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Mysterium Indien

und Erinnerungen von C.G. Jung


23. Oktober 2019

Mysterium Indien
„Das einzig lebenswerte Abenteuer kann für den modernen Menschen nur noch innen
zu finden sein!“

Carl Gustav Jung (1875 – 1961) Indien-Reise 1937/1938

Im Jahr 1936 veröffentlichte C.G. Jung die Schrift „Wotan.“


„Der Nationalsozialismus als Ausbruch eines Archetyps“, lautet die Diagnose.
Damals war Adolf Hitler gerade 3 Jahre an der Macht und auf dem Wege, mit einer
Massenhypnose Deutschland zu ruinieren.
Heute erleben wir eine neue Form einer menschenverdummenden Hypnose, die zu großer
Besorgnis Veranlassung gibt.
Bereits der deutsche Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 – 1831) hatte gesagt:
„Aus der Geschichte nichts gelernt!“
C.G. Jung war auf der spirituellen Suche,
ist letztlich doch auf der psychischen Ebene zu Hause geblieben.
Hätte er im Jahr 1937 den indischen Weisen Sri Ramana Maharshi wie geplant besucht,
wäre sein weiterer Weg sicherlich anders verlaufen.
Im Jahr 1936 fanden die Olympischen Winter- und Sommerspiele in Deutschland statt —
einmalig in der Welt-Geschichte.
Meine Großeltern väterlicherseits haben uns oft begeistert von ihrem Besuch in Berlin im
August 1936 erzählt.
1936 war das Geburtsjahr des indischen Dirigenten Zubin Mehta (Mumbai/Bombay, 29.
April)
Die aktuelle sehr kritische Weltlage erfordert eine spirituelle Revolution, eine Rückkehr in
das Innere Universum, wo jeder Mensch in Frieden und Freiheit leben könnte. Dazu
benötigen wir entsprechende Lehrmeister und nicht Repräsentanten von religiösen
Großsekten.

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Meditierender Buddha
Sanchi – Nord-Indien
Erinnerungen von C.G. Jung

„Unvergesslich sind für mich die Stupas von Sanchi. Sie ergriffen mich mit unerwarteter
Gewalt und versetzten mich in eine Emotion, die dann bei mir einzutreten pflegt, wenn ich
einer Sache oder Person oder eines Gedankens ansichtig werde, deren Bedeutung mir noch
unbewusst ist. Die Stupas liegen auf einem Felshügel, zu dessen Anhöhe ein angenehmer Weg
über große Steinplatten in grüner Wiese führt.
Es sind Grabmäler, bzw. Reliquienbehälter von halbkugeliger Form, eigentlich zwei
übereinandergestülpte Reisschalen (konkav auf konkav), entsprechend der Vorschrift des
Buddha im Mahâ-Parinibbâna-Sûtra. Sie sind von den Engländern in pietätvoller Weise
wieder hergestellt worden. Das größte dieser Gebäude ist von einer Mauer mit vier
kunstvollen Toren umgeben.
Wenn man eintritt, führt der Weg nach links zu einer Circumambulation im Sinne des
Uhrzeigers. An den vier Kardinalpunkten stehen Statuen des Buddha. Hat man die eine
Circumambulation vollendet, so betritt man einen zweiten höher liegenden Rundweg, der im
selben Sinne verläuft. Der weite Blick über die Ebene, die Stupas selber, die Tempelruinen
und die einsame Stille des heiligen Ortes bilden ein unbeschreibliches Ganzes, das mich
ergriff und festhielt. Nie zuvor war ich von einem Ort dermaßen verzaubert worden. Ich
trennte mich von meinen Gefährten und versank in die überwältigende Stimmung…
Es war der Buddhismus, der mir dort in einer neuen Wirklichkeit erschien.
Da hörte ich aus der Ferne näher kommend rhythmische Gongtöne. Es war eine Gruppe
japanischer Pilger, die, einer hinter dem ändern marschierend, einen kleinen Gong schlugen.
Sie skandierten damit das uralte Gebet: Om mani padme hum – wobei der Gongschlag auf
das «hum» fiel. Sie verneigten sich tief vor den Stupas und traten dann durch das Tor ein.
Dort verneigten sie sich wieder vor der Buddhastatue und intonierten einen choralartigen
Gesang. Dann vollzogen sie die doppelte Circumambu-lation, wobei sie vor jeder
Buddhastatue einen Hymnus sangen. Indem meine Augen sie beobachteten, gingen Geist und
Gemüt mit ihnen, und etwas in mir bedankte sich schweigend bei ihnen dafür, dass sie meiner
Unartikuliertheit in so trefflicher Weise zu Hilfe gekommen waren.“
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Ich kam Ende Juni 2011 gerade aus Wien zurück,
wo ich mit unserem Sohn Benedikt einige schöne Sommertage verbracht hatte. Auf dem
Rückweg besuchte ich am 27. Juni 2011 ein letztes Mal Hanna Ludwig (1918 – 2014), die
„ZEN-Meisterin des Gesangskunst“ und u.a. Lehrerin von Diana Damrau, am Krankenbett
in einer Salzburger Klinik.
Aus New Delhi erreichte mich die Nachricht, dass Sri Alfred Würfel – inzwischen 99 Jahre
alt – schwer pflegebedürftig auf seinen Tod wartet. Er starb 13 Tage vor seinem 100.
Geburtstag am 13. November 2011.
Am 29. Juni 2011 starb im Aurobindo Ashram der Parse K.D. Sethna, der engste Schüler
von Sri Aurobindo (1872 – 1950) im Alter von fast 107 Jahren.

Sri Ramana Maharshi (1879 – 1950)


„GOTT ist das Selbst.
ICH BIN ist GOTT.
Das Einzige, was zur Verwirklichung des Selbst notwendig ist,
ist das STILL-SEIN.“

Anlässlich der 50-Jahresfeier der Unabhängigkeit Indiens gaben die Münchner


Philharmoniker unter Leitung des indischen Dirigenten Zubin Mehta im April 1997 zwei
Konzerte in New Delhi und Mumbai (Bombay). In diesem Zusammenhang hielt ich zwei
Vorträge über „Musik & Spiritualität“. In New Delhi organisierte Dr. Karan Singh im
„India International Centre“ mein Programm. Karan Singh ist der Sohn des
ehemaligen Maharajas von Kaschmir; er hatte hohe politische Posten im indischen Kabinett,
u.a. Gesundheitsminister, und war für kurze Zeit Botschafter Indiens in den USA. Karan
Singh ist Chairman der Auroville Foundation, Mitglied des Club of Rome und Club of
Budapest.
Als ich am 8. April 1997 vor einem riesigen Publikum meinen Vortrag hielt, waren auch
leitende Angestellte der Deutschen Botschaft anwesend, u.a. der langjährige ehemalige
Kulturbeauftragte unserer Botschaft, der damals bereits 86-jährige Alfred Würfel. Während
des anschließenden Dinners kamen wir in ein intensives Gespräch. Seit 1932 lebt er in Indien,
er hatte u.a. die Reise für den damalig 52-jährigen C.G. Jung 1937/38 durch Indien
organisiert und später viele Künstler aus Deutschland betreut.
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1936 veröffentlichte C.G. Jung die Schrift Wotan.
Der Nationalsozialismus als Ausbruch eines Archetyps, lautet die Diagnose.
Der heidnische Gott erkläre mehr als rationale Deutungen, er sei es, der „Sturm- und
Brausegott, ein Entfessler der Leidenschaften und der Kampfbegier“, und zudem ein
„übermächtiger Zauberer und Illusionskünstler„, der die Masse zu „Dingen“ anstacheln
könnte, „von denen wir uns jetzt allerdings noch schlecht eine Vorstellung machen können
…„
Beim Thema bleibt er 1937 in London, wo er eine Vorlesung über Psychologie und nationale
Probleme hält, und in New Haven/Connecticut, wo die Terry Lectures an der Yale University
mit Psychologie und Religion überschrieben sind. Ende 1937 reist er auf Einladung der
britisch-indischen Regierung nach Indien. Sigmund Freud emigrierte 1938 nach London, wo
er am 23. September 1939 nach einer Überdosis Morphium starb.
Alfred Würfel hatte 1957/58 die Indien-Reisen von Hanna Ludwig vorbereitet und betreut.
So war Alfred Würfel geradezu überrascht, dass ich mit Hanna Ludwig so eng befreundet
bin. Bis in die frühen Morgenstunden haben wir dann in Würfels Wohnung über seine
Freunde Rabindranath Tagore, Ramana Maharshi, Raimon Panikkar, Annemarie
Schimmel u.v.a. anregende Gespräche geführt. Und an jenem 8. April erzählte mir Alfred
Würfel von einer besonderen Begebenheit. Alles war für einen Besuch C.G. Jungs bei
Ramana Maharshi vorbereitet. Jung hatte viel von dem Weisen gehört und sich mit dessen
Gedankengut beschäftigt. Im letzten Moment sagte C.G. Jung, von einer inneren Stimme
getrieben, die Begegnung mit Ramana Maharshi in Tiruvannamalai ab. Ich selbst bin dort sehr
häufig gewesen.
Dieser Besuch bei Ramana Maharshi hätte C.G. Jungs weiteres Wirken meiner
Meinung nach wesentlich verändert. Alfred Würfel sagte mir damals, ich sei der Erste
gewesen, der diese Einschätzung so klar artikuliert hätte.

E-Mail aus New Delhi vom 29. Juni 2011


Heute schreibt mir Ingeborg Advani, die als Chefsekretärin von vielen deutschen
Botschaftern in New Delhi tätig war, über Alfred Würfel, der berühmte Personen
wie Rabindranath Tagore, Ramana Maharshi, C.G. Jung, Annemarie Schimmel, Hanna
Ludwig, Bede Griffiths, Raimon Panikkar, Michael Windey u.v.m. persönlich kannte:
Lieber Herr Ropers,
herzlichen Dank fuer Ihre mail mit der schoenen Anlage.
Alfred wollte immer die 100 voll machen und es seinem einstigen Goenner, Botschafter Richter
(nicht Heimo Richter), der ihn nach dem Krieg (seiner Freilassung aus dem Lager Dehradun,
Heimschaffung nach D und Wiederkehr nach Indien) in Mumbai in den Auswaertigen Dienst
aufgenommen hat und vor mehreren Jahren im Alter von 101 J. gestorben ist, gleichtun. Und
wenn ihm das wirklich gelingt und er bis zum 26. November d.J. noch durchhaelt, dann hat er es
tatsaechlich geschafft. Das Traurige dabei ist dann leider das, dass er es nicht mehr wissen wird.
Er schlaeft 24×7 Stunden um die Uhr. Dreimal taeglich setzen ihn die Pfleger fuer eine kleine
Weile auf einen Stuhl vor’s Bett, dann schaut er zwar, aber ganz verloren. Schade, dabei war
frueher mal so viel Wissen in dem Kopf, alles abgestuerzt – wie ein Computer. Mehr und mehr
lebe ich in dem Bewusstsein, wie vergaenglich alles ist. Was heute noch ganz wichtig erscheint,
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ist morgen schon unwichtig und uebermorgen auch bereits vergessen. Ganz besonders deutlich
wurde mir dies durch die vielen Jahre Dienst an der Botschaft und dem staendigen Wechsel der
Behoerdenleiter und seiner Mitarbeiter
Anbei zwei Bilder aufgenommen an seinem 98. Geburtstag mit Frau Duckwitz, die Sie evtl. auch
kennen, und mir. Das andere Foto mit seiner Dienerin und Herrn Lang, seinem Freund aus
Deutschland, ebenfalls vom selben Tag. Das dritte Foto habe ich am 13.06.2011 aufgenommen.
Musste sein indisches Visum erneuern lassen.
Wann kommen Sie wieder zu uns nach Indien? Ich freue mich schon jetzt auf unser Wiedersehen.
Mit freundlichsten Gruessen
Ihre Ingeborg Advan
Alfred Würfel starb am 13. November 2011 – 13 Tage vor seinem 100. Geburtstag.i

Karan Singh
Karan Singh widmete mir sein Buch Vedanta: „To my good friend Roland Ropers, a fellow
pilgrim on the quest for the divine, which is within us – with warm greetings.“
Karan Singh wurde am 9. März 1931 als einziger Sohn und Kronprinz des Maharajas von
Jammu & Kashmir Hari Singh und der Maharani Tara Devi in Cannes/ Frankreich geboren.
Er studierte an der Jammu and Kashmir University sowie an der Delhi University. An
letzterer erhielt er 1957 seinen M.A. in Politikwissenschaft. Dort promovierte er 1961 über
„Sri Aurobindo: Prophet of Nationalism“.
Karan Singhs politische Karriere begann 1949 im Alter von 18 Jahren, als er von seinem
Vater zum Regenten von Jammu und Kashmir ernannt wurde. Diese Ernennung erfolgte auf
Druck des indischen Premierministers Jawaharlal Nehru. 1952 wurde er zum Sadr-e-
Riyasat (Präsident der Provinz) gewählt und blieb dies bis 1964, als das Amt durch das Amt
des Gouverneurs von Jammu und Kashmir ersetzt wurde. Singh wurde danach von 1964 bis
1967 zum ersten Gouverneur von Jammu und Kashmir.
1967 wurde er Kabinettsminister in der Regierung von Premierministerin Indira

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Gandhi (geb. 19. November 1917 in Allahbad – ermordet am 31. Oktober 1984 in New
Delhi).

New Delhi 1957


Hanna Ludwig (39. J.) und Indira Gandhi (40 J.)

Karan Singh war im Alter von 36 der jüngste Kabinettsminister in der


Geschichte Indiens.
1973 wurde er zum Minister für Gesundheit und Familienplanung ernannt. Zuvor war
Karan Singh 1967 bis 1973 Minister für Tourismus und Zivile Luftfahrt gewesen. 1979
wurde er Minister für Bildung und Kultur. Von 1989 bis 1990 war er Botschafter in den
Vereinigten Staaten. Seit 1997 gehört er dem Rajya Sabha (Oberhaus im Parlament) des
Bundesstaates Jammu und Kashmir an. Er war in vielen internationalen Organisationen in
leitenden Funktionen tätig, u.a. im „Club of Rome“.
Karan Singh ist Autor verschiedener englischer Bücher über Politikwissenschaft und
Religion sowie philosophischer Essays und Gedichte. Daneben verfasste er seine
Autobiografie, sowie ein Buch über Sri Aurobindo.
(s.a. meinen Beitrag „Hingabe an das Göttliche“ in meinem Buch „MYSTIKER und WEISE
unserer ZEIT“ (Juli 2019) auf den Seiten 31 ff..

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Seit dem 5. März 1950 war Karan Singh mit Prinzessin Yasho Rajya Lakshmi,
der Enkelin von Mohan Shamsher Jang Bahadur Rana, dem letzten nepalesischen
Premierminister der Rana-Dynastie, verheiratet. Die beiden haben drei Kinder. Am 24. Mai
2009 starb seine Frau nach langer schwerer Krankheit im Alter von 71 Jahren.

Karan Singh schrieb:


“Lord Shiva, one of whose appellations is Mahakaleshwar, the Great God of Death, has
decreed that my beloved wife Yasho should move on in the sixtieth year of our marriage.
We wedded as teenagers and virtually grew up together. It has been a unique blessing for
me to have partaken of her love, generosity and compassion. She departed surrounded by
her loving family including all six grandchildren. While we mourn her passing, we wish to
celebrate her vibrant and luminous life as will her numerous friends and well-wishers
around the world. As the Upanishad says: May her journey into light be auspicious”.
Wir sind uns wiederholt begegnet –
in Indien, in den USA und in Deutschland. Er war ein enger Freund von Raimon
Panikkar (1918 – 2010) . Mir hatte er in sehr persönlichen Gesprächen anvertraut, dass er
Jahre lang in die Schweiz zur Traumdeutung von Marie-Louise von Franz fuhr. Die
Tiefenpsychologin, Schülerin und engste Mitarbeiterin von C.G. Jung wurde am 4. Januar
1915 in München geboren und starb am 17. Februar 1998 in Küsnacht bei Zürich.

Ich erinnere mich noch sehr gut an ein Gespräch im Hause der Familie Singh in New Delhi, wo ich zu
Karan sagte:
„Ich verstehe gar nicht, dass Du als Vedanta-Experte die Traumdeutung einer deutschen
Psychologin benötigst.“
Darauf antwortete er mir: „Einmal im Jahr muss ich in mein geliebtes Europa!“
Karan ist nach diversen Hüftoperationen stark gehbehindert. Wir sind nach wie vor in Verbindung.

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