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CR 5/2019 R55

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Erst die (richterrechtlich) gefundenen und nun durch das BVerfG ge- ren Verbreitung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen beitragen
stützten sekundäre Beweislasten ermöglichen insoweit eine Rechts- und das unabhängig von der eingesetzten Übertragungstechnik.
durchsetzung, die europarechtlich geboten ist (Vgl. auch EuGH, Urt. v.
Außerdem sieht der Richtlinienentwurf Vergütungsregeln zugunsten
18.10.2018 – C-149/17, dazu Schafdecker, CR 2018, R 126 ff.; ferner zu
der Rechteinhaber vor, wenn ihre Produktionen mit Hilfe von Direkt-
den Schlussanträgen des GA Jäschke, CR 2018, R78 ff.). Dieser Be-
einspeisungen öffentlich ausgestrahlt werden. Hierdurch soll Rechts-
schluss schließt zusammen mit der Loud-Rechtsprechung das bisher
sicherheit entstehen.
bestehenden Schlupfloch für Familien bei Rechtsverletzungen im
Netz. Als Wehmutstropfen bleibt (einzig), dass die Nachforschungs- Weiteres Vorgehen: Nachdem nun das Europäische Parlament den
pflichten der Anschlussinhaber nicht gleichfalls einer Würdigung der Richtlinienentwurf angenommen hat, müssen noch die Mitgliedstaa-
Richter bedurften. ten – im Rat der EU – dem Vorschlag formell zustimmen. Nach der
Veröffentlichung im Amtsblatt der EU haben die Mitgliedstaaten
Quelle: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entsc
24 Monate Zeit, um die neuen Vorschriften in nationales Recht umzu-
heidungen/DE/2019/02/rk20190218_1bvr255617.html.
setzen.
Marvin Jäschke, Göttingen
Erste Reaktionen: Der für den digitalen Binnenmarkt zuständige Vi-
zepräsident Andrus Ansip und die EU-Kommissarin für die digitale
Wirtschaft und Gesellschaft Mariya Gabriel äußerten sich positiv zur

TK und Medien Annahme des Richtlinientextes durch das Europäische Parlament. Sie
wiesen auf die Bedeutung der Rundfunk- und Fernsehprogramme
hin. Diese seien eine wichtige Quelle für Informationen, Kultur und
Unterhaltung für die europäischen Bürgerinnen und Bürger, die nun
dank der Richtlinie einen besseren Zugang zu solchen Programmen
EU-Parlament: Annahme des Richtlinienvorschlags erhielten. Im Ergebnis würde so die kulturelle Vielfalt innerhalb der
zu Online-Übermittlung von Fernseh- & Hörfunkpro- gesamten Union gefördert werden. Darüber hinaus würden insbeson-
grammen dere die 41 Prozent der Europäer, die über das Internet fernsehen,
sprachliche Minderheiten und die 20 Millionen EU-Bürgerinnen und
In seiner Sitzung vom 28.3.2019 hat das Europäische Parlament den Bürger, die in einem anderen EU-Land als ihrem eigenen leben, von
Richtlinienvorschlag zur grenzüberschreitenden Online-Nutzung und den neuen Regelungen profitieren.
zur Weiterleitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen (COM[2016]
Erste Einschätzung: Der dargestellte Richtlinienvorschlag passt die
594 final) angenommen. Der Richtlinienvorschlag ergänzt die Satelli-
Regelungen zur grenzüberschreitenden Online-Übertragung von
ten und Kabel-Richtlinie und soll zukünftig die Lizenzierung von
Fernseh- und Hörfunkprogrammen den Regelungen der Satelliten-
grenzüberschreitenden Online-Übermittlungen von Fernseh- und
und Kabelrichtlinie an. So sieht bspw. der nun angenommene Richt-
Hörfunkprogrammen vereinfachen.
linientext ebenfalls das Herkunftslandprinzip (zumindest für einige
Hintergrund: Der Richtlinienvorschlag, der ursprünglich als Verord- Rundfunkinhalte) vor. Eine Nutzungsrechtseinräumung im Emp-
nungsentwurf ausgestaltet war, ist Teil einer umfassenden Initiative fangsstaat ist nun nicht mehr erforderlich. Dies galt bis jetzt nur für
zur Anpassung des EU-Urheberrechts an das digitale Zeitalter. Anlass Inhalte, die per Satellit oder via Kabel in einen anderen Mitgliedstaat
zum Richtlinienentwurf gab die Feststellung, dass immer mehr übertragen wurden.
Rundfunkanstalten auch Online-Inhalte im Wege des Simultancas- Quellen: https://ec.europa.eu/germany/news/20190328-fernseh-und-
tings oder in Form von Catch-Up-Diensten bereithalten, diese Inhalte hoerfunkprogramme_de; https://ec.europa.eu/germany/news/fernseh
jedoch oftmals nur in einem europäischen Mitgliedstaat abrufbar 20181213_de; https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=
sind. Damit die Online-Inhalte auch über die Grenzen eines europäi- CELEX:52016PC0594&from=DE.
schen Mitgliedstaats hinaus in anderen Mitgliedstaaten abgerufen
werden können, soll der nun vom Europäischen Parlament angenom- Julia Schafdecker, Berlin
mene Richtlinienvorschlag zu einer Vereinfachung der grenzüber-
schreitenden Nutzungslizenzierung beitragen.

Inhalt: Der Richtlinienvorschlag etabliert zunächst für bestimmte OVG Berlin-Bdb.: Vorerst kein Verbot von Live-Stre-
Sendungen (hierzu zählen Nachrichten, politische Informationen so- ams aus Online-Angebot der Bild-Zeitung
wie Eigenproduktionen der Rundfunkanstalten) das Herkunftsland-
prinzip. Für grenzüberschreitende Online-Nutzungen der festgelegten Das OVG Berlin-Bdb. hat in einem Eilverfahren mit Beschl. v. 2.4.2019
Rundfunkinhalte bedarf es somit nur (noch) der Einräumung der ur- (OVG Berlin-Bdb., Beschl. v. 2.4.2019 – OVG - 11 S 72.18) entschieden,
heberrechtlichen Nutzungsrechte desjenigen Mitgliedstaats aus dem dass zunächst weiterhin Live-Streams aus dem Online-Angebot der
die Sendung übermittelt wird. Bild-Zeitung verbreitet werden dürfen. Das Gericht hat damit die Be-
schwerde der Medienanstalt Berlin-Brandenburg gegen einen ent-
Darüber hinaus sieht der Vorschlag einen Mechanismus vor, durch
sprechenden Beschluss des VG Berlin vom 19.10.2018 (VG Berlin vom
welchen die Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogram-
19.10.2018 – 27 L 364.18) zurückgewiesen.
men vereinfacht werden soll. Dieser umfasst unter bestimmten Um-
ständen auch solche Weiterverbreitungsdienste, die über das Internet Zum Sachverhalt: Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg hatte Inter-
erbracht werden. Im Ergebnis sollen die Vorschriften zu einer größe- net-Video-Formate aus dem Online-Angebot der Bild-Zeitung, soweit
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diese als Live-Stream verbreitet werden, als zulassungspflichtigen ter – übermittelt wurde, begann RA Prof. Dr. Jochen Schneider (der
Rundfunk i.S.d. § 20 Abs. 1 Satz 1 RStV eingestuft und deren Verbrei- zweite Tagungsleiter) mit „Nutzungs- und Vergütungsmodelle bei
tung ohne Rundfunkzulassung gem. § 38 Abs. 2 RStV untersagt. Kon- klassischer Software-Überlassung“. Ausgehend von der Rechtspre-
kret handelt es sich um die – später über das Online-Angebot der chung der letzten Jahre zeigte er einen Trend weg vom Softwarekauf
Bild-Zeitung, Facebook und YouTube abrufbaren – Formate „Die rich- hin zu an Nutzungsintensität orientierten Formen der Vergütung für
tigen Fragen“, „BILD-Sport – Talk mit Thorsten Kinnhöfer“ und „BILD – Softwareüberlassung in Form von Miete und die damit einhergehen-
Live“. Die Muttergesellschaft des Axel-Springer-Konzerns wehrte sich den beachtlichen Konsequenzen für AGB-Gestaltung, gewährleis-
gegen den Bescheid der Medienanstalt Berlin-Brandenburg. tungsrechtliche Implikationen und Pflegevergütung. Er machte deut-
lich, dass die zunehmende Auflösung des Vertragsgegenstands „Soft-
Entscheidung des Gerichts: Das OVG Berlin-Bdb. hat die Erfolgsaus-
ware“ bis hin zu SaaS und Microservices Änderungen in Vertrags-
sichten der beim VG Berlin anhängigen Klage unter Verweis darauf
struktur und Vertragstyp bis hin zu einem weiteren Wandel von Miete
als „offen“ angesehen, dass die rechtliche Abgrenzung zwischen zu-
zu Werkvertrag impliziert.
lassungspflichtigem Rundfunk und zulassungsfreien Medien in der
digitalen Welt bisher ungeklärt und höchst umstritten sei. Die in ei- Daran schloss sich der Vortrag von Prof. Dr. Ronny Hauck, Humboldt-
nem solchen Fall gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen In- Universität zu Berlin, zum „Abschied von der Erschöpfung? – Soft-
teresse am Vollzug des Bescheides und dem Interesse der Antragstel- wareüberlassung nach „UsedSoft/Oracle“ an. Er stellte zunächst als
lerin, die Vollziehung des Bescheides bis zu einer Entscheidung in primäre Folge von EuGH UsedSoft 1 die Umstellung auf Miet- bzw. Zu-
der Hauptsache auszusetzen, entschied das Gericht hier zugunsten griffmodelle (insb. Cloud-Services) dar. Des Weiteren erläuterte er die
der Antragstellerin. Das OVG Berlin-Bdb. führte aus, dass die Antrag- damit verbundene Anwendung des mietrechtlichen Gewährleistungs-
stellerin im Falle der vorläufigen Einstellung des Live-Streamings ei- rechts sowie die Auswirkungen auf Rechtseinräumung bzw. Lizenz-
nen erheblichen Verlust an (Publikums-)Reichweite hinnehmen verträge.
müsse, was sich aus der Konzeption als Live-Angebot mit Kommen-
tarfunktionen für die Empfänger ergebe, die bei laufender Sendung Den ersten Themenblock rundete RA Prof. Dr. Fabian Schuster mit
eine Diskussion bzw. eine direkte Kommunikation mit den Nutzern „Abnahme, Mängelrechte und Schadensersatz bei Software-Verträ-
ermögliche. Demgegenüber reduziere sich das öffentliche Vollzugs- gen“ ab. Entscheidend ging es um die Auswirkungen der (baurecht-
interesse darauf, ein Verbot durchzusetzen, dessen Anwendung vor- lichen) BGH-Entscheidungen vom 19.1.20172, die in Ausnahmefällen
liegend gerade streitig sei. Abschließend wies das Gericht darauf hin, eine Geltendmachung von Gewährleistungsrechten schon vor Abnah-
dass Form und Inhalt der hier in Rede stehenden Beiträge nicht be- me ermöglichen. Schuster führte aus, dass dies für den Software-Be-
anstandet worden seien. reich schwierige Abgrenzungsfragen zur Folge habe, die insbesonde-
re das Verhältnis von Abnahme und Go-Live betreffen und damit er-
Quelle: http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jp
hebliche Auswirkungen auf Gewährleistungsrechte im Allgemeinen,
ortal/portal/t/279b/bs/10/page/sammlung.psml?pid=Dokumentanzeige
Schadensersatz im Speziellen sowie die Software-Pflege und deren
&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberof
vertragliche Gestaltung mit Berücksichtigung der Möglichkeit vorzeiti-
results=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=MWRE190001247&doc.part=L&do
gen Scheiterns haben.
c.price=0.0#focuspoint

Mandy Hrube, Hamburg In der sich anschließenden Diskussionsrunde stand eine mögliche
werkvertragliche Einordnung, insbesondere bei SaaS und agiler Pro-
grammierung im Fokus. Diskutiert wurde weiterhin, wie weitgehend
Software vor Go-Live bzw. Abnahme (oder einem entsprechenden
Tagungsberichte Zeitpunkt) getestet werden muss bzw. überhaupt kann. Intensiv the-
matisiert wurde daneben das Verhältnis von Service- bzw. Mietmo-
dellen zu Pflegeverträgen und die Frage etwaiger vertraglicher Rege-
lungen, die das im Grundsatz für Dienstverträge fehlende Gewährleis-
Umorientierung in Leistungskette und Vertragspraxis tungsrecht auffangen können.

Am 28. und 29.3.2019 fanden die Kölner Tage IT-Recht 2019 statt, die Den zweiten Themenkomplex eröffnete RAin Kristina Ehle mit ihrem
in diesem Jahr die Umorientierung in Leistungskette und Vertragspra- Vortrag zu „Services und Vertragsmodellen“, dessen Schwerpunkt die
xis im Softwarebereich in den Blick nahmen. Software-Nutzung in der Cloud in Form des SaaS bildete. Sie zeigte
die neuen Strukturen bei Erweiterung der Zahl der in der Leistungs-
Den roten Faden – von der klassischen Softwareüberlassung über kette Beteiligten und deren Zusammenwirken bei den verschiedenen
Cloud und Apps zu Internet of Things und Künstlicher Intelligenz so- Vertragsmodellen einschließlich App-Nutzung und Abrechnungsser-
wie deren rechtlichen Problemen einschließlich „Dateneigentum“ bis vices beim Marktplatzmodell auf und ging insbesondere auf Verfüg-
hin zu automatisierter Rechtsdurchsetzung – veranschaulichte RA Ul- barkeitsstufen und Mängelrechte sowie deren Ausgestaltung ein, wo-
rich Gasper, LL.M. (Edinburgh), verantwortlicher Redakteur CR, in sei-
ner Begrüßung mit einem Zitat von Darwin als die „Evolution“ der
Software, ihrer Nutzungsformen und deren rechtlicher Beurteilung
und Gestaltung. 1 EuGH Urt. v. 3.7.2012 – C-128/11, CR 2012, 498.
2 BGH, Urt. v. 19.1.2017 – VII ZR 301/13, NJW 2017, 1604 – Fassade;
Nach dem Grußwort der DGRI, das von Prof. Dr. Herbert Zech (Hum- BGH, Urt. v. 19.1.2017 – VII ZR 235/15, NJW 2017, 1607 – Anbau; BGH,
boldt-Universität zu Berlin) – gleichzeitig einer der beiden Tagungslei- Urt. v. 19.1.2017 – VII ZR 193/15 – Terrasse.
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