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Philosophische Religionslehre, Viertes Stück: „Vom Dienst und Afterdienst unter der Herrschaft
des guten Prinzips, oder: Von Religion und Pfaffentum“, „Zweiter Teil: Vom Afterdienst Gottes in
einer statuarischen Religion“: B 255-296
Thema des vierten Kapitels insgesamt ist die moralische Entwicklung der Menschheit, nachdem die
„Herrschaft des guten Prinzips“ „öffentlich“ geworden ist. Kant behandelt in diesem Kapitel zusam-
menfassend die Grundsätze der Vernunftreligion, das Verhältnis von Vernunftreligion zu Kirchen-
glauben und die Unterscheidung von Gottesdienst und Afterdienst. Dieses Kapitel setzt die vorange-
henden voraus. Es ist eine Zusammenfassung und Weiterentwicklung der bisherigen Darstellungen.
Formal ist auffällig, dass Kant in B 255ff. der Religionsschrift erstmals Paragraphen für die Kapitel-
überschriften wählt.
Im einleitenden Absatz B 255 definiert Kant als Religionswahn die Verwechslung der nur auf Ver-
nunft gegründeten, universalen, einen Vernunftreligion mit dem auf historische Statuten gegrün-
dete, partikularen und in „gleich guten Formen“ möglichen Kirchenglaubens. Er definiert Wahn als
„die Täuschung, die bloße Vorstellung einer Sache mit der Sache selbst für gleichbedeutend zu hal-
ten.“ (B 256) und beschreibt ihn in einer Anmerkung als Verwechslung von Mittel und Zweck.
Kant schildert zunächst die Entwicklung vom historisch früheren Tempel- zum Kirchendienst (B 269-
270); letzterer ist schon auf „moralische Bildung“ (ebd.) bezogen. Entscheidend ist nun ob als obers-
tes Konstitutionsprinzip der Kirche das moralische Prinzip oder der Religionswahn verstanden wird.
Im zweiten Fall ist die Kirche ein Mittel, um Einfluss auszuüben auf Gott, der als „vernünftiges We-
sen“, dem „Wille“ zugesprochen wird (B 271). Im ersten Fall ist die Kirche Endzweck der Welt. Die-
ser Begriff von Religion setzt Gott als Idee einer moralischen Weltursache voraus, weil nur diese
Idee garantiert, dass der denkbare Endzweck auch dem Endzweck der Welt entspricht. In der Be-
hauptung eines Wissens um eine Autorität, die höher ist als die Vernunft, sieht Kant die politische
Gefahr des Religionswahns.
Den Dienst in einer Kirche als Fetischdienst verstanden bezeichnet Kant als Pfaffentum.
Im zweiten Teil des § 3 diskutiert Kant die Frage, welche Bedeutung der gelehrte Religion im Zeital-
ter der Aufklärung zukommt. Kant betont, dass die Vernunftreligion nicht nur Sache der Gebildeten,
sondern „selbst der Unwissende oder an Begriffen Eingeschränkteste“ (B 278) muss daran Anteil
nehmen. Es gilt das Bewusstsein eines jeden auf das schon immer aktive moralische Bewusstsein zu
lenken. Es gilt, die Erziehung zur Religion mit der Tugendlehre zu beginnen, ihn beständig den Ruf
zur Aufklärung zu begleiten und die demotivierende Erfahrung, dass man am moralischen Sittenge-
setz immer wieder scheitert, durch die Gottseligkeitslehre zu neutralisieren, indem man „was nicht
zu ändern ist, als abgetan vorstellt“ (B 284). Gottseligkeitslehre ist also die „Vollendung“ der Tu-
gend, „um mit der Hoffnung der endlichen Gelingung aller unserer guten Zwecke bekrönt werden
zu können“ (B 286f.) Der „Moralischgläubige“ ist auf zweierlei Weise „offen […] für den Geschichs-
glauben“ (B 280): er wählt die Riten, die ihm als bestes Mittel „zur Belebungseiner reinen Religions-
gesinnung zuträglich“ (ebd.) erscheinen und er kann sich an jeden geltenden Ritus anpassen.
Philosophische Religionslehre, Viertes Stück: „Vom Dienst und Afterdienst unter der Herrschaft
des guten Prinzips, oder: Von Religion und Pfaffentum“, „Zweiter Teil: Vom Afterdienst Gottes in
einer statuarischen Religion“: B 255-296
Thema: Die moralische Entwicklung der Menschheit, nachdem die „Herrschaft des guten Prinzips“
„öffentlich“ geworden ist.
§ 3 (B 269-287): Vom Pfaffentum als einem Regiment im Afterdienst des guten Prinzips
Der Paragraph ist zweigeteilt. Im ersten Teil geht es noch einmal um eine Kontrastierung von Kir-
chenglauben und Vernunftreligion, dieses Mal aber unter zeitlicher Perspektive, mit Blick auf die
prinzipielle Egalität aller Glaubensformen (B 270f.), mit der Beziehung und Hierarchie zwischen Kir-
chenglauben und Vernunftreligion (B 271f) und dem „Fetischmachen“ (B 273f.). Im zweiten Teil (B
278ff.) fragt Kant, welche Bedeutung der gelehrten Religion im Zeitalter der Aufklärung zukommt.
In einer Anmerkung bezieht Kant Stellung zur Frage, ob und wann Menschen Freiheit zuzugestehen
ist: Zur Freiheit werden Menschen nur dadurch reif, dass sie in Freiheit gesetzt werden. (B 292).
Kant kritisiert die Pascalsche Wette (Sicherheitsmaxime): „Ist es wahr, was ich von Gott bekenne, so
habe ich´s getroffen; ist es aber nicht wahr, … so habe ich es bloß überflüssig geglaubt“ (B 293).
Kant endet mit einer hymnischen Anrufung von Asträa (Ovid, Met. I,149f.), der Aufrichtigkeit.