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Schriftliches Referat:

Sozialethik von John Wesley

1
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
1. Definition von Sozialethik
2. Woher kommt Wesley's Sozialethik?
3. Was hat John Wesley getan?
II. Wesleynische Soteriologie als Voraussetzung der Sozialethik.
1. Original sin - der natürliche Zustand des Menschen
2. Prevenient grace - die vorlaufende Gnade
3. Justification by faith - die Verwandlung des Menschen (die rechtfertigende Gnade)
4. Holiness and sanctification - der verwandelte Mensch (die verwandelnde Gnade)
5. Die universale Liebe Gottes lehnt doppelte Prädestination ab
III. Maßstäbe für die Sozialethik
1. Gottesliebe und Nächstenliebe
2. Die Gebote
3. Vorbilder
4. Einsichten
IV. Ziele und Charakter der Sozialethik
V. Bewertung und was können wir lernen?
VI. Literaturen

I. Einleitung:

1. Definition von Sozialethik:


Die Sozialethik oder die Ethik des Sozialen handelt sich mit den Fragen nach
sozialer Gerechtigkeit und bezieht sich auf die politische, wirtschaftliche und rechtliche
Ebene. In der Bibel befindet sich eine solche ethische Reflexion wie soziale Schutzregeln
(z.B Exodus 22,20-26) und Königtum (1 Sam 8). Außerdem wird sie auch in der politischen
Philosophie Platons oder Aristoteles gefunden, mit dem Fokus auf individualethische
Überlegungen, sofern es um die politische und soziale Tugend der Bürger oder Amtsinhaber
und ihre Bildung oder einzelne Rechtsregeln geht (Rawls 1971/1988). Zusammenfassend
thematisiere die Sozialethik die normativen Grundlagen von Anerkennungs- und
Verteilungsansprüchen, wie sie etwa im Konzept der Menschenwürde oder den damit
zusammenhängenden Menschenrechten aufgerufen werden. Dabei haben die Menschen
sowohl bürgerlichen, politischen Freiheitsrechten als auch die wirtschaftlichen, sozialen und
kulturellen Menschenrechte, sofern sie die Bedingung der Inanspruchnahme der
Freiheitsrechte darstellen.1 In diesem Bereich leistete John Wesley auf der Grundlage seiner
soteriologischen Theologie (wird in Abschnitt II erwähnt) viele Beiträge für die damalige
Gesellschaft. Obwohl er selbst keine deutliche Sozialethik schuf, wurden seine Lehren
genutzt, um die ethische Entwicklung der Gesellschaft auf der Grundlage des Christentums
herbeizuführen.
2. Woher kommt Wesley's Sozialethik?
Seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts hat das Interesse an John Wesley
auf dem europäischen Kontinent zugenommen, insbesondere in Bezug auf die Verbindung
von Theologie und sozialer Aktivität. Die theologischen Wurzeln seines sozialen
Engagements wurden untersucht, wobei das Ziel darin besteht, die Wechselwirkung

1
Huber et al. (2015, S. 269–270)

2
zwischen sozialer Aktivität und ethischen Überlegungen herauszuarbeiten. Im 18.
Jahrhundert brachten soziale und wirtschaftliche Umwälzungen ethische Herausforderungen
in einer industrialisierten Gesellschaft hervor.2 Obwohl Wesley keine ausgeprägte
Sozialethik im modernen Sinne entwickelte, flossen seine direkten Erfahrungen mit sozialen
Missständen in Überlegungen und Handlungsperspektiven ein.
Wesley selbst hat keine eigenständige "Sozialethik" erfunden, sondern vielmehr
wurde diese Idee in seiner Sozialarbeit und seiner Predigt gefunden. Er lehnte die Aufteilung
der Religion in den privaten Bereich ab und glaubte an die nahtlose Integration von Glauben
und Leben. Die "erneuernde Gnade", die sowohl rechtfertigende als auch heiligende Gnade
umfasst, betonte sein Verständnis von göttlicher Aktivität, die zur Versöhnung und
Wiederherstellung der Menschheit führt.3 Seine Predigten zielten darauf ab, Gläubige zu
einer von Gottes Gnade geprägten Gemeinschaft zu vereinen. Wesley's Theologie
betrachtete die Bekehrung als den Beginn der Jüngerschaft, in der aktive und universelle
Liebe die christliche Jüngerschaft vorantreibt. Er lehnte die Trennung zwischen
Evangelisation und sozialer Aktivitäten ab und predigte ein ganzheitliches Evangelium vom
Reich Gottes, sowohl innerlich als auch äußerlich, auf Erden und im Himmel. Wesley hat
sich für die Lösung gesellschaftlicher Probleme, verwurzelt in der Verkündigung und
Verwirklichung des Evangeliums vom Gottes Reich, engagiert.

3. Was hat Wesley (und sein Heiliger Club) getan?


John Wesley engagierte sich früh im Heiligen Club in Oxford für die Armen. Anfangs
war es Teil seines Programms gutes Handeln, um sein eigenes Heil zu erlangen. Später
blieb die Überzeugung, den Armen gute Nachrichten zu bringen, konstant. Wesley begann
mit der Verkündigung des Glaubens und der Transformation durch Gnade. Kleine
"Klassentreffen" wurden für das christliche Wachstum und die Pflege etabliert. Wesley
sammelte Spenden für Bedürftige und reiste, wenn nötig persönlich, um Mittel zu erbitten. Er
besuchte regelmäßig Kranke, bot kostenlose medizinische Versorgung an und erforschte
Hygiene und Hausmittel für die Armen.
Mit eigenem Kapital schuf Wesley einen Darlehensfonds, schaffte Arbeitsplätze und
gründete Cottage-Industrien. Er befasste sich mit den Problemen eines harten Strafsystems
und den schrecklichen Bedingungen in Gefängnissen. Wesley und seine Anhänger
besuchten Gefängnisse regelmäßig, lieferten Hilfe, predigten gegen Missstände und
forderten Reformen. Wesley gründete Schulen für die Kinder der Armen, unterrichtete selbst
und förderte die Bildung Erwachsener. Er veröffentlichte günstige Bücher und predigte
gegen die Habgier der Oberschicht sowie gegen Sklavenhandel und Sklaverei. Trotz
anfänglicher erfolgloser Überzeugungsversuche unterstützte er später aktiv die
Abschaffungsbewegung und kämpfte für Reformen durch die Regierung.4

II. Wesleynische Soteriologie als Voraussetzung der Sozialethik


Um die Sozialethik John Wesley tiefer zu verstehen, tauchen wir zuerst in seiner
soteriologischen Theologie ein, die als Voraussetzung für Sozialethik gilt.
John Wesley wurde in einem christlichen Elternhaus geboren und aufgezogen. Seine
Theologie wurde von verschiedenen Strömungen beeinflusst, darunter die anglikanische und
patristische Tradition, die Lehren des englischen Puritanismus, des Luthertums und

2
Marquardt, Manfred (S. 10-11)
3
Wheeler, Sondra
4
Sondra Wheeler und Manfred Marquardt

3
schließlich der pietistischen Herrnhuter Bewegung. Wesley übernahm von den Herrnhuter
Luthers Lehre von der Rechtfertigung allein aus Glauben5. Anschließend formulierte er seine
eigene Lehre über die Einwirkung Gottes auf den Menschen und die Antwort des Menschen
auf Gottes als rechtfertigende und verwandelnde Gnade, die als Voraussetzung für die
Sozialethik betrachtet wird.
Es stellt sich hier eine Frage, ob diese Voraussetzungen erst beim gläubigen
Menschen, der sich auf dem Weg der Heiligung befindet, oder bereits beim unbekehrten,
"natürlichen" Menschen vorhanden sind und worin sich beide hinsichtlich der ethischen
Qualität ihrer Entscheidungen und Taten unterscheiden.

1. Original sin - der natürliche Zustand des Menschen


Wesley ist der Auffassung, dass die Gottebenbildlichkeit des Menschen im Sündenfall
zerstört wurde, aber durch Rechtfertigung, Wiedergeburt und Heiligung wiederhergestellt
wird. Aufgrund des Sündenfalls sind Menschen grundsätzlich von Gott getrennt und unfähig,
gute Werke zu tun. Wesley beschreibt die Verdorbenheit der menschlichen Natur gerne mit
dem Bild einer Krankheit, die den ganzen Menschen befallen hat. Diese Krankheit hat
zahlreiche Erscheinungsformen wie Gottlosigkeit, Eigenwille, Liebe zur Welt statt zum
Schöpfer, Vergeltungsstreben, Egoismus u. a. Die einzelnen Sünden sind nur Blätter und
Früchte, die am bösen Baum wachsen. Durch den Sündenfall ist die sittliche Ebenbildlichkeit
des Menschen vollständig verloren gegangen. Der Zustand der “original sin” betrifft nicht nur
das Individuum, sondern die gesamte Gesellschaft als auch Schöpfung.
Wesley führt soziale Probleme auf den Sündenfall der Menschheit zurück, wodurch Kriege
und Ausbeutung Anzeichen einer fundamentalen spirituellen und ethischen Lücke werden.
Der Mensch kann den Willen Gottes nicht erkennen, und moralische Appelle sind
wirkungslos. Wesley sieht einen "Schlaf der geistlichen Sinnesorgane", der den Menschen
dem Gericht Gottes ausgeliefert. Die Trennung kann nur von Gottes Seite aufgehoben
werden, aber es gibt einen Rest der Gottebenbildlichkeit im Menschen, der ein begrenztes
Bewusstsein für Gott bewahrt.

2. Prevenient grace - die vorlaufende Gnade


Gnade ist für Wesley der zentrale Begriff, der Gottes Handeln am Menschen in allen
Phasen des Heilsprozesses beschreibt. Sie durchbricht die Trennung zwischen Mensch und
Gott in Form von vorlaufender, rechtfertigender und verwandelnder Gnade. Wesley
vergleicht den Prozess der Heiligung mit einem Haus. Die vorlaufende Gnade ist wie die
Veranda, die Rechtfertigung ist die Tür und die Heiligung sind die Räume des Hauses, in die
wir eingeladen sind zu wohnen.6 Sowohl Rechtfertigung als auch Heiligung beschreiben das
Handeln Gottes und die menschliche Reaktion darauf. Gottes Handeln geht immer voraus,
oft bevor wir es bemerken. Diese Gnade, die uns erreicht, bevor wir uns dessen bewusst
sind, dass Gott uns sucht, soll uns sanft oder auch weniger sanft zu unserem wahren Sein
führen.7
Die Macht der Ursünde wird durch die Taufe gebrochen8, und der Mensch wird frei für die
vorlaufende Gnade Gottes, die im Zusammenspiel mit dem imago Dei-Rest (der Rest der
Gottebenbildlichkeit) im Menschen wirkt. Diese vorlaufende Gnade gewann Wesley aus
seinen eigenen Erfahrungen und Bibelstudien und ist für ihn eine Lösung für das ethische
5
Thomas Kraft (S.63)
6
The Principles of a Methodist Farther Explained, Works ed. Jackson 8, 472
7
Runyon (2005, S. 34)
8
Thomas Kraft S.65

4
Dilemma des Menschen. Da der natürliche Mensch unfähig zum Guten ist, braucht er eine
göttliche Gnade, die dem Menschen vorangeht, die Fähigkeit, sich für das Gute zu
entscheiden. Der Mensch wird durch die vorlaufende Gnade eine spirituelle Natur, was ein
natürliches Gewissen und der Wunsch, Gott zu gefallen, ermöglicht. Obwohl gute Werke in
diesem Zustand einen eingeschränkt guten Charakter behalten, befähigen die endgültige
Rechtfertigung und Heiligung den Menschen schließlich zu vollständig guten Taten. Dieser
Zusammenhang zwischen Anthropologie und vorlaufender Gnade ist entscheidend für
Wesley's Sozialethik, da er auch Nichtgläubige in die Verantwortung für ihr Handeln
einbezieht und sie für ethische Appelle ansprechbar macht.

3. Justification by faith - die Verwandlung des Menschen (die rechtfertigende


Gnade)
Für Wesley öffnet erst die vorlaufende Gnade dem Menschen die Möglichkeit, das
Heilsangebot Gottes anzunehmen. Die erwartete Antwort des Menschen ist der Glaube, der
die erneuernde/rechtfertigende Gnade Gottes (saving grace oder justifying grace) wirksam
werden lässt, was Rechtfertigung und Wiedergeburt zur Folge hat. Im Gegensatz zu Luthers
Vorstellung von der “imputatio der iustitia Christi” (die Gerechtigkeit Christi betonte Wesley
jedoch stärker die transformative Kraft der Gnade, die eine Neuschöpfung des Menschen im
Kontext von Schöpfung und dem durch den Sündenfall entstellten Zustand bewirkt. Die
zerstörte Ebenbildlichkeit Gottes im Menschen wird wiederhergestellt, und der rudimentäre
Imago Dei-Rest erfährt Vollständigkeit. Dieser Prozess erneuert den gesamten Menschen,
einschließlich Denken, Handeln, Verstand, Wille und Affekte. Die erneuernde Gnade verleiht
dem Mensch eine andere Qualität in Bezug auf seine ethische Erkenntnis- und
Leistungsfähigkeit. Die durch Christus erworbene Erlösung führt gemäß Wesleys Auffassung
durch die Rechtfertigung zur inneren Heiligkeit (holiness) des Herzens. Dieser Zustand setzt
einen lebenslangen Prozess der Heiligung in Gang, in dem die Gnade im Herzen und Leben
des Menschen immer mehr Gestalt annimmt.

4. Holiness and sanctification - der verwandelte Mensch (die verwandelnde


Gnade)
Wesley's Theologie betont den untrennbaren Zusammenhang zwischen
Rechtfertigung und dem praktischen Vollzug des göttlichen Willens im täglichen Leben. Die
"Heiligung" ist für ihn zentral und wird durch die Aldersgate-Street-Erfahrung gestärkt, was
die Position des Glaubens in Bezug auf die Heiligung betont. Heiligung definiert er als
fortgesetzte Folge von guten Werken, die sowohl eine Folge der Erneuerung durch Gnade
als auch ein Mittel zur Förderung der Heiligung sind. Dieser lebenslange Prozess, bei dem
die Gnade Gottes wirkt, beinhaltet die zentrale Bedeutung der Liebe zu Gott und zum
Nächsten, die sich in guten Werken äußert.
Wesley's Konzept der Heiligung ist sozial ausgerichtet, und die Gemeinschaft der
Gläubigen ist entscheidend für die Umsetzung. Er lehnt Vereinzelung ab und betont die
Bedeutung sozialer Heiligkeit. Die Bildung der Methodist Societies dient als
organisatorisches Mittel zur Umsetzung des Heiligungsprogramms.
In Wesley's Denken löst die Rechtfertigung durch Gottes Gnade einen dynamischen
Prozess der Lebensveränderung aus, der alle Lebensbereiche einschließt. Die fortgesetzte
Folge von guten Werken hat auch soziale Auswirkungen, insbesondere durch die karitativen
Bemühungen, die von Anfang an die gesamte Gesellschaft einschlossen. Die Vorstellung
eines möglichen Zustands perfekter Liebe für jeden Christen verleiht dem Heiligungsprojekt

5
einen optimistischen Charakter und hat soziale Implikationen im Kontext der Ablehnung der
calvinistischen Prädestination und der Option für die ärmeren Bevölkerungsschichten.

5. Die universale Liebe Gottes lehnt doppelte Prädestination ab


Wesley lehnte die calvinistische Lehre der doppelten Prädestination ab, die besagt,
dass Gott von Ewigkeit her vorherbestimmt hat, welche Menschen er zur Erlösung führen
und welche er für die Verdammnis bestimmen wird. Er schloss sich der Ansicht von Jacobus
Arminius an, der eine göttliche Vorbestimmung jedes Einzelnen zum Heil oder Unheil
ablehnte. Wesley betonte die Verantwortung des Menschen und entfernte sich von der
damals verbreiteten theologischen Vorstellung in England.
Die Prädestinationslehre hatte soziale Auswirkungen, indem sie den Status eines Menschen
an seinem Leben ablesbar machte und soziale Verhältnisse zementierte. Wesley lehnte dies
ab, da es seinem Gottesbild widersprach und argumentierte, dass Prädestination die
Motivation für gute Werke und das Streben nach Heiligung zerstöre. Seine Ablehnung hatte
auch eine soziale Komponente: Prädestination beeinträchtige das Zusammenleben, indem
sie die Aufmerksamkeit von den Nöten des Nächsten abwendet. Wesley betonte die
universale Liebe Gottes und die Geltung der Erlösung für alle Menschen, was zu seiner
öffentlichen Kritik an der Prädestination führte. Diese Betonung der universalen Liebe Gottes
hatte soziale Auswirkungen, da sie die Missstände in der Gesellschaft, wie die
Lebensbedingungen der unteren Klassen und den Sklavenhandel, in Frage stellte. Wesley
sah einen Lebensvollzug ohne Berücksichtigung der universalen Liebe Gottes als
praktischen Atheismus an und legte damit den Grundstein für seine Sozialkritik.

III. Maßstäbe der Sozialethik:


Im Verständnis von John Wesley ergibt sich aus der Gnade Gottes die
grundsätzliche Möglichkeit verantwortlichen Handelns für alle Menschen. Die Frage nach
ethisch gebotenem Tun, Motiven und Maßstäben für Orientierung und Ausrichtung wird
aufgeworfen. Es gilt, historisch gegebene Gebote und ethische Herausforderungen neu zu
bewerten und Maßstäbe für moralisches Handeln in verschiedenen sozialen Kontexten zu
suchen.

1. Gottesliebe und Nächstenliebe:


Die Erkenntnis der bedingungslosen Liebe Gottes, insbesondere durch den Glauben
an Christus, bildet für Wesley die Grundlage für die Liebe zu Gott und zum Nächsten
Wesley betont, dass die Liebe, sowohl zu Gott als auch zum Nächsten, das
Fundament für alles im eigentlichen Sinne Gute bildet. Er unterscheidet zwischen äußerem,
vorläufigem Handeln und einer inneren Erneuerung durch Gottes Gnade, die von der Liebe
motiviert ist. Die Vorstellung von Liebe als zentraler Bestandteil wahrer Frömmigkeit
beeinflusst Wesley’s Ethik maßgeblich.
a) Gottes Liebe zu allen Menschen:
Die universale Liebe Gottes zu allen Menschen steht im Gegensatz zur calvinistischen
Prädestinationslehre und zum atheistischen Humanismus. Wesley argumentiert, dass Liebe
zu Gott notwendigerweise die Liebe zum Nächsten hervorbringt und beides untrennbar
miteinander verbunden ist.
+ Die calvinistische Vorstellung der Vorherbestimmung sieht er als Verzerrung des
Evangeliums an, die nicht nur den Trost des Glaubens, sondern auch den Eifer für
gute Werke und die Liebe zu einem Großteil der Menschheit zerstört. Die
Prädestinationslehre sei auch als gefährlich für das individuelle Glaubensleben, da

6
sie eine Verbindung zwischen Gott und der Sünde impliziert. Für ihn widerspricht
dies dem Wesen Gottes als liebevolles Wesen. Seine Ablehnung der Prädestination
hat nicht nur theologische, sondern auch soziale Implikationen. Er argumentiert, dass
die Lehre sozialen Zusammenhalt behindert, indem sie die Aufmerksamkeit von den
Bedürfnissen der Mitmenschen ablenkt.
+ Gegenüber dem atheistischen Humanismus der Aufklärung nimmt Wesley eine klare
Position ein. Die Liebe zu Gott sei die Quelle und Voraussetzung für die Liebe zu den
Menschen. Das Leugnen oder Vernachlässigen dieser Ursache (die Liebe zu Gott sei
die Quelle und Voraussetzung für die Liebe zu den Menschen) führt seiner Ansicht
nach zu einem sinnentleerten Humanismus. Damit wendet er sich gegen den
Versuch, Liebe und Humanität von der Gottesliebe zu trennen.

b) Nächstenliebe als Wirkung der Gottesliebe:


Die Nächstenliebe als Ergebnis der Gottesliebe ist wesentlich für Wesley. Durch die Liebe
Gottes erneuert und im Glauben geschenkt, wird der Mensch befähigt, diese Liebe an seine
Mitmenschen weiterzugeben. Wesley's Ethik betont die Selbstlosigkeit und universale
Ausrichtung der Nächstenliebe, frei von jeglicher Wertung oder Einschränkung. Die Liebe zu
allen Menschen wird als vernünftig und geboten dargestellt, unabhängig von individuellen
Unterschieden. Wesley erörtert die Herausforderungen des Wachstums in der Liebe und
hebt die Bedeutung von Glaube und Liebe als untrennbar hervor. Seine Ethik gründet auf
dem Grundsatz, dass wahre Heiligkeit in der Liebe und der Verwirklichung des Liebesgebots
liegt.

2. Die göttlichen Gebote:


Gottes Gesetz spielt keine Rolle bei der Rechtfertigung nach Wesley, die allein durch
den Glauben an Christus erfolgt. Dennoch leugnet er nicht die Gültigkeit des Gesetzes für
das ethische Handeln nach der Rechtfertigung.

a) Der Inhalt des Gesetzes:


Das göttliche Gesetz, ursprünglich im Herzen von Engeln und Menschen verankert, wurde
durch den Sündenfall ausgelöscht. Um die Menschen dennoch zu leiten, gab Gott das
Sittengesetz, bestehend aus moralischen Geboten. Wesley's Fokus liegt auf dem Dekalog
und der Liebe zu Gott und zum Nächsten. Er betont, dass das Zeremonialgesetz nicht mehr
gilt, während der Dekalog und seine Auslegungen durch die Propheten und Christus
weiterhin Gültigkeit haben. Die Liebe wird als die Erfüllung des Gesetzes betrachtet.

b) Der Gebrauch des Gesetzes:


Wesley unterscheidet verschiedene Funktionen des Gesetzes. Für Ungläubige dient es
dazu, sie von ihrer Sündhaftigkeit zu überzeugen und sie zur Buße zu führen. Es ist ein
Zuchtmeister auf dem Weg zu Christus und lehrt, Hilfe von Christus zu suchen und ist
Ausdruck der rettenden Liebe Gottes. Für Gerechtfertigte ist das Gesetz nicht mehr zur
Rechtfertigung notwendig, aber es hat weiterhin Bedeutung. Es überführt sie ihrer
verbleibenden Sünde, führt sie zu Christus und fördert einen neuen Gehorsam aus
kindlicher Liebe. Das Gesetz zeigt die wahre Natur der Gedanken, Worte und Taten auf und
bringt die Gläubigen dazu, sich von Christus Kraft geben zu lassen, um Gottes Gebote zu
erfüllen. Wesley’s Lehre betont, dass die Liebe die Erfüllung des Gesetzes ist und dass das
Gesetz in der Verbindung mit Christus seine wahre Wirkung entfaltet.

7
3. Vorbilder:
Um ein gottgefälliges Leben zu führen, dienen Christen nicht nur den biblischen
Geboten als Leitlinien, sondern auch Vorbilder aus vergangenen und gegenwärtigen Zeiten.

a) Christus:
Wesley sieht in Christus das Zentrum göttlicher Liebe, einen Erlöser und perfekten Lehrer.
Die Nachahmung Christi besteht für ihn nicht in äußeren Taten, sondern darin, von Liebe
erfüllt zu sein und sie im Handeln zu zeigen. Die Vollkommenheit liegt in der Übernahme der
Gesinnung Christi, besonders nach der Wiedergeburt. Nachfolger sollen Christi Liebe durch
Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Mitgefühl ohne eigene Vorteile zum Ausdruck bringen.
Diese Liebe zum Nächsten entspringt laut Wesley der inneren Verbindung mit Christus. Die
Nachfolge Jesu bedeutet, seine Gesinnung zu teilen und Gutes zu tun. Wesley betont
jedoch wenig konkrete Anweisungen, da er den Fokus auf das Handeln aus der Gesinnung
Christi legt, das sich in ethischen Situationen konkretisiert.
Trotzdem hebt Wesley hervor, die unbegrenzte Liebe Jesu zu den Ärmsten und
Verachtetsten im Blick zu behalten, um mitmenschliches Verhalten positiv zu beeinflussen.
Christus, als höchste Autorität, manifestiert sich nicht durch Macht, sondern durch dienende
Liebe.
b) Andere Menschen:
Das Urchristentum hat für Wesley einen hohen Stellenwert als Vorbild, insbesondere durch
die starke Glaubenskraft und Liebe der ersten Christen. Auch nach 1738 behält das
Urchristentum seine Bedeutung als grundlegendes Kriterium für den Methodismus bei.
Wesley betonte die Übereinstimmung des Methodismus mit den "allgemeinen
Grundprinzipien des Christentums" seit der Urchristenheit. Er sah Vorwürfe als Bestätigung
und Auszeichnung an und bewunderte besonders den hohen Grad der Liebe in den ersten
christlichen Gemeinden. Für seine Gemeinschaften sollten nicht äußere Vorschriften,
sondern Taten und Einrichtungen aus bedingungsloser Liebe, wie der
Krankenbesuchsdienst und Hilfe für Bedürftige, als Vorbilder gelten. Die Ähnlichkeit mit
urchristlichen-Projekten wurde erst später erkannt und diente Wesley zur Rechtfertigung von
Entscheidungen, z. B. der Einbeziehung von Frauen im Besuchsdienst oder der Ausstellung
von Mitgliedskarten als "Empfehlungsbriefe" für auswandernde Methodisten. Er betont die
Bedeutung von Liebe und den geistigen Gehalt als entscheidende Elemente für die
Nachahmung.

Wesley legte großen Wert darauf, dass die Übereinstimmung im "einfachen, alten
Christentum" wichtiger sei als die Richtigkeit dogmatischer Meinungen. Diese Überzeugung
ermöglichte ihm eine breite Toleranz gegenüber unterschiedlichen Ansichten, selbst wenn er
nicht in allen Punkten zustimmte. Sowohl seine Mutter als auch William Law und andere
christliche Persönlichkeiten, selbst wenn er nicht in allem mit ihnen übereinstimmte, dienten
ihm als Vorbilder. Die Einheit in zentralen Glaubensfragen war für ihn bedeutsamer als
Meinungsverschiedenheiten in Nebenfragen. Diese Haltung spiegelte sein Verständnis von
Vielfalt im christlichen Glauben wider. Wesley sah zeitgenössische Persönlichkeiten als
Vorbilder. Die Vorbilder dienen als exemplarische Zeugnisse und haben einen
pädagogischen Wert für Kinder und Erwachsene. Wesley schätzt ihre Rolle in der sozialen
Aktivität und im Streben nach einem christlichen Leben.

8
4. Einsichten:
Wesley's Standards der Sozialethik beschränken sich nicht auf Gebote und
Beispiele, sondern sollen zahlreiche Beobachtungen und Überlegungen erfordern. Sie
tragen dazu bei, gesellschaftliche Herausforderungen zu erkennen und entsprechende
Theorien und praktische Maßnahmen zu entwickeln.

a) Die Bedeutung der Vernunft:


Einer Ansicht eines Theologen und Kulturphilosophen widerspricht Wesley in einem Brief
von 1745, in dem er erklärt, dass die Methodismus-Religion die Vernunft nicht vertreibt,
sondern zu ihrer höchsten Vollkommenheit erhebt. Obwohl Wesley einige überholte
Ansichten, wie die Existenz von Hexen, nicht aufgab, spielten solche Auffassungen in seiner
Verkündigung eine minimale Rolle. Er lehnte entschieden jede Obskurität und Berufung auf
Träume als Quelle religiöser Erkenntnis ab. Wesley betonte den rationalen Aspekt des
biblischen Christentums und war nicht bereit, verbindliche Aussagen auf Gefühle zu stützen.
Sein Verständnis von Schrift, Vernunft und Erfahrung zeigte, dass diese beiden letzteren die
Schrift verstehen und anwenden, aber in grundlegenden Aussagen nicht widersprechen
sollten. Wesley betont, dass die Vernunft nicht die Offenbarung Gottes ersetzen könne, da
beide auf Gott als Quelle zurückgehen.

b) Die Aufgaben der Vernunft


Wesley's ontologische Aussagen über die Vernunft werden auf ihre Auswirkungen im
Gebrauch und ihre Rolle in Ethik und Theologie fokussiert. In Bezug auf die Ethik bedeutet
Vernunft für Wesley, die universale Liebe und die Gebote vernünftig in die Lebenspraxis
einzuführen. Der Heilige Geist erleuchtet den Verstand, um die Bedürfnisse anderer zu
erkennen und mit Liebe wirksam zu helfen. Die Erkenntnis des göttlichen Willens erfordert
oft keine spezifischen Gebote, sondern die Anwendung der allgemeinen Regel, Gutes zu
tun. Diese Einordnung der Vernunft ermöglicht es Wesley, flexibel auf soziale
Herausforderungen zu reagieren, für gleiches Handeln zu werben und das Liebesgebot in
der Ethik ohne Einschränkung der Autorität der Heiligen Schrift zu etablieren.

IV. Ziele und Charakter der Sozialethik:


Wesley legte nicht nur Motive und Maßstäbe, sondern auch Ziele des sozialen Handelns
fest, wobei die Erneuerung des Einzelnen im Fokus steht. Die Zielsetzung seiner
Verkündigung ist zweifach: individuelle Erneuerung durch Gottes Gnade und Aktivierung zu
einer gesellschaftlichen Veränderung von innen heraus.

1. Die Erneuerung des Einzelnen


Die Evangelisation richtete sich an das Individuum und hatte zunächst die Erneuerung des
Einzelnen im Blick, bevor sie sich auf das gesamte Volk, andere Nationen und die
Menschheit als Ganzes erstreckte. Die primäre Priorität liegt in der Erneuerung des
Einzelnen, als notwendige Voraussetzung für die gesellschaftliche Veränderung.

a) Selbstbewusstsein und sittliches Verhalten


Wesley betont den Wert des Individuums und seiner unsterblichen Seele, im
Gegensatz zur Vermassung des Industrieproletariats. Durch die Verkündigung der Liebe
Gottes versucht er, die Menschen zu sittlichen Veränderungen zu bewegen. Die Sozialarbeit
Wesleys führte dazu, dass religiös Gleichgültige und ethisch Verwahrloste zu einem neuen
Leben fanden. Seine Grundthese betont die Heilung des kranken Willens, was in vielen
Fällen zu sittlichen Verbesserungen und sozialen Veränderungen führt. Der Methodismus
hat die Triumphe in den Unterschichten, besonders bei den Arbeitern, die durch Wesley eine
Erhebung der geistigen Persönlichkeit erfahren. Die Lehre von der Heiligung trägt zu einer

9
dynamischen Erneuerungsbewegung bei, indem die Gemeinschaft der Bekehrten zur Quelle
wachsender Verbesserungen in ihrer Umwelt wird.

b) Verantwortung und Solidarität


Wesleys Sozialethik basiert auf der untrennbaren Verbindung von Liebe zu Gott und
Nächstenliebe. Sie betont Verantwortung und Solidarität, abgelehnt werden Mystik und
Selbstgenügsamkeit. Die Definition von Gut und Böse orientiert sich am Wohl der
Menschheit. Wesley sieht ethisches Handeln als Heilung für eine in Unordnung geratene
Welt. Sein ganzheitliches Verständnis des Heils basiert auf dem Alten Testament und der
Schöpfungslehre. Die Methodisten fördern soziale Sensibilität, Solidarität mit Bedürftigen
und Verzicht auf Vorurteile. Obwohl ihre Leistung angesichts der sozialen
Herausforderungen des 18. Jahrhunderts nicht vollständig befriedigend war, haben Wesley
und seine Anhänger die Grundlagen für die Lösung sozialer Probleme geschaffen, indem sie
soziale Sensibilität und solidarisches Bewusstsein förderten.

2. Die Erneuerung der Gesellschaft


Wesley strebt die Verankerung der "Religion der Liebe" in der Welt an, nicht nur durch
individuelle Bekehrung, sondern auch durch gesellschaftliche Erneuerung. Die Frage ist, ob
seine Sozialethik nur individuelle Beziehungen betrifft oder auch gesellschaftliche Strukturen
und Institutionen einbezieht.

a) Herkunft und Auftrag staatlicher Macht


Wesley betrachtet staatliche Macht als von Gott abgeleitet. Er unterstützt die konstitutionelle
Monarchie als beste Staatsform, betont jedoch gleichzeitig die Verantwortlichkeit der
Herrscher vor Gott. Wesley zweifelt an der Regierungsfähigkeit des Volkes und lehnt die
Demokratie ab. Er unterstreicht die Loyalität zum Monarchen als religiöse Pflicht.

Wesley unterstützt die konstitutionelle Monarchie auf drei Ebenen:


+ Staatliche Gewalt ist von Gott abgeleitet, unabhängig von der Staatsform. Wesley
lehnt Demokratie aus rationalen, historischen und theologischen Gründen ab.
+ Zweifel an der Regierungsfähigkeit des Volkes führen Wesley dazu, die Herrschaft
von Königen, Ministern und Parlamenten zu befürworten. Er warnt vor den Folgen
von Machtansprüchen durch uninformierte Bürger.
+ Wesley sieht keinen Grund zur politischen Unzufriedenheit in England und lobt die
konstitutionelle Monarchie als die beste Staatsform. Kritik richtet er nur auf einzelne
Missstände, nicht auf grundlegende staatliche Elemente.

b) Abzulehnende Veränderungen
Wesley betont in seinen sozialen Überlegungen die methodistischen Bemühungen,
Menschen glücklich zu machen und ihre Leiden zu mindern. Trotz der Offenheit für sozialen
Aufstieg durch Bildung und Fleiß warnt er vor Unzufriedenheit, da sie zu öffentlichen
Unruhen führen könnte. Daher lehnt er die Einführung demokratischer Ordnungen in
kirchlichen oder staatlichen Bereichen ab und setzt sich für eine hierarchische Struktur ein.
Diese Ablehnung begründet sich nicht nur in seinem persönlichen Ehrgeiz, sondern auch in
der Abwehr von Vorwürfen gegen die Methodisten als Unruhestifter und Verräter.

c) Mögliche Wege der Erneuerung:


In Wesley's Sicht ist die zentrale Möglichkeit zur Erneuerung der Gesellschaft die
individuelle sittliche Veränderung. Die Überwindung von Bosheit durch einen Wandel im
Verhalten und Charakter, getragen von Glaubensgehorsam, wird nach Wesley zu Frieden
und Wohlergehen für alle führen. Die methodistischen Gemeinschaften dienen als
Übungsfelder für dieses Verhalten, während der Kampf gegen gesellschaftliche Übel eine
breitere Wirkung gegen weit verbreitete Korruption ermöglicht. Wesley spricht öffentlich
Probleme wie Sklaverei an, bleibt jedoch vorsichtig und fordert keine tiefgreifenden

10
strukturellen Reformen des Staatsystems. Wesley erkennt die Bedeutung von institutionellen
Veränderungen, betont jedoch die Notwendigkeit eines persönlichen Ethos der
Verantwortlichen. Er bleibt jedoch blind für die begrenzten Wirkungen persönlicher und
lokaler Anstrengungen innerhalb eines bestehenden Systems.

V. Bewertung der Sozialethik John Wesleys. (Was können wir von ihm lernen?)
Nach einer umfassenden Betrachtung der Sozialethik von John Wesley sowie ihrer
Prinzipien und praktischen Auswirkungen, ist es nun notwendig, eine theologische
Bewertung vorzunehmen. Dabei sollen Stärken und Schwächen herausgearbeitet werden.

1. Die Schwächen der Sozialethik Wesleys


Wesley's Lehre und Beispiel führten, nicht zuletzt durch spätere Vereinseitigungen,
zu Fehlentwicklungen. Einige dieser Schwächen sollen hier näher betrachtet werden.9

a) Die konservative Staatsauffassung


Wesley's uneingeschränkte Unterstützung des Staates, besonders in Bezug auf die
Königstreue, führte dazu, dass Kritik am Staat vermieden wurde. Die Prediger erhielten das
Verbot, über politische Themen zu predigen, außer wenn es um die Verteidigung des Königs
ging. Dies führte dazu, dass die offiziellen Vertreter des Methodismus zu kritikunfähigen
Stützen der Gesellschaft wurden und die gesellschaftsverändernde Kraft der Bewegung
untergraben wurde.
b) Der Verzicht auf strukturelle Änderungen der Gesellschaft
Wesley verzichtete auf die Forderung nach grundlegenden Veränderungen gesellschaftlicher
Strukturen. Obwohl er viele soziale Missstände anprangerte, forderte er keine
systematischen Reformen. Sein Fokus lag auf der individuellen Veränderung und privaten
Initiativen, was langfristig nicht ausreichend war, um gesellschaftliche Ungerechtigkeiten zu
beseitigen.
c) Die mangelhaften Kenntnisse kausaler Zusammenhänge
Wesley's Ratschläge zur Bewältigung größerer sozialer Aufgaben offenbarten oft eine
Unkenntnis tieferer politischer oder ökonomischer Zusammenhänge. Seine
Lösungsvorschläge wirkten mitunter naiv und oberflächlich, bedingt durch seine
Befangenheit in politischen Fragen und die fehlende Auseinandersetzung mit umfassenden
Forschungsergebnissen.

=> Insgesamt zeigen diese Schwächen, dass Wesley's Sozialethik durch zeitgebundene
persönliche Einstellungen begrenzt war. Trotz dieser Mängel kann sein ethischer Ansatz, der
in der systematischen Betrachtung als nicht wesentlich betrachtet wird, weiterhin
inspirierend wirken.

2. Die Stärken der Sozialethik Wesleys:


Die Stärken von Wesley's Sozialethik lassen sich in vier zentralen und komplementären
Begriffspaaren zusammenfassen.10

a) Glaube und Werke


Wesley's Ethik zeichnet sich durch die ausgewogene Verbindung von Glaube und Werken
aus. Obwohl die Gefahr einer Abkehr zur Werkgerechtigkeit besteht, bewahrt diese

9
Marquardt, Manfred (S. 178ff)
10
Marquardt, Manfred (S. 180ff)

11
Verbindung die reformatorische Qualität seiner Soteriologie. Werke stehen dem Glauben
untergeordnet, bleiben jedoch als notwendige Frucht des Glaubens untrennbar mit diesem
verbunden. Diese Verbindung verleiht der Ethik eine eigenständige Position und stellt sicher,
dass der Glaube sich in guten Werken manifestiert, was wiederum die Authentizität und
Lebenskraft des Glaubens unterstreicht.

b) Liebe und Vernunft


Die Liebe steht im Zentrum des biblischen Moralgesetzes und die konkreten Anweisungen
der Sozialethik ergeben sich aus einer vernünftigen Anwendung des Liebesgebots. Diese
Verbindung ist von entscheidender Bedeutung für die Ethik. Die Liebe zu anderen
Menschen, entstand aus der bedingungslosen Liebe Gottes, schafft die Grundlage für
soziales Engagement, Sensibilität, Solidarität und Mitgefühl. Vernünftige Überlegungen
ermöglichen es der Ethik, sich den Anforderungen der jeweiligen Situation anzupassen und
ethische Muster flexibel zu gestalten.

c) Individuum und Gesellschaft


Die Erneuerung des Einzelnen durch Rechtfertigung und Heiligung war Wesleys primäres
Anliegen, mit dem Ziel, durch veränderte Individuen eine schrittweise Veränderung der
Gesellschaft herbeizuführen. Bekehrte werden nicht isoliert, sondern aktiv dazu ermutigt,
ihre christlichen Werte im weltlichen Lebensbereich zu praktizieren. Methodistische Gruppen
dienen nicht nur der individuellen Identitätsfindung, sondern auch als Basis für soziale
Aktivitäten. Sie fördern demokratische Grundregeln und haben historisch dazu beigetragen,
Menschen in führende Positionen der Gewerkschafts- und politischen Reformbewegungen
zu entwickeln.
d) Praxis und Theorie
Wesley gilt als bedeutender Sozialreformer, weil es ihm gelang, sozialethische Theorie und
Praxis eng miteinander zu verknüpfen. Seine Theorie entfaltet ihre Eigenständigkeit
besonders in Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Problemen. Durch ständige
Beobachtung und Kontakt mit verschiedenen Bevölkerungsgruppen entwickelt Wesley
Lösungsansätze, setzt sie praktisch um und reflektiert ihre Effektivität. Dies fördert nicht nur
die Früherkennung sozialer Probleme, sondern betont auch die Notwendigkeit praktischer
Umsetzung. Obwohl nicht alle seine Lösungsvorschläge immer treffend waren, inspirierte
seine Vorgehensweise humanitäre Wellen und trug zu weitreichenden Reformen bei.

=> Insgesamt kann Wesley’s Ethik, basierend auf der universalen Liebe Gottes und einer
vernünftigen Situationsanalyse, nicht nur als wegweisend für seine Zeit betrachtet werden,
sondern bietet auch heute wertvolle Impulse für die ethische Reflexion und die Integration
sozialer Verantwortung in das Leben von Christen und Nichtchristen.

3. Was können wir von Wesley’s Sozialethik lernen?


Wesley’s Sozialethik spielt eine große Rolle in verschiedenen Bereichen. In der
modernen Kirche wird oft entweder Anbetung oder Mitgefühl betont. United Methodist betont
beides, aber Wesley zeigt, dass das Empfangen der Gnade und Liebeswerke zwei Seiten
derselben Realität sind – die Aktivität der Gnade Gottes. Durch Wesley's Leben könnten wir
die Nahtlosigkeit von Glauben und Leben wiederherstellen, um unserer Verkündigung
Konkretheit und Glaubwürdigkeit zu verleihen und unseren sozialen Projekten Einblick,
Realismus und Ausdauer zu geben.

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Die Rechtfertigung hat zeitliche und psychologische Priorität, geschieht jedoch nicht um ihrer
selbst willen, sondern für Versöhnung und Wiedervereinigung mit Gott. Die Heiligung ist
untrennbar damit verbunden und die Sehnsucht nach Rechtfertigung ohne Heiligung ist
widersprüchlich.
Wesley lehrt, dass wir nicht zwischen Evangelisation und sozialem Handeln wählen
müssen, da beide Dimensionen der Gnade Gottes sind. Wesley's Evangelium verkündet das
beständige Reich Gottes. Trotz unserer besten Bemühungen ist es nicht möglich, im Reich
Gottes zu verweilen, während wir uns in einer sicheren Ecke der Welt aufhalten. Wesley ruft
dazu auf, nicht als Wohltäter, sondern als Freunde unter den Armen und Machtlosen zu
dienen.11
Von Wesley können wir für heute im Bereich „Menschenrecht“ lernen, dass die
Glaubensfreiheit ein unveräußerliches Recht ist, das jedem Menschen zusteht. Diese
Freiheit, seinen Glauben gemäß dem eigenen Gewissen und der besten Erkenntnis
anzubeten, ist untrennbar mit der menschlichen Existenz verbunden. Jeder Mensch ist vor
Gott selbst verantwortlich und hat das Recht, seinen Glauben unabhängig von äußeren
Einflüssen zu wählen. Bei der Glaubensfreiheit ist es wichtig zu betonen, dass wir die
individuelle Entscheidungsfreiheit und Verantwortung jedes Einzelnen respektieren und
schützen sollten.12
Wesleys Überzeugung gegen Sklaverei ermutigt uns, sich gegen Ungerechtigkeit zu
erheben, selbst wenn es unbequem ist und Widerstand erfordert. Obwohl Wesley sich
zunächst nur langsam gegen die Sklaverei engagierte, wurde er später ein vehementer
Gegner dieses Systems. Sein Schrift "Thoughts upon Slavery" von 1774 (auf den Arbeiten
des Quakers Anthony Benezet basiert) spielt eine bedeutende Rolle zur Abschaffung der
Sklaverei, mit dem er gegen die Sklaverei auf der Grundlage von Vernunft und Humanität
und forderte die Befreiung aller Menschen argumentierte. Sein Einsatz trug zur Gründung
von Organisationen wie der "Society for the Abolition of Slave Trade" bei und beeinflusste
maßgeblich die öffentliche Meinung zur Sklaverei. Sein Vermächtnis lebt weiter in der
Bewegung für soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte.13
Im Umgang mit der Umwelt können wir von Wesleys Einsichten lernen. Obwohl die
Umweltfrage in seiner Zeit kein großes Thema ist und nicht viel mit Theologie zu tun hat,
gehört Umweltschutz heutzutage zu einem der wichtigsten Probleme. Wesleys Interesse an
den Naturwissenschaften und sein Werk "A Survey of the Wisdom of God in the Creation"
zeigen, dass er die Natur als Ausdruck der göttlichen Weisheit betrachtete. Er erkannte die
Vielfalt und Komplexität der Natur und betonte, dass jedes Element und jede Kreatur einen
Zweck und einen Platz im ökologischen Gleichgewicht hat. Dazu werden wir ermutigt,
unseren Verstand zu nutzen, um diese Ordnung zu erkennen und zu schützen. Als
Menschen haben wir die Verantwortung, das politische Ebenbild Gottes zu verkörpern,
indem wir Gerechtigkeit und Ordnung in der Natur bewahren. Durch das Verständnis unserer
Beziehung zur Natur erkennen wir unseren Platz in der Welt und können unsere
Verantwortung gegenüber der gesamten Schöpfung wahrnehmen, so glaubte Wesley.14

11
Sondra Wheeler und Lived Theology and Power Workgroup (2002, S. 9–10)
12
Runyon (S. 186-187))
13
Kraft, Thomas (S. 85-87)
14
Runyon (S. 216-218)

13
VI. Literaturen
- Huber, W., Meireis, T. & Reuter, H. (2015). Handbuch der evangelischen Ethik.
C.H.Beck.
- Runyon, T. (2005). Die neue Schöpfung: John Wesleys Theologie heute. Ruprecht
Gmbh & Company.
- Wesley, John (1872). The works of the Rev. John Wesley, M.A.: The Principles of a
Methodist Farther explained, edited by Thomas Jackson, 14 Bände, London,
zalhreiche Nachdrucke (abgekürzt: Works ed. Jackson)
- Wheeler, S. & Lived Theology and Power Workgroup. (2002). John Wesley and
„Social Ethics“.
https://www.livedtheology.org/wp-content/uploads/2015/12/20020900PPR.02-Sondra
-Wheeler-John-Wesley-and-22Social-Ethics22-.pdf
- Marquardt, M. (2008). Praxis und Prinzipien der Sozialethik John Wesleys
- Kraft, T. (2001). Pietismus und Methodismus: Sozialethik und Reformprogramme von
August Hermann Francke (1663 - 1727) und John Wesley (1703 - 1791) im
Vergleich.

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