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Pädagogische Psychologie für Schule

und Unterricht
Univ.-Prof. Dr. Jörg Zumbach WS 2016/17

von Manuel Hummer

1
Inhaltsverzeichnis
Ursprünge ......................................................................................................................................... 9
Geschichte .................................................................................................................................... 9
Gegenstandsbereich der PÄPS ........................................................................................................ 10
Was ist Erziehung? ...................................................................................................................... 10
Nähere Begriffsbestimmung ................................................................................................... 10
Beispiele für die Förderung von Erziehung ................................................................................. 11
Beispiel 1 (vgl. Mietzel 2007) .................................................................................................. 11
Beispiel 2 (Eder & Dämon 2010) ............................................................................................. 12
Beispiel 3 (Zumbach 2008) ...................................................................................................... 13
Erziehung konkret: Komponenten der pädagogischen Situation ............................................... 13
Aufgabenfelder der PÄPS............................................................................................................ 13
Die Güte pädagogisch-psychologischer Forschung .................................................................... 14
Aufgabenfelder der PÄPS............................................................................................................ 14
Aufgabenfelder der PÄPS bei der Wissensvermittlung .......................................................... 14
Grundlegende Position zum Begriff „Lernen“ ................................................................................ 15
Lernen als Veränderung von Verhaltensweisen ......................................................................... 15
Lernen als passives Aufnehmen von Wissen .............................................................................. 15
Programmierter Unterricht – Beispiel .................................................................................... 16
Lernen als Konstruktion von Wissen........................................................................................... 17
Transfer der PÄPS in den Unterricht ............................................................................................... 18
Beispiel zum Confirmation Bias .................................................................................................. 18
Entwicklungspsychologische Grundlagen ....................................................................................... 18
Ziel der PÄPS ............................................................................................................................... 18
Das Anlage-Umwelt-Problem ..................................................................................................... 19
Reifung ........................................................................................................................................ 19
Beispiele für Reifung ............................................................................................................... 20
Reifung im Alter ...................................................................................................................... 20
Sensible Phasen ...................................................................................................................... 20
Kritik an Reifung & sensiblen Phasen ..................................................................................... 20
Das Werk Piagets ........................................................................................................................ 21
Kognitive Entwicklung nach Piaget ......................................................................................... 21
Zur formalen Logik .................................................................................................................. 22
Die Wason’sche Task .............................................................................................................. 23
Wason & der Kontext .............................................................................................................. 23

2
Piaget & der Unterricht........................................................................................................... 23
Die Arbeiten Lev Vygotskis.......................................................................................................... 24
Lern- und kognitionspsychologische Grundlagen ........................................................................... 24
Das Gedächtnis ........................................................................................................................... 24
Boom der CLT-Theorie ................................................................................................................ 25
Das Arbeitsgedächtnis: Die CLT-Theorie ................................................................................. 25
Kognitive Architektur .............................................................................................................. 26
Intrinsic Cognitive Load / ICL................................................................................................... 27
Extraneous Cognitive Load / ECL ............................................................................................ 27
Exkurs: Informationspräsentation .......................................................................................... 30
Der Einfluss von medienspezifischen Attributionen auf das Lernen mit Multimedia – Eigene
Forschung Univ.-Prof. Dr. Zumbach ...................................................................................................... 31
Lernen mit Multimedia und Animationen .................................................................................. 31
Hypothesen ............................................................................................................................. 32
Studie 1: Eutrophierung von Seen .......................................................................................... 32
Studie 2: Routing-Algorithmen ............................................................................................... 33
Studie 3: Induktion von Attributionen .................................................................................... 34
Worked-Example Effect .......................................................................................................... 35
Traditionelle CLT-Fazit ............................................................................................................ 36
Germane Cognitive Load – GCL............................................................................................... 36
Lernen als Verhaltensänderung .................................................................................................. 36
Automatisierung von Wissen ...................................................................................................... 36
Die sozial-kognitive Lerntheorie ................................................................................................. 36
Lernen als Wissenserwerb .......................................................................................................... 37
Speicherung von Wissen ......................................................................................................... 37
Skripts ..................................................................................................................................... 38
Erwerb neuen Wissens ........................................................................................................... 39
Förderung von Behaltensleistungen ....................................................................................... 39
Metakognition ............................................................................................................................ 40
Erklärungsansätze für Vergessen ................................................................................................ 40
Lernen und Problemlösen............................................................................................................... 41
Problemlösen & Intelligenz ......................................................................................................... 41
Ein alternatives Intelligenzkonzept ......................................................................................... 41
Problemlösen – Ursprünge ..................................................................................................... 41
Probleme ................................................................................................................................. 41
Problemlösen .......................................................................................................................... 41
Expertise & Problemlösen....................................................................................................... 42
Merkmale von Expertise ......................................................................................................... 42
Novizen vs. Experten............................................................................................................... 42
3
Förderung von Problemlösen im Unterricht ........................................................................... 42
Probleme beim Problemläsen im Unterricht .......................................................................... 42
Förderung (Erkundungstraining) ............................................................................................. 43
Förderung eines konzeptuellen Wandels ............................................................................... 43
Erfolgreicher konzeptueller Wandel ....................................................................................... 43
Transfer von Wissen ............................................................................................................... 43
4-Stufen-Modell nach Holyoak 1985 ...................................................................................... 43
Erhöhung der Transferwahrscheinlichkeit .............................................................................. 44
Emotion & Kognition beim Lernen ................................................................................................. 44
Warum & wo sind Emotion und Motivation relevant? .............................................................. 44
Emotionen............................................................................................................................... 45
Rolle von Emotionen beim Lernen.......................................................................................... 45
Entstehung von Emotionen .................................................................................................... 45
Prüfungsangst ......................................................................................................................... 45
Yerkes-Dodson-Gesetz ............................................................................................................ 46
Lernmotivation........................................................................................................................ 46
Formen der Lernmotivation .................................................................................................... 46
Selbstwertdienliche Tendenzen .............................................................................................. 47
Erlernte Hilflosigkeit als Problem............................................................................................ 47
Neugier.................................................................................................................................... 47
Motivation & Ziele & Leistung ................................................................................................ 47
Kontextbedingungen der Leistungsmotivation....................................................................... 47
Motivationale Theorie der Selbstbestimmung ....................................................................... 48
Entwicklungstrends der Motivation........................................................................................ 48
Erklärungsansätze ................................................................................................................... 49
Motivationsförderung ............................................................................................................. 49
Erziehende & Lehrende .................................................................................................................. 49
Transitionen ................................................................................................................................ 49
Anpassung an Transitionen ..................................................................................................... 49
Home Schooling .......................................................................................................................... 50
Kooperation Eltern & Schule....................................................................................................... 50
Der Einfluss von Eltern auf ihre Kinder ....................................................................................... 50
Wert von Kindern........................................................................................................................ 50
Ist das Kind da: Erziehung ........................................................................................................... 50
Ansätze zur Verbesserung der Erziehungskompetenz................................................................ 51
Erziehung an der Schule – Was ist ein guter Lehrer? ................................................................. 51
Der gute Lehrer ....................................................................................................................... 51
Persönlichkeitsparadigma ....................................................................................................... 51

4
Prozess-Produkt-Paradigma.................................................................................................... 51
Expertenparadigma................................................................................................................. 52
Ziele von Lehrern .................................................................................................................... 52
Was bestimmt die Handlungen von Lehrern und Lehrerinnen? ............................................ 53
Was für Wissen braucht ein Lehrer?....................................................................................... 53
Von der Kognition zur Emotion............................................................................................... 53
Berufsbiografische Entwicklung von Lehrern ......................................................................... 54
Burn-Out bei Lehrern .............................................................................................................. 54
Von der Schule zur Hochschule............................................................................................... 54
Professionelle Diagnostik ............................................................................................................ 55
Diagnostik im Handlungsverlauf ............................................................................................. 55
Diagnostik-Strategien.............................................................................................................. 55
Grundlagen der Diagnostik ..................................................................................................... 55
Normierung von Tests............................................................................................................. 56
Testverfahren .......................................................................................................................... 56
Schulleistungen ....................................................................................................................... 56
Methoden zur Erfassung von Umweltmerkmalen .................................................................. 56
Einführung in die Pädagogische Psychologie: Beratung ................................................................. 57
Beratung ..................................................................................................................................... 57
Intervention ................................................................................................................................ 57
Prävention................................................................................................................................... 57
Beratung als Problemlöseprozess ............................................................................................... 57
Das Beratungsproblem ........................................................................................................... 58
Adressaten von Beratung........................................................................................................ 58
Der Berater / die Beraterin ..................................................................................................... 58
Weiterentwicklung & Qualitätssicherung ............................................................................... 59
Kontextuelle Bedingungen von Beratung ............................................................................... 59
Theoretischer Rahmen und Methoden von Beratung ............................................................ 59
Wichtigste Theorien der Beratungspraxis .............................................................................. 59
Psychoanalytische orientierte Beratung ................................................................................. 59
Klientenzentrierte Beratung ................................................................................................... 59
Verhaltensbezogene Beratung ............................................................................................... 60
Systemisch orientierte Beratung ............................................................................................ 60
Psychologie des Unterrichts ........................................................................................................... 61
Modifiziertes Angebots-Nutzungs-Modell.................................................................................. 61
Qualitätsvoller Unterricht ........................................................................................................... 61
Motivationale Prozesse............................................................................................................... 61
Eine Studie zum Interesse von Schülerinnen und Schülern........................................................ 62

5
Ergebnisse: .............................................................................................................................. 62
Unterricht beschreiben und analysieren .................................................................................... 62
Studie zum Unterschied von Tiefen- und Sichtstrukturen.......................................................... 62
Ergebnisse ............................................................................................................................... 62
Unterrichtsforschung ...................................................................................................................... 63
Klassiker: TIMSS-Videostudien.................................................................................................... 63
Nachfogestudie (Hiebert et al 2003)........................................................................................... 63
Tiefenstrukturen ......................................................................................................................... 64
Merkmale der Klassenführung nach Kounin (1976) ................................................................... 64
Wie kann effektive Klassenführung im Unterricht umgesetzt werden? ................................ 64
Potenzial zur kognitiven Aktivierung .......................................................................................... 65
Konstruktive Unterstützung – Aspekte konstruktiver Unterstützung ........................................ 66
Dimensionen des Feedbacks................................................................................................... 67
Konstruktive Unterstützung .................................................................................................... 67
Sichtstrukturen des Unterrichts.................................................................................................. 67
Der Lehrervortrag - Der Doktor-Fox-Effekt: Forschung zur Expressivität von Lehrenden ..... 67
Das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch .................................................................... 68
Direkte Instruktion .................................................................................................................. 68
Methoden des gemeinsamen Lernens: Gruppenarbeit und Kooperatives Lernen ................ 69
Kooperative Lernmethoden .................................................................................................... 70
Individualisiertes Lernen: Problemorientierte Unterrichtsmethoden.................................... 70
Was macht eine „gute“ Lehrkraft aus? ....................................................................................... 71
Professionelle Kompetenz ...................................................................................................... 71
Rahmenbedingungen des Unterrichts ............................................................................................ 73
Klassenzusammensetzung .......................................................................................................... 73
Schulformeffekte ........................................................................................................................ 73
Familiäre Herkunft ...................................................................................................................... 74
(Wie) sollen Eltern bei den Hausaufgaben helfen? ................................................................ 74
Unterrichten & Lernumgebungen gestalten................................................................................... 74
Probleme der schulischen Ausbildung ........................................................................................ 74
Begriffserklärung......................................................................................................................... 74
Gestaltung gegenstandszentrierter Lernumgebungen ........................................................... 75
Die kognitivistische Position ................................................................................................... 75
Das Primat der Instruktion ...................................................................................................... 75
Historie .................................................................................................................................... 76
Der Instructional-Design (ID) Ansatz....................................................................................... 76
Elaboration Theory ................................................................................................................. 76
Wissenschaftliche Probleme der kognitivistischen Auffassung.................................................. 77

6
Praktische Probleme der kognitivistischen Auffassung .............................................................. 77
Die konstruktivistisch geprägte Auffassung: Gestaltung situierter Lernumgebungen ............... 77
Das Primat der Konstruktion – Grundlegende Annahmen ..................................................... 77
Die Situated Cognition-Bewegung .......................................................................................... 78
Ansätze: Anchore Instruction ................................................................................................. 78
Die Cognitive Flexibility Theory (WICHTIG !!) ............................................................................. 78
Der Cognitive Apprenticeship-Ansatz ..................................................................................... 78
Probleme ................................................................................................................................. 79
Die Praxis: Eine integrierte Position............................................................................................ 79
Prozessmerkmale des Lernens................................................................................................ 79
Gestaltung problemorientierter Lernumgebungen ................................................................ 79
Anchored Instruction .................................................................................................................. 80
Theoretischer Hintergrund ..................................................................................................... 80
Ziele des Anchored-Instruction-Ansatzes ............................................................................... 80
7 Design Prinzipien .................................................................................................................. 81
Empirische Ergebnisse – Cognition and Technology Group at Vanderbild 1992.................... 82
Lernen mit Medien ......................................................................................................................... 84
Die Wissensexplosion ................................................................................................................. 84
Was muss Lernen heute leisten? ................................................................................................ 84
Vorteile des Lernens mit Neuen Medien .................................................................................... 84
Aber was sind denn nun Neue Medien? ..................................................................................... 85
Der Begriff „Multimedia“ ............................................................................................................ 85
Ebenen von Multimedia.......................................................................................................... 85
Lernen mit Bildern ...................................................................................................................... 85
Steuerungscodes ..................................................................................................................... 86
Arten von Bildern .................................................................................................................... 86
Transferförderliches Lernen durch Goal-Based Scenarios (GBS): Ziele ...................................... 87
Lernen anhand authentischer Fälle ........................................................................................ 87
Fallbasiertes Wissen aus kognitionspsychologischer Sicht ..................................................... 87
Struktur und Beispiel einer GBS-Konzeption .......................................................................... 88
Lernen in Gruppen .......................................................................................................................... 88
Unterrichtsmodelle zum kooperativen Lernen........................................................................... 88
Skript-Kooperation .................................................................................................................. 88
Reziprokes Tutoring ................................................................................................................ 89
Gruppenrecherche .................................................................................................................. 89
Reziprokes Lehren ................................................................................................................... 89
Lernen durch Lehren ............................................................................................................... 89
Gruppenpuzzle („jigsaw class“)............................................................................................... 89

7
Problembasiertes Lernen ........................................................................................................ 90
Stand der Forschung – Vergleichende Forschung ...................................................................... 91
Neue Medien und problembasiertes Lernen.............................................................................. 91
e-Learning und problembasiertes Lernen................................................................................... 91
Studie: PBL in der Grundschule................................................................................................... 91
Nicht kognitive Effekte kooperativen Lernens............................................................................ 91
Probleme kooperativen Lernens................................................................................................. 92
Wann ist kooperatives Lernen effektiv? ................................................................................. 92
Lernen in Gruppen im Unternehmen ......................................................................................... 92

8
Ursprünge
► Ursprung 19./20. Jahrhundert
► Subdisziplin der Psychologie, aber auch Subdisziplin der Pädagogik
► Herbart (1841) verweist auf die Bedeutung, dass Pädagogik auf die Erkenntnisse von
Psychologie & Philosophie zugreifen sollte

Geschichte
► Gründungsphase:
o 1879 Wundts psychologischen Laboratorium & Begründung der Psychotechnik
o 1899 erscheint Zeitschrift für Pädagogischen Psychologie und Jugendkunde
o 1905 Entwicklung des Intelligenztests durch Binet & Simon
o 1905 Experimentelle Pädagogik (pädagogisch-didaktische Probleme mit den
empirischen Methoden der Psychologie zu lösen; Herausgeber Pädagogen und
Psychologen)
o 1906 erster Lehrstuhl Pädagogische Psychologie (PÄPS) in Leipzig
o 1908 12 Institute für PÄPS und 50 Lehrstühle
o 1917 26 Institute
o Ende der Gründungsphase etwa um 1920
► Zwischenkriegszeit
o Zwischen den Weltkriegen Ausdifferenzierung des Fachs (Behaviorismus,
Gestaltpsychologie, Psychoanalyse, etc.)
o Zeit der naturwissenschaftlichen ´-atomistischen Psychologie
 Problematisch war das Ziel: „die wissenschaftliche Erforschung der
psychologischen Seite der Erziehung“ (Fischer, 1917)
 Das resultierte in einer eklektizistischen und trivialisierenden Übertragung
von Befunden und Modellen aus der Lern-, Entwicklungs- und
Testpsychologie (Weinert, 1981) -> fehlende Systematik
 Aber auch: Wegweisende Befunde wie traumatische Ereignisse in der
Kindheit und deren Folgen
► WW II
o Weiterhin enge Verbindung von Entwicklungspsychologie mit PÄPS
o 1941 – Diplomstudiengang Psychologie
 Eigene Forschungsschwerpunkte (Diagnostik, Schüler- Lehrermerkmale etc.)
 Lehrerbildung
► Nachkriegszeit
o Nach WW II: Ganzheitliche Betrachtung (anstatt Schulenstreit)
o Frage nach Erbe und Umwelt
o 60er Jahre: Bildungskatastrophe
 Ungleiche Verteilung von Bildungschancen
 Förderung z.B.: (MPG, IPN, DIFF)
o Forschungsbeispiele aus dieser Zeit
 Behaviorismus im Unterricht
 Erziehungsverhalten und –stil
 Lehrerbeurteilung
► 80er und 90er
o Erweiterung des Spektrums
 Globalisierung
 Informations- und Kommunikations-Technologien
o Neugründungen
 MPI für Psychologische Forschung 1981
 Fachgruppe PÄPS 1986
9
 Internationalisierung: EARLI 1985
o Forschungstrends
 Erwachsenenbildung
 Kognitive Wende
 Novizen – Experten – Paradigma anstatt Prozess-Produkt-Paradigma
 Konstruktivismus
 Evaluationsstudien in der Bildung
► Status Quo
o Aufnahme der PÄPS in den Prüfungskatalog der Anwendungsfächer (Diplom
Psychologie) nicht unumstritten
o Befindet sich zwischen Grundlagen- und Anwendungsfach mit verschiedenen
Ausrichtungen
o Einheit:
 Empirisch-wissenschaftliche Disziplin
 Feste Zuordnung zur Psychologie
 Interdisziplinär

Gegenstandsbereich der PÄPS


Zwei Zugänge:
► Orientierung am Konzept der Erziehung
► Orientierung an Komponenten der „pädagogischen Situation“
Aloys Fischer (1917): „Aufgabe der Pädagogischen Psychologie ist die wissenschaftliche
Erforschung der psychologischen Seite der Erziehung“

Was ist Erziehung?


Brezinka (1981) bezeichnet mit Erziehen jene Handlungen, durch die Menschen versuchen, die
Persönlichkeit anderer Menschen in irgendeiner Hinsicht zu fördern.
► Unabhängig von Alter oder Gruppe
► Positive Veränderung des Wissens, Können, Wollens
► Förderungsabsicht
► Dauerhaftigkeit
► Genügt normativen Ansprüchen
PÄPS hat u.a. den Auftrag der Optimierung dieser Förderung

Nähere Begriffsbestimmung
► A {Erziehung} B
► Wechselseitige Beziehung
► Möglichkeiten, den Begriff aufzufassen:
o Zielt auf nachhaltige Veränderung und bewirkt diese
o Zielt auf nachhaltige Veränderung und bewirkt diese NICHT
o Ohne Veränderungsabsicht, bewirkt dennoch nachhaltige Veränderung (impliziertes
Lernen oder Sozialisation)

10
Beispiele für die Förderung von Erziehung

Beispiel 1 (vgl. Mietzel 2007)


Schule & Familie haben einen Förderungsauftrag. Wird diesem nachgegangen?

11
Beispiel 2 (Eder & Dämon 2010)

Pfadanalyse Disziplinstörung

12
Beispiel 3 (Zumbach 2008)
The role of graphical and text based argumentation tools

Erziehung konkret: Komponenten der


pädagogischen Situation

Aufgabenfelder der PÄPS


Zwei wissenschaftliche Aufgaben und deren Verbindung
► Erweiterung & Systematisierung des allgemeinen und grundlagenorientierten Wissens
► Bereitstellung praxisrelevanten Wissens zur Verbesserung und Optimierung praktischen
Handelns in pädagogischen Situationen (sog. Technologisches Wissen)

13
Die Güte pädagogisch-psychologischer Forschung
► Vielzahl von Einflussfaktoren macht es der Psychologie unmöglich, aufgedeckte
Zusammenhänge zu beschreiben, auf deren Basis sich zukünftige Ereignisse mit hoher
Trefferquote vorhersagen lassen.
► Vorhersagen sind daher von höherer oder geringerer Wahrscheinlichkeit
► Eine Vorhersage, die gültig für den Durchschnitt ist, muss im Einzelfall nicht zutreffen
► Vergleich mit „harten“ Wissenschaften:
o Physik: Replizierbarkeit in Teilchenphysik nicht größer als in PÄPS (Hedges 1987)
o Medizin (Gage 1985): 30 Mio. Mark-Studie zu einem Schlaganfallpräparat (Placebo
mit 9,5% vs. Medikament 7%) an 3800 Vpn.
Beispiel: Rost et al 2010

Aufgabenfelder der PÄPS


Zu den praktischen Aufgaben gehört:
► Vermittlung pädagogisch-psychologischen Wissens an Experten unterschiedlicher
Fachrichtungen
► Handlungswissen in den Bereichen
o Diagnose & Prognose
o Beratung und Intervention
o Evaluation

Aufgabenfelder der PÄPS bei der Wissensvermittlung


► Beteiligung der PÄPS an der Bestimmung von Lehrzielen
o Bestimmung der Lehr- und Erziehungsziele sind der („normativen“) Pädagogik
vorbehalten
o Die Psychologie befasst sich mit dem, was ist und weniger dem, was sein soll.
o Die PÄPS überprüft, o die geforderten Ziele (z.B.: durch Schule) erreicht werden
 Positives Bsp.: Doktrin der formalen Bildung falsifiziert
 Negative Bsp.: Noch immer Diskrepanz der Vermittlung von
Grundlagenwissen und real life – Anforderungen
 Individuelle Bewertung vs. Kollaborative Leistung

14
 Künstliche Kompetenzerfassung anstatt angewandte
Performanzmessung
 Symbolisches Denken vs. Gegenstandsbezogenes Denken
 Formale Bildung vs. Situiertes Lernen
► Schule & Alltag haben sich zunehmend entfernt
► Erforschung des Lernens und seiner Bedingungen in pädagogischen Situationen
o Lernen hängt von äußeren und inneren Bedingungen des Lernenden ab
o Fokus: Lernerverhalten, welches der Lehrende zu beeinflussen versucht (Lehren)
 Lehrerfolg nur über Lernerfolg wahrnehmbar
 Interaktive Betrachtung aller Beteiligten notwendig
 Bsp.: Verkäufer vs. Lehrer
Beispiel Diagnostische Kompetenz (Lorenz & Artelt 2009)

Grundlegende Position zum


Begriff „Lernen“
Lernen als Veränderung von Verhaltensweisen
► Behaviorismus: Wir beschränken uns auf die Dinge, die wir beobachten können! (Watson
1925)
► Stimulus-Response-Psychologie
o Vorhersage der Reaktion auf einen Reiz
o Erklärung eines vorangegangen Reizes bei einer bestimmten Reaktion
o Mensch als „tabula rasa“ = gelöschte Tafel (John Locke)
o Bewertung von Lernergebnissen wird durch das Ausmaß einer Verhaltensänderung
bestimmt
o Zumeist Tierversuche

Lernen als passives Aufnehmen von Wissen


► Lernen als Informationsverarbeitung (analog zum Computer)
► Der programmiere Unterricht (Skinner 1954)
o Aufteilung des Lernstoffes in „Frames“
o Jeder Frame wird bearbeitet und überprüft, dann folgt der nächste Frame

15
Programmierter Unterricht – Beispiel

16
Lernen als Konstruktion von Wissen
Konstruktivismus:

17
Lernen ist ein:
► Aktiver
► Zielgerichteter und
► Höchst konstruktiver Prozess

Transfer der PÄPS in den Unterricht


► Schule als Produktionsstätte oder als Stätte des Lernens
► Transfer des PÄPS-Wissens in den Alltag
o Die Rolle des induktiven Denkens & des „confirmation bias“
o Rolle des Vorwissens – 10.000 Stunden
o Die Akzeptanz wissenschaftlicher Ergebnisse

Beispiel zum Confirmation Bias


► In ersten bis neunten Schuljahren fand man, dass Schüler mit besseren
Leistungstestergebnissen aus Klassen stammten, in denen Lehrer unterrichteten, die ein
verhältnismäßig geringes Maß an Kontrolle ausübten und die ihren Schülern ziemlich viel
Freiheit bei der Wahl ihrer Unterrichtsaktivität boten.
► In ersten bis neunten Schuljahren fand man, dass Schüler mit besseren
Leistungstestergebnissen aus Klassen stammten, in denen Lehrer unterrichteten, die ein
verhältnismäßig hohes Maß an Kontrolle ausübten und die ihren Schülern ziemlich wenig
Freiheit bei der Wahl ihrer Unterrichtsaktivitäten boten.
► Erfolgreiches Unterrichten – Kunst oder Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse?
Merkmale erfolgreicher Lehrer:
o Implizite & explizite Theorien
o Wissensvoraussetzungen
 1926: Gutes Urteilsvermögen, Selbstkontrolle, Besonnenheit;
Begeisterungsfähigkeit, Ausstrahlungskraft und Anpassungsfähigkeit
 Heute: Fundiertes Fachwissen und Bedeutung für die Wissensvermittlung;
allgemeines Pädagogisches Wissen
o Positives Klassenklima
 Mitmenschliches Interesse an den Lernenden
 Eindeutige Erwartungen an die Lernenden einer verständnisvollen
Atmosphäre

Entwicklungspsychologische Grundlagen
Ziel der PÄPS
Bereitstellung von Wissen zur Gestaltung pädagogisch erwünschter Veränderungen
► Voraussetzung: Man kennt die Grenzen und Möglichkeiten psychische
Veränderungen herbeizuführen und zu gestalten
► Theorie bzw. Forschungsparadigma beeinflussen Praxis
Eine Frage der Perspektive:
► Ideografisch
o Individuelle Sichtweise, die den einzelnen Menschen im Verlauf seiner Entwicklung
nur mit sich selbst vergleicht
► Nomothetisch
o Universelle Sichtweise, die vom Einzelfall abstrahiert und allg. Gesetze beschreibt
18
► Ideothetisch
o Differenzierte Sichtweise: Abweichung des Einzelnen von der universellen
Entwicklung

Das Anlage-Umwelt-Problem
Wechselwirkung von Anlage & Umwelt: Das Modell von Scarr (1989)
Wie wird Erfahrung durch genetische Faktoren beeinflusst?
► Passiver Zusammenhang: z.B.: biologische Eltern schaffen eine bestimmte
Erziehungsumwelt
► Evozierender Zusammenhang: Genetische Faktoren bestimmen die Umwelt; z.B.:
Blindgeborene veranlassen ihre Eltern zu bestimmten Reaktionen
► Aktiver Zusammenhang: Ein Kind kann auf Basis seiner Veranlagungen gezielt Angebote aus
der Umwelt auswählen, z.B. ein musikalisches Kind wendet sich eher Umwelten zu, die
musikalische Erfahrungen ermöglichen -> nice-picking & Quiz-Kids)
Abnehmender passiver Zusammenhang, zunehmender aktiver Zusammenhang im zeitlichen
Entwicklungsverlauf

Reifung
► Phasentypische Zeit-Fenster für Veränderungen und Veränderungs-Bemühungen
► Reifung ist das allmähliche Auftreten bestimmter Verhaltensweisen während der
Ontogenese, die das artspezifische Verhaltensrepertoire eines Artvertreters ausmachen
► Reifung tritt innerhalb einer Spezies im Normfall immer auf -> genetisches Programm
► Auch negative Reifung z.B. Abbau mentaler Fähigkeiten

19
Beispiele für Reifung
► Motorische Entwicklung
o Feste Abfolge bestimmter Reifungsprozesse

Reifung im Alter
Erklärungsansätze für kognitive Entwicklung
► Defizitmodell: Entwicklung im Alter ist mit biologisch determiniertem Nachlassen
körperlicher und geistiger Funktionen verbunden
► Disuse-Modell: Nachlassen körperlicher und geistiger Funktionen als Folge mangelnden
Gebrauchs & Trainings
► Kompetenz-Modell: Personen- und umgebungsspezifische Anpassung der individuellen
Kompetenzen an die Erfordernisse der Lebensumwelt

Sensible Phasen

► sind zeitlich begrenzte Entwicklungsabschnitte, in denen spezifische Umwelteinflüsse zu


einer besonderen Wirkung gelangen
o Bsp.: Graugans
► Entwicklung in der Kindheit
o Bsp.: Spracherwerb
 kumulatives Defizit
► Gibt es eine sensible Phase der Intelligenzentwicklung?
o Bloom: „Ja, im 5-8 Jahr“ (Basis für Schulentscheidung)
o Aber: Expertise anstatt Intelligenz (Fluide Intelligenz nimmt im Alter ab,
kristalline zu)
► Kritik: Nicht nur „sensible Phasen“ sind sensibel

Kritik an Reifung & sensiblen Phasen


► Reduktion auf Gene: „Das Kind ist eben noch nicht schulreif. Das wird sich mit der Zeit
geben…“!

20
► Zusammenwirken von Umwelt & Reifung ist notwendig zur Entwicklung ->
Interaktionistische Sichtweise
► Piaget & Vygotski

Das Werk Piagets


► Assimilation & Akkommodation
o Aufbau von Schemata
o Reifung nur in Interaktion mit Umwelt möglich
 Kinder warten nicht ab, bis etwas passiert, sondern setzen sich akitv mit
ihrer Umwelt auseinander und
 treten in soziale Interaktionen
 Sie stoßen auf etwas, das sie nicht assimilieren (in Schemata einordnen)
können, es entsteh ein Ungleichgewicht (Disäquilibrium)
 Es erfolgt (im erfolgreichen Fall) eine Akkommodation (Anpassung des
Schemas)

Kognitive Entwicklung nach Piaget


► Beobachtung von (seinen) Kindern in natürlicher Interaktion mit der Umwelt
► Konfrontation mit Problemen/Aufgaben
► Resultierte in 4 Phasen-Modell der kognitiven Entwicklung
o 1 Sensu-motorishe Phase
o 2 Voroperationale Phase
o 3 Phase der konkreten Operationen
o 4 Phase der formalen Operation
o Jede Folge-Phase umfasst quantitativ & qualitativ mehr Wissen.
Die Abfolge ist invariant: Keine Phase kann übersprungen oder vorverschoben
werden

Sensu-motorische Phase
► die ersten beiden Lebensjahre
► Kind agiert mit der Umwelt und bekommt über Sinnesorgane Rückmeldung. Die
Aktivitäten, die interessante Effekte auslösen, werden wiederholt -> Kreisreaktionen
► Primäre Kreisreaktionen (0;1-0;4) auf Körper beschränkt (z.B. Daumenlutschen)
► Sekundäre Kreisreaktion mit Umwelt (0;4-0;8 z.B. Glockenschlag)
► Tertiäre Kreisreaktion: Ursachen finden (1-1;6; z.B. Wasserspritzen)
► Objektpermanenz (nach Piaget 0;8; adere 0;3,5) – Repräsentation

Die voroperationale Phase


► zwischen dem 2. & 7. Lebensjahr
► Operationen = Gedankliche Ereignisabläufe nach einfachen logischen Regeln
► „voroperational“ weil noch Fehler vorhanden sind
► stark von Wahrnehmung beeinflusst

21
Die Phase der konkreten Operationen

Die Phase der formalen Operationen


► ab 11 Jahren
► z.B. systematisches Experimentieren
► Gedankenexperimente
► hypothetisch-deduktives Denken
► Problem: Die Rolle des Kontextes sollte keine Rolle spielen
► Bsp.: Wason’scher Selection Task (siehe unten)

Zur formalen Logik


► Kritik an Piaget: Formale Logik korrespondiert wenig mit Alltag
► Implikationsaussagen (formale Logik)
► Wenn p, dann q
o P -> Q, geg. P –Folgerung: also Q (Modus Ponens)
o P -> Q, geg. Q–Folgerung: nicht eindeutig
o P -> Q, geg. nicht P – Folgerung: nicht eindeutig
o P -> Q, geg. nicht Q – Folgerung: also nicht P (Modus Tollens)

22
Die Wason’sche Task

Wason & der Kontext

Piaget & der Unterricht


► Weg vom passiven Wesen (Behaviorismus) hin zum aktiven Lernenden
► „Problem der Passung“: Aufgaben & Darstellungen, die bekannt & zu einfach sind, sind
langweilig; Überforderung führt zu Frust -> Mittlerer Grad an Disäquilibrium
► Bsp.: Mathematik – zunächst konkret, dann formal
► Problem: Erreichen formalen Denkens nicht auf alle Bereiche transferierbar
► Kritik: Das von der Wirklichkeit abgehobene Denken wird höher bewertet als das
praktische Tun.

23
Die Arbeiten Lev Vygotskis
► Verständnis sozialer & kultureller Prozesse vor dem Studieren kognitiver Prozesse ->
mediated Learning
► Interaktion Kind, soziale Umwelt UND kulturelle Historie
► Jede Funktion ist zunächst interpsychisch und dann intrapsychisch
► Ggs. zu Egozentrismus bei Piaget am Beispiel Sprache – Zunächst soziales Vorbild, dann
eigene Sprachakte (Rückgang im Lauf der Entwicklung ist auf Verinnerlichung
zurückzuführen)
► Was zählt, ist nicht der tatsächliche Leistungsstand, sondern der potenzielle! (Zone der
nächstmöglichen Entwicklung – zone of proximal development)
► Umsetzung z.B. Cognitive Apprentiveship-Ansatz

Lern- und kognitionspsychologische Grundlagen


An Sachverhalte erinnert man sich, wenn sie
► irgendwie herausragen
► von starken Emotionen begleitet sind
► zuerst oder zuletzt genannt werden oder auftreten
► mit anderen Sachverhalten verknüpft sind
► wiederholt werden

Das Gedächtnis

24
Boom der CLT-Theorie
„In the last decade, Cognitive Load Theory (CLT) has become an authoritative theory in the field of
learning and instruction:“
van Merrienboer & Ayres, 2006

Das Arbeitsgedächtnis: Die CLT-Theorie

AG-Auslastung:

25
Ungünstige AG-Auslastung:

Günstige AG-Auslastung

Cognitive Load Theory


Viele Instruktionsmaßnahmen
► berücksichtigen NICHT die Besonderheiten der kognitiven Architektur, vor allem die
begrenzte AG-Verarbeitungskapazität
► überlasten unnötig die Lernenden und behindern das Lernen anstatt es zu fördern

Kognitive Architektur

26
Intrinsic Cognitive Load / ICL
Komplexität des Instruktionsmaterials ~ „Element Interactivity“

► Aufgabenschwierigkeit wird durch Anzahl der Elementinteraktionen bestimmt


► abhängig vom Vorwissen (Schemata)
► ICL ist nicht manipulierbar, sondern durch Aufgabe gegeben

Extraneous Cognitive Load / ECL


► ECL ist manipulierbar durch Art der Informationsdarbietung
► Er entsteht z.B. durch unnötige Such- oder Integrationsprozesse
► ECL erschwert mentale Integration der relevanten Elemente
► Diese hohe zusätzliche Belastung ist zu vermeiden

ECL-Reduktion
► Split-Attention Effect
► Modality Effect
► Worked Example Effect

27
Split-Attention Effect
► Simultane Aufmerksamkeit auf verschiedene Informationsquellen erhöht unnötig ECL
► Physikalische Integration unterstützt mentale Integration und reduziert ECL

28
Redundancy Effect
ABER: Bei redundanter Information: Elimination statt Integration (bereits bekannte Information
muss bewusst ausgeblendet werden, was wiederum ECL erzeugt)

Redundante Information erhöht ECL für Experten, da auch diese mit der neuen Information
mental integriert werden muss.
Daher sollte redundante Information für Experten reduziert werden.

keine redundante Information im separierten Format -> geeignetes Format für Experten

Split Attention vs. Redundancy Effect


The same presentation format may facilitate performance or interfere with performance either
through split-attention or redundancy effects, depending on learner’s expertise
(Yeung, Jin & Sweller, 1997, p.1)

Expertise-Reversal Effect

29
Exkurs: Informationspräsentation

Modality Effect

Einseitige Auslastung des AGs erhöht unnötig CL (=ECL)


-> Nutzung beider AG-Komponenten (visuell + auditiv) entlastet und reduziert ECL

Phonologische Informationsverarbeitung

30
Der Einfluss von medienspezifischen Attributionen auf das Lernen mit
Multimedia – Eigene Forschung Univ.-Prof. Dr. Zumbach
Lernen mit Multimedia und Animationen
► Bislang: Überwiegend kognitive Erklärungsansätze
o Cognitive Load Theory
o Spezifische Modelle (z.B. S-O-I-Modell u.a.)
► Vernachlässigung medienspezifischer Attributionen
o Wie wird ein bestimmtes Medium beurteilt?
o Wie verändern bestimmte Attributionen die mentale Anstrengung?

31
Hypothesen
► Lernen mit multimedialen Animationen wird durch medienspezifische Attributionen
beeinflusst
o Animationen vs. Text führt zu unterschiedlichen Beurteilungen hinsichtlich der
Schwierigkeit des Mediums („Lernen mit Text ist schwer – Lernen mit dem
Computer ist einfach“)
o Mentale Anstrengung sollte höher bei Text als bei Animationen sein.
► Multimodale Informationspräsentation sollte einen Split-Attention-Effekt vermeiden

Studie 1: Eutrophierung von Seen


► Vier unterschiedliche Versionen eines Lernmaterials:
o Text (gedruckt)
o Text mit Bildern (gedruckt)
o Animation mit gedrucktem Text
o Animation mit gesprochenem Text
► Jeweils der gleiche Inhalt, allerdings unterschiedliche Kodalitäten und Modalitäten

Material: Abhängige Variable


► Wissenserwerb (Vor- und Nachtest)
► Medienspezifische Attributionen nach Salomon 1984; Vortest
► Kognitive Belastung (NASA-TLX; Hart & Staveland 1988; Nachtest)

Ergebnisse Wissenserwerb

32
Ergebnisse Cognitive Load

Ergebnisse:
► Interne Konsistenz (Messgenauigkeit) unbefriedigend (die meisten mit Cronbach’s Alpha
< 0.4)
► Replikation einer niederländischen Replikationsstudie (Beentjes 1989)
► Regressionsanalysen: Je leichter ein Medium eingestuft wird, desto geringer ist der
Lernerfolg
o Text: Wissensnachtest = 16,31 + 0,33 x Vorwissen -2,56 x Lernen mit Text ist
leicht (R² = 0,2)
o Computer: Wissensnachtest = 16,88 + 0,33 x Vorwissen – 2,03 x Lernen mit
Computer ist leicht (R²=0,23)
Diskussion:
► Je höher die mentale Anstrengung, desto besser der Lernerfolg
o Vorwissen als signifikanter Prädiktor
o Medienspezifische Attribution als signifikanter Prädiktor
o Keine pauschale Differenzierung
► Keine Replikation des Modalitäts-/Splitt-Attention-Effekts
o Eher auf einfachere und kürzere Lernumgebungen bezogen
o Hier: Dauer ca. 20 Minuten und komplexer Gegenstandsbereich

Studie 2: Routing-Algorithmen
► Veränderte Skala zur Erfassung von
medienspezifischen Attributionen (Cronbach’s Alpha >
0.9)
► Zwei unterschiedliche Varianten einer Animation zum
Thema „Routing-Algorithmen“

33
Ergebnisse

Studie 3: Induktion von Attributionen

Ergebnisse

34
Diskussion
► Vorwissen grundsätzlich ein signifikanter Prädiktor
► Medienspezifische Attributionen nehmen einen Einfluss auf die mentale Anstrengungen
und den Wissenserwerb
► Die Weiterentwicklung entsprechender Erhebungswerkzeuge wäre notwendig
► Replikation der Medienanalysen im Bereich Film wäre notwendig (mit neuen
Werkzeugen)
► Nähere Analysen des Modalitäts-/Split-Attention-Effekts beim Lernen mit Multimedia

Worked-Example Effect

Konventionelle Problemvorgabe erhöht unnötig CL (=ECL)


-> Ausgearbeitete Lösungsschritte unterstützen Verständnis, entlasten und reduzieren ECL

35
Traditionelle CLT-Fazit
► ECL-Reduktion bei Novizen und damit mehr kognitive Kapazität für Verstehensprozesse
o Split-Attention Effect
o Modality Effect
o Worked-Example Effect
► Effekte zeigen sich nur bei hohem ICL
► Performanz – Effizienz (Zeitbegrenzung)

Germane Cognitive Load – GCL


► Worked examples sind nicht immer wirksam – abhängig von Bearbeitungsgüte!
► GCL „passiert“ nicht von selbst, sondern entsteht bei aktiver lernprozessbezogener
mentaler Belastung z.B. Elaboration, Selbsterklärung
► Den Schemaerwerb fördernde Prozesse erhöhen im positiven Sinne CL
(Arbeitsgedächtnis wird besser ausgenutzt)

Lernen als Verhaltensänderung


► Klassisches Konditionieren
o Def. Lernen hier: Lernen ist der Prozess, der aufgrund zumeist wiederholter
Aktivität zu überdauernden Verhaltensänderungen führt
o Reiz-Reaktions-Lernen
o -> PsychNow
► Operantes Konditionieren
o ->PsychNow
► Das Problem des Strafens
► Eine kognitivistische Erklärung

Eigenaufgabe
Überlegen Sie, wie Sie ein Statistik-Lehrbuch so konzipieren würden, dass:
- AnfängerInnen unterstützt werden
- der ECL reduziert wird

► Komplexe Bewegungsabläufe
o Ein Reiz-eine Serie an Reaktionen
o Verkettung
o hierarchische Strukturen & Puzzle-Metapher
o hierarchische Strukturen jenseits des Behaviorismus: Die TOTE-Einheit
o Sport: Eher ganze Bewegungsklassen als propriozeptive Reize & Reaktionen

Automatisierung von Wissen


► Vom deklarativen Wissen zum prozeduralen Wissen
► begriffliches Regelwissen (Wie bediene ich die Schaltung eines Autos?)
► Wissenskompilimierung (Anwendung des Wissens unter Bewusstmachung der Abläufe)
► Automatisierung
► Problem: Nicht-indizierte Automatisierung
o (gedankenlose automatisierte Abläufe, z.B. nach falschen Glas greifen und
trinken; Injektion)

Die sozial-kognitive Lerntheorie


► Lernen am Modell
o Merkmale des Modells
o Fähigkeiten des Beobachtenden
36
o Aufmerksamkeit
o Affektive Valenz (Akzeptanz)
o Funktionaler Wer t des Modells
o Komplexität
o Lernvoraussetzungen
 Wahrnehmungskapazität
 Erregungsniveau
 Wahrnehmungseinstellung
 Verstärkungen

Lernen als Wissenserwerb


► Lernen ist ein bereichsspezifischer, komplexer und mehrstufiger Prozess (beinhaltet:
Verstehen, Speichern & Abrufen von Informationen)
► Wie wird Wissen gespeichert?
► Lernen als Aufbau und Veränderung von Wissensrepräsentationen

Speicherung von Wissen


► Schemata, semantische Netzwerke & mentale Modelle
► Schemata:

► Ökonomische Speicherung und Verbindung von Informationen durch Propositionen


o Proposition als grundlegende Wissenseinheit
o Textverarbeitung
 Nach etwas Zeit wird nur Bedeutung, nicht die Satzstruktur gespeichert
 Sätze mit weniger Propositionen werden besser behalten

► Bildhafte Speicherung:
o Studie von Shepard (1967): 88-89% verbales Material und 100% bildhaftes
Material wurde wieder erkannt.
o Keine wirklichkeitsgetreue Abbildung wie z.B. Fotos (z.B. Geldscheine)
37
o Gespeichert wird das vermeintlich Wichtige

Skripts
► Schank & Abelson
► Ereignisshemata

► auch physikalische Ereignisschemata

38
Erwerb neuen Wissens

Förderung von Behaltensleistungen

39
► Präinstruktionale Maßnahmen
o Vortests
o Vorausgehende Übersichten
o Advance Organizer
 In einer Physikstunde beginnt der Lehrer seine Unterrichtsstunde zum
Ohmschen Gesetz mit folgender Einordnungshilfe: Das Ohmsche Gesetz
lässt sich mit einem Jungen vergleichen, der eine Karre über eine
schlammige Straße zu schieben hat, Die Schubkraft, die der Junge
aufzuwenden hat, ist mit der Spannung vergleichbar. Die Schlammtiefe
der Straße entspricht der Stärke des Widerstandes und die
Geschwindigkeit der Karre hat Ähnlichkeiten mit dem Strom im
elektrischen Kreis (Eggen & Kauchak 1994)
► Aktive Informationsverarbeitung
o Unterstreichen
o Notizen anfertigen
o Zusammenfassungen
o Fragen stellen
o Concept Mapping

Metakognition
► Wissen & Kontrolle über die Umwelt
► Wissen & Kontrolle über Aufmerksamkeit
► Wissen & Kontrolle über eigene Gedächtnisprozesse: Nutzung von Lernstrategien
► Wissen & Kontrolle über den eigenen Fortschritt und Erfolg

Erklärungsansätze für Vergessen


► Inferenztheorie: „ Als A König war und ihm B als General diente, war Krieg C
auszufechten. Aber als A König und D sein General war, fand Krieg E statt“

40
► Theorie des Spurenverfalls:
o Zeitlicher Faktor, jedoch bislang keine physikalischen Korrelate gefunden

► Fehlende Abrufreize: Wissen ist vorhanden, aber in der Situation nicht abrufbar

Lernen und Problemlösen


Problemlösen & Intelligenz
► IQ-Tests messen nicht Anpassung eines Individuums an die Umwelt sondern an eine
spezifische Umwelt
► Bsp. Brasilianische Kinder:
o Kokosnuss für 76 Cruzeiro und Kokosnuss für 50 Cruzeiro kosten zusammen? 126
C.
o Was ist 76 + 50?

Ein alternatives Intelligenzkonzept


Gardner:
Schule fördert hauptsächlich sprachliches & logisches-mathematisches
Denken: Defizite können kompensiert werden

Problemlösen – Ursprünge
► Thorndike: Katzen (trial & error)
► Köhler: Schimpansen (Denken)
► Kennzeichnen von Problemen:
o Anfangszustand
o Endzustand
o Problemlöseraum

Probleme
► Well-defined problems
o klares Ziel
o lösungsrelevante Informationen vorhanden
► Ill-defined oder ill-structured problems
o unklares Ziel
o nicht klar, welche Informationen relevant sind
o nicht zwangsläufig alle relevanten Informationen vorhanden
 Bsp. Wie halte ich eine erfolgreiche Vorlesung?

Problemlösen
► Algorithmen
o z.B. Kochen nach Rezept
o Anagramme läsen
► Heuristiken
o geringer Zeitaufwand
o Lösung nicht garantiert
o Primär bei ill-structured problems: z.B. Referat schreiben
o Strategien zur Zielerreichung: Mittel-Ziel-Analyse (Newell & Simon): Verringerung
des Abstands zwischen Ziel und ggw. Situation

41
Expertise & Problemlösen
► Sachstudien (Newell & Simon):
o Experten (10.000 – 50.000) benötigen weniger Zeit als Laien oder Novizen um
sich Figurenkonstellation zu merken
o Wird eine Zufallskonstellation gewählt, verschwindet dieser Vorsprung
o Experten verfügen NICHT über ein allgemein überdurchschnittliches Gedächtnis
o Übungszeit mind. etwa 10 Jahre

Merkmale von Expertise


► umfangreiches Bereichswissen
► schnelles Erkennen bedeutender Gegebenheiten (Schemata)
► bessere Leistungen im KZG (durch Chunking & Schemata)
► Viele Prozesse laufen gleichzeitig und automatisiert ab

Novizen vs. Experten


► Experten fokussieren schneller relevante Aspekte, Novizen auch irrelevante
► Experten nutzen mehr Zeit, um sich mit einer schwierigen Problemsituation vertraut zu
machen
► Experten und Novizen unterscheiden sich in der Auswahl ihrer Lösungsstrategien
► Experten können ihre eigenen kognitiven Prozesse besser kontrollieren als Novizen

Förderung von Problemlösen im Unterricht


► natürliche & authentische Probleme präsentieren
o Bsp. Roth – Verirren im Wald
► Anchored Instruction:
o http://peabody.vanderbilt.edu/projets/funded/jasper/preview/rabm.html
► Beispiele:
o Psychologie
o Physik

Probleme beim Problemläsen im Unterricht


► Sprachliches Verständnis
o Bsp. (De Corte & Verschaffel 1985)

► Mangelndes Teil-Gesamt-Schema
► Lösung: Konkretisierung

42
Förderung (Erkundungstraining)
► Verständnisfragen stellen
o Ja/Nein-Regel:

► Fragen dürfen nur so gestellt werden, dass sie durch Beobachtung beantwortet werden
können
► Förderung von Kooperation

Förderung eines konzeptuellen Wandels


► Misskonzeptionen verändern (Appleton 1997)
o Vorwissen aktivieren
o aktive Auseinandersetzung fördern (z.B. durch Konflikte)

Erfolgreicher konzeptueller Wandel


► Der Lernende muss Anlass haben, mit seiner „alten“ Konzeption nicht mehr zufrieden zu
sein
► Dem Lernenden muss eine verständliche und plausible alternative Erklärung zur
Verfügung stehen
► Der Lernende muss bei einem Vergleich von „alter“ und „neuer“ Konzeption zu der
Feststellung gelangen, dass beide nicht völlig miteinander vereinbar sind. Dies führt bei
ihm zum Erleben eines kognitiven Konflikts
► Die alternative Erklärung muss sich bei der Erklärung von Beobachtungen und der
Vorhersage zukünftiger Ereignisse bewähren und damit der „alten“ Konzeption eindeutig
überlegen sein
► Der Lernende muss den kognitiven Konflikt bewältigen, indem er die ihm plausibler
erscheinende Konzeption akzeptiert und die andere zurückweist

Transfer von Wissen


► Träges Wissen und anwendbares Wissen
► Merkmale des Lernenden
o Deklaratives & prozedurales Wissen
o Speicherkapazität des KZG
o Strategien & Anwendung lösungsrelevanten Wissens
► Aufgabenmerkmale
o Ähnlichkeit mit bereits verwendeten Aufgaben
o Oberflächen- vs. Tiefenmerkmale
► Kontext
o Theorie identischer Merkmale

4-Stufen-Modell nach Holyoak 1985


► Für den Transfer von Wissen
o Kodieren der Aufgabenmerkmale

43
o Abrufen alter Informationen der Basisaufgabe
o Auswählen und Abbilden möglichen brauchbaren Wissens auf das Ziel
o Abstrahieren und Integrieren

Erhöhung der Transferwahrscheinlichkeit


► Intensives Üben von Grundfertigkeiten (Überlernen)
► Anwenden verschiedener Strategien in ähnlichen Situationen
► Entkontextualisieren
► Problemorientierung

Emotion & Kognition beim Lernen


Warum & wo sind Emotion und Motivation relevant?
Selbstgesteuertes Lernen als Voraussetzung und Ziel von Erziehung

44
Emotionen
► 5 Komponenten von Emotionen
o Affektiv
o Kognitiv
o Expressiv
o Physiologisch
o Motivational
► 3 Dimensionen lernrelevanter Emotionen
o Valenz: positive oder negative Emotionen
o Zeitlicher Bezug: dauerhaft oder kurzfristig
o Art der Energetisierung: hemmt oder fördert

Rolle von Emotionen beim Lernen


► Auswirkungen auf Lernmotivation
o Prüfungsangst reduziert Lernfreude und dadurch intrinsische Lernmotivation
o Extrem: Fluchtverhalten
o Keine Flucht möglich: Anstrengungsbereitschaft
o letztlich vom Individuum abhängig
► Auswirkungen auf kognitive Prozesse
o Angstbedingte Kognitionen verringern die Aufmerksamkeit
o Wine 1971: Aufmerksamkeitshypothese
► Auswirkungen auf Lernverhalten & Lernstrategien
o Freude: Elaborationsstrategien
o Stimmung & Gedächtnis: Positive Stimmung & holistisches Denken;
Negative Stimmung & analytisches, eingeschränktes Denken

Entstehung von Emotionen


► Kognitives Modell stressbezogener Emotionen:
Transaktionales Stressmodell nach Lazarus
o Primary appraisal
o Secondary appraisal
o Reappraisal
Wahrnehmung & Bewertung hängen von den personellen & sozialen Ressourcen ab

Prüfungsangst
► Erwartung-mal-Wert-Modell der Angst nach Pekrun:
o Situations-Folge-Erwartung: Misserfolg, wenn kein Handeln
o Einschätzung der subjektiven Bedeutung des Misserfolgs
o Einschätzung möglicher Handlungskontrollen
o Einschätzung der Handlungsfolgen
► Personenbezogene Bedingungen: Ausgang einer Prüfung hat hohen Stellenwert;
Misserfolgswahrscheinlichkeit sehr hoch und keine Handlungsmöglichkeiten zur
Gefahrenabwehr werden wahrgenommen -> Angst
► Familiale & schulische Bedingungen
o Erzeugung dispositionaler Angst
o Leistungsdruck
o Nichterfüllung von Leistung wird als starker Konflikt erlebt
o misserfolgskontingente Bestrafung
45
o inkonsistenter Umgang mit Regeln
o elterliche Strenge & elterliche Überforderung
o Klassenklima (Wettbewerb)

Yerkes-Dodson-Gesetz

Lernmotivation
► Motivation & Motiv, Volition

Formen der Lernmotivation


► Leistungsmotivation
► Interesse (Person-Gegenstandtheorie des Interesses)
► Intrinsische Motivation
► extrinsische Motivation
► Lern- oder Aufgabenorientierung
► Performanzorientierung
► Soziale Motivation

46
Selbstwertdienliche Tendenzen
Attributionen zur Erhaltung eines positiven Selbstbildes
► z.B. tendentiell internal-variabel bei Erfolg, external bei Misserfolg
► Diese Tendenzen verzerren zwar die Realität ein wenig, sind aber gesund für die
Motivation
► Bei manchen Personen sind diese Mechanismen beschädigt -> erlernte Hilflosigkeit

Erlernte Hilflosigkeit als Problem


► kann z.B. entstehen durch
o Überforderung (ungünstige Passung des Schwierigkeitsgrades)
o soziale Einflüsse
► Bewältigungsstrategien
o Wahrnehmung eigener Kontrollmöglichkeiten
o Wahrnehmung eigener Kompetenz
ABER: Gerade Zweiteres schwierig, da Erfolge external attribuiert werden.

Neugier
► Berlyne:
Wahrnehmungsneugier und Epistemische Neugier
► Förderung von Neugier im Unterricht

Motivation & Ziele & Leistung


► Darstellungsorientierung vs. Lernzielorientierung (nach Dweck)
o Darstellungsorientierte Schüler nehmen ihre Fähigkeiten als stabil wahr
o Unterricht: extrinsisch motiviert – gute Noten erzielen, schlechte Noten
vermeiden
o Schüler mit hohen Fähigkeitsattributionen wählen herausfordernde,
mittelschwere Aufgaben, um ihre Leistungen zu demonstrieren (Scheitern ->
externale Attribution)
o Schüler mit niedrigen Fähigkeitsattributionen wählen leichte oder schwere
Aufgaben

Kontextbedingungen der Leistungsmotivation


► Familie
o Erwartungen

47
o Kontrolle
o Belohnung / Bestrafung
► Schule
o Klassenstufeneffekte
► Bezugsgruppe

Motivationale Theorie der Selbstbestimmung


► Ryan & Die: Akzeptanz externer Handlungsziele für sich selbst und deren
Weiterverfolgung aus eigenen Interessen
► 4-Stufen-Modell der Internalisierung und Integration
o Extrinsische Handlungsregulation
o Introjektion
o Identifikation
o Integration

Entwicklungstrends der Motivation


► Pekrun 1993:
o intrinsische Motivation (hohe Lernfreude)
o Kompetenzmotivation (Eigene Fähigkeit verbessern)
o Leistungsmotivation (Streben nach Erfolg / Vermeiden von Misserfolg)
o Soziale Aufgabenmotivation (Wunsch nach positiver Reaktion anderer)
► Nur Leistungsmotivation über Jahre stabil

48
Erklärungsansätze
► Stage-Environment-Fit Theorie:
o Eccles et al 1989;1993
 Im Lauf der Schulzeit verschlechtert sich die Passung von
Schülerbedürfnissen und Kontextbedingungen der Schule
 Lehrer-Schüler-Beziehung ändert sich (keine emotionale Zuwendung und
Unterstützung Frühadoleszenter)
 strengere Notenpraxis
 Noten werden nach sozialen Vergleichsmaßstäben vergeben
 In höheren Klassen ist der Unterricht eher lehrerzentriert

Motivationsförderung
► z.B. Schüler:
o Anlehnung an kognitive Verhaltenstherapie
o Änderung von Anspruchsniveaus, Attribution und Selbstbekräftigung
o Verbalisierung motivrelevanter Gedanken
o Heranführung an schulischen Themen erst sukzessive durch andere kompetitive
Aufgaben (z.B. Labyrinth lösen)
o Evaluation zeigt Erfolg; jedoch keine Leistungssteigerung
► Lehrertrainings

Erziehende & Lehrende

► Eltern sind in der Familie für die Erziehung verantwortlich


► Familie ist eine auf Kontinuität angelegte Lebensgemeinschaft
► Formen von Elternschaft: Leiblich, Stiefeltern, Adoptiveltern, Pflegeeltern; Großeltern,
gleichgeschlechtliche Gemeinschaften
► Wie sehen die Kindschaftsverhältnisse in Deutschland aus?

Transitionen
► Die wichtigsten Transitionen:
o Zusammenziehen mit einem Partner
o Übergang zur Elternschaft
o Übergang des ersten Kindes in den Kindergarten
o Übergang des ersten Kindes in die Schule
o Auszug der Kinder
o Trennung / Scheidung
o Tod eines Elternteils
► Normativ, altersnormiert oder unerwartet, gesellschaftliche Normen
► Anforderung an das ganze System Familie

Anpassung an Transitionen
► Reorganisation von Beziehungen
► Reorganisation von Rollen
► Restrukturierung personaler Kompetenzen
► Das Bild vom Ich und seiner Stellung in der Welt
► Affektregulierung

49
Home Schooling
► Keine generelle Schulpflicht in USA & Australien
o Home-Schooler mind. genauso gut wie School-Schooler
o Hohe Elternmotivation & Vertrauen in Kinder
o Größeres Verhaltensrepertoire der Eltern
o Offener Unterricht zuhause mit höherer Selbstständigkeit
o Vertiefung von Inhalten auch außerhalb der Unterrichtszeit

Kooperation Eltern & Schule


Starke Unterschiede zwischen Ländern & Kulturen z.B. Krumm 1996 zwischen Österreich und Taiwan

Der Einfluss von Eltern auf ihre Kinder


► Gibt es überhaupt einen Einfluss? Die Thesen von Harris
o Kritik: Einfluss an Genetik wird überschätzt
o Varianzaufklärung ist keine Kausalität
► Einfluss von Eltern auf das schulische Lernen
o Eltern haben auf das Lernen selbst ggf. einen größeren Einfluss als die Schule
o Voraussetzungen werden gelegt: Sprachliche Fähigkeiten, Einstellung zum
Lernen, Anspruchsniveau, Selbstkontrolle & soziale Kompetenz

Wert von Kindern


► Familiensoziologie & kulturvergleichende Forschung: Wert des Kindes
o Ökonomischer Nutzen
o Status-Nutzen
o Psychologischer Nutzen
► Stark abhängig von der Gesellschaftsform
o Agrargesellschaft versus Industriegesellschaft
► Erwünschtheit von Kindern

Ist das Kind da: Erziehung


► Erziehungsstile
o Früher verschiedene Typen: demokratisch, autoritär, laissez-faire
o Heute Dimensionen: Unterstützung versus Kontrolle (Monitoring)

50
Ansätze zur Verbesserung der Erziehungskompetenz
► Woher kommt das Erziehungswissen?
o eigene Erfahrung (Modeling- vs. Kompensationshypothese)
o Bücher & Zeitschriften
o Elterntrainings
 primär-präventiv und sekünder-präventiv
 zumeist in Gruppen
 zeitlich begrenzt
 z.T. schon vor der Geburt (Beziehungsebene)

Erziehung an der Schule – Was ist ein guter Lehrer?

Der gute Lehrer

3 Paradigmen des guten Lehrers


► Persönlichkeitsparadigma
► Prozess-Produkt-Paradigma
► Experten-Paradigma

Persönlichkeitsparadigma
► Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen, Führungsstil, Intelligenz,
didaktischer Kompetenz (…) und Lehrerfolg
► inkonsistentes Bild, geringe Zusammenhänge
► Allerdings: Mindestausprägung im Bereich einiger Persönlichkeitsvariablen:
o Kontaktbereitschaft
o emotionale Stabilität/Belastbarkeit
o Selbstkontrolle
► Entscheidungshilfe durch Selbstassessment: Lehrer werden? http://www.cct-austria.at/

Prozess-Produkt-Paradigma
► Eng umgrenzte Auswirkungen bestimmten Lehrerverhaltens z.B. durch experimentelle
Untersuchungen oder systematische Beobachtungen.
Ergebnisse: Ein erfolgreicher Lehrer:
51
o Setzt ein reichhaltiges Repertoire an Unterrichtsmethoden flexibel ein
o aktiviert die Schüler
o nutzt Unterrichtszeit vornehmlich zur Stoffbehandlung
o stimmt Tempo und Stoffsequenz auf Schüler ab
o teilt angemessene Aufgaben zu
o drückt sich klar und konsistent aus und verfolgt ebensolche Ziele
o erkennt rechtzeitig Störungen und wirkt ihnen entgegen
o schafft weiche Übergänge von einem Inhalt (Methode) zum nächsten
o ist optimistisch
► In der Grundschule ist ein straffer Unterricht eher lernförderlich

Probleme beim Prozess-Produkt-Paradigma


► zu neutrale Operationalisierung von Variablen z.B. Angemessenheit der Aufgaben -> je
nach Fach sehr unterschiedlich
► wechselseitige Abhängigkeit von Variablen
► ATI-Forschung: Was dem einen nützt, kann dem anderen schaden
► einseitige Betrachtung: Lehrer beeinflusst Schüler

Expertenparadigma
► Ensemble von Fertigkeiten und Wissen
► z.B. durch wissensgeleitete Wahrnehmung (Berliner 1992)
► Experten sehen „ganzheitliche Unterrichtsepisoden“
► Putnam 1987 spricht von curriculum scripts

Ziele von Lehrern


► stark abhängig von Kultur
► zumeist allgemeinere Aussagen (Oberziele)
► GB: Glück, Ehrlichkeit, Förderung natürlicher Anlagen, Rücksicht
► CH: Selbstständigkeit im Denken & Handeln, Selbstvertrauen, Eigeninitiative
► F: Leistung
► D: Leistung, Kooperationsfähigkeit, Hilfsbereitschaft, Toleranz gegenüber Minoritäten

Erziehungsziele im Vergleich

52
Erziehungsziele und ihre Umsetzung
► Sekundarstufenlehrer wurden befragt
o wie wichtig ihnen bestimmte Erziehungsziele sind
o wie häufig sie im Unterricht etwas speziell zur Erreichung dieser Ziele tun
o welche konkreten Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele sie überhaupt kennen
► Korrelationen: (1) & (2) = .72; (1) & (3) = -.86
► Für die wichtigsten Ziele (vernünftige Lebensauffassung)
kannten sie keine einzige Maßnahme -> zu abstrakt
► Oft ist das Ziel klar, der Weg aber unbekannt!

Was bestimmt die Handlungen von Lehrern und Lehrerinnen?


► Pygmalioneffekt
► entdeckt von Rosenthal & Jacobson
o IQ-Tests an Grundschule
o 19 Lehrern wurde mitgeteilt, dass Test die zukünftigen Leistungen vorhersagen
kann
o 20% Schüler wurden zufällig ausgewählt. Den Lehrer wurde mitgeteilt, dass
diesen Schülern ein ungewöhnliches intellektuelles Wachstum bevorsteht
o In den Klassen 1 & 2 hatten ein Jahr später die 20% einen signifikanten Zuwachs
in den Leistungsergebnissen gegenüber ihren Mitschülern

Pygmalion reexamined
► Problem: methodische Unzulänglichkeiten des ersten Experiments
► Nur in 1/3 der Folgeuntersuchungen konnte das Ergebnis repliziert werden
► Stabile Befunde:
o Lehrer kommunizieren ihre Erwartungen zum Teil recht subtil
o Bei schwachen Schülern wird nicht so lange auf eine Antwort gewartet, sie
erhalten weniger Lob, werden weniger beachtet etc.
► Damit sich willkürlich erzeugte Erwartungen auswirken müssen nach Heckhausen
folgende Punkte erfüllt sein:
o Schüler leistet zur Zeit weniger, als er kann (underachievement)
o Lehrer unterschätzt Fähigkeit des Schülers bislang und macht dies auch deutlich
o Schüler hatt Einschätzung des Lehrers übernommen (internalisiert)

Was für Wissen braucht ein Lehrer?


► Fachliches Wissen
► Curriculares Wissen
► Philosophie des Faches
► Allgemein pädagogisch-didaktisches Wissen
► fachspezifisches pädagogisch-psychologisches Wissen

Von der Kognition zur Emotion


► positive Emotionen: Wann freut sich ein Lehrer
► negative Emotionen
► Zufriedenheit?

Funktionen von Emotionen für Lernen


► kommunikative Funktion von Emotionen (z.B. Gesichtsausdruck des verärgerten Lehrers)
► motivationale Funktion
► verhaltenssteuernd (Lust vs. Unlust)

53
Berufsbiografische Entwicklung von Lehrern

Burn-Out bei Lehrern


► 4 Typen (Fischer 2000)
o Reaktionstyp Gesundheit (11-17%): Beruflicher Ehrgeiz; Erfolg, innere Ruhe,
Distanzfähigkeit
o Reaktionstyp Schonung (13-27%): innere Ruhe, Distanzfähigkeit, jedoch wenig
berufliches Engagement
o Risikotyp A (26-41%): Hohes Engagement & Ehrgeiz, jedoch geringe
Distanzierungsfähigkeit & wenig innere Ruhe
o Risikotyp Burnout (28-36%): Geringes Engagement, wenig Ehrgeiz,
Unausgeglichenheit & Lebensunzufriedenheit

Was kann man tun?


► Trainings
o zur Bewältigung von Belastungssituationen
o zur Erweiterung der Handlungskompetenz
o zur Förderung der Unterrichtskompetenz
o zur Verbesserung der Lernmotivation im Unterricht

Von der Schule zur Hochschule


► Was charakterisiert einen guten Dozenten?
o HILVE: Struktur; Auseinandersetzung; Lehrkompetenz; Engagement;
Interessantheit

54
Professionelle Diagnostik
► knüpft an eine Alltagsdiagnostik an
► Verbesserung in zweierlei Hinsicht
o wissenschaftliche Verankerung bringt Verringerung von Mess- und
Prognosefehlern
o größere Transparenz von Fehlerquellen und Grenzen des Diagnostizierbaren

Diagnostik im Handlungsverlauf

Diagnostik-Strategien

Grundlagen der Diagnostik


► Klassische Testtheorie
o möglichst fehlerfreie Diagnostik
 Reliabilität
 Objektivität
 Validität
► Probabilistische Testtheorie

55
Normierung von Tests

Testverfahren
► Entwicklungstests (z.B. Wiener Entwicklungstest)
► Schulreifetests (z.B. Mannheimer Schuleingangsdiagnostikum)
► Intelligenztests (z.B. Hamburg-Wechsler-Intelligenztests)
► Spezifische Tests (z.B. der Lesefertigkeit)
► Beratungstests (z.B. Berufs-Orientierungs-Test)
► Eignungstest (z.B. TMS)
► Schulleistungstests
► etc…
Beispiele (2016 als Klausurfragen!!):
D2
I-S-T-2000-R

Schulleistungen
► standardisierte Schulleistungstests
► informelle Tests
► mündliche Prüfungen
► Aufsatzprüfungen
► Selbstbeurteilung
► Zensuren & deren Objektivität

Methoden zur Erfassung von Umweltmerkmalen


► Familienfragebögen (familiendiagnostisches Testsystem)
► Befragung
► Beobachtung
► Computerbasiertes Testen
► Simulationen

56
Einführung in die Pädagogische Psychologie: Beratung
Beratung
► ist ein zentrales Feld der Pädagogischen Psychologie
► bezieht sich auf Personen wie Institutionen
► findet im Kontext von Erziehung, Unterricht und Ausbildung statt
► ist stets „Hilfe zur Selbsthilfe“
► ist eine Sonderform der sozialen Interaktion
► findet zwischen mindestens 2 Personen (oder Institutionen) statt
► ist weder in Funktion noch in Zeit eindeutig festgelegt
► Ziel ist Hilfe für eine der beiden Parteien
► In der Regel soll ein Entscheidungsproblem gelöst werden
► Primäres Ziel: Ein problematisch erlebter Zustand soll geklärt und
Entscheidungsunsicherheit reduziert werden

Intervention
► Im Gegensatz zur Beratung wird aktiv in das Geschehen eingegriffen, um ein
unerwünschtes Phänomen zu beseitigen oder zu verhindern
► zentral: Handlungs- nicht Entscheidungsproblem

Prävention
► soll das erstmalige Auftreten oder eine Verschlimmerung eines Problems verhindern
► Fließender Übergang zwischen Intervention & Prävention:
o Primäre Prävention: bevorstehendes negatives Ereignis bewältigen oder
verhindern -> eigentliche Prävention
o Sekundäre Prävention: Behandlung bereits eingetretener Störungen (korrektiv) -
> Intervention
o Tertiäre Prävention: Stabilisierung und Vermeidung einer Verschlechterung ->
Rehabilitation

Beratung als Problemlöseprozess


► Allgemeine Orientierung
► Problemanalyse
► Erzeugung & Bewertung von Alternativen
► Entscheidung, Planung & Durchführung
► Durchführung der Lösungsstrategie
► Evaluierung

57
Das Beratungsproblem
► Zunahme von Beratungsbedarf
► z.B. Erziehung- und Familienberatung

Adressaten von Beratung


► Einzelberatung (Coaching, Supervision)
► Gruppenberatung
► System- und Institutionsberatung
► Organisations- und Personalentwicklung

Der Berater / die Beraterin


► Allgemeine Kompetenzen
o Wissenschaftliche Basis mit
 theoretischem Wissen
 empirisch gesicherten Befunden
 systematischen Handlungsroutinen
 systematisch erworbenen subjektiven Erfahrungen
o Künstlerische Seite
 Auswahl, Verwertung und Umsetzung von Konzepten und Methoden im
Einzelfall
 Soziales Fingerspitzengefühl
 Kommunikationskompetenz
 Kulturverständnis

Spezifische Beraterkompetenzen
► Prozesskompetenz
o Auftauen (unfreezing)
o Ändern (moving)
o Wiederherstellen der Stabilität (refreezing)
► Beraterkompetenz
o Empathie
o analytisches Herausarbeiten des Problems
o Klären von Zielen & Erwartungen
o Strukturierung des Beratungsablaufs
o definieren der Interventionsebenen
o aktives Zuhören
o variable Gesprächstechniken
o Erkennen & Vermeiden von Verstrickungen
o didaktisches Aufbereiten von Lösungsstrategien
o teamorientiertes Arbeiten
58
► Bewältigungskompetenz

Weiterentwicklung & Qualitätssicherung


► Supervision (z.B. durch Rollenspiele)
► Qualitätsmanagement
o Strukturqualität (Voraussetzungen)
o Prozessqualität (Durchführung)
o Ergebnisqualität (Klienten)

Kontextuelle Bedingungen von Beratung


► Gesellschaftlich-kulturelle Lebensbedingungen in der modernen Gesellschaft
o Komplexität
o Veränderungsgeschwindigkeit
► Gewalt in den Medien
► Politische Umwälzungen
► Regionale Besonderheiten

Theoretischer Rahmen und Methoden von Beratung


► Professionelle Beratung orientiert sich im Gegensatz zur Alltagsberatung an rationalen
Kriterien:
o planvoll
o kontrolliert
► Problem: für ein konkretes Problem liegt kaum eine elaborierte und unmittelbar
anwendbare Theorie vor
► Im Gegenteil: Meist ein Problemlöseprozess
► Wissenschaftlicher Hintergrund gibt Bausteine, die in das Problemlösemuster
eingestrickt werden müssen

Wichtigste Theorien der Beratungspraxis


► Psychodynamische Ansätze
► Humanistische Ansätze
► Lern- und verhaltenstheoretische Verfahren
► Systemtheoretische Konzepte
► Die meisten dieser Ansätze wurden primär für die Psychotherapie entwickelt

Psychoanalytische orientierte Beratung


► Zentrale Funktion des Unbewussten
► Theorie von Sigmund Freud:
o Psyche wird nahezu vollständig durch biologisch verankerte Mechanismen (z.B.
Triebe) und Erlebnisse der frühen Kindheit determiniert
o Konflikte & Traumata haben nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung
o Nichtverarbeitete Konflikte wirken bis ins Erwachsenenalter -> Neurosen
► Psychodynamische Beratung
o individuelle Entwicklungsgeschichte im Fokus
o Hinter den Problemen stehen nicht sichtbare, ungelöste Konflikte
o nachträgliche Bearbeitung dieser Konflikte
o freie Assoziation, Traumdeutung, Übertragung

Klientenzentrierte Beratung
► Nach Rogers (klientenzentrierte Gesprächstherapie):
o Zentrale Methode: Gespräch
59
o Thematisierung der Verhaltensweisen des Beratenden und nützliche
Bedingungen der Beratungssituation: Echtheit, Wertschätzung & einfühlsames
Verhalten
o Zentral: der Klient
o Prinzipien:
 Positive Beziehungsgestaltung
 Nichtlenken
 Gewähren & Akzeptieren
 Erkennen & Reflektieren von Gefühlen
 Förderung von Problemlösekompetenz
 Begrenzen
 Echtheit

Verhaltensbezogene Beratung
► Alles Verhalten (auch das fehlangepasste) ist gelernt
► Dies kann systematisch wieder verlernt werden
► Verhaltensanalyse
► Verstärkung, systematische Desensibilisierung & Selbstkontrolltechniken
► Entwicklung eines Plans zur systematischen Kontrolle & Behebung verhaltensauslösender
Reizkonstellationen

Systemisch orientierte Beratung


► Betrachtung des Ratsuchenden im Kontext der sozialen Beziehungen
► Symptome sind Folge von Störungen im sozialen Netzwerk einer Person
► Individuelle Beratung reicht hier nicht
► z.B. in Familien (systematische Beratung bei Familien)
► Systematische Einzelberatung: Erfassung der Beziehungen und Bedeutungen aus der
Wahrnehmungsperspektive des Ratsuchenden
► Merkmale systematischer Beratung & Therapie:
o Berücksichtigung der Autonomie und Eigendynamik des Klientensystems
o Veränderung konstruierter Wirklichkeiten
o Wechselseitiger Bezug von Problem und interpersonaler Kommunikation

60
Psychologie des Unterrichts
Modifiziertes Angebots-Nutzungs-Modell

Qualitätsvoller Unterricht

Motivationale Prozesse
Wichtigste Faktoren zur Motivation:
► Kompetenzerleben
► Interessenserfahrung
Erleben von Bedeutsamkeit
► Erleben von sozialer Eingebundenheit
61
► Nützlichkeitsüberzeugungen
► Belohnung und Bestrafung

Eine Studie zum Interesse von Schülerinnen und Schülern


Wie interessiert sind S/S in den unterschiedlichen Fächern, wie stark wechselt ihr Interesse und von
welchen Unterrichtsfaktoren hängt das Auftreten von Interesse ab? (Krapp)
► Situationale Interesse: kurzfristig
► Individuelle Interesse: langfristig (positiv geprägt)
Untersuchungsfächer: Mathematik, Deutsch, Fremdsprache

Ergebnisse:
► Situationale Interesse schwankte deutlich
► S/S mit generell hohem individuellem Interesse fanden mehr Stunden interessant
► Identifikation bestimmter Unterrichtsmerkmale, die systematisch mit höherem
situationalem Interesse einhergingen

Unterricht beschreiben und analysieren

Studie zum Unterschied von Tiefen- und Sichtstrukturen


Veenman und Kollegen untersuchten die Verarbeitung von kooperativen Lernformen
Gruppenarbeit = Sichtstruktur des Unterrichts
Strukturierung der Gruppenarbeit nach bestimmten Prinzipien
Durch diese Prinzipien werden die Schwachstellen der Gruppenarbeit vermieden
Variation der Unterrichtsmerkmale innerhalb der gleichen Sozialform (=Gruppenarbeit)
-> Merkmale der Tiefenstruktur

Ergebnisse
► Schüler/Innen: Häufiges Erleben kooperativer Lernformen -> Zufriedenheit

62
► Lehrer/Innen: Häufiges Einsetzen kooperativer Lernformen (4x pro Woche) -> positiver
Effekt, aber Unzufriedenheit mit der Methode
► Unterrichtsbeobachtung: Häufiger Einsatz der Gruppenmethode, aber:
o implementierte Methoden erfüllen kaum die Bedingungen
o Vernachlässigung der individuellen Verantwortlichkeit und der gemeinsamen
Gruppenaufgabe
-> beobachtete Kooperation wies geringe Qualität auf
(unvorteilhafte Arbeitsteilung, geringe Rate an Zuhörern, negatives Klima und
suboptimale Entscheidungsprozesse)

Unterrichtsforschung
Klassiker: TIMSS-Videostudien
► Teilnahme: 231 Schulklassen, Videografie einer Mathematikstunde / Klasse
► 1. Typischer Ablauf einer japanischen Stunde: Beginn Einzel- oder Gruppenarbeit
► 2. Deutsche oder amerikanische Stunde: Beginn mit lehrergeleiteten Gesprächen
Ergebnisse:
Japanische Schüler weisen in der Studie gute mathematische Leistung auf
-> problemlösender japanischer Unterricht gilt seitdem als der Musterunterricht für
Mathematik

Nachfogestudie (Hiebert et al 2003)


Das einheitliche Bild eines guten Mathematikunterrichts lässt sich nicht finden!
► Niederlande: selbstständiges Schülerarbeiten (> 55%)
► In Hongkong: lehrergeleiteter Unterricht (3/4 der Unterrichtszeit)
► Australien: wenig komplexere Aufgabenstellung (77%)
► Tschechien: großer Anteil an Wiederholungsaufgaben (58%)

Normative Setzungen, wie „guter Unterricht“ auszusehen hat, sind kaum möglich. Stattdessen
führen unterschiedliche Wege zu guten Schülerergebnissen

63
Tiefenstrukturen

Merkmale der Klassenführung nach Kounin (1976)

Wie kann effektive Klassenführung im Unterricht umgesetzt werden?


► 1. Etablieren von Regeln und Routinen
o Klare Vermittlung der erwünschten und unerwünschten Verhaltensweisen
o Klare Regeln und Vorschriften aufstellen
o Routine: Einüben bestimmter Verhaltensweisen in speziellen Situationen
► 2. Angemessene disziplinäre Maßnahme
o Reaktion auf Verstöße
o Wirkungsvolle disziplinäre Maßnahmen:
 Unmittelbare verbale Reaktion der Lehrkraft (Lob, Tadel)
 Tokenpläne
64
 Direkte negative Konsequenzen (Umsetzen der S/S)
 Gruppenbezogene Konsequenzen (Privilegien für Arbeitsgruppen)
 Einbeziehung der Familie
► 3. Konstruktive Schüler-Lehrerbeziehung
o Dominanz: Verkörperung der Führungsposition durch klare Formulierung der
Erwartungen, durch Vermittlung des Durchsetzungsvermögens,
Selbstbewusstseins, Körpersprache und Stimme
o Kooperation: flexible Einstellung, Interesse an S/S „Auge-Zudrücken“ bei kleinen
Vergehen
► 4. Eigene Geisteshaltung
o Bewusstseinsentwicklung für emotionale Höhen und Tiefen
o Regulation der eigenen Gefühle
► 5. Richtiger Anfang
o Gute Vorbereitung (Materialien, Klassenzimmer, etc.)
o Besprechung der Regeln und Prozeduren mit den S/S

Potenzial zur kognitiven Aktivierung


► Kognitive Aktivierung: Intellektueller Anforderungsgehalt im Unterricht
► Aktives Lernen
► Komplexe Lernvorgänge
► Kognitive aktivierende Aufgaben:
o Komplexe Aufgaben (Aufgaben die aus mehreren Komponenten bestehen)
o Aufgaben, die nicht einfach durch abrufbares Wissen beantwortet werden
können, sondern Problemlöseprozesse erfordern
o Aufgaben, die es erfordern, bekannte Sachverhalte neu miteinander zu
verknüpfen oder auf eine neue Situation anzuwenden
o Aufgaben, die einen kognitiven Konflikt auslösen, weil neue Informationen im
Widerspruch zu bereits Bekanntem stehen
o Aufgaben, bei denen die Lernenden ein mentales Bild aufbauen und einzelne
Elemente dieses Bildes ergänzen müssen
o Aufgaben, die an eigene Erfahrungen anknüpfen
o Aufgaben, zu deren Lösung bereits vorhandene Konzepte nicht ausreichen und
erweitert werden müssen
o Aufgaben zu deren Lösung nicht alle Informationen vorliegen, sondern von den
Lernenden selbst gefunden werden müssen
► Aufgabenimplementation: Auslösung tiefer Verarbeitungsprozesse durch den Diskurs
zwischen den Lernenden oder den Lernenden und der Lehrperson
► Kognitiv aktivierende Gespräche
o Anregende und spannende Fragen, die herausfordern
o Anregende Unterrichtsgespräche, die zur selbstständigen Überprüfung der
Lösungsvorschläge führen
o Diskussionen zwischen Lernenden mit dem Ziel viele unterschiedliche
Lösungsvorschläge zu finden
o Diskussionen zwischen Lernenden mit dem Ziel unterschiedliche Meinungen
gegenüberzustellen
o Begründung der eigenen Lösungen oder Ansichten
o Erklären des eigenen Lernprozesses
o Hinweis auf Widersprüche und Konflikte
o Gegenseitiges Erklären und Fragen stellen lassen
o Rückmeldungen, die zur Reflexion anregen

65
Konstruktive Unterstützung – Aspekte konstruktiver Unterstützung

Wie kann konstruktive Unterstützung im Unterricht umgesetzt werden?


► Feedback (Dimensionen)
► Fehlerkultur (Fehlerfreundlicher Unterricht)
► Tempo (Wartezeit 3-5 Sekunden)
► Eigene Geisteshaltung (Angemessenes Feedback, Langsamkeit tolerieren und Geduld
zeigen)

66
Dimensionen des Feedbacks

Konstruktive Unterstützung

Sichtstrukturen des Unterrichts


Von der Lehrkraft angeleitetes Lernen
Lehrergesteuerte Unterrichtsmethoden: Sollte Frontalunterricht abgeschafft werden?
► Tradierte bildungs- und lerntheoretische Vorstellung:
Lehrerolle = Anleiter, Experte, Informationsvermittler
► Effektivität der Methode:
Erreichen großer Schülergruppen und Lernziele ohne viel Aufwand

-> Forschung bestätigt die Effektivität: Lehrerzentrierter Unterricht kann in der Tat eine
höchst effektive Methode sein

Der Lehrervortrag - Der Doktor-Fox-Effekt: Forschung zur Expressivität von Lehrenden


► Redner, Dr. Myron Fox, stellte hochinteressante Thesen auf, die er brillant vertrat. Studie
zeigte:
o charismatisches, expressives Auftreten hat einen großen Einfluss auf die
Beurteilung von Lehrenden
67
o Ausdrucksstarke Vortragsweise kann von fachlichen Defiziten abweichen
o Lebhafte und ausdrucksstarke Vortragsweise kann S/S motivieren
o Aber: Keine eindeutigen Belege, dass Lernende sich bei expressiven Lehrkräften
stärker anstrengen, tiefere Verarbeitungsstrategien wählen oder letztendlich
mehr lernen

Das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch


Für S/S stellt sich ein solches Unterrichtsgespräch dann als ein Versuch-und-Irrtum-Spiel mit
unbekannten Regeln dar, bei dem sich anhand der Reaktionen der Lehrkraft in Richtung eines ihnen
unbekannten Ziels hinbewegen (Klieme et al 2001)

Klieme und Kollegen bemerken, dass das Hauptproblem des fragend-entwickelnden


Unterrichtsgesprächs ist nicht etwa die zu deutliche Lenkung durch die Lehrkraft, sondern der
Versuch durch eine scheinbare Offenheit die Lehrerlenkung zu minimieren.

Direkte Instruktion

Bsp. im Religionsunterricht

68
Methoden des gemeinsamen Lernens: Gruppenarbeit und Kooperatives Lernen

Schwierigkeiten bei Gruppenarbeiten:

Welche Faktoren machen gemeinsames Arbeiten und Lernen effektiv


► Verwendung echter Gruppenaufgaben
o Additive Aufgaben
o Konjunktive Aufgaben
► Positive Interdependenz (Kompatible Ziele)
► Individuelle Verantwortlichkeit

69
Kooperative Lernmethoden

Individualisiertes Lernen: Problemorientierte Unterrichtsmethoden


► Entdeckendes Lernen
► Stationenarbeit

► Leider zeigt der Blick in die Forschungsergebnisse dass offene Methoden in vielen Fällen
diese Ziele nicht erreichen.
► S/S, die mit offenen Methoden unterrichtet wurden, zeigen ein höheres Interesse und
mehr Lernfreude. Das ist jedoch nicht durchgängig in allen Studien zu beobachten.
► Vorteile können selten nachgewiesen werden, wenn es um kognitive Lernziele geht
(Sowohl in Bezug auf die Vermittlung fachlicher Lerninhalte als auch generelle
Problemlösekompetenz)
Entscheidender Schlüssel zum Gelingen offener Unterrichtsmethoden: Strukturierung

Wie viel Strukturierung brauchen Kinder beim Lernen? Ein Unterrichtsexperiment


► Studiendurchführung mit 161 Grundschulkindern (8 Klassen) im Sachunterricht
► Teilnahme aller Klassen an jeweils zwei 8-stündigen Unterrichtseinheiten zum Thema
„Schwimmen und Sinken“

70
o vorstrukturierte Lernexperimente (Beobachten bestimmter Lerngegenstände im
Wasser)
o Bearbeitung von Arbeitsblättern
o Tag im Schwimmbad: Schwimm- und Sinkverhalten eines Baumstammes und
ihres Körpers
► Experimentelle Manipulation: Umsetzung zweier Unterrichtsformen, die sich darin
unterscheiden, wie stark die Lehrkraft den Unterricht strukturierte. Bei einer Hälfte der
Klasse wurde der offene Unterricht umgesetzt, während bei der anderen Hälfte die
Unterrichtseinheit vorstrukturiert (genau Zeiteinteilung bei den Materialen und
Gesprächsleiter) wurde.
► Ergebnis: deutlicher Vorteil der beiden Experimentalgruppen (größeres konzeptuelles
Wissen)
ABER: Nach einem Jahr zeigte sich, dass nur die Kinder der hochstrukturierten Gruppe
ein deutlich besseres Verständnis aufwiesen
► Bei der Motivation der Kinder sah man kaum Unterschiede und wenn dann weisen die
Kinder in der hoch strukturierten Lernumgebung höhere Werte auf

Was macht eine „gute“ Lehrkraft aus?

Professionelle Kompetenz
► Spezielle berufliche Aufgaben notwendig
► Kompetenz = Fähigkeit und Bereitschaft zu handeln
► Professionelle Kompetenz umfasst kognitive Aspekte (Wissen oder Vorstellungen),
motivationale und affektive Aspekte (Ziele, Motive, Gefühle)
► Die Fähigkeit und Bereitschaft, Unterricht gut und effektiv zu gestalten, entsteht aus
einem Zusammenspiel dieser Aspekte

Die Aspekte der professionellen Kompetenz


► Fachwissen
► Fachdidaktisches Wissen
► Pädagogisch-psychologisches Wissen

Forschung zu Erwartungseffekten:
► Lehrkräfte geben den S/S, von denen sie geringere Lernfähigkeit annehmen, oft weniger
anspruchsvolle Aufgaben
► Lehrkräfte verhalten sich diesen S/S weniger freundlich und aufgeschlossen (Harris &
Rosenthal 1985)
► Geringe Erwartungen -> negativer Effekt auf die Anstrengungsbereitschaft der S/S
► Bildung negativer Erwartungen der Lehrkräfte auf Basis von Informationen (die mit dem
tatsächlichen Potenzial der S/S nichts zu tun haben), wie sozialer Hintergrund oder
psychische Aktivität
► Lerntheoretische Überzeugungen der Lehrkräfte:
o „Sender-Empfänger-Modell“: Lehrkraft stellt den Lernstoff zur Verfügung, S/S
merken sich den Stoff -> Lernen wie eine Fernsehsendung -> weniger kognitiv
aktivierende Aufgaben, weniger konstruktive Unterstützung
o Lernen ist ein sozialer Prozess -> Diskussionen, sozialer Austausch

► Problematisch, wenn diese Überzeugungen das Handeln der Lehrkraft deutlich


einschränken und lernförderliche Methoden abgelehnt werden.
► Eigene Überzeugungen nicht immer bewusst und nicht direkt zugänglich
► Bildung eigener Unterrichtsvorstellungen während der eigenen Schulzeit

71
► Wichtige Komponente der Professionalität von Lehrkräften: reflektierende
Auseinandersetzung
► Studie COACTIV:
o Untersuchung der Lehrkräfte in Deutschland, deren S/S 2003 an der PISA Studie
teilgenommen hatten
o Erfassung der professionellen Kompetenz

Befunde der Studie:


o Lehrkräfte, die im fachdidaktischen Test gut abschnitten, haben höhere kognitive
Aktivierung und bessere Unterstützung im Unterricht -> bessere
Mathematikleistungen der S/S
o Lehrkräfte, die ein besseres Fachwissen hatten, haben kein höheres kognitives
Aktivierungspotenzial, einen hohen Enthusiasmus und höhere
Unterrichtsqualität
o Keinen Nachweis dieses Effekts, wenn lediglich der Enthusiasmus für das Fach
Mathematik betrachtet wird
o Positive Wirkung von konstruktivistischen lerntheoretischen Überzeugungen
und adaptiven selbstregulativen Fähigkeiten auf die Unterrichtsqualität
o Mehrere Aspekte professioneller Kompetenzen haben Einfluss auf die
Unterrichtsqualität

Der Aspekt der Motivation teilt sich in: Intrinsische & extrinsische Motivation
Empirische Forschung (Kunter & Holzberger) zeigt:
Lehrkräfte mit hohem Anteil an intrinsischer Motivation, erleben oft Freude und Begeisterung
während der Arbeit, sind gesünder, zufriedener und bieten höhere Unterrichtsqualität an -> positiver
Effekt auf das Lernen und die Motivation der S/S
► Selbstwirksamkeitsüberzeugung
Studien zeigen:
o Lehrkräfte it hohen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen setzen innovativere und
effektivere Methoden ein und zeigen langfristig geringere Stresssymptome und
größere Bereitschaft für Engagement.

72
-> Vor allem die Lernzielorientierungen gehen mit größerem Wohlbefinden, mehr
Lernbereitschaft und besserer Unterrichtsqualität einher

Rahmenbedingungen des Unterrichts


1. Unterricht ist immer kontextabhängig
2. Klassenzusammensetzung
3. Schulformeffekte
4. Familiäre Herkunft

Klassenzusammensetzung
► Kompositionseffekt
► „günstige“ Klassenzusammensetzung -> erfreuliche Leistungsentwicklung:
o Hauptschule: Einfluss der Klassenkomposition auf Leistungsentwicklung
o Gymnasium: geringe Auswirkung der Klassenkomposition auf Leistungsentwicklung
► Unterrichten einer „guten“ Klasse -> erfolgreiche Lehrkraft
► Unterschiedliche Unterrichtsqualität -> großer Effekt auf den Lernerfolg (als Unterschiede in
der Klassenkomposition)
► Erfolgreiche Lehrkräfte sollen sich „schlechte“ Klassen aussuchen, da in diesen Klassen das
Potenzial vieler S/S nicht ausgeschöpft wird
► Bezugsgruppeneffekt: ständiger Kontakt mit leistungsstarken MitS/S kann negative
Konsequenzen auf das Selbstbild haben
► Die Klasse als Vergleichsmaßstab:
o „Big-Fish-Little-Pond-Effekt“ (Fischteicheffekt): Schulisches Selbstkonzept
o Bezugsgruppeneffekt: Das Selbstkonzept der S/S hängt nicht nur von den eigenen
Fähigkeiten ab, sondern auch von den Leistungen der MitS/S
o Die Bedeutung der Klassengröße wird deutlich überschätzt -> geringere positive
Effekte von kleinen Klassen auf den Leistungszuwachs (Von Saldern 2010)

Schulformeffekte
► „Schereneffekt“: An Haupt- oder Realschulen treten ungünstigere
Kompetenzentwicklungen als an Gymnasien auf (vgl. Becker, Lüdtke, Trautwein, Köller &
Baumert 2012; Neumann et al 2007)
► Inkonsistente Forschungslage bzgl. Unterscheidung der Lernzuwächse zwischen
unterschiedlichen Schulformen
► Ursache: unterschiedliche Leistungstests bei der Messung des Lernzuwachses zwischen
unterschiedlichen Schulformen
► Weitere Kontextfaktoren:
o Schulklima
 Sicherheit – körperlich, sozial-emotional
 Lehren und Lernen – Unterrichtsqualität, Lernziele, Weiterbildung,
Führung
 Beziehungskultur zwischen den Beteiligten
73
 Charakteristika des Schulgebäudes und außerschulische Angebote
o Regionaler Kontext
 In Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit könne die Motivation der S/S
niedrig ausfallen
 Durch konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung -> hohes
Leistungsniveau
 Anstellung in Städten oder Gemeinden mit guter wirtschaftlicher Lage
o Curriculum
o Stundenallokationen, Vorgabe für Prüfungen

Familiäre Herkunft
► Bildungshintergrund: Interesse der Eltern für schulische Inhalte oder Nachgehen von
Bildungsaktivitäten
► Hausaufgaben:
o Unnötige Hilfe bei Hausaufgaben -> negative Konsequenzen auf
Selbstentwicklung, das Selbstkonzept und selbstregulative Fähigkeiten der Kinder
(Dumont 2012; Wild 2004)
o Überlegung der Lehrkraft: welche Form der Hausaufgabenunterstützung

(Wie) sollen Eltern bei den Hausaufgaben helfen?


Trudelwind und Wegge 1989: Unterscheidung der Formen von elterlichem Einfluss mittels
Instruktionsfunktion, Kontrollfunktion und Anregungsfunktion:
► Instruktionsfunktion durch Eltern (zB häufige Hilfe) -> negative Zusammenhänge mit der
Schulleistung
► Kontrollfunktion durch Eltern -> schwächere Schulleistung
► Anregungsfunktion durch Eltern-> positive Zusammenhänge mit Schulleistung; ABER:
kein Bezug zu Hausaufgaben, sondern allgem. Bildunghintergrund

Unterrichten & Lernumgebungen gestalten


Probleme der schulischen Ausbildung
► Motivationsverlust
► mangelndes Interesse
► Wissenslücken
► „träges Wissen“
► geringe Problemlösefähigkeit
► Defizitäre Handlungskompetenz
„Alle Kinder treten als Fragezeichen in die Schule ein und verlassen sie als Punkt.“

Begriffserklärung
► Synonyme Verwendung von Lehren und Instruktion (Weinert 1996)
► Der Begriff der Lernumgebung:
o Lernen ist von ganz verschiedenen Umgebungsfaktoren abhängig
o Äußere Gestaltung kann in unterschiedlichem Ausmaß
o vorgenommen werden
o Lernumgebung besteht aus einem Arrangement von Unterrichtsmethoden und -
techniken sowie von Lernmaterialen und Medien.

74
o Sie stellt gleichzeitig aber auch die aktuelle zeitliche, räumliche und soziale
Lernsituation dar und schließt letztlich auch den jeweiligen kulturellen Kontext
ein

Gestaltung gegenstandszentrierter Lernumgebungen

Die kognitivistische Position


► Inhalte werden möglichst systematisch organisiert und dargeboten
► systemvermittelnde oder technologische Lehrstrategie mit dem Ziel, den Gegenstand des
Lehrens und Lernens als fertiges System zu vermitteln (Gegenstandszentriertheit)
► Prozess der objektiven Inhaltsübermittlung („Wissenstransport“)
► Resultat: Wissensausschnitt Lerner = Lehrer
► systematisch geplantes, schrittweise konstruiertes und evaluiertes Vorgehen

Das Primat der Instruktion


► Frage der optimalen Unterrichtsgestaltung zum Erreichen definierter Lehr-Lernziele
► Lehrender als didactic leader (Leinhardt 1993)
o Wissensinhalte präsentieren und erklären
75
o Anleitung von Lernenden
o Sicherstellung von Lernfortschritten
► Lernende verbleiben in einer passiven Position und rezeptiv

Historie

Der Instructional-Design (ID) Ansatz


► Analyse der Anfangszustände:
o Ergebnis: Vorwissen und Fähigkeiten, die die Lernenden bereits mitbringen
► Analyse der erwünschten Endzustände
o Ergebnis: Ziele bzw. Leistungskonstrukte, die mit der Instruktion angestrebt
werden
► Analyse der Übergänge zwischen den Anfangs- und Endzuständen
o Auf der Grundlage dieser Analyse können entsprechende Instruktionen
erarbeitet werden

Beispiele für ID-Ansätze:


► Mastery Learning (Bloom)
► Component Display Theory (Merill)
► Elaboration Theory

Elaboration Theory
► 1. Schritt Entscheidung über die Organisation: Entsprechend der Instruktionsziele
inhaltliche Organisation (konzeptionell, prozedural oder theoretisch) wählen
► 2. Schritt Inhaltsanalyse: Organisationsstruktur entwickeln. Inhalte (Konzepte, Verfahren
oder Prinzipien) werden in der jeweils notwendigen Detailliertheit und Komplexität
dargestellt
► 3. Schritt Schaffung des Instruktionsgerüsts: Sequenzierung der Komponenten
► 4. Schritt Gerüst mit Inhalten füllen und alle notwendigen Lernvoraussetzungen
identifizieren
► 5. Schritt Alle Inhalte auf verschiedene Elaborationsniveaus und einzelne
Unterrichtsstunden verteilen
► 6. Schritt Binnengestaltung einer Unterrichtsstunde: Motivation, Analogien, Erweiterung
bereits vermittelter Informationen

76
Wissenschaftliche Probleme der kognitivistischen Auffassung

► Mangel an empirischen Befunden zur Rechtfertigung einer rationalen Durchgestaltung


von Lehr-Lernprozessen
► Mangel an Replizierbarkeit der Effekte einzelner Instruktionsmaßnahmen
► Mikropsychologische Betrachtung fernab ökologischer Validität
► Reduktionistisches Vorgehen der Wissensvermittlung: Teil vs. Ganzes

Praktische Probleme der kognitivistischen Auffassung


► Rezeptive Lernerhaltung bedingt:
o Mangel an Eigeninitiative und Selbstverantwortung für den Prozess und Erfolg
des Lernens
o Erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass sich Lernende in eine eher passive Position
begeben, sich demotiviert oder allenfalls extrinsisch motiviert fühlen (Deci &
Ryan 1993)
o Unlust, Disziplinproblemen und Leistungsverweigerungen (Krapp 1993; Prenzel
1996)
► Systematisiertes und logisch aufbereitetes Wissen wird den komplexen und wenig
strukturierten Anforderungen in Alltagssituationen nicht gerecht (Resnick 1987)
► „Träges Wissen“ wird zwar erworben, aber in realen Situationen nicht angewendet

Die konstruktivistisch geprägte Auffassung: Gestaltung situierter Lernumgebungen

Das Primat der Konstruktion – Grundlegende Annahmen


► Konstruktivismus sowohl als Wissenschafts- als auch Erkenntnistheorie (radikaler
Konstruktivismus)
► Ebenfalls als Paradigma in der Soziologie, Kognitionswissenschaft und Psychologie
(„neuer“ Konstruktivismus) vgl. Gerstenmaier & Mandl 1995
► Im Gegensatz zum radikalen Konstruktivismus beschäftig sich der neue Konstruktivismus
stärker mit dem denkenden und handelnden Subjekt

77
► Wissen ist keine Kopie der Wirklichkeit, sondern Konstruktion von Menschen, somit
wieder ein äußerer Gegenstand der sich von Lehrenden zu Lernenden „transportieren“
lässt, noch eine getreue internale Abbildung desselben (Knut & Cunningham 1993)

Die Situated Cognition-Bewegung


► Das Denken und Handeln eines Individuums lässt sich nur im Kontext verstehen
► Lernen ist stets situiert
► Wissen wird durch das wahrnehmende Subjekt konstruiert
► Das Wissen in einer Gesellschaft stellt immer „geteiltes Wissen“ dar (d.h. Wissen wird
von den beteiligten Individuen im Rahmen sozialer Transaktionen gemeinsam
konstruiert; Resnick 1991)
► z.B. Communities of Practice, Guided Participation

Ansätze: Anchore Instruction


► narrativer Anker in Form von authentischen Problemsituationen („anchor“) zur
Interessensgenerierung
► Am Anker werden Probleme eigenständig identifiziert, definiert und letztlich selbst gelöst
► Die Präsentation der authentischen Problemsituation erfolgt video-basiert, Lernende
können ein mentales Situationsmodel aufbauen und werden zudem motiviert
► Unterstützung durch Lehrer oder Computerprogramm (CTGV 1997)

Die Cognitive Flexibility Theory (WICHTIG !!)


Spiro & Jehng 1990
Ziel: Übervereinfachung zu vermeiden und Komplexitäten und Irregularitäten aufzeigen
► Falldarstellung & Landscape Criss-Corssing:
o Dasselbe Konzept wird zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Kontexten
unter veränderter Zielsetzung und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet
o Lernen erfolgt multidirektional und multiperspektivisch
o Erworbenes Wissen ist facettenreich
o Gelerntes kann flexibel angewendet werden
o Fehlkonzepte und Schubladendenken werden vermieden
► Vor allem bei fortgeschrittenem Wissenserwerb in wenig strukturierten Gebieten effektiv

Der Cognitive Apprenticeship-Ansatz


► Meister-Lehrling-Verhältnis
► Modeling
► Coaching
► Scaffolding
► Fading
► Articulation
► Reflection
► Exploration

78
Probleme
► Unbefriedigende Befundlage
o Wenige Studien
o Schlechtere Performanz in Wissens-Nachtests, relativiert durch bessere
Anwendungskompetenz
► Radikaler Konstruktivismus steht einer Objektivierung entgegen
► Sehr viele Freiheitsgrade bei der Gestaltung
► Vage Begrifflichkeit, z.B. Situiertheit, Authentizität
► Schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis
► Gefahr der Überforderung von Lernenden
► Wo Orientierung und ein eher niedriges Leistungsniveau ausreichen, sind kognitivistisch
geprägte Wege gangbar und bisweilen ökonomischer

Die Praxis: Eine integrierte Position

Prozessmerkmale des Lernens


► Lernen als aktiver Prozess
► Lernen als selbstgesteuerter Prozess
► Lernen als konstruktiver Prozess
► Lernen als situativer Prozess
► Lernen als sozialer Prozess

Gestaltung problemorientierter Lernumgebungen


► Leitlinie 1: Situiert und anhand authentischer Probleme lernen
► Leitlinie 2: In multiplen Kontexten lernen
► Leitlinie 3: Unter multiplen Perspektiven lernen
► Leitlinie 4: In einem sozialen Kontext lernen
► Leitlinie 5: Mit instruktionaler Unterstützung lernen

79
Anchored Instruction
► Programme entwickeln
o Problemlösefertigkeiten
o Schlussfolgerndes Denken
o Lernen lernen
o Kommunizieren lernen
o Fächerübergreifender Unterricht
o Mehr Bezug zur „Welt“
o Benutzen von Computer Tools (Spreadsheet etc.) zum Problemlösen

Problem: Träges Wissen


► Ist nicht spontan genutztes Wissen, obwohl es vorhanden und relevant ist
► entsteht durch
o Faktenlernen
o Abfrage der Fakten (Test-bezogenes Lernen)
o Lernen außerhalb von Kontexten
o jeder lernt für sich
o fehlende Möglichkeiten, Transfer zu üben
► Anwendbares Wissen schaffen durch
o konstruktivistisches Lernen
o generatives Lernen
o Kontextualisierung
o mehrere Kontexte zur Transfersicherung
o Bezug zu authentischen Aufgaben
o Gruppendiskussionen

Theoretischer Hintergrund
► Konstruktivistischer Ansatz
o Generatives Lernen
o Aktiver Lernern
o Aprrenticeship learning
► Experten vs. Novizen (Hanson 1970)
► Verwandtschaft zu Situated Cognition (Brown et al 1989)
o Authentische Aufgabe zur Übung
o Transfer durch verschiedene Settings

Experten und Novizen

Ziele des Anchored-Instruction-Ansatzes


► Träges Wissen vermeiden: Schüler dazu bewegen, dass sie sich länger mit einer Sache
beschäftigen und v.a. mehrere Perspektiven betrachten
► Erfahrung: Experte sein, Sinnhaftigkeit von bestimmten Inhalten
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► Vorbereiten auf andere Lerninhalte

7 Design Prinzipien
► Video basiertes Format
► Narratives Format
► Generatives Lernformat
► Embedded Data Design
► Problemkomplexität
► Paare verwandter Probleme
► Querverbindungen über das Curriculum

Video-basiertes Format
► Video reichhaltiger als Text
o Information besser in komplexer Geschichte
o Leseschwierigkeiten behindern nicht beim Lernen
o Motivierender als Text
o Reichhaltigeres mentales Modell
► Videodisc
o Schneller und sichtbarer Vorlauf zur Informationssuche
o Einfrieren von Bildern / Slow Motion

Narratives Format
► Sinnvoller / bedeutungsvoller Kontext
► Verständliche Textstruktur
o Mentales Modell der Situation
o Authentische Verwendungsmöglichkeiten von Mathematik

Generatives Lernformat
► Lösung muss von Kindern durch komplexe Aufgaben selbst gefunden werden
► Motivation
o Eigene Problemstellung
o Wissensdurst
o Aktive Teilnahme (konstruktivistische Basis)

Embedded Data Design


Detektiv Metapher
► Keine explizite Formulierung des mathematischen Problems zu Beginn
► Alle Daten, die zur Lösung notwendig sind, befinden sich im Video
o Gedächtnistraining
o Rückspulen am Video liefert die nötige Information

Problemkomplexität
„Schüler können nicht mit Komplexität umgehen lernen, wenn sie nicht die Gelegenheit haben, es
zu tun“ (Schoenfeld 1985)
► Komplexe mathematische Probleme
o zB 15 Schritte zur Lösung
o zB Vergleich multipler Lösung und Begründung einer Wahl
► Videoformat hilft
o beinhaltet multiple Informationen
o Lehrer können komplexe Probleme oft nicht eindeutig und verständlich erklären

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Paare verwandter Probleme
► Transfer
o Lösen des Gelernten vom Kontext
o Anwendbarkeit in vielen Situationen

Querverbindungen über das Curriculum


► Fächerübergreifender Unterricht
o Bearbeiten von anderen Gebieten, die in der Geschichte vorkommen (z.B.
Biologie, Geschichte, etc.)
o Referate vor der Klasse

Empirische Ergebnisse – Cognition and Technology Group at Vanderbild 1992


► Methode:
o Fünft/Sechstklässler
o Kontrollgruppen (matched nach standardisierten Mathe- und Lesewerten)
o Mindestens 3 Jasper-Geschichten (siehe Folie: 351)
o Pro Geschichte insgesamt ca. 1 Woche Unterrichtszeit
o Gesamtdauer 1 Schuljahr
► Unabhängige Variable
o Normaler Mathematikunterricht vs. Anchored-Instruction-Ansatz
► Abhängige Variable
o gemessen:
 T1= 3 Monate nach Beginn des Schuljahres
 T2= 3 Monate vor Ende des Schuljahres
o Einstellung
o Lösen von Textaufgaben
o Planungsfertigkeiten
o Wissen über basale mathematische Konzepte
o Lehrerfeedback über das Programm und die Bewertungsinstrumente
► Veränderung der Einstellung über Mathematik
o Jasper > Kontrollgruppe
► Textaufgaben (Problemlösen)
o Jasper > Kontrollgruppe
► Planungsaufgaben
o Jasper > Kontrollgruppe
► Veränderung des Wissens über basale mathematische Konzepte
o Jasper = Kontrollgruppe

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Lernen mit Medien

Die Wissensexplosion
► Alle 5 Jahre verdoppelt sich das gesellschaftliche Wissen
► 1/5 dessen, was eine Elektroingenieur oder Biochemiker heute weiß, ist innerhalb von 12
Monaten veraltet
► 50% der Informationstechnologie des Jahres 2015 ist heute noch nicht erfunden (dürfte
schon eine ältere Folie gewesen sein)
► Konventionelle Lernformen stoßen hierbei an ihre Grenzen

Was muss Lernen heute leisten?


► Just-in-time-learning / Learning on demand
► learning on the job
► Selbstgesteuertes, autodidaktisches Lernen
► Verteiltes und kollaboratives Lernen u.a. ermöglicht durch Telekommunikation und
Internet
► Distanzlernen
► Lebenslanges Lernen
► Lernen mit dem Computer wird die Regel

Vorteile des Lernens mit Neuen Medien


► 24/7/365 verfügbar
► geringere Kosten
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► weniger gefährlich
► Ortsunabhängigkeit
► Globalität
► Synchronizität

Aber was sind denn nun Neue Medien?


► Verschiedene Ansatzpunkte und Taxonomien sowie Begrifflichkeiten
o E-Learning
o Online-Learning
o Lernen mit Multimedia

Der Begriff „Multimedia“


wird oft verwendet, aber was bedeutet er eigentlich?
► Informationstechnische Sicht:
Computerprogramm, das neben Bild und Text mindestens ein zeitabhängiges Medium (wie Video,
Ton, Animation und Simulation) enthält sowie Möglichkeiten zur direkten Beeinflussung der
Informationsdarbietung bereitstellt (Hasebrook 1998)

► Pädagogisch-psychologische Sicht:
Eine vom Lernenden unmittelbar beeinflussbare Computeranwendung, die Informationen durch
mehrere Symbolsysteme, d.h. bildlich-analog oder sprachlich-sequentiell vermittelt und dabei
verschiedene Sinne anspricht. (Weidenmann 1995; Hasebrook 1995)

Ebenen von Multimedia


► Technische Ebene: Zeichenträger Computer, Netzwerke, Displays
► Semiotische Ebene/Kodalität: Zeichenarten Darstellungsformen Texte, Bilder,
Diagramme
► Sensorische Ebene/Modalität: Zeichenrezeption Sinnesmodalitäten Auge, Ohr,..

Lernen mit Bildern


Verarbeitung von informierenden Bildern

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Modell von Weidemann

Steuerungscodes

Arten von Bildern

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Transferförderliches Lernen durch Goal-Based Scenarios (GBS): Ziele
► Lernen zu handeln (prozedural), nicht nur zu wissen (deklarativ)
► Lernen im Kontext eines zu erreichenden Zieles, welches bedeutungsvoll, relevant und
interessant empfunden wird (intrinsische Motivation)
► Wissen im Zusammenhang mit Aufgaben so zu erwerben, dass es außerhalb der
Lernumgebung anwendbar wird (Transfer)
► Lernen anhand authentischer Fälle

Lernen anhand authentischer Fälle


Wir alle lernen anhand von (erfolgreich bearbeiteten) Fällen und von (nicht erfolgreich
bearbeiteten Fällen)

Fallbasiertes Wissen aus kognitionspsychologischer Sicht


► Vom Novizen zum Experten durch Lernen:
► Experten haben umfangreiche mentale „Bibliotheken“
► Diese enthalten Erfahrungen in Form von Fällen
► Experten greifen beim Problemlösen auf umfangreiche Fallsammlungen und daraus
ableitbaren Pläne zurück
► Zielrelevantes Wissen wird mit einem „Index“ versehen und in die entsprechende
„Bibliothek“ eingeordnet
► Dieser „Index“ hängt ab von dem Ziel und dem Kontext, wie sie in dem Fall enthalten
sind
► Das Wissen wird anhand von Cues erinnert

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Struktur und Beispiel einer GBS-Konzeption

Fazit:
► Goal-Based Scenarios unterstützen kompetenzorientiertes Lernen
► Können zur Simulation sozial-kommunikativer Problemsituationen herangezogen werden
► Ermöglichen das Lernen anhand authentischer Probleme
o Vermittlung deklarativen Basiswissens
o Geleitetes & „sicheres“ Üben von Verhalten
► Können auch in kollaborativen Szenarien eingesetzt werden
► Wirksamkeit des Ansatzes ist theoretisch wie empirisch fundiert
► Grenzen: Übung und das echte Leben machen den Meister! GBS bilden die Brücke von
der Theorie zur Praxis

Lernen in Gruppen
Unterrichtsmodelle zum kooperativen Lernen
► Skript-Kooperation
► Reziprokes Tutoring
► Gruppenrecherche
► Reziprokes Lehren
► Lehren durch Lernen
► Gruppenpuzzle
► Problembasiertes Lernen

Skript-Kooperation
► kooperative Dyaden (gr. Zweiheit = Zweierpaar)
► Beide lesen einen Textteil
► Ein Partner fasst das Erlernte zusammen
► Der Andere achtet auf Fehler und Auslassungen
► Zweiter Textteil: Vertauschen der Rollen
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Reziprokes Tutoring
► Paare treffen sich über einen längeren Zeitraum zum Lernen
► abwechselnd Lehrer- und Schülerrolle
► Schüler muss ein Problem lösen
► Lehrer kann Hinweise auf die Lösungsschritte geben
► abschließend Test für beide
► Belohnung in Abhängigkeit von der Dyadenleistung

Gruppenrecherche
► Gliederung eines Problems in Unterthemen
► Einteilung der Schüler in Kleingruppen
► Planung und Durchführung der Recherchen
► Planung und Durchführung der Präsentation in der großen Gruppe
► Evaluation

Reziprokes Lehren
► Programm zur Förderung von Kindern mit Problemen beim Leseverständnis
► Diskussion über einen Text
► Verständnisförderung:
o Fragen über die zentralen Punkte des Texts
o Klärung von Unklarheiten
o Voraussagen über den kommenden Abschnitt
Beispiel: Spinner’s mate is much smaller than she, and his body is dull brown. He spends most of
his time sitting at on side of her web.

Lernen durch Lehren


► Unterrichtsablauf traditionell
► Schüler übernehmen Lehrfunktion
► Anfangs intensive Unterstützung durch den Lehrer
► Korrektur durch Mitschüler
► Problem: Überforderung?

Gruppenpuzzle („jigsaw class“)


► Desegregation 1954
► Kontakthypothese -> gegenseitiges Verständnis
► Problem: Frontalunterricht kompetitiv -> Integration funktioniert nicht

-Einführung durch den Lehrer


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-Aufteilung des Lernstoffs
-Bildung von Expertengruppen
-Bildung von Lerngruppen
-Integration und Evaluation

Gruppenpuzzle: Feldstudie 1977


► Schüler mögen ihre Gruppenmitglieder lieber
► Anglo- und Afro-Amerikaner mögen die Schule lieber (im Vergleich zu einer
Kontrollgruppe)
► Mexikano-Amerikaner mögen die Schule weniger gern (Sprachschwierigkeiten?)
► höheres Selbstbewusstsein
► Kontrollpersonen fühlen sich von Klassenkameraden stärker gemocht
► Klassenkameraden werden als Lernressource genützt
► weniger Wettbewerbsverhalten

Problem: schwache Schüler


► Unterstützung durch die „Expertengruppe“
► Coaching durch bessere Mitschüler
► Unterrichtsmaterial in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen
► -> Schüler realisieren, das unterschiedliche Fähigkeiten normal sind und lernen, auf
Schwächere einzugehen

Problembasiertes Lernen
► Authentische, komplexe Probleme
► Kleingruppen 4-9 Lernende
► Tutorielle Unterstützung
► Informationsressourcen
o Begleiteden Vorlesung/Seminare
o Literaturangaben
o Expertise von Dozenten
Ziele:
► Strukturierung des Wissens zum anwendungsorientierten Gebrauch
► Erwerb effektiver Problemlösekompetenz
► Selbstgesteuertes Lernen
► Motivationssteigerung

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Problemstellungen:
► Komplexe Problemstellungen aus dem zu vermittelnden Inhaltsbereich mit zumeist
interdisziplinärer Natur
► Abdeckung der Lehrziele durch Probleme
► Präsentationsformen:
o Papierform
o Darsteller
o medial angereicherte Präsentation Bild / Video
o interaktive Simulation

Stand der Forschung – Vergleichende Forschung


► Vergleichende Forschung zwischen klassischem Frontalunterricht (FU) und
problembasiertem Lernen (PBL)
► In der medizinischen Ausbildung
o Vermittlung von Grundlagenwissen: FU ≥ PBL
o Klinisch-medizinisches Wissen: PBL ≥ FU
► Übergreifende Ergebnisse (u.a. aus der Ingenieurausbildung)
o Problemlösekompetenz: PBL > FU
o Kompetenzen des selbstgesteuerten Lernens: PBL > FU
o Soziale / kommunikative Kompetenzen: PBL > FU

Neue Medien und problembasiertes Lernen


► bereits in früheren Stadien Einsatz medialer Unterstützung durch Bildmedien
► Ansatzpunkt für eigene Forschungsarbeiten in Schule und Hochschule
► Nutzung Neuer Medien für PBL eröffnet weitere Problemräume:
o Wie kann das Internet genutzt werden?
o Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Medienwechsel

e-Learning und problembasiertes Lernen


► bereits in frühen Stadien Einsatz medialer Unterstützung durch Bildmedien
► Mittlerweile verbreitet: Computersimulationen und Nutzung des Internets als
Präsentationsmedium
► Neu und wenig beforscht: Computer und Internet als Kommunikations- und
Präsentationsmedium beim problembasierten Lernen in Schule und Hochschule
► Dominanz qualitativer Beschreibungen und technologieorientierter Evaluationen

Studie: PBL in der Grundschule


► Bislang nur Erwachsene & Highschool-Stichproben
► Computereinsatz eher selten & zumeist deskriptiv
► Vergleich „klassischen“ Unterrichts mit einer PBL-Eiheit „Der Dachs“
► PBL führt zu
o mehr außerschulischen Unterrichtsaktivitäten
o Besseren Langzeitleistungen bei Wissenstests
o Höherer Unterrichtsmotivation

Nicht kognitive Effekte kooperativen Lernens


► soziale Akzeptanz
► soziale Unterstützung
► psychische Stabilität
► Interesse
► positive Einstellung zum Unterricht
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Probleme kooperativen Lernens
► Free-rider-Effekt („Trittbrettfahrer“)
► Sucker-Effekt („Ich lasse mich nicht ausnutzen“)
► Ganging-up-Effekt („Wir nehmen den Weg des geringsten Widerstands“)
► dominante vs. passive Mitglieder

Wann ist kooperatives Lernen effektiv?


► Diskussionskompetenz
o Externalisierung von Denkprozessen
o Zuhören und Verstehen
o Vergleich alternativer Perspektiven
o sachliche Argumentation
► aktive Teilnahme aller Mitglieder
► Positive Interdependenz
o teambezogene Belohnungen
o individuelle Verantwortlichkeit
o gleiche Erfolgschancen für alle Mitglieder (individuelle Bezugsnorm)
► Eigenevaluation der Gruppe: Beteiligung, Effizienz, Konflikte

Lernen in Gruppen im Unternehmen


► Berufliche Ausbildung: Lernstatt
► Organisationsentwicklungsmaßnahmen
o Teamentwicklungstraining
o Qualitätszirkel
► Lernen während des Arbeitsprozesses

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