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Von West nach Ost nach Nord - verfasst am 4.4.2015 B.B.

Eines Tages las ich im Penticton Herald von einer sehr günstigen Flugreise für
Senioren. Das war ich gerade geworden.

Eine Reise für mich! Dachte ich, erkundigte mich sofort und erfuhr, dass es
sich um eine völlig unabhängige Reise handelte. Einen Flug irgendwo hin
innerhalb des Landes mit vier Zwischenstopps. Ich konnte also aussteigen wo
ich Lust hatte, dort einige Tage bleiben, dann meinen Flug fortsetzen. Ich
wusste gleich wohin die Reise gehen sollte.

Kurzentschlossen buchte ich einen Flug vom äußersten Westen zum äußersten
Osten Canadas, also, von Vancouver am Pazifik, bis Halifax am Atlantik und
von dort nach dem Norden, nach New Foundland.
In Toronto musste ich umsteigen und weil ich etwa zwei Stunden Aufenthalt
hatte, setzte ich mich in einen Bus und fuhr durch die Stadt um einen Eindruck
von ihr zu gewinnen. Lange hatte ich nicht Zeit, aber das Parlamentsgebäude
sah ich mir doch an weil der Bus dort hielt. Mit dem nächsten Bus musste ich
zurückfahren zum Flughafen um meine Maschine zu erreichen. Ich schaffte es
gerade noch.
In Halifax wurde ich erwartet, dort hatte ich Freunde, meine ersten Freunde in
Canada, Edith und Martin, die mir damals so behilflich gewesen waren.

Edith erwartete mich am Flughafen. Wir hatten uns lange nicht gesehen, ich
glaube sieben Jahre! Während des Fluges hatte ich überlegt: ob wir uns wohl
sehr verändert haben, ob wir uns sofort wieder erkennen werden?

Das war jedoch kein Problem, sie winkte mir schon von Ferne zu und wir fielen
uns gleich in die Arme und freuten uns riesig. Es gab viel zu erzählen, schon
auf dem Weg zu ihrem Haus. Und noch den ganzen Abend.
Sie waren ja meine ersten Freunde in Canada und immer noch die Gleichen,
Edith und Martin, so wie ich sie in Erinnerung hatte. Ich blieb ein paar Tage bei
ihnen. Am nächsten Tag fuhren sie mich hinaus zum Porter Lake, zu ihrem
Sommersitz mit dem Motorboot im See. Hier hätte ich wochenlang bleiben
können.

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Ich wollte jedoch nicht hier bleiben. Deshalb ging ich bald zum nächsten
Reisebüro und buchte eine Bus- und Schiffreise nach Prinz Edward Island für
eine Woche.

Prinz Edward Island ist die kleinste Provinz Canadas. Sie liegt im Gulf von St.
Lawrence nicht weit vom Festland, im südöstlichen Teil der Bay. Ich fuhr von
Halifax mit einer Reisegesellschaft mit dem Bus nach New Brunswick, dort von
Cape Tormentine auf das Schiff und hinüber zur Insel, von dort mit unserem
Bus weiter nach Charlotte Town, der Hauptstadt, wo wir komfortabel im Hotel
Prince Edward wohnten.

Am Abend noch besuchten wir ein Musical, was anstrengend war nach einem
so langen Reisetag.

Am nächsten Tag fuhr man uns durch die Stadt, dann zu einem großen Park
mit alten Bäumen und einem kleinen Museum; und auch hinaus zum Haus, in
dem Anne von Green Gable gelebt hatte, bei Adoptiveltern. “Anne von Green
Gable“ ist die Geschichte eines Waisenkindes. Jeder in Canada kennt und liebt
diese Erzählung, auch ich hatte sie schon im TVgesehen. Und auch das Buch
gelesen.

Der Bus brachte uns anschließend bis an die Nordküste der Insel. Vorbei an
großen Äckern mit Feldfrüchten, vor allem Kartoffeln, die im Herbst auf das
Festland exportiert werden. Interessant ist die rote Erde die ich hier überall sah,
sie scheint sehr fruchtbar zu sein.

Wir erreichten die Nordküste, wo leuchtend rot die Felsen aus dem Sandstrand
emporragen. Auf einem der Felsen steht ein alter weißer Leuchtturm, der lange
Zeit gute Dienste geleistet hatte.
Wir fuhren entlang der Küste, zur Rechten das Meer mit dem herrlichen weit
hinausreichenden roten Sandstrand, dem tiefblauen Wasser und der weißen
Gischt, was einen wunderschönen Kontrast bildet und mich an Helgoland
erinnerte.

In einem gepflegten Restaurant, nicht weit der Küste, wurden wir erwartet. Der
große helle Raum, die hübsch gedeckten Tische und die Sicht auf das Meer
durch die hohen Fenster mit den zartesten, im Wind sich leicht bewegenden
Vorhängen war so traumhaft schön, dass ich nur die Augen zu schließen

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brauche und ich jetzt alles wieder vor mir sehen kann wie es damals war.

Zum Dinner gab es kanadischen Wein, Meeresfrüchte mit köstlichen Soßen und
Beilagen. Wir konnten wählen zwischen Muscheln und Lobster und davon
essen soviel wir wollten. Ich wählte Lobster, konnte natürlich nur einen essen.
Er war groß, die Scheren ragten über den Rand des Tellers hinaus.

Und feierlich aß ich meinen ersten Lobster, sicher auch meinen letzten.

Am nächsten Tag setzten wir unsere Reise fort. Am Morgen, als ich das Fenster
öffnete sah ich im Süden ein Passagierschiff, schneeweiß, auf der ruhigen
tiefblauen See liegen.
Es war noch kühl, die Luft glasklar, so dass ich in der Ferne die Küste von New
Brunswik erkennen konnte, von wo wir hier her gekommen waren.
Ein viel versprechender Tag begann.

Bald wurden die Koffer abgeholt und nach dem Frühstück fuhren wir in
unserem Bus, diesmal zur Ostseite der Insel und hier wieder auf das Schiff, das
uns nach Nova Scotia zurück brachte und zwar nach Cape Breton Highlands,
dem Norden der Halbinsel. Wieder im Bus fuhren wir zuerst an der Küste des
Gulf of St. Lawrence entlang, dann hinauf in die Berge, durch den
Nationalpark, wo wir den Norden umrundeten und im Osten, an der
Atlantikküste über Sydney, es gibt auch in Canada eine Stadt Sydney, wieder
nach Süden fuhren, in Richtung Halifax.

Unterwegs übernachteten wir noch zweimal, sahen eine der wenigen Schulen,
in denen noch die Gälische Sprache gelehrt wird, besuchten unter anderem das
Maximilian Graham Bell Museum. Graham Bell entdeckte das Telefonieren,
und zwar das Sprechen durch das Telefon. Eine Art Telefon gab es bereits, aber
man konnte nur undefinierbare Geräusche wahrnehmen.

Wir besichtigten dann noch das große Fortress of Louisburg, am Atlantik


gelegen, wo die Franzosen von den Engländern überrascht und überwältigt
wurden.

Und es ging weiter auf der Atlantik Seite nach Süden, dann entlang des
Bras d'Or Lake bis St. Peters, dort habe ich den Fahrer gebeten, er möchte doch
bitte vor der Brücke langsam fahren, damit ich mein Land sehen kann, das ich

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vor vielen Jahren gekauft hatte und das jetzt meinem Enkel gehört.

Es ist ein schönes Stück Land am Atlantik, von über neuntausend


Quadratmetern. Es hat etwa hundert Meter Strand und ist vor dem wilden
Atlantik geschützt, durch eine vorgelagerte Halbinsel. Das Land steigt leicht
an, bildet eine Ebene, steigt wieder an, bis es ganz oben wieder eben ist mit
einer Aussicht über das Meer und die Halbinsel hinweg hinaus auf den Atlantik.
Das ganze Land bis fast hinunter zum Strand ist bewaldet mit Mischwald. Und
ich freute mich über meinen Besitz.

Bei Ebbe sammeln die Bewohner dort alles was das Meer zurückgelassen hat.
Dies sei der beste Dünger für die Gemüsegärten, hatte man mir erzählt.

Heute fuhren wir wieder zurück nach Halifax. Edith und Martin erwarteten
mich.
In den folgenden Tagen unternahmen sie mit mir noch ein paar kleinere Touren,
durch Nova Scotia. Wie nach Peggy's Cove, wo ich schon einmal war und
damals so beeindruckt, dass ich es gerne noch einmal sehen wollte.
Der hohe, weit hinaus sichtbare Leuchtturm, der auf orange-ocker-farbenem
Felsen steht. Der Fels, der wie in riesigen Stufen hinunter führt zum Meer, wo
eine ungeheure Brandung tobt, die in Abständen, wie zum Angriff immer höher
und höher geschleudert wird, bis sie, sich völlig verausgabt, wieder zurückfällt
in den Atlantik der mit Macht schon die nächste Woge heranschiebt und so das
großartige Schauspiel von neuem beginnt.
Ich konnte mich nicht satt sehen an dieser Naturgewalt, die mich unwillkürlich
an die Ballade „Der Taucher“ von Schiller erinnerte. Es fiel mir auch sofort
auf, dass diese Küste aus dem selben Gestein besteht wie die Südküste von
Norwegen.

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Nach drei Tagen setzte ich meine gebuchte Flugreise wieder fort,
von Halifax nach St. John's, der Hauptstadt New Foundlands, um ein neues
Stück Land dieser alten Erde kennen lernen.

Ich hatte mir schon Gedanken gemacht, wie ich möglichst viel von diesem mir
völlig unbekannten Land sehen könnte. Leider war ich nicht gut vorbereitet und

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hatte nur wenig gelesen über diese nördliche Insel.

Ja, ich wusste, dass die Wikinger, die schon lange vor Columbus den Süden
Amerikas entdeckt hatten, den Norden Amerikas entdeckt und sich dort
angesiedelten hatten. Es wurden Reste solcher Siedlungen gefunden. Von hier
sind sie immer weiter nach dem Süden vorgedrungen. Mit ihren seetüchtigen
Schiffen sollen sie sogar so weit gesegelt sein wo heute New York liegt.

Auch hatte ich gelesen, dass New Foundland einmal zu England gehört hatte
aber während der großen Depression unabhängig wurde und 1948 sich Canada
angeschlossen hatte.
Geologisch wusste ich jedoch gar nichts von diesem Land.

Leider hatten mir meine kanadischen Freunde keine guten Ratschläge mit auf
diese Reise gegeben. Sie hatten nur, fast verächtlich gesagt: „Warum willst du
nach New Foundland? Dort gibt es doch nichts zu sehen und das Wetter ist
meist schlecht, kalt und regnerisch.“ Sie waren noch nie dort gewesen, doch ich
hörte auf sie und plante nur knappe fünf Tage für dieses Land ein,
einschließlich Flug, was ich später sehr bereute.

…..................................................................................
(2)

Das Flugzeug war gelandet. Ich stand hier mit meinem Handgepäck, noch das
Dröhnen des Flugzeug Motors im Kopf, wartete ich auf meinen Koffer. Schon
holperte er langsam und vertraut um die Biegung wo ich ihn in Empfang nahm.
Er war schwerer als ich ihn in Erinnerung hatte, ich konnte ihn kaum heben.
Ein freundlicher Herr half mir und stellte den Koffer auf den Boden.

Alle Mitreisenden hatten die Halle längst verlassen. Ich, ganz alleine, stand
noch hier, fremd, unglücklich - wo waren all mein Mut und meine
Unternehmungslust geblieben? Ich fühlte mich schwach, verloren und verlassen
wie schon lange nicht mehr. Am liebsten hätte ich mich auf meinen Koffer
gesetzt und geweint.

Und was nun - ? Es wurde mir plötzlich klar, dass ich nicht eimal wußte wohin
ich wollte!

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Viel zu wenig vorbereitet war ich auf diese Reise gegangen. Man hatte mich
gewarnt, sogar gelächelt über solch ein absurdes Vorhaben, doch mein Stolz
verbot es mir, klein beizugeben.

Ich riss mich zusammen, nur nicht aufgeben! Rollte mein Gepäck zum
Schließfach und rannte, erleichtert des Ballastes aus dem Flughafen und stieg in
einen Bus der zur Stadt fuhr.
Irgendwo bei einem Park verließ ich den Bus, schritt durch das weit offene
schmiedeeiserne Tor und wanderte entlang der Wege zwischen Bäumen
Gebüsch und Blumenrabatten. Ich setzte mich auf eine Bank, versuchte meine
sich überschlagenden Gedanken zu ordnen. Ich fühlte wie mich das leise
Flüstern der Bäume beruhigte und etwas sagte in mir :„ Du musst bald dein
Gepäck abholen, eine Bleibe für die Nacht suchen und herausfinden, wie du,
nur in wenigen Tagen, möglichst viel von diesem Land, diesem kleinen Stück
Erde, kennen lernen willst.“

Als ich den Park verließ und ich wieder auf die geschäftige Straße hinaustrat,
konnte ich, so schien es mir, die ganze Stadt auf einem Hügel vor mir liegen
sehen. Ein trutziges Panorama aus dunkelroten Ziegeln. Ein spitzer Kirchturm,
der wie in fast jeder alten Stadt hoch über den Häusern herausragt.
Im Vordergrund, etwas tiefer gelegen, offenbar ein Hotel, ein Hochhaus,
modern und weiß, aufdringlich herausragend. St.John`s, ist eine der ältesten
Städte Nordamerikas.

Ich fuhr zurück zum Flughafen, erkundigte mich nach einer Möglichkeit, mit
einem Bus vom östlichsten bis zum westlichsten Teil des Landes zu gelangen.
Etwas hoffnungsvoller geworden fuhr ich zum Busbahnhof, löste eine Fahrkarte
für den nächsten frühen Morgen, ließ das schwere Gepäck zurück im
Schließfach. Und suchte eine Übernachtung in der Nähe. Es war nicht die beste
Gegend und ich fühlte mich nicht glücklich, ertrug es aber mit Würde.

Ich hatte nur einen Wunsch, das Haupt niederlegen und die Augen schließen zu
können. Ich brauchte Ruhe und Schutz.

Am nächsten Morgen, schon um fünf Uhr war ich wach, es war noch ganz still,
ich lauschte zur Türe hinaus ob das Bad frei sei, ich wollte niemand sehen,
huschte hinein, eine ausgiebige Dusche machte mich zuversichtlicher.
In Eile packte ich meine Sachen, holte ein Tasse Kaffee aus dem Automaten,

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dann nur ein kurzer Weg zum Bus und pünktlich sieben Uhr begann meine
Reise, in Richtung Westen. Eine Reise in die Ungewissheit.

Aus dem Koffer hatte ich ein Handtuch geholt und es über die viel benützte
Kopflehne gebreitet. Ich räkelte mich zurecht, lehnte mich bequem zurück. Und
fast glücklich sah ich dem neuen Tag entgegen, von dem ich viel erwartete.

Der Bus, es war ein Fernbus, war nicht einmal halb besetzt, er hielt nur an
größeren Orten an, dort stiegen dann Menschen mit viel Gepäck ein und aus
und um. Das waren immer längere Aufenthalte bei einem Rasthaus. Während
dieser Zeit konnte man essen, eine Weile spazieren gehen oder auch etwas
einkaufen. Der Chauffeur musste eine Ruhepause einlegen.

Nur einmal, erinnere ich mich, hatten wir Aufenthalt am Meer. Das war im
Norden und unsere erste Haltestelle, bei einem malerischem Fischerhafen. Eine
steil abstürzende Felsenwand ragte aus dem Meer und viele Seevögeln kreisten
über der Bucht. Es waren so gewaltige Felsen, die in mir den Eindruck
erweckten, das ganze New Foundland bestehe aus einem einzigen riesigen
Felsenblock.
Dann ging die Reise weiter. Wir entfernten uns vom Meer. Ebene und
hügeliges Gelände wechselten sich ab. Wiesen und Weiden, Laubbäume, in der
Ferne auch Wälder und Berge. Hohes Gebirge war es sicher nicht.
Ein Wegzeichen von Zeit zu Zeit, aber keine größeren abzweigenden Straßen
sah ich. Und auch nur wenige uns überholende oder entgegen kommende
Autos. Ich hatte Glück mit dem Wetter und all die Tage herrlichen
Sonnenschein.

Allmählich brach die Nacht herein. Ich war müde vom nur Schauen. Ich döste
vor mich hin als es dunkel wurde. Richtig schlafen konnte ich nicht.

Mitten in der Nacht hielt der Bus irgendwo an. Koffer wurden herausgeholt, ich
hörte Stimmen, dann sagte der Fahrer uns, dass hier ein längerer Aufenthalt
wäre.

Auch ich torkelte aus dem Bus heraus um mich etwas zu bewegen, zu sehen
gab es nichts, einige Lichter in der Ferne - die grelle Beleuchtung des
Parkplatzes und die beleuchteten Fenster des Rasthauses.

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Ich ging in die Nacht hinein, blieb wieder stehen, überlegte - was tun ? Lenkte
meine Augen nach oben und sah in den schönsten Sternenhimmel meines
Lebens. Eine große klare Nacht und die Sterne wie auf tiefblauen Samt
verstreut, blitzten und blinkten als ob sie, ständig in Bewegung, Strahlen von
sich schleudern würden.

Ich begann zu frieren, ging hin und her ständig nach oben schauend, um dann
doch in das Rasthaus mit dem Restaurant, der Schalterhalle und den
Waschräumen zu gehen.

Ich erfrischte mich und rieb die Müdigkeit aus meinen Augen. Es gab
Handtücher und Seife, alles sehr gepflegt. Dann, im Restaurant bestellte ich ein
heißes Getränk. Ich fühlte eine unsagbare Leere in mir als ich so alleine und
fremd, mitten in der Nacht, hier saß, nur darauf wartend weiter fahren zu
können. Im Bus fühlte ich mich geschützt, er war mein Zuhause geworden. Hier
konnte ich ein bisschen verstehen wie sich Flüchtlinge fühlen, wenn sie ihre
Heimat verlassen müssen.

Ich war froh als die Reise weiterging und ich die Augen wieder schließen
konnte.
Ein Wirrwarr von Bildern und Gedanken huschten in meinem inneren Auge
vorüber; ich wollte nicht daran denken, wie der Tag morgen weitergehen
könnte. Aufgeben, nein, aufgeben würde ich nie; aber noch einmal diese ganze
Fahrt zurück zu machen, davor graute mir. Ein Rasthaus ein Frühstück -. Ein
anderes Rasthaus, ein Mittagessen -. Und wieder ein Rasthaus und ein
Abendessen.

Am Nachmittag des nächsten Tages erreichten wir den Westen, einen Teil des
Westens New Foundlands. Obwohl es noch nicht die Endstation war stieg ich
aus, es gefiel mir die landschaftlich gut hier und ich hatte es satt im Bus zu
sitzen.

Es war später Nachmittag und ich stand einmal mehr mit Koffer und Tasche
auf der Straße, fühlte mich jedoch nicht mehr so verlassen.
Ich hatte meinen Mut wieder gefunden. Schaute mich um nach einem Taxi und
fragte: „Gibt es hier irgendwo ein Hotel in einer hübschen, ruhigen Umgebung,
in dem man ein paar Tage wohnen und gut essen kann?“
Der Mann war sehr freundlich, wie ich das oft schon erlebt hatte unterwegs. Er

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verstaute mein Gepäck in den Kofferraum und fuhr mich nach Deer Lake.

Unterwegs führten wir ein erfrischendes Gespräch: Er wollte schon immer


einmal nach British Columbien, wo es nur Sonnenschein gibt und so viele
Früchte und Wein. Ich bestärkte ihn in seiner Schwärmerei und so erreichten
wir lachend und plaudernd das Hotel, das einen sehr guten Eindruck machte
und ich dort, wie sich bald herausstellte, bestens untergebracht war.

Völlig erschöpft von der langen Fahrt, packte ich meinen Koffer nicht einmal
richtig aus, warf meine Klamotten zur Seite und nahm als erstes ein
gemütliches Bad und genoss es, mich endlich wieder sauber und wie neu zu
fühlten.

Nach dem Abendessen setzte sich die Hotelbesitzerin zu mir und sie gab mir
den besten Rat.

Ich sollte morgen früh einen Leihwagen mieten und in den „Gros Morne
National Park“ fahren. Ich sagte sofort zu.

In dieser Nacht schlief ich himmlisch: gelöst, sauber, ruhig und in reinster Luft.
Bei geöffnetem Fenster hörte ich das Rauschen der Bäume und sonst keinen
Laut.

Am nächsten Morgen, als ich zum Frühstück herunter kam, wartete das Auto
vor dem Hotel schon auf mich. Vorher aber frühstückte ich ausgiebig. Die so
fürsorgliche Hotelbesitzerin setzte sich eine Weile zu mir und sie wünschte mir
einen schönen Tag. Ich ging zu meinem Auto und steuerte in Richtung Gros
Morne National Park.

Auf einer autofreien Straße, so schien es mir, fuhr ich einmal näher, dann
wieder etwas weiter entfernt der Küste entlang. Ich fuhr durch ein Fischerdorf,
besichtigte einen Leuchtturm in dessen Inneren ein kleiner Laden war.

Die rechte Seite der Straße säumte ein lichter Laubwald, dessen flirrende
Blätter endlos wechselnde Schattenspiele auf die Straße warfen. Ich stellte mich
an die Straßenseite, erfreute mich an der Ruhe und der malerischen Umgebung,
an den hübschen letzten Häusern des Fischerdorfes durch das ich eben gefahren
war und an den so unterschiedlichen Grüntönen der Bäume, Sträucher und

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Gräser. Ich wurde müde, träumte friedlich vor mich hin – und, als ich die Augen
wieder öffnete bot sich mir ein sicher einmaliges Schauspiel....

Kleine Füchse

Zwei noch recht junge, verspielte, schwarze Füchse hüpften, purzelten und
rollten vor meinem Auto herum. Sie bearbeiteten sich mit ihren Pfoten und
zeigten die Zähne, alles noch Spiel. Sicher war die Mutter auf Futtersuche und
hat die Kleinen für eine längere Zeit alleine gelassen, und so entfernten sie sich
im Eifer des Spielens immer weiter vom Bau weg, rollten in den Straßengraben
herab und landeten schließlich vor meinem Auto.
Eine Weile beobachtete ich dieses übermütige Treiben; dann kamen mir
Bedenken, es könnte doch ein Auto überholen wollen, eines das es eiliger hat
als ich, die Tiere nicht sehen und diese könnten direkt unter die Räder rollen.

Ich entschloss mich, kurz zu hupen - und schnell waren die beiden Füchslein
verschwunden.

Langsam setzte ich meine Fahrt fort, bis ich zu einem großen Parkplatz kam,
dort stellte ich mich zu den vielen Autos die hier schon warteten. Es gab ein
Restaurant und einige anderen Gebäude.

Unentschlossen ging ich erst in die eine, dann in die andere Richtung. Der
Wanderweg war gepflegt und gut zu gehen. In Abständen führte er über kleine
Holzbrücken unter denen ein Bächlein oder auch nur ein kleines Rinnsal
gurgelte das dem Meer zufloss.

Es war ein Moor durch das ich wanderte. Es gab Blumen auch Gebüsch, dann
führte mein Weg durch niedrigen Wald, mit Erlen und Birken. Ich dachte
gerade, wie weit soll ich noch gehen? Da stand ich völlig unerwartet vor einer
Lichtung und einem großen See, an dessen Ufer ein Schiff wartete.

Kurz entschlossen lief ich zum Steg und auf das Schiff, löste ein Ticket und die
Reise ging los, ich wusste nicht wohin. Ich schaute mich erst einmal um und
gesellte mich zu den sich unterhaltenden und lachenden Gruppen von
Menschen jeden Alters.

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Es tauchten Felsen auf, hohe schroffe Felswände, dann ein enger Durchbruch in
den wir hineinfuhren und wir befanden uns in einem Fjord von dessen fast
senkrechten Wänden Wasserfälle herabstürzten, in der Sonne leuchtete das sich
zerstäubende Wasser in allen Regenbogenfarben. Dies war so großartig, so
unerwartet, ein Höhepunkt meiner Reise. Wir fuhren in diesen engen Fjord
tiefer hinein, in dem die Sonne alles, für kurze Zeit verzaubert hatte. Was sich
an den Felsen festhalten und wachsen konnte, hob und reckte sich dem
Sonnenlicht entgegen; denn bald wird es wieder, kühl, feucht, klamm und
schattig im engen Fjord. Nach etwas mehr als zwei Stunden brachte uns das
Schiff zurück zur Landestelle.

Ich war inzwischen mit einigen Mitreisenden ins Gespräch gekommen und es
stellte sich heraus, ich wohnte im selben Hotel wie sie. Wir vereinbarten, uns
zum Abendessen zu treffen.
Sie reisten am nächsten Tag schon ab.
Ich konnte noch einen Tag länger bleiben. Die Besitzerin des Hotels hatte es
geschafft, meinen Rückflug umzubuchen: von Deer Lake nach Halifax. Ich
musste nicht mit dem Bus nach St. John's zurückfahren.

Als Ersatz unternahm ich einen gemütlichen Spaziergang durch den hübschen
Ort, konnte einiges einkaufen, wie ein Geschenk für meine Freunde und am
nächsten Tag ausgeruht in das Flugzeug steigen. Ich flog zurück nach Halifax
und nach noch einmal einem Tag Aufenthalt bei meinen Freunden flog ich
heim, nach Penticton. Wo ich schon sehr erwartet wurde.

Es ging schon gegen Abend als ich in Penticton landete. Bill holte mich am
Flughafen ab. Ich freute mich wieder auf daheim. So muss es auch sein. Zuerst
freut man sich auf das Fremde, das Andere und dann wieder auf das Daheim
sein, das Gewohnte.

Erst am nächsten Morgen ging ich durch meinen Garten, noch nicht um zu
arbeiten, ich wollte nur sehen was sich verändert hatte, wie alles gewachsen,
was neu erblüht war und wie schön hier alles ist. Erst an zweiter Stelle dachte
ich an die Arbeit.
Wie heißt es doch - die Arbeit ist kein Frosch, sie hüpft mir nicht davon.

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