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Universität Belgrad

Philologische Fakultät

Lehrstuhl für Germanistik

Deutsche Literatur 7

Traktat vom Steppenwolf und das Magische Theater im Hermann Hesses Roman „Der
Steppenwolf“

Mentor: Studentin:
Dr Aleksandra Lazić Gavrilović Katarina Dimitrijević
2013/350
Belgrad, 2017.
Inhaltsverzeichnis

Biographie des Autors.................................................................................................................................3


Inhaltsangabe..............................................................................................................................................4
Traktat vom Steppenwolf............................................................................................................................5
Die Bedeutung des Magischen Theaters.....................................................................................................7
Zusammenfassung.....................................................................................................................................10

2
Biographie des Autors

Hermann Hesse, geboren am 2. Juli 1877 in Calw (in der Nähe von Stuttgart), stammte
aus einer christlichen Missionarsfamilie und verlebte eine behütete Kindheit. Er wuchs an
seinem Geburtsort und in Basel auf. Er wurde von der Herkunft seines Vaters und der
Internationalität des missionarischen Umfelds wie vo schwäbischen Pietismus stark geprägt
Hermann Hesse war ein willensstarkes und fantasievolles Kind und zeigte schon früh ein
besonderes Talent zum Malen und Dichten.

Er studierte Theologie aber nach wenigen Monaten brach er das Studium ab und floh aus
dem Seminar in Maulbronn. Er wollte Dichter werden. Nach einem Selbstmordversuch und
einem Aufenthalt in der Nervenheilanstalt Stetten besuchte er ab November 1892 das
Gymnasium in Cannstatt.

1898 schloss er eine Buchhändlerlehre ab und veröffentlichte sein erstes Werk


„Romantische Lieder“. 1899 zog er nach Basel, wo er auf ein anregendes intellektuelles Umfeld
traf. Das karge Gehalt aus seiner Tätigkeit als Buchhandlungsgehilfe besserte er mit eigenen
literarischen Arbeiten auf und finanzierte so auch 1901 seine erste Reise nach Italien; eine zweite
fand 1903 statt.

1904 gelang Hermann Hesse mit dem Roman „Peter Camenzind“ der Durchbruch. 1911
unternahm er eine Reise nach Indien. Die Auseinandersetzung sowohl mit fernöstlichen
Weisheitslehren als auch mit der Psychoanalyse fanden Eingang in sein Werk. In den nächsten
Jahrzehnten entstanden unter anderem so berühmte Romane wie „Roßhalde“ (1914), „Demian“
(1919), „Siddhartha“ (1922) und „Der Steppenwolf“ (1927).

Während Hesse 1936 in der Schweiz den Gottfried-Keller-Preis erhielt, waren seine
Werke im Nazi-Deutschland verfemt. Hermann Hesse erhielt 1946 den Nobelpreis für Literatur.
Er starb am 9. August 1962 in Montagnola im Tessin.1

1
https://www.inhaltsangabe.de/autoren/hesse/, 22.09.2016.

3
Inhaltsangabe

Harry Haller stand kurz vor seinem fünfzigsten Geburtstag und zog durchs Land. Zur Zeit
der Erzählung lebte er gerade für zehn Monate in einer Stadt, die er zum letzten Mal vor
fünfundzwanzig Jahren besucht hatte.
Haller hatte eine schwierige Vergangenheit, in der ihn unter anderem seine Frau
verlassen hatte, weil sie verrückt geworden war. Seit diesem Ereignis zog Haller von einem Ort
zum nächsten und war bekannt für seine Antikriegshaltung, für seine Gesellschaftskritik und für
seine Bewundern für Mozart und Goethe. Er verstand die Gesellschaft und ihr Verhalten nicht,
denn für ihn waren Theater, Kinos und Restaurants etwas schreckliches. Haller war ein
Einzelgänger und mied engen Kontakte zu Menschen. Er hatte eine Geliebte, die er aber nur
sporadisch traf.
Zu seiner Person passt auch, dass er mit dem Steppenwolf einen zweiten Charakter
besass, einen der sich von der Gesellschaft abwandte, der von animalischen Trieben gesteuert
war und der jeglichen Spass verabscheute. Haller stand stets im Klinsch zwischen diesen beiden
Persönlichkeiten, worunter er sehr litt. Diese Leiden gingen soweit, dass er sich an seinem
fünfzigsten Geburtstag das Leben nehmen wollte.
Kurz davor lernte er allerdings Hermine kennen, für die er sofort Sympathien hegte.
Bereits bei ihrem zweiten Treffen in einem Restaurant eröffnete sie ihm, dass er sich einmal in
sie verlieben werde, seine Aufgabe jedoch sein würde, sie zu töten. Haller war von Hermine
fasziniert und erfüllte ihr alle Wünsche. So begann er trotz seiner Skepsis zu tanzen, ging mit ihr
aus und fand so den Gefallen am Leben, der Liebe und dem Gefühl von Glück. Hermine
vermittelte ihm auch eine Gespielin in der Person von Maria, mit der sich Haller sexuell
austoben konnte.
Das Ziel von Hermine war der bald anstehende Maskenball. Sie verabredete sich
mit Haller, liess ihn jedoch lange zappeln. Dieser wollte bereits gehen, als sie ihm eine Nachricht
zukommen ließ, wo sie sich befand. Als Haller sie fand begann für ihn ein unvergesslicher
Abend in Ekstase. Er tanzte mit allen Frauen, vergass völlig die Zeit und ließ sich einfach
treiben.
Am Ende des Abends war er mit Hermine alleine und begehrte sie mehr als jemals zuvor.
Pablo, ein guter Freund von Hermine, gab ihnen Drogen, die sie in der Folge zu sich nahmen.
Dieser Pablo war es dann auch, der die beiden in sein "Magisches Theater" einlud. Dort
war Haller auf sich alleine gestellt und befand sich in einem Gang mit vielen Türen, auf denen
immer angeschrieben stand, was sich dahinter verbarg. Hinter einer Tür kämpfte er mit seinem
ehemaligen Schulkamerad Gustav gegen die Übermacht der Maschinen, einmal spielte er Schach
mit Figuren, die seiner selbst entsprungen waren, und hinter einer weiteren traf er alle seine
ehemaligen Geliebten wieder und konnte seine damaligen Fehler korrigieren. So war er, mit
grosser sexueller Erfahrung ausgestattet, endlich bereit für Hermine. Doch als er ihr Zimmer

4
betrat, war dort Pablo in eindeutiger Stellung mit Hermine. Haller beendete das, was ihm
Hermine bei ihrem ersten Treffen bereits gesagt hatte - er tötete sie.2
In der Folge trifft Haller, noch immer in diesem "Magischen Theater", auf Mozart. Dieser
erklärt ihm, seine Aktion sei falsch gewesen und er müsse den Humor erlernen und das Leben
mit Galgenhumor meistern. Als Strafe für seine falsche Reaktion wurde Haller mit dem ewigen
Leben bestraft, wobei er sich sicher war, dass er seine Rolle beim nächsten Mal besser spielen
wird.

Traktat vom Steppenwolf

Der „Traktat vom Steppenwolf“ kann man als antizipierende Theorie verstehen, die
knapp und präzise Harrys individuelles Existenzproblem zu generalisieren versucht und dabei
vorausschauend jenen Überblick und jene Klarheit gewinnt, die der in seinem Lebenskonflikt
gefangene Steppenwolf nicht erreichen kann.
Laut Esselborn-Krumbiegel folgt dieser theoretisierende Essay zwar der Schilderung
eines Durchschnittstages in Harrys Leben, jedoch der Begegnung mit Hemine, die sein Leben
verändert, vorausgeht. Der in seinem Leiden am Leben fast verzweifelnde Harry wird so bei
seiner Suche nach einer Antwort auf seine Sehnsucht mit einer Abhandlung über den „Typus“
Steppenwolf konfrontiert.
Der frühe Einschub des Traktats in Roman weist darauf hin, dass die Darstellung seiner
Lebensnöte und Irrtumer den Steppenwolf nicht aus seiner Verzweiflung retten kann, weil ihm
nicht die Erkenntnis seiner Lage fehlt, sondern das verändernde Erleben.
Nicht Erkenntnis ist das Ziel der Lebenskrise, di im Roman dargestellt ist, sondern erst
die zur Erfahrung gewordene Erkenntnis kann lebensverändernd wirken. Von diesem
lebensverandernden Erleben handelt der Roman vom Steppenwolf. Wie eng aufeinander bezogen
Erkennen und Erleben im Steppenwolf verstanden werden wollen, erklät außerdem die
Verbindung zwischen dem Traktat und dem Magischen Theater.3
Nicht nur erhält Harry das Traktatheftchen vom Buchladenverkäufer, der für das
Magische Theater wirbt, auch die Untertitel „Nicht für jedermann“ und „Nur für Verrückte“ 4, die
dem Traktat und der Ankündigung des Magischen Theaters beigegeben sind, weisen auf eine
Beziehung zwischen beiden hin.

2
http://deutschsprachige-literatur.blogspot.rs/2011/04/inhaltsangabe-der-steppenwolf-von.html, 29.11.2016.
3

4
Hesse, H: Der Steppenwolf, Suhrkamp, Frankfurt am Mein, 1974, s.46

5
Offenbar bedarf es für die richtige Lektüre des Traktats ebenso einer Bereitschaft, das
eigene Selbst in Frage zu stellen, wie für den Besuch des Magischen Theaters.
Schließlieh wird im Traktat selber der Besuch in einem unsrer magischen Theater als
Möglichkeit der Selbstbefreiung Harrys angedeutet und Pablo, der Harry in dieses Theater der
Selbstbegegnung einführt, erinnert an den „Traktat vom Steppenwolf“ als Vorbereitung auf die
Erlebnisse, die Harry bevorstehen.
In seiner auktorialen Erzählform, in seinem beinahe wissenschaftlichen Stil und in
seinem Druckbild tritt der Traktat deutlich als eigensiändige Mitteilungsform hervor.
Eine Kennzeichnung des in seiner Identität zwischen dem Steppenwolf auf der einen und
dem Menschen auf der anderen Seite zerrissenen Harry, lasst die Ich-Krise als lebenszerstörend
sichtbar werden, so nach Esselborn-Krumbiegel. Beide Pole seines Wesens befehlen und richten
einander unerbittlich, weder der Wolf noch der Mensch können sich entfalten und nur in seltenen
Augenblicken der Harmonie stellt sich ein Ich-Bewusstsein her, in dem „Wolf“ oder „Mensch“
sich rein ausprägen oder gar Frieden miteinander schließen und einander stärken. Ein
leidenschaftliches Bedürfnis nach Unabhängigkeit und ein entschlossener Wille, sich nicht
unterzuordnen, sichern dem Steppenwolf zwar einerseits seine Freiheit, treiben ihn aber
andererseits rnehr und mehr in die Einsamkeit. Seine Verachtung des bürgerlichen Lebens lässt
ihn auch sozial und emotional zum Außenseiter werden.
Dass die bürgerliche Gesellschaft zu ihrer Selbsterhaltung gerade die starken
Einzelgänger braucht, die ihr Lebensintensität, neue Impulse und Energien geben können, und
dass andererseits der Außenseiter trotz seiner Ablehnung gerade in der bürgerlichen Gesellschaft
die Luft, die er zur Atmen braucht, findet, dass ihre Ordnung und ihre Normen seinem Leben
einen Rahmen setzen, dies lässt die Symbiose zwischen Bürgertum und Außenseiter als
außerordentlich beständig erscheinen.
Die Unsterblichen im Roman, vertreten vor allem durch Goethe und Mozart, deren
Lachen der Ewigkeit das Wissen um das Übel in der Welt einschließt und von seiner
überwindung kündet, lehren den Steppenwolf jene bitterscharfe, stahlblanke, eisige Heiterkeit 5.
Lachen lernen, sich selber und die Welt annehmen, wird so am Ende des Romans gleichbedeu-
tend mit Leben lernen.
Nachdem der Gegensatz von Wolf und Mensch in Harry Haller noch einmal in der
Gegenüberstellung der beiden Welten, einer Welt von Gedanken, Gefühlen, von Kultur, von
gezähmter und sublimierter Natur und einer dunklen Welt von Trieben, von Wildheit,
Grausamkeit, von nicht sublimierter, roher Natur, begrifflich dingfest gemacht worden ist, wird
dieses vereinfachende Erklärungsmodell als völlig unzureichend verworfen. Der ungenannte
Verfasser des Trakts, der zwar als ich, häufiger noch als wir auftritt, jedoch durchgängig seine
Verborgenheit bewahrt, legt als anständiger Autor Wert auf diese „Richtig-stellung“.
Im „Traktat vom Steppenwolf“ jedoch werden Grundzüge des Denkens sichtbar, die sich
sowohl in Hesses Werke als auch in seinen persönlichen Äußerungen immer wieder zeigen: die
ablehnend kritische Einstellung der eigenen Zeit und ihrer Gesellschaft gegenüber, das Postulat

5
Hesse, H: Der Steppenwolf, Suhrkamp, Frankfurt am Mein, 1974, s.166
6
der Selbstwerdung als vordringlichstes und wichtigste Ziel eines jeden Lebens, die
Auszeichnung des besonderen Individuums gegenüber der undifferenzierten Masse der
Menschen und schließlich dir Auffassung vom Menschen als eines vielgestaltigen, in Wandlung
und fort. wahrender Entwicklung begriffenen Wesens.6
So weist der Traktat Harry den Weg zur überwindung seiner Ich-Krise: Nur wenn er den
Wahn der Persönlichkeit durchbrechen und sich in immer neuer Bereitschaft der Wandlung
hingeben kann, wird er seine Seele als eine Einheit in der Vielfalt erfahren und annehmen.
Das Erleben des Ich-Konflikts und seine Deutung sind somit in diesem Roman zwei
verschiedenen Mitteilungsformen mit je eigener Erzählperspektive übertragen. Diese Trennung
von deutender und erlebender Perspektive vermag hingegen die Ich-Krise, den Verlust einer
gesicherten Iden-tität und die Suche nach einer neuen Einheit des Ich in der Vielheit seiner
Triebe, Fähigkeiten und Neigungen nur unzureichend darzustellen. So prägt die Erfahrung der
Ich-Spaltung zwar den Steppenwolf in seiner Wesensart und Lebensweise. die Erzählform de
Romans jedoch verändert sich unter dieser Erfahrung nicht tief greifend.

Die Bedeutung des Magischen Theaters

Mit Harry Hallers Eintritt in Pablos Magischen Teather hat der Prozess der Ich-
zerstörung und neuen Ich-Werdung seinen Hohepunkt erreicht. Das Magische Theater, zuerst als
verheißungsvolle flüchtige Inschrift auf einer alten Mauer wird im „Traktat vom Steppenwolf“
als eine Möglichkeit der Selbstbegegnung vorausgedeutet. Bereits der Eintritt ins Magische
Theater ist unverkennbar als ein Weg in die eigene Innenwelt, als Selbsterfahrung verstehen.
Die Aufhebung der Zeit kennzeichnet diese Eindringen in den Be-reich des Unbewussten
ebenso wie die überwindung der trennenden Grenze zwischen Realem und Irrealem Der Blick in
Hermines Augen wird für Har, zur Begegnung mit dern eigenen Inneren.
War Hermine für Harry bereits zuvor Spiegel und antwortendes Gegenüber zugleich, so
wird sie ihm an jenem Höhepunkt seiner inneren Entwicklung zur Mittlerin zwischen dem
unbeschwerten Leben des Augenblicks und der Erfahrung , eigenen vielgestaltigen
Möglichkeiten, die die Wahrnehmung der Transzendenz, der Existenz der Unsterblichen
einschließt. So vernimmt Harry gleich bei seinem Übergang ins Magische Theater das ferne
Lachen der Unsterblichen, das immer wieder zeichenhaft in seinen Träumen und traumähnlichen
Gedanken auftaucht, sagt Esselborn-Krumbiegel.
Pablo und Mozart lachen so, ganz dem Leben zugewandt der eine, durch das irdische
Leiden hindurchgegangen in die Unvergänglichkeit der andere. Lebensgenuss und Oberwindung

6
Esselborn-Krumbiegel, H: Hermann Hesse Der Steppenwolf, Oldenbourg, München, 1998, s.74

7
der Zeitlichkeit gehören zusammen, Pablo und Mozart erscheinen Harry wie Brüder, die das
Lebensspiel beherrschen, an dem er selber immer wieder scheitert.
Diesem Ziel einen Schritt naher zu kommen lehren ihn die Erfahrungen im
MagischenTheater. Vollzieht sich Harrys Eintritt ins Magische Theater als Begegnung mit dem
eigenen verborgenen Selbst, in einer Schicht von sehr undicht gewordener Wirlklichkeit, so
erscheint auch seine Rückkehr in die äußere Realität wie ein Erwachen aus tiefer Benommenheit.
Die Genuss von Rauschrnitteln, die ihm Pablo anbietet, steigert insgesamt lediglich Harrys
Erlebnisbereitschaft; Voraussetzung für ein Gelingen des Experiments, in das er sich beim
Betreten des Magischen Theaters einlasst, ist dagegen der Verzicht auf seine Persönlichkeit, auf
die fest gefügte Vorstellung vom eigenen umgrenzten Ich. Erst wenn Harry über sich selbst zu
lachen und den Steppenwolf in sich umzubringen vermag, öffnet sich ihm der Blick fü, die
zahllosen Harryfiguren.
Erblickt Harry bei seiner Einführung ins Magische Theater in einem Wandspiegel die
zahllosen Harrys, aus denen seine Persönlichkeit besteht, so erlebt er in den einzelnen Szenen,
deren Zeuge und Mitspieler er wird, jeweils verborgene, geleugnete Möglichkeiten seines
eigenen Innern. Zerstorungswut und Mordlust erfährt der engagierte Kriegsgegner Harry in der
Siene „Auf zum fröhlichen Jagen! Hochjagd auf Atitämobile im Kampf zwischen Menschen und
Maschinen“7. Obwohl er sich eingesteht, dass blinde Zerstörung und Selbstjustiz eine von der
Technik und der Hybris der zivilisierten Menschen entstellte Gesellschaft nicht retten kann, gibt
er sich leidenschaftlich dem Vernichtungsrausch hin, in selber zugrunde gehen wird.
In der „Anleitung zum Aufbau der Persönlichkeit“8 führt ihm ein Schachspieler, in dem
er Pablo zu erkennen glaubt, das Spiel von den viel. gestaltigen Möglichkeiten des eigenen
Lebens vor: Vorgegeben ist dem Einzelnen das „Material“ des Spiels, Fähigkeiten und
Neigungen. Die Entscheidung jedoch, mithilfe dieser „Figuren“ sein individuelles
unterschiedlichen Existenzformen zu verwirklichen, ist niemals endgültig und unwiderruflich.
Derjenige, der die Fülle seiner Lebensmöglichkeiten ahnt, ist zu Veränderung und Neuanfang
bereit, wenn seines Lebens es verlangt. Harry Haller bleibt in diesem Persönlichkeitsspiel
allerdings vorläufig nur Zuschauer, mit seinen eigenen Möglichkeiten souverän zu spielen
vermag er nicht.
Im „Wunder der Steppenwolf“ erlebt Harry die Extreme menschlicher Deformation bei
der Abrichtung eines Wolfes durch seinen Tierbändiger und umgekehrt des Tierbändiges durch
den Wolf.
Man findet in der Theaterloge mit der Aufschrift „Alle Mädchen sind dein“9 die
Erfüllung seiner vergangenen, zumeist unglücklichen Liebesbegegnungen. Sein an Liebe
scheinbar so armes, vereinsamtes Leben erkennt er plötzlich als reich und noch immer voller
Verheißung. In der Vereinigung mit Her. ine will Harry die erfüllte und bejahte Liebe, die ihn
die Begegnungen im Magischen Theater erfahren ließen, Wirklichkeit werden lassen. In der

7
Hesse, H: Der Steppenwolf, Suhrkamp, Frankfurt am Mein, 1974, s.196
8
Hesse, H: Der Steppenwolf, Suhrkamp, Frankfurt am Mein, 1974, s.207
9
Hesse, H: Der Steppenwolf, Suhrkamp, Frankfurt am Mein, 1974, s.214
8
Liebe zu Hermine, seinem Spiegel und zugleich seinem anderen Ich, könnte ihm die
Überwindung seiner lebenszerstörenden WiderspMche gelingen.10
Nach einer ernüchternden Begegnung mit einem der Unsterblichen, Mozart, öffnet Harry
müde und hoffnungslos, die letzte Logentür im Magischen Theater. Als er Hermine und Pablo,
erschöpft vom Liebesspiel, schlafend beieinander erblickt, ersticht er Hermine. Dass der Mord
an Hermine nicht plötzlich und unerwartet geschieht, lassen alle die auf Tod gestellten Zeichen
dieses Romans erkennen: Hermines frühe Prophezeiung, ihre wichtigsten Gespräche mit Harry,
die alle um Tod und Ewigkeit kreisen, und schließlich mitten im Magischen Theater Harrys
Erinnerung an Hermines Todeswunsch. „Wie man durch Liebe tötet“11, liest er auf einer der
Logentüren und sofort erfasst ihn mit der Erinnerung an Hermines Prophezeiung die
Verzweiflung über sein Schicksal. Sein Lebensweg ist noch einmal an einen Tiefpunkt gelangt
wie damals nach dem Professorenbesuch, als Harry der Selbstmord unausweichlich erschienen
war. Wieder tri umphiert der Steppenwolf in Harry, wieder wartet er auf den Tod.
Die folgende Begegnung mit Mozart variert das Todesthema unter dem Zeichen
sterblichen der Vollendung: während Harry auf einen Augenblick ins Jenseits der Unsterblichen
stehen darf, wird ihm zugleich unmissverständlich deutlich gemacht, dass er selber keinen Anteil
an dieser Welt hat, weil er das Lachen nicht versteht Noch einmal lässt Harry nach diese
Begegnung sein Leben und seine Versuche, sich immer wieder zu wandeln, in seiner Erinnerung
vorüberziehen: seine Selbstbesinnung jedoch mündet in Selbstverachtung und symbolische
Selbstvernichtung in der Zerstörung seines Spiegelbildes, nach Unseld.
Ebenso kann der unmittelbar folgende Mord an Hermine, der aus Eifersucht geschieht,
nicht als ein positiver Akt der Zerstörung gedeutet werden, denn indem Harry, den Aktionsmurn
seines „anderen Ich“ rädikal einschränkt, seine verdrangten Wünsche und Möglichkeiten
gewaltsam negiert, entzieht er sich gerade der Selbstanalyse, die ihm den Weg zur Annahme all
seiner lch-Möglichkeiten und zu deren Synthese weisen sollte.12
Für Haller gewinnt das Leben seine Rechtfertigung erst im Leiden und in der
todesbereiten Einsamkeit. Dasein ist fur ihn nur Durchgang zur jenseitigen Welt, sein Leben
kennt keine diesseitige Erfüllung, denn Alltagliches und Ewiges sind ihm unvereinbar. Das
Ewige im Alltäglichen zu erblicken, das Leben in seiner Unvollkommenheit zu akzeptieren und
es dennoch als göttlich und sinnerfullt zu erkennen ist Harry nicht gelungen.
Im Magischen Theater ist es Harry nicht gelungen, seine Ich-Krise zu lösen, seine
Zerrissenheit zu überwinden, aber aus seiner Todesverzweiflung .r der Begegnung mit Hermine
ist durch Hermines Einfluss und die Erlebnisse des Magischen Theaters Hoffnung geworden.
Dass Leben lernen und Lachen lernen eins sind, dass Lebensgenuss und Lebensüberwindung
einander nicht ausschließen, hat er begriffen und erfahren.
Auch wichtig zu nennen ist die Frauengestalten in Hesses Roman: sie geben der
männlichen Zentrslfigur Impulse ohne jedoch jemals als eigenständige Partner akzeptiert zu

10
Unseld, S:Hermann Hesse eine Werkgeschichte, Suhrkamp, Frankfurt am Mein, 1955, s.49
11
Hesse, H: Der Steppenwolf, Suhrkamp, Frankfurt am Mein, 1974, s.221
12
Baumer F: Hermann Hesse, Colloquium Verlag, Berlin, 1959, s.97
9
werden. Die Frau führt den Mann zum Erlebnis der sinnlichen Liebe, als Idealgestalten dagegen
verkörpern sie die ungelebten Existenz seiner eigenen Existenz.

Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Traktat vom Steppenwolf Harrys
Erfahrungen ins helle Licht des Bewusstseins hebt und benennt sie. Er ermöglicht Harry das
eigene Lebensproblem aus der Distanz zu betrachten und sich selbst als Typus in seinen
Schwächen und Möglichkeiten umrissen zu sehen. Dieser Traktat zeigt eine Entwicklung , mit
deren Hilfe Harry Haller sich finden und verwirklichen könnte, während
Tagebuchaufzeichnungen die Hindernisse und Schwierigkeiten zeigen, die in Identitätsfindung
immer wieder erscheinen.
Der Roman „Steppenwolf“ kann man als den Versuch zur Selbstanalyse definieren, wo
verschiedene Komplexe als unterschiedliche Annährungen erscheinen.Harry Heller verucht
seinen Identitätskonflikt un einem Bericht wie ein tagebuch zu skizzieren. Dieser Bericht
beschreibt seinen Alltag und zeugt von der lebensbedorhenen zerstörerischen Kraft der Ich-
Spaltung. Auch gibt es der Versuch nach Harrys Heilung durch dem Einfluss von Hermine.
Harry Haller versucht die alten Ich-Grenzen zu sprengen und den eigenen vielfältigen
Möglichkeiten Raum zu geben dagegen in den Erlenissen des Magischen Theaters. Er ergreift
die Möglichkeit, sich selber von dem lebenszerstörenden Konflikt zwischen Mensch und
Steppenwolf zu befreien und sein neues Ich zu realisieren.
Trotz dieser Erfahrungen im Magischen Theater kam er schließlich nur zum Erlebnis der
subjektiven Unmöglichkeit der seelischen Veränderung.

10
Quellen

1. Baumer F: Hermann Hesse, Colloquium Verlag, Berlin, 1959


2. Esselborn-Krumbiegel, H: Hermann Hesse Der Steppenwolf, Oldenbourg,
München, 1998
3. Hesse, H: Der Steppenwolf, Suhrkamp, Frankfurt am Mein, 1974
4. Unseld, S:Hermann Hesse eine Werkgeschichte, Suhrkamp, Frankfurt am Mein,
1955
5. www.inhalt.de
6. http://deutschsprachige-literatur.blogspot.rs

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