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An der innersten Ur-Quelle sind alle Menschen unterschiedslos religiös, d.h. verbunden mit dem
ewigen Seinsgrund (lat.: religio = Rückanbindung), dem unsterblichen Teil des Lebens.
Oft ist es so, dass unsere Gefühle, Ideen, Meinungen, Gedanken, Gewohnheiten,
Selbstverständlichkeiten unserer mentalen Struktur (lat.: mens, engl.: mind) die Wirklichkeit
des Geistes (lat.: spiritus, engl: spirit) verdunkeln, seinen Platz einnehmen, seine Existenz
übersehen lassen können.
Das wertvollste Opfer (lat.: offere = darbringen) besteht im Heiligmachen (lat.: sacrificium,
sacrum facere, engl.: sacrifice).
Indem ich mich selbst dem Göttlichen in mir anvertraue, setzte ich einen
Heilungs- und Heiligungsprozess in Gang.
Das griechische Wort „hólon“ (das Ganze) weist auf die Quelle und den Ursprung von Heil-
und Heiligsein hin (engl.: whole, holistic, holy).
Jeder Mensch ist ursprünglich heil und heilig; er ist selbstverant-wortlich, den Kontakt, die
Verbindung zu seinem innersten Heilig-tum aufrechtzuerhalten. Selbstverantwortung ist das
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ständige Hin-horchen auf den unsterblichen Wesenskern, der in jedem Menschen tief verankert
ist. Der Weg dorthin führt über die Bewusstwerdung des Seins, der kosmischen Wirklichkeit.
Das oft missverstandene Wort „Opfer“ ist die Aufgabe unseres Egos zugunsten
einer kontemplativen Erfahrung im Urgrund meines Wesens. Dieser Weg führt über
die Wandlung (Transformation) zur Kommunion (gemeinsames Eins-Werden)
und Kontemplation (mit dem heiligen Tempel Gottes – „cum templo“ – in mir in Verbindung
kommen).
Jeder Mensch ist autorisiert, sich selbst heilig zu sprechen.
Diesen Prozess nenne ich „Selbst-Heiligung“ (engl.: Self-Holification“).
Das Ur-Wesen, die Ur-Essenz, das Ur-Sein des Menschen ist Eins-Sein und nicht Trennung.
Diese wesentliche Selbstheilungskraft heißt bedingungslose Liebe – und Liebe ist Leben.
Liebe kann nur in der Gegenwart, im Zentrum des Lebens erfahren werden und ist nicht
projizierbar auf Vergangenheit und/oder Zukunft.
Das Gegenteil von Liebe sind Angst und Furcht.
In der tiefsten Quelle bekommt das Sehen, die Theorie (griech.: die Wesensschau) eine neue
Qualität.
Die lateinischen Worte dies (Tag) und deus (Gott) hängen etymologisch eng miteinander
zusammen. Dies = der helllichte Tag – Deus = das Licht in der Welt. Sanskrit: Dyau = Glanz,
Göttlichkeit, Region des reinen Lichts.
Mein Auge und das Auge Gottes schauen ein und dasselbe, wie der Mystiker Meister
Eckhart sagt. Das „Ich bin“ leuchtet uns schließlich als das Licht des reinen Bewusstseins
auf, und dieses Licht absorbiert völlig das reflektierte Licht unseres denkenden und
wahrnehmenden Geistes. Diese Wirklichkeit des Reinen Bewusstseins ist von Natur aus
ewig.
Nicht-Wahrnehmen ist nur eine Ausflucht,
die man vorgibt, weil man versucht, vor dem Wirklichen zu fliehen und mit klarem
Bewusstsein ein Schein-Leben des Gebets, der Frömmigkeit und sogar der Askese zu führen.
Das ist zweifellos für das Ego recht befriedigend, aber tatsächlich führt es zu nichts. Geht die
Sonne denn schon dadurch unter, dass ich die Fensterläden schließe? Das grundlegendste
Hindernis für die Wahrnehmung ist gerade die Vorstellung, dass man auf diese Wahrnehmung
noch warten muss.
Der bedeutendste Lehrsatz aus der Chandogya-Upanishad, einer der Lieblingstexte meines
Meisters Bede Griffiths, heißt: „Tat Tvam Asi“ (Sanskrit: „Das bist Du“). Das Absolute ist
mit Dir wesenseins. Der Schüler muss das Ewige, Unwandelbare erfahren und erkennen, dass
er weder Körper noch Denken ist, sondern geburtloses, todloses, absolutes Bewusstsein,
jenseits aller Dualität.
Die Bilder, die wir als Persönlichkeit von uns selbst haben,
sind uns als Spiegelbilder unserer sozialen Beziehungen zugekommen, anerzogen oder
eingeredet worden, und sind nichts anderes als wechselnde Vorstellungen unseres
Gedankenflusses. Hinter all dem findet der Akt unseres Daseins statt. Ohne ein Objekt im
Sinn zu haben, müssen wir unsere innere Quelle aufspüren.
Unser „Ich bin“ steigt auf – nicht als Gegenstand –, sondern als Ursprung allen Seins. Das
Sein meines Seins – die ewige Wirklichkeit. Dieses „Ich bin“ ist im Gegensatz zum
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Gegenstand „Instand“ – ein inständiges Gebet. Instand kommt von lat.: instare = innen
stehen. Jede Instanz hat stets eine innerliche Dimension und Wirkung, und hat streng
genommen von außen keinen Einfluss.
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Das Göttliche Mysterium – keine männliche Dominanz
In allen Konfessionen gibt es das Grundgespür für das Unfassbare des göttlichen
Geheimnisses. Obwohl ständig versucht wird, das Göttliche in vielfältigen Namen und
Formen darzustellen, bleibt es letztlich namen- und formlos. Eine Grundüberzeugung des
israelischen Volkes war und ist, sich kein Gottesbild von Jahwe zu machen (Levitikus 19, 4).
Im Hinduismus wird der göttliche Urgrund als Brahman bezeichnet, das ewig
Transzendierende, das Unfassbare. Buddha war von dem Geheimnischarakter der letzten
Wirklichkeit so betroffen, dass er ihr keinen Namen geben konnte; darum wird das Absolute
im Buddhismus als Leere (Sanskrit: Sunyata), als Nichts aufgefasst.
Es geht hier nicht um das Verneinen Gottes, sondern um das Ergriffensein durch
das Absolute.
Die Mystiker aller dieser Religionen versuchten, die Dimension der Unfassbarkeit des
göttlichen Mysteriums im religiösen Bewusstsein wachzuhalten.
In den hinduistischen Traditionen erscheint das eigentlich formlose Göttliche (Nirguna
Brahman) in vielfältigen Formen, um den Menschen die Erfahrung der heilenden und
rettenden Nähe Gottes erfahrbar zu machen.
Obwohl im Buddhismus von einem personenhaften Gott nicht die Rede ist, erstrahlt aus dem
Abgrund der Leere das Licht, das in Buddha zum Durchbruch kam und alle Menschen zum
letzten Heilszustand (Nirvana) führt. Es geht in allen Konfessionen um den personalen
Ausdruck des transpersonalen Seinsgrundes. So wird Gott zum Du im religiösen Bewusstsein
der Gläubigen, und daraus entfalten sich viele Formen der Gottesverehrung.
Der Geist des Universums
Der kosmische Wesensgrund ist alles durchdringender Geist in der Welt – dies ist eine universale
Erfahrung der Konfessionen. In den heiligen Schriften aller Kulturen finden wir eine gemeinsame
Aussage: Gott in allem sehen und alles in Gott sehen. Für die Juden ist Jahwe der Gott in ihrer Mitte,
der Gott, der mit dem Volk geht. Nach der christlichen Offenbarung inkarnierte sich das in allem als
Leben und Licht vorhandene Wort Gottes in Jesus Christus.
Der Geist Gottes wirkt in allen Bereichen des Lebens, um die neue Schöpfung
hervorzubringen (Johannes 1, 4; 2 Korinther 5, 17). Im islamischen Glauben ist die
Barmherzigkeit Gottes unter den Menschen wirksam, um sie ständig auf den Heilsweg zu
führen. Im Hinduismus ist Gott, „das, woraus alles entsteht, wodurch alles besteht und
worin alles eingeht“ (Taitirya Upanishad 3, 1).
Der ganze Kosmos ist daher der Leib Gottes (Bhagavad Gita 11).
Der Buddhismus bezeugt, dass die heilende Wirkung des inneren Lichts, das
in Buddha erschien, weiterhin in allen Herzen heilend erstrahlt. Bei den Urvölkern wird der
Alles durchwaltende Geist angesprochen. Insofern Gott so in allen Konfessionen als der
gestaltende Geist erlebt wird, bekommt das menschliche Leben einen neuen Sinnhorizont und
eine tiefere Verantwortung.
Die daraus folgende ethische Grundhaltung wird ausgedrückt in:
Vertrauen (Judentum)
Liebe (Christentum)
Gehorsam (Islam)
Selbst-Hingabe (Hinduismus)
Mitgefühl (Buddhismus)
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