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Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
1. Definition von Sozialethik
2. Woher kommt Wesley's Sozialethik?
3. Was hat John Wesley getan?
II. Wesleynische Soteriologie als Voraussetzung der Sozialethik.
1. Original sin - der natürliche Zustand des Menschen
2. Prevenient grace - die vorlaufende Gnade
3. Justification by faith - die Verwandlung des Menschen (die rechtfertigende Gnade)
4. Holiness and sanctification - der verwandelte Mensch (die verwandelnde Gnade)
5. Die universale Liebe Gottes lehnt doppelte Prädestination ab
III. Maßstäbe für die Sozialethik
1. Gottesliebe und Nächstenliebe
2. Die Gebote
3. Vorbilder
4. Einsichten
IV. Ziele und Charakter der Sozialethik
V. Bewertung und was können wir lernen?
VI. Literaturen
I. Einleitung:
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Huber et al. (2015, S. 269–270)
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zwischen sozialer Aktivität und ethischen Überlegungen herauszuarbeiten. Im 18.
Jahrhundert brachten soziale und wirtschaftliche Umwälzungen ethische Herausforderungen
in einer industrialisierten Gesellschaft hervor.2 Obwohl Wesley keine ausgeprägte
Sozialethik im modernen Sinne entwickelte, flossen seine direkten Erfahrungen mit sozialen
Missständen in Überlegungen und Handlungsperspektiven ein.
Wesley selbst hat keine eigenständige "Sozialethik" erfunden, sondern vielmehr
wurde diese Idee in seiner Sozialarbeit und seiner Predigt gefunden. Er lehnte die Aufteilung
der Religion in den privaten Bereich ab und glaubte an die nahtlose Integration von Glauben
und Leben. Die "erneuernde Gnade", die sowohl rechtfertigende als auch heiligende Gnade
umfasst, betonte sein Verständnis von göttlicher Aktivität, die zur Versöhnung und
Wiederherstellung der Menschheit führt.3 Seine Predigten zielten darauf ab, Gläubige zu
einer von Gottes Gnade geprägten Gemeinschaft zu vereinen. Wesley's Theologie
betrachtete die Bekehrung als den Beginn der Jüngerschaft, in der aktive und universelle
Liebe die christliche Jüngerschaft vorantreibt. Er lehnte die Trennung zwischen
Evangelisation und sozialer Aktivitäten ab und predigte ein ganzheitliches Evangelium vom
Reich Gottes, sowohl innerlich als auch äußerlich, auf Erden und im Himmel. Wesley hat
sich für die Lösung gesellschaftlicher Probleme, verwurzelt in der Verkündigung und
Verwirklichung des Evangeliums vom Gottes Reich, engagiert.
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Marquardt, Manfred (S. 10-11)
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Wheeler, Sondra
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Sondra Wheeler und Manfred Marquardt
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schließlich der pietistischen Herrnhuter Bewegung. Wesley übernahm von den Herrnhuter
Luthers Lehre von der Rechtfertigung allein aus Glauben5. Anschließend formulierte er seine
eigene Lehre über die Einwirkung Gottes auf den Menschen und die Antwort des Menschen
auf Gottes als rechtfertigende und verwandelnde Gnade, die als Voraussetzung für die
Sozialethik betrachtet wird.
Es stellt sich hier eine Frage, ob diese Voraussetzungen erst beim gläubigen
Menschen, der sich auf dem Weg der Heiligung befindet, oder bereits beim unbekehrten,
"natürlichen" Menschen vorhanden sind und worin sich beide hinsichtlich der ethischen
Qualität ihrer Entscheidungen und Taten unterscheiden.
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Dilemma des Menschen. Da der natürliche Mensch unfähig zum Guten ist, braucht er eine
göttliche Gnade, die dem Menschen vorangeht, die Fähigkeit, sich für das Gute zu
entscheiden. Der Mensch wird durch die vorlaufende Gnade eine spirituelle Natur, was ein
natürliches Gewissen und der Wunsch, Gott zu gefallen, ermöglicht. Obwohl gute Werke in
diesem Zustand einen eingeschränkt guten Charakter behalten, befähigen die endgültige
Rechtfertigung und Heiligung den Menschen schließlich zu vollständig guten Taten. Dieser
Zusammenhang zwischen Anthropologie und vorlaufender Gnade ist entscheidend für
Wesley's Sozialethik, da er auch Nichtgläubige in die Verantwortung für ihr Handeln
einbezieht und sie für ethische Appelle ansprechbar macht.
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einen optimistischen Charakter und hat soziale Implikationen im Kontext der Ablehnung der
calvinistischen Prädestination und der Option für die ärmeren Bevölkerungsschichten.
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sie eine Verbindung zwischen Gott und der Sünde impliziert. Für ihn widerspricht
dies dem Wesen Gottes als liebevolles Wesen. Seine Ablehnung der Prädestination
hat nicht nur theologische, sondern auch soziale Implikationen. Er argumentiert, dass
die Lehre sozialen Zusammenhalt behindert, indem sie die Aufmerksamkeit von den
Bedürfnissen der Mitmenschen ablenkt.
+ Gegenüber dem atheistischen Humanismus der Aufklärung nimmt Wesley eine klare
Position ein. Die Liebe zu Gott sei die Quelle und Voraussetzung für die Liebe zu den
Menschen. Das Leugnen oder Vernachlässigen dieser Ursache (die Liebe zu Gott sei
die Quelle und Voraussetzung für die Liebe zu den Menschen) führt seiner Ansicht
nach zu einem sinnentleerten Humanismus. Damit wendet er sich gegen den
Versuch, Liebe und Humanität von der Gottesliebe zu trennen.
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3. Vorbilder:
Um ein gottgefälliges Leben zu führen, dienen Christen nicht nur den biblischen
Geboten als Leitlinien, sondern auch Vorbilder aus vergangenen und gegenwärtigen Zeiten.
a) Christus:
Wesley sieht in Christus das Zentrum göttlicher Liebe, einen Erlöser und perfekten Lehrer.
Die Nachahmung Christi besteht für ihn nicht in äußeren Taten, sondern darin, von Liebe
erfüllt zu sein und sie im Handeln zu zeigen. Die Vollkommenheit liegt in der Übernahme der
Gesinnung Christi, besonders nach der Wiedergeburt. Nachfolger sollen Christi Liebe durch
Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Mitgefühl ohne eigene Vorteile zum Ausdruck bringen.
Diese Liebe zum Nächsten entspringt laut Wesley der inneren Verbindung mit Christus. Die
Nachfolge Jesu bedeutet, seine Gesinnung zu teilen und Gutes zu tun. Wesley betont
jedoch wenig konkrete Anweisungen, da er den Fokus auf das Handeln aus der Gesinnung
Christi legt, das sich in ethischen Situationen konkretisiert.
Trotzdem hebt Wesley hervor, die unbegrenzte Liebe Jesu zu den Ärmsten und
Verachtetsten im Blick zu behalten, um mitmenschliches Verhalten positiv zu beeinflussen.
Christus, als höchste Autorität, manifestiert sich nicht durch Macht, sondern durch dienende
Liebe.
b) Andere Menschen:
Das Urchristentum hat für Wesley einen hohen Stellenwert als Vorbild, insbesondere durch
die starke Glaubenskraft und Liebe der ersten Christen. Auch nach 1738 behält das
Urchristentum seine Bedeutung als grundlegendes Kriterium für den Methodismus bei.
Wesley betonte die Übereinstimmung des Methodismus mit den "allgemeinen
Grundprinzipien des Christentums" seit der Urchristenheit. Er sah Vorwürfe als Bestätigung
und Auszeichnung an und bewunderte besonders den hohen Grad der Liebe in den ersten
christlichen Gemeinden. Für seine Gemeinschaften sollten nicht äußere Vorschriften,
sondern Taten und Einrichtungen aus bedingungsloser Liebe, wie der
Krankenbesuchsdienst und Hilfe für Bedürftige, als Vorbilder gelten. Die Ähnlichkeit mit
urchristlichen-Projekten wurde erst später erkannt und diente Wesley zur Rechtfertigung von
Entscheidungen, z. B. der Einbeziehung von Frauen im Besuchsdienst oder der Ausstellung
von Mitgliedskarten als "Empfehlungsbriefe" für auswandernde Methodisten. Er betont die
Bedeutung von Liebe und den geistigen Gehalt als entscheidende Elemente für die
Nachahmung.
Wesley legte großen Wert darauf, dass die Übereinstimmung im "einfachen, alten
Christentum" wichtiger sei als die Richtigkeit dogmatischer Meinungen. Diese Überzeugung
ermöglichte ihm eine breite Toleranz gegenüber unterschiedlichen Ansichten, selbst wenn er
nicht in allen Punkten zustimmte. Sowohl seine Mutter als auch William Law und andere
christliche Persönlichkeiten, selbst wenn er nicht in allem mit ihnen übereinstimmte, dienten
ihm als Vorbilder. Die Einheit in zentralen Glaubensfragen war für ihn bedeutsamer als
Meinungsverschiedenheiten in Nebenfragen. Diese Haltung spiegelte sein Verständnis von
Vielfalt im christlichen Glauben wider. Wesley sah zeitgenössische Persönlichkeiten als
Vorbilder. Die Vorbilder dienen als exemplarische Zeugnisse und haben einen
pädagogischen Wert für Kinder und Erwachsene. Wesley schätzt ihre Rolle in der sozialen
Aktivität und im Streben nach einem christlichen Leben.
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4. Einsichten:
Wesley's Standards der Sozialethik beschränken sich nicht auf Gebote und
Beispiele, sondern sollen zahlreiche Beobachtungen und Überlegungen erfordern. Sie
tragen dazu bei, gesellschaftliche Herausforderungen zu erkennen und entsprechende
Theorien und praktische Maßnahmen zu entwickeln.
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dynamischen Erneuerungsbewegung bei, indem die Gemeinschaft der Bekehrten zur Quelle
wachsender Verbesserungen in ihrer Umwelt wird.
b) Abzulehnende Veränderungen
Wesley betont in seinen sozialen Überlegungen die methodistischen Bemühungen,
Menschen glücklich zu machen und ihre Leiden zu mindern. Trotz der Offenheit für sozialen
Aufstieg durch Bildung und Fleiß warnt er vor Unzufriedenheit, da sie zu öffentlichen
Unruhen führen könnte. Daher lehnt er die Einführung demokratischer Ordnungen in
kirchlichen oder staatlichen Bereichen ab und setzt sich für eine hierarchische Struktur ein.
Diese Ablehnung begründet sich nicht nur in seinem persönlichen Ehrgeiz, sondern auch in
der Abwehr von Vorwürfen gegen die Methodisten als Unruhestifter und Verräter.
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strukturellen Reformen des Staatsystems. Wesley erkennt die Bedeutung von institutionellen
Veränderungen, betont jedoch die Notwendigkeit eines persönlichen Ethos der
Verantwortlichen. Er bleibt jedoch blind für die begrenzten Wirkungen persönlicher und
lokaler Anstrengungen innerhalb eines bestehenden Systems.
V. Bewertung der Sozialethik John Wesleys. (Was können wir von ihm lernen?)
Nach einer umfassenden Betrachtung der Sozialethik von John Wesley sowie ihrer
Prinzipien und praktischen Auswirkungen, ist es nun notwendig, eine theologische
Bewertung vorzunehmen. Dabei sollen Stärken und Schwächen herausgearbeitet werden.
=> Insgesamt zeigen diese Schwächen, dass Wesley's Sozialethik durch zeitgebundene
persönliche Einstellungen begrenzt war. Trotz dieser Mängel kann sein ethischer Ansatz, der
in der systematischen Betrachtung als nicht wesentlich betrachtet wird, weiterhin
inspirierend wirken.
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Marquardt, Manfred (S. 178ff)
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Marquardt, Manfred (S. 180ff)
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Verbindung die reformatorische Qualität seiner Soteriologie. Werke stehen dem Glauben
untergeordnet, bleiben jedoch als notwendige Frucht des Glaubens untrennbar mit diesem
verbunden. Diese Verbindung verleiht der Ethik eine eigenständige Position und stellt sicher,
dass der Glaube sich in guten Werken manifestiert, was wiederum die Authentizität und
Lebenskraft des Glaubens unterstreicht.
=> Insgesamt kann Wesley’s Ethik, basierend auf der universalen Liebe Gottes und einer
vernünftigen Situationsanalyse, nicht nur als wegweisend für seine Zeit betrachtet werden,
sondern bietet auch heute wertvolle Impulse für die ethische Reflexion und die Integration
sozialer Verantwortung in das Leben von Christen und Nichtchristen.
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Die Rechtfertigung hat zeitliche und psychologische Priorität, geschieht jedoch nicht um ihrer
selbst willen, sondern für Versöhnung und Wiedervereinigung mit Gott. Die Heiligung ist
untrennbar damit verbunden und die Sehnsucht nach Rechtfertigung ohne Heiligung ist
widersprüchlich.
Wesley lehrt, dass wir nicht zwischen Evangelisation und sozialem Handeln wählen
müssen, da beide Dimensionen der Gnade Gottes sind. Wesley's Evangelium verkündet das
beständige Reich Gottes. Trotz unserer besten Bemühungen ist es nicht möglich, im Reich
Gottes zu verweilen, während wir uns in einer sicheren Ecke der Welt aufhalten. Wesley ruft
dazu auf, nicht als Wohltäter, sondern als Freunde unter den Armen und Machtlosen zu
dienen.11
Von Wesley können wir für heute im Bereich „Menschenrecht“ lernen, dass die
Glaubensfreiheit ein unveräußerliches Recht ist, das jedem Menschen zusteht. Diese
Freiheit, seinen Glauben gemäß dem eigenen Gewissen und der besten Erkenntnis
anzubeten, ist untrennbar mit der menschlichen Existenz verbunden. Jeder Mensch ist vor
Gott selbst verantwortlich und hat das Recht, seinen Glauben unabhängig von äußeren
Einflüssen zu wählen. Bei der Glaubensfreiheit ist es wichtig zu betonen, dass wir die
individuelle Entscheidungsfreiheit und Verantwortung jedes Einzelnen respektieren und
schützen sollten.12
Wesleys Überzeugung gegen Sklaverei ermutigt uns, sich gegen Ungerechtigkeit zu
erheben, selbst wenn es unbequem ist und Widerstand erfordert. Obwohl Wesley sich
zunächst nur langsam gegen die Sklaverei engagierte, wurde er später ein vehementer
Gegner dieses Systems. Sein Schrift "Thoughts upon Slavery" von 1774 (auf den Arbeiten
des Quakers Anthony Benezet basiert) spielt eine bedeutende Rolle zur Abschaffung der
Sklaverei, mit dem er gegen die Sklaverei auf der Grundlage von Vernunft und Humanität
und forderte die Befreiung aller Menschen argumentierte. Sein Einsatz trug zur Gründung
von Organisationen wie der "Society for the Abolition of Slave Trade" bei und beeinflusste
maßgeblich die öffentliche Meinung zur Sklaverei. Sein Vermächtnis lebt weiter in der
Bewegung für soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte.13
Im Umgang mit der Umwelt können wir von Wesleys Einsichten lernen. Obwohl die
Umweltfrage in seiner Zeit kein großes Thema ist und nicht viel mit Theologie zu tun hat,
gehört Umweltschutz heutzutage zu einem der wichtigsten Probleme. Wesleys Interesse an
den Naturwissenschaften und sein Werk "A Survey of the Wisdom of God in the Creation"
zeigen, dass er die Natur als Ausdruck der göttlichen Weisheit betrachtete. Er erkannte die
Vielfalt und Komplexität der Natur und betonte, dass jedes Element und jede Kreatur einen
Zweck und einen Platz im ökologischen Gleichgewicht hat. Dazu werden wir ermutigt,
unseren Verstand zu nutzen, um diese Ordnung zu erkennen und zu schützen. Als
Menschen haben wir die Verantwortung, das politische Ebenbild Gottes zu verkörpern,
indem wir Gerechtigkeit und Ordnung in der Natur bewahren. Durch das Verständnis unserer
Beziehung zur Natur erkennen wir unseren Platz in der Welt und können unsere
Verantwortung gegenüber der gesamten Schöpfung wahrnehmen, so glaubte Wesley.14
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Sondra Wheeler und Lived Theology and Power Workgroup (2002, S. 9–10)
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Runyon (S. 186-187))
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Kraft, Thomas (S. 85-87)
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Runyon (S. 216-218)
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VI. Literaturen
- Huber, W., Meireis, T. & Reuter, H. (2015). Handbuch der evangelischen Ethik.
C.H.Beck.
- Runyon, T. (2005). Die neue Schöpfung: John Wesleys Theologie heute. Ruprecht
Gmbh & Company.
- Wesley, John (1872). The works of the Rev. John Wesley, M.A.: The Principles of a
Methodist Farther explained, edited by Thomas Jackson, 14 Bände, London,
zalhreiche Nachdrucke (abgekürzt: Works ed. Jackson)
- Wheeler, S. & Lived Theology and Power Workgroup. (2002). John Wesley and
„Social Ethics“.
https://www.livedtheology.org/wp-content/uploads/2015/12/20020900PPR.02-Sondra
-Wheeler-John-Wesley-and-22Social-Ethics22-.pdf
- Marquardt, M. (2008). Praxis und Prinzipien der Sozialethik John Wesleys
- Kraft, T. (2001). Pietismus und Methodismus: Sozialethik und Reformprogramme von
August Hermann Francke (1663 - 1727) und John Wesley (1703 - 1791) im
Vergleich.
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