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band mitteilt (S.

11), hätte man sich spätestens da gewünscht, dass die Auftraggeber


vor Veröffentlichung des Bandes das Manuskript des Herausgebers etwas genauer
angesehen hätten. Da bleibt nur zu hoffen, dass die vier Übersetzerinnen der russi-
schen Dokumente anders gearbeitet haben.

Hélène Miard-Delacroix, Im Zeichen der europäischen Einigung 1963 bis heute.


Aus dem Franz. übers. v. Birgit Lamerz-Beckschäfer. (WBG Deutsch-Franzö-
sische Geschichte, Bd. 11.) Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft
2011. 404 S., € 69,90. // oldenbourg doi 10.1524/hzhz.2012.0555

Ulrich Lappenküper, Friedrichsruh

Die Werbung des Verlages könnte selbstbewusster kaum klingen: Eine „noch nie da
gewesene Zusammenschau der deutsch-französischen – und damit der zentraleuro-
päischen – Geschichte vom frühen Mittelalter bis in die Gegenwart“ biete das von
Michael Werner und Gudrun Gersmann herausgegegebene, auf elf Bände angelegte
Sammelwerk „Deutsch-Französische Geschichte“. Gemessen am soeben erschiene-
nen elften und damit in der Chronologie letzten Band der Reihe, der den Zeitraum
von 1963 bis zur Gegenwart abdeckt, verspricht der Verlag nicht zuviel. Verfasst von
Hélène Miard-Delacroix, Professorin für Deutsche Geschichte und Kultur an der Sor-
bonne und durch einschlägige Veröffentlichungen bestens ausgewiesen, bietet der
Band ein über die bilateralen Beziehungen hinausgehendes komplexes Bild multi-
perspektivischer Geschichte, das gemäß der Methode der „histoire croisée“ vor al-
lem nach Verflechtung und Transfer auf politischer, gesellschaftlicher, ökonomi-
scher und kultureller Ebene fragt, der Bedeutung internationaler Organisationen
wie auch dritter Staaten Rechnung trägt und überdies das Verhältnis Frankreichs
zur DDR im Sinne einer asymmetrischen Interaktion mit den beiden Teilen
Deutschlands beleuchtet.
Nach einem jeweils Kernfragen einer Epoche herausgegreifenden narrativen
Überblick über die Zeitläufte vom Elysée-Vertrag über die deutsche Ostpolitik, die
ökonomischen und strategischen Herausforderungen der 1970er und 1980er Jahre,
den Prozess der Wiedervereinigung und die Entwicklung nach dem Ende des Kalten
Krieges schließt sich ein kompakter Abschnitt über aktuelle Forschungsdebatten zu
zentralen Problemen der deutsch-französischen Geschichte in diesen fünf Dezenni-
en an. Eine systematische Bibliographie mit über 1100 Titeln, eine Zeittafel, ein Per-

582 Historische Zeitschrift // BAND Brought


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sonenregister und einige Karten runden den lesenswerten Band ab, der manche alte
Gewissheit in Frage stellt und neben handfesten nationalen Unterschieden erstaun-
liche Konvergenzen aufzuspüren vermag. Miard-Delacroix’ Bilanz fällt dabei zwie-
spältig aus: Wenn auch im deutsch-französischen Bilateralismus eine von „der Blau-
äugigkeit und dem Idealismus“ der 1950er und 1960er Jahre (S.338) befreite „Logik
[...] der wohlverstandenen Solidarität“ Einzug gehalten (S.343) habe, laufe der bilate-
rale Motor nach leistungsstarken Phasen in den 1970er und 1980er Jahre heute „nur
noch mit halber Kraft“ (S.327). Freilich: Wer das von Miard-Delacroix souverän ver-
messene halbe Jahrhundert in den größeren Kontext der von Dramen und Kriegen
reichen deutsch-französischen Geschichte einbettet, wird mit Genugtuung vermer-
ken, dass sich die beiden Nachbarn inzwischen „auf immer mehr Nähe und Intimi-
tät eingelassen haben“ (S.9).

Andreas Wirsching, Der Preis der Freiheit. Geschichte Europas in unserer Zeit.
München, Beck 2012. 487 S., € 26,95.
// oldenbourg doi 10.1524/hzhz.2012.0556

Andreas Rödder, Mainz

Andreas Wirschings Pionierwerk betreibt Zeitgeschichte im wörtlichen Sinne, die


erstmals substantiell und systematisch über die europäische Zeitenwende von 1989/
90 hinausgeführt wird. Auf breiter Grundlage internationaler, vor allem sozialwis-
senschaftlicher Literatur, von der auf konstruktiv-eklektizistische Weise Gebrauch
gemacht wird, geht es der Frage nach, „wie sich in dem zusammenwachsenden Eu-
ropa Freiheitsgewinn und neues Risiko zueinander verhalten“ (S.14).
In sechs Kapiteln wird ein breites Panorama entfaltet, das mit der „demokrati-
schen Revolution“ von 1989 beginnt – dem größten „Zuwachs an Konvergenz und
Angleichung“ durch die Befreiung Europas vom Kommunismus (S.403) – und von
einer systematischen Darstellung des östlichen Europa nach 1990, insbesondere des
Krieges in Jugoslawien gefolgt wird. Nicht zum letzten Mal sind in diesem Zusam-
menhang – im Gegensatz zu Fortschritten als „internationale Zivilmacht“ – die mi-
litärischen Defizite des Akteurs „Europa“ zu konstatieren (S.211), dessen politische
Integration das dritte Kapitel behandelt. Dieses „Europa“ verfügte weder über eine
einheitliche kulturelle Identität noch über auf Dauer angelegte politische Ziele; zu-
gleich folgte es einer „eigene[n] Pfadabhängigkeit“, die nicht zuletzt durch den „er-

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