Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Sek. 1 und 2
Fach: Deutsch
Bestellnummer: NWL63912014
___________________________________________________________________________________________________________________
Im Mittelpunkt steht das Leben des begabten Schülers Hans Giebenrath, dessen
Schicksal vom Leistungsdruck und dem Ehrgeiz des Vaters beeinflusst wird. Die Mutter
ist früh verstorben, Hans leidet oft an Kopfweh und Müdigkeit. Bei der Vorbereitung für
das bevorstehende Landexamen waren ihm seine geliebten Kaninchen weggenommen
worden, da er sich nicht mehr zerstreuen durfte. Vor den Prüfungen hat er starke Angst
und glaubt nicht an das Bestehen. Das Angeln und die Liebe zur Natur bieten ihm den
einzigen Trost. Nach dem Landexamen, das er als Zweiter besteht, kommt er in das
Zisterzienserkloster Maulbronn. Das Leben dort ist von Arbeit geprägt.
Sein Mitschüler Hermann Heilner wird ihm zum wichtigsten Freund. Die Initialen H.H.
lassen die autobiografische Tendenz erkennen. Hesses Vorliebe für den Vornamen
Hermann ist ebenso in „Hermann Lauscher“, Hermine („Der Steppenwolf“) und H.H
(„Die Morgenlandfahrt“) unverkennbar.
Hermann wird als ein Dichter und Schöngeist dargestellt, der von seinen
Schulkameraden als „Genie“ gesehen wird. Er ist musikalisch, lebhaft, jugendlich und
sentimental, aber auch leichtsinnig. Zwischen ihm und dem „Musterknaben“ Hans
entstehen zarte freundschaftliche Bande. Als Hermann wegen eines Zwischenfalls
___________________________________________________________________________________________________________________
Wieder zu Hause
In der geliebten Natur schöpft Hans kurzfristig neue Kraft, hat dort allerdings keine
Freunde mehr. In dieser Zeit hat er intensive Träume. Sein Zustand bessert sich jedoch
kaum. Nur Selbstmordgedanken geben ihm Trost. In dieser Zeit beschäftigt sich der
Jugendliche viel mit seiner Kindheit und erlebt verwirrende Augenblicke voller
gleichmäßiger Melancholie. Emma Geßler, für die Hans vor drei Jahre geschwärmt hat,
sieht er beim Mosten bei seinem guten Bekannten Schuster Flaig wieder und verliebt
sich in sie. Die Jugendlichen küssen sich. Emma spottet ein wenig über Hans’
Unerfahrenheit. Der Junge erleidet einen erneuten Schwächeanfall. Kurze Zeit später
verlässt Emma das Dorf, ohne sich von Hans zu verabschieden. Dies wird ihm zur Qual.
Kurz darauf beginnt Hans eine Lehre als Schlosser. Das neue Gemeinschaftsgefühl, das
er bei einer Feier mit Gesellen erlebt, wird durch Alkohol kurzfristig gefördert. Auf dem
Rückweg wird er von angewiderten Gefühlen, quälenden Befürchtungen und
Selbstvorwürfen geplagt. Er hat Schmerzen, keine Kraft mehr und sehnt sich nach Ruhe
und Schlaf: „Vielleicht hatte der Anblick des schönen Wassers ihn gelockt, daß er sich
darüberbeugte und da ihm Nacht und Mondblässe so voll Frieden und tiefer Rast
entgegenblickten, trieb ihn Müdigkeit und Angst mit stillem Zwang in die Schatten des
___________________________________________________________________________________________________________________
___________________________________________________________________________________________________________________
„Keiner, außer vielleicht jeden mitleidigem Repetenten, sah hinter dem hilflosen
Lächeln des schmalen Knabengesichts eine untergehende Seele leiden und im Ertrinken
angstvoll und verzweifelnd um sich blicken. Und keiner dachte etwa daran, daß die
Schule und der barbarische Ehrgeiz eines Vaters und einiger Lehrer dieses gebrechliche
Wesen so weit gebracht hatten. Warum hatte er in den empfindlichsten und
gefährlichsten Knabenjahren täglich bis in die Nacht hinein arbeiten müssen? Warum
hatte man ihm seine Kaninchen weggenommen, ihn den Kameraden in der Lateinschule
mit Absicht entfremdet, ihm Angeln und Bummeln verboten und ihm das hohle,
gemeine Ideal eines schäbigen, aufreibenden Ehrgeizes eingeimpft? Warum hatte man
ihm selbst nach dem Examen die wohlverdienten Ferien nicht gegönnt? Nun lag das
überhetzte Rößlein am Weg und war nicht mehr zu brauchen.“
Der vorliegende Quellenauszug bezieht sich auf die Zeit nach der Entlassung Heilners
aus dem Kloster.
a. Wie wird das Seelenleben Hans Giebenraths dargestellt?
_________________________________________________________________
_________________________________________________________________
_________________________________________________________________
_________________________________________________________________
_________________________________________________________________
_________________________________________________________________
b. Wer trägt nach diesem Auszug die Schuld an dem Leid Hans Giebenraths und
woran wird sie festgemacht?
___________________________________________________________________________________________________________________
c. Sehen Sie diesen Quellenauszug als Vorausdeutung für das weitere Geschehen
in der Erzählung? Wie wird dies literarisch umgesetzt?
_________________________________________________________________
_________________________________________________________________
_________________________________________________________________
_________________________________________________________________
_________________________________________________________________
_________________________________________________________________
___________________________________________________________________________________________________________________
Hans Giebenrath wird als empfindlich, hilflos und gebrechlich dargestellt. Keiner nimmt
diese feinen Signale der Angst und Verzweiflung wahr, das Lächeln benutzt Hans als
Schutzschild. Seine Seele ist bereits hier dem Untergang geweiht (siehe Frage c). Die
Pubertät verstärkt das Leiden des Jungen noch. Er wirkt „überhetzt“ und ausgezehrt
„und war nicht mehr zu brauchen“.
b: [Die Antwort der Schülerinnen und Schüler sollte die Quelle zusammenfassen]
- Der Vater, der durch seinen „barbarischen Ehrgeiz“ den Jungen unter Druck setzt.
- Durch Fragen werden die Fehler dieser einzelnen genauer benannt: in den
Knabenjahren musste er täglich bis in die Nacht hinein arbeiten, seine Kaninchen
waren ihm weggenommen worden, der Umgang mit Heilner war ihm verboten
worden, dadurch entstand eine Entfremdung, ihm war Angeln und Bummeln
verboten worden, ihm wurde „das hohle, gemeine Ideal eines schäbigen,
aufreibenden Ehrgeizes eingeimpft“, ihm wurden nach dem Examen die
wohlverdienten Ferien nicht gegönnt.
Hans Giebenrath ist zu diesem Zeitpunkt bereits eine gebrochene Persönlichkeit. Sein
Tod bzw. Selbstmord, den der Leser an dieser Stelle der Erzählung noch nicht wissen
kann, ist sicherlich hier schon eindeutig zu erkennen und in der Ausführung nur noch
eine Frage der Zeit. Hans ist innerlich gespalten und voller Leid und Trauer wegen des
___________________________________________________________________________________________________________________
Die Natur (romantisches Element) wird in diesem Abschnitt nicht mehr als tröstlich
dargestellt, sondern ist wie die Kaninchen und das Angeln nicht mehr vorhanden. Hesse
arbeitet mit sehr vielen Adjektiven, um das Innere von Hans wiederzugeben. In dem
Satz: „Keiner [...] sah hinter dem hilflosen Lächeln des schmalen Knabengesichts eine
untergehende Seele leiden und im Ertrinken angstvoll und verzweifelnd um sich
blicken“ ist bereits das Ertrinken und „eine untergehende Seele“ genannt.
___________________________________________________________________________________________________________________
Eike Middell, Hermann Hesse. Die Bilderwelt seines Lebens, 5. Auflage, Leipzig 1990
(= Reclams Universal-Bibliothek, Bd. 169)
___________________________________________________________________________________________________________________