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atl alttestamentlich
IBK Die Interpretation der Bibel in der Kirche
(Dokument der päpstlichen Bibelkommission)
JohEv Johannesevangelium
LkEv Lukasevangelium
LXX Septuaginta (griechische Übersetzung des AT)
MkEv Markusevangelium
MtEv Matthäusevangelium
NA Kritischer Text NT der Nestle-Aland Edition
ntl neutestamentlich
OR Osservatore Romano
Pl Paulinen (Paulusbriefe)
SLk / SLk lukanisches Sondergut
SMt / SMt matthäisches Sondergut
Vat. II Zweites Vatikanisches Konzil
Die zahlreiche Verwendung griechischer und hebräischer Ausdrücke soll dem besseren
Verständnis der Studierenden dienen. Dennoch ist weder die Kenntnis des Griechischen noch
des Hebräischen Voraussetzung für diese Vorlesung. Als Prüfungsstoff gelten somit nur jene
Ausdrücke, die auch in deutscher Umschrift angeführt sind.
Ein „garstig breiter Graben“ liegt laut Gotthold Ephraim Lessing (der berühmte deutsche Dichter
studierte zwischen 1746 und 1748 Theologie in Leipzig) zwischen dem historischen Jesus und dem
Jesus unseres Glaubens. Dieser starke Skeptizismus wird von der modernen Bibelwissenschaft heute
nicht mehr geteilt – die moderne Bibelwissenschaft hat ein lebendiges Bild vom „Mann aus Nazareth“
und den ersten Christen geschaffen. Diese Lehrveranstaltung möchte für theologische Neulinge einen
grundsätzlichen Zugang zum NT schaffen: Wie entstanden die Bücher der Bibel überhaupt?
Seminar
Teilnahmeschein
ENTWEDER: Halten eines Referats Länge des Referates: 60 oder 30 Minuten.
Zu halten entweder als Einelreferat oder bis zu
5 Teilnehmer an einer Referatsgruppe.
In diesem Fall ist keine schriftliche Arbeit
notwendig, nach dem Referat bekommen Sie
eine Bestätigungsmail der Tutorin, mi der Sie
dann die Unterschrift bei mir erhalten.
ODER: Verfassen eines 15-seitigen Lerntagesbuches: Über jede der einzelnen
Seminarsitzungen ist ein Protokoll zu führen, mit Angabe des Datums der
Sitzung, Angabe des Themas der Sitzung und Zusammenfassung des
Referates und der Diskussion. Wenn Sie in der LV mitschreiben, haben Sie
alles beisammen…
ODER: Eine Zusammenfassung des gesamten Skriptums (also über alle Kapitel des
Skriptums gehend (also nicht nur eine Auswahl von einzelnen Kapiteln!).
WICHTIG Die schriftliche Arbeit hat mindestens 15 reine Seiten (Inhaltsangabe,
Deckblatt, Abbildungen zählen nicht) in Times New Roman Schriftgrad 12,
eineinhalbzeilig, Seitenränder wie von Microsoft vorgegeben, zu enthalten
(mehr Seiten sind kein Problem – Sie brauchen so z.B. Ihre Mitschrift nicht
zu kürzen). Dieses Lerntagebuch bitte per E-Mail an meine Tutorin senden.
Deren Antwortmail bitte aufheben, da Sie nach Vorweisen dieser Mail von
mir die Unterschrift für Teilnahmeschein oder Leistungsnachweis
bekommen.
Leistungsnachweis
Im Regelstudium bleibt die Einführung unbenotet. Wer allerdings eine Note benötigt, soll mir
das vor dem Referat oder beim Abgeben der Arbeit mitteilen.
Referate
• Die Referate werden entweder gleich in der ersten Stunde vergeben oder …
• … über Internet per E-Mail an die Tutorin vergeben: Die ersteingehende Mail, die ein
Thema für sich reklamiert, erhält dieses.
• Nach Halten des Referats stellt die Tutorin eine Bestätigung per E-Mail aus, mit der Sie
bei mir die Unterschrift für Teilnahmeschein/Leistungsnachweis erhalten.
Zweitletzte LV-Einheit: Referat 5: Geographie Palästinas zur Zeit Jesu (30 Minuten)
Zur Geographie die jeweils entsprechenden Passagen aus den Büchern:
Haag
Keel
Zwickel
Letzte LV-Einheit: Referat 6: Geschichte Palästinas zur Zeit Jesu (60 Minuten)
Aufgabenstellung: Die Geschichte Israels von 4. Jh. v. Chr. bis ins 2. Jh. n. Chr. darzustellen
(ab 100 v. Chr. genauer darstellen, davor in grobem Überblick)
Donner, Herbert: Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grundzügen 2.
Schürer
Eigentlich wurde die Bibel immer schon ausgelegt und war auch immer
auslegungsbedürftig.
Alte, komplizierte Texte
Apg 8,26-35 (Philippus und Kämmerer): Kämmerer der Königin von Äthiopien kommt
nach Jerusalem um im Tempel zu beten ( Judentum in Äthiopien hat sehr alte Wurzeln
und führt sich auf König Salomo zurück). Sitzt am Wagen und liest Jesaja. Verstehst du
auch, was du liest? – Wie könnte ich es, wenn mich niemand anleitet?
2 Petr 3,16: Das hat euch bereits unser geliebter Bruder Paulus mit der ihm geschenkten
Weisheit geschrieben; 16 es steht in allen seinen Briefen, in denen er davon spricht. In ihnen ist
manches schwer zu verstehen, und die Unwissenden, die noch nicht gefestigt sind, verdrehen
diese Stellen ebenso wie die übrigen Schriften zu ihrem eigenen Verderben.
2.1 Vorgeschichte
Bei beiden dieser Alternativen wird nicht genügend zwischen der bildsprachlichen Aussage
der Texte – und damit ihrem eigentlichen theologischen Skopus – und der zeitbedingten
Darstellungsweise unterschieden.
Positive Ansätze:
1 Studium und Exegese der Schrift wird grundsätzlich gutgeheißen.
2 „...ut, quasi praeparato studio, iudicium Ecclesiae maturetur...“
„...damit, gleichsam durch den getätigten Eifer [der Bibelwissenschaft], das Urteil der
Kirche reife...“
3 1902: Gründung der päpstlichen Bibelkommission mit der Enzyklika Vigilantiae.
Kritik am „Modernismus“:
1 Gegner sind nach wie vor die „Rationalisten“ und die „freie Wissenschaft“. Ausdruck
„höhere Kritik“ (criticae sublimores) verwendet; „freie Wissenschaft“ und „fälschlich so
genannte Wissenschaft“ sehr negativ konnotiert.
2 Dieser Reifungsprozess erstreckt sich aber nur auf einige wenige Themenfelder streng
MONOPOLAR: Das Lehramt gibt die Auslegung vor, Hauptzweck des Studiums der Bibel ist
die Verteidigung dieser kirchlicher Thesen.
3 Bibelstudium hat das Odium der Gefährlichkeit > daher auch nur für bereits gefestigte
iuvenes der Priesterseminare (notwendiger Schutz für zarte jugendliche Gemüter).
4 VERBALINSPIRATION: „divinas Litteras... ab omni omnino errore esse immunes“ (dass die
göttlichen Schriften von jedem noch so kleinen Fehler völlig frei sind).
„Daraus folgt, daß jene, welche meinen, in den echten Stellen der heiligen Bücher könne
etwas Falsches enthalten sein, in der That entweder den katholischen Inspirationsbegriff
verdrehen oder Gott selbst zum Urheber des Irrtums machen.“
Denn auch das Verfahren jener Männer ist nicht zulässig, welche diese Schwierigkeiten
dadurch überwinden, indem sie ohne Anstand zugeben, daß die göttliche Inspiration sich
auf weiter nichts als auf Gegenstände des Glaubens und der Sitten beschränke, weil sie von
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der falschen Ansicht befangen sind, wenn es sich um die Wahrheit der Lehren handelt, sie
nicht so sehr zu erforschen, was Gott gesagt habe, als vielmehr zu erwägen, warum er es
gesagt habe. Denn die Bücher allesamt und vollständig, welche die Kirche als heilige und
canonische anerkennt, mit all ihren Theilen sind unter Eingebung des Heiligen Geistes
verfasst. Aber weit entfernt, daß bei der göttlichen Inspiration ein Irrthum unterlaufen
könnte, schließt sie schon an und für sich nicht bloß jeden Irrthum aus, sondern schließt
ihn als verwerflich ebenso nothwendig aus, als es nothwendig ist, daß Gott, die höchste
Wahrheit, überhaupt nicht Urheber eines Irrthums ist.“ (S 58) sind die bildlichen
Darstellungen der Bibel als „Irrtümer“ oder als orientalisch-bildliche Darstellungen zu
werten? hier versucht das Lehramt die Autorität der Bibel zu retten, verkennt aber die
Intention der Texte.
5 Heftige Kritik an den „Rationalisten“: „Denn die Existenz einer göttlichen Offenbarung,
einer Inspiration und Heiligen Schrift stellen sie ganz und gar in Abrede; das sind nach
ihrer Behauptung durchweg nur Erzeugnisse des Menschengeistes und Erdichtungen...
einfältige Phantasiegebilde oder Geschichtslügen... Blendwerke und Mythen; die
Evangelien und apostolischen Schriften sollen ganz anderen Verfassern angehören.
Derbleich ungeheuerliche Irrthümer sind es, durch welche, wie sie sich träumen, die
hochheilige Wahrheit der göttlichen Bücher erschüttert werden soll; diese nöthigen sie als
die ausgemachten Entscheidungen einer neuen Art, der sogen. ‚freien Wissenschaft’ auf.“
(S 27f) sind theologisch-bildliche Darstellungen schon „Geschichtslügen“ oder
„Blendwerke“? Diese verkürzende und unsachliche Kritik richtet sich an die
Modernisten wie auch an die Antimodernisten!
Über die „fälschlich so genannte Wissenschaft“: „... am meisten jedoch stürmen die
ergrimmten Feinde mit zielbewusster Planmäßigkiet auf die große Masse der Ungebildeten
ein. Bücher, Broschüren, Tagesblätter benutzen sie, um ihr tödliches Gift auszugießen; dies
träufeln sie ein in Volksreden und in Privatunterhaltungen. In aller Kreise sind sie schon
eingedrungen und haben viele von der schützenden Hand der Kirche losgerissene Schulen
im Besitz, wo sie die empfänglichen und bildsamen Herzen der Jugend sogar durch Spott,
Possenreißen und Scherze zur Verachtung der Schrift verleiten und sie kläglich verderben.
Negativ: Natürlich ein sehr polemischer Text.
Allerdings: Auch heute gilt:
1) Was in Zeitungen („Broschüren“ und „Tagesblättern“) zur Bibel steht nicht immer
sehr qualifiziert. heute verteidigt oft die Bibelwissenschaft den christlichen
Glauben!
2) Auch heute: Grundsätzliches Misstrauen breiter Kreise („die große Masse der
Ungebildeten“) gegen biblische Aussagen.
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3) Heute aber würde man den Dialog suchen, nicht diesen verweigern...
2.2.2. Antimodernismuseid
Unter Papst PIUS X. (1903-1914) – einem pastoral ansonsten sehr umsichtigen Papst – kommt
es zu einer drastischen Verschärfung in der Auseinandersetzung mit der modernen Theologie.
In seinem motu proprio Sacrosanctum antistitum vom 1. IX. 1910 formuliert er den sogen.
„Antimodernisteneind“. Die Eidesverpflichtung blieb immerhin bis in das Jahr 1967 gültig,
wo sie mit dem Vat. II obsolet geworden war. Der Eid überdauerte somit den Abbruch der
intensiven Modernismusbekämpfung durch Papst BENEDIKT XV. im Jahr 1914. Bereits unter
PIUS X. waren nach heftigem Protest die deutschen Theologieprofessoren an staatlich-
theologischen Fakultäten hinsichtlich der Lehre (nicht hinsichtlich der Pastoral) von der
Eidesverpflichtung dispensiert worden.
„Ich verwerfe ebenso diejenige Methode, die heilige Schrift zu beurteilen und auszulegen,
die sich unter Hintanstellung der Überlieferung der Kirche, der Analogie des Glaubens und
der Normen des Apostolischen Stuhles den Erdichtungen der Rationalisten anschließt und
– nicht weniger frech als leichtfertig – die Textkritik als einzige und höchste Regel
anerkennt.“ (DS 3546)
Positiv:
1 Ausdrücklich verteidigt der Papst die moderne Bibelwissenschaft gegen
fundamentalistische Angriffe:
„Wenn die katholischen Exegeten eine derartige Schriftauslegung geben,... werden sie
wirksam die zum Schweigen bringen, die immer wieder behaupten, sie fänden in den
Bibelkommentaren kaum etwas, was den Geist zu Gott erhebe, die Seele nähre und das
innere Leben fördere, und darum geltend machen, sie müssten ihre Zuflucht nehmen zu
einer geistigen und, wie sie sagen, mystischen Erklärung. Wie wenig diese Leute mit einer
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solchen Behauptung recht haben,... zeigen klar auch die beständigen Anweisungen der
Kirche und die Mahnungen der angesehensten Lehrer.“
„Die Bemühungen dieser tüchtigen Arbeiter im Weinberg des Herrn [=
Bibelwissenschaftler] soll man nicht nur mit Billigkeit und Gerechtigkeit, sondern auch mit
Liebe beurteilen. Dieser Pflicht mögen alle anderen Söhne der Kirche eingedenk sein und
sich von jenem wenig klugen Eifer freihalten, der da meint, alles, was neu ist, schon
deshalb, weil es neu ist, bekämpfen oder verdächtigen zu müssen.“ (§ 403)
2 BIPOLARITÄT: Lehramt und Exegeten wirken (allerdings erst ansatzweise!) zusammen.
„Zu Unrecht behaupten daher Leute, welche die Lage der Bibelwissenschaft nicht genau
kennen, dem katholischen Exegeten unserer Tage bleibe nichts hinzuzufügen zu dem, was
das christliche Altertum geleistet habe...“
„Bei den Anordnungen und Gesetzen, welche die Kirche gegeben hat,... finden sich nur
wenige, deren Sinn von der kirchlichen Autorität erklärt worden ist, und auch jene Punkte,
in denen bei den heiligen Vätern Übereinstimmung herrscht, sind nicht viel zahlreicher.“
3 Die Bildsprachlichkeit der Bibel wird wahrgenommen: „genus litterarium“ (zumeist aber
in Blick auf das AT vgl. § 396: „Wie schwierig und sozusagen unzugänglich gewisse
Punkte selbst für die heiligen Väter waren, zeigen, um anderes zu übergehen, die
wiederholten Ansätze zur Erklärung der ersten Kapitel der Genesis“).
4 Auch das harte Brot der Wissenschaft wird thematisiert: „Es braucht sich indes niemand zu
wundern, dass bis jetzt noch nicht alle Schwierigkeiten restlos bereinigt sind; dass es
vielmehr auch heute noch Fragen gibt, die den katholischen Exegeten nicht wenig zu
schaffen machen. Bei dieser Lage der Dinge darf man sicherlich nicht den Mut verlieren;
man darf auch nicht vergessen, dass es in der menschlichen Wissenschaft nicht anders geht
als in der Natur: die Unternehmungen wachsen langsam, und die Frucht kann man erst
nach vieler Arbeit ernten... Darum wäre es auch nicht zu verwundern, wenn sich für die
eine oder andere Frage überhaupt nie eine voll befriedigende Antwort finden ließe; denn es
handelt sich bisweilen um dunkle Dinge, die von der Gegenwart und von unserer
Erfahrung allzu weit abliegen...“ (§ 402) man darf nicht immer mit leichten und
schnellen Antworten rechnen!
Ambivalent:
1 Die Forscher sollen eine Lösung herausarbeiten, „die mit der Lehre der Kirche im Einklang
steht, besonders mit der Überlieferung von der vollen Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift,
während sie anderseits den gesicherten Ergebnissen der Profanwissenschaften gebührend
Rechnung trägt.“ (§403).
Positiv:
1 Erste positive Erwähnung der „HISTORISCHEN METHODE“ (noch nicht „historisch-kritisch“
genannt!): § IV: „Die historische Methode forscht nach den Quellen, bestimmt deren
Eigenart und Zuverlässigkeit und macht sich die Ergebnisse der Textkritik [= Urtext], der
Literarkritik [= diachrone Methoden] und der Linguistik [= synchrone Methoden]
zunutze.“ Und das „für die Auslegung der Bücher des Alten wie des Neuen Testamentes“.
2 „Litterarum Genus“ (§ IV) und „formgeschichtliche Methode“ (§ V) anempfohlen.
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3 „TRIA TEMPORA TRADITIONIS“ (§ Vi-IX):
1) Christus der Herr: „Wenn der Herr mündlich lehrte, hielt er sich an die damals
gebrächlichen Techniken der Beweisführung und des Vortrags.”
2) „Die Apostel verkündeten vor allem den Tod und die Auferstehung des Herrn und gaben
damit Zeugnis für Jesus.“ – „Wie Jesus selbst nach seiner Auferstehung ihnen die Texte
des Alten Testaments und seine eigenen Worte ‚deutete’, so haben auch sie je nach den
Bedürfnissen ihrer Hörer seine Worte und Taten gedeutet.“ Deutung und nicht
wörtliche Wiedergabe!
3) „Die biblischen Schriftsteller wählen aus dem ihnen überkommenen Überlieferungsstoff
vor allem die Stücke aus, die den verschiedenen Situationen ihrer Gläubigen und der
eigenen Zielsetzung entsprach. Sie erzählten das Ausgewählte auf einer von diesen
Situationen und ihrer Zielsetzung her geforderte Weise... Die Wahrheit der Erzählung
wird durchaus nicht angetastet, wenn die Evangelisten die Worte und Taten des Herrn in
verschiedener Anordnung berichten und seine Aussprüche nicht buchstabengetreu,
sondern nur sinngemäß und damit verschieden formulierten.“
4 BIPOLARITÄT ausformuliert, doch noch nicht im Detail erklärt: „Es bleiben viele
schwierige Fragen, die der katholische Exeget in aller Freiheit wissenschaftlich bearbeiten
kann und soll... Doch soll er immer zum Gehorsam gegenüber dem kirchlichen Lehramt
bereit sein.“ (§ XI)
5 Zaghafte Neudeutung der Inspiration und der Inerranz (§ XI): „... dass die Apostel bei er
Verkündigung der Frohbotschaft voll des heiligen Geistes waren und dass die Evangelien
geschrieben wurden unter der Inspiration des Heiligen Geistes, der ihre Verfasser vor
jedem Irrtum bewarte. ‚Durch niemanden anders haben wir Kunde von Gottes Heilsplan
(dispositionem salutis nostrae) bekommen als durch jene Männer, durch die das
Evangelium zu uns gelangt ist...’ (Zitat Irenäus).“ es geht nur um Gottes Heilsplan, nicht
um eine völlig Irrtumslosigkeit!
Im Folgenden wogte dann die Diskussion hin und her, bis die Version F schließlich
mehrheitfähig war:
„deshalb ist von den Büchern der Schrift zu bekennen, daß sie die Heilswahrheit (veritatem
salutarem) ... ohne Irrtum lehren.“
Bei dieser Formulierung stellte sich die Frage: Lässt sich die Heilswahrheit von der
restlichen Schrift sauber herausschälen und trennen – wäre dies kein mechanistischer
Kurzschluss? Neue Formulierung in Version F korrigiert:
„Daher ... ist von den Büchern der Schrift zu bekennen, daß sie sicher, getreu und ohne
Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen (nostrae salutis causa) in
heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte.“
TRIPOLARITÄT
§ 12: „ Da die Heilige Schrift in dem Geist gelesen und ausgelegt werden muß, in dem sie
geschrieben wurde, erfordert die rechte Ermittlung des Sinnes der heiligen Texte, daß man mit
nicht geringer Sorgfalt auf den Inhalt und die Einheit der ganzen Schrift achtet, unter
Berücksichtigung der lebendigen Überlieferung der Gesamtkirche (vivae totius Ecclesiae
Traditionis) und der Analogie des Glaubens. Aufgabe der Exegeten ist es, nach diesen Regeln
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auf eine tiefere Erfassung und Auslegung des Sinnes der Heiligen Schrift hinzuarbeiten, damit
so gleichsam aufgrund wissenschaftlicher Vorarbeit das Urteil der Kirche reift (ut .. iudicium
Ecclesiae maturetur > Zitat aus Providentissimus Deus).“
„vivae totius Ecclesiae Traditionis“ meint hier die neue und alte Tradition > neue
Traditionen sind auch der „sensus fidei“, also Lehramt + Exegeten + Volk Gottes!
§ 25: Alle Glieder der Kirche sind eingeladen, die Bibel zu lesen und zu studieren
(„Christen jeden Standes“ – „Christiani cuiuscumque status“).
Hier schließt sich der Kreis zur historischen Rückfrage zu Beginn der Vorlesung.
Angesichts der tatsächlich starken gemeindetheologischen Überformungen des historischen
Jesus stellt sich die Fragen: „Was bleibt vom historischen Jesus tatsächlich übrig?“
Ein „garstig breiter Graben“ liegt laut Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781 – der berühmte
deutsche Dichter studierte zwischen 1746 und 1748 Theologie in Leipzig) zwischen dem
historischen Jesus und dem Jesus unseres Glaubens. Dieser starke Skeptizismus wird heute
allerdings nicht mehr geteilt.
„Ipsissima vox“: Ureigenste Stimme Jesu, Aussagen, die so auch wörtlich auf Jesus
zurückgehen.
„Herrenwort“: Gemeindetheologische Ausgestaltung oder Eigenbildung von Logien,
Gleichnissen, Erzählungen etc., die Jesus in den Mund gelegt werden. Die Urgemeinde sah
sich zu solchem Tun berechtigt, da sie im Licht des Ostergeschehens und kraft des heiligen
Geistes das Jesusereignis interpretiert und deutet.
(Vgl.: die „tria tempora traditionis“ in Sancta Mater Ecclesia und
Joh 16,12f: 12 Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. 13 Wenn
aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen. Denn er wird
nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird sagen, was er hört, und euch verkünden, was
kommen wird.
Ebenso Joh 14,26: Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden
wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.)
Differenzkriterium
Echtes Jesusgut ist, was sich aus Judentum und Urkirche nicht ableiten lässt.
Aber: Jesus war ein Jude, und die Urkirche steht in der Nachfolge Jesu.
Kohärenzkriterium
Echtes Jesusgut ist, was sich mit den aufgrund des Differenzkriterium gewonnenen
Traditionen inhaltlich übereinstimmt, auch wenn es zu jüdischem und urchristlichem
Denken passt.
Insgesamt ergeben sich somit vier neue Kriterien, an denen die Frage nach dem
ursprünglichen Jesusgut bemessen werden muss.
crux interpratationis: Das Gottesreich setzt sich unaufhaltsam durch und jeder, der sich
anstrengt kann das Gottesreich erobern (die „Gewalttäter“ sind dann höchstwahrscheinlich
Johannes der Täufer und Jesus).
Schon in Urkirche nicht mehr verstanden:
° Mt 11,12f: 12 Seit den Tagen Johannes' des Täufers bis heute wird dem Himmelreich
Gewalt angetan; die Gewalttätigen reißen es an sich. 13 Denn bis hin zu Johannes haben
alle Propheten und das Gesetz (über diese Dinge) geweissagt.
Eher die Konnotation der Gewalttätigkeit gegen das Gottesreich und der Bedrängung
des Christentums ( Dies legt zumindest der Kontext nahe. Vor dem Logion wird
die zwiespältige Einstellung der Menschen gegenüber dem Täufers thematisiert
[11,7ff: Was habt ihr denn sehen wollen ...], im Anschluss an das Wort die Ablehnung,
die Jesus erfährt [11,16ff: das Bild von den launischen Kinder, vor allem V 18]).
WIRKUNGSPLAUSIBLE KOHÄRENZ
Das Kriterium der Mehrfachbezeugung (QUERSCHNITTSBEWEIS) für das Logion ist
gegeben: Q 16,16 und Justin Dial 51,3. Darüber hinaus steht das Wort im Kontext der
Reich-Gottes-Verkündigung, die sich quer durch sämtliche Schriften des NT finden lässt
und auch in völlig verschiedenen literarischen Gattungen (GATTUNGSINVARIANZ) existiert.
Auch ansonsten liegt etlichen Reich-Gottes-Gleichnissen eine ähnliche
„Gewaltmetaphorik“ zugrunde: Reich-Gottes-Gleichnis vom Attentäter
(Thomasevangelium 98), Eunuchenspruch (SMt 19,12), das Wort vom Binden des Starken
und Plündern seines Hauses (Mk 2,27) und das Wort von den Menschenfischern (Mk
1,17).
WIRKUNGSPLAUSIBLE TENDENZWIDRIGKEIT
Tendenzspröde sind die Datierung des Beginnes der Gottesherrschaft mit Johannes
(nachösterlich hätte man hier Jesus an den Beginn gesetzt) und die gut zu Jesus passende
„Gewaltmetaphorik“ (die aufgrund des römischen Krieges sicherlich später nicht mehr
verwendet wurde). Die Tendenzsprödigkeit wird auch daraus ersichtlich, dass sowohl Mt
wie auch Lk das Logion abgeändert haben. Bei Justin hingegen begegnet das Wort noch im
ursprünglichen Q-Wortlaut.
KONTEXTUELLE KORRESPONDENZ
Die Erwartung der Endzeit passt gut in den Rahmen des Judentums zur Zeitenwende. In
der apokalyptischen Erwartung der damaligen Zeit konnten auch andere
Prophetengestalten vor und nach Jesus den Anbruch der Endzeit verkündigen.
KONTEXTUELLE INDIVIDUALITÄT
Die Botschaft vom Reich Gottes kann als Proprium des historischen Jesus angesehen
werden. Dieses Reich Gottes bricht nun mit Gewalt an und kann durch nichts aufgehalten
werden. Obendrein ist das Reich Gottes schon unmittelbar gegenwärtig (und nicht erst in
ferner Zukunft vorgestellt) – es kann nun von den „Gewalttätern“ erobert werden.
Wer seine Frau aus der Ehe Wer seine Frau aus der Ehe Jeder, der seine Frau aus der Ehe
entlässt, entlässt entlässt
es sei denn im Fall von Porneia,
und eine andere heiratet, und eine andere heiratet, und eine andere heiratet,
begeht Ehebruch. begeht ihr gegenüber Ehebruch; bricht die Ehe;
und wenn sie ihren Mann aus der und wer eine von einem Mann
Ehe entlässt und einen anderen Entlassene heiratet,
heiratet, bricht die Ehe.
begeht sie Ehebruch.
1 Kor 7,10-15
Den Verheirateten gebiete nicht ich, sondern der Herr:
Die Frau soll sich vom Mann nicht trennen – wenn sie sich aber trennt, so bleibe sie
unverheiratet oder versöhne sich mit dem Mann – und der Mann darf die Frau nicht
verstoßen.
Den übrigen sage ich, nicht der Herr:
Wenn ein Bruder eine ungläubige Frau hat und sie willigt ein, weiter mit ihm
zusammenzuleben, soll er sie nicht verstoßen. Auch eine Frau soll ihren ungläubigen Mann
nicht verstoßen, wenn er einwilligt mit ihr zusammenzuleben. ... Wenn aber ein Ungläubiger
sich trennen will, soll er es tun. Der Bruder oder die Schwester ist in solchen Fällen nicht wie
ein Sklave gebunden.
Mk-Fassung
Hier wird der römischen Rechtspraxis Rechnung getragen, dass auch eine Frau ihren Mann
aus der Ehe entlassen kann.
Lk-Fassung
Auch Lk streicht – genauso wie Mt – die Möglichkeit, dass auch eine Frau den Mann
aus der Ehe entlassen könnte.
Er fügt aber die Möglichkeit ein, dass eine geschiedene Frau von einem Mann geheiratet
wird und bezeichnet auch dies als Ehebruch.
Paulus-Fassung
Paulus unterschiedet ausdrücklich zwischen dem Wort des Herrn selber und seiner
eigenen deutenden Weiterführung.
Das Wort des Herrn ist hier – im Gegensatz zur synoptischen Tradition – bereits auf den
Fall hin ausgeweitet, dass die Ehepartner bei weiterhin bestehendem Eheband eine
Trennung voneinander vornehmen können.
Die weiterführende Deutung durch Paulus selber wird heute im Kirchenrecht der
katholischen Kirche als das „privilegium paulinum“ bezeichnet. Die Vorschrift bezieht
sich auf die Möglichkeit einer Ehescheidung in favorem fidei.
In allen vier Texten wird eine deutende und aktualisierende Weiterentwicklung des
ursprünglichen Jesuswortes deutlich. Die Urkirche hat die ursprüngliche Jesustradition auf
ihre konkreten Bedürfnisse hin interpretiert und adaptiert.
Sancta Mater Ecclesia: tria tempora traditionis. Wachstumsprozess (nicht alles ist
wortwörtlich von Jesus / Geist Gottes diktiert).
Im Folgenden wird der „Hagiograph“ als o;rganon (organon) des Hl. Geistes bezeichnet
(Werkzeug, „Orgel“). Dennoch auch hier schon: genus litterarium: altorientalische
Kosmogonien.
Dei Verbum: Extrem konservativer Vorlagetext (A und B waren Vorformen, Form C
wurde den Konzilsvätern zur Diskussion vorgelegt):
Aus dieser Erstreckung der Inspiration auf alles folgt unmittelbar und notwendig die absolute
Irrtumslosigkeit der ganzen Heiligen Schrift. Durch den alten und ununterbrochen festgehaltenen
Glauben der Kirche nämlich sind wir belehrt, es sei völlig unzulässig (nefas omnino), zuzugeben,
der heilige Schriftsteller habe sich geirrt, da doch die göttliche Inspiration ihrem Wesen nach so
notwendig einen Irrtum, ob religiöser oder profaner Natur, unmöglich macht und ausschließt, wie
es unmöglich ist, dass Gott, die höchste Wahrheit, Urheber irgend eines Irrtums sei.
„Inspiration“: grafh. qeo,pneustoj aus 2 Tim 3,16 (über die Schriften des AT); in der
Vulgata mit „scriptura divinitus inspirata“ übersetzt.
1) auctoritativ: Gott ist der Autor oder 2) qualitativ: Schrift enthält Gottes Geist.
Scholastik / Thomas von Aquin: Zweifache Autorenschaft: Gott als causa principalis
(Erstursache), der Mensch als causa instrumentalis (Zweitursache).
Mensch ist selber aktiv beteiligt!
Wie aber geschieht Inspiration dann, wenn nicht durch direkte Einhauchung Gottes (vgl.
„Divino afflante Spiritu“ = unter Einhauchung göttlichen Geistes)?
Dei Verbum 13: Denn Gottes Worte, durch Menschenzunge formuliert, sind menschlicher Rede
ähnlich geworden, wie einst des ewigen Vaters Wort durch die Annahme menschlich-schwachen
Fleisches den Menschen ähnlicher geworden ist.
Gott nimmt den Menschen in seiner Menschlichkeit voll ernst, auch in seiner
geschichtlichen Bedingtheit (wie hätte ein Autor vor 2000 Jahren modern-
naturwissenschaftlich denken können?).
Diese „Irrtümer“ der Bibel werden damit sogar zu einem positiven Teil unserer
Offenbarung: Gott vergewaltigt den Menschen nicht!
Früher als „anstößig“ empfundene Text gelten heute als besonders wertvoll:
Anthropomorphismen Gottes (Gefühle Gottes) oder das Scheitern der Jünger (kann auch
uns Mut machen).
Die Evangelien sind nicht in einem Stück vom Himmel gefallen, sondern über einen
beträchtlichen Zeitraum (über 40 Jahre) gewachsen (mündliche Überlieferung
[Stichwortassoziationen, Kettenbildungen, thematische Erzählkränze] und bereits schriftliche
Quellen [Q, MkEv, Johanneische Schule]). „Der“ Verfasser eines biblischen Buches ist oft
eine theoretische Größe: Er schöpft aus dem überkommenen Glaubensgut und steht selbst in
dieser Glaubenstradition. Ein radikales sola scriptura-Prinzip ist somit nicht mehr
aufrechtzuerhalten; Tradition und Glaube sind untrennbar ineinander verwoben.
In der Person des Evangelisten verdichtet sich die Überlieferung zu einem konkreten Werk,
dessen individueller Charakter auf konkreten Verfasser zurückgeht.
Zusammenfassung
1) Bibelauslegung und Interpretation ist ein der Bibel selbst immanenter Prozess.
Stichwort RELEKTÜRE: Biblische Traditionen werden innerbiblisch von späteren
biblischen Autoren aufgegriffen und neu bearbeitet. Dabei entsteht Theologie!
2) Nicht nur die biblischen Autoren selbst, sondern auch der heutige Leser selbst wird in
diesen Auslegungs- und Interpretationsprozess mit hineingenommen:
Die TRIA TEMPORA TRADITIONIS werden unter diesem Blickpunkt strenggenommen eigentlich
zu QUATTUOR TEMPORA TRADITIONIS.
Der Leser selbst wird in die Geschichte der Bibel mit hineingenommen: Gott schreibt nicht
nur DIE GROßE HEILIGE SCHRIFT, sondern auch DIE KLEINE HEILIGE SCHRIFT mit einem
jeden von uns. Daher sind Fragen der Urkirche auch Fragen für uns heute. Und umgekehrt
sind Antworten der Urkirche auch Identifikationsmodelle für den Menschen von heute.
Stichwort NARRATIVE THEOLOGIE: Im Erzählen erschließen sich Sinnzusammenhänge /
Sinnhorizonte. Im Erzählen wird Sinn gestiftet / begründet (fast ein wenig wie in moderner
Psychotherapie, wo über das Reden / Erzählen Identität gebildet wird).
Die Exegese wanderradikaler Texte vermag das – als praktische Probe aufs Exempel – zu
verdeutlichen.
2.1. Wortbedeutung
Das griechische Wort kanw,n / kanōn (Schilfrohr, Messlatte) stammt aus dem Semitischen
Meint im Christentum den „Maßstab“ des Glaubens, die regula fidei (kanw/n th/j pi,stewj)
als Gesamtheit unserer Glaubensüberzeugung.
Erst ab dem 4. Jh. entwickelt sich dieser Begriff weiter zum Kompendium der als inspiriert
angesehenen Bücher (Athanasius).
2.2. Umfang
Für Jesus und die Urkirche sind mit den Hl. Schriften die Bücher des AT gemeint.
Der Umfang des AT ist damals noch nicht definitiv festgelegt, steht aber nahe davor.
Prolog zu Sir: tora – nebiim – ketubim (Gesetz, Propheten und andere Schriften).
Tora und Nebiim stehen z.Z. Jesu bereits fest, die Ketubim sind noch offen, wenn auch
in Grundzügen vorhanden.
Lk 24,44: Christusereignis bereits angekündigt in Gesetz, Propheten und Psalmen.
Für die endgültige Fixierung des AT wurde früher fälschlicherweise die so genannte
„Synode von Jamnia/Javne“ veranschlagt (dort regruppierte sich das Judentum nach
dem Fall von Jerusalem).
Neben die Autorität des AT treten für die ersten Christen zunächst keine anderen Schriften,
sondern:
Die Autorität des Kyrios (= Bezeichnung für den auferstandenen Herrn): 1 Kor 9 bietet
in den VV 9 und 13 das Gebot der Tora und in V 14 das Gebot des Kyrios: So hat auch
der Herr geboten... Beide Autoritäten stehen ohne Widerspruch nebeneinander.
Die apostolische Autorität (= die erste Generation des Glaubens): In 1 Kor 7
unterscheidet Paulus in der Frage nach Ehelosigkeit zwischen einem Gebot des Kyrios
(V 10: nicht ich, sondern der Herr) und der eigenen Weisung (V 12: ich, nicht der Herr; vgl.
auch VV 8.17.25). Das Wort des Kyrios trägt klarerweise mehr Gewicht, als der
Ratschlag des Paulus, doch hat auch das Wort des Apostels Gewicht: Ich denke, dass
auch ich den Geist Gottes habe – argumentiert Paulus in 1 Kor 7,40.
Hier entstehen allerdings keine neuen hl. Schriften, sondern diese Schriften beinhalten die
lebendige Autorität des Auferstandenen (direkt oder über das Zeugnis seiner Apostel). Erst
Spätestens um 150 n. Chr. etablieren sich die ntl. Schriften als normative Schriften
gleichberechtigt neben dem AT:
Sie haben Autorität und Beweiskraft in theologischen Auseinadersetzungen und werden
so auch zitiert:
° Barn 4,4 zitiert Mt 22,14 mit der Formel wie geschrieben steht (w`j ge,graptai);
° 2 Klem 2,4 zitiert Mt 9,13 b mit die Schrift sagt (grafh, le,gei).
Sie werden auch in der Liturgie verlesen: Justin der Märtyrer († um 165) berichtet, dass
die „Apostelerinnerungen“ (avpomnhmoneu,mata, Apologie I,66,3), welche Evangelien
genannt werden, neben den Propheten in der Liturgie verlesen werden (gemeint sind
hier vor allem die Synoptiker, Kenntnis des JohEv ist umstritten, Pl wird weder zitiert
noch argumentativ erwähnt).
Eine weitere Tendenz ist das verstärkte Aufkommen von Irrlehren im 2. Jh.
Gnosis / Gnostizismus
In der Spätantike etablierte sich ein gewisser religiöser und weltanschaulicher Synkretismus
(römischer Staatskult, hellenistische Populärphilosophie, orientalische Mysterien- und
Erlöserkulte).
gnw/sij / gnōsis= Erkenntnis: Meint die Erkenntnis über die wahre Beschaffenheit der Welt.
Dualismus (Materielle ist schlecht) > Kosmische Katastrophe (Demiurg schafft Materie) >
göttliche Pleroma in Materie verstreut (Soma-Sema des Platon) > Erlösung durch Erkenntnis:
das Irdisch-Leibliche ist schlecht, das rein Geistige ist gut.
Es gab nicht die Gnosis, sondern viele verschiedene Systeme; die meisten Quellen vernichtet
(Schriften der Häretiker), nur indirekt über Kirchenväter erhalten.
Montanismus
Eschatologisch-rigoristische Bewegung in der Mitte des 2. Jh. in Kleinasien von einem
MONTANUS begründet.
Schwärmerisch-ekstatisch, rechnet mit baldigem Weltende; prophetisch-pneumatisch; rigoros-
asketisch; Frauen in Führungspositionen; antihierarchisch.
TERTULLIAN war Montanist.
Die Großkirche reagierte darauf mit der Entwicklung einer regula fidei
(Glaubensgrundkonsenz), Bischofsamt/Hierarchie, Kanonbildung.
CANON MURATORI
Ältestes großkirchliches Verzeichnis jener Schriften, die gelesen werden sollen, und jener, die
man meiden soll.
L.A. Muratori: Bibliothekar an der Biblioteca Ambrosiana von Mailand im 18 . Jh.
Fragment stammt aus 8. Jh.
Origenes († 254)
Theologe in Alexandria. Zahlreiche Reisen (Rom, Athen, Antiochia, ...) gute Kenntnis der
„internationalen Kirchensituation“. Einteilung der Schriften in:
Origenes wertet dabei allerdings nicht, er listet nur auf, ohne aktiv gestaltend in die
Kanondiskussion einzugreifen. Allerdings übertrug sich das hohe Ansehen, dass er als
Theologe trug, später auch auf seine Liste.
Enthält alle kanonischen Bücher außer: Hebr; Phil, 1/2 Thess. Diese fehlen wohl nur aus
Versehen.
Zusätzlich: Barn, Herm, Pl-Akten, PetrApk, aber alle mit einem Strich versehen, der diese
Bücher von anderen trennt zumindest für den Abschreiber waren diese vier nicht mehr
autoritativ.
Für die Ostkirche ist damit die Kanonentwicklung abgeschlossen. Die Autorität des
Athanasius führte zur allgemeinen Durchsetzung seines Kanons.
Sonderfall Offb
Dionysius, Bischof von Alexandria hatte bereits um 260 n. Chr. nachgewiesen, dass Offb
nicht vom gleichen Autor wie JohEv und 1 Joh.
Das und der in Offb vertretene Millenarismus führten zur Ablehnung der Schrift im Osten.
Bis ins 9. Jh. fehlt die Offb in etlichen Kanonverzeichnissen oder wird unter den
nichtkanonischen Schriften überliefert.
Das ändert sich ab dem 10. / 11. Jh.
Umstrittener Hebr
Gründe für die Umstrittenheit
poenitentia secunda (zweite Bußmöglichkeit nach der Taufe): Hebr 6,4ff lehnt dies ab.
Schon Tertullian hatte Hebr die paulinische Verfasserschaft abgesprochen.
Canon Muratori: kein Hebr
Ambrosiaster (Pauluskommentar eines anonymen römischen Christen um 370 n. Chr.):
kein Hebr., sonst aber alle 13 Pl.
Pelagius (Pauluskommentar um 400 verfasst): kein Hebr., sonst aber alle 13 Pl.
Novatian (250, Rom): 4 Evv, Apg, 13 Pl, 1 Joh, Offb.
Cyprian von Karthago(† 258): 4 Evv, Apg, 13 Pl, 1 Joh, 1 Petr, Offb.
SYRISCHE KIRCHE
„Das“ Ev war zunächst das Diatesseron des Tatian Evangelienharmonie um 170 n. Chr.
Danach die Peschitta (= die Einfache; 5. Jh.), eine syrische Übersetzung des NT: eine
gewisse Angleichung an griechischen Kanon:
enthält: 4 Evv, Apg, 14 Pl (incl. Hebr), Jak, 1 Petr, 1 Joh,.
enthält nicht: 2 Petr, 2/3 Joh, Jud, Offb
Ostsyrische Kirche: Mit Abspaltung der Nestorianer (Nestorius auf Konzil von Ephesus 431
verurteilt) blieb dies der Inhalt des Kanons.
Westsyrische Kirche: Gleicht ihren Kanon nach und nach der griechischen Kirche an.
ARMENISCHE KIRCHE
1) Apostolizität
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
36
Verfasser ist Apostel oder Apostelschüler (Mk als Begleiter des Paulus [Apg 12,12; 13,5.13;
Kol 4,10; Phil 24] und Petrus [1 Petr 5,13] sowie Lk als Begleiter des Paulus [Wir-Berichte:
Apg 20,6 – 21,26]).
Heute: keine mechanistische Apostolizität mehr, sondern: die Lehre der Apostel getreu
tradierend.
2) Orthodoxie
Gemäß der regula fidei ( eine schwer zu definierende Größe; ein Prozess).
3) Verbreitung
Was von allen und zu allen Zeiten geglaubt wurde und geglaubt wird.
Der sensus fidei aller Gläubigen
2) Prozesstheologie
Die Wahrheit unseres Glaubens fällt nicht vom Himmel, sondern muss vom Menschen – zwar
unter göttlicher Führung – durch eigenständiges Denken und Arbeiten errungen und erkämpft
werden.
3. Apokryphen
1. Thomasevangelium
Auf ein real existierendes 'fünftes Evangelium', das die eigentliche Wahrheit über jenen Jesus
von Nazareth enthalte, nämlich das 1945 aufgefundene 'Thomasevangelium', wird in dem
1999 in die Kinos gebrachten Film des Werbefilmers RUPERT WAINWRIGHT Bezug
genommen: 'Stigmata'.
Der Film dreht sich um die 23jährige Friseuse FRANKIE PAIGE (gespielt von PATRICIA
ARQUETTE), der aus heiterem Himmel schrittweise in überfallartigen Attacken die sog.
'Stigmata', d.h. die Wundmale Christi, zugefügt werden. Frankie spricht in mehreren Trance-
Zuständen Texte in aramäischer Sprache - der Sprache, die JESUS selbst gesprochen hat –
und füllt eine Wand in ihrem Appartement mit aramäischen Buchstabenfolgen,
Textfragmenten des Thomas-Evangeliums, durch welche der Institution Kirche die
Legitimation Jesu entzogen würde. Die Kirche hintertreibt fortan jedwede Veröffentlichung
jenes aramäischen Evangeliums. Im Abspann des Films kann man schließlich folgende Sätze
lesen: "1946 wurde in Nag Hamadi eine Schriftrolle gefunden. Man bezeichnet sie als 'Die
geheimen Worte Jesu' oder auch als 'Thomas-Evangelium'. Dieses Evangelium wurde von
Gelehrten in aller Welt als die genaueste Aufzeichnung der Worte Jesu anerkannt. Der
Vatikan hat das Thomas-Evangelium bis heute nicht in den Kanon der Heiligen Schrift
aufgenommen. Eine vom Vatikan abweichende Meinung bezeichnet man als Häresie".
(7) Jesus sprach: „Selig [µακάριος] ist der Löwe, den der Mensch ißt, und der Löwe wird
Mensch werden. Und verflucht sei der Mensch, den der Löwe frißt, und der Löwe wird
Mensch werden.“
Politeia (Platon): Mensch besteht aus tierischen Seiten, den Begierden (Löwe) und aus der
Vernunft (Mensch). Die Vernunft soll die Kontrolle erhalten.
(14) Jesus sprach zu ihnen: „Wenn ihr fastet, werdet ihr euch eine Sünde erschaffen; und
wenn ihr betet, werdet ihr verurteilt werden; und wenn ihr Almosen gebt, werdet ihr an euren
Geistern [πνευ̃µα] Schlechtes [κακόν] tun.
(28) Jesus sprach: „Ich stand in der Mitte der Welt und erschien ihnen im Fleisch [σάρξ]. Ich
fand sie alle trunken, ich fand keinen unter ihnen durstig. Und meine Seele war betrübt über
die Söhne der Menschen, da sie blind in ihrem Herzen sind und nicht sehen; denn leer sind sie
in die Welt gekommen und leer suchen sie, die Welt zu verlassen. Nun aber sind sie trunken.
Wenn sie ihren Wein abschütteln, werden sie bereuen.“
(29) Jesus sprach: „Wenn das Fleisch [σάρξ] des Geistes wegen entstanden ist, ist es ein
Wunder. Wenn aber der Geist des Leibes [σω̃µα] wegen entstanden ist, ist es ein Wunder der
Wunder. Ich aber wundere mich darüber, wie dieser große Reichtum sein Heim in dieser
Armut genommen hat.“
(37) Seine Jünger sprachen: „Wann wirst du uns offenbar werden, und wann werden wir dich
sehen?“ Jesus sprach: „Wenn ihr euch entkleidet ohne Scham und eure Kleider nehmt und sie
unter eure Füße legt wie die kleinen Kinder und auf sie tretet, dann werdet ihr den Sohn des
Lebendigen [sehen] und ihr werdet euch nicht fürchten.“
(56) Jesus sprach: „Wer die Welt erkannt hat, hat einen Leichnam [πτω̃µα] gefunden; und wer
einen Leichnam gefunden hat, ist der Welt überlegen.“
(87) Jesus sprach: „Elend ist der Leib, der von einem Leibe abhängt; und elend ist die Seele,
die abhängt von diesen beiden.“
(105) Jesus sprach: „Wer den Vater und die Mutter kennt, wird Sohn einer Hure genannt
werden.“
(22) Jesus sprach zu ihnen: „Wenn ihr die zwei zu eins macht und wenn ihr das Innere wie
das Äußere macht und das Äußere wie das Innere und das Obere wie das Untere und wenn ihr
das Männliche und das Weibliche zu einem einzigen macht, so daß das Männliche nicht
männlich und das Weibliche nicht weiblich ist, und wenn ihr Augen macht anstelle eines
Auges und eine Hand anstelle einer Hand und einen Fuß anstelle eines Fußes, ein Bild [ει̉κών]
anstelle eines Bildes, dann werdet ihr in [das Königreich] eingehen.“
(114) Simon Petrus sprach zu ihnen: „Mariham soll von uns fortgehen, denn die Frauen sind
des Lebens nicht würdig.“ Jesus sprach: „Seht, ich werde sie führen, um sie männlich zu
machen, daß auch sie ein lebendiger Geist [πνευ̃µα] wird, der euch Männern gleicht. Denn
jede Frau, die sich männlich macht, wird in das Königreich des Himmels eingehen.“
2. Philippusevangelium
Bild der Doppelmenschen: Auch der Erlöser benötigt eine weibliche Paargenossin im
spirituellen Sinne > der Kuss auf den Mund bedeutet Erkenntnisvermittlung. Maria hat damit
die höhere Erkenntnis, die die anderen Jünger nicht verstehen können.
Petrus sprach zu Maria: „Schwester wir wissen, dass der Erlöser dich mehr liebte als die
übrigen Frauen. Sage uns die Worte des Erlösers, an die du dich erinnerst, die du kennst, wir
aber nicht, und die wir auch noch nicht gehört haben.“ Maria antwortete und sprach: „Was
euch verborgen ist, ich werde es euch verkünden.“
Geheimwissen, das einer bestimmten Mittlerperson zwischen Jesus und den Jüngern
zugeschrieben wird: Hier Maria von Magdala.
Bezeichnung „Protevangelium“ aus 16. Jh.; Guillaume Postel: Vorspann vor das MkEv.
Impliziter Autor ist unbekannt, offenbar weder aus Palästina noch Judenchrist: Unkenntnis
Palästinas (Josef als Zimmermann: Holzarbeiter) und der jüdischen Verhältnisse
(Ausschluss Joachims wegen Kinderlosigkeit, Tempeljungfrauen, Zacharias als
Hoherpriester).
Palästina und Judentum lediglich als „folkloristischer Hintergrund“ (Plisch 43).
Expliziter Autor nennt sich erst im Schlusskap. 25 (Kolophon). „Jakobus“ meint wohl
Sohn Josefs (aus erster Ehe!) und (Halb-)bruder Jesu.
Fiktion der Augenzeugenschaft („Wer zuviel beweisen will, beweist nichts“ Klauck 98).
Gattung: Am ehesten ein Enkomion (Lobrede) auf Maria. Diese – und nicht Jesus – ist
auch die Hauptperson! Apologetische oder gar christologische Motive sind nur von
untergeordneter Bedeutung, der Fokus liegt eindeutig auf dem „Marienlob“.
XVIII. 1 And he [Joseph] found a cave there and brought her into it, and set his sons by her: and he went forth
and sought for a midwife of the Hebrews in the country of Bethlehem.
2 Now I Joseph was walking, and I walked not. And I looked up to the air and saw the air in amazement. And I
looked up unto the pole of the heaven and saw it standing still, and the fowls of the heaven without motion. And
I looked upon the earth and saw a dish set, and workmen lying by it, and their hands were in the dish: and they
that were chewing chewed not, and they that were lifting the food lifted it not, and they that put it to their mouth
put it not thereto, but the faces of all of them were looking upward. And behold there were sheep being driven,
and they went not forward but stood still; and the shepherd lifted his hand to smite them with his staff, and his
hand remained up. And I looked upon the stream of the river and saw the mouths of the kids upon the water and
they drank not. And of a sudden all things moved onward in their course.
XIX. 1 And behold a woman coming down from the hill-country, and she said to me: Man, whither goest thou?
And I said: I seek a midwife of the Hebrews. And she answered and said unto me: Art thou of Israel? And I said
unto her: Yea. And she said: And who is she that bringeth forth in the cave? And I said: She that is betrothed
unto me. And she said to me: Is she not thy wife? And I said to her: It is Mary that was nurtured up in the temple
of the Lord: and I received her to wife by lot: and she is not my wife, but she hath conception by the Holy Ghost.
And the midwife said unto him: Is this the truth? And Joseph said unto her: Come hither and see. And the
midwife went with him.
2 And they stood in the place of the cave: and behold a bright cloud overshadowing the cave. And the midwife
said: My soul is magnified this day, because mine eyes have seen marvellous things: for salvation is born unto
Israel. And immediately the cloud withdrew itself out of the cave, and a great light appeared in the cave so that
our eyes could not endure it. And by little and little that light withdrew itself until the young child appeared: and
it went and took the breast of its mother Mary.
And the midwife cried aloud and said: Great unto me to-day is this day, in that I have seen this new sight. 3 And
the midwife went forth of the cave and Salome met her. And she said to her: Salome, Salome, a new sight have I
to tell thee. A virgin hath brought forth, which her nature alloweth not. And Salome said: As the Lord my God
liveth, if I make not trial and prove her nature I will not believe that a virgin hath brought forth.
XX. 1 And the midwife went in and said unto Mary: Order thyself, for there is no small contention arisen
concerning thee.2 And Salome made trial and cried out and said: Woe unto mine iniquity and mine unbelief,
because I have tempted the living God, and lo, my hand falleth away from me in fire. And she bowed her knees
unto the Lord, saying: O God of my fathers, remember that I am the seed of Abraham and Isaac and Jacob: make
me not a public example unto the children of Israel, but restore me unto the poor, for thou knowest, Lord, that in
thy name did I perform my cures, and did receive my hire of thee. 3 And lo, an angel of the Lord appeared,
saying unto her: Salome, Salome, the Lord hath hearkened to thee: bring thine hand near unto the young child
and take him up, and there shall be unto thee salvation and joy. 4 And Salome came near and took him up,
saying: I will do him worship, for a great king is born unto Israel. And behold immediately Salome was healed:
and she went forth of the cave justified. And lo, a voice saying: Salome, Salome, tell none of the marvels which
thou hast seen, until the child enter into Jerusalem.
• Jungfrauengeburt beachte auch die Söhne des Josef aus einer früheren Ehe
• Motiv des ungläubigen Thomas (Salomes gynäkoloigsche Untersuchung statt
Untersuchung des Auferstandenen durch Thomas)
• Effektheischend: Sogar das Hymen ist unverletzt.
• „Beweis“ der Jungfräulichkeit durch „Augenzeugen“
Mehr dazu in M 3
BASISFRAGEN
Sender und Situation >>> Brief / Evangelium >>> Empfänger und Situation
Meine eigene Betroffenheit <–> die Betroffenheit der Menschen von damals
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
43
Objektive Kriterien zu Prüfung meines eigenen Vorverständnisses, denn: Quidquid
recipitur, ad modum recipientis recipitur.
Oft widerspricht sich das NT: Frauenfrage (Darf eine Frau lehren? Einstellung zum
Römischen Reich? Frage nach Armut? Frage nach der Stellung des Judentums? Ämter in
der Gemeinde? [Mt 16,19: Lehrautorität für Petrus; 18,18: Lehrautorität für die ganze
Gemeinde]).
In Dialog treten: Mit Gott und seinem Wort.
Mit verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten Pluralität!
Es gibt keine abstrakte, alles erklärende Wahrheit, die man als Besitz reklamieren könnte.
Wahrheit will immer gesucht, errungen und erarbeitet werden persönliche Konfrontation.
AUßERBIBLISCHES GRIECHISCH
zu „frohbotschaften“; auch hier wird das Substantiv nicht verwendet) bringe und alle heile,
deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den
Gefesselten die Befreiung,
2 damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe, einen Tag der Vergeltung unseres Gottes, damit ich
alle Trauernden tröste. zitiert bei Lk 4, 18-19.
Obwohl es zahlreiche Sinnlinien hin zum atl Verb gibt, ist der Gebrauch des Substantivs
ohne atl Analogie.
JESUS SELBST
Genitivus subjectivus: Die frohe Botschaft vom erlösenden Heilshandeln Gottes, die uns
Jesus Christus gebracht hat Jesus als Verkündiger.
Genitivus objectivus: Die Botschaft über Jesus Jesus als Verkündigter.
Zunächst die mündliche Botschaft Jesu und später auch schon über Jesus betreffs des
erlösenden Heilshandeln Gottes besonders Tod und Auferstehung Jesu.
FRÜHE KIRCHE
Aber: Erzählungen sind unvollständig: nur letzte drei Jahre des Lebens Jesu
nicht wirklich chronologisch: Einzelerzählungen
auch nicht protokollarisch. wollen überzeugen
widersprüchlich: Passionschronologie
falsch: Geographie
Mk 1,1: Schafft eine neue Gattung, doch wie ist diese definiert?
War z.B. schon die Logienquelle ein Evangelium?
Origenes: Das ganze Neue Testament aber ist Evangelium.
Vielleicht ist es nicht unrichtig, mit den Evangelien die Entstehung einer neuen Gattung
anzunehmen.
Umfang: In MtEv und LkEv findet sich beinahe der ganze Stoff des MkEv (von den 609
Versen des MkEv nur 30 überhaupt nicht in MtEv und LkEv).
Stoffanordnung: Der große Aufriss stimmt im Wesentlichen überein (Taufe – Versuchung
Jesu – Wirken fast ausschließlich in Galiläa – einmaliger großer Zug nach Jerusalem –
Passion – Auferstehung).
JohEv anders:
mehrere Jahre öffentliches Wirken (mehrere Paschafeste in Jerusalem: zweimal in Joh
2,13; 12,1 und ev. auch noch ein drittes Mal in Joh 5,1 [ein „Fest der Juden“]).
öfters nach Jerusalem (vgl. die oben genannten Paschafeste und 7,1.14: Laubhüttenfest;
10,22: Tempelweihefest im Winter).
Jesus geht auch zu den Samaritanern ≠ Mt 10,5 (Verbot).
Todestag Jesu: am Vortag des Festes und nicht nach dem Paschaabend.
Unterschiede auf der Sprachebene: Erweisen sich meist als stilistische, inhaltliche oder
theologische Verbesserungen.
Sprachlich: Das Griechisch des Mk ist sehr einfach (fast: primitiv, umgangssprachlich):
° Parataxe, kaum Hypotaxe (vgl. Mk 1,16-22).
° euvqu,j (sofort): vgl. im Deutschen: „und dann...“
° Präsens historicum zu oft bei Mk (93 mal ersetzt bei durch Lk!)
Inhaltlich: Mk 2,4 (Lehmdach „durchschlagen“) ≠ Lk 5,19 (Ziegeldach).
Stilistisch: Unpassende Worte des Mk ausgewechselt:
Mk 2,4 (kra,batoj) durch das hochsprachliche kli,nh (Mt 9,29) bzw. klini,dion (Lk
5,18f).
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
50
Theologisch:
° Mk 4,38: Meister, liegt dir denn nichts daran, dass wir zugrunde gehen?
≠ Mt 8,25: Herr, rette uns, wir gehen zugrunde! (Vorwurf Bitte).
° Mk 6,5f: Und er konnte dort kein einziges Wunder tun und er wunderte sich wegen ihres
Unglaubens. ≠ Mt 13,58: Er vollbrachte dort nicht viele Wundertaten wegen ihres
Unglaubens.
Mt Lk
Mk
Mk Q
QMt? QLk?
SMt SLk
Mt Lk
Mk-Priorität
„Markinische Sondergut“
Kurze Texte bei Mk finden sich nur dort, und wurden sowohl bei Mt wie auch bei Lk
gestrichen:
Mk 4,26-29 (Gleichnis von der selbstwachsenden Saat)
7,31-37 (Heilung eines Taubstummen)
8,22-26 (Heilung des Blinden von Betsaida)
Sowie die kurzen Notizen:
Mk 3,20f: Verwandte halten Jesus für verrückt
Mk 9,49: Spruch vom Salzen mit Feuer
Mk 14,51f: nackter fliehender Jüngling
„minor agreements“
Hier ändern Mt und Lk den Mk-Stoff in gleicher Weise ab.
(„major agreements“ = Logienquelle Q)
Urmarkus und Deuteromarkus erklären minor agreements und das Mk-Sondergut, die
Annahme eines verstümmelten MkEv erklärt die „Große Auslassung“.
De facto bringen Deuteromarkus- und Urmarkus-Hypothese oft nur – genau so wie die
Annahme einer Logienquelle – eine neue (hypothetische) Komponente ins Spiel. Der Stoff,
den MkEv und Logienquelle in der Zweiquellentheorie getrennt aufweisen wird nun nur
einem einzigen Werk attributiert.
Ungeklärt aber bleiben: Doppelüberlieferungen (bei Mt und Lk je doppelt) und Dubletten
(nur bei einem Seitenreferenten doppelt Aussendungsrede).
Außer: Wenn Deuteromarkus-Hypothese keinen Ersatz für die Logienquelle darstellt; aber
dann hat man eine neue Unbekannte mehr eingeführt.
Sigel „Q“: Johann Weiß und Paul Wernle (Ende 19. Jh.).
Umfang, Reihenfolge und Inhalt.
Definition: Das über Mk hinausgehende Material, das Mt und Lk als gemeinsame Quelle
vorgelegen ist (Q = Quelle).
Logienquelle: Weil hier hauptsächlich lo,gia („logia“ = Sprüche) Jesu enthalten sind, und
kaum Erzählstoff (narratives Material) Redenquelle.
Wortwörtliche Übereinstimmung zwischen Mt und Lk im Q-Material beträgt 50 %, das
entspricht den wörtlichen Übereinstimmungen zwischen Mt und Lk im Mk-Material.
Doppelüberlieferungen und Dubletten gelten als Beweis, dass Mt und Lk neben dem MkEv
noch eine andere schriftliche Quelle vorliegen hatten.
Bei einer Doppelüberlieferung bringen beide „Seitenreferenten“ (Mt und Lk) eine
Überlieferung zweifach, einmal nach Mk und einmal nach Q:
Beispiel: Das Wort vom Kreuztragen
Mk 8,34 Mt 16,24 Lk 9,23
Q Mt 10,38 Lk 14,27
Bei einer Dublette überliefert nur einer der Seitenreferenten den doppelten Text (nach
Mk und nach Q), während der andere Referent die beiden Textvorlagen verschmilzt:
Beispiel: Aussendungsrede
Lk 9,1-5 = Mk 6,7-11 aber Lk 10,1-12 = Q
Mt 9,37-38; 10,5-16 = kombiniert Mk und Q
Sprache: Griechisch
AT nach LXX zitiert (Q 4,4.8.10f.12).
Stichwortassoziationen als Bindeglieder.
Kein Übersetzungsgriechisch nachweisbar.
Aber viele Semitismen: die Einzellogien wohl ursprünglich auf Aramäisch verfasst,
aber sehr früh schon Sprung ins Griechische (schon z.Z. Jesu?).
Exakte Rückübersetzung der Logien nicht mehr möglich!
Nur Logien, kaum narratives Material Sprüche ließen sich leichter überliefern.
Inhalt
Gemeinsamer Text von Mt und Lk über Mk hinaus sicher.
Haben Mt und Lk Texte von Q weggelassen? Vergleich mit Mk: kaum solche
Tendenzen, eher Wille zur Vollständigkeit.
dennoch: bei Triplextradition und Sondergut könnte der Q-Bestand weiter sein.
° Triplextradition (in allen drei Synoptikern): Taufe Jesu z.B. könnte auch in Q
gestanden haben (denn sonst beginnt Q mit der Bußpredigt des Täufers; bei
Versuchung: „Wenn du der Sohn Gottes bist...“ setzt Taufe voraus).
° Sondergut: Lk 15,8-10 (Gleichnis von verlorener Drachme) nur bei Lk; ist das
Sondergut, oder Q (das Gleichnis davor [verlorene Schaf: Lk 15,3-7 // Mt 18,12-14]
gehört zu Q; hat Mt das nachfolgende Gleichnis weggelassen?
Dubletten (Aussendungsrede: Mt kürzt Q und Mk auf einen Text zusammen, Lk lässt
die Versionen prinzipiell getrennt, vermischt aber einzelne Ausrüstungsgegenstände).
In jedem Fall ist mit einer reichen mündlichen Parallelüberlieferung zu rechnen, die immer
wieder interferierte (= sekundäre Mündlichkeit).
Q 3,9 (Täuferpredigt): Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der
keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.
Q 10,13-15: Weh dir, Chorazin! Weh dir, Betsaida! Wenn einst in Tyrus und Sidon die Wunder
geschehen wären, die bei euch geschehen sind - man hätte dort in Sack und Asche Buße
getan. 14 Tyrus und Sidon wird es beim Gericht nicht so schlimm ergehen wie euch. 15 Und du,
Kafarnaum, meinst du etwa, du wirst bis zum Himmel erhoben? Nein, in die Unterwelt wirst du
hinabgeworfen.
Gericht am Ende Q 22,28-30: Die Jünger werden auf zwölf Thronen sitzen und die
zwölf Stämme Israels richten.
Aber doch schon eine gewisse Entwicklung. In Q 11,24-26 werden bereits Gläubige vor
dem Glaubensabfall gewarnt Ermüdungserscheinungen.
Frühe Deutung des Todes Jesu (hier: noch nicht als Heilstod gedeutet) und der
Ablehnung der Missionare in Israel.
Noch rein auf Israel bezogen (umstritten!), doch schon Drohung, dass Heiden
übernehmen werden (Hauptmann von Kafarnaum z.B.). Q weiß um erfolgreiche
Heidenmission, und hält diese Israel vor Augen ein letztes, zorniges sich noch einmal
mit ganzer Kraft um Israel Bemühen.
2.4.3. „Christologie“ in Q
Zunächst im AT als Singulativ verwendet: man redet allgemein von einem Menschen
(Ez 2,1.8; 3,1). noch keine besondere Würde damit verbunden.
In frühjüdisch-apokalyptischer Literatur (ab 2. Jh. v. Chr.): Dan 7,9-14.27
9 Ich sah immer noch hin; da wurden Throne aufgestellt, und ein Hochbetagter nahm Platz.
Sein Gewand war weiß wie Schnee, sein Haar wie reine Wolle. Feuerflammen waren sein
Thron, und dessen Räder waren loderndes Feuer. 10 Ein Strom von Feuer ging von ihm aus.
Tausendmal Tausende dienten ihm, zehntausendmal Zehntausende standen vor ihm. Das
Gericht nahm Platz, und es wurden Bücher aufgeschlagen. 11 Ich sah immer noch hin, bis das
Tier - wegen der anmaßenden Worte, die das Horn redete - getötet wurde. Sein Körper wurde
dem Feuer übergeben und vernichtet. 12 Auch den anderen Tieren wurde die Herrschaft
genommen. Doch ließ man ihnen das Leben bis zu einer bestimmten Frist. 13 Immer noch hatte
ich die nächtlichen Visionen: Da kam mit den Wolken des Himmels einer wie ein
Menschensohn ( vn"a/ rb;K.). Er gelangte bis zu dem Hochbetagten und wurde vor ihn geführt.
14 Ihm wurden Herrschaft, Würde und Königtum gegeben. Alle Völker, Nationen und Sprachen
müssen ihm dienen. Seine Herrschaft ist eine ewige, unvergängliche Herrschaft. Sein Reich
geht niemals unter.
hier noch kein Würdentitel, wird aber aufgrund dieser Stelle später zum
messianischen Würdentitel.
äthHen 37-71 (Bildreden; Datierung unterschiedlich: 1. Jh. v. Chr. – 1. Jh. n. Chr.;
wahrscheinlich schon vorchristlich!):
62,1.3.5-9: 1 Und so befahl der Herr den Königen, den Mächtigen, den Hohen und denen, die
die Erde besitzen und sprach: „Macht eure Augen auf und erhebt eure Hörner, wenn ihr den
Erwählten zu erkennen vermögt. [...] 3 Und an jenem Tage werden alle Könige, Mächtigen,
Hohen und die, die die Erde besitzen, sich erheben, und sie werden ihn sehen, und sie werden
ihn erkennen, wie er auf dem Thron seiner Herrlichkeit sitzt und vor ihnen Gerechtigkeit (=
recht) gerichtet wird, und eine leere Rede wird niemand vor ihm führen können. [...] 5 Und ein
Teil von ihnen wird den (anderen) Teil (an)sehen, und sie werden erschrecken und werden ihr
Angesicht senken, und Schmerz wird sie ergreifen, wenn sie jenen Menschensohn sitzen sehen
auf dem Thron seiner Herrlichkeit. 6 Und die Könige und Mächtigen und alle, die die Erde
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
59
besitzen, werden den rühmen und verherrlichen und erhöhen, der alles beherrscht, was
verborgen ist. 7 Denn zuvor ist der Menschensohn verborgen gewesen, und der Höchste hat
ihn angesichts seiner Macht bewahrt und ihn den Auserwählten offenbart. 8 Und die Gemeinde
der Auserwählten und Heiligen wird gepflanzt werden, und alle Auserwählten werden an jenem
Tage vor ihm stehen. 9 Und alle Könige und Mächtigen und Hohen und die, die das Festland
beherrschen, werden vor ihm auf ihr Angesicht niederfallen und anbeten, und sie werden ihre
Hoffnung auf jenen Menschensohn setzen und ihn anflehen und von ihm Barmherzigkeit
erbitten.
Der Menschensohn wird hier als der endzeitliche Richter gezeichnet.
Beginnender titularer Gebrauch von Menschensohn.
Alle anderen Hoheitstitel (Messias / Christus, Sohn Gottes) wurden Jesus erst durch
urgemeindliche theologische Reflexion aus dem Ostergeheimnis her zugelegt (vgl.: Joh
16,12: 12 Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. 13 Wenn aber
jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen.)
Jesus scheint solche Titel auch vermieden zu haben, da sie eine ganze Fülle von
Erwartungen und Missverständnissen ausgelöst haben („Messias“ konnte als politisch-
umstürzlerische Gestalt missdeutet werden, aber auch im Falle einer theologischen
Deutung gab es eine Unzahl von Sichtweisen: *priesterlicher Messias, *davidischer
Messias, *prophetischer Messias ...). Der Titel „Messias“ / „Christus“ meinte damals nicht
das, was wir ihm heute (nach 2000 Jahren Kirchengeschichte) theologisch unterlegen.
Exegetisch umstritten ist, ob sich Jesus selber als Menschensohn bezeichnet hat.
Q 12,8f: Ich sage euch: Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem wird sich auch der
Menschensohn vor den Engeln Gottes bekennen. 9 Wer mich aber vor den Menschen verleugnet,
der wird auch vor den Engeln Gottes verleugnet werden.
Exegeten: Übereinstimmung, dass der Schluss des MkEv (Mk 16,8c-20) nicht ursprünglich ist
Doppeleckige Klammer in Nestle-Aland.
In den ältesten und besten Textzeugen fehlt der Schluss: a und B (beide Mitte 4. Jh.)
Mk konzipiert und denkt sein Werk von der Passion Jesu her:
Qualitativ: ab der Mitte läuft alles auf die Passion zu.
Quantitativ: ab Mk 11 (Einzug in Jerusalem): Passion = über 1/3 des Werkes.
Martin Kähler (Der sogenannte historische Jesus und der geschichtlich-biblische Christus.
2
1896): Bezeichnet die Evv als Passionsgeschichten mit ausführlicher Einleitung. Zwar für
alle Evv übertrieben, gilt aber für Mk noch am ehesten.
„Erfinder“ der Gattung „Evangelium“: 1,1: Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem
Sohn Gottes.
Abgesehen von 1,1 meint Evangelium immer die mündliche Botschaft (z.B. 1,14f).
Davor noch kein durchgehender Spannungsbogen: Die vielen Einzelerzählungen der
mündlichen Erzähltradition werden von Mk zusammengefasst und in ein Ganzes gefügt.
Mk: wählt aus – komponiert – redigiert und akzentuiert.
Kein „tumber Tor“ (Martin Luther).
VERFASSER
Verfasser gibt sich persönlich nie zu erkennen, schreibt auch nie in der ersten Person (≠ Lk
1,1-4).
Evangelienüberschriften (hier: kata. Ma,rkon) sind sekundär: textkritisch erst ab dem 4. Jh.
bezeugt, gehen aber auf eine ältere Tradition zurück (wohl 2. Jh.).
Die altkirchliche Tradition stützt sich auf Papias von Hierapolis (erste Hälfte des 2. Jh.),
dessen Zeugnis uns in der Historia Ecclesiastica III 39,15-17 des Eusebius von Cäsarea (†
um 339) erhalten ist:
Auch dies sagte der Presbyter: Markus, der Hermeneut (h`rmhneuth,j: Dolmetscher, Interpret; ev.:
Mittelsmann durch Abfassung des Ev) des Petrus geworden war, schrieb sorgfältig auf, woran er
sich immer erinnerte, aber freilich nicht in der (richtigen) Reihenfolge, was vom Herrn gesagt oder
getan worden war. Denn er (selbst) hatte den Herrn weder gehört, noch war er ihm nachgefolgt,
sondern erst später, wie gesagt, dem Petrus. Dieser gestaltete seine Unterweisungen
entsprechend den (jeweiligen) Bedürfnissen (seiner Hörer), nicht aber wie um eine geordnete
Darstellung der Lehren des Herrn (zu geben). Also beging Markus keinen Fehler, wenn er einiges
so niederschrieb, wie er sich erinnerte. Seine einzige Sorge nämlich war, nichts auszulassen, vom
dem, was er gehört hatte und nichts davon falsch darzustellen.
Wie zutreffend ist das Papias-Zeugnis?
Altkirchliche Überzeugung sieht darin jenen Johannes Markus aus:
° Apg: Jerusalemer Judenchrist, Haus seiner Mutter als Versammlungsort der Christen;
dorthin flieht Petrus nach seiner Befreiung aus dem Gefängnis (Apg 12,12). Er
begleitet zunächst den Paulus und Barnabas (12,25; 13,5), kehrt dann aber wieder um
(13,13). Daher weigert sich Paulus ihn weiterhin mitzunehmen: heftiger Streit mit
Barnabas und Trennung (15,37): Barnabas geht mit Markus, Paulus mit Silas.
° Phlm 24 erwähnt einen Markus in der Grußliste.
° 2 Tim 4,11 erwähnt.
° Kol 4,10 als Vetter des Barnabas bezeichnet.
° 1 Petr 5,13: ein Markus wird vom fiktiven „Petrus“ (eher paulinische Theologie!) als
„mein Sohn“ bezeichnet.
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
66
Ist das alles die gleiche Person?
MkEv keinerlei Spuren einer paulinischen Theologie.
Keine Spuren einer petrinischen Theologie:
° oft postulierte Sonderstellung des Petrus im MkEv (vgl. das Petrusbekenntnis von
Cäsarea Philippi) geht nicht über das Übliche in der Urkirche hinaus (vgl. Joh 21!).
° aber Jüngerunverständnis und Zurechtweisungen des Petrus: Mk 8,33: Jesus wandte
sich um, sah seine Jünger an und wies Petrus mit den Worten zurecht: Weg mit dir, Satan,
geh mir aus den Augen! Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die
Menschen wollen.
° 1 Petr ist nicht vom Apostel Petrus: eher aus Paulusschule.
Heidenchristliche Ausrichtung des MkEv, sicher kein Judenchrist (!) kein
Verständnis mehr für jüdische Bräuche und Sitten (≠ MtEv). Mk 7: *Abrechnung mit
Reinheitsgeboten; *Syrophönizierin.
Der Autor des MkEv besaß keine Ortskenntnis in Palästina:
° Mk 5,1 Schweine von Gerasa müssen 8 km zum See von Gennesaret laufen (Mt
8,28: Gadara; Lk bessert nicht aus).
° Mk 7,31: Jesus geht von Tyrus über Sidon an den See Gennesaret mitten in das Gebiet
der Dekapolis Sidon liegt über 30 km nördlich von Tyrus, der See Gennesaret aber
südlich, die Dekapolis hingegen östlich des Jordans.
Der Name Markus scheint glaubwürdig zu sein: Hätte man einen Namen erfunden, dann
hätte man eine stärkere Autorität (Apostel / Augenzeugen und nicht zweite Generation)
geltend gemacht.
Umkehrschluss: Papias selber hat eine apostolische Legitimation für MkEv gesucht und
zumindest über diese Schiene gefunden.
Papias versucht die „Unordnung“ des MkEv zu entschuldigen.
Wir haben das Papiaszeugnis nur aus dritter Hand überliefert. Papias hat sein Wissen von
einem Presbyter Johannes, das Papiaszeugnis selbst ist uns wiederum nur über Eusebius
übermittelt.
Eusebius allerdings bezeichnet Papias hauptsächlich aufgrund dessen Millenarismus
(Lehre vom 1000-jährigen Reich) als „geistig sehr beschränkt“:
Obwohl er, wie man aus seinen Worten schließen kann, geistig sehr beschränkt gewesen sein
muß (sfo,dra smikro.j w'n to.n nou/n), hat er doch sehr vielen späteren Kirchenschriftstellern, die
sich auf das Alter des Mannes beriefen, ... Anlaß zu ähnlicher Lehre (gemeint ist der
Millenarismus) gegeben.
3.5.1. Die Christologie des MkEv: Sohn Gottes, Menschensohn, Christus / Messias
Mk kennt fast alle Hoheitstitel, die sonst im NT vorkommen: °Sohn Gottes, °Sohn absolut
gesetzt, °Menschensohn, °Kyrios, °Christus/Messias, °Sohn Davids, °König der Juden, etc.
Dennoch: keine spekulativen Konzepte (vgl. JohEv: Stunde, Erhöhung): 13,23: ...die
Stunde kennt nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater.
Der Begriff entstammt nicht hellenistischem Denken: Sohn meint hier immer die leibliche
Abstammung.
Der Begriff legt atl-jüdische Denken nahe und ist folgendermaßen zu verstehen:
Relationsbegriff: Zugehörigkeit zum Ausdruck gebracht (bis heute: „Sohn des
Wahnsinns / Verderbens / Todes / ...“)
Als „Sohn / Söhne Gottes“ werden so bezeichnet:
° Zum Himmel gehörende Engel: Gen 6,3; Ijob 1,6; 2,1; 38,7; Ps 89,7)
° Israel ist Jahwes erstgeborener Sohn (Ex 4,22; Hos 11,1; Jer 31,9.20)
° der König: 2 Sam 7,14; Ps 2,7;
° der Weise: Sir 4,10;
° der vorbildlich leidende Gerechte: Weish 2,13.18
° Seligpreisungen (Mt 5,9): Friedensstifter als Söhne Gottes
° Röm 8,14f: die sich vom Geist Gottes leiten lassen.
Funktionsbegriff: Amtstitel für den Messias
° In Qumran: titularer Gebrauch nicht belegt, aber die Vorstellung ist nachweisbar:
4Qflorilegium (= 4Q174) III, 10f: 10 Und es verkündet dir JHWH, dass er dir ein Haus
bauen werde (2 Sam 7,11b): „Und ich werde deinen Samen aufrichten nach dir und fest
hinstellen den Thron seines Königtums 11 für immer (vgl. 2 Sam 7,12f). Ich werde für ihn
Vater sein und er wird für mich ein Sohn sein (2 Sam 7,14). Das ist der Spross Davids, der
mit dem Toraerteiler auftritt ...
Erst im Licht von Ostern her wird der Mensch Jesus als „Gottes Sohn“ = Messias
gedeutet.
Sohn Gottes ist hier eine Funktionsbezeichnung.
Wesensaussage: Herkunft Jesu aus Gott; Begründung seiner ganzen Existenz in Gott.
Hier kommt die einmalige und unüberbietbare Tiefe der Zugehörigkeit zum Bereich
Gottes zum Tragen.
° Röm 5,10: Versöhnung mit Gott durch den Tod seines Sohnes
° Röm 8,3: ...sandte Gott seinen Sohn in Gestalt des Fleisches ... zur Sühne für die Sünde
Nahes und enges Verhältnis, doch noch nicht auf der selben Stufe wie Gott.
° Mk 10,18: Was nennst du mich gut? Nur einer ist gut, Gott.
Dennoch grundsätzlich Wesensaussage:
° Mk 1,11 (Taufe): Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn,
an dir habe ich Gefallen gefunden.
° Titel wie ein Klammer um ganzes Werk: Mk 1,1 (Anfang des Evangeliums von Jesus
Christus, dem Sohne Gottes) bis Mk 15,39 (Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes
Sohn).
In der Person Jesus begegnen die Menschen nach mk Theologie ihrem Gott.
MENSCHENSOHN BEI MK
Scharniere/Bindeglieder/Verklammerungen:
Irdischer und eschatologischer Menschensohn: Mk 8,38 (Denn wer sich vor dieser
treulosen und sündigen Generation meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich auch
der Menschensohn schämen, wenn er mit den heiligen Engeln in der Hoheit seines Vaters
kommt).
Erstmals erkannt von William Wrede: Das Messiasgeheimnis in den Evangelien. Zugleich
ein Beitrag zum Verständnis des Markusevangeliums. 1901, und gedeutet als
Grundkonzept des MkEv.
Das unmessianische verlaufene Leben Jesu habe die Urkirche mit dem nachösterlichen
Messiasglauben harmonisieren müssen.
Liberale Exegese des 19. Jh.: Zwischen historischem Jesus und Christus des Glaubens
ist ein unüberbrückbarer Graben.
Heute von niemandem mehr so vertreten.
Petrus: bekennt den Messias in 8,29 verschließt sich dann aber dem Anspruch des
Leidens in 8,33: als „Satan“ zurückgewiesen.
Wahre Dimension Jesu kann erst von Tod und Auferstehung her verstanden werden.
Parabeltheorie: Mk 4,11f: 11 Da sagte er zu ihnen: Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes
anvertraut; denen aber, die draußen sind, wird alles in Gleichnissen gesagt;
12 denn sehen sollen sie, sehen, aber nicht erkennen; hören sollen sie, hören, aber nicht
verstehen, damit sie sich nicht bekehren und ihnen nicht vergeben wird.
Negative Seite des Messiasgeheimnisses: nur wer den vollen Glauben (Kreuzestheologie)
besitzt, kann die Botschaft Jesu verstehen.
Ekklesiologie: Das Wort evkklhsi,a kommt bei Mk nicht vor. Die Sache ist aber deutlich
erkennbar Gottesvolk.
Hinwendung zu Israel, das sich aber verschließt, schließlich Öffnung auf ein neues
Gottesvolk, zu dem nun auch die Heiden gehören
Historische Reminiszenz, dass sich Jesus in erster Linie an Israel gewandt hat. Jesus
wollte keine neue Religion gründen, sondern das Judentum für die Endzeit zurüsten.
Ganz Israel sollte dann zum Zeichen für alle Völker (= die Heiden) werden
Heilsuniversalismus.
Ablehnung durch Israel: Zieht sich wie ein roter Faden quer durch das ganze Evangelium:
Streitgespräche; Kreuzigungsruf (15,13).
Nicht antijüdisch, sondern nur zur Erklärung der Frage, wie aus der rein jüdischen
Mission Jesu eine Kirche aus Heiden geworden ist.
Erweiterung des Gottesvolkes auf die Heiden hin:
Syrophönizierin antwortet (7,28): Aber auch die Hündlein unter dem Tisch essen von den
Brosamen der Kinder.
Gleichnis von bösen Winzern (Mk 12,6ff): 6 Schließlich blieb ihm nur noch einer: sein
geliebter Sohn. Ihn sandte er als letzten zu ihnen, denn er dachte: Vor meinem Sohn werden
sie Achtung haben. 7 Die Winzer aber sagten zueinander: Das ist der Erbe. Auf, wir wollen ihn
töten, dann gehört sein Erbgut uns. 8 Und sie packten ihn und brachten ihn um und warfen ihn
aus dem Weinberg hinaus. 9 Was wird nun der Besitzer des Weinbergs tun? Er wird kommen
und die Winzer töten und den Weinberg anderen geben. 10 Habt ihr nicht das Schriftwort
gelesen: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden; 11 das
hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen geschah dieses Wunder? 12 Daraufhin hätten sie
Jesus gern verhaften lassen; aber sie fürchteten die Menge. Denn sie hatten gemerkt, dass er
mit diesem Gleichnis sie meinte. Da ließen sie ihn stehen und gingen weg.
Endzeitrede 13,10: Vor dem Ende aber muss allen Völkern das Evangelium verkündet
werden.
Heidnischer Zenturio (15,39) formuliert das erste vollgültige christologische
Bekenntnis.
Gemeinde des Mk ist eine heidenchristliche Gemeinde:
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
75
Jüdische Speisegebote sind längst überholt (vgl. 7,18ff: unrein macht nicht, was in den
Menschen hineinkommt, sondern, was aus Herzen der Menschen herauskommt).
Tempelkult gibt es nicht mehr ( wohl schon nach Tempelzerstörung): 11,12ff:
fruchtloser Feigenbaum; 15,38: Zerreißen des Tempelvorhangs bei Tod Jesu Ende
der alten Ordnung und neuer Zugang zu Gott.
Neue familia Dei ( eschatologisches Theologumenon vom Zerbrechen der alten
Familienbande)
3,34f: Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder, Schwester und Mutter.
Gemeinde des Dienstes:
9,35: Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.
10,42f: Mächtige missbrachen ihre Macht und Könige unterdrücken ihre Völker, aber
bei euch soll es nicht so sein.
3.5.5. Eschatologie
trug sich zu / geschah, dass Jesus (diese Reden beendete) klassischer Erzähl- und
Einleitungsstil des AT (vgl. „Es war einmal...“).
Die zu Reden zusammengefassten Teile haben untereinander wenig Beziehung; eher
willkürlich.
Eigentlich müssten es 6 Reden sein: Mt 23: im Tempel an Volk und Jünger.
Mt 24f: außerhalb Tempel, nur an die Jünger.
Aber: Abschlussformel fehlt aber Ende von Mt 23.
Zentrum-Modell
Das Zentrum wird meist in Kap 13 gesehen.
1 – 4 // 26 – 28; 5 – 7 // 23 – 25; etc.
Mt hat eine sehr formelhafte Sprache, voll von Anspielungen und Inklusionen.
Diese Inklusionen kann man folglich aber überall geltend machen.
Eher ein Netz an Inklusionen, das das ganze Ev umspannt, als genau laufende
Sinnlinien.
Markinisches Gliederungsmodell
Mk war die Vorlage für Mt
Mt übernimmt die beiden Hauptteile des Mk:
°Mt 4,17: Beginn der Basileia-Verkündigung ≈ Mk 1,14 – 8,26
°Mt 16,21: Beginn des Leidensweges Jesu ≈ Mk 8,27 – 16,8.
Im Gegensatz zu Lk bricht Mt die Mk-Akoluthie auf und gruppiert neu!
Heilsgeschichtliches Präludium: 1 – 4
1 – 2: Kindheitsgeschichte (besser: midraschartige Ouvertüre)
Nicht historische Berichte über die Kindheit Jesu, sondern gleich einer Wagner-
Ouvertüre werden gleich zu Beginn alle Leitmotive des späteren Evangeliums
vorgestellt (Jesus = Messias; Glaube der Heiden; Unglaube in Israel; Jesus als neuer
Moses).
3 – 4,16: Vorgeschichte (Täufer, Taufe, Versuchung Jesu)
Jesu Lehren und Handeln und dessen Fortführung durch die Jünger / Kirche: 4,17 – 10,42
4,17-22: Beginn der Verkündigung Jesu – Jüngerberufung ekklesiologisch A
5 – 7: Jesu Lehre (Bergpredigt) Jesu Worte ... B
8 – 9: Jesu Heilen ... und Taten B’
10: Jesu Lehre (Aussendungsrede) ekklesiologisch A’
Großartige Ringkomposition. Jesu Worte und Taten im Mittelpunkt, die Jünger
(= Kirche führt dieses Werk weiter). Das MtEv ist ein eminent ekklesiologisches
Evangelium.
Von der Mehrzahl der Exegeten wird eine judenchristliche Herkunft des MtEv vertreten.
Nur einige wenige Ausnahmen sehen in Mt und seiner Gemeinde Heidenchristen. Diese
Argumente lassen sich leicht erklären:
Das MtEv propagierte eine eigene Geschichtstheologie. Roter Faden des MtEv: Wie wurde
aus den rein jüdischen Anfängen (Jesus und seine Jünger) die Kirche aus Juden und
Heiden.
Beiden „Großevangelien“ (MtEv und LkEv) liegt bereits ein geschichtstheologisches
Konzept zu Grunde: Wie wurde aus dem jüdischen Gottesvolk, zu dem Jesus gesandt war,
eine Kirche, die auch Heiden offen steht?
Mt ist Judenchrist, vielleicht sogar Schriftgelehrter (wenn auch nicht im rabbinischen
Sinne so doch mit Synagogenbildung, vgl. LUZ: MtEv I, 76) und schreibt für eine
judenchristliche Gemeinde.
Diese Gemeinde scheint den Bruch mit dem offiziellen Judentum bereits vollzogen zu
haben die Logienquelle Q scheint noch kurz vor diesem Bruch zu stehen. Der Bruch mit
dem Judentum zeigt sich in etlichen Details:
Ausdrücke wie „ihre“ oder „eure“ Synagogen / Schriftgelehrte (4,23; 7,29; 9,35; 10,17;
12,9; 13,54; 23,34) = Bruch mit der Synagoge ist bereits vollzogen.
Die „Juden“ sind eine fremde Gruppe (28,15).
Harte Worte (besonders in Kap 23): „Heuchler“, „Blinde“, „übertünchte Gräber, die
innen voll Schmutz und Verwesung sind“, „Nattern und Schlangenbrut“.
Neues Volk der Gläubigen (aus Juden und Heiden) tritt an die Stelle der Ungläubigen
(ebenfalls Juden und Heiden):
° Gleichnis vom Hochzeitsmahl (22,1-14):
7 Da wurde der König zornig; er schickte sein Heer, ließ die Mörder töten und ihre Stadt in
Schutt und Asche legen ( Untergang Jerusalems). 8 Dann sagte er zu seinen Dienern: Das
Hochzeitsmahl ist vorbereitet, aber die Gäste waren es nicht wert (eingeladen zu werden). 9
Geht also hinaus auf die Straßen und ladet alle, die ihr trefft, zur Hochzeit ein.
° Gleichnis von den bösen Winzern (21,33-46):
43 Das Reich Gottes wird euch weggenommen werden und einem Volk ( Heidenberufung;
Kirche) gegeben werden, das die erwarteten Früchte bringt.
So genannte „Selbstverfluchung“ des Volkes Israel in Mt 27,24-26:
24 Als Pilatus sah, dass er nichts erreichte, sondern dass der Tumult immer größer wurde, ließ
er Wasser bringen, wusch sich vor allen Leuten die Hände und sagte: Ich bin unschuldig am
Blut dieses Menschen. Das ist eure Sache! 25 Da rief das ganze Volk: Sein Blut komme über
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
81
uns und unsere Kinder! 26 Darauf ließ er Barabbas frei und gab den Befehl, Jesus zu geißeln
und zu kreuzigen.
Für die mt Gemeinde war es nun überlebensnotwendig, nach dem Bruch mit der Synagoge
nach außen und nach innen die eigene Position neu zu definieren (LUZ IV, 289:
„Mechanismen eines Nachentscheidungskonfliktes“):
nach außen: Der Bruch mit der Synagoge forderte eine Neuorientierung der sozialen,
wirtschaftlichen und religiösen Beziehungen.
nach innen: Der Bruch mit der Synagoge stellt die mt Gemeinde vor gravierende
Identitätsprobleme. Inwieweit kann man Christ sein und das jüdische Erbe trotzdem
(christlich) bewahren? – Obendrein stellt sich die Frage nach der Aufnahme von
Heidenchristen: Dürfen diese auch ohne Beschneidung gleichwertige Mitglieder in der
mt Gemeinde sein?
Der Bruch zwischen Mt-Gemeinde und Judentum ist total. Das Judentum wird als
Negativfolie obstinat ungläubig gezeichnet und fällt daher der Verwerfung anheim. Durch
Israels Unglauben ist der einzigartige Heilsanspruch Israels verwirkt. An die Stelle Israels
tritt jetzt die Kirche (Substitution), der „alte“ Bund mit Gott ist damit obsolet geworden.
Vor allem FRANKEMÖLLE: Jüdische Wurzeln, distanziert er sich ausdrücklich von seiner
früheren (oben zitierten) Sichtweise und proponiert eine Neuinterpretation der Stellung
Israels in der geschichtstheologischen Deutung des Mt.
Aber auch bei LUZ: MtEv IV, lässt sich eine weiterentwickelte, differenziertere Sichtweise
wahrnehmen.
Auch nach dem Tod Jesu – ja gerade durch den Sühnetod Jesu hindurch – bleibt Israel
Bundesvolk Gottes. Auch nach der Zerstörung des Tempels und Jerusalems – ja gerade durch
den sühnenden Wert dieser Ereignisse (so schon Ez 9,9 und die Theologie des Mt) – bleibt
Israel das Volk der Verheißung Gottes.
Zeremoniengesetz hat für Mt noch immer Gültigkeit, tritt aber hinter dem Liebesgebot
zurück.
4.3.1. Verfasserfrage
Verfasser stellt sich nirgends vor. Anonym verfasst Überschriften sind alt, aber sekundär.
Kirchliche Tradition
Papiaszeugnis (Beginn 2. Jh.; zitiert bei Eusebius, H.E. III 39,16):
Mt könnte ein Schriftgelehrter gewesen sein, allerdings nicht im rabbinischen Sinne aber
wohl mit Synagogenbildung (vgl. LUZ: MtEv I, 76).
4.3.2. Entstehungszeit
4.3.3. Entstehungsort
Syrien ziemlich sicher: starker jüdischer Einfluss, aber lingua franca war Griechisch.
Oft gehandelt wird Antiochia in Syrien (heutige Türkei, Grenze zu Syrien, am Orontes
gelegen ≠ Antiochia in Pisidien / Zentraltürkei).
Starke jüdische Diasporagemeinde
Wohl in Antiochia erster Übergang zur Heidenmission (Apg 11,26: In Antiochia nannte
man die Jünger zum ersten Mal Christen).
Mt 2,23 sagt über Jesus: Er wird Nazoräer (Nazwrai/oj) heißen. Der Ausdruck Nazwrai/oi
war eine Bezeichnung für syrische Christen.
Mt 4,23f spricht von der Tätigkeit Jesu in Galiläa und schließt dann: Und sein Ruf
verbreitete sich in ganz Syrien. Warum auf einmal Syrien?
Ignatius von Antiochia (Märtyrertod unter Trajan [† 117 n. Chr.] kennt das MtEv
bereits.
Argumente gegen Antiochia
Der Beginn der Heidenmission in Antiochia liegt weit vor dem Jahr 70. Das MtEv ist
aber um oder kurz nach 80 zu datieren.
In Antiochia gab es nach Apg eine starke paulinische Präsenz. Das MtEv allerdings
vertritt eine gänzlich andere Theologie.
4.4.1. Christologie
Mt übernimmt die ganze Fülle christologischer Titel aus seinen Quellen (Q; MkEv).
Zusätzlich baut Mt diese Titel noch weiter aus.
SOHN GOTTES
Am Kreuz (27,39-41): Wenn du der Sohn Gottes bist, dann steig herab vom Kreuz.
MENSCHENSOHN
Übernimmt Mt aus seinen Quellen (bei Q noch in statu nascendi, bei Mk schon etwas
entwickelter).
„Menschensohn“ bei Mt ist kein Bekenntnistitel (wie etwa „Sohn Gottes“), sondern ein
terminus technicus für Parusie und Jüngstes Gericht.
„Jesus“
In der Kindheitsgeschichte gedeutet: [vy / jš´= retten; [;WvAhy> (Jehôschûa´) = Jahwe rettet.
4.4.3. Ekklesiologie
MtEv entwickelt schon eine eigene Reflexion über die Entstehung und Funktion der
Kirche, eine Selbstreflexion, die Mk noch fremd ist.
MtEv ist das einzige Evangelium (aber Lk in Apg!), der die neue Gemeinschaft derer, die
an Christus glauben als evkklhsi,a / ekklēsía bezeichnet (16,18; 18,17).
JHWH (lh'q' = Versammlung. lhq = Ni: sich sammeln; Hi: versammeln) wäre, ist passé:
Der Ausdruck wird in LXX nicht nur mit evkklhsi,a übersetzt, sondern öfters noch mit
sunagwgh, / synagōgē.
hwhy lh;q. wird in LXX mit evkklhsi,a kuri,ou wiedergegeben, aber nie mit evkklhsi,a
tou/ qeou/. Hier liegt also das qehal el aus Qumran näher.
Warnungen nicht nur gegen Israel (hier ist der Bruch schon erfolgt), sondern auch gegen
die eigene Gemeinde (Heilsanspruch ist kein Besitz, sondern eine Aufgabe!):
Hochzeitsgleichnis (s.o.)
Gleichnis von Unkraut und Weizen (13,25-30) und Deutung (13,36-43):
25 Während nun die Leute schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging
wieder weg. 26 Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum
Vorschein. 27 Da gingen die Knechte zu dem Gutsherrn und sagten: Herr, hast du nicht guten
Samen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut? 28 Er antwortete: Das hat
ein Feind von mir getan. Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen? 29
Er entgegnete: Nein, sonst reißt ihr zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus. 30 Laßt
beides wachsen bis zur Ernte. Wenn dann die Zeit der Ernte da ist, werde ich den Arbeitern
Erste „Ämter“ in der Kirche: Lehreramt in Form von Schriftgelehrten und Propheten
(13,52; 23,34).
Dienstcharakter dieser Ämter wird betont: Gemeinderede (Kap 18, die „Kleinen“).
Binde- und Lösegewalt:
16,19: dem Petrus zugesprochen,
18,18: der gesamten Gemeinde übertragen.
Kollegiale und dienende Konzepte, doch nicht so sehr das hierarchische.
Heute in der Wissenschaft durchgehend anerkannt, dass LkEv und Apg von gleichem
Verfasser stammen.
Vokabular und Theologie sind im Wesentlichen ident (Unterschiede erklären sich dadurch,
dass Lk im Ev stärker von seinen Quellen beeinflusst ist als in der Apg).
Aufriss:
LkEv: Beginn des Heiles für alle Menschen in der Geschichte Jesu Christi
Apg: Ausbreitung des Christuszeugnisses über die ganze Welt
Ein gemeinsamer Spannungsbogen mit gemeinsamen Anknüpfungen und Bezugnahmen:
Apg ist nicht nur ein „Folgeroman“, sondern ist seit den ersten Versen des LkEv intendiert
gewesen (ein gemeinsamer Grundaufriss in zwei aufeinander bezogenen Darstellungen).
Israelthematik:
° Weissagung des Simeon (Lk 2,29-35): (...) Licht für die Heiden und Herrlichkeit für sein
Volk Israel. (...) Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und
viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird.
° Antrittsrede in Nazareth (Lk 4,24: Kein Prophet ist in seiner Heimat anerkannt)
° Scheidung in Israel (Apg 28,24): Die einen ließen sich ... überzeugen, die anderen
blieben ungläubig.
Verkündigung des Evangeliums auf der ganzen Welt. Nicht – wie bei Mt – im
Missionsbefehl des Auferstandenen sondern erst in der Apg. Doch dieser Schritt wird
bereits symbolisch im Ev vorbereitet:
° Kindheitsgeschichten: *Scheidung in Israel, aber Licht für die Heiden;
*Beschneidung im Tempel nach dem Gesetz, *Wallfahrt nach Jerusalem in den
Tempel nach dem Festbrauch (vgl. zwölfjärhiger im Tempel).
° Zwei Aussendungsreden (Mk-Vorlage in Kap 9 und Q-Vorlage in Kap. 10): Lk 9:
Aussendung der Zwölf Israelmission; Lk 10: Aussendung der 72 (= nach Gen 10
bezeichnet die Zahl 72 die Gesamtheit aller Völker) Universalmission.
° Apg 28,31 (Schlusssatz): Er verkündete das Reich Gottes und trug ungehindert und mit
allem Freimut die Lehre über Christus, den Herrn, vor.
4,14 – 9,50: Wirken Jesu im ganzen Land (nicht nur Galiläa, auch Judäa: 4,4)
Besonders schön: Antrittsrede in Nazaret (Lk 4,16-30).
Feldrede (6,20-49): Pendant zur Bergpredigt; kürzer und anders gebaut als bei Mt.
Allgemein: Jesus als „Heiland“, der landauf-landab zieht.
*MkEv; *Logienquelle; *Sondergut ( sehr viel Sondergut [fast Hälfte des Ev], etliche
schöne Gleichnisse [z.B. verlorener Sohn] darunter).
Blocktechnik (schematisiert):
1,5 – 2,52 SLk (Kindheitsevangelien)
3,1 – 6,19: vorwiegend Mk (Täuferpredigt und Versuchung aber Q)
6,20 – 8,3 sogen. „Kleine Einschaltung“ (hier Q und SLk eingebaut)
8,4 – 9,50 Mk (mit Umstellungen)
9,51 – 18,14 so gen. „Große Einschaltung“
(Q + SLk: Großteil des so gen. „Reiseberichtes“)
18,15 – 24,12 Mk (aber in Passion auch viel SLk)
24,13-25 SLk (Emmausjünger, Erscheinung im Abendmahlssaal, Himmelfahrt)
Die Blöcke sind aber nicht immer ganz so hermetisch gebaut: oft auch innerhalb der
Blöcke eigene Umstellungen oder Einsprengsel anderer Quellen. Lk ist nicht rein
mechanisch vorgegangen.
Für die Q Frage: Lk bewahrt Q-Akoluthie am besten; Mt aber oft den Wortlaut.
Lk übernimmt 50 % des Mk-Bestandes. Mk liefert das Grundgerüst zur Gliederung seines
Ev.
Die „Große Auslassung“ (Mk 6,45 – 8,26: zwischen Lk 9,17 [Speisung der 5000] und 18
[Messiasbekenntnis des Petrus]) s.o. hier zur Wiederholung:
nicht zu erklären mit Deutero- oder ProtoMk: Lk kannte den Inhalt
° aus Mk 6,45 zieht er die Ortsbezeichnung Betsaida (≠ Mk 6,32: „einsame Gegend“)
vor.
° ebenso findet sich das „Geht auf den Berg“ aus Mk 6,46 in der
Verklärungsgeschichte bei Lk 9,28f ≠ Mk und Mt).
Theologische Gründe:
Sondergut des Lk
Beinahe die Hälfte des Stoffes von Lk! (zwischen 1/3 und 1/2 des LkEv stammen weder
aus Mk noch aus Q)
Hauptsächlich zu Beginn und am Ende des Ev.
Eventuell hat es einen eigenen Passionsbericht gegeben, den Lk kannte:
° Abschiedsrede und Gebet für Petrus (22,31f)
° Wort von den zwei Schwertern (22,35-38) Pragmatik des Lk
° Engelerscheinung in Getsemani (22,43f)
° Verhör und Verspottung durch Herodes (23,6-12) Schuld auf Juden, Exkulpierung
des Pilatus
° Weinendende Frauen von Jerusalem (23,27-31) und reuiger Schächer (V 39-43)
Jesus hat bis zuletzt Mitleid mit den anderen.
° Emmausjünger (24,13-35)
° Erscheinung im Abendmahlssaal (24,36-53) Parallelen zum JohEv
Satan ergreift Besitz von Judas 22,3 13,2.27 neues Grab 23,53 19,41
Dienen bei Tisch 22,25-27 13,4-17 Salben vor dem Sabbat 23,56 19,39f
Todesbereitschaft des Petrus 22,33-34 13,36-38 dreisprachige Kreuzesinschrift 23,38 19,20
Abschiedsreden 22,25-38 14-16 Grabbesuch vor Tagesanbruch 24,1 20,1
Fehlen des Namens Getsemani 22,39 18,1f Bericht der Frauen 24,9-11 20,18
öfteres Verweilen am Ölberg 22,39 18,2 keine Sendung nach Galiläa;
kein Zeugenverhör vor Synedrium 22,66f 18,19f Erscheinungen nur in Jerusalem 24,6 20,17
keine Verurteilung durch Synedrium 22,71 18,25 Gang des Petrus zum Grab 24,12 20,3-10
keine Nachtsitzung des Synedriums 22,66 18,24 Erscheinung vor den Zwölf am Abend 24,36 20,19
3x Unschuldserklärung des Pilatus 23,4.14.22 18,38; 19,4.6 "Beweis" der leiblichen Auferstehung 24,36 20,27; (21,12)
Schädel/Schädelstätte vor Geistausrüstung und Sendung 24,47-49 20,21-22
bzw. statt Golgota 23,33 19,17 Motiv der Himmelfahrt 24,51 20,17
Eigener Passionsbericht ist nicht beweisbar, die Parallelen dürften auf ähnliche mündliche
Traditionen zurückzuführen sein.
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
102
Berührungen mit JohEv
literarische (schriftliche) Abhängigkeit ist nicht gegeben
gemeinsame Quellen mündlicher Natur
5.4.1. Verfasser
TRADITIONELLE SICHT LK DER ARZT
Im NT
Phlm 24: Lukas, mein Mitarbeiter.
Kol 4,14: Der Arzt Lukas, unser lieber Freund (Louka/j o` ivatro.j o` avgaphto.j), und Demas
grüßen euch.
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
103
2 Tim 4,11: Lukas ist allein bei mir (wohl in Rom)
Unterstützt durch „Wir-Berichte“ in Apg 16,10-17; 20,5-15; 21,1-18; 27,1 – 28,16).
In der frühen Kirche
Von Papias kein Zeugnis zu Lk durch Eusebius überliefert.
Früheste Nachricht von Irenäus († um 180) Adv. Haer. III 1,1: Lukas, der Begleiter des
Paulus hat das von diesem verkündigte Evangelium in einem Buch niedergelegt.
Canon Muratori (180-200 n. Chr.): verderbter Text, aber auch Arzt, Begleiter des
Paulus.
Überschrift KATA LOUKAN findet sich erstmals in P75 aus dem 2. / beginnendem
3. Jhd.
Theodorus Lector, H.E. VI 43 (6. Jh.): Lukas der Maler.
HEUTE
LkEv nennt keinen Verfasser
Medizinisches Wissen und Interesse des Lk ist nicht gegeben. Solches wurde früher
behauptet mit Verweis auf: *8,43f: Betonung des Versagens der Ärzte bei der blutflüssigen
Frau durch Lk gemildert (≠ Mk 5,29). *Lk 4,38 fügt in die Vorlage Mk 1,30 ein, dass die
Schwiegermutter des Petrus hohes Fieber hatte).
Theologische Differenzen zu Paulus
Lieblingsthemen des Paulus bei Lk nicht enthalten: *Rechfertigung aus Glauben,
*Gesetzesproblematik, *Verhältnis Glaube – Werke, *Kreuzestheologie.
Paulus wird bei Lk nicht als Apostel bezeichnet: Apg 1,21 (Wahl des Matthias:
Augenzeuge von Anfang an für Lk sind Zwölferkreis und Aposteltitel ident) ≠ Gal
1,1 (Apostolat durch Christus verliehen, nicht durch Menschen).
Petrus als Begründer der Heidenmission (Apg 10,23b-48) aber als Paulusapologie.
Jakobusklauseln (Apg 15,20) ≠ Gal 2,6 („nichts auferlegt“) regula conviventiae.
Palästina selbst scheint ihm nicht bekannt zu sein:
° 4,44: Judäa als ganz Palästina angesehen (in Kafarnaum: „Ich muss auch den anderen
Städten das Evangelium vom Reich Gottes verkünden... Und er predigte in den
Synagogen Judas.“)
° Mk 5,1 = Lk 8,26 ≠ Mt 8,28 Schweine mussten 10 km zum See von Gennesaret
laufen.
° Mk 2,4: Durchschlagen des (Lehm-!)Daches ≠ Lk 5,19: Ziegel abdecken.
° Lk 7,11-17: Nain erhält ein Stadttor.
STECKBRIEF DES LK
Lk besaß eine gute griechische Bildung (Sprache, Stil, mondänes, urbanes Bewusstsein
Städte!).
Kennt das theologische Milieu des Judentums sehr gut Judenchrist oder Heidenchrist?
Am ehesten mit Bovon: Gottesfürchtiger.
5.4.3. Abfassungsort
Die gesamte Christologie ist bei Lk von Gott her gedacht: Initiator, Träger und Herr des
Heilsgeschehens ist Gott (Vater) selber.
Gott hat die Heilsgeschichte mit Israel begonnen und in Christus zu ihrer Erfüllung
gebracht:
Stephanusrede Apg 7.
Paulusrede im pisidischen Antiochia Apg 13,17-4.
Handelndes Subjekt ist Gott, das Christusereignis ist von ihm umfangen und getragen
(z.B.: Petrusrede am Pfingsttag: Apg 2,22-33).
Gebet Jesu an allen entscheidenden Stellen seines Lebens
Taufe Lk 3,21: Zusammen mit dem ganzen Volk ließ auch Jesus sich taufen. Und während er
betete, öffnete sich der Himmel, und der Heilige Geist kam sichtbar in Gestalt einer Taube auf
ihn herab...
Lk 5,16 nach Heilung eines Aussätzigen: 15 Sein Ruf verbreitete sich immer mehr, so daß
die Menschen von überall herbeiströmten. Sie alle wollten ihn hören und von ihren Krankheiten
geheilt werden. 16 Doch er zog sich an einen einsamen Ort zurück, um zu beten.
Erwählung der Zwölf Lk 6,12: Jesus betet die ganze Nacht in der Einsamkeit auf einem
Berg, bevor er wieder ins Tal steigt und dort die Zwölf erwählt.
Lk 9,28, Verklärung: Etwa acht Tage nach diesen Reden nahm Jesus Petrus, Johannes und
Jakobus beiseite und stieg mit ihnen auf einen Berg, um zu beten.
Lk 11,1, Hinführung zum Vater Unser: Jesus betete einmal an einem Ort; und als er das
Gebet beendet hatte, sagte einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie schon
Johannes seine Jünger beten gelehrt hat.
Lk 18,1, Gleichnis von Witwe und Richter: Jesus sagte ihnen durch ein Gleichnis, daß sie
allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten.
Lk 23 34, Kreuzigung: Jesus aber betete: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht,
was sie tun.
Auch andere bedeutende Charaktere beten
Hanna Lk 2,37: dient Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten.
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
106
Steinigung des Stephanus ≈ Jesus bei Kreuzigung, Apg 7,59f: 59 So steinigten sie
Stephanus; er aber betete und rief: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf! 60 Dann sank er in die
Knie und schrie laut: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an! Nach diesen Worten starb er.
ALLES HAT SEINE VON GOTT ZUGEWIESENE ZEIT, ES GIBT EPOCHEN DER HEILSGESCHICHTE
2,11: Heute ist euch der Retter geboren in der Stadt Davids Engel an Hirten
4,21: Heute hat sich das Schriftwort ... erfüllt, dass den Armen die Frohbotschaft verkündet
wird, Gefangen die Entlassung, Blinde das Augenlicht wiederfinden Antrittsrede
Nazaret.
5,26: Da gerieten alle außer sich; sie priesen Gott und sagten voller Furcht: Heute haben wir
etwas Unglaubliches gesehen.
19,9: Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden. Zachäus.
23,43: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein reuiger Schächer.
Das lk Konzept
Die Parusie wird in weitere Ferne gerückt. Traditionelle Aussagen werden eliminiert
(Mk 1,15), abgeschwächt oder umgedeutet (Lk 19,11 wird vor das Gleichnis von den
Minen [19,12-27] gesetzt; die Wirrnisse aus Mk 13 werden in Lk 21 von
eschatologischen Ereignissen zu Ereignissen der Zeit der Kirche).
Über den Termin der Verwirklichung des endzeitlichen Heils lässt sich nichts aussagen:
Lk 17,20; 19,11; 20,9; 21,7f; Apg 1,6f.
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
109
Lk 21,8: Warnung vor Falschmessiassen Lk erweitert dabei Mk 13,6 um den
unterstrichenen Text: Gebt acht, dass man euch nicht irreführt! Denn viele werden unter
meinem Namen auftreten und sagen: Ich bin es!, und: Die Zeit ist da. – Lauft ihnen nicht nach!
Das endzeitliche Heil ist bereits im Anbrechen bzw. ist schon da: Lk 4,18-21; 10,17-
19.23f; 11,20; 17,21; 22,69.
Aus akuter Naherwartung wird wachsame „Stetsbereitschaft“ (Lk 12,35-46; 17,26-35;
21,36) in der Zeit der Bewährung (Bewahrung des Glaubens 18,8b; ständiges Gebet
18,1; 21,36; Absage an irdischen Besitz 12,21; 14,33; 16,9; und Teilen dieses Besitzes
12,33f; 18,22; Warnung vor zügellosem Leben und den Sorgen des Alltags 21,34).
Ansporn ist aber weniger die nahe Parusie, sondern der Wille, den zermürbenden Alltag
zu bewältigen.
Das individuelle eschatologische Los gewinnt Überhand über die kosmisch-universale
Eschatologie:
° Lk 12,20: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern.
° Lk 16,9: Macht euch Freunde mit Hilfe des ungerechten Mammons, damit ihr in die ewigen
Wohnungen aufgenommen werdet, wenn es (mit euch) zu Ende geht.
Heilsgeschichte als Eschatologie: „Die Mitte des Kerygmas“ (H. Schürmann, J. Ernst):
Grundlegendes Paradigma: Verheißung – Erfüllung. Trotz Periodisierung unterstreicht
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
110
Lk die Kontinuität zwischen den Zeiten („Brückenglieder“ Personen; Jerusalem; der
Geist; Verkündigung der Gottesherrschaft) und sichert den Bezug zwischen „Zeit Jesu“
und „Zeit der Kirche“. Kontinuität schafft die Christologie, wodurch auch die Parusie
ihren heilsstiftenden Charakter (vgl. Lk 21, 28; Apg 3,20) behält. Primärer Zweck der
heilsgeschichtlichen Periodisierung ist nicht die Bewältigung der Parusieverzögerung,
sondern Jesus als universalen und einzigen Heilsmittler zu zeichnen.
5.5.3. Ekklesiologie
Vgl. das bereits oben zur „Zeit der Kirche“ gesagte (lk Konzeption der Heilsgeschichte).
Das dritte Ev versucht die Spannungen in der Urkirche zu verringern und durch
Brückenschläge möglichst alle Gruppierungen in der Urkirche unter ein gemeinsames
Dach zu bringen.
Juden – Heiden
° Betonung der jüdischen Wurzeln (Tempelfrömmigkeit und Einhaltung der jüdischen
Gebote: Lk 1 – 2; Apg 2,46; 3,1).
° Apologie der Heidenmission:
*Heidenmission bereitet sich schon im Lauf des Ev vor (z.B. Lk 2,34, Simeon:
„Licht für die Heiden / lumen gentium“; Lk 10,1: Aussendung von 72 Jüngern).
*Heidenmission bereitet sich in Apg stufenweise (in konzentrischen Kreisen) vor:
Zuerst Mission der Samaritaner durch Philippus (Apg 8,5-13), dann Taufe des
Äthiopiers (Apg 8,26-40; die Äthiopier waren Juden und keine Heiden, allerdings
nicht in Kultgemeinschaft mit dem Jerusalemer Tempel).
*Der erste getaufte Heide ist Cornelius (Apg 10), der parallel zum Hauptmann von
Kafarnaum (Lk 7) gezeichnet wird: Erscheinung an Cornelius – dreimalige Vision an
Petrus –Engelsvision an Cornelius – Petrus (V 28): Ihr wisst, dass es einem Juden nicht
erlaubt ist, mit einem Nichtjuden zu verkehren oder sein Haus zu betreten; mir aber hat Gott
gezeigt, dass man keinen Menschen unheilig oder unrein nennen darf. – Taufe erst,
nachdem Gott bereits seinen Geist über Cornelius und sein Haus ausgegossen hat.
Petrus (V 34): Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern
dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist.
*Die Argumente gegen die Taufe von Heiden werden von Petrus entkräftet (Apg
11,2ff).
° Die so genannten „Jakobusklauseln“ des Apostelkonventes:
° Apg 4,32: Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas
von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam.
Nicht nur Idyll sondern mehr noch Vorbild, dem es nachzueifern gilt.
1. Verfasser
Lit: Schnackenburg, Joh I 63-76 (altkirchliche Tradition); Hengel 9-95 (Altkirchl. Tradition);
Schnackenburg, Joh III, Exkurs 18; 449-464; Broer, Einleitung I 189-197.
Vgl. BLATT.
1.1 Problemstellung:
- Bis 1820 (K. G. Bretschneider) galt allgemein der Zebedaide Johannes (Apostel) als der
Verfasser. Seither heftig umstritten. Eine Antwort der Päpstlichen Bibelkommission vom 29.
5. 1907 erklärte, dass aufgrund äußerer Tradition und innerer Gründe an der Verfasserschaft
durch den Apostel Johannes festzuhalten sei. Heute wird aber auch von den meisten kathol.
Exegeten die traditionelle Auffassung in Zweifel gezogen (z. B. von Schnackenburg).
- Verteidigt wurde sie in den letzten Jahrzehnten nur mehr von Außenseitern: etwa von H.-J.
Schulz, Die apostolische Herkunft der Evangelien (QD 145), Freiburg 1993 (vgl. die
negativen Rezensionen von H.-J. Klauck: BZ 38 [1994] 131, und M. Stowasser: ThPQ 142
[1994] 202-204).
- In abgewandelter Form (Apostel Johannes als die hinter dem Ev stehende Autorität)
verteidigt von R. E. Brown, Joh I-II; G. Segalla, Il discepolo che Gesù amava e la tradizione
giovannea: Teologia. Rivista della facoltà teologica dell’ Italia settentrionale 1989, 217-274.
Das 4.Ev selbst enthält keine ausdrücklichen Angaben über die Verfasserschaft durch den
Apostel Johannes. Kap. 21 nennt lediglich den „geliebten Jünger“ (21,20) als Gewährsmann
(„bezeugt“) und Verfasser („aufgeschrieben“ 21,24). Das Problem ist somit: Wie ist diese
Angabe zu bewerten, und wer ist hier mit dem „Geliebten Jünger“ (GJ) gemeint? – In der
Tradition wurde bis 1820 dieser „Geliebte Jünger“ einfach mit dem Apostel Johannes, Sohn
des Zebedäus, identifiziert. Das wird heute zumeist in Frage gestellt. Es werden aber seitdem
nicht nur andere Vorschläge gemacht; es wird außerdem diskutiert, ob Joh 21,24 überhaupt
auf eine geschichtliche Person Bezug nimmt oder eine bloße literarische Fiktion ist. – Um die
Frage der Verfasserschaft klären zu können, ist es wichtig, zunächst die äußere Tradition
(Bezeugung), dann die inneren Argumente (Textbefund selbst) und schließlich die
Lösungsvorschläge zur Bezeichnung des „Geliebten Jüngers“ zu untersuchen.
Also: Johannes schreibt sein Evangelium auf Bitte der übrigen Apostel (bes. auf Offenbarung
und Initiative des Andreas) hin, unter Überprüfung aller; als Apostel ist er natürlich Augen-
und Ohrenzeuge, der gesehen, gehört und berührt hat (vgl. 1 Joh 1,1). Hinter dieser Angabe
steht die Auffassung, dass 4. Ev eine besondere apostolische Autorität besitzt.
Aber: a) anachronistisch: zu Lebzeiten aller anderen Jünger
b) typisch legendarische Ausgestaltung (von allen aufgefordert; Fasten, dann bes.
nächtliche Offenbarung; von allen überprüft).
Aus dem Text des Eusebius (wie auch aus dem Fehlen einer Angabe bei Polykarp) folgt, dass
dem Zeugnis des Irenäus für die Verfasserschaft des JohEv kein absolutes Gewicht
Auch innere (aus dem Text selbst gewonnene) Kriterien sprechen eher gegen den Zebedaiden
als Augenzeugen und Verfasser. Diese Kriterien stehen v. a. seit dem 19. Jh. im Vordergrund:
1. Sachliche Differenzen zu den Synoptikern und freier Umgang mit der Tradition
a) Differenz in äußerer Abfolge und Darbietung (vgl. bes. die vielen Reden): weitgehende
Reduzierung Galiläas zugunsten Jerusalems; Fehlen der Verkündigung der
Gottesherrschaft; dagegen joh Dualismus, Gesandten-, Sohn- und Präexistenzchristologie;
statt Gleichnissen und Parabeln feierliche Offenbarungsreden (oft mit „Ich bin...“). – Die
synopt. Überlieferung steht in dieser Hinsicht (vielleicht nicht in 1-Jahres-Chronologie) der
Verkündigung und dem Leben Jesu näher. Das JohEv stammt daher eher nicht von einem
kontinuierlichen Augenzeugen von Anfang an!
b) Freier Umgang mit synoptischer-verwandter Tradition: Überhöhung (Steigerung und
zugleich Symbolisierung) der Wunder; theologisch gefüllte Darstellung von Getsemani,
Gefangennahme, Prozess, Tod und Begräbnis (vollmächtig-königlich; Kreuz als Erhöhung
und Verherrlichung); theologisch-symbolisch angereicherte Wiedergabe der Reden Jesu
(nur einige Synoptiker-verwandte Worte, zumeist nicht ipsissima vox). – Schwer
verständlich bei einem direkten Ohren- und Augenzeugen.
c) Zurücktreten der Zwölf und Fehlen der synopt. Zebedaiden-Stellen: Joh 1-20 kennt nur
sechs oder sieben permanente Jünger (Andreas, Anonymus [1,35.40: GJ?], Petrus,
Philippus, Natanael, Thomas, Judas; Berufung nur bei den ersten vier namentlich
Genannten erwähnt); „die Zwölf“ als stehende Wendung nur in 6,67.70.71; 20,24; völliges
Fehlen des Aposteltitels (nur 13,16: bloß Gesandtenfunktion). – Abgesehen von 21,2 („die
[Söhne] des Zebedäus“: wohl Nachtrag) fehlen alle synopt. Zebedaiden-Stellen: alle
Ereignisse fehlen, wo der Zebedaide Johannes entscheidend beteiligt war (Berufung,
Schwiegermutter des Petrus; Jairustochter, Verklärung, Bitte um Ehrenplätze und
Voraussage des Martyriums, Getsemani). – Genügt hier der Hinweis auf „Bescheidenheit“,
„Bekanntheit“ oder „Selbstverständlichkeit“?
Beurteilung:
1. Stellen mit dem anonymen Jünger bleiben hinsichtlich Identifizierung mit GJ unsicher.
2. Nur nach 21,24 ist der GJ der Verfasser („hat es geschrieben“ / grapsas).
3. Ob das auch aus den anderen Angaben über ihn – gleichsam als „Selbstzeugnis“ in 3.
Person – geschlossen werden darf, ist umstritten:
a) Wenn er selbst geschrieben hat, wieso dann in 19,35 (unter dem Kreuz) das Perfekt „hat es
bezeugt“ / memartyrēken? Reden da nicht eher Spätere über den zuverlässigen Garanten
und Zeugen?
b) Bewusst verschleiernde Bezeichnung passt wenig zum Selbstzeugnis eines Verfassers:
Kann sich ein Verfasser überhaupt so bezeichnen? („Lehrer der Gerechtigkeit“ / more ha-
Generelle Anfragen zur traditionellen Identifizierung von GJ u. Zebedaiden Joh als Verfasser:
- Neuerlich: Kann ein Verfasser sich überhaupt so bezeichnen? - Handelt es sich nicht eher
um die Bezeichnung späterer Schüler für einen hochverdienten Lehrer / Meister?
- Für einen Apostel wäre Namensverschweigung höchst eigenartig! Selbst wenn die GJ-
Stellen von späterer Redaktion stammen, bleibt die bewusste Verschleierung der Autorschaft
unerklärlich. Wenn wirklich der Apostel Joh der eigentliche Autor ist bzw. war, wieso diese
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
123
„Geheimnistuerei“ (diff. ProtEvJac; ThEv; PetrEv: „Ich, Petrus...“)? Nennung des
Apostelnamens hätte doch Autorität und Verbindlichkeit des Ev gestärkt, ja unausweichlich
gemacht.
- Klammert man 1,35.40 als unsicher aus, bleibt die Frage: Wieso taucht GJ wirklich erst ab
Kap. 13 auf? Hat er erst ab Passion Bedeutung erlangt?
- Insgesamt: Nicht-Erwähnung des Zebedaiden (außer 21,2) und Fehlen aller synopt.
Zebedaiden-Stellen – wie erklärbar?
1.4.2.2 GJ ist ein Jünger Jesu, der nicht zum Kreis der Zwölf gehörte
a) R. Schnackenburg, Joh II 1970; auch R. E. Brown, Community (vgl. schon A. v. Harnack):
- GJ ist ein echter Jünger Jesu, der aber nicht zu den Zwölf gehörte, auf den sich der joh Kreis
(Gemeinde) als Autorität, als zuverlässigen Traditionsträger, geisterleuchteten Künder und
Deuter der Botschaft und des Lebens Jesu, vielleicht auch als Überlieferer gewisser
schriftlicher Traditionen stützte.
- Ehemaliger Jünger des Täufers, in Judäa Jesus angeschlossen, teilte während der letzten Zeit
in Jerusalem das Leben seines Meisters, wohl aus Jerusalem selbst stammend, da mit dem
Hohenpriester bekannt; mit Jesus anders verbunden als Petrus; weilte vielleicht später in
Kleinasien (vgl. Presbyter Johannes bei Papias; Irenäus: Ephesus).
- Angaben im JohEv wollen die Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit dieses Zeugen
anschaulich darstellen; gilt der joh Gemeinde in gewissem Sinn als „Verfasser“ (vgl.
γραψας 21,24 mit Pilatus: }O ge,grafa( ge,grafa 19,22: „was ich schreiben habe lassen“), v.
a. aber als hinter dem Ev stehende Autorität, als herausragender Lehrer u. Integrationsfigur
der joh Gemeinde.
Beurteilung:
- Abneigung gegen „Kollektiv“ einer joh Gemeinde zwingt ihn, alles auf den „Alten“ zu
konzentrieren.
1.4.2.3 GJ ist idealisiert dargestellte histor. Persönlichkeit der (späteren) joh Gemeinde
- Führende Gestalt der joh Gemeinde (z. Z. der Abfassung des Ev), der man besonderes
Verständnis der Botschaft Jesu zusprach; herausragender geistgeleiteter urkirchlicher
Prophet. Wurde in die Zeit und das Leben Jesu zurückprojiziert, um sein tiefes Verstehen zu
erklären („an der Brust Jesu“) und seine Zuverlässigkeit zu betonen. – So Th. Lorenzen, Der
Lieblingsjünger im Johannesevangelium (SBS 55), Stuttgart 1971; ähnlich J. Gnilka (NEB
4); H.-J. Klauck, Gemeinde ohne Amt; I. Broer, Einl. I 196.
- Als Analogien können dienen: unbefangene Darstellung von Stiftern und Heiligen auf alten
Passionsbildern; Täufer unter dem Kreuz auf dem Isenheimer Altar; Luther, Melanchthon
etc. in der Auferweckung des Lazarus von L. Cranach; Verschwimmen der Zeitunterschiede
am Schottenmeisteraltar (Erzählzeit wird erzählte Zeit).
- Dagegen: Konnten die Leser damals das so verstehen? Gab es damals schon eine solche Art
nachträglicher „Historisierung“?
b) K. Berger, Im Anfang war Johannes, Stuttgart 1997, bes. 96-106: Apostel Andreas.
1.4.2.6 Zusammenfassung
1. Das Problem des GJ bleibt nach wie vor offen. Name und Person des „Verfassers“ sind uns
letztlich unbekannt.
2. Er wird genannt, um die Zuverlässigkeit des Evangeliums zu verbürgen. Das wurde von der
Kirche, die dieses Buch in den Kanon aufgenommen hat, auch immer so verstanden. Im
Sinn der Kirche ist auch uns das JohEv als zuverlässiges Evangelium anvertraut.
3. Gewicht dieser Frage:
- Für gewisse Leute dürfte die Ungeklärtheit der Verfasser- und GJ-Frage gegen die
Glaubwürdigkeit des Evangeliums sprechen; deshalb krampfhaftes Bemühen mancher, den
Apostel und Zebedaiden als Verf. zu erweisen.
- Für den, der die Bibel im rechten Sinn als „Wort Gottes“, inspiriert durch Gottes Geist-
Parakleten (14,26; 16,23), wertet, ist diese Ungeklärtheit aber nicht ausschlaggebend. Die
Wahrheit des 4.Ev hängt nicht an der Verfasserschaft des Zebedaiden. Seine Wahrheit
beruht auch nicht auf Ergebnissen wissenschaftlicher / hist.-krit. Forschung, sondern auf
dem Zeugnis der Kirche (gegen Abwertung des 4. Ev durch H. Küng und K. J. Kuschel,
Geboren vor aller Zeit, etc.; vgl. auch Zusammenfassung bei Porsch, JohEv 146f: s. o.).
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
127
4. Stilisierte Anonymität im JohEv: Besonders bedeutende Personen werden im JohEv
anonymisiert und damit ins ikonenhaft-stilisierte abgewandelt: die „Mutter Jesu“ und der
„Jünger, den Jesus liebte“. STILISIERUNG ERLEICHTERT DIE IKONENHAFTE VORBILDWIRKUNG
UND ALLGEMEIN GÜLTIGE IDENTIFIKATIONSTAUGLICHKEIT!
5- Tiwald: Wahrscheinlich war der GJ eine HISTORISCHE GESTALT, die in Jerusalem zur Zeit
der Passion zum Glauben an Jesus kam, die JOH GEMEINDE BEGRÜNDETE und seither als die
AUTORITÄT / als der TRADITIONSGARANT schlechthin hinter dem JohEv gesehen werden
kann. Daher die IKONENHAFT-STILISIERTEN ZÜGE samt ANONYMISIERUNG.
2. Abfassungszeit, Abfassungsort
2.1 Abfassungszeit
- Nach altkirchlicher Tradition (vgl. Irenäus, Adv.haer. II 22,5; III 3,4 = Eusebius, HE III
23,3f) hat der Zebedaide Joh bis in die Zeit Trajans (98-117) gelebt; sein Tod wäre dann mit
Ende des 1. Jh. anzusetzen. Die Abfassung des 4. Ev wäre dann im letzten Jahrzehnt (90-100
n.) erfolgt. [Es gibt allerdings (s. o.) eine relativ alte Tradition, nach der der Zebedaide Joh
schon sehr früh (unter Herodes Agrippa I) den Märtyrertod gestorben ist: Mk 10,38f etc.]
- Im 19. Jh. und noch Anfang des 20. Jh. wurde häufig behauptet, das JohEv sei wegen seiner
entwickelten Theologie und seines hellenist. Einschlags erst sehr spät im 2. Jh. entstanden und
deshalb keine Autorität (später Nachfahre: W. Schmithals: LJ-Redaktion erst um 170 n.; um
90 n. / Zeit des aposynagogos die GS; um 130 der „Evangelist“). Diese Annahmen wurden
aber durch die Forschung überholt: Bes. durch Entdeckung von P52 (Rylands, um 125 datiert)
ist die Existenz des JohEv im ersten Viertel des 2. Jh. bezeugt. Auch Ignatius von Ant. (+117
?) scheint das JohEv schon gekannt zu haben (Wikenhauser / Schmid 343). 1 Klem, Barn,
PastHerm und Justin hingegen verraten noch keine Kenntnis davon. Da das JohEv
andererseits wohl Lk bzw. lk Tradition voraussetzt und auf den Ausschluss aus der Synagoge
Bezug nimmt (9,22; 12,42; 16,2; vgl. Martyn; Schnackenburg; Wengst u. a.), ist als
Abfassungszeit das LETZTE JAHRZEHNT DES 1. JH. anzusetzen (nahezu sensus communis).
- In jüngerer Zeit vorgetragene Thesen einer Frühdatierung (vor Zerstörung Jerusalems, ja vor
Tod Neros) aufgrund von Überlegungen zum Verfasserproblem und der Exegese einzelner
Stellen haben keine Zustimmung gefunden (z. B. J. A. T. Robinson; H. Staudinger). – Eine
längere Entwicklungszeit der Tradition zwischen Mk und Joh ist einfach unabdingbar. Dass
Joh auch (sehr) alte Einzelüberlieferungen enthält, bestreitet ja niemand. Das heißt aber nicht,
dass man das ganze Werk schon ganz früh ansetzen müsste.
a) Einige direkte Hinweise auf Geschichte der Gemeinde und ihre Konflikte in 1-3 Joh eignen
sich für „(re-)konstruktive Rückschlüsse“ (G. Theißen):
- Gemeindeverband mit Zentrum und Sendung von Boten zu Einzelgemeinden in der Provinz
deutlich (2/3 Joh);
- Konflikt mit Dissidenten / Häretikern aus eigenen Reihen in 1/2 Joh überdeutlich (bes. 1 Joh
2,19: „Sie sind aus unserer Mitte gekommen, doch …“ – Weggehen eines Teils der
Gemeinde; Schärfe der Auseinandersetzung);
- Konflikt Presbyter - Diotrephes in 3 Joh offenkundig.
Zusammen: deutliche Hinweise auf Gemeinde und ihre (Konflikt-)Geschichte.
b) Indirekte Hinweise / „analytische Rückschlüsse“ sind aus dem Text des 4. Ev möglich;
Voraussetzung ist die Anerkennung des folgenden (gut begründeten) Moments:
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
130
- „Erzählte Zeit“ Jesu im 4. Ev ist (wenigstens des öfteren) durchsichtig (diaphan) für
„Erzählzeit“ des Verfassers und seiner Gemeinde (wie zwei übereinanderprojizierte Dias):
gilt nicht nur christologisch (irdischer Jesus überblendet vom Auferstandenen), sondern
allgemein. Auch bei Mt / Mk / Lk werden Gemeindeprobleme im Hintergrund deutlich:
Fastenfrage, Parusieverzögerung, Konfrontation mit Pharisäern etc. Im 4. Ev jedoch eine
radikalere „Horizontverschmelzung“ als in den übrigen Evv., geradezu ein „two-level-
drama“ (J. L. Martyn): Dramaturgie des Lebens Jesu durchsichtig für das Drama bzw. die
Konfliktsituation der joh Gemeinde.
- Einzelne deutliche Anhaltspunkte im 4. Ev benennbar (aus „anachronistischen“ oder
erratisch anmutenden und daher auf Abfassungssituation „durchsichtigen“ Einzelaussagen).
Diese dokumentieren nicht bloß die Situation der Gemeinschaft zu einem bestimmten
Zeitpunkt, sondern auch die geschichtliche Entwicklung dieser christlichen Gruppe:
° Ausschluss aus dem Synagogenverband (αποσυναγωγος: 9,22; 12,42; 16,2)
° Konkurrenz zu Täuferkreisen (1,6-8.15; 1,19-34: Christus – Elija – der Prophet; 3,22-30;
4,1f; 5,33-36; 10,40-42)
° Kryptochristen-Phänomen (3,2: Nikodemus; 12,42f: Führende bekennen nicht; 19,38f: Josef
von Arimathäa u. Nikodemus)
° Samaritanermission (4,35-42)
° Hellenenmission (7,35: „hingehen“; 12,20ff)
° Ausgleich mit Petruskirche (Kap. 21; diff. sonstige „Konkurrenz“ GJ - Petrus)
° Wanderboten sorgen für Koinonia der Gemeinde (Joh 13,16.20: Fußwaschung; „Apostel“).
- Unter Wahrung aller Vorsicht sei folgender Versuch zur Geschichte der joh Gemeinde
präsentiert, der manchmal divergierende Hypothesen (Richter, Becker, Martyn, Brown,
Wengst, Klauck, Roloff, Hengel ...) unter einen Hut zu bringen sucht.
- Gemeindl. und theol. Entwicklung: Beginn unter christlichen Juden (Martyn: „Christian
Jews“) im Synagogenverband, die Jesus als davidischen Messias bzw. als eschatologischen
Propheten wie Mose (vgl. 1,21.25.35-49; 6,14 u. ö.) verstanden (Rabbi, Messias, in Gesetz
und Propheten Beschriebener, Sohn Gottes, König Israel) und auch im jüdischen Bereich
missionierten.
° Umstritten: Eine oder mehrere Ursprungsgruppen? Täuferanhänger (vgl. die betonte
Konkurrenz zu Täuferkreisen: 1,6-8.15; 1,19-34; 3,22-30; 4,1f; 5,33-36; 10,40-42: J.
Becker) bzw. auch bekehrte Samaritaner (4,35-42) darunter?
° R. E. Brown: zwei Gruppen; bei 1. Gruppe (mit david. Messiaserwartung) auch
Täuferanhänger; 2. Gruppe (Jesus auf Mose-Hintergrund verstanden: hatte Gott gesehen,
brachte die Offenbarung; tempelkritisch eingestellt) als Katalysator für die theolog.
Entwicklung (hin zu „höherer Christologie“).
° Dass schon größere Auseinandersetzungen mit dem Judentum und der
Synagogenausschlusses zu den Erfahrungen dieser Frühzeit gehörten (Brown, Richter), ist
eher unwahrscheinlich Konflikt bahnte sich aber zweifellos an.
- Der GELIEBTE JÜNGER: Existenz des GJ in dieser Frühzeit wahrscheinlich (Martyn, Becker,
Brown): hatte Jesus während seines irdischen Wirkens gekannt, machte Überschritt zu neuer,
hoher Christologie, wurde so die Autorität, der Traditionsgaranten, der geisterfüllte Deuter
(Paraklet-Nähe) des Christusereignisses, eben zum „GJ“. Deshalb auch später Gewährsmann
für die Wahrheit und Zuverlässigkeit der joh Tradition.
- Theol. Entwicklung: Größere Übereinstimmung darüber, dass mit Trennung vom Judentum
(Synagogenausschluss) und der damit Hand in Hand gehenden Entfremdung, Isolation,
Diskriminierung auch die Ausbildung der TYPISCH JOH THEOLOGIE zusammenhängt, nämlich:
a) Typisch negative Redeweise von den „JUDEN“ (zeigt tiefe Verletzung einer ehemals
judenchristl. Gruppe) und „WELT“ (erfahrene Ablehnung auch durch andere; ab Kap.13
auch nichtjüd. Unglaube im Blick; Erfolglosigkeit weiterer Mission): joh Restgemeinde
erlebte umgebende Welt (samt Juden) als total feindlich gegen Gott und gegen Gemeinde
des Sohnes Gottes eingestellt.
b) Dualismus, Christologie, Eschatologie: bedrängte Situation der Gemeinde könnte einer
dualist. Welt- und Lebensdeutung (vgl. von Qumran) ebenso den Boden bereitet haben wie
der hohen Präexistenz-/Sohn Gottes-/Gesandten-/ Offenbarerchristologie und der PRÄSENT.
ESCHATOLOGIE (Trostfunktion: schon jetzt!). DUALIST. WELTBILD teilt Wirklichkeit in
obere, göttliche Lebens- und Lichtwelt und untere, satanische Finsternis- und Todeswelt
(kosmischer Schnitt). Darin wird die JOH CHRISTOLOGIE des gesandten Gottessohnes
eingezeichnet, der präexistent und gottgleich ist, der wie Gott das Leben in sich hat (5,26)
und das Licht selbst ist; er offenbart sich, in diese Welt herabgestiegen, als Leben und
Licht schlechthin („Ich bin ...“), vermittelt so denen, die an ihn glauben, jetzt schon die
Erlösung (3,31-36; 5,24-27; 9,39) und kehrt wieder in die göttliche Welt zurück („Aufstieg
/ Erhöhung“ im Tod). Er bleibt in dieser Welt letztlich der Fremdling von oben („the
stranger from heaven“: M. de Jonge, W. A. Meeks), der größtenteils abgelehnt, ja verstoßen
und nur von wenigen im Glauben angenommen wird (1,11f; 3,19-21).
Grundschema (Abstieg / Aufstieg bzw. Erniedrigung / Erhöhung) schon im urchristlichen
Kerygma ausgeprägt (vgl. etwa Phil 2,6-11), aber nun in Wechselwirkung mit der Situation
bes. ausgestaltet.
c) Ekklesiologie: Christol. Konzeption bewirkt zusammen mit Situation der joh Gemeinde
auch eine entsprechende ekklesiol. Sicht: die EXKLUSIVE HEILSGEMEINDE der joh
Glaubenden, die zwar „in der Welt“ ist, aber nicht „von der Welt“ (17,14.16): Weiß sich
Durch diesen SONDERWEG bewahrt uns das Corpus Johanneum allerdings etliches
SONDERMATIERIAL, das in der Großkirche nicht mehr bewahrt worden ist:
Besondere Freiheiten für die Frau: emanzipatorischer Impuls Jesu.
Charismatisch-egalitäre Gemeindeleitung
Historische Spezialdaten (etwa Passionschronologie).
- Literar. Entwicklung: Fast allg. steht fest, dass in dieser Phase der „EVANGELIST“ (gestützt
auf älteres Traditionsmaterial: s. o.) das eigentliche Evangelium in seiner typisch joh Prägung
geschaffen hat. - Diskutiert wird, ob er einfach Hauptvertreter der dargestellten Konzeption
war oder der, der sie aufs äußerste zuspitzte bzw. der, der sie mit neuen universalen, offeneren
Tendenzen (pos. „Kosmos“ in 1,9; 3,16...) korrigierend verband (Becker, teilw. Brown).
3.2.3 Zeit der Redaktion des Evangeliums bzw. der Abfassung der Briefe
(diff. Strecker, Schnelle: Reihenfolge 2 Joh – 3 Joh – 1 Joh – JohEv)
- Datierung: um 100 BZW. KURZ DANACH: BIS 110;
- Lokalisierung: zuletzt häufig (Klauck, Wagner, Ruckstuhl, Brown, Schmithals)
angenommen, dass Kerngemeinde und wesentl. Träger der joh Schule (nach Hengel „der
Alte“) schon nach KLEINASIEN (KREIS EPHESOS) umgesiedelt waren. Nähere Informationen
darüber fehlen; deshalb aber nicht unmöglich: vgl. Joh-Jünger in Ephesus Apg 19,1-7; Offb
auf Patmos verfasst, an kleinasiat. Gemeinden adressiert, Verf. stammt aber sicher aus
Palästina (J. Roloff).
Kontrovers ist, ob die Redaktion des Ev und die Briefe auf derselben Stufe stehen bzw. ob der
Redaktor des Ev gleichzeitig der Verfasser der Briefe ist oder nicht. Noch diffiziler: Sind auch
bei der Redaktion nochmals verschiedene Phasen (und Autoren) anzunehmen (Kap.21) und
stammen auch die Briefe nochmals von verschiedenen Verfassern (1 vs. 2/3 Joh)? - Hier gibt
es keinerlei Einigkeit in der Forschung:
Näherhin bemüht sich die Forschung (Brown, Klauck ...), die unterschiedlichen Positionen des
Verfassers der Briefe und der Dissidenten / Schismatiker herauszuarbeiten. Das fällt nicht
leicht, da beide sich auf die Autorität des 4.Ev berufen und sich oft nur in Nuancen
unterscheiden (Brown: gezwungene Ja-Aber-Argumentation).
° Brown etwa umreißt die Auffassung der Dissidenten so: Der Eine, der von oben kam, ist so
göttlich, dass er nicht mehr voller Mensch ist; er gehört nicht dieser Welt an. Daher hat
weder sein irdisches Leben noch das der an ihn Glaubenden irgendeine Bedeutung für die
Erlösung. Allein das Wissen, dass Gottes Sohn in die Welt kam, ist wichtig und erlöst den,
der daran glaubt. – Der Verfasser (samt seinen Anhängern) betont hingegen: Um Gottes
Kind zu sein, muss man bekennen, dass Jesus im Fleisch gekommen ist (4,2f)m, bzw. im
Wasser und im Blut (5,6: Taufe – Kreuz), und dass sein Sühnetod erlöst. Diese Erlösung
erlangt man aber nur, wenn man auch die Gebote hält. Der Verfasser verbindet daher die
präsent. Eschatologie mit ethischen Forderungen (Gebote, Bleiben / µενειν) und futurisch-
eschatol. Aussagen (Vorbehalt).
° Klauck: Verfasser von 1 Joh (der der kirchl. Redaktion des Evangeliums, aber noch nicht
Joh 21 nahesteht) versucht das Schisma theologisch zu bewältigen, indem er sehr polemisch
die andere Partei als Abtrünnige von Anfang an qualifiziert (2,19) und der Restgemeinde in
kurzen Merksätzen (1,6.8.10; 2,4.6.9; 3,23; 4,2f.9f.15; 5,1.5.11) Kriterien für den rechten
Glauben an die Hand zu geben sucht. Die Schismatiker, die als „ULTRAJOHANNEER“ in
Richtung Gnosis (Trennungschristologie des Kerinth? Doketismus?) gehen, aber das rechte
Verständnis der joh Theologie und des JohEv für sich reklamieren, sind wohl in der
Überzahl (4,1: „viele“ Falschpropheten) und haben nach außen hin mehr Erfolg (4,5: Welt
hört auf sie). Für die Restgemeinde bedeutet die Spaltung eine Frage auf Leben und Tod: Ihr
zahlenmäßiger Bestand ist bedroht, die sozialen und wirtschaftlichen Grundlagen ihres
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Gemeindelebens (Versammlungsräume, finanzielle Unterstützung) werden ihr entzogen
(2,16; 3,17): sie fühlen sich „verraten und verkauft“. Und auch ihr theol. Erbe ist schwersten
Verdächtigungen ausgesetzt, da es tendenziell gnostisch / doketistisch verwendet werden
kann. Deshalb auch Eingrenzung des Liebesgebotes (Feindesliebe-Gebotes Jesu) auf die
„Bruderliebe“ (Liebe zu den rechtgläubigen Brüdern) und Verbot der Aufnahme von
Dissidenten (2 Joh 10f: sogar Grußverbot); verstärkte Polemik. – 1 Joh will als
„Leseanweisung“ das „orthodoxe“ Verständnis des JohEv sichern.
3.2.4 Situation hinter 3 Joh (vgl. Joh 21) und Zeit nach den Briefen: Zerfall, Aufgehen
- Datierung: BEGINNENDES 2. JH, ETWA 100-110 und folgende Jahrzehnte;
- Lokalisierung: KLEINASIEN / EPHESOS.
- Literar. Entwicklung: 3 JOH und Nachtragskapitel JOH 21 können von der 3.Phase
(Redaktion des Ev; 1/2 Joh) noch einmal von der Problemstellung her abgehoben werden
(kaum zeitl. Diastase), da sie die Weiterentwicklung der joh Gemeinde zu verdeutlichen
vermögen:
- Gemeindl. und theol. Entwicklung: Größerer Teil der joh Gemeinde dürfte Theologie der
Dissidenten angenommen haben und bewegte sich nach der Abspaltung immer stärker in
Richtung wirklicher Doketismus (kein volles Menschsein Jesu; bloß menschliche
Erscheinung) und in Richtung Gnosis (präexistenter Jesus - präexistente Gläubige, die aus
himmlischem Reich „herabgefallen“ sind: Erlösung durch Offenbarung bzw. Erkennen des
eigenen pneumatischen Selbst, des göttlichen Lichtfunkens in einem selbst). Dissidenten
nahmen dabei das 4. Ev mit; es wurde von Gnostikern früh verwendet und kommentiert. –
Übereinstimmung besteht auch darüber, dass die verbliebene joh Restgemeinde (um den
Verfasser der Briefe / den “Presbyter“) sich bald mit der (petrin.) Kirche vereinigte:
akzeptierte Notwendigkeit autoritativer Lehre (Presbyter, Bischöfe: vgl. Ignatius; Petrusamt:
Joh 21 als Beleg für Unterordnung). Gleichzeitig gab es eine Öffnung der apostolischen
Kirche für die stark entfaltete, hohe joh Christologie. Es kam zu schrittweiser Assimilation,
die bei Annahme des JohEv selbst aber relativ langsam vor sich ging (JohEv wurde ja von
Gnostikern, Kerinth, Doketisten ... verwendet); schließlich wurde es aber als kanonisch
anerkannt und als Schatz in die gemeinsame Tradition „aufgehoben“.
In 3 Joh (Konflikt Presbyter - Diotrephes: 3 Joh 5.8-10) dürfte sich diese letztere Entwicklung
bereits anbahnen. 3 Joh mutet dabei an „wie ein Satyrspiel nach einer Tragödie“ (Klauck).
Nähere Ausdeutung (v. a. der Position des „Alten“ bzw. des Diotrephes) ist aber umstritten:
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- A. v. Harnack: Geistkirche – Amtskirche bzw. föderative Missionsorganisation und
Einzelgemeinde (mit zentraler Leitungsgewalt) gegenüber; Diotrephes ist erster
monarchischer Bischof, dessen Namen wir kennen.
- W. Bauer: Die Lehre steht im Zentrum; Presbyter ist rechtgläubiger Kämpfer gegen Gnosis;
Diotrephes ist ein Ketzerhaupt, ein ketzerischer Bischof.
- E. Käsemann: stellte W. Bauer auf den Kopf: Presbyter ist der Ketzer (exkommuniziert,
Einzelgänger, Vertreter einer ecclesiola in ecclesia, Schrittmacher der Gnosis); Diotrephes
dagegen ist die rechtgläubige, anerkannte Autorität in Gemeinde (jetzt wieder Vouga, 1 Joh).
- Am ehesten (mit Klauck / Brown) folgende Situation zu vermuten: Von joh Kerngemeinde
in der Metropole (Sitz der joh Schule und des Presbyters) wurden Boten zu Ortsgemeinden
in die Provinz ausgeschickt (wie im joh Gemeindeverband üblich). In einer dieser
Ortsgemeinden, die mehrere christliche Häuser umfasst, hat Diotrephes das Kommando an
sich gerissen (φιλοπρωτευων: selbstherrlich, tyrannisch). Der „Alte“ (Ehrentitel,
Repräsentant der joh Schule) kritisiert dieses Streben nach Führungsposition: passt nicht
zum Stil des brüderlichen Zusammenlebens von Gleichgestellten, wie es sonst im joh
Gemeindekreis gepflegt wird. Doch hat er gegen Diotrephes faktisch keine Macht in der
Hand (joh Grundsatzprogramm verbietet ihm auch „Hineinregieren“ und autoritäres
Einschreiten). Diotrephes macht ihm aber schwer zu schaffen, weil er den Brief des Alten
gar nicht in der Gemeindeversammlung vorlesen und die Boten des Alten vor
verschlossenen Türen stehen lässt. Seine Autorität reicht so weit, dass er kraft eigener Macht
andere hindert (κωλυει), Boten aufzunehmen (vgl. Warnung eines Pfarrers vor Zeugen
Jehovas), und sogar den Ausschluss (εκβαλλει, Exkommunikation) über widerspenstig
Gemeindemitglieder verhängt. – Diotrephes hat aus verworrener Lage offenbar die
naheliegende Konsequenz gezogen: Abgesandte beider Richtungen sind unterwegs. Wer
will da die Boten der Dissidenten (Schismatiker) von denen der Orthodoxen
auseinanderkennen? Besser lässt man überhaupt keine Boten-Missionare aus der theologisch
zerrissenen Metropole mehr herein (letzte Konsequenz aus Anweisung 2 Joh 10-11). So
etabliert sich Diotrephes de facto als oberste Lehrautorität in einer Gemeinde, die sich in den
Wirren wohl gern einer starken Hand anvertraut. Seine Stellung gleicht damit einem
„MONARCHISCHEN BISCHOF“, wie wir ihn fast gleichzeitig aus den Ignatius-Briefen kennen.
Eine Gemeinde wie die des Diotrephes lässt sich wohl ohne größere Schwierigkeiten in die
Ämterhierarchie der übrigen Kirche eingliedern. – Der Endpunkt des joh Sonderweges ist in
Sicht. Lange und entschieden hatte sich die joh Gemeinde dem Zwang zur Festschreibung
bestimmter Institutionen und Ämter widersetzt (Christusunmittelbarkeit und Geistbegabung
jedes Glaubenden 1 Joh 2,27; charismat. Struktur; geschwisterl. Gleichberechtigung aller).
Diotrephes vertritt in der Praxis das Programm der Angleichung an die übrige Kirche, das
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auch im Nachtragskapitel Joh 21 aufscheint, nur engagierter, ja rücksichtsloser (Klauck,
Brown). Er ist Pragmatiker, und seinem Vorgehen gehört die Zukunft, nicht dem „Alten“,
der als Purist auf dem alten joh Weg beharrt.
- Ein Überblick über den Lebenslauf lässt uns die Briefe richtig einordnen und besser
verstehen. Sind weithin Gelegenheitsschriften. Das Leben des Apostels und die Probleme
seiner Gemeinden bilden den Kontext. Manche Einseitigkeiten sind von dort her zu
begreifen (vgl. 2 Petr 3,15f: manches schwer zu verstehen; wird verdreht).
- Eine kritische Beurteilung der Quellen gestattet es uns heute nicht mehr, das Leben des
Apostels so einfach zu rekonstruieren, wie dies früher üblich war (durch unkritische
Übernahme der Angaben der Apg).
- Das heißt für uns:
1. Mit vielen unbeantworteten Fragen leben; viele Äußerungen von Exegeten sind einfach
Hypothesen.
2. Versuchsweise Erklärungen als Verstehenshilfe (nicht Dogma), unserem
Verstehenshorizont entsprechend.
1.1.1 Briefe
- Zur Echtheitsfrage s. u. – Als authentisch gelten nach allgemeinem Konsens Röm, 1-2 Kor,
Gal, Phil, 1 Thess, Phlm;
- „Biographisch“ bes. wichtig: Gal 1-2; 2 Kor 11-12; Phil 3,5-11.
- „Theologisch“: bes. Röm, Gal, Passagen aus 1/2 Kor und Phil.
1.1.2 Apg
- Ähnl. wie Evangelien: keine protokollarische Berichterstattung, sondern Glaubenszeugnis.
- Historie und Kerygma: einerseits alte Traditionen, Itinerare (bzw. Stationenverzeichnisse);
andererseits freie, erbauliche Gestaltung (für hellenistisch-literarisch Gebildete):
Episodenstil, Reden etc.
- Darstellung des Lebens Pauli; Bericht über die Bekehrung bzw. Berufung (Kap. 9; in
Paulusreden wiederholt: Kap. 22; 26) u. die Reisen des Paulus bis zur Gefangenschaft in
Rom.
- Darstellung der Theologie des Paulus (bes. durch die Reden); vgl. J. Roloff, Die
Paulusdarstellung des Lukas: EvTh 35 (1979) 510-531.
1.1.3 Apokryphen
- apokryphos = verborgen, geheim; hier: nicht in den Kanon aufgenommen.
- Übersicht: Acta Pauli et Theclae (ca. 180 n.); 3 Kor (2. Jh.; vgl. 1 Kor 5,9: „Ich habe euch in
meinem Brief ermahnt“); Laodize(n)erbrief (vom Ort Laodizea / Laodi,keia, 2./3. Jh.; vgl.
Kol 4,16); Martyrium Pauli; Apokalypse Pauli (2./3. Jh.); Briefwechsel Seneca – Paulus
(noch später).
- Textausgaben: W. Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen II; K. Berger / Ch. Nord,
Das Neue Testament und frühchristl. Schriften; A. Jensen, Thekla – die Apostolin;
Auswahltext u. Kommentierung: H.-J. Klauck, Apokryphe Apostelakten, Stuttgart 2005, 61-
92.
- Spätere Texte, stark legendarisch; aus Bedürfnis, Lücken zu füllen, Pls als Philosophen
darzustellen.
Also:
- Als zuverlässige Quellen kommen in Frage:
1. die Hauptbriefe (Protopaulinen = authentische Pls-Briefe: paulinische Homolegumena)
2. mit gewissen Vorbehalten Apg (nicht gewaltsam zu harmonisieren; Vorzug der Briefe).
- Insgesamt: Historisch, d. h. vom Gesichtspunkt des Historikers aus, wissen wir mehr über
Paulus als über Jesus (nicht zuletzt, da wir von Paulus eigene Schriften besitzen).
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2. Corpus Paulinum
Deuteropaulinen
Von Paulusschülern der ersten Generation verfasst, etwa in den 80er Jahren.
Kol
Eph
2 Thess
Tritopaulinen
Auch Pastoralbriefe genannt, da nicht an eine Gemeinde, sondern an einen einzelnen
„Hirten“ („pastor“) adressiert, um 100 n. Chr. verfasst.
1 Tim
Tit
2 Tim
Texte des NT, die sich auf Paulus beziehen, aber nicht zu Corpus Paulinum gehören
Der Hebräerbrief gehört nicht zum Corpus Paulinum, sonder stellt einen ganz
eigenständigen Strang ntl. Theologie dar.
Die Apostelgeschichte gehört in ihrem Geschichtswert immer an den authentischen
Paulusbriefen gemessen.
1 Petr, Jak und 2 Petr (3,15) nehmen bereits Bezug auf eine paulinische Wirkunsgeschichte.
3. Pauluschronologie
2
Acts 18:1 Hierauf verließ Paulus Athen und ging nach Korinth. Dort traf er einen aus Pontus
stammenden Juden namens Aquila, der vor kurzem aus Italien gekommen war, und dessen Frau
Priszilla. Klaudius hatte nämlich angeordnet, daß alle Juden Rom verlassen müßten. Diesen beiden
3
schloß er sich an, und da sie das gleiche Handwerk betrieben, blieb er bei ihnen und arbeitete dort.
4
Sie waren Zeltmacher von Beruf. An jedem Sabbat lehrte er in der Synagoge und suchte Juden und
Griechen zu überzeugen.
12
Als aber Gallio Prokonsul von Achaia war, traten die Juden einmütig gegen Paulus auf, brachten ihn
13
vor den Richterstuhl und sagten: Dieser verführt die Menschen zu einer Gottesverehrung, die
14
gegen das Gesetz verstößt. Als Paulus etwas erwidern wollte, sagte Gallio zu den Juden: Läge hier
ein Vergehen oder Verbrechen vor, ihr Juden, so würde ich eure Klage ordnungsgemäß behandeln.
15
Streitet ihr jedoch über Lehre und Namen und euer Gesetz, dann seht selber zu! Darüber will ich
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nicht Richter sein. Und er wies sie vom Richterstuhl weg. Da ergriffen alle den
Synagogenvorsteher Sosthenes und verprügelten ihn vor dem Richterstuhl. Gallio aber kümmerte sich
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nicht darum. Paulus blieb noch längere Zeit. Dann verabschiedete er sich von den Brüdern und
segelte zusammen mit Priszilla und Aquila nach Syrien ab.
Gallio Inschrift
Ein inschriftlich festgehaltenes Schreiben des Kaisers Claudius an die Stadt Delphi, in dem
der Prokonsul Gallio genannt wird. Die Inschrift ist vor 52. n. Chr. zu datieren, da hier die im
Text erwähnte 26. Akklamation des Kaisers Claudius (= Kaiserhuldigung) erfolgte. Die
einjährige Amtszeit des Gallio ist dann mit Frühsommer 51 bis Frühsommer 52 n. Chr. zu
datieren.
• Apg 18,12 erwähnt, dass Paulus zur Zeit des Gallio in Korinth war.
• Dies geschah im Zuge seiner Zweiten Missionsreise.
Tod Jesu: 30 n.
Berufung / Bekehrung des Paulus: 32/33
Arabia, Damaskus (vgl. Gal 1,17): 33/34
Erster Besuch in Jerusalem (vgl. Gal 1,18f): 35
Syrien, Kilikien (vgl. Gal 1,21): ca. 36 - 43
Antiochien (vgl. Apg 11,25f): um 44
1. Missionsreise (vgl. Apg 13-14): 45/46 - 48/49
Apostelkonvent (vgl. Gal 2,1-10; Apg 15): 48/49
Antiochenischer Zwischenfall (vgl. Gal 2,11-14): 49
2. Missionsreise (vgl. Apg 15,40 - 18,22): 49/50 - 52/53
(1 Thess aus Korinth; Gallio in Korinth): 51/52
3. Missionsreise (vgl. Apg 18,23 - 21,14): 53 - 56/57
(Gal, 1 Kor, Teile 2 Kor, Phil [?], Phlm aus
Ephesus [über 2 Jahre Aufenthalt]; ca. 53 - 55
Rest 2 Kor aus Mazedonien; Röm aus Korinth) ca. 56/57
Eintreffen, Verhaftung u. Haft in Jerusalem (vgl. Apg 21,27 - 23,22): ca. 57
Haft in Cäsarea unter Felix und Festus (vgl. Apg 23,23 - 26,32): 57 - 59
Überführung nach Rom (vgl. Apg 27,1 - 28,15): 59/60
Gefangenschaft und Prozess in Rom (vgl. Apg 28,16-31): 60 - 62 (?)
Hinrichtung in Rom unter Nero: 60er Jahre
Literatur zur Vita Pauli: neben Pls-Büchern (Wischmeyer, Schnelle, Lona, Lohse, Gnilka,
Becker etc.) bes. I. Broer, Einleitung II 320-338.
- Aus Tarsus / Kilikien
° Stellen: Apg 9,11: zu Hananias; 21,39: gegenüber Oberst, Verwechslung mit Aufrührer
„Ägypter“; Antwort: „bin Jude aus Tarsus in Kilikien, ouvk avsh,mou po,lewj poli,thj / Bürger
einer nicht unbedeutenden Stadt“; 22,3: Verteidigung vor Volk auf Freitreppe des Tempels.
- 8 Tage nach der Geburt beschnitten (Phil 3,5); jüdischer Name „Saul“ (= „der Erflehte“).
° Wohl nach dem berühmten König Saul: wie Paulus aus dem Stamm Benjamin (Phil 3,5).
° Namen „Saul“ kennen wir allerdings nur aus der Apg (bis Apg 13,3: „Saulus“; 13,9:
„Saulus, der auch Paulus heißt“); Apostel selbst nennt sich aber immer nur Paulus.
Wenn Paulus den jüd. Namen später nicht mehr führt, deutet das aber nicht an, dass seine
vornehme jüdische Herkunft für ihn nicht mehr von Belang wäre (vgl. Phil 3,7f).
° Römischer Name „Paulus“ (= klein): Geschlechtername / nomen gentile (vgl. etwa
Statthalter „Sergius Paulus“ Apg 13,7) oder Beiname / cognomen (meist von körperlichen
oder geistigen Merkmalen abgeleitet). [Röm. Usus: praenomen, nomen gentile, cognomen:
vgl. Caius Iulius Caesar, Marcus Tullius Cicero, Publius Ovidius Naso.]
Nicht erst seit der Bekehrung geführt; alter Irrtum, den schon Origenes korrigiert. (Zum
Sprichwort gewordenes Missverständnis „Aus Saulus wurde Paulus“ liegt auch neueren
romanhaften Darstellungen zugrunde: etwa Dieter Hildebrandt, Saulus-Paulus. Ein
Doppelleben, München 1989.
° Ob hinter 2. Namen „Paulus“ ein Programm steht (vgl. etwa 1 Kor 15,9: „geringster unter
allen Aposteln“), ist umstritten.
° Bei Diaspora-Juden war es üblich, einen (evtl.) ähnlich klingenden, jedenfalls leicht
verständlichen röm.-latein. Zusatznamen zu wählen; vgl. auch Simon Petrus Apg 10,18;
Johannes Markus Apg 15,37; Simeon Niger Apg 13,1.
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
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- Jüdische Eltern aus dem Stamm Benjamin:
° 2 Kor 11,22: Hebräer / Israeliten / Same Abrahams (gegenüber Über- / Falschapostel);
° Röm 11,1; Phil 3,5: Israelit, aus dem Stamm Benjamin.
° Nach Hieronymus, Kommentar zu Phlm, stammten die Eltern aus Gischala / Judäa; wurden
infolge von Kriegswirren nach Tarsus verschlagen.
° Waren vermutlich wohlhabend (vgl. Phil 3,8: „erachte jetzt alles für wertlos [bzw. Schaden /
Verlust] sowie Kehricht [Dreck])“; darauf verweist auch die Bildung des Paulus, denn eine
solche war damals nicht ohne materielle Grundlage zu erwerben.
° Hatte eine Schwester: nach Apg 23,16 berichtet Neffe („Sohn der Schwester“) Paulus von
geplantem Anschlag.
- Gehörte zu den Pharisäern (Phil 3,5; Apg 23,6); (von Jugend an?) Eiferer für die väterlichen
Überlieferungen (Gal 1,14); „untadelig in der Gerechtigkeit nach dem Gesetz“ (Phil 3,6);
evtl. aber erst bei seiner Ausbildung in Jerusalem (s. u.) Pharisäer geworden (so M. Tiwald:
in der Jugend eher ein liberaler Jude; Pharisäer in Diaspora nicht nachweisbar [lt. G.
Stemberger]).
- Besaß wohl das römische Bürgerrecht: erst Apg 16,37ff erwähnt (in Philippi); 22,27f
(Oberst: „Bist du ein Römer?“; Oberst hat dafür bezahlt; Pls ist als solcher geboren); 25,10
(„ich stehe vor dem Richterstuhl des Kaisers“). – Anders H. Köster / M. Limbeck:
° Röm. Bürgerrecht unwahrscheinlich, da nur aus Apg bekannt und dort ziemlich spät
eingeführt (Lk wolle damit rechtes christliches Maß zwischen Ablehnung und Anpassung
an den röm. Staat demonstrieren).
- Mit 5 Jahren nach jüdischer Sitte in die Lektüre der Bibel eingeführt.
° Gewöhnliche Annahme: Muttersprache Griechisch; vertraut mit LXX, nach der er zitiert.
Aramäisch und Hebräischkenntnisse fraglich.
° Jedenfalls in zwei Kulturen beheimatet. Vermutlich aber keine engere Beziehung zu
griechischer Philosophie und Dichtung (z. B. Homer, Sophokles, Platon).
° Anders noch J. Holzner unter Verweis auf Zitate in Apg 17,28: „Wir sind von seinem
Geschlecht“ (Aratus, Phänomena 5; Zitat stammt aber wohl von Lk); 1 Kor 15,33:
„Schlechter Umgang verdirbt gute Sitte“ (Menander, Thais; war aber geflügeltes Wort).
- Wurde mit ca. 20 Jahren, kurz vor oder nach dem Tod Jesu (ca. 30 n.; nach anderen schon
früher) nach Jerusalem geschickt.
° Saß dort „zu Füßen des Gamaliel“, (Apg 22,3). – Historisch? Echte Schülerexistenz
gemeint? Wohl nicht historisch im Sinne einer echten Lehrer-Schüler Beziehung.
° War das eine Ausbildung zum „Rabbi“? – Spuren dieser Ausbildung sah man etwa in Gal
3,16 („Abraham und sein Same“); 4,21-28 (Sohne der Freien, Sohn der Sklavin); 1 Kor
10,1-10 (Fels auf Wüstenwanderung); solche Stellen seien Belege für die „typisch
rabbinische“ Auslegung, die Pls gelernt habe. – Heute aber sehr umstritten: Ab wann gab es
überhaupt „Rabbinen“ bzw. eine Ausbildung zum „Rabbi“? Ob direkte Entsprechung zu
Middot (Regeln der Schriftauslegung) des Rabbi Hillel oder allgemeine Verbreitung von
Auslegungsregeln und -techniken („Ultraliteralismus“ etc.) wird heute sehr diskutiert.
° Die literarischen Techniken und Auslegungsmethoden des Pls entsprechen jedenfalls denen,
die später als „rabbinisch“ gelten (obwohl sie z. T. auch in der hellenist. Rhetorik
gebräuchlich waren): Zitatenreihung, Typologie, Allegorie, Schluss a minore ad maius (qal
wahomer), a maiore ad minus, argumentum e silentio, Verknüpfung von Stellen (gezera
šawa = „gleiche Entscheidung“).
° Eine „rabbinische Ausbildung“ hatte Paulus sicherlich nicht, da das rabbinsiche Judentum
erst um 150 n. Chr. entstand. Als Pharisäer „nach dem Gesetz“ hatte Paulus aber wohl eine
gediegene pharisäische Ausbildung – wohl in Jerusalem vor seiner Bekehrung – empfangen.
[Paulus hat Jesus vor Kreuzigung und Auferstehung wahrscheinlich nicht gekannt (vgl. 2 Kor
5,17: „in Christus – neue Schöpfung“). – M. Hengel schließt aber nicht aus, dass Paulus das
Wirken Jesu in Jerusalem aus der Distanz eines Griechisch sprechenden Juden miterlebte (vgl.
2 Kor 5,16: habe kata. sa,rka Cristo,n gekannt: entweder „(den) Christus kata. sa,rka
gekannt“ oder „Christus gekannt kata. sa,rka / auf sündige Weise“; s. u.).]
- Grund der Verfolgung: nicht in erster Linie der Messiasanspruch Jesu als solcher (es gab ja
mehrere, die diesen Anspruch erhoben: Messiasprätendenten), sondern:
a) Infragestellung der jüdischen Reinheitsgesetze (Pharisäer erhofften das Heil von der
Erfüllung der ganzen Tora; anders die hellenistischen Christen um Stephanus: vgl. Apg
6,11-14).
b) Sicherlich das Ärgernis eines gekreuzigten Messias (1 Kor 1,17; vgl. auch 1,23: „Juden
ein Ärgernis, Heiden eine Torheit“); nach U. Schnelle (in: FS A. Fuchs) der einzige
- 2. Anschauliche, aber unterschiedl. Darstellung (nach Art von Vision uns Audition) in Apg:
Vgl. dazu G. Lohfink, Paulus vor Damaskus (SBS 1); Kremer, Enthüllungen 93ff; Stellen:
* Apg 9,1-9: Erzählbericht selbst
* 22,5-11: Rede zum Volk, auf der Freitreppe des Tempels
* 26,10-18: Rede vor Agrippa II, der mit Frau/Schwester Berenike bei Festus zu Besuch ist.
° Paulus mit Empfehlungsschreiben des Hohenpriesters auf Weg nach Damaskus, unterwegs
zur Verfolgung der Anhänger des (neuen) Weges; Erscheinung vom Himmel her; Worte des
Erscheinenden („Saul, Saul, warum ...“); unterschiedliche, freie Wiedergaben, z. B.:
* bzgl. Erfahrung und Reaktion der Umstehenden: Hören ohne Sehen Apg 9; Sehen ohne
Hören Apg 22; Paulus stürzt zu Boden (9,4; 22,7) – alle stürzen zu Boden (Apg 26,14).
* bzgl. der Worte Christi: „Ich bin Jesus (Kap. 22: der Nazoräer), den du verfolgst“; Stimme
ergeht nach Apg 26,14 (diff. Kap. 9; 22) „auf Hebräisch“ und verwendet zusätzlich ein
Sprichwort: „Es wird dir schwer sein, wider den Stachel auszuschlagen / zu löcken [LÜ].“
[Ob ein Pferd im Spiel war (so Michelangelo, Caravaggio [Rom], Parmigianino, Brueghel
[KHM], Singertor Stephansdom [um 1370] etc.; auch schon in „Concordantiae caritatis“ des
Ulrich v. Lilienfeld [1345]), ist dem Text nicht zu entnehmen; Entsprechung zur
sprichwörtlichen Wendung „vom hohen Ross gestürzt“.]
* Außerdem berichtet Apg 22,17-21 von einer separaten späteren Berufung im Tempel in
Jerusalem: e;kstasij / Verzückung – Auftrag – Einwand – Bekräftigung (vgl. Propheten).
° Nach Apg 9,18 in Damaskus von Hananias (aufgrund einer Vision: V. 10) getauft.
° Wurde wie aus heiterem Himmel von Erfahrung überwältigt, von einem einzigartigen
„Begegnis“ (H. Schlier): umstürzende Erfahrung eines personalen Gegenübers, die ihm die
Verkehrtheit seiner bisherigen Einschätzung und Einstellung deutlich machte, ihn total
umkrempelte.
6. Im Dienste Christi
- Paulus hat seine Begegnung mit Christus als Sendung zur Verkündigung des Gekreuzigten
und Auferstandenen aufgefasst (als Berufung zu seinem „Apostel“: vgl. Gal 1,15).
- Stationen des Weges? Wie lässt sich dieser historisch erschließen? – Problem: Welche
Bedeutung haben die Angaben der Apg? Wie sind die Aussagen in Gal 1-2 zu bewerten?
- Sog. 3. Missionsreise (zw. 53 und 56/57 n.; E. Ebel: 52-55): Apg 18,23 - 21,14
° In Antiochien wohl Winter verbracht, bevor er „nach einiger Zeit“ (Apg 18,23) seine sog.
„3. Missionsreise“ beginnt (vgl. zu den Stationen: WUB 20/2001, 50-53).
° Auf Landweg durch Kilikien und Galatien nach Ephesus (reiche Handelsstadt, Hauptstadt
der Provinz Asien; österr. Ausgrabungen; Ephesus-Museum): über 2 Jahre dort aufgehalten
(vgl. 19,10): Begegnung mit Johannesjüngern und Apollos; hier hinein fällt wohl auch der
„Zwischenbesuch“ in Korinth (2. LANDKARTE: gestrichelte Linie), der mit einem Eklat
endete (2 Kor 2,1-5; vgl. 1,23b).
° Erfolgreiche Predigttätigkeit, durch Aufstand der Silberschmiede unter Demetrius jäh
unterbrochen (Apg 19,23-49; in Gefangenschaft war Pls öfter, die bes. Gefährlichkeit der
Situation ist aber auch 2 Kor 1,8-10 beschrieben: „Bedrängnis, die in der Provinz Asien auf
uns gekommen ist“; wohl auch 1 Kor 15,32 darauf angespielt: „dass ich in Ephesus, wie
man so sagt, mit wilden Tieren gekämpft habe“). – Von hier aus – vermutlich – Brief an
Gemeinden in Galatien (Gal) sowie 1 Kor geschrieben, evtl. auch Teile des 2 Kor
(„Tränenbrief“ 2 Kor 2,4), wohl auch Phil (oder spätester Brief: von Rom aus?) und Phlm
(in Gefangenschaft).
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
157
° Über Troas und Mazedonien (ermutigende Nachricht durch den nach Korinth geschickten
Titus: weitere Teile des 2 Kor geschrieben) wieder nach Korinth: dort wohl 56/57 Winter
verbracht (vgl. Absicht 1 Kor 16,6f). – Von hier aus Röm geschrieben (ca. 56/57 n.):
Vorstellung gegenüber unbekannter Gemeinde, Besuchsvorbereitung; will nach Abschluss
der Mission im Osten (Röm 15,19) nach Rom kommen (Röm 1,10-12; 15,28.32; dann nach
Spanien: 15,24.28); vorher aber Kollekte nach Jerusalem bringen (bes. Sorge).
° Will mit Schiff direkt nach Syrien; doch Anschlag geplant, daher Reiseplan geändert (Apg
20,3): retour auf dem Landweg über Mazedonien (Thessalonich? – Ostern in Philippi: 20,6)
und Troas („Erweckung“ des Eutychus; Lohse: „Erweckung eines gefallenen
Kirchenschläfers“); nach Milet (20,13-16): Ephesus ausgelassen (20,16); Abschiedsrede
(20,17-38) vor „Ältesten“ (V. 17) der Gemeinde von Ephesus (auf ihre „Episkopen“-
Funktion angesprochen: V. 28): wirkt wie ein letztes Vermächtnis, den Tod vor Augen.
° Über Cäsarea (Aufenthalt im Haus des Evangelisten Philippus mit vier prophetisch
begabten Töchtern: Apg 2,8f; Begegnung mit Propheten Agabus aus Judäa; Prophetie und
Zeichenhandlung mit Gürtel: Apg 21,10ff) nach Jerusalem (Apg 21,17).
- Überführung nach Rom (59/60 n., so auch E. Ebel): Apg 27-28: Reiseroute verdeutlicht
bereits die Wirren der Seefahrt (über Sidon, Zypern nördlich umsegelnd, Myra in Lykien,
Knidos, hinunter nach Kreta: Kaloi Limenes bei Lasäa, Malta); Schiffbruch vor Malta und
kurzer Aufenthalt dort (Schlangenbiss ohne Schaden überstanden; Heilung des an Ruhr
erkrankten Vaters des Publius). Nach H. Warnecke, Die tatsächliche Romfahrt des Apostels
Paulus (SBS 127), Stuttgart 1987: Schiffbruch nicht vor Malta, sondern an Küste
Westgriechenlands bei Kephalenia / Kefalonia = Meli,th Apg 28,1 (so auch auf Gnilka-
Landkarte, doch mit Fragezeichen!).
- Über Syrakus, Rhegion, Puteoli, Forum Appii und Tres Tabernae (wo die „Brüder“ schon
entgegenkommen) nach Rom gebracht; 2-jährige (28,30) leichte Haft (libera custodia:
Privatquartier, ein Soldat als Wache: 28,16) in Mietwohnung in Rom (28,30); dort auch
Disputation mit führenden Juden (Zeit: 60-62?). Apg schließt damit, dass Pls in Rom die
Basileia Gottes verkündet und über den Herrn Jesus Christus lehrt, und zwar „frei und
ungehindert“ (meta. pa,shj parrhsi,aj avkwlu,twj: 28,31); theol. Ziel der Apg ist damit
erreicht (vgl. dazu: K. M. Schmitt, Abkehr von der Rückkehr: Aufbau und Theologie der
Apostelgeschichte im Kontext des lukanischen Diasporaverständnisses: NTS 53 [2007] 406-
424).
- Keine weiteren Informationen über die letzten Lebensjahre: Spekulation über Freikommen
und Missionsreise bis Spanien (Einordnung der Pastoralbriefe als authentisch
paulinsiche???); schließlich 2. Verfahren in Rom und Hinrichtung (so etwa im 4. Jh.
Eusebius, H.E. II 22,2); Anhaltspunkte dafür:
° 1 Clem 5,7 (um 95 n.): „Er lehrte die ganze Welt Gerechtigkeit, kam bis an die Grenze des
Westens und legte vor den Machthabern Zeugnis ab“ (der „Herold des Westens“).
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
159
° Canon Muratori (um 200 n.): habe sich „von der Stadt (d. i. Rom) nach Spanien“ begeben.
° Aber: „Was sich ein Apostel vorgenommen hat (vgl. Röm 15,24.28), das bringt er auch zu
Ende“ als Motiv! – Apg 20 (Abschied in Milet) und 21,10-14 (Szene mit Agabus, bes.
Bereitschaft des Pls, in Jerusalem für den Herrn sogar zu sterben: V. 13) setzen Kenntnis
des bevorstehenden Todes des Pls voraus.
° Zur Problematik vgl. F. W. Horn (Hg.), Das Ende des Paulus. Historische, theologische und
literaturgeschichtliche Aspekte, Berlin 2001; H. Omerzu, Der Prozeß des Paulus, Berlin
2002.
- Der Tradition nach: Tod durch Enthauptung unter Nero (in Tre Fontane, San Paolo fuori le
mura, an der Via Ostiensi) zwischen 64 (Beginn der Christenverfolgung) und 68 (Tod
Neros), also etwa 67 n.
Aber: kein Hinweis in Apg oder sonst auf schon eingesetzte Verfolgung; von vielen
Exegeten wird der Tod daher früher angesetzt (Bornkamm, Köster: 60 n.; Limbeck: 62 n.;
Ebel: offen). – Gedenkinschrift in St. Paul mit Phil 1,21 (nach Vulgata): „Mihi enim vivere
Christus est et mori lucrum“ – Zusammenfassung und Programm seines ganzen Lebens.
- Ausführliche Beschreibung seines Endes in den apokryphen Acta Pauli (um 200 n., viell.
auf Überlieferung der stadtröm. Christen zurückgehend [so F. W. Horn]; Verbindung mit
Angaben der Apg); Enthauptung auch von Tertullian (+ 220), Scorpiace 15,3, erwähnt:
Petrus wurde unter Nero gekreuzigt (mit Zitat Joh 21,18f), Paulus wurde enthauptet
(vermutlich aus Apg 22,26 erschlossen: Pls als röm. Bürger).
Tod Jesu: 30 n.
Berufung / Bekehrung des Paulus: 32/33
Arabia, Damaskus (vgl. Gal 1,17): 33/34
Erster Besuch in Jerusalem (vgl. Gal 1,18f): 35
Syrien, Kilikien (vgl. Gal 1,21): ca. 36 - 43
Antiochien (vgl. Apg 11,25f): um 44
1. Missionsreise (vgl. Apg 13-14): 45/46 - 48/49
Apostelkonvent (vgl. Gal 2,1-10; Apg 15): 48/49
Antiochenischer Zwischenfall (vgl. Gal 2,11-14): 49
2. Missionsreise (vgl. Apg 15,40 - 18,22): 49/50 - 52/53
(1 Thess aus Korinth; Gallio in Korinth): 51/52
3. Missionsreise (vgl. Apg 18,23 - 21,14): 53 - 56/57
(Gal, 1 Kor, Teile 2 Kor, Phil [?], Phlm aus
Ephesus [über 2 Jahre Aufenthalt]; ca. 53 - 55
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
160
Rest 2 Kor aus Mazedonien; Röm aus Korinth) ca. 56/57
Eintreffen, Verhaftung u. Haft in Jerusalem (vgl. Apg 21,27 - 23,22): ca. 57
Haft in Cäsarea unter Felix und Festus (vgl. Apg 23,23 - 26,32): 57 - 59
Überführung nach Rom (vgl. Apg 27,1 - 28,15): 59/60
Gefangenschaft und Prozess in Rom (vgl. Apg 28,16-31): 60 - 62 (?)
Hinrichtung in Rom unter Nero: 60er Jahre
- Der üblichen Verbindung von relativer (3 – 14 – 1,5 [Korinth] – 2,5 [Ephesus] etc. Jahre) und
absoluter Chronologie (aufgrund des Gallio-Steines) hat vor einiger Zeit bes. G. Lüdemann (Paulus,
der Heidenapostel. I. Studien zur Chronologie, Göttingen 1980) widersprochen:
° Verbindet nicht relative und absolute Chronologie, sondern stützt sich ausschließlich auf die
Angaben in den Pl-Briefen selbst, v. a. Gal 1-2 (Apg sei wertlos).
° Antiochenischer Zwischenfall Gal 2,11-21 soll dabei vor dem Apostelkonvent stattgefunden haben
(Angabe und Reihenfolge in Gal 2 ist rhetorisch, nicht chronologisch) – eine schwer beweisbare
Annahme.
° Das Apg 18,2 erwähnte Judenedikt des Claudius schon um 41 n. (nicht 49 n.) angesetzt (unter
Berufung auf Strabon – ?): schon um diese Zeit kommt Pls nach Korinth!
° Wichtiges Zusatzargument: zwischen 1 Thess und 1 Kor scheint ein Abstand von ca. 10 Jahren zu
liegen (Wechsel in der Auffassung über Sterbefälle und Parusie).
- Daraus folgt eine neue (für die Briefe durchwegs frühere) Datierung:
30 (33) Bekehrung
ab 36 (39) eigenständige Mission in Philippi und Thessalonich
um 41: 1 Thess
Antiochenischer Zwischenfall
47 (50) Apostelkonvent
um Ostern 49 (52): 1 Kor
Sommer 50 (53): 2 Kor
Winter 51/52 (54/55): Röm
Frühjahr 52 (55) Reise nach Jerusalem mit Kollekte; Gefangennahme.
- Wird meist abgelehnt (vgl. I. Broer; H. E. Lona, E. Ebel; gewisse Sympathie bei Gnilka
312f): Argumente für Frühdatierung sind nicht zwingend und wohl auch nicht überzeugend.
1.5 Schriften
Lit.: Wikenhauser / Schmid (immer noch gut); U. Schnelle, Einleitung 53-61; H.-J. Klauck,
Die antike Briefliteratur und das Neue Testament; W. Kirchschläger, Einführung in das Neue
Testament 111-121; I. Broer, Einleitung II 301-319; H. E. Lona, Kleine Hinführung zu
Paulus, Freiburg 2006, 38ff; O.Wischmeyer (Hg.), Paulus 121-274.
Das Wirken des Apostels Paulus bestand in seiner Missionstätigkeit: Predigt, Gründung von
Gemeinden, Organisation (Kollekten), Reisen. In diesem Kontext sind seine Schreiben von
besonderer Bedeutung.
1.5.1 Charakter:
- Die erhaltenen Schriften sind Gelegenheitsschriften (Paulus war also nicht hauptamtlich
philos.-theol. Autor oder Chefredakteur): Anlässe der Briefe:
° Stellvertretung für leibliche Anwesenheit; Verbindung mit Gemeinde hergestellt bzw.
aufrecht erhalten
° durch Situation erfordert: Anfragen, Nöte, Probleme, Missstände.
- Nur Phlm ist ein persönlicher „Brief“ (Privatbrief), aber auch nicht gänzlich ohne amtlichen
Charakter; die übrigen haben stärker amtlichen Charakter. Das zeigt sich auch darin, dass
Paulus außer sich selbst häufig noch andere Absender nennt.
- Die längsten Briefe von ca. 14.000, die uns aus der Antike erhalten sind (Ausnahme Phlm:
Länge eines Papyrusblattes).
- Nach Adolf Deißmann, Licht vom Osten, Tübingen 1908, nicht Brief, sondern „Epistel“ =
Kunstbrief (eigentl. philos.-theol. Traktate; vgl. Briefe d. Seneca; Aristeasbrief: Traktat in
fiktiver Form eines Briefes). – Dagegen: an konkrete Gemeinden geschrieben; sprechen in
konkrete Situationen hinein; kursierten wohl als Rundbriefe. (Gilt auch für 1 Petr und Past:
fiktive Schreiben; anders Hebr: überhaupt kein eigentlicher Brief, sondern theol. Traktat, in
die Form eines Briefes gebracht, also eine „Epistel“.)
- Paulus-Briefe zeigen am ehesten Nähe zum antiken Freundschaftsbrief und zum
philosophischen Brief.
- 2 Kor: ursprünglich ein Brief oder Zusammenstellung mehrerer Briefe? – Vgl. z. B. Kap. 8-
9; 10-13 (4-Kapitel-Brief; Tränenbrief [?]: vgl. 2,4); ferner 1,1 - 2,13; 7,5-16; außerdem
6,14-18 bzw. bis 7,1: Eindruck eines Fremdkörpers, Dualismus mit Qumran-Nähe.
Eine Hypothese (J. Kremer):
° Vor Zwischenfall: Apologie des Amtes : 2,14 - 7,4
° Nach Zwischenfall: Tränenbrief: evtl. Kap.10-13
Aussöhnungsworte nach Titus-Rückkehr: 1,1 - 2,13; 7,5-16
° Vorher od. nachher: Kollektenbriefe 8-9.
- Röm 16: Grußliste aus späterer Zeit? – Eigener Grußbrief (von Milet oder Ephesus aus)?
Aber wahrscheinlich ist Röm 16 Teil des Römerbriefes!
- Phil: Wechsel des Tonfalls zwischen 1,1 - 3,1 und 3,2ff. – Vgl. Gnilka / Pesch: zwei oder
drei Briefe wurden kompiliert:
I. 4,10-20: Dankesbrief für Spende der Gemeinde
II. 1,1 - 3,1; 4,4-7.21-23: Gefangenschaftsbrief
III. 3,2 - 4,3.8-9: Kampfbrief.
- 1 Thess: vgl. etwa R. Pesch, Die Entdeckung des ältesten Paulusbriefes. Paulus – neu
gesehen, Freiburg 1984: wegen Doppelungen, Spannungen, Stimmungsänderungen
zumindest zwei Briefe angenommen:
I. Brief: [Präskript]
Danksagung 2,13-16
Rückblick auf Zugang 2,1-12
Sendung des Timotheus 2,17 - 3,5
Mahnungen 4,1-8
Schluß 3,11-13
[Schlußsegenswunsch]
II. Brief: Präskript 1,1
Danksagung und Rückblick auf „Zugang“ 1,2-10
Rückkehr des Timotheus 3,6-10
Bruderliebe – Entschlafene – Zeiten u. Fristen 4,9 - 5,11
Mahnungen 5,12-22
Schluß 5,23-26
Schlußsegenswunsch 5,28.
- Mit Möglichkeit einer Kompilation ist fallweise zu rechnen (etwa bei 2 Kor, ev. auch bei
Phil – ansonsten aber besser, die Einheitlichkeit der Briefe zu postulieren!); aber keine
Berechtigung zu literarkritischer „Scherenschnittexegese“, die überall unvereinbare
Spannungen oder Doppelungen erblickt und sogleich zu zerlegen sucht; zumindest für
Endredaktor waren es sinnvolle Textganzheiten.
° Absender: meist auch Mitabsender genannt; auf „Paulus“ folgt Intitulation („Apostel,
Knecht, Gefangener...“)
° Adressat: meist „die Kirche / Gemeinde [ekklēsia für beides: universal – einzeln, am Ort]
Gottes in ... [Ort, Gegend]“; auch: „an alle Heiligen ..., die sind in ...“ (Phil) bzw. „an alle,
die in Rom sind, die Geliebten Gottes, die auserwählten Heiligen“ (Röm)
° Eingangsgruß: „Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus
Christus“ (sechsmal, nur in 1 Thess kürzer. „Gnade euch und Friede“): Nicht nur Wunsch,
sondern wirksamer Zuspruch von Gnade und Friede (elementar) als Gottesgaben; Gnade:
bedingungsloses, endgültiges Ja Gottes zum Menschen (in Christus gezeigt, von Pls selbst
erfahren); Friede: umfassendes Heil als Ergebnis von Gottes Handeln.
- Hat auf Kirche bezogene Funktion: Gott schafft durch Mission des Paulus und Existenz der
Gemeinden seine Kirche, die das Evangelium von Jesus Christus weltweit verkünden und
bezeugen soll.
- Schreibmaterial: Papyrus und Tinte (rot / schwarz; schon in Ägypten: Schreiber mit Palette;
vgl. auch Ausstellung im Römermuseum Haltern); erstes Diktat häufig in Wachstafeln
(Diptychon, Triptychon, Polyptychon) mit Stilus eingeritzt; dessen anderes Ende zum
Korrigieren bzw. Glätten verwendet.
Tachygraphen schrieben auf Wachs oder Ton, seltener auf weichem Holz (Origenes etwa
beschäftigte 7 Tachygraphen und 7 Buchschreiber); auf Papyrus meist nicht kursiv, sondern
in Unzialen geschrieben.
- Schreibweise: ohne Tisch, mühevoll (vgl. aber Qumran: Skriptorium oder Triklinium?). –
Mühevoll war auch das Diktieren: Silbe für Silbe: Diktierpausen, Anakoluthen, evtl. auch
Stimmungsumschwünge.
Weil das Schreiben so mühevoll war (ca. 5 Stunden für 3 Seiten), wurden in der Regel nur
kurze Notizen eigenhändig geschrieben.
1.5.5 Deuteropaulinen
Lit.: Kirchschläger, Einführung 116-118; Lona, Hinführung 40-43; Heininger, Rezeption, in:
Wischmeyer (Hg.) 307ff.
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
167
- Verschiedene Briefe hinsichtlich pln. Echtheit umstritten: von Paulus? – von Sekretär? –
Wahrscheinlich von Schülern des Paulus bzw. Schülerkreis verfasst: relecture!
- Problem Pseudepigraphie: in Antike sehr verbreitet; richtiges Verständnis: Weiterführung
und Aktualisierung; Autorität beansprucht; weiteres „Verfasser“-Verständnis als heute.
- Heute weithin akzeptierte Auffassung:
° Proto-Paulinen: Röm, 1/2 Kor, Gal, Phil, 1 Thess, Phlm
° Deutero-Paulinen: Eph, Kol, 2 Thess,
° Tritopaulinen (Pastoralbriefe): 1/2 Tim, Tit (, Hebr).
Konkretisierung: Die Botschaft Jesu wird nun auf eine veränderte, konkrete
Gemeindesituation hin aktualisiert. Die Probleme und Fragen der frühen Kirche sind dabei
oft sehr ähnlich mit jenen Fragen, die wir heute an unseren Glauben richten.
10.1. Begriffsbestimmung
Neben Sammlung der Paulusbriefe („Corpus Paulinum“) enthält ntl. Kanon eine zweite
Gruppe von Briefen: sog. „katholische Briefe“: Jak; 1/2 Petr; 1/2/3 Joh; Jud.
Diese einzelnen Briefe sind seit früher Zeit, wie es scheint, nach den Namen der
traditionellen Verfasser, der Adressanten (= Sender; Präskripte: Adressant - Adressat -
Gruß) benannt, nicht nach den Namen der Adressaten (= Empfänger) wie die Paulusbriefe.
Wortbedeutung: „katholisch“ = ganz, umfassend, allgemein. Briefe für Allgemeinheit
bestimmt, nicht für eine spezifische Gemeinde (wie Paulusbriefe); deshalb „katholisch“.
Zusammengestellt wurden diese Briefe als eigene Teilsammlung vermutlich unter dem
Gesichtspunkt, dass sie keine Paulusbriefe waren und daher in jene Sammlung nicht passten.
Erste Spuren für die Bezeichnung von Einzelbriefen als „katholisch“ schon relativ früh:
bloßer Name begegnet schon bei Apollonius (197 n.): ein röm. Antimontanist gegen den
Montanisten Themison: Vorwurf: Themison habe in Nachahmung des Apostels
(wahrscheinlich Johannes) einen „katholischen Brief“ evpistolh.n kaqolikh,n verfasst! (nach
Eusebius, H. E. V 18,5). Frage allerdings: War damit unser heutiger 1 Joh gemeint? Dies ist
zumindest nicht beweisbar.
Hypothese: Viele1 vermuten, dass der Ursprung der Bezeichnung „katholischer Brief“ bei 1
Joh liegt, der im Unterschied zu 2+3 Joh keine Adressaten nennt. In Abhebung von diesen
beiden Schriften wurde 1 Joh vermutlich deshalb „katholisch“ genannt und diese Bezeichnung
wurde sekundär auf die gesamte Briefsammlung und so auch auf die einzelnen Briefe
übertragen.
Als Sammlung von Briefen spricht als erster der Kirchenschriftsteller Eusebius [265-339 n.]
(Hist. Eccl. II 23,25) von sieben Katholischen Briefen; auch er meint damit alle nicht-
paulinischen Briefe im NT.
Die Synode von Laodicea 360 n.(59. Kanon) zählt diese 7 Briefe unter dem gemeinsamen
Titel evpistolai. kaqolikai, auf; so auch der Osterfestbrief des Athanasius (367). Der älteste
Hss.-Beleg dafür ist p72 (III/IV; 1 Petr, 2 Petr, Jud)
Auch die Bezeichnung „Briefe“ ist in der Forschung nicht unumstritten: Jak, 1 Joh, Jud
erwecken eher den Eindruck von Predigten, Mahnreden, Paränesen; kaum Briefcharakter. In
diesem Punkt ist jedoch eine gewisse Trendumkehr bemerkbar, da das Studium der antiken
Epistolographie viele heute dazu veranlasst, den Begriff des antiken Briefes wesentlich weiter
1
Kümmel, Einl 663; Wikenhauser, Einl. 342.
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
170
zu fassen als früher, wo man für das NT in erster Linie die Paulusbriefe („Privatbriefe“) als
Maßstab heranzog.
Zur Terminologie: Während die griech. Kirche also früh von „epistulae catholicae“ sprach,
verwendete man im lateinischen Abendland lieber die Bezeichnung „epistulae canonicae“.
Man wollte damit zum Ausdruck bringen, dass sie im Unterschied zu anderen Schriften (z. B.
Barn; 1 Klem; Briefe des Ignatius / Polykarp, Phil), die nicht in den Kanon aufgenommen
wurden, zum kirchlichen Kanon gehören und deshalb Autorität beanspruchen
(endgültige Anerkennung aller 7 als kanonisch: Decretum Damasianum, 382 n. [älterer Teil
des späteren „Gelasianum“]) (Ausdruck „kanonische Br.“ allerdings jünger als „katholische
Br.“).
Sinn der Bezeichnung „katholisch“ war ursprünglich nicht, dass diese Briefe von Anfang an
in der ganzen Kirche (= katholisch) allgemein anerkannt wurden. „Katholisch“ hieß
ursprünglich nicht „kanonisch“, Briefe waren ja vielfach bis ins 4. Jh. (Syrien noch länger)
noch sehr umstritten.
Einzelne Briefe haben aber auch starke Bezüge zur Jesustradition (Jak) und zu anderen
urchristlichen Schriften außerhalb des Kanons (1 Petr - 1 Clem) reiche Bezüge bestehen
auch zum AT (Jak: Weisheitstradition: Sir) und zu atl. Apokryphen (Henochliteratur).
Die Kath. Briefe gehören also durchaus in das weitere Feld urchristlicher Literatur, die davon
Zeugnis gibt, wie das Kerygma der ersten Stunde rezipiert, verteidigt oder auch adaptiert
wurde. Wir sind durch diese Dokumente Zeugen dafür, dass die apostolische Überlieferung
verteidigt wurde, aber gleichzeitig auch in eine neue Zeit übersetzt wurde!
TIWALD / M 1: EINFÜHRUNG IN DAS NT
171
Die Entstehung der Kath. Briefe verdeutlicht aber auch, dass die vorhandenen älteren
Schriften, z. B. die Paulusbriefe, nicht mehr ausreichten, um christliches Leben zu
bewältigen. Neue Probleme riefen nach neuen Lösungen.
Als Phänomen wird dabei grundsätzlich deutlich, dass sich christliches Leben zunehmend an
den Anfängen zu orientieren sucht, weshalb man auch bedeutende Namen der apostolischen
Generation wählt. Sicherheit durch Kontinuität wird hier als theologisches Prinzip
erkennbar.
Die kath. Briefe schenken also Einblick in die Entwicklung der Kirche am Übergang von
der apostolischen zur nachapostolischen Zeit („1. Generation“ - „2. Generation“ / z. T. auch
2.-3. Generation)
Sie zeigen auf, welche Gefahren der Kirche drohten und wie sie dagegen vorging.
a) Abwehr von Irrlehrern (1 Joh; Jud; 2 Petr), die die apostolische Überlieferung und die
Ordnung der Kirche in Frage stellten (2 Petr)
b) Probleme in Zusammenhang mit der Erschlaffung des anfänglichen Enthusiasmus, der
Hoffnung, der christlichen Lebenspraxis (Jak) einer Kirche, die noch auf die nahe
Wiederkunft Christi wartete. Dazu gesellt sich das Phänomen gesellschaftlicher und
sozialer Isolation aufgrund der neuen religiösen Überzeugung. Das Thema Leiden wird
ein Zentralthema christlichen Lebens (1 Petr).
BIBELAUSGABEN
27
Novum Testamentum Graece / Ed. E. NESTLE / K. ALAND, Stuttgart 1998.
Münchener Neues Testament / COLLEGIUM BIBLICUM MÜNCHEN, Düsseldorf 1988.
Die Heilige Schrift : Einheitsübersetzung / KATHOLISCHES BIBELWERK / DEUTSCHE BIBELGESELLSCHAFT,
Stuttgart 1981.
LEHRAMTLICHE TEXTE
Die Interpretation der Bibel in der Kirche : Ansprache Seiner Heiligkeit Johannes Paul II. und Dokument
der Päpstlichen Bibelkommission / SEKRETATIAT DER DEUTSCHEN BISCHOFSKONFERENZ (Hg.), Bonn 21996
(VApS ; 115).
Das jüdische Volk und seine Heilige Schrift in der christlichen Bibel / PÄPSTLICHE BIBELKOMMISSION. Hg.
SEKRETARIAT DER DEUTSCHEN BISCHOFSKONFERENZ, Bonn 2001 (VapS ; 152).
APOKRYPHE SCHRIFTEN
H.-J. KLAUCK, Apokryphe Evangelien, Stuttgart 2002.
6
W. SCHNEEMELCHER (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, I-II, Tübingen 1990 /
6
1997.