vorangebracht. Der im Jahre 2009 erschienene
erste Band erhält damit die geplante Fortsetzung. Für die in Band 2 dargestellte Zeit
wird der Obertitel beibehalten, obwohl es, abgesehen von der hessischen Zeit (1803–
1816), keine politisch-administrative Nachfolgeeinrichtung gab, die den Namen
„Herzogtum Westfalen“ weiterführte. Allerdings stellt sich der Sauerländer Heimat-
bund in dessen geschichtliche Tradition. Da es dem Herausgeber um die Geschichte
des Raumes geht, nennt er im Untertitel die vier Landkreise, die sich heute im We-
sentlichen auf dem Boden des einstigen Herzogtums befinden. Die Frage nach der
geschichtlichen Identität des ehemaligen Herzogtums und nach deren Weiterexis-
tenz lässt sich auch in Bezug auf die Nachfolgeinstitutionen stellen. Dazu wäre nach
spezifischen Merkmalen der Mentalität, der Konfession, des Bevölkerungsverhal-
tens, der Wirtschaft, der Kultur, des Wahlverhaltens usw. zu fragen. Eine solche Fra-
ge bietet sich als Leitfaden gerade eines Sammelbandes an, der sich einem unterge-
gangenen Gebilde widmet. Darauf hätten die beitragenden Autoren verpflichtet
werden können. Der Herausgeber zog es aber vor, diesen freie Hand in der Ausfüh-
rung zu lassen.
Insgesamt beteiligen sich 19 Autoren an dem Sammelband, darunter namhafte
Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen, Verwaltungsfachleute, Lehrer, Ar-
chivare. Von den 23 Beiträgen hat der Herausgeber allein fünf beigesteuert. Er be-