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Entwicklungs-
psychologie
Inhaltsverzeichnis
1. Grundbegriffe ......................................................................................................................................... 6
2.3 Schüler*innen mit vom Durchschnitt abweichender sexueller Orientierung und geschlechtlicher
Identität ............................................................................................................................................................ 14
3. Gedächtnisentwicklung ........................................................................................................................ 15
4.1 Piagets Theorie der Denkentwicklung / der kognitiven Entwicklung (1937) ........................................ 38
5. Sprachentwicklung ............................................................................................................................... 51
5.1 Phonologisch-prosodische Entwicklung ............................................................................................... 51
6. Entwicklungsaufgaben .......................................................................................................................... 56
7. Selbstkonzept ....................................................................................................................................... 69
7.4 Zusammenhang zwischen dem Selbstkonzept und der schulischen Leistung ...................................... 75
8. Moralentwicklung ................................................................................................................................ 80
8.1 Das Stufenmodell der moralischen Entwicklung nach Piaget (1932) ................................................... 80
10.3 Konzepte und Befunde zur Wechselwirkung von Anlage und Umwelt............................................... 109
14.1 Die drei Perspektiven des Lernens mit Medien .................................................................................. 136
14.3 Lehren und Lernen mit Texten und Bilder .......................................................................................... 138
• Beschreibung (Bsp.: Sind Kinder im Alter von 4-5 Jahre in der Lage Wörter in ihre Laute zu
zerlegen? oder Wie hoch ist die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses von Kindern im Alter von
4-5 Jahre?)
• Erklärung – was sorgt dafür, dass eine bestimmte Fähigkeit erst ab einem bestimmten Alter
vorhanden ist (z.B. Warum ist der Wortschatz bei manchen Kindern geringer?)
• Vorhersage – Prognose für Fähigkeiten eines späteren Zeitpunktes (aus Erklärung) (z.B.
Prognose für Kinder mit einem größeren Wortschatz à später auch größerer Wortschatz)
• und Beeinflussung (z.B. bei Defiziten à Intervention, bei Kindern mit kleinerem Wortschatz
Form der Intervention)
des menschlichen Verhaltens und Erlebens mit einem Fokus auf dessen Veränderungen und
Stabilitäten innerhalb des Individuums (intraindividuell) und zwischen verschiedenen Individuen.
Entwicklung als...
Reifung und Lernen sind in der Realität eng miteinander verbunden – könnten in der Praxis oft nicht
getrennt werden
à Konzepte dienen dazu, warum sich Menschen entwickeln und in ihrem Verhalten verändern
Definition Adoleszenz: Die Adoleszenz, beginnend mit dem Eintritt in die Pubertät, umschreibt das
Heranreifen eines Kindes zum Erwachsenen. (Lohaus, 2018)
• WHO: Zeitspanne zwischen 11. und 20. Lebensjahr à tatsächliche Zeitspanne von
sozioökonomischen, gesellschaftlichen und kulturellen Faktoren beeinflusst
• Unterscheidung in frühe (ca. 10-13 Jahre), mittlere (14 – 16/17 Jahre) und späte Adoleszenz
(17 – 20 Jahre)
1.5 Zusammenfassung Entwicklung in der mittleren und späteren Kindheit
- neben quantitativen
Veränderungen verbessert sich auf
die Nutzung und Anwendung von
Strategien zur Verbesserung von
Gedächtnis- und kognitiven
Kontrollleistungen
- Zuordnung zu einem
Persönlichkeitsprofil erlaubt
Vorhersagen über das Verhalten in
unterschiedlichen Situationen sowie
über die Entwicklung von
Schüchternheit und Aggression im
Kindes- und Jugendalter
• Zeitpunkt der Pubertät als auch das Erreichen des Erwachsenenstatus unterliegt erheblichen
interindividuellen Variationen
• durch die Pubertät laufen eine Reihe umfassender physischer und psychischer Veränderungen
ab, die durch hormonelle und zentralnervöse Prozesse ausgelöst und moduliert werden
• Gehirn erfährt Veränderungen über die gesamte Adoleszenz in seiner Struktur und seiner
Funktionsweise, die Bedeutung für die Erklärung von jugendtypischen Verhaltensweisen
haben
• Ergebnis: wachsende Selbstregulation, die einer längeren Zeit geprägt durch eine Kluft
zwischen gestiegener Emotionalität und geringer kognitiver Kontrolle folgt
• Jugendliche müssen eine Reihe von neuen psychosozialen Entwicklungsaufgaben bewältigen,
die verschiedene Kontexte ihrer Entwicklung innerhalb wie außerhalb der Familie betreffen –
vorzeitig oder unvollständig gelöste Entwicklungsaufgaben führen zu Problemen in der
psychosozialen Anpassung
• Jugendliche gewinnen zahlreiche Kompetenzen und Ressourcen hinzu, die insgesamt eine
positive Entwicklung ungeachtet alterstypischen Problemverhaltens ermöglichen à
Fortschritte in der kognitiven und Identitätsentwicklung, psychosozialen Kompetenz,
bürgerschaftliches Engagement
2. Körperliche Entwicklung
à Bezug zu Entwicklungsaufgaben
2.3 Schüler*innen mit vom Durchschnitt abweichender sexueller Orientierung und geschlechtlicher
Identität
Gedächtnis ist die mentale Fähigkeit, Informationen zu enkodieren, zu speichern und abzurufen
(Zimbardo, 2008)
• bereits Säuglinge sind in der Lage, sich Gesichter, Bilder oder Spielzeuge über längere
Perioden (Wochen oder Monate) einzuprägen, verbessert sich in den ersten Monaten
beträchtlich (Slater, 1995) à individuelle Unterschiede sind nicht unerheblich für spätere
intellektuelle Entwicklung (Kavsek, 2004)
• neugeborene Babys können Informationen aus der pränatalen Zeit wiedererkennen à
DeCasper & Fifer, 1980: Babys bevorzugen die Stimme der Mutter gegenüber fremden
Stimmen und sogar der des Vaters
o Erklärung: Säuglinge haben die Stimme der Mutter während der Schwangerschaft
enkodiert und nach der Geburt wiedererkannt
• ab spätestens 2 Monate: visuelle Wiedererkennung – Mobile-Aufgabe (Rovee-Collier, 1990)
o über einem Säugling wird ein Mobile angebracht und eine Baseline seiner
Beinbewegung wird festgehalten
o dann wird ein Gummiband zwischen Mobile und Fuß befestigt
o Ergebnis: ca. 3 Monate alte Kinder strampelten mit Band am Fuß doppelt so oft pro
Minuten als ohne Band à schon wenige Monate alte Säuglinge stellen rasch die
Beziehung zwischen den Beinbewegungen und den Bewegungen des Mobiles her
o auch nach 24 Stunden konnten 2-monatige Säuglinge beim Betrachten desselben
Mobiles vergleichbare Beinbewegungen produzieren (Rovee-Collier, 2000) à im
Vergleich: Gruppe, die 24 Stunden später Vorrichtung in einer anderen Farbe bekam
à die Gruppe mit identischer Vorrichtung strampelten signifikant mehr als die
Gruppe, bei der sich Lern- und Testbedingungen unterschieden à Ähnlichkeit von
Lern- und Abrufbedingungen bedeutend
o mit 3 Monaten könnte dieses Verhalten zwischen 2 bis 4 Wochen aufrechterhalten
werden (Rovee-Collier et al., 1987)
• Immitationslernen – deferred imitation
o bereits Kleinkinder sind zur freien Reproduktion in der Lage
o Meltzoff (1995): ein Erwachsener führt Kleinkindern im Alter von 9 und 14 Monaten
Handlungen mit neuartigen Objekten vor
§ nach 24 Stunden konnten Kinder beiden Alters die Handlungen wiederholen
à waren zur Reproduktion auch fähig, wenn sie die entsprechende Handlung
nicht erneut sahen
§ nach einer Woche (langfristige Erinnerung) konnten sich die älteren, nicht
aber die jüngeren Kleinkinder an die Handlungen erinnern
o Lukowski & Bauer, 2014: linearer Zuwachs der Behaltensleistungen zwischen dem
Alter von 2 und 18 Monaten à lässt darauf schließen, dass bei Kleinkindern schon ein
hoch entwickeltes Gedächtnissystem etabliert ist, bevor der Spracherwerb einsetzt
und sich die Speichermöglichkeiten verbessern
• Entwicklung des Kurzzeitgedächtnisses (Oakes & Luck, 2014)
o KZG von Säuglingen und Kleinkindern ist limitiert, im ersten Lebensjahr aber
bedeutsame Zuwächse
o Performanz von älteren Säuglingen, die etwa zwei Items im KZG halten können, ist
eindrucksvoll: auch Erwachsene können bei diesem Paradigma nicht mehr als drei
oder vier Items gleichzeitig im KZG integrieren
• implizites Gedächtnis = Teil des Gedächtnisses, der sich auf das Erleben und Verhalten von
Menschen auswirkt, ohne ins Bewusstsein zu gelangen
• implizite Gedächtnisvorgänge laufen bereits bei Neugeborenen ab und verändern sich über
die Lebensspanne hinweg im Vergleich zu expliziten Gedächtnisvorgängen nur wenig à
Untersuchungen zum perzeptuellen Priming legen solche Schlussfolgerungen nahe, z.B.
Vöhringer et al., 2018: im ersten Lebensjahr kein bedeutsamer Entwicklungstrend im
impliziten Gedächtnis zu erkennen
• Befunde legen nahe, dass sich das implizite Gedächtnis früh entwickelt, im Lebensverlauf
vergleichsweise stabil ist und größere Beziehungen zum semantischen als zum episodischen
Gedächtnis aufweist
• explizites Gedächtnis = beinhaltet Wissen aus dem LZG, das erinnert und bewusst verarbeitet
werden kann
• die meisten Untersuchungen beziehen sich auf Entwicklungsunterschiede im episodischen
Gedächtnis
• Erinnerungsleistungen junger Kinder wurde lange unterschätzt à erst neure
Längsschnittstudieren konnte belegen, dass Vorschulkinder erlebte Ereignisse längerfristig im
LZG repräsentierten und frei abrufen können à Erinnerungsmöglichkeit insbesondere dann
gut gegeben, wenn es sich um regelmäßig wiederkehrende Ereignisse handelt (Hudson &
Mayhew, 2009)
• Bauer, 2006: für Kinder ab dem 2. Lebensjahr scheint die wiederholte Erfahrung eines
Ereignisses für das erfolgreiche Memorieren nicht mehr so relevant wie in der Kleinkindphase
zu sein
• Fähigkeit zur Erinnerung ausgewählter Ereignisse über eine längere Zeitperiode hinweg
entwickelt sich im Verlauf des Vorschulalters signifikant (Fivush, 2014) à 3- bis 4-Jährige
Kinder können Geschichten mit Skript-Charakter wesentlich besser reproduzieren – zu einem
späteren Zeitpunkt war dieser Einfluss nicht mehr so ausgeprägt
• Schneider et al., 2009: individuelle Anfangsunterscheide im Langzeitgedächtnis erwiesen sich
als vergleichsweise stabil
• Erinnerungshilfen für junge Kinder können die Gedächtnisleistungen junger Kinder deutlich
verbessern – sowohl auf der Enkodier- als auch auf der Abrufebene wirksam (Hudson &
Mayhew, 2009)
• infantile Amnesie: keine Erinnerung an die eigene Säuglings- und Kleinkindphase
o mögliche Erklärung: in der späteren Entwicklung werden biografische Ereignisse
anders repräsentiert als im Säuglingsalter
o kognitives Selbst (d.h. die Wahrnehmung der eigenen Person in Abgrenzung zu
anderen Personen) entwickelt sich erst ab dem Alter von 3 bis 4 Jahren à
Enkodierung personenbezogener Ereignisse erst ab diesem Zeitpunkt möglich
• Vergessen à Fuzzy-Trace-Theorie (Brainerd et al., 2005)
o jüngere Kinder enkodieren neue Informationen präzise, ältere Kinder speichern neue
Information dagegen weniger präzise ab
o präzise Enkodierungen sind schwerer zu treffen bei Abrufversuchen à
Vergessensraten bei jüngeren Kindern höher
• Ornstein et al., 2006: Erinnerungsgenauigkeit bei selbst erlebten stressvollen und
traumatischen Ereignissen oder schmerzhaften Erfahrungen wesentlich höher
• Fivush, 2014: Intensität der Kommunikation mit den Eltern (meist mit der Mutter) hat einen
Einfluss auf die Entwicklung des autobiografischen Gedächtnisses
• Goodman et al., 2014: Alterseffekte bei der Suggestibilität kindlicher Augenzeugenberichte à
Genauigkeit der Berichte jüngerer Kinder sinkt nach irreführenden Fragen besonders stark auf
à Effekt wird weniger, wenn es sich um persönlich erlebte, wichtige und auch intensive (z.B.
schmerzhafte) Erlebnisse handelt (Ornstein et al., 2016)
o Schulkinder ab 7/8 Jahre geben in der Regel ähnlich zuverlässige Berichte wie
Erwachsene ab und werden auch wenig durch irreführende Informationen des
Interviewers beeinflusst à Vorschulkinder sind für Suggestivfragen deutlich
empfänglicher
5
4
5,97
4,95 4,77
4,35
3,87
• Flavell, Beach und Chinsky (1966): Kindergartenkinder, Zweit- und Fünftklässler sollen sich
Bildkarten merken – es wurde beobachtet, ob die Kinder während der Merkphase ihre Lippen
bewegten
o bei 10 % der Kindergartenkinder, 60% Zweitklässler und 85% der Fünftklässler zeigten
Lippenbewegungen, die auf stumme Wiederholung (Rehearsal) beim Merken der
Wörter in der Behaltensphase hinwiesen
o außerdem: bessere Behaltensleistung bei den Kindern, die „reherasen“
o Studie zeigt, dass die Häufigkeit des spontanen Einsatzes von sprachlichen
Wiederholungsstrategien alterstypisch zunimmt und zudem mit einer besseren
Gedächtnisleistung einhergeht
• entscheidend für die Behaltensleistung ist vor allem auch die Qualität der
Wiederholungsprozesse – Ornstein, Naus und Stone (1977)
o 7- und 11-jährige Kinder wurden aufgefordert, ihre Wiederholungsaktivitäten beim
Erinnern einer Wortreihe während der Merkphase laut durchzuführen
o Ergebnis: jüngere Kinder wiederholten jeweils nur jedes einzelne Wort der Wortreihe
(= passive Wiederholungsstrategien), während die älteren Kinder „kumulativ“
mehrere Wörter in die Memorierschleife einbezogen
o Kinder, die nur passive Wiederholungsstrategien verwendeten, wiesen unabhängig
von der Wiederholungsfrequenz kaum positive Effekte auf die Gedächtnisleistung auf
o Kinder, die Memorierschleifen gebildet hatten, wiesen eine bessere Merkleistung auf
• Lehmann & Hasselhorn (2007) Strategieentwicklung nicht im Sinne eines Stufenmodells,
sondern langsamer Übergang von der vermehrten Nutzung passiver Wiederholungsstrategien
zur vermehrten Nutzung kumulativer Wiederholungsstrategien
• Knopf, Schneider, Sodian & Kolling (2008): Kinder sollten sich möglichst viele Objekte auf
Bildkarten einprägen und unmittelbar danach in beliebiger Reihenfolge erinnern – Objekte
stammten aus verschiedenen Kategorien
o Einsatz von Organisationsstrategien steigt mit dem Alter (bis 18) und nimmt dann
etwas ab
o starker Anstieg von 6 bis 12
o Nutzung dieser Strategien führte auch zur besseren Wiedergabe der Bildkarten
• ältere Schulkinder setzen Organisationsstrategien meist spontan ein, bei Vorschulkindern und
jüngeren Schulkindern oft noch ein Produktionsdefizit à es braucht nur wenig Aufwand, um
jüngeren Schulkindern diese Strategie so zu vermitteln, dass sie dauerhaft beibehalten
werden
• Organisationsstrategien werden in Zusammenhang mit der Zunahme des sprachbasierten
bereichsspezifischen inhaltlichen und des zunehmenden (metakognitiven) Wissens über
Strategien und ihre Nützlichkeit von älteren Grundschulkindern immer häufiger gezielt und
spontan eingesetzt
• Sodian & Schneider, 1999 gehen davon aus, dass der Übergang von nichtstrategischem auf
strategisches Verhalten sehr abrupt verläuft
o Erklärung für graduellen Übergang (wie in ABB abgebildet): abrupter Übergang findet
zu unterschiedlichen Zeitpunkten statt à bei Aggregation der Einzelbefunde auf
Gruppenniveau ergab sich das Bild einer graduellen Zunahmen
• Strategien, bei denen Lerninhalte aktiv mit der eigenen Wissensstruktur (Vorwissen) verknüpft
werden
• z.B. Suchen nach Beispielen, Analogien, Fragen an den Soff stellen, Verbinden mit bildhaften
Vorstellungen, Bilden von Eselsbrücken
• Weiner, 1988: bereits im Vorschulalter werden verständnisnotwendige Folgerungen
automatisch gezogen, wenn sie vom Text hinreichend nahegelegt werden
• fakultative Elaborationsstrategien bei sinnhaften Lernmaterialien (z.B. Schlussfolgerungen, die
explizit über den Text hinausgehen) erst im Jugendalter à anders als bei Organisations- und
Wiederholungsstrategien
• aber: Wagner & Rohwer 1981: Grundschulkinder konnten durch Erweiterungen eines Texts
oder durch geeignete Fragen zu derartigen Schlussfolgerungen angeregt werden à spricht für
Produktionsdefizit
• Mnemotechniken werden erst im Jugendalter gezeigt
• Dunlosky et al. (2005)
o alle Probanden zeigten immer dann hohe Gedächtnisleistungen, wenn sie sich beim
Gedächtnisabruf an Eselsbrücke erinnerten, die sie beim Einprägen genutzt hatten
o Gedächtnisleistungen der älteren Erwachsenen deutlich geringer als die der jüngeren
Erwachsenen à weil sie die benutzte Eselsbrücke häufiger vergaßen
(1) Mediationsdefizit
• bei Kindern im jüngeren Kindergartenalter noch kein spontaner Einsatz von verbalen
Strategien und selbst nach Einüben von Strategien kein Leistungsvorteil
• Erklärung: mangelnde Effizienz und zu geringe Geschwindigkeit der
Informationsverarbeitungsprozesse im AG à nicht genügend Kapazität für zusätzliche
Ausführung strategischer Operationen
• bei komplexen Strategien auch bei älteren Kindern zunächst noch Mediationsdefizit
(2) Produktionsdefizit
• auch bei Vorschulkindern und Kindern in den ersten Schulklassen (und auch älteren Kindern
und Jugendlichen mit Lernschwierigkeiten) ebenfalls kein spontaner Einsatz von verbalen und
elaborativen Gedächtnisstrategien
• aber profitieren von der Vermittlung à Leistungsvorteil
• Erklärung: zu geringe Metakognition: fehlendes Wissen über Nutzen der Strategie und /oder
ihren Einsatzbereich, zu geringe Steuerungskompetenzen beim Einsatz von Strategien
• spontane Nutzung zunächst in Situationen, die dies nahelegen oder erleichtern (z.B. Einsatz
der Wiederholungsstrategie bei sichtbaren Items)
• Strategienutzung löst sich schrittweise von solchen Rahmenbedingungen, wird
automatisierter (es werden weniger Kapazitäten benötigt) und flexibler (zunehmend bessere
Anpassung an Aufgabenstellungen)
• Repertoire differenziert einsetzbarer (komplexer) Lernstrategien bildet sich erst mit 15/16 aus
Fazit
• Die Entwicklung des Gedächtnisses bei Säuglingen und Kleinkindern vollzieht sich im
Wesentlichen implizit, d.h. durch unbewusste Lernerfahrungen.
• Das implizite Gedächtnis entwickelt sich früh und bleibt im weiteren Lebensverlauf
vergleichsweise stabil. Einbußen im höheren Erwachsenenalter sind relativ gering.
• Explizite Gedächtnisleistungen nehmen bis ins junge Erwachsenenalter stetig zu,
insbesondere im Bereich des episodischen Gedächtnisses. Im höheren Erwachsenenalter
zeigen sich hier deutliche Einbußen.
• Gedächtniskapazität-, strategien, Vorwissen und Metagedächtnis sind in unterschiedlichem
Ausmaß am Anstieg der Gedächtnisleistungen bis zum jungen Erwachsenenalter beteiligt.
Während sich im höheren Erwachsenenalter Einbuße im AG und Defizite im strategischen
Verhalten nachweisen lassen, bleiben beide Wissenskomponenten weitgehend erhalten.
• Studien mit Kindern und Erwachsenen belegen übereinstimmend, dass es von Beginn an
unterschiedliche „Gedächtnisse“ gibt, deren Zahl noch unklar ist
Schulbezug / Maßnahmen
• schon Säuglinge sind zu ersten Problemlösungen bei einfachen Mittel-Ziel-Aufgaben fähig ->
Willatts, 1999: ab 7 Monate können Kinder absichtsvoll an einer Decke (Mittel) ziehen, um ein
Spielzeug (Ziel) zu erreichen
• Kinder im Alter von 3 bis 4 Jahren handeln oft nicht besonders planvoll und scheitern in
Situationen, in denen Planung notwendig wäre
• Turm von Hanoi (Klahr und Robinson, 1981)
o Aufgabe: immer kleiner werdende gelochte
Scheiben müssen von einem Stab A auf einen
Stab C umgesteckt werden, so dass sich zum
Schluss wieder die größte Scheibe ganz unten
befindet
§ außerdem gibt es zusätzlich einen Stab B, auf dem die Scheiben
zwischenzeitlich abgelegt werden können
o Ergebnisse
§ 3-Jährige konnten zwar die einzelnen Scheiben auf die richtigen Stäbe
stecken, aber vernachlässigten dabei deren Reihenfolge
§ 6-Jährige behielten das übergeordnete Ziel im Blick und konnten die Scheiben
in der richtigen Reihenfolge stecken
• Beginn systematischer Planung ab 5 Jahren
• Gründe, warum Planen häufig noch schwerfällt
o geringere Hemmung
o übermäßiger Optimismus
o eventuell: noch fehlende exekutive Funktionen
Deduktives Denken
• Aufgabe: Wenn auf der einen Seite der Karte ein Vokal steht,
dann befindet sich auf der anderen Seite ein gerade Zahl.
Welche Karten müssen zur Prüfung der Regel umgedreht werden?“ à E und 3
• deduktives Denken auch für Erwachsene noch schwierig à nur ca. 10% der Erwachsenen
wussten die Lösung
• aber: deutlich einfacher, wenn man die gleiche logische Aufgabe in einen alltäglichen Kontext
einbette und z.B. auf das Sortieren von Briefen bezieht (Cheng & Holyoak, 1985) à hier
konnten die meisten Erwachsenen die Aufgabe richtig lösen, weil hierbei pragmatische
Denkschemata genutzt werden
• vereinfachte Kartenwahlaufgabe für Kinder
o Light et al. 1989: schon 6- bis 7-Jährige konnten die Aufgabe bewältigen
o Harris & Nunez, 1996: Einbettung von Erlaubnisregeln in verschiedene Geschichten à
bereits 3- und 4-Jährige konnten diese Selektionsaufgabe lösen
Syllogismen
• eher kontinuierliche Entwicklung von Denken und Problemlösen (nicht im Sinne von
Stadien)
• wichtige Einflussfaktoren: Alltagsnähe des Kontextes, Vorwissen, Verfügbarkeit
• entwicklungsbedingte Veränderungen durch:
- mehr Wissen
- größere funktionale AG-Kapazität
- verbessere Aufmerksamkeitssteuerung und allgemein verbesserte kognitive Kontrolle
- zunehmender Einsatz von Problemlösestrategien
3.6 Intelligenz
3.6.1 Intelligenzmodelle
Zwei-Faktoren-Theorie der Intelligenz nach Cattell (1963) – geht von einer fluiden und kristallinen
Intelligenz aus
• fluide Intelligenz
o eine zum großen Teil biologisch bzw. genetisch bedingte Komponente der Intelligenz
o Personen, die über ein hohes Ausmaß an fluider Intelligenz verfügen, sind dazu in der
Lage, abstrakte unbekannte Probleme durch schlussfolgerndes Denken zu lösen
o setzt keine besonderen inhaltlichen Vorkenntnisse voraus à wird daher sprachfrei
mit abstraktem Aufgabenmaterial gemessen
o äußert sich nicht nur bei abstrakt-logischen Problemen, sondern auch bei vielen
anderen kognitiven Leistungsanforderungen, wie z.B. schulischen Leistungen
• kristalline Intelligenz
o geht eher auf Lernerfahrung und die Ansammlung von Wissen und Kenntnissen
zurück – kann nicht unabhängig von der fluiden Intelligenz gesehen werden
o äußert sich z.B. in einem umfangreichen Allgemeinwissen
o es wird angenommen, dass es sich um verfestigte kognitive Fähigkeiten handeln, die
stark vom jeweiligen kulturellen Kontext und den Lerngelegenheiten geprägt sind
• Menschen werden nicht mit fixen, unveränderten Ausprägungen von Intelligenz geboren à
sowohl Anlage als auch Umweltfaktoren spielen eine Rolle
• Intelligenz gilt als sehr stabiles Merkmal und ein in der Kindheit erfasster IQ korreliert in
hohem Maße mit einem im fortgeschrittenen Alter gemessenen Wert (Deary et al., 2004)
• hinsichtlich der verschiedenen Bereiche der Intelligenz gibt es Unterschiede in den
Entwicklungsverläufen
• mit dem Beginn der Beschulung sind zunehmend Zuwächse in der kristallinen und der fluiden
Intelligenz zu beobachten
• bisher ging man davon aus, dass beide Bereiche sich ähnlich entwickeln und die fluide
Intelligenz im jungen Erwachsenalter ihren Höhepunkt erreicht und nur noch in der
kristallinen Intelligenz Zunahmen zu erwarten sind à neuere Befunde (Rindermann, 2011)
zeigen aber auch, dass im Laufe der Schulzeit die Leistung in unterschiedlichen
Intelligenzaufgaben in Kindheit und Jugend ansteigt
• auch die Annahme, dass die individuelle Intelligenzleistung ein Leben lang stabil bleibt, wird
heute massiv bezweifelt à die Intelligenz kann sich in Einzelfällen im Jugendalter nochmals
deutlich verändern
• Plomin & Deary, 2014: ca. 50% der individuellen Unterschiede in der Intelligenz gehen auf
genetische Einflüsse zurück; in der Kindheit ist der Anteil an genetischen Einflüssen mit 20%
am geringsten ausgeprägt und nimmt über die Lebensspanne deutlich zu
• Brod et al. (2017): Untersuchung von gleichaltrigen Kindern, von denen einige eingeschult
wurden, während andere noch ein Jahr im Kindergarten blieben à Schulbesuch scheint sich
positiv auf die kognitive Entwicklung auszuwirken
3.6.4 Bedeutung der Intelligenz für das Lernen und die schulische Leistung
• Intelligenz als Schlüsseldeterminante für Schulleistungen bzw. den Erwerb von Wissen und
Fähigkeiten à keine andere Persönlichkeitsvariabel kann bildungs- und berufsbezogene
Erfolge so gut vorhersahen
• in der Regel Zusammenhänge von r = 0,50 (Day et al., 2011)
o aber: kein Determinismus à auch ein hoher IQ ist kein Garant für erfolgreiche
Bildungskarrieren
• anhand von Intelligenzmesswerten können aber Diagnosen bei Problemsituationen und
Teilleistungsstörungen erstellt werden
• Vorteile intelligenter Personen beim Lernen
o können sich schneller auf Aufgaben einstellen, verfügen über effektivere
Problemlösestrategien, erkennen leichter lösungsrelevante Regeln und verfügen über
größere Verarbeitungskapazität und elaborierte Lern- und Gedächtnisstrategien
• Intelligenz als basale Lernvoraussetzung
o fast alle schulischen Anforderungen erfordern ein gewissen Maß an Intelligenz à
aber die wenigsten schulischen Anforderungen lassen sich allein mit Intelligenz
bewältigen, sondern erfordern neben Vorwissen auch nicht-kognitive
Lernvoraussetzungen wie Motivation oder Selbststeuerungsfähigkeiten
• Förderung
o spezielle Trainings zum induktiven Denken (Klauer & Phye, 2008) à bewirken
nachweisen Steigerungen bei Indikatoren fluider Intelligenz
o Veränderbarkeit durch Trainings aber generell nicht sehr groß
4. Kognitive Entwicklung
4.1 Piagets Theorie der Denkentwicklung / der kognitiven Entwicklung (1937)
• konstruktivistische Auffassung: Piaget betrachtete die geistige Entwicklung als einen Prozess
der aktiven Konstruktion von Wissen in der Interaktion des Individuums mit der Umwelt
• Metapher: „Kind als Wissenschaftler“, das durch intrinsische Neugier getrieben wird und aktiv
die Welt erkennt
• Prozess der Konstruktion beginnt bei der Geburt
Dies alles betrifft Annahmen von Piaget à in der Klausur auch so darstellen! z.B. „Piaget zufolge...“,
„Piaget war der Annahme, dass...“
Merkmale
• qualitative Veränderung
o Kinder verschiedenen Alters denken auf qualitativ unterschiedliche Weise
o Denkstrukturen in einem neuen Stadium bieten Grundlagen für neue geistige
Leistungen, welche auf früheren Stadien nicht möglich waren
• breite Anwendbarkeit: jeweilige Art des Denkens, die für eine Stufe charakteristisch ist,
durchdringt das Denken des Kindes über ganz verschiedene Themen und Kontexte hinweg
• kurze Übergangszeiten: bevor sie eine neue Stufe erreichen, durchlaufen Kindern eine kurze
Übergangszeit, die der sie zwischen der Art des Denkens auf der neuen, fortgeschrittenen
Stufe und der Art des Denkens auf der alten, weniger entwickelten Stufen, hin und her
schwanken
• Invarianz der Abfolge à werden von allen Menschen in derselben Reihenfolge durchlaufen,
es wird keine Stufe übersprungen
• Intelligenz entwickelt sich durch ihre sensorischen und motorischen Fähigkeiten und drückt
sich in diesen aus – Denken entwickelt sich in den ersten Lebensjahren besonders rasant
• gebrauchen diese Fähigkeiten, um ihre Umgebung wahrzunehmen und zu erforschen
• Erkenntnismöglichkeiten sind an augenblickliche Interaktion mit der Umwelt gebunden
• einfach Reflexe und elementare Wahrnehmungsfähigkeiten als Grundlage für den Aufbau des
Denkens
• sensomotorische Schemata als kognitive Grundlage für organisierte sensorische und
motorische Handlungen
• Stufe 1: Reflexhandlungen und erste Modifikation dieser Reflexe (1. Monat)
o Übung angeborener Mechanismen (Reflexe)
o z.B. Unterschiede im Saugverhalten gegenüber unterschiedlichen Objekten à erste
Anpassungsleistung des Organismus an die Umgebung
• Stufe 2: einfache Gewohnheiten (1 bis 4 Monate)
o Kinder beginnen, elementare Handlungen wie Schauen und Kopfdrehen zu größeren
Verhaltenseinheiten zu verbinden à in der Regel auf den eigenen Körper bezogen
o erste Gewohnheiten bilden sich heraus
o z.B. ein Objekt, das dem Baby in die Hand gelegt wird, zum Mund führen
• Stufe 3: aktive Wiederholung von Handlungen, die angenehme oder interessante Ergebnisse
mit sich bringen (4 bis 8 Monate)
o Handeln bezieht sich zunehmend auf externe Objekte
o z.B. Drücken einer Quietschente
o Behauptung: Kinder bis zum Alter von 8 Monaten wurde das Konzept der
Objektpermanenz fehlen = Wissen, dass Objekte auch dann weiterexistieren, wenn sie
sich außerhalb des Wahrnehmungsfeldes befinden
• Stufe 4: Koordination von Handlungsfolgen (8 bis 12 Monate)
o beginnende Bildung von Mittel-Ziel-Verbindungen
o beginnende Objektpermanenz, aber noch recht fragil: A-nicht-B-Suchfehler à wenn
ein verstecktes Objekt wiederholt am Ort A gebunden und gegriffen wurde und
anschließend gesehen wird, dass das Objekt nun an Ort B versteckt wird, aber nicht
sofort danach gesucht werden darf, dann neigen Kinder dazu, dorthin zu greifen, wo
sie das Objekt anfänglich fanden
• Stufe 5: aktives Experimentieren mit Handlungsfolgen (12 bis 18 Monate)
o nutzen nicht mehr nur bekannte Mittel, um Ziele zu erreichen, sondern bedienen sich
auch neuer Mittel
• Stufe 6: verinnerlichtes Handeln (18 bis 24 Monate)
o Schlussfolgerungen
o Fähigkeit, dauerhafte mentale Repräsentationen zu bilden à erstes Anzeichen:
zeitlich verzögerte Nachahmung
• Meilensteine:
o Entwicklung mentaler Repräsentationen
o zunächst kreisen die Aktivitäten des Kindes um seinen eigenen Körper, später
schließen sie auch die umgebende Welt mit ein
o frühe Ziele sind konkreter Natur (z.B. Rassel schütteln und den Geräuschen lauschen),
spätere Ziele sind oft abstrakter Art (z.B. die Höhe variieren, aus der man Objekte
fallen lässt, und beobachten, wie sich die Effekte verändern)
o Objektpermanenz à bezeichnet die Fähigkeit des Kindes, eine Vorstellung von einem
Objekt aufzubauen und im Gedächtnis zu behalten, auch wenn dieses Objekt nicht
mehr wahrgenommen wird (z.B. Wissen, dass wenn ein Auto unter einer Decke
versteckt ist, das darunter dennoch das Auto ist, auch wenn man es nicht mehr sehen
kann)
o Symbolhandlungen, z.B. einen Bauklotz in die Hand nehmen und so tun, als sei er ein
Auto
o verzögerte Nachahmung: Kinder können Sachen nachmachen, auch mit zeitlichem
Abstand (nur möglich, wenn innerlich repräsentiert und dem Kind nicht zu komplex)
à Indiz für die Ausbildung von dauerhaften mentalen Repräsentationen
• Bildung stabilen mentaler Repräsentationen und Verfügung über symbolisches Denken und
Handeln (z.B. Darstellung einer Pistole mit zwei schräg aneinandergesetzten Eisstielen)
• es ist ihnen auch möglich, sich über längere Zeiträume an ihre Erfahrungen zu erinnern und
differenzierte Konzepte zu bilden
• Piaget bemerkte zwar im Denken der Kinder einen bedeutenden Zuwachs, aber
bezeichnender erschienen ihm die Beschränkungen im Denken während dieser Phase
• aber: Kinder sind noch nicht in der Lage, mentale Operationen auszuführen
• eingeschränkt durch das Fehlen logischer Operationen à typische Denkfehler:
o animistisches Denken: etwas Unbelebtes als belebt ansehen, z.B. Papier tut es weh,
wenn es zerschnitten wird
o Egozentrismus: ausschließliche Berücksichtigung der eigenen Perspektive, Unfähigkeit
eine abweichende Perspektive einer anderen Person einzunehmen (Drei-Berge-
Versuch, Piaget & Inhelder, 1977) à zeigt sich auch im Sprachgebrauch von Kindern
o Zentrierung auf nur einen Aspekt à fokussieren sich häufig nur auf einen einzelnen,
augenfälligen Aspekt eines Ereignisses oder einer Handlung und sind unfähig,
beobachtete Handlungen mental rückgängig zu machen
§ Beispiel: Umschüttaufgabe (2 Gläser mit Milch, eins wird dann umgeschüttet
in ein höheres, aber schmaleres Glas – Kind kann nicht erkennen, dass es die
gleiche Menge ist
§ fokussieren sich mehr auf äußerliche Aspekte (die Höhe des Glases) und
merken nicht, dass die Flüssigkeitsmenge invariant ist (fehlendes
Invarianzkonzept)
o Artifizialismus: alle Dinge der Welt sind von Menschen für menschliche Zwecke
gemacht, z.B. Nacht wurde von den Menschen geschaffen, damit man Zeit zum
Schlafen hat
4.1.5 Konkret-operationales Stadium (ca. 7 – 11 Jahre)
4.1.7 Kritik
Positive Aspekte
• Unterschätzung der tatsächlichen Fähigkeiten à mit anderen Methoden lassen sich kritische
Fähigkeiten, wie Objektpermanenz, schon früher nachweisen (siehe 2.1.8)
o z.B. Baillargeon, 1987: Babys (3 ½ Monate) zeigten mentale Repräsentation von einem
Objekt (Quader hinter einem Schirm)
• Überschätzung der kognitiven Fähigkeiten von Erwachsenen à nicht das Alter ist
entscheidend für konkret- oder formal-operationales Denken, sondern vielmehr die Qualität
und Quantität der vorliegenden Erfahrungen auf einem Wissensgebiet à neuere Studien
zeigen, dass selbst Erwachsene nur in den Bereichen ihres Interesses oder ihrer Erfahrung
formal-operational denken
• Methoden bei Piaget nicht klar beschrieben, eher nicht streng experimentell à schwer zu
replizieren
• Stadien weniger diskret als angenommen, Verhalten innerhalb einer Stufe inkonsistent (nicht
nur in den Übergangsphasen)
• Vernachlässigung sozialer Faktoren à Theorie konzentriert sich darauf, wie es Kindern gelingt,
die Welt durch ihre eigenen Anstrengungen zu verstehen
• keine Entwicklungserklärungen
• Vernachlässigung der Entwicklung nach der Adoleszenz
4.2 Informationsverarbeitungstheorien
4.2.1 Grundlagen
• Lernen als...
o mentaler Prozess, bei dem Lernende Informationen aktiv verarbeiten und dadurch
Kenntnisse erwerben
o absichtsvolle oder nicht absichtsvolle Aneignung von Wissen und Fertigkeiten
o dauerhafte Veränderung von Verhaltensmöglichkeiten und kognitiven (Wissens-)
Strukturen durch Erfahrung, Wiederholung und Übung
• Computermetapher als Basis: menschliches Denken begrenzt durch
o Hardware à Gedächtniskapazität
o Prozessor à Schnelligkeit der Denkprozesse
o Software à Verfügbarkeit nützlicher Strategien und Wissensinhalte
o aber: nur begrenzt anwendbar – z.B. Erinnerungen kommen nicht in der gleichen
Form wieder vor, wie das Aufrufen einer Datei)
• Informationsverarbeitungstheorien versuchen zu erklären, wie kognitive Prozesse ablaufen
• gehen von einer kontinuierlichen Entwicklung kognitiver Fähigkeiten im Altersverlauf aus, die
nicht durch bestimmte Entwicklungsstufen gekennzeichnet sind à Kinder überwinden
Verarbeitungsbeschränkungen durch
o Effektivitätssteigerung bei der Ausführung grundlegender Prozesse à Prozessor wird
besser
o Erweiterung von Gedächnitskapazitäten à Hardware
o Erwerb neuer Strategien und Wissensbestände à Software
• Menschen werden als Problemlöser und Planer verstanden, die durch Aufmerksamkeit,
Gedächtnis-, und Lernprozesse zu Denk- und Behaltensleistungen fähig sind
o greifen dabei auf Wissensbestände und metakognitive Kompetenzen zurück und
wenden Strategien an, wodurch die kognitiven Leistungen optimiert werden
o zugrunde liegende Fähigkeiten verbessern sich im Laufe der Entwicklung: z.B. steigt
Verarbeitungsgeschwindigkeit, Wissen um und der Einsatz von kognitiven Strategien
nimmt zu und das Vor- und Grundwissen zu vielerlei Themen wächst
• im Gegensatz zu Piagets Annahmen eher quantitative als qualitative Veränderungen à
kindliches Denken entwickelt sich fortdauernd dadurch, dass die Fähigkeiten in den Bereichen
zunehmen à Theorie der überlappenden Wellen (Siegler 1995)
o = Informationsverarbeitungsansatz, der die Variabilität kindlichen Denkens bei der
Anwendung verschiedener Strategien des Problemlösens betont
o mit zunehmendem Alter und wachsender Erfahrung herrschen immer mehr
diejenigen Strategien vor, die zu erfolgreicheren Leistungen führen – auch neue
Strategien werden entwickelt
Zusammenfassung
• Kinder als aktive Lerner und Problemlöser, die sich ständig neue Mittel ausdenken, um die
Grenzen ihrer Verarbeitungskapazität zu überwinden und ihre Ziele zu erreichen
• strukturelle Voraussetzungen: sensorisches Register, AG und LZG
• exekutive Funktionen verwenden die Informationen im AG und LZG, um flexibel Ziele zu
ändern und situationsunangemessene Handlungsimpulse zu stoppen; aktualisieren ständig
die Inhalte im AG, sodass neue Ziele effizient verfolgt werden können
• kognitives Wachstum und die Entwicklung des Gedächtnisses und des Lernens gelten als
Ausdruck zunehmend effizient ausgeführter Basisprozesse, neu gebildeter, immer
effizienterer Strategien und des Erwerbs von neuem Inhaltswissen
• Theorie der überlappenden Wellen: Jedes Kind nutzt beim Lösen desselben Problemtyps
vielfältige Strategien
Soziokulturelle Theorien = Ansätze, die den Beitrag anderer Menschen und der umgebenden Kultur
zur Kindesentwicklung betonen (Siegler, 2016)
• betonen, dass ein Großteil der Entwicklung in direkten Interaktionen von Kindern mit anderen
Menschen stattfindet
• gelenkte Partizipation: Prozess, bei dem besser informierte Menschen (Experten) ihre
Aktivitäten so gestalten, dass sich Menschen mit geringeren Kenntnissen daran auf einem
höheren Niveau beteiligen können, als sie es von sich aus fertigbrächten
• auch zahllose menschliche Errungenschaften zählen zu Kulturwerkzeugen / psychologischen
Werkzeugen, z.B. Gebrauchsgegenstände oder Werte
• zentrale Metapher: Kinder sind soziale Wesen, geformt durch ihren kulturellen Kontext, den
sie ihrerseits mitgestalten
• Kinder als soziale Wesen, deren Schicksal mit dem anderen Menschen verwoben ist, die sich
darum bemühen, ihnen beim Erwerb von Fähigkeiten und Kenntnissen zu helfen
• Kindern sind nach Wygotski nicht wie bei Piaget auf die Beherrschung von z.B. logischen
Begriffen aus, sondern darauf bedacht, an Aktivitäten teilzunehmen, die in ihrer lokalen
Umgebung vorherrschen
• kindliches Denken kann immer nur im Zusammenspiel mit dem umgebenden Kontext
analysiert werden
o allgemeine Kultur
o unmittelbares spezifisches Setting
• betont kontinuierliche quantitative Veränderungen
• sieht Sprechen und Denken (anders als Piaget) als zwei Aspekte eines Ganzen à Denken als
verinnerlichte Interaktion
o nahm an, dass Denken ein inneres Sprechen ist und zum Großteil in Äußerungen
wurzelt, die Eltern und andere Erwachsene den Kindern gegenüber kommunizieren
o drei Phasen des inneren Sprechens:
§ (1) das Verhalten des Kindes wird von der Kommunikation mit anderen
Menschen gesteuert
§ (2) das Verhalten des Kindes wird von seinem eigenen Selbstgespräch
gesteuert, in dem es sich laut vorsagt, was zu tun ist, ganz so wie die Eltern
früher
§ (3) Kinder steuert sein Verhalten durch inneres Sprechen (Denken), in dem es
sich mit unausgesprochenen Wörtern klar macht, was zu tun ist
o Selbstgespräche findet man besonders bei Vier- bis Sechsjährigen, aber auch bei
älteren Kindern und Erwachsenen
Zusammenfassung Wygotski
• Kind als soziales Wesen, das sein Denken im Kontext des Denkens anderer Personen
entwickelt
• geht davon aus, dass das Intermentale, der Austausch zwischen Kind und einer anderen
Person, zum Intramentalen, der Gedankenwelt innerhalb eines Kindes wird
• betrachtet Kind in der proximalen Entwicklung, die das Entwicklungspotenzial eines Kindes
ausdrückt
• nimmt an, dass sich das Kind selbst mithilfe psychologischer Werkzeuge formt à Sprache
als wichtigstes psychologisches Werkzeug
• gehen davon aus, dass sich der Mensch im Laufe der Evolution hinsichtlich seiner
Denkprozesse so an die Umwelt angepasst hat, dass er nach der Geburt mit einem
spezifischen Kernwissen und mit spezifischen Lernmechanismen ausgestattet ist
• Beispiel: Unterscheidung von Gesichtern von anderen visuellen Objekten – Walton & Bower,
1993: Gesichter werden gegenüber anderen visuellen Stimuli bevorzugt angesehen
• Beispiel für einen angeborenen Lernmechanismus: kindliche Fähigkeiten und starkes
Bedürfnis, die Sprache der sie umgebenden Kultur zu lernen
• nach der Geburt ist der Säugling mit ‚kognitiven Grundausrüstung‘ ausgestattet à Wellman &
Gelman (1998): Wissen über das Verhalten von Objekten (Physik), von Menschen
(Psychologie) und von nicht menschlichen Lebewesen (Biologie)
o Beispiel Physik: Objekt kann sich nur dann in Bewegung setzen, wenn es mit einer
äußeren Kraft in Kontakt kommt (Spelke et al., 1994)
o Beispiel Psychologie: frühkindliche Imitationen à das Betrachtete wird nicht einfach
nur kopiert, sondern die kindlichen Interpretationen des Geschehens werden imitiert
§ Meltzoff, 1995: Säuglinge schauten sich Handlung an, bei der eine Person
versucht, zwei aufeinander gesteckte Teile auseinander zu ziehen à Ziel der
Handlung war aber nicht zu sehen à Säuglinge imitierten diese (nicht
gesehene) Zielhandlung à zogen beide Teile auseinander
o Beispiel Biologie: schon 3-monatige Säuglinge konnten Tiere und Fahrzeuge auch
dann noch unterschieden, wenn sie diese nur als sog. „Point-light“-Darstellungen
präsentiert bekamen (Arterberry & Bornstein, 2001)
• nehmen an, dass der Säugling von Anbeginn an Wissen besitzt oder mit einer angeborenen
Lernbereitschaft ausgestattet ist, mit deren Hilfe früh Wissen erworben wird à Wissen wir in
der Interaktion mit der Umwelt angereichert oder gänzlich umstrukturiert
• gehen davon aus, dass der Mensch nach der Geburt mit einem spezifischen Kernwissen und
mit spezifischen Lernmechanismen ausgestattet ist, mit deren Hilfe schnell neues Wissen
erworben wird
• Wissen im drei Bereichen
- Wissen über das Verhalten und die Anzahl von Objekten
- von Menschen
- von nicht menschlichen Lebewesen
• gehen davon aus, dass Kinder durch Erfahrungen mit der Umwelt ihr Wissen nicht einfach
nur ansammeln, sondern dass sie ihr gewonnenes Wissen mit dem schon bestehenden
Wissen immer zu einem kohärenten Ganzen organisieren, das für sie insgesamt Sinn ergibt
à so eine Organisation kann wie eine Art Theorie aufgefasst werden, die die Kinder implizit
über einen Wissensbereich aufgestellt haben
5. Sprachentwicklung
5.2 Wortschatzentwicklung
• Vokabelspurt nur bei ca. 70% der Kinder, bei 30% kontinuierlicher Lernzuwachs
• zunehmend kognitive Kontrolle über zunächst automatische Prozesse als wichtiger Schritt in
der Sprachentwicklung
• metasprachliche Fähigkeit: Kinder beginnen über Sprache nachzudenken, z.B. phonologische
Bewusstheit bereits im Vorschulalter
• phonologische Bewusstheit
o wichtige Vorläuferfertigkeit für Schriftspracherwerb, aber auch durch
Schriftspracherwerb nochmal stark ausgebaut: Aufmerksamkeit auf formale
Eigenschaften von Sprache
o Fähigkeit, von Bedeutungseben gesprochener Sprache abzusehen und stattdessen
lautliche Einheiten bewusst wahrzunehmen und zu manipulieren
o Fähigkeit, Wörter in lautliche Einheiten zu zerlegen und lautliche Einheiten zu
Wörtern zusammenzusetzen
• phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne
o bezieht sich auf größere lautliche Einheiten wie Silben und Reime: Kinder zunehmend
in der Lage, z.B. Silben oder Endungen zu beachten
o Erwerb beginnt in der Regel spontan in der Kindergartenzeit (z.B. Reimspiele)
• phonologische Bewusstheit im engeren Sinne
o typischerweise beginnend im Jahr vor der Einschulung
o bezieht sich auf kleinste lautliche Einheiten (Phoneme) à einzelne Laute können
herausgehört werden, einzelne Laute können zu Wörtern zusammengesetzt werden
o entwickelt sich v.a. im Zusammengang mit dem Erlernen erster Buchstaben
• Schriftsprache wird eher explizit gelernt und in der Schule systematisch durch Instruktionen
• Stufenmodell der Lese-Rechtschreib-Entwicklung (Frith, 1985)
o Modell nimmt an, dass Entwicklung des Lesen und Schreiben in drei
aufeinanderfolgenden Stufen erfolgt – Entwicklung muss in dieser festgelegten
Reihenfolge ablaufen
o logografische Stufe: Kinder sind in der Lage Wörter, die sie schon öfter gesehen
haben, wiederzuerkennen (meist bei Eintritt in die Grundschule, vorschulisch) à
Kinder erkennen bekannte Wörter aufgrund hervorstechender Eigenschaften
o in der Schule zunächst alphabetische Strategie: einzelne Buchstaben werden in Laute
rekodiert und zu Wörtern zusammengesetzt
o orthografische Stufe:
§ durch wiederholtes Üben zunehmend automatisiert, es entwickelt sich
Leseflüssigkeit à AG-Kapazität wird frei und kann für Verstehen genutzt
werden
• Sprache als spezifischer Bereich der Kognition mit eigenen Anforderungen in der Entwicklung
• aber wechselseitige Einflüsse zwischen (nicht-sprachlicher) kognitiver und sprachlicher
Entwicklung
• Bedeutung der sprachlichen für die kognitive Entwicklung: Sprache als zentrales Kodiersystem
unterstützt Lernen und Behalten auf verschiedenen Ebenen, z.B.
o Effizient des AG steigt drastisch mit der Fähigkeit zu und Anwendung von Rehersal
o Bilder als Stimuli werden (zusätzlich) verbalisiert, wenn sie verbalisiert werden können
(Pavio, 1990)
o Wortschatz und Grammatik erleichtern kurzfristiges Behalten im AG und langfristiges
Behalten
o Sprachrythmus und -melodie unterstützen implizites Lernen
o Großteil des Wissenserwerbs vermittelt über Sprache: Texte, Gespräche,
Aufgabenstellungen
o sprachliche Hinweise zur Lenkung der Aufmerksamkeit à bestimmt, was weiter
verarbeitet und enkodiert wird
o sprachliche Strategien unterstützen Problemlösen
o Wygotski: Selbstregulation im Allgemeinen und metakognitive Steuerung im
Besonderen durch verbale Selbstinstruktion
• Bedeutung der kognitiven Entwicklung für die sprachliche Entwicklung: verschiedene
Informationsverarbeitungsprozesse sind wichtige Voraussetzungen für die sprachliche
Entwicklung, z.B.
o implizites Lernen
o konzeptuelles Wissen im LZG
o Aufmerksamkeitssteuerung
o AG als Basis der Wortschatzentwicklung
o Bedeutung neuer Wörter kann umso besser erschlossen werden, je mehr Wortwissen
bereits im LZG vorhanden
• Wechselwirkungen zwischen kognitiver und sprachlicher Entwicklung
o sprachliche Fähigkeiten werden in Interaktion mit Kommunikationspartnern auf Basis
von kognitiven Grundfähigkeiten erworben
o Verbalisierung steigert Effizienz des AG, metakognitive Steuerung via Sprache,
Vorwissen vielfach sprachlich vermittelt
o ab 5 Jahre Sprachfähigkeit prädikativ für spätere Gedächtnisleistungen (Gathercole et
al., 1992)
o auch Einfluss kognitiver Einschränkungen auf Sprachentwicklung und umgekehrt
(Weinert et al., 2010)
6. Entwicklungsaufgaben
Definition 2: „eine Aufgabe, die in einem bestimmten Lebensabschnitt des Individuums entsteht,
deren erfolgreiche Bewältigung zu dessen Zufriedenheit und Erfolg bei der Lösung nachfolgender
Aufgaben beiträgt, während ein Misslingen zu Unglücklichsein des Individuums, zu Missbilligung
seitens der Gesellschaft und Schwierigkeiten mit späteren Aufgaben führt“ (Havinghurst, 1953)
Kindheit Jugend
Entwicklungsperiode Entwicklungsaufgabe
Spätes Erwachsenenalter (51 Jahre und älter) • Energien auf neue Rollen lenken
• Akzeptieren des eigenen Lebens
• eine Haltung zum Sterben entwickeln
auch wenn einige Aufgaben veraltet erscheinen à Autoren der Shell-Studie (2015) fassen 4 Cluster
von Herausforderungen junger Menschen zusammen:
• Phase des Jugendaltes hat sich in westlichen Industrieländern stark ausgedehnt und ist
diverser geworden (Hurrelmann & Quenzel, 2015)
• Pubertät setzt heute zu einem früheren Zeitpunkt ein
• Eintritt ins Berufsleben, Heirat oder das Gründen einer Familie (als Marker des
Erwachsenenalters) sind auf spätere Zeitpunkte verschoben
• Arnett (2000): Vorschlag einer eigenständigen Entwicklungsphase für den Lebensabschnitt
zwischen etwa 18 und 25 Jahren – „emerging adulthood“ à hierin spiegeln sich kulturelle und
sozioökonomische Veränderungen in den westlichen Industrieländern wie längere Schul- und
Ausbildungszeiten wieder
Havighurst (1972) nahm spezifische Zeitfenster (sog. sensitive Perioden) an, die für den Lernprozess
zur Bewältigung der Entwicklungsaufgaben geeignet sind à der „richtige“ Zeitpunkt ergibt sich nach
Havighurst durch
= Anforderungen, die sich nicht jedem Jugendlichen stellen und nicht altersbezogen sind
• Bewertung von Anforderungen, der sich die Person gegenübersieht, und das vorhandene
Bewältigungspotenzial
• nur dann, wenn eine Anforderung als stresserzeugend (primäre Bewertung) und gleichzeitig
das Bewältigungspotenzial als nicht ausreichend (sekundäre Bewertung) eingeschätzt werden,
resultiert daraus Belastung
• Bedeutung: mit den Bewältigungsmöglichkeiten steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen
Entwicklungsaufgaben als positive Herausforderungen und nicht als positive
Herausforderungen erleben
o dabei sind neben personalen Ressourcen (z.B. individuelle Lernstrategien) auch
verschiede Formen sozialer Unterstützung (z.B. soziale Netzwerke) maßgeblich für das
Erleben von Bewältigungsmöglichkeiten
Schulbezug
• Sexualkundeunterricht
• Peers / Gleichaltrige
• kooperatives Arbeiten
• Berufsorientierungsmaßnahme
• Diskussion über moralische Thematiken
• Üben von Schreiben / Lesen
Definition Identität: „die einzigartige Persönlichkeitsstruktur, verbunden mit dem Bild, das andere
von dieser Persönlichkeitsstruktur haben“ (Oerter & Dreher, 2002)
Definition Identität: „Ein gut strukturiertes Konzept des eigenen Selbst, bestehend aus
Wertvorstellungen, Überzeugungen und Zielen, denen sich das Individuum grundlegend verpflichtet
hat“ (Berk, 2005)
à bei Havighurst nicht explizit formuliert, aber bei Erikson in dem Modell der psychosozialen Stadien
Grundannahmen
Verpflichtung
• diffuse Identität: Verpflichtung bezüglich einer Aufgabe (z.B. Berufswahl) ist niedrig, wobei
auch keine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Möglichkeiten erfolgt ist
• übernommene Identität: Jugendliche legen sich auf gesellschaftlich oder familiär vorgegebene
Werte und Lebensentwürfe fest, ohne dass eine ausführliche Exploration vorausgeht
• kritische Identität: Jugendliche explorieren verschiedene Alternativen, suchen aktiv
Informationen àFestlegung findet jedoch (noch) nicht statt
• erarbeitete Identität: Jugendliche gehen nach einer Phase aktiver Erkundung eine
Verpflichtung ein (z.B. Wahl eines bestimmten Berufs)
• Marcia nimmt keinen prototypischen Verlauf an à Meilmann, 1979: emprischer Befund zum
idealtypischen Verlauf der Identitätsphasen
• im Entwicklungsverlauf sind Wechsel zwischen verschiedenen Stadien möglich
• erarbeitete Identität am besten für psychologische Gesundheit, aber wird nicht von allen
erreicht
• Identitätszustände können sich zwischen verschiedenen Bereichen unterschieden
• Moratorium schein spezifisch für westliche Welt: in eher traditionellen Gesellschaften stehen
übernommene Identitäten im Vordergrund
• Metaanalyse über Entwicklungsverläufe
(Kroger, Martinussen & Marcia, 2010)
o bei 13-Jährigen am häufigsten
übernommene Identität (34 %)
und diffuse Identität (29 %)
o Anteil diffuser Identität nimmt
bis 14 noch leicht zu (36 %) und
sinkt danach ab
o Anteil übernommener Identität
sind im Mittel ab, aber selbst
bei der ältesten untersuchten Gruppe (30- bis 36-Jährige) beträgt er noch 17 %
o Höherentwicklung in Identitätsentwicklung bei 36%, Rückschritt bei 15 %
o Moratorium wird am seltensten aufrechterhalten
o Identitätsentwicklung verlagert sich zunehmend ins Erwachsenenalter
Modell der Identitätsverarbeitungsstile (Bezonsky, 2004): legt Fokus auf die Art und Weise, wie
Jugendliche identitätsrelevante Informationen suchen, verarbeiten und Verpflichtungen eingehen
• soziale Einflüsse
o Identitätsentwicklung wird gefördert, wenn soziale Umwelt die Exploration möglicher
Identitäten und das Eingehen von Festlegungen unterstützt
o wenn Eltern starre Erwartungen an die Jugendlichen haben und ihren Kindern wenig
Autonomie zugestehen, sollte dies eine übernommene Identität fördern
o Rich & Schachter (2012): höhere Identitätsexploration bei SuS, die ihre Lehrkräfte als
unterstützend wahrnahmen
• Einflüsse von Persönlichkeit und Verhalten
o Rassart et al. 2014:
§ hohe Offenheit für neue Erfahrung sagte einen Anstieg der verschiedenen
Formen der Identitätsexploration vorher
§ hohe Gewissenhaftigkeit ging mit Exploration aber auch mit Eingehen von
Festlegungen einher
o Hale et al., 2013:
§ wer ein erhöhtes Ausmaß aggressiven und delinquenten Problemverhaltens
im frühen Jugendalter aufweist, hat im weiteren Verlauf der Jugend mehr
Probleme beim Eingehen von Festlegungen
Definition: „Das Selbstkonzept wird als die kognitiv-deskriptive Komponente des Selbst verstanden
und besteht aus einer Vielzahl an Selbstbeschreibungen, die das Gesamtwissen über die eigene
Person ausmachen. Dieses selbstbezogene Wissen, welches das Individuum im Laufe seines Lebens
sammelt und im Gedächtnis speichert, beinhaltet nicht nur Wissen um Eigenschaften und
Fähigkeiten, sondern auch um Fakten, Interessen und Gewohnheiten.“ (Lohaus, 2018)
Definition Selbstwert: „Der Selbstwert ist als die Einstellung definiert, die eine Person sich selbst
gegenüber hat.“ (Schneider & Lindenberger, 2018)
Selbst
Kritik
• hierarchischer Aspekt: in einer Studie zu den vertikalen und horizontalen Beziehungen der
Ebenen untereinander, konnten Marsh und Yeung (1998) kaum empirische Belege für
vertikale top-down, bottom-up oder reziproke Einflüsse finden, sondern für horizontale
• kann nicht erklären, wie und warum sich das Selbstkonzept bildet, formt und verändert
• kann eher zu einem Verständnis der Entstehung, Entwicklung und Veränderung des
Selbstkonzepts beitragen
• Quellen selbstbezogenen Wissens:
o direkte verbale Interaktionen (= direkte Prädikatenzuweisungen)
o Interpretation der Verhaltensweisen anderer gegenüber der eigenen Person
(=indirekte Prädikatenzuweisungen)
o Beobachtung des Verhaltens anderer Menschen und Vergleich mit dem eigenen (=
komparative Prädikatenzuweisungen)
o Beobachtung des eigenen Verhaltens (= reflexive Prädikatenzuweisungen)
o Nachdenken über sich selbst und dabei bereits gemachte oder aber mögliche
zukünftige Erfahrungen in die Überlegungen mit einbeziehen (= ideationale
Prädikatenzuweisungen)
• Phasen der Verarbeitung selbstbezogener Informationen
o Schritt 1: Diskrimination à selbstbezogene Informationen werden wahrgenommen
und aus anderen Informationen herausgefiltert
o Schritt 2: Enkodierung à Selektion und Weiterverarbeitung gefilterter Informationen,
indem sie z.B. an bereits bestehende Schemata angeglichen werden
o Schritt 3 und 4: Speicherung und Abruf à Informationen werden in Form von
selbstbezogenem Wissen strukturiert gespeichert und stehen danach zum Abruf
bereit
• Zusammenwirken von zwei Vergleichsprozessen bei der Einschätzung der eigenen Leistung:
o Vergleiche mit fremden Leistungen (externale, interindividuelle / soziale Vergleiche =
externaler Bezugsrahmen)
o Vergleiche mit der eigenen Leistung in zwei Fächern (internale, intraindividuelle
Vergleiche = internaler Bezugsnahmen)
• Fall 1: Vergleich der eigenen Leistungen in den Schulfächern mit den Leistungen der anderen
Schüler*innen
o Schüler*innen mit guten Leistungen in einem Fach, entwickeln ein hohes schulisches
Selbstkonzept in diesem Fach, SuS mit schwachen Leistungen ein niedriges à positive
Korrelation zwischen Schulleistungen und Selbstkonzepten innerhalb eines Faches
• Fall 2: Vergleich eigener Leistungen in Mathe und Sprachen
o Kontrasteffekt: Unterschiede in der Leistungsfähigkeit werden übertrieben deutlich
wahrgenommen à Abwertung bzw. Aufwertung der Selbstkonzepte à geringe
Korrelation zwischen sprachlichem und mathematischen Selbstkonzept
o Korrelation der fachspezifischen Selbstkonzepte werden mit steigendem Alter
negativer à weiter differenziertes akademisches Selbstkonzept bei älteren SuS
(Möller & Köller, 2004)
Allgemein
• Menschen erlangen Bewusstsein über die eigene Existenz und generieren Wissen über die
eigene Person à dieses Wissen ist Grundlage für die Selbstbewertung, für die Planung
selbstbezogener Zukunftsbilder und für die Ausrichtung des eigenen Handelns auf die
Erreichung persönlicher Ziele
• die Entwicklung des Selbst wird durch die Beobachtung und Reflexion der eignen Person aber
auch von sozialem Feedback beeinflusst
• das Selbst einer Person wird umso umfangreicher und ausdifferenzierter, je vielfältiger die
Situationen sind, in denen das Individuum agieren muss und je zahlreicher und umfassender
die Rückmeldungen sind, die es von anderen erhält
frühe Kindheit
• Selbstkonzept wird in der Regel sprachlich erfasst à in den ersten Lebensjahren aber nicht
möglich
• daher: Rouge-Test à Kindern wird unbemerkt ein Rouge-Fleck auf das Gesicht getupft,
anschließend wird die Reaktion auf die Wahrnehmung im Spiegel beobachtet
o wenn Kinder ihr eigenes Gesicht berühren, dann erkennen sie ihr eigenes Abbild im
Spiegel
• erstmal ab dem 15. – 17. Lebensmonat bei einzelnen Kindern zu beobachten, im Alter von 18
– 24 Monate bei ca. ¾ der Kinder
Vorschulalter
• Selbstkonzept noch recht undifferenziert und besteht v.a. aus sehr konkreten, beobachtbaren
Beschreibungen verschiedener physischer, psychischer und sozialer Eigenschaften und
Aktivitäten (Hart & Damon, 1988)
• sprachlich aufzählungsartig
• sehr optimistisch bzw. unrealistisch positiv und unipolar à gegensätzliche Eigenschaften
werden von Kindern kaum beschrieben (Harter, 1999)
• keine Verallgemeinerungen (z.B. Ich kann gut laufen, aber nicht: ich bin sportlich)
• vornehmlich durch Informationen von direkten und indirekten (Fremd-)Zuweisungen gespeist
• Beispiel:
(Grund-)Schulalter
Jugendalter
• Vorstellungen vom Selbst verändern sich im Laufe der Adoleszenz grundlegend, v.a. weil in
diesem Entwicklungsabschnitt abstraktes Denken entsteht à erlaubt es, sich selbst anhand
abstrakter Eigenschaften vorzustellen, die eine Vielzahl von konkreten Aspekten und
Verhaltensweisen umfassen (Pinquart & Silbereisen, 2000)
• ideationale und reflexive Selbstzuweisungen werden als weitere Quellen selbstbezogenen
Wissens relevant: Wissen über eigene Person nicht mehr allein aufgrund von
Fremdzuweisungen oder Vergleichen, sondern auch durch die Reflexion des eigenen
Verhaltens sowie den Abgleich mit vorangegangenen Erfahrungen
• wird zunehmen strukturiert und ausdifferenziert (Harter, 1999)
• Selbstkonzept von Jugendlichen kann je nach Kontext mehr als ein Selbst umfassen à es
gelingt immer mehr, auch verschiedene selbstbezogene Wissensaspekte miteinander zu
verknüpfen und gegensätzliche Informationen zu integrieren à Grund: das Selbst wird als
zwischen Situationen und Personen variierend wahrgenommen (Greve 2007)
• aber: Jugendliche können sich hier noch erheblich unterscheiden (Harter & Monsour, 1992)
• stark vom jugendlichen Egozentrismus geprägt
• Körperselbstkonzept steht im Vordergrund
• Beispiel
7.3 Entwicklung bereichsspezifischer Selbstkonzepte
• noch keine Metaanaylsen aber einzelne Längsschnittstudien (z.B. Gerlach, 2006, Klasse 3-6)
o soziales Selbstkonzept nahm zu
o schulisches Selbstkonzept: abhängig von der Art der weiterführenden Schule
§ Selbstkonzept sank im Gymnasium und stieg in der Hauptschule à Erklärung:
soziales Vergleiche als (eine) Quelle des schulischen Selbstkonzepts à „big
fish little pond“-Effekt
• „big fish little pond“-Effekt: Fähigkeitsselbstkonzept wird beeinflusst durch die Fähigkeiten der
Bezugsgruppe:
o SuS in leistungsstarken Klassen haben niedrigeres Fähigkeitsselbstkonzept als SuS mit
gleichen Fähigkeiten in weniger leistungsstarken Klassen
o durch Schulwechsel ergeben sich intraindividuelle Veränderungen (weil die
Vergleichsgruppe wechselt, ergeben sich Unterschiede im Selbstkonzept)
• hoher Selbstwert ist mit dem Erleben von mehr positiven und weniger negativen Affekten
sowie mit weniger physischen Problemen und psychischen Störungen verbunden (Harter
1999)
• Studie (Zimmerman et al., 1977) à weist darauf hin, dass Selbstwertentwicklung nicht nur auf
eine Weise, sondern ebenso unterschiedlich verlaufen kann
• positive Erlebnisse
• Förderung der Selbstwirksamkeit
• Erfolg für Lernbemühungen / Förderung positiver Attributionen
• langsame Erhöhung des Anspruchsniveaus / optimale Herausforderung
• Zielfindung
• Rollenspiele (Perspektivenwechsel)
• Erfahrung von Grenzen
• Entdecken der eigenen Stärken
• Abbau negativer / fehlerbehafteter Fremdbewertungen
• Reduktion negativer Bezugsgruppeneffekte
Zusammenfassung
Definition Persönlichkeit: „Merkmale des Erlebens und Verhaltens, die über verschiedene
Situationen hinweg konsistent und mittelfristig stabil sind und in denen sich Menschen im
Allgemeinen voneinander unterscheiden“ (Pinquart, 2019)
Entwicklung der Kernmerkmale – Metaanalyse (Roberts, Watson & Viechtbauer, 2006): zwischen 10.
und 21. Lebensjahr
7.7.2 Temperament
Definition Moral: „Gesamtheit aller sittlichen Anschauungen, Werturteile und Normen, von denen
sich die Menschen in ihrem praktisch-sittlichen Verhalten leiten lassen.“ (Klaus & Buhr, 1970)
Hinweise für implizite moralische Urteile findet man bereits im Säuglingsalter à 6-monatige Kinder
interagieren lieber mit einer Figur, die einer anderen Figur half, als mit einer Figur, die eine andere bei
der Zielerreichung behinderte (Bloom et al., 2007) à Untersuchungen zur Entwicklung expliziter
moralischer Urteile setzen sprachliche Ausdrucksfähigkeit voraus
• vormoralische Stufe (0 – ca. 4 Jahre) – Kinder zeigen noch kein Regel- und Normbewusstsein
• heteronome Stufe (4 – ca. 7/8 Jahre) – Gehorsam gegenüber Regeln von Autoritäten
o Begrenztheit der heteronomen Moral durch zwei Faktoren begründet:
§ durch kognitive Unreife der Kinder (kindlicher Egozentrismus, Fokussieren der
Aufmerksamkeit auf unmittelbar Anschauliches)
§ durch einseitigen Respekt vor Erwachsenen und Autoritäten im Allgemeinen
§ Voranschreiten der moralischen Entwicklung beruht aus seiner Sicht auf der
allgemeinen kognitiven Entwicklung und auf Erfahrungen sozialer Gleichheit
in der Peergruppe
• autonome Moral (ab 11 Jahre) – Reziprozität, selbstgesetzte moralische Entscheidungen
o Piaget nahm an, dass sich die autonome Moral erst allmählich durchsetzt und
zwischenzeitig (etwa zwischen 8 und 10 Jahre) beide Moralformen nebeneinander
bestehen können
Normen und Regeln sind etwas Absolutes Normen und Regeln sind relativ (Berücksichtigen
unterschiedlicher Standpunkte)
Regeln und Normen sind nicht veränderbar Regeln können einvernehmlich verändert
werden
Regeln wurden von Autoritäten aufgestellt man selbst nimmt teil am Aufstellen von Regeln
und Normen
Beurteilung des Verhaltens anhand der Beurteilung des Verhaltens anhand der Absicht
Handlungsfolgen unabhängig von der (subjektive Verantwortlichkeit)
Handlungsabsicht (objektive Verantwortlichkeit)
Bevorzugung einer Strafe durch Autoritäten Bevorzugung der Bestrafung durch das Opfer
der Verfehlung selbst
• Zeitpunkt des Übergangs von der heteronomen zur autonomen Moral variiert zwischen
sozialen Konventionen und moralischen Normen à Veränderbarkeit sozialer Konventionen
wird früher erkannt als die Veränderbarkeit moralischer Normen
• Auffassung, dass jüngere Kinder nur Folgen und ältere Kinder nur die Absichten der Handlung
bewerten würden, trifft nicht zu
o Weiner & Peter, 1973: bereits 4- bis 6-Jährige können zwischen guten und schlechten
Absichten unterscheiden
• bestimmte moralrelevante Themen wurden von Piaget nicht untersucht
• weitere Entwicklung des moralischen Urteils im Jugend- und Erwachsenenalter wird nicht
betrachtet
• moralische Dilemma wurden erst an dem Alter von 10 Jahren eingesetzt à empirische Basis
zu Charakterisierung der Anfänge der moralischen Entwicklung ist gering à spätere Studien
(Keller, 1996) zeigen, dass die Vermeidung von Strafen im Denken in der mittleren und späten
Kindheit einen geringeren Stellenwert hat, als von Kohlberg angenommen
• Kritik aus kulturwissenschaftlicher Perspektive: moralische Urteile, die sich an Prinzipien
anderer Kulturen orientieren, können anhand des entwickelten Auswertungssystems nicht
angemessen klassifiziert werden
o außerdem: nur bei Vertretern der westlichen Mittelschicht gäbe es die Idee, dass die
Gesellschaft ein sozialer Vertrag ist
• moralische Urteile sind bis zu einem gewissen Grad kontextabhängig
• bezieht sich nur auf moralisches Urteilen, aber nicht auf die Entwicklung moralischen
Verhaltens
Hoffman (2000) geht davon aus, dass affektiven Prozessen die Schlüsselrolle für die moralische
Entwicklung zukommt à Stufenmodell der Empathie
• Stufe 1: als Vorläufer der Empathie reagieren bereits Neugeborenen auf das Weinen anderer
Kinder, indem sie selbst zu weinen anfängt à keine Unterscheidung zwischen Selbst und
anderen
• Stufe 2 (egozentrische Empathie): Kinder bis zum Ende des ersten Lebensjahres haben
gelernt, dass einer anderen Person und nicht ihnen selbst etwas widerfährt – können noch
nicht verstehen, dass sich der andere Mensch in dieser Situation anders fühlen mag, als sie
sich selbst fühlen (keine Perspektivübernahme)
• Stufe 3 (etwa 2 – 3 Jahre): Kinder entwickeln Empathie für die Gefühle anderer Menschen und
können nun die Gefühle der anderen Person von den eigenen Gefühlen unterscheiden
(Perspektivübernahme möglich) à noch an konkrete Situationen gebunden (erkennen von
Gefühlen anhand von beobachtbaren Hinweisen
• Stufe 4: Empathie für die allgemeine Lage anderer Menschen, unabhängig von der
momentanen Situation
à gibt nicht genügend empirische Belege – sowohl affektive als auch kognitive Prozesse spielen eine
wichtige Rolle
8.4 Moralisches Urteil und moralisches Verhalten
• in westlichen Ländern entsteht moralisches Wissen vor der Motivation zum moralischen
Handeln
• Studie von Nunner-Winkler (2007): Kinder wurden mit Geschichten konfrontiert, in denen
moralische Regel verletzt wurde (Stehlen), im Anschluss wurden die Kinder befragt, wie sich
das Kind fühlen wird, das die Norm übertrat und warum (à als Indikator für moralische
Motivation)
o mehr als 90% der 4- bis 5-Jährigen wussten, dass Stehlen falsch ist – bei 8- bis 9-
Jährigen: 100%
o 80% der 4- bis 5-Jährigen erwarteten, dass sich der Dieb gut fühlt, bei 8- bis 9-Jährigen
nahmen 75% negative Gefühle an
o Fazit: moralisches Wissen führt nicht automatisch zu moralischem Handeln
• jüngere Kinder haben zwar schon ein elementares Verständnis von moralischen Normen, aber
ihnen fehlt noch die Motivation, sich auch moralisch zu verhalten à moralische Entwicklung
als zweistufiger Lernprozess, bei dem zuerst moralisches Wissen erworben wird und danach
die Motivation, sich moralisch zu verhalten (Nummer-Winkler, 2007) à Keller et al. 1998
fanden dies allerdings nur bei europäischen Versuchspersonen
• es lässt sich um Entwicklungsverlauf auch eine Zunahme des Zusammenhangs zwischen
moralischen Gefühlen und moralischen Urteilen finden (Malti et al., 2010)
o bei 5-Jährigen noch kein Zusammenhang zwischen der Zuschreibung moralischer
Gefühle zu Regelverletzern und dem eignen moralischen Urteil zu finden
o bei 7-Jährigen zeigte sich ein Zusammenhang moralischer Urteile mit der
Zuschreibung positiver Gefühle nach Regelverletzungen
o bei 9-Jährigen zudem auch Zuschreibung negativer Gefühle
• Interpretation der Situation danach, ob das eigene Verhalten das Wohlergehen anderer
beeinflusst à Sensibilität für die Bedürfnisse anderer Menschen (Empathie) nötig
• Festlegung des in der Situation moralisch richtigen Verhaltens: Was ist moralisch geboten? à
moralisches Urteilsvermögen nötig
• Entscheidung, ob man das moralisch richtige Verhalten zeigen möchte oder ob andere
Verhaltensweisen wichtiger sind à moralische Motivation nötig
• Ausführung des beabsichtigten Verhaltens à Willensstärke und Selbstkontrolle nötig
8.5.2 Entwicklung moralischen Verhaltens
guter Indikator: prosoziales Verhalten – Studie von Fabes & Eisenberg (1998)
• prosoziales Verhalten nimmt vom Kleinkindalter bis in das Jugendalter hinein im Mittel zu
• stärkste Zuwächse vom Vorschul- zum Grundschulalter
weitere Befunde
• frühes Erkennen, dass Opfer unmoralischen Handelns emotional betroffen sind (Arsenio,
1988)
• konsistentes moralisches Selbst als Voraussetzung für moralisches Handeln (Keller & Edelstein,
1993)
• kognitiver Entwicklungsstand
o Entwicklung der Fähigkeit der Perspektivübernahme entscheidend à Krebs & Gilmore
(1982)
§ Querschnittsstudie mit 5- bis 14-Jährigen
§ starker Zusammenhang (r =0,69) zwischen Fähigkeit zur
Perspektivenübernahme und der Stufe des moralischen Urteils
• soziale Einflüsse – Familie als primäre moralische Sozialisationsinstant
o ein erklärender (induktiver) Erziehungsstil sagt einen überdurchschnittlichen Zuwachs
der moralischen Urteilsfähigkeit der Kinder vorher, d.h.
§ Eltern geben Erläuterungen von Geboten und Verboten, die dem Verständnis
des Kindes angemessen sind
§ Eltern machen die Folgen des Verhaltens für das Kind und für andere
Menschen deutlich
§ lassen dem Kind ausreichend Entscheidungsfreiräume
o ein Macht ausübender (autoritärer) Erziehungsstil und die Androhung von
Liebensentzug sind mit einer ungünstigen moralischen Entwicklung (Turiel, 2006)
verbunden à Kinder verhalten sich eher moralisch, um Strafen zu vermeiden und
zeigen in jenen Situationen wenig moralisches Verhalten, die nicht der elterlichen
Kontrolle unterliegen
• Peers: die Auseinandersetzung mit den Argumenten Gleichaltriger regt die moralische
Entwicklung an
o aufgrund von Symmetrie ist es leichter, sich in die andere hineinzuversetzen und
einen Konsens zu finden
o Walker et al, 2000: unterstützendes Verhalten des Freundes sagte bei der Diskussion
realer Konflikte eine günstige moralische Entwicklung vorher
Zusammenfassung
Definition Motivation: „Motivation ist ein psychischer Prozess, der die Initiierung, Ausrichtung und
Aufrechterhaltung, aber auch die Steuerung, Qualität und Bewertung zielgerichteten Handelns
beeinflusst.“ (Urhane, Fischer & Dresel, 2019)
Definition Lernmotivation: bezeichnet die Bereitschaft eines Lernenden, sich aktiv, dauerhaft und
wirkungsvoll mit bestimmten Themengebieten auseinanderzusetzen, um neues Wissen zu
erwerben bzw. das eigene Fähigkeitsniveau zu verbessern. (Seidel & Krapp, 2014)
9.1 Volition
Definition Interesse: „Unter Interesse versteht man eine mehr oder weniger überdauernde
spezifische Beziehung zwischen einer Person und einem Gegenstand aus ihrem Lebensraum“
(Krapp 2003)
• universelle Interessen (bis ca. 2 Jahre): Kinder v.a. auf der Suche nach Struktur, Interesse an
neuen Objekten, Bewegung
• kollektive, gesellschaftstypisches Interessen (ca. 2 – 8 Jahre)
• allgemeine Interessen (ab ca. 7 bis 9 Jahre): Orientierung an Kompetenzen, Interesse der
Gleichaltrigen, Interesse an vielen Themen, auch an schulischen Tätigkeiten
• vermehrte Ausbildung individueller Interessen (ab ca. 9 Jahre): Interesse an Schulfächern sinkt
deutlich ab, identitätsrelevante Interessen bilden sich aus, vermehrte Ausgrenzung von
Interessensgebieten, die nicht zum Selbstkonzept passen
9.2.3 Vier Stufen der Interessensentwicklung (Hidi & Renniger, 2006)
9.2.4 Wie kann eine Lehrkraft situationales Interesse auslösen? (Bergin, 1999)
• das durchschnittliche Interesse an Inhalten der meisten Schulfächer nimmt im Verlauf der
Schulzeit ab
Definition Leistungsmotivation: besondere Form der Zielverfolgung, „bei denen Handlungen oder
Handlungsergebnisse auf einen Tüchtigkeitsmaßstab bezogen werden, den man für verbindlich hält,
so daß am Ende letzlich Erfolg oder Misserfolg steht“ (Heckhausen, 1974)
Definition Leistungsmotiv: „Ergebnis der erlebten leistungsthematischen Erfahrungen, die sich in
einer habituellen Verhaltensdisposition, sich eher erfolgszuversichtlich oder misserfolgsvermeidend
zu verhalten, in der späten Kindheit manifestiert“ (Holodynski, 2007)
• aktuelle Motivation:
o bezieht sich auf den kompletten Handlungsverlauf
o hat die Funktion, Handlungen zu initiieren, auszurichten und aufrechtzuerhalten
o ist beeinflusst von Merkmalen der Person und der Situation und wirkt auf diese
o umfasst eine Wert- und Erwartungskomponente (Abwägung von Wünschbarkeit und
Realisierbarkeit
Kompetenzerleben
Motivation
• drei grundlegende Bedürfnisse:
o Selbstbestimmung: beinhaltet das Bestreben, sich als eigenständiges
„Handlungszentrum“ zu erleben und eigene Ziele und Vorgehensweisen selbst zu
bestimmen
o Kompetenzerleben: beinhaltet das Bestreben, sich selbst als handlungsfähig zu
erleben, den gegebenen und absehbaren Anforderungen gewachsen zu sein und
Probleme lösen zu können
o soziale Eingebundenheit: betrifft das Bestreben nach befriedigenden Sozialkontakten
• bestimmte Ziele deshalb motivierend, weil sie diese grundlegenden Bedürfnisse befriedigen
• Bedeutung dieser drei Bedürfnisse verändert sich im Entwicklungsverlauf
• um intrinsische Motivation zu erzeugen, sollten alle 3 Bedürfnisse erfüllt werden
• Empirie
o stärker selbstbestimmte Schüler verwenden vorteilhaftere Lernstrategien (Deci &
Ryan, 2000)
o intrinsisch motivierte SuS investieren mehr Lernzeit (Mischo, 2006)
• Förderung motivationaler Grundbedürfnisse (Schiefele, 2004)
o Bedürfnis nach Autonomie: Schüler mitbestimmen lassen, Handlungsspielräume
eröffnen
o Bedürfnis nach Kompetenzerleben: klare Rückmeldung von Erfolgen geben,
Lernschwierigkeiten an Kenntnisstand anpassen
o Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit: Gruppenarbeit, Lehrer-Schüler-Verhältnis
stärken
• sowohl die Zielrichtung als auch die Stärke der Motivation resultiert aus Einschätzungen des
möglichen Nutzens einer Handlung
• geht davon aus, dass Personen umso stärker zu einer Handlung motiviert sind, je größer sie sie
Erfolgswahrscheinlichkeit der Handlung beurteilen (Erwartungskomponente) und je wertvoller
der erwartete Nutzen der Handlung ist (Wertkomponente)
• Motivation = E x W
• besonders leistungsmotiviert ist man bei mittel-schweren Aufgaben
• erst nach dem 10. Lebensjahr wird diese multiplikative Verknüpfung beherrscht
• jüngere Kinder benutzen zwar schon beide Dimensionen, gewichten aber je nach Situation eine
der beiden Dimensionen stärker
• intrinsisch: Handlungen, die nur um ihrer selbst willen unternommen werden, wie ein Spiel
oder eine ausschließlich interessengeleitete Aktivität
• extrinsisch: Handlungen, die auf ein darüberhinausgehendes Ziel gerichtet sind und damit eine
instrumentelle Funktion erfüllen
• Streben nach Wirksamkeit und Kontroller physischen und sozialen Umwelt gehört zur
motivationalen Grundausstattung des Menschen
• Säuglinge sind ca. ab dem 3. Monat zunehmend bestrebt, absichtsvolle Effekte
herbeizuführen, ohne sich dabei explizit als Verursacher zu verstehen à anfangs freuen sie
sich genauso, wenn diese von anderen herbeigeführt werden
• Phase 1 (0 bis ca. 8 Monate): Exploration und Neugier à Erkundung neuer Reize, Merkmale
und Objekte der Umwelt
• Phase 2 (9 Monate bis ca. 2 Jahre): Wirksamkeitsmittel und -effekte werden voneinander
unterschieden – Kind erprobt verschiedene Aktivitäten und Handlungsweisen, die den Effekt
bisher hervorgebracht haben à eigentliches Handlungszielt steht dabei nicht vorrangig im
Fokus – Bsp.: Puzzle nach dem Fertigstellen direkt wieder kaputt machen
• Phase 3 (ab ca. 2 Jahre): Zentrierung auf intendiertes Handlungsziel à Ergebnis der eigenen
Handlung wird zunehmen wichtig, ohne dass damit bereits ein Rückschluss auf die eigene
Tüchtigkeit verknüpft ist
• ab ca. 1,5 Jahre beginnt Phase des Selbermachenwollens à reagieren mit negativen Gefühlen
auf ungewollt geleistete Hilfe und äußern, dass sie etwas selber machen wollen
• Kinder entwickeln Vorstellung vom eigenen Selbst, erleben sich als primäre Ursache des
Handeln
• Eltern beginnen Handlungen zu bewerten (loben, tadeln) à erste Stolz- und
Verlegenheitsreaktionen
• Bewusstsein für Regeln und Normen der jeweiligen Kultur entwickelt sich
• unter 22 Monate: Kinder bewerten eigene Leistungen noch nicht selbst, zeigen aber positive
emotionale Reaktionen auf Erfolge und negative Emotionen bei Misserfolgen
• ca. 3 bis 3,5 Jahre: Kinder sind in der Lage eigene Leistung zu bewerten, nach Erfolg nicht nur
Freude, sondern auch Stolz, nach Misserfolg à Stolz und Beschämung sind stärker, wenn die
Leistung des Kindes von Bezugspersonen beobachtet wird
• ab ca. 3,5 Jahren: leistungsmotiviertes Handeln voll ausgeprägt – Kindern handeln, um Ziel zu
erreichen (z.B. Lob)
• bis ins Vorschulalter zeigen Kinder Stolz und Scham nur im Beisein von Erwachsenen, erst ab
dem Grundschulalter auch allein (Holodynsi, 2006)
• Kombination von erlebter eigener Tüchtigkeit und Schwierigkeit der Aufgabe führt zu Erfolgs-
und Misserfolgserwartungen
• mit etwa 4 ½ Jahren setzt sich ein Kind bei einer anschaulichen Aufgabe Ziele aufgrund
vorausgegangener Erfolge und Misserfolge à Grundlage für eigenständige Setzung von
Bezugsnormen à zunächst individuelle Bezugsnorm
• ab 8. Lebensjahr: Anspruchsniveau zunehmend aufgrund von Vergleichen mit Leistung
anderer Kinder (soziale Bezugsnorm)
• ab Jugendalter individuelle und soziale Bezugsnorm situationsabhängig angewendet
internal external
• im Vorschulalter Dimensionen der Erklärung von Erfolg und Misserfolg nur in Ansätzen
(internal: Anstrengung, Fähigkeit; external: Aufgabenschwierigkeit, Zufall)
o Tendenz, Erfolge und Misserfolge auf Anstrengungen zurückzuführen
o Bedeutung der Aufgabenschwierigkeit für Erfolg und Misserfolg wird erkannt
o kein Verständnis für Konzepte von Fähigkeit und Zufall
à Optimismus und Erfolgszuversicht
• mit dem Übergang zur Grundschule entwickeln Kindern ein zunehmendes Verständnis, auf
welche Ursachen sich Erfolg und Misserfolg zurückführen lassen
• ab 5-6 Jahren: Unterscheidung zwischen internalen und externalen Ursachen, weiterhin v.a.
Anstrengung als internale Ursache
• ab ca. 9 – 12 Jahre: auch Fähigkeit als internale Ursache, Anstrengung und Fähigkeit können
differenziert werden
o ab dem 8. Lebensjahr können Kinder erkennen, dass sich Personen mit geringeren
Fähigkeiten mehr anstrengen müssen als Personen mit hohen Fähigkeiten (Folmer et
al., 2008)
o Differenzierung von Glück und Anstrengung ab 12 Jahre
• ab ca. 12 Jahre:
o Fähigkeit als Disposition verstanden à aber Studie von Nicholls 1978: 12-Jährige
erkannten mehrheitlich, dass fehlende Anstrengung durch höhere Fähigkeit
ausgeglichen werden kann
o Erkenntnis, dass Fähigkeit die Wirkung von Anstrengung begrenzen kann und dass
Anstrengung mangelnde Fähigkeit kompensieren kann
o vermehrt external variable Attribution
• Attributionsstile im Grundschulalter
Definition Bezugsnorm: Unter einer Bezugsnorm versteht man einen Standard, mit dem ein Resultat
verglichen wird, wenn man es als Leistung wahrnehmen oder bewerten will. (Heckhausen, 1974)
• Einschätzung der eigenen Leistung als Erfolg oder Misserfolg erwächst nicht aus der Aufgabe
selbst, sondern stets in Relation zu einer akzeptierten Bezugsnoem
o individuelle Bezugsnorm: Handlungsergebnisse werden mit früheren Leistungen der
Person verglichen
§ Verhalten der Lehrkraft: Betonung des Lernfortschritts der Einzelnen, bei
Verbesserung der individuellen Leistung gegenüber Ausgangsniveau positive
Bewertung, Lob auch für unterdurchschnittliche SuS, wenn sich diese
bemühen
o soziale Bezugsnormorientierung: Handlungsergebnisse werden mit den Leistungen
der Bezugsgruppe, z.B. der Schulklasse
§ Verhalten der Lehrkraft: Bewertung der vollendeten Leistung
• Wirkung der individuellen Bezugsnormorientierung
o Erfahrung, durch eigene Anstrengungen kontinuierlich höhere Leistungen erbringen
zu können
o Stärkung der Erfolgszuversicht
o Stärkung der Attribution der eigenen Leistung auf internale und variable Faktoren
• Wirkung der sozialen Bezugsnormorientierung auf leistungsstarke SuS:
o Erfahrung, wiederholt besser abzuschneiden als andere
o Erfolge werden auf Fähigkeit, Misserfolge auf Pech oder mangelnde Anstrengung
bezogen
o Begünstigung eines bewältigungsoptimistischen Attributionsstils
o begünstigt die Entwicklung der leistungsstärkeren Schüler*innen
• Wirkung der sozialen Bezugsnormorientierung auf leistungsschwache SuS:
o Erfahrung trotz Anstrengung schlechter abzuschneiden als andere SuS
o Erfolge werden auf Zufall und Glück zurückgeführt, Misserfolge auf mangelnde
Fähigkeit
o Begünstigung eines hilflosen Attributionsstils à Erkenntnis, dass Anstrengungen sich
nicht lohnen und man Leistungsanforderungen besser aus dem Weg gehen sollte
o wirkt sich negativ auf die Entwicklung leistungsschwacher SuS aus
• Bezugsnormorientierung von Lehrpersonen und Entwicklung der Misserfolgsmeidung
o Untersuchung zu Beginn des
Schuljahrs und zum Ende
o stärkster Effekt mit individueller
Bezugsnorm
9.5 Einflüsse auf die motivationale Entwicklung
• eher geringer Einfluss von Motivation auf schulische Leistung – Vollmeyer, 2009: r = 0,30 à
Höhe der Korrelation kann abhängig vom Schulfach bzw. von den Lerninhalten, den
Unterrichtsbedingungen und der Zusammensetzung der SuS erheblich variieren à gleich
hoher Effekt auch bei Interesse (Schiefele et al., 1993)
o aber: ohne Motivation findet kein intentionaler Lernprozess statt à Ergebnisse liefern
in erster Linie Informationen zur Erklärung von Leistungsunterschieden
• Brunstein & Heckhausen (2006): hohe Leistungsmotivation wirkt sich günstig auf die Qualität
des Lernverhaltens aus, z.B. im Hinblick auf Ausdauer, Anstrengungsbereitschaft oder Auswahl
anspruchsvoller Aufgabenstellungen
• Bandura (1997): Personen mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung führen Misserfolge
auf zu geringe Anstrengung oder widrige Umstände zurück, Personen mit niedriger
Selbstwirksamkeitserwartung eher auf mangelnde Fähigkeiten
• Schunk & Pajares, 2009: Selbstwirksamkeitserwartungen haben einen nachhaltigen positiven
Einfluss auf die Anstrengungsbereitschaft, die Persistenz bei der Aufgabenbearbeitung, den
Einsatz tiefenorientierter Lernstrategien und die Art der Selbstregulation
• Spinath, 2009: erfolgszuversichtliche Leistungszielorientierung führt v.a. bei einfachen
Aufgaben zu guten Leistungen, misserfolgsängstliche Leistungszielorientierung führt zu einer
geringen Persistenz bei der Aufgabenbewältigung
• Ryan und Connell, 1989: eine auf Selbstbestimmung beruhende Lernmotivation ist weniger
von pädagogisch unerwünschten Nebenwirkungen betroffen als eine durch inneren oder
äußeren Zwang gekennzeichnete Motivation
9.6.2 Empirische Befunde: Interesse als Bedingung für Lernen und Leistung
• Shirey & Reynolds: eine auf Interesse beruhende Lernmotivation trägt zu einer Fokussierung
der Aufmerksamkeit und einer Erhöhung der Konzentration bei
• Schiefele, 1996: thematisches Interesse unterstützt ein tiefergehendes Leseverständnis
• Wild, 2000: Hochinteressierte setzen in der Regel höherwertige Strategien des
Wissenserwerbs ein und bemühen sich um ein tieferes Verständnis
9.7 Förderung
Günstige Attribution
• Rheinberg (1980): Bezugsnormorientierung hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Art und
Intensität der Lernmotivation der SuS
• Alltagsbezug / Interesse der SuS aufgreifen
• Lehrer als Vorbild (Modelllernen)
• Reattributionstraining
o Kommentierungstechnik: Rückmeldung von Leistungsergebnissen wird auf direkte
oder individuelle Weise mit motivationsförderlichen Attributionen verknüpft
§ direkt: „Du hast dich zu wenig angestrengt.“
§ indirekt: „Damit hatten die meisten Schüler auch Schwierigkeiten.“
o Modellierungstechnik: eine andere Person sucht und diskutiert gewissermaßen
stellvertretend für den Schüler mögliche Erklärungen für einen konkret erlebten Erfolg
oder Misserfolg
o operante Methode: Verstärkungstechniken
• Förderung der Selbstbestimmung
o Kompetenzerleben:
§ Anpassung des Schwierigkeitsniveaus von Lernaufgaben an das Kenntnis- und
Fähigkeitsniveau
§ Unterstützung bei der Bearbeitung von Lernaufgaben, die den Lernenden
momentan noch überfordern
o Förderung der Autonomieerfahrung
§ Mitbestimmung bei Entscheidung über verschiedene Lernwege oder
Lernmaterialien
§ Einsatz von Lehrmethoden, die ein hohes Maß an Eigenaktivität und
Selbstbestimmung erlauben (z.B. Projektunterricht)
o Förderung der sozialen Einbindung
§ kooperatives Lernen (z.B. in Form von Kleingruppen)
§ partnerschaftliches Lehrer-Schüler-Verhältnis
• Hervorheben der subjektiven Bedeutung des Lerngegenstandes:
o Bezüge zu übergeordneten Zielen der SuS (z.B. in Hinblick auf Beruf)
o auf praktische Anwendungsmöglichkeiten des Lernstoffs hinweisen
Zusammenfassung
• Konsens darüber, dass Entwicklung durch Anlage und Umwelt bestimmt wird à Frage, wie
genau das Zusammenspiel von Anlage und Umwelt bei der Entwicklung aussieht
• genetische Anlagen steuern nicht nur die Entstehung biologischer Merkmale, sondern auch
die Entwicklung psychischer Merkmale
• wird wie der Anteil der Anlage meist durch indirekte Methoden geschätzt à beruhen auf
varianzanalytischen Modellen
o Annahme: Gesamtvarianz eines Merkmals setzt sich additiv aus genetisch bedingten
und von der Umwelt bedingten Varianzanteilen zusammen
o Umweltvarianzanteil = 1 – Heritabilitätskoeffizient
o aber Einschätzung ist damit genauso problematisch
• direkte Schätzungen
o Umweltaxonomien können herausgezogene werden, um Bedingungen des
Aufwachsens in unterschiedlichen Umgebungen zu kontrolliert à aber fast unmöglich
in Hinblick auf die nahezu unendliche Vielzahl von Möglichkeiten und Variablen der
Lebensräume
• Untersuchungen auf Basis von Adoptivstudien
o besonders deutlich sollten die Unterschiede zum Vorschein kommen, wenn sich die
Umweltbedingungen in der biologischen Familie stark von denen in der Adoptivfamilie
unterschieden
o Skodak und Skeels (1949)
§ Untersuchung mit drei Gruppen von Kindern, die in den ersten Lebensjahren
den Jugendbehörden zur Adoption übergeben wurden
§ Ergebnisse:
• durch dramatische Veränderungen von (förderlichen)
Umweltbedingungen kann eine beträchtliche Variabilität der
Intelligenz hervorgerufen werden
• extreme Beeinträchtigungen (wie z.B. Waisenhaus mit schlechten
Personalverhältnissen) hemmen die Intelligenzentwicklung und
nivellieren Unterschiede
• aber: die allgemeinen Varianzanteilsschätzungen sind zu grob und
unterliegen zu vielen Determinanten, um daraus valide Aussagen
ziehen zu können
10.3 Konzepte und Befunde zur Wechselwirkung von Anlage und Umwelt
• Aufteilung der beiden Einflussgrößen nur für bestimmte Fragestellungen von Bedeutung à
wichtigere Frage: wie Anlage und Umwelt in der Merkmalsentstehung zusammenwirken
• in der Ontogenese interagieren genetische Faktoren und Umwelteinflüsse unweigerlich von
Anfang an
• Scarr (1984): Arten des Zusammenhangs zwischen Genotyp und Umwelt
o passiver Zusammenhang: (biologische) Eltern schaffen durch ihren Lebensstil eine
bestimmte Erziehungsumwelt, die die Entwicklung des Kindes direkt oder indirekt
beeinflusst (z.B. Vorhandensein von Büchern à Lesefähigkeit)
o evozierender Zusammenhang: Kinder beeinflussen aufgrund genetisch bedingter
Merkmale das Verhalten oder die Einstellungen der Erwachsenen in ihrer Umwelt
o aktiver Zusammenhang: Kind kann aus seiner Umwelt selektiv wahrnehmen und aktiv
auswählen, was seinem Genotyp entspricht – so wendet sich ein musikalisch
veranlagtes Kind mit höherer Bereitschaft solchen Umwelten zu, die eine
Auseinandersetzung mit diesem Erfahrungsbereich ermöglichen
• Klauer & Spinath, 2010: relative Bedeutung der genotypisch geprägten Umwelteinflüsse
verändert sich im Lauf der Entwicklung
o Bedeutsamkeit passiver Zusammenhänge verringert sich von Kindheit zur Pubertät
o Wichtigkeit aktiver Zusammenhänge steigt
11. Entwicklung von Emotionen
Definition Emotion: In der Psychologie werden mit dem Begriff Emotion Gefühlsregungen
umschrieben, die relativ konkret bestimmbar sind und sich meist auf einen Auslöser zurückführen
lassen. (Seidel & Krapp, 2014)
• Emotionen haben oft einen stark wertenden Charakter à liefern dem Akteur fortlaufend
Informationen über die Qualität der aktuellen Person-Umwelt-Interaktion und fungieren bei
Bedarf als Signalgeber für die Notwendigkeit einer Neuorientierung der Handlungssteuerung
• emotionales Erleben ist ein facettenreiches Phänomen à Beispiel Prüfungsangst
• bezieht sich auf Emotionen, die speziell bei leistungsbezogenen Aktivitäten (z.B. in
Lernsituationen) und bei der subjektiven Bewertung von Leistungsergebnissen auftreten
• dreidimensionales Klassifikationsmodell
• Emotionen beeinflussen u.a. die Nutzung von kognitiven Ressourcen, die Lernmotivation und
die Effizienz der Selbstregulation
• Hascher & Edlinger, 2009: positive Emotionen wirken sich günstig auf das Lernen aus
• negative Emotionen wie Prüfungsangst oder Ärger führen dazu, dass die Aufmerksamkeit von
der Auseinandersetzung mit der anstehenden Aufgabe abgelenkt wird à Götz, 2004: negative
Zusammenhänge zwischen dem Erleben von Ärger und der Konzentration bei der Bearbeitung
von Test
• Yerkes-Dodson-Gesetz: es gibt ein optimales Erregungsausmaß für das Leistungsverhalten à
eine zu hohe aber auch eine zu niedrige Aktivierung beeinträchtigen das Leistungsoptimum
o bei zu geringer Stimulation wird das kognitive Niveau nicht vollständig genutzt
o bei zu viel Stimulation beeinträchtigt die emotionale Erregung den Ablauf der
kognitiven Prozesse
• Rost & Schermer, 2010: Angst hat den Effekt, dass Situationen gemieden werden, in denen ein
Misserfolg nicht ausgeschlossen werden kann
• Engeser et al., 2005: signifikanter Einfluss von Flow-Erleben auf die Lernleistung in
Fremdsprachen- und Statistikkursen
• Rheinberg, 2008: Flowerleben korreliert signifikant mit den erzielten Leistungspunkten (r =
0,60)
Vorschulalter
• mit 4 Jahren Verständnis, dass Emotionen nicht nur von äußeren Einflüssen beeinflusst,
sondern auch von Erwartungen abhängen
• spätes Vorschulalter: Verständnis, dass Emotionen auch bloßen Kognitionen (z.B. durch
traurige oder schöne Erinnerung) ausgelöst werden können
• für Traurigkeit, Angst, Ekel in der Lage, Emotionsausdruck und zugrundeliegende Gefühle zu
unterscheiden
• Verbalisierung ambivalenter Gefühle noch schwer
Grundschulalter
• während Vorschulkinder Emotionen häufig noch auf die Umwelt beziehen, verwenden
Schulkinder Emotionen immer öfter zur Beschreibung ihrer eigenen Gefühlslagen
• Beschreibung emotionaler Zustände wird differenzierter
• zielgerichteter Einsatz (Vortäuschen) von Emotionen
• Darbietungsregeln: in welchen Situationen dürfen welche Emotionen ausgedrückt werden?
• erst ab etwa 11 Jahre Verständnis für widerstreitende Gefühle in einer Situation, z.B. dass
man gleichzeitig traurig und fröhlich sein kann
Definition: Emotionsregulation umfasst alle Prozesse, die an der zielgerichteten Beeinflussung und
Veränderung emotionaler Reaktionen beteiligt sind und individuelle Zielerreichung im jeweiligen
Kontext dienen. (Zimmermann & Iwanski, 2013)
Was ist Emotionsregulation? Initiierung, Hemmung und Modulierung von
• inneren Gefühlszuständen
• emotionsbezogenen physiologischen Prozessen
• emotionsbezogenen Kognitionen
• emotionsbezogenem Verhalten
• 1. Phase: Übergang von völlig auf andere verlassen zu Selbstregulierung in früher Kindheit
• 2. Phase: Gebrauch kognitiver Strategien zur Kontrolle negativer Emotionen
• 3. Phase: Auswahl geeigneter Regulierungsstrategien
• bezieht sich darauf, wie wir andere Menschen wahrnehmen, wie wir über sie denken und wie
wir ihre Handlungen verstehen und erklären
• Komplexität kindlichen Denkens über soziale Welt durch Komplexität eigener Denkprozesse
begrenzt à mit fortschreitender kognitiver Entwicklung verändert sich, wie Kinder über sich
selbst und andere nachdenken
• Perspektivübernahme:
o als wichtige Voraussetzung dafür, andere zu verstehen
o zwei Arten (Sodian, 2008):
§ bezogen auf räumliche Wahrnehmung: wenn man korrekt angeben kann, ob
eine andere Person das gleiche Objekt wie man selbst sieht oder nicht
§ bezogen auf Wissen (Theory of Mind): Fähigkeit zu verstehen, dass jemand
anderes ein anderes Wissen über die Welt haben kann als man selbst à
Verstehen mentaler Zustände anderer
• Studien legen kontinuierlich zunehmendes Wachstum in sozial-kognitiven Fähigkeiten an à
gilt aber nicht für alle Bereiche, wie z.B. Egozentrismus
o kindlicher Egozentrismus à siehe Piaget
o aber: im Laufe der Adoleszenz tritt noch eine andere Form auf: jugendlicher
Egozentrismus
§ Überzeugung, dass man selbst im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aller
anderen steht und dass man selbst einmalig und einzigartig ist und keine
andere Person die eigene Situation verstehen kann à kann typischer
Verhaltensweise erklären, wie das Eingehen hoher Risiken, das Verschließen
ggü. der Umwelt, seltenes Aufsuchen von Unterstützung
Theory of Mind
• wird geprüft u.a. mit Aufgaben zum Verständnis falscher Überzeugungen, z.B. Smarties-
Aufgabe
o Mehrheit der 3-Jährigen saht vorher, dass andere Personen Bleistifte erwarten
würden, Mehrheit der 5-bis 6-Jährigen Smarties (Gopnik & Astington, 1988)
o grundsätzliche Fähigkeit entwickelt sich im Kindergartenalter
o bei komplexen Aufgaben und unter Zeitdruck zeigt sich, dass sich
Perspektivübernahmefähigkeit noch bis ins späte Jugendalter oder sogar bis ins
Erwachsenenalter verbessert
• Zusammenhänge zwischen Theory of Mind und Schulleistungen
o in Längsschnittstudien von letzten Kindergarten- bis zu ersten Schuljahren (Astington
& Pelletier, 2005) à Kinder mit weiterentwickelten Theory-of-Mind-Kenntnissen
haben bessere Schulleistungen erbracht
o Woran kann das liegen?
§ kann helfen, Lehrkräfte und ihre pädagogischen Intentionen besser zu
verstehen
§ kann Metakognition verbessern, was wiederum ein Prädiktor schulischer
Leistungen ist
• Zusammenhänge zwischen Theory of Mind und Sozialverhalten
o höhere Theory of Mind-Fähigkeiten sagen soziale Beliebtheit bei 6-Jährigen vorher
(Slaughter et al., 2002)
o bei Jugendlichen (10 – 13 Jahren) zeigt sich ein Zusammenhang mit von Peers
eingeschätzter sozialer Kompetenz (Astington et al., 1999)
Prozessmodell des sozialen Problemlösen (Crick and Dodge, 1994)
• jede Stufe der sozialen Informationsverarbeitung wird u.a. von den bisherigen Erfahrungen
einer Person beeinflusst à Modell hilft, das Problemverhalten von SuS besser zu verstehen
• der größte Teil von Reizen ist nicht eindeutig zu interpretieren à dieser Interpretation kommt
eine große Bedeutung zu
o Beispiel: aggressive SuS neigen dazu, besonders aggressive Hinweisreize
wahrzunehmen und uneindeutige soziale Reize (z.B. einen Blick) als feindselig zu
interpretieren à feindseliger Attributionsfehler (Dodge, 1993)
• außerdem neigen aggressive Kinder dazu weniger Handlungspläne zu entwerfen, die
wiederrum häufig aggressiver Natur sind
12.2 Peers
Definition: Freundesgruppen der etwa Gleichaltrigen, die Gruppe der Alterskameraden (Dorsch,
2009)
• Regeln
• Teilhabe nicht verbindlich
• gruppendynamische Prozesse
• viele Stilarten bzw. -richtungen à beeinflussen Kommunikation (z.B. Jugendsprache)
schon Kindergartenkinder
• können unterscheiden zwischen jemandem, mit dem sie gerne spielen, und jemandem, mit
dem sie nicht gern spielen
• haben konkrete Erwartungen an Freunde: 5-Jährige erwarten, dass jemand mehr Ressourcen
mit einem Freund teilen wird als mit jemandem, mit dem die Person nicht gern spielt (3-
Jährige noch nicht)
• Freundschaften in Kindergarten- und ersten Schuljahren noch stark durch gemeinsame
Aktivitäten geprägt
• mit zunehmendem Alter werden sich Kinder bewusst, dass andere Menschen andere
Bedürfnisse haben à Freundschaften durch gegenseitige Unterstützung, Hilfe und
Vermeidung von Alleinsein definiert (Douvan & Adelson, 1966)
• im Verlauf der Adoleszenz: Freundschaften als beständige Beziehungen, die auch über
Konflikte hinweg erhalten bleiben und durch hohes Maß an Intimität geprägt sind
• Kinder und Jugendliche mit engen Freunden eher in der Lage, Perspektive anderer zu
übernehmen, beschreiben sich selbst als altruistischer, weisen ausgeprägteres
Selbstwertgefühl auf, enge Freundschaft kann auch geringeren Status in Peergruppe
kompensieren
• aber durch Interkation mit aggressiven Freunden auch Erwerb aggressiver Verhaltensweisen
• Gegenwart von Peers führt zu steigender Risikobereitschaft (Chein et al., 2011)
• Grundschulalter: meist 3 bis 9 Kinder gleichen Geschlechts mit ähnlichen Interessen, sozialen
Verhaltensweisen und schulischem Engagement
• frühes und mittleres Jugendalter: zentrale Rolle für Clique, Zusammensetzung stabiler, starke
Gruppennormen bezüglich Vielzahl von Verhaltensbereichen, Freiraum, sich von Eltern zu
lösen, sich in verschiedenen Rollen auszuprobieren und dadurch Intensität zu entwickeln
• späte Adoleszenz: Bedeutung geht zurück, individuelle Beziehungen werden bedeutsamer
• erfasst mittels Soziometrie: Methoden zur Analyse von Mitgliedern einer Gruppe, z.B. sollen
alle Kinder einer Klasse Kinder benennen, die sie mögen, und Kinder, die sie nicht mögen
• Einteilung in 5 Gruppen:
o beliebte Kinder (viele positive, wenig negative Nennungen)
o abgelehnte (wenig positive, viele negative Nennungen)
o vernachlässigte (wenig positive, wenig negative Nennungen)
o kontroverse (viele positive, viele negative Nennungen)
o durchschnittliche (jeweils mittel)
• beliebte Kinder zeigen wenig, abgelehnte viel Problemverhalten (Problem: Kausalität in beide
Richtungen möglich! à Was ist Ursache, was ist Wirkung?)
• Ablehnung im Klassenverband als Entwicklungsrisiko:
o erhöhte Raten externalisierenden (nach außen, wie Substanzmissbrauch,
Aggressionen) und internalisierenden (Einsamkeit, Depression u.a.)
Problemverhaltens
o eher Opfer von Mobbing
o feindseliger Attributionsfehler häufiger
Ethologische Theorien
Bindung
• sichere Bindung am Ende des 1. Lebensjahres als Voraussetzung für Entwicklung von
Autonomie in nachfolgender Entwicklungsphase
• Bindungssicherheit geht einher mit
o besserem Selbstwertgefühl
o positiveren Freundschaftsbeziehungen im Jugendalter
o kompetenteren Konfliktbewältigungsstrategien
o weniger aggressivem Verhalten
o kein Einfluss auf koginitive Kompetenzen
Antisoziales Verhalten
Prosoziales Verhalten
Definition: „Prosoziales Verhalten bezeichnet eine intentionale und freiwillige Handlung, die
potenziell bzw. tatsächlich einem Empfänger zugutekommt.“ (Dorsch, 2009)
Definition: Bullying ist eine Form aggressiven Verhaltens, welche häufig im schulischen Kontext zu
beobachten ist [...]. Dabei werden intendiert schädigende Verhaltensweisen entweder direkt oder
indirekt durch mindestens einen Täter regelmäßig über einen längeren Zeitraum gegen Mitschüler
(Opfer) gerichtet (Olweus, 2006).
• Geschlechterunterschiede:
o Jungen werden häufiger Täter, Opfer und Täter-Opfer
o Jungen üben häufiger physische Aggression aus
o Mädchen betreiben am häufigsten indirektes Bullying
• Risikofaktoren (Scheithauer et al., 2003)
o Täter wachsen häufiger als andere Jugendliche in einem Familienkontext auf, in dem
Gewalt und aggressives Verhalten toleriert bzw. ausgeführt werden, der
Zusammenhalt eher gering ist und ein autoritärer Erziehungsstil vorherrscht
o schikanierende Jugendliche verfügen über weniger adäquate Problemlöse- und
Zielerreichungsstrategien, richten sich nach dominant-aggressiven Vorbildern, zeigen
mehr Impulsivität und weniger (affektive) Empathie
o Jugendliche in Opferrollen wachsen eher überbehütet mit Eltern auf, die sich oft in die
Belange der Kinder einmischen – zeigen mehr Ängstlichkeit, sind eher introvertiert,
körperlich schwächer und haben ein weniger selbstsicheres Auftreten
• aber: Risikofaktoren reichen nicht aus, auch der Schul- und Klassenkontext ist maßgeblich an
der Entstehung und Aufrechterhaltung des Bullying-Prozesses beteiligt à Scheithauer et al.,
2003: inadäquate Reaktionen der Lehrkräfte aus entsprechenden Vorfällen stellt
begünstigende Bedingung dar
• Folgen
o sowohl für Täter als auch für Opfer erhöht sich das Risiko für die Entstehung weiter
Verhaltensauffälligkeiten (Scheithauer et al., 2006) – verbunden mit emotionalen
Problemen, Schwierigkeiten in sozialen Beziehungen, geringere Schulleistungen à
auch über die Schulzeit hinaus!
• Olweus Bullying Prevention Programm (Oleweus, 2006) – wird am häufigsten eingesetzt
o vereint verschiedene Komponenten auf der Individual-, Klassen- und Lehrer-
/Schulebene
o Empire – Ttofi und Farrington 2011: Metaanalyse, durchschnittlicher Rückgang von
20-23 % bei Tätern und 17 – 20 % bei Opfern
§ Effekt aber vermutlich eher gering à große Varianz zwischen den
Programmen
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
o Gemeinsamkeiten:
§ motorische Unruhe, Impulsivität und mangelnde Konzentration als
wesentliche Aspekte
§ Probleme treten in verschiedenen Situationen auf (z.B. Zuhause und Schule)
o Unterschiede:
§ DSM-5: zwei verschiedene Störungsbilder (vorw. unaufmerksam vs.
vorwiegend hyperaktiv-impulsiv) plus Mischform
§ ICD-10: keine Trennung in Subtypen, erweiterte Diagnose: hyperkinetische
Störung des Sozialverhaltens
(1) Impulsivität
(2) Hyperaktivität
• motorische Unruhe, viel ungerichtete motorische Aktivität (z.B. plötzliches Aufstehen und im
Klassenzimmer umhergehen, Zappeln auf dem Stuhl,...)
• Schwierigkeiten, Verhalten zu kontrollieren und zu steuern
(3) Unaufmerksamkeit:
Diagnostik
• Diagnosestellung stützt sich v.a. auf subjektive Einstufungen, keine belastbare, objektive
Leistungsdiagnostik
• umfassende Betrachtung verschiedener Lebensbereiche: Befragung des Kindes, der Eltern,
Erziehenden und Lehrkräfte
• Erfassen der aktuellen Problemlage in verschiedenen Lebenssituationen und der
Störungsgeschichte, Abklären von Rahmenbedingungen der Verhaltensprobleme,
Verhaltensbeobachtungen und standardisierte Leistungsdiagnostik à
• Diagnostik i.d.R. in Kinder- und Jugendpsychiatrie oder Schulpsychologie
Modediagnose?
• laut Arztreport der Barmer GEK Anzahl an Diagnosen zwischen 2006 und 2013 stark gestiegen
(Grobe, Bitzer & Schwartz, 2013)
• aber: Metaanalysen über letzte Jahrzehnte legen stabile Prävalenz von 5% nahe
• aber Diagnosestrategie hat Auswirkungen à Diagnosehäufigkeit variiert abhängig von
Toleranz gegenüber abweichendem Verhalten à subjektive Einstufungen
Prävalenz
• bei 87% der Kinder mit ADHS zusätzlich weitere psychische Störung, bei 67% zwei oder mehr
weitere
• v.a. affektive Störungen: Depressionen (15% bis 75%), Angststörungen (ca.25%),
oppositionelles Verhalten und Probleme im Sozialverhalten (30% bis 50%)
• außerdem Lernstörungen, Entwicklungsstörungen, Tic-Störungen und Substanzmissbrauch
• Richtung des Zusammenhangs unklar:
o vorhandene psychische Störungen machen anfällig für Entwicklung einer ADHS
o ADHS zieht Folgeprobleme nach sich
• Folgeprobleme am Beispiel von Lernproblemen: schlechte Konzentrationsfähigkeit schränkt
Lernfähigkeit ein à Wissensdefizite werden größer
Ätiologie
Psychologische Faktoren
Verlauf
• frühes Kindesalter
o hohes Aktivitätsniveau
o insgesamt unausgeglichenes Temperament
o motorische Unruhe in diesem Alter nicht spezifisch für Entstehung von ADHS
• Kindergarten- und Vorschulalter:
o motorische Unruhe am deutlichsten
o erhöhtes Aggressionsniveau
o negative Interaktion mit Eltern
o geringe Stabilität von Symptomen
• Grundschulalter:
o neue Anforderungen, die für unaufmerksame und sehr aktive Kinder schwierig zu
bewältigen sind: erforderlich, Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten und motorische
Unruhe zu kontrollieren
o oppositionelles Verhalten gegenüber Lehrkräften, Konflikte mit Gleichaltrigen
o Störung stabilisiert sich
o negative Auswirkungen auf Leistungen und Selbstwertgefühl
• Jugendalter
o motorische Unruhe geht zurück
o Aufmerksamkeitsprobleme bleiben bestehen
• Erwachsenenalter:
o Problematik bleibt häufig bestehen
o Risiko für komorbide Störungen
• zwei Befragungszeitpunkte: im Alter von 6 bis 15 Jahre und 10 Jahre später à zum zweiten
Befragungszeitpunkt
• 78% der von ADHS Betroffenen berichten noch deutliche Einschränkungen oder in
Behandlung
• ca. 50% substanzabhängig, ca. 40% Probleme im Sozialverhalten
• auch bei nahen Verwandten psychische Probleme: je ca. 60% mit Angststörungen und
alkoholabhängig
• im Vergleich zu Kontrollgruppe häufiger schulische Disziplinarmaßnahmen, Förderbeschulung,
Verkehrsunfälle und Gefängnisstrafen durchlebt
13.2.4 Maßnahmen
Therapie
(1) „Etwa 15% der Kinder sind von ADHS betroffen und es sind v.a. Jungen.“
• ADHS gehört zu den häufigsten Störungen im Kindes- und Jugendalter, aber: Auftretens-
Häufigkeit bei ca. 5%
• Jungen häufiger betroffen in Bezug auf Impulsivität und Hyperaktivität, aber nur geringer
Geschlechtsunterschied bei Aufmerksamkeitsproblemen
(3) „ADHS wird durch mediale Reizüberflutung oder das Erziehungsverhalten der Eltern verursacht.“
(5) „Mit einer ADHS-Diagnose gegen automatisch Hilfsleistungen oder schulische Nachteilausgleiche
einher.“
• ADHS berechtigt nicht automatisch zum Erwerb eines Schwerbehindertenausweises und zur
Beantragung von Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe
• für beides Grad der Einschränkung entscheidend, dabei v.a. Ausmaß sozialer Probleme
• ADHS in den meisten Bundesländern nicht in Schulgesetzen berücksichtigt
(6) „Eine medikamentöse Behandlung mit Methylphenidat (z.B. Ritalin) macht abhängig, kann
Parkinson auslösen. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen wachsen langsamer.“
à Bezug zu Cognitive-Load
• sensorische Modalität:
o Frage, über welche Kanäle des Arbeitsgedächtnisses oder des sensorischen
Gedächtnisses Informationen aufgenommen und verarbeitet werden
o Ausgangspunkt: duale Kodierung
§ Informationen werden beim Lernen primär über die Augen und Ihren
aufgenommen und im jeweiligen visuellen und auditiven Kanal verarbeitet
§ Kapazität des Gedächtnisses und der Kanäle begrenzt à Repräsentationen
sollten so gestaltet werden, dass beide Kanäle optimal genutzt werden und
nicht ein Kanal überlastet wird, während der andere beim Lernen ungenutzt
bleibt
• Repräsentationsmodus
o Frage, wie Informationen präsentiert werden, z.B. verbal oder piktoral
o verbale Repräsentation: alle sprachlich dargebotenen Informationen: geschriebener
Text im Lehrbuch, Stichpunkte auf der Folie, gesprochene Erklärungen der Lehrkraft
o piktorale Repräsentationen: bildhafte Darbietungen, wie Illustrationen, Animationen,
Fotos, Videos
o gerade technologiebasierte Medien bieten Möglichkeit der Kombination multipler
Repräsentationen
• Präsentationsmodus: Frage, welches Instrument zur Wissensvermittlung genutzt wird
o wird mittlerweile auch die Forschung einbezogen à Frage, welche Potentiale
insbesondere verschiedene technologiebasierte Formen von Präsentationsmedien im
Bildungsbereich haben
Interaktivität
Adaptivität
Multimedialität
Definition: Multimediales Lernen bezeichnet Lernen anhand von Material, bei dem Informationen in
mehreren Repräsentationsmodi (in der Regel verbal und piktorial) dargestellt sind. (Seidel & Krapp,
2014)
o (2) Kapazität beider Kanäle ist stark begrenzt und eine Überlastung der Kanäle kann zu
Leistungseinbußen beim Lernen führen
o (3) für bedeutungsvolles Multimediales Lernen ist aktive Verarbeitung der
Informationen, welche in der Ausführung der kognitiven Prozesse, Selektion,
Organisation und Integration, zum Ausdruck kommt, wichtig
§ intra-repräsentationale bzw. lokale Kohärenzbildung: Lernende müssen
Kohärenz innerhalb einer Repräsentation herstellen, was bedeutet sie sollen
Bezüge zwischen einzelnen Elementen eines Textes oder innerhalb eines
Bildes identifizieren
§ inter-repräsentationale bzw. globale Kohärenzbildung: Lernende sollen eine
Kohärenz zwischen der verbalen und der analog-bildhaften Repräsentation
herstellen, also korrespondierende Text- und Bildinformationen miteinander
verknüpfen à führt erst zu einem tiefer gehenden Verständnis
• basiert ebenfalls auf dem Dreispeichermodell von Atkinson und Shiffrin, dem
Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley und der Theorie der dualen Kodierung von Pavia
• Informationen werden zunächst im sensorischen Gedächtnis über einen akustischen und
visuellen Kanal aufgenommen und in das Arbeitsgedächtnis weitergeleitet
• sensorisches Gedächtnis und Arbeitsgedächtnis haben Kapazitätsbeschränkungen
• akustisch-sprachliche und analog-bildhafte Repräsentationen werden dann in
unterschiedlichen Teilsystemen im AG verarbeitet
o deskriptives System für akustisch-sprachliche Informationen
o depiktionales System für analog-bildhafte Informationen
• Unterschied zur CTML: Informationsverarbeitung im AG findet integriert zwischen beiden
Teilsystemen statt à integrierte mentale Modell entsteht nach ITPC bereits im AG und wird
dann mit Vorwissen aus dem LG zusammengeführt
• wie CTML: Integrationsprozess als zentraler Prozess beim Lernen mit Multimedia
• zusätzlich: intra- und inter-repräsentationale Kohärenzbildungsprozesse finden zum einen auf
Oberflächenmerkmale (verbale und analog-bildhafte Elemente) und zum anderen auf
Tiefenstrukturen (erfordert, das Lernenden z.B. Verbindungen zwischen konzeptuellen
Strukturen und Eigenschaften dieser Strukturen bildet) statt
• Forschungsbefunde: intensive integrative Verarbeitung von verbalen und analog-bildhaften
Informationen als zentraler Prädiktor für verbesserte Lernergebnisse beim Lernen mit
Multimedia
Multimediaeffekt
Verzerrte Informationsverarbeitung
• domänenspezifisches Vorwissen als wesentliche Voraussetzung für die Integration von Text-
und Bildinformationen in ein kohärentes mentales Modell
• kompetenter Umgang mit dargebotenen Repräsentationsformaten notwendig
o kompetenten Umgang mit Text- und Bildinformationen, wie Lesefertigkeiten und
Fertigkeiten der Bildinterpretation
o domänenspezifische Fertigkeiten für den Umgang mit domänenspezifischen bildlichen
Darstellungen
• insbesondere Lernende mit geringem Vorwissen richten ihre Aufmerksamkeit auf saliente,
aber nicht notwendigerweise relevante Informationen
• außerdem integrieren Lernende Text und Bild oft nicht hinreichend miteinander, stattdessen
werden beide Repräsentationen isoliert voneinander verarbeitet
• Häufigkeit der Ausführung von sog. integrativen Sakkaden (Blicksprünge) als wesentlicher
Prädiktor für den Lernerfolg
Modalitätsprinzip
• empfiehlt eine Verwendung gesprochenen anstelle von geschriebenem Text für multimediale
Lernmaterialien
• möglicher Grund (1): Effekt der geteilten Aufmerksamkeit
o bei Darbietung von geschriebenem Text müssen Lernende ihre Aufmerksamkeit
zwischen dem Lesen des Textes und der Bildbetrachtung teilen
o bei gesprochenem Text ist ungeteilte Aufmerksamkeitszuwendung auf das Bild
möglich à optimale Nutzung der zur Verfügung stehenden kognitiven Ressourcen
• möglicher Grund (2): Verortung des Modalitätseffekts im sensorischen Gedächtnis à Idee des
auditorischen Nachhalls
o akustische Stimuli hinterlassen länger anhaltende sensorische Spuren im Gedächtnis
als visuelle Stimuli, so lange diese Spuren nicht durch neu eintreffende Informationen
überschrieben werden à hat zur Folge, dass die entsprechenden Informationen auch
mit großer Wahrscheinlichkeit ins AG übertragen werden können
• vor allem für kurze Texteinheiten à für längere Texte verschwindet der Modalitätseffekt bzw.
kehrt sich sogar um
Räumliches Kontiguitätsprinzip
Signaling-Prinzip
• Hervorhebung der Korrespondenzen zwischen Text und Bild, z.B. durch Verwendung gleicher
Farben für die Darstellung sich entsprechender Informationen
• unterstützt die Identifikation von Entsprechungen zwischen Text und Bild
• kleinen bis mittleren Effekt auf die Förderung des tieferen Verständnisses beim Lesen
• führt zu einer effizienteren visuellen Suche und einer gezielten Ausrichtung der visuellen
Aufmerksamkeit
Einschränkungen
• vor allem für Novizen à Lernende mit Vorwissen profitieren nicht von diesen Möglichkeiten
bzw. zeigen schlechtere Leistungen (=Expertise-Reversal-Effekt)
o Grund, z.B. dass Lernenden mit hohem Vorwissen zu einer oberflächlichen
Informationsverarbeitung verleitet werden
• Optimierung aus praktischen Gründen kaum realisierbar, z.B. Schulbücher
Lernerzentrierte Unterstützungsmaßnahmen
à verschiedene effektive Trainingsansätze lassen sich in regulären Unterricht und in die Lehre
einbinden
• Grundannahme von Lewin und Murray bei der Motivationspsychologie, auf der auch das
ARCS-Modell basiert: Motivation in der jeweiligen Situation entsteht aus der
Wechselbeziehung zwischen Person und Situation
• Lernmotivation als „der Wunsch bzw. die Absicht, bestimmte Inhalte oder Fertigkeiten zu
lernen“ à hängt folglich von den Merkmalen, Charakteristika und Motiven der Person ab, auf
der anderen Seite aber auch von situativen Faktoren à die sich daraus ergebende Motivation
beeinflusst das Verhalten und Erleben der jeweiligen Person
• interessiert sich ein Lernender für eine Sache, so will er sein Wissen erweitern und mehr
darüber erfahren à Effekte:
o interessierte Lernende wollen mehr Zeit und Ausdauer in die Auseinandersetzung mit
einem Thema investieren und tiefer gehende Lernstrategien einsetzen
o beschäftigen sich mit fokussierter, andauernder und relativ anstrengungsfreier
Aufmerksamkeit mit dem Lerngegenstand
o starke Wertschätzung des Interessegegenstandes ermöglicht eine fokussierte
Aufmerksamkeitsteuerung auf den Lerninhalt, so dass kaum Raum für Ablenkung
durch aufgabenirrelevante Reize besteht
Mögliche Maßnahmen:
• Orientierungsverhalten provozieren
o Verwendung audiovisueller Effekte, z.B. durch Töne und Sprache
o unübliche oder unerwartete Ereignisse oder Inhalte, z.B. provokative oder
widersprüchliche Aussagen oder Bildinhalte
o Vermeiden von Ablenkung: übertriebener Einsatz von diesen Mitteln stört
Konzentration und kann Lernprozess beeinträchtigen à seductive details
beeinflussen Emotionen und die Motivation der Lernenden positiv, können aber auch
eine zusätzliche kognitive Belastung mit sich bringen und das Lernen so
beeinträchtigen
o möglicherweise positiver Effekt von warmen Farben und runden Formen
• Neugier bzw. Frageverhalten anregen
o Entdecken und Erforschen lassen: Darbieten von Problemlösesituationen in einem
Kontext, der das Explorieren ermöglicht und unterstützt
o Lernreaktionen herausfordern: z.B. Implementierung von „Frage-Antwort-
Rückmeldung“-Sequenzen
o Lernende veranlassen, sich selbst Aufgaben zu stellen
• Abwechslung und Variation der Instruktionselemente
o Verwendung kurzer Instruktionseinheiten
o Abwechslung zwischen darstellenden und interaktiven Angeboten
o Variation des Bildschirmformates: generell Bildschirmformat beibehalten;
gelegentliche und zweckmäßige Abweichungen
o Abwechslungen verschiedener Codes oder Modi: didaktisch sinnvoll und nicht
überlastend
R: Relevanz
Mögliche Maßnahmen
• Vertrautheit herstellen
o personalisierte Sprache: Personalpronomen oder Namen
o Verwendung einer sympathischen Figur: Personen oder Tiere
o Analogien und Metaphern: abstrakte Begriffe in einem vertrauten Kontext
o vertraute Beispiele und Situationen: Erfahrungen und Bezüge zur Lebenswelt der
Lernenden
o Bsp.: Pädagogische Agenten à Figuren, die durch Lernprogramme führen und
Lernprozess begleiten
§ menschliche Stimme wird vorgezogen
§ reine Präsentation der Figur reicht nicht à muss dem jeweiligen Lernprozess
angepasst sein
• Lernzielorientierung
o Hinweise auf die Wichtigkeit und den Nutzen der Lehrziele: sollten zu Beginn des
Lernangebotes präsentiert werden
o Auswahl verschiedener Lernziele: sollte sich hinsichtlich der Lernmethoden oder des
Anwendungsbereiches unterscheiden
o Angebot von Simulationen und Spielen
• Anpassung der Motivationsprofile
o Übungsaufgaben in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden: ermöglicht die Wahl
eines individuellen Anspruchsniveaus
o Verwendung eines transparenten Bewertungssystems: nachvollziehbarer
Gütemaßstab für Lernende
o Wettbewerbsspiele nur als Option: v.a. für misserfolgsbefürchtende Lernende
o kooperatives Lernen ermöglichen
o Verantwortung übertragen: für machtmotivierte Lernenden à z.B. Leitung eines
Diskussionsforums
C: Erfolgszuversicht
• Lernende sollte mit Zuversicht hinsichtlich des eigenen Lernerfolgt im Lernangebot agieren
können
Mögliche Maßnahmen
• Lernanforderungen
o Struktur und Lernziel angeben: sowohl textliche als auch visuelle Darstellungen
möglich
o Bewertungskriterien erläutern
o Lernvoraussetzungen angeben: notwendige Fähigkeiten, Fertigkeiten und Vorwissen
sollten vorab genannt werden
o Umgang und ggf. Zeitbegrenzung bei (Selbst-)Test angeben: z.B. auch durch
Fortschrittsanzeige
• Gelegenheiten für Erfolgserlebnisse bieten
o „vom Einfachen zum Komplexen“: in einer Einführungsphase sollte nach diesem
Prinzip vorgegangen werden à Rückmeldung zum Lernstand in dieser Phase
besonders häufig geben
o individuelle Einstiegsmöglichkeiten anbieten: als Grundlage dieser Empfehlungen
kann ein Einstiegstest dienen
o unterschiedliche Schwierigkeitsniveaus anbieten à um Lernenden auch
Herausforderungen zu bieten
• Selbstkontrolle
o Lernerkontrolle über das Lerntempo: Lernende sollten Kontrolle über die
Unterbrechung oder das Überspringen von Kapiteln haben à auch Zurückspringen
etc.
o Lernerkontrolle über Lerninhalte: Lernende sollten selbst entscheiden können,
welchen Teil des Lehrstoffs sie aktuelle bearbeiten
o Anstrengung als (Miss)Erfolgsursache betonen: Ursache für Erfolg oder Misserfolg in
erster Linie der Anstrengung des Lernenden zugeschrieben à FRAGE
S: Zufriedenheit
• Lernende können schnell demotiviert werden, wenn ihre Anstrengungen nicht zu den
erwünschten oder erwarteten Zielen führen à Gefühl von Zufriedenheit herstellen
Möglichkeiten
• Natürliche Konsequenzen
o Übungen, die die Anwendung neuen Wissens ermöglichen
o nachfolgende Einheiten greifen auf zuvor Gelerntes zurück: ggf. auch explizit darauf
verweisen, dass neues Wissen oder neue Fähigkeiten angewendet werden
o Lernspiele oder Simulationen anbieten: Möglichkeit des Anwendens neuer Inhalte
• Positive Folge
o Erfolgserlebnisse ermöglichen: insbesondere bei einführenden Lernangeboten à
positive Rückmeldungen; bei aufbauenden Teilen à weniger häufig Feedback, erst
nach Abschluss einer sinnvollen Aufgabeneinheit
o auf übertriebenes Lob verzichten: Lernende könnten annehmen, dass ihnen nichts
zugetraut wird und sie wegen jeder Kleinigkeit gelobt werden
o Belohnungsformen selbst wählen lassen: um unbeabsichtigte Effekte einer
Fremdsteuerung zu vermeiden
• Gleichheit, Gerechtigkeit
o Stimmigkeit der Lernziele und Überblickdarstellungen: um kognitive Belastung durch
unnötiges Orientierungsverhalten zu vermeiden
o Übereinstimmung von Übungen und Testaufgaben
o Bewertungsmaßstäbe transparent gestalten: informatives Feedback
à Wirksamkeit motivierender Maßnahmen variieren in Abhängig von der Zielgruppe und von den
vermittelten Inhalten
• Methoden oder Strategien, die den Lernenden den Lernprozess erschweren, aber vor allem
langfristig mit besseren Lernleistungen einhergehen
• spätere Abrufbarkeit des zuvor erworbenen Wissens wird erhöht und das Vergessen damit
reduziert
• z.B. Verteilen von Wiederholungs- und Übungszeit (distributed practice) anstelle von
geblockten Übungsphasen am Stück oder frühes Üben des Gedächtnisabrufs (retrieval
practice) anstelle erneuten rein rezipierenden Lernens à stoßen beim Lernenden eine tiefere
Verarbeitung des Lernmaterials an, nehmen Aspekte der Abrufsituation vorweg
o Einsatz von Übungstest und von verteilten Übungsphasen hat sich in vielen Studien als
vor allem für langfristiges Lernen förderlich herausgestellt (z.B. Rowland 2014)
o aber: viele Studien zeigen, dass sich Lernend des Nutzens dieser Strategien nicht
bewusst sind und dass sie stattdessen wiederholtes Lesen oder das Wiederholen und
Üben von Inhalten am Stück präferieren und für wirksamer halten (Bjork, Dunlosky &
Kornell 2013) à entscheiden sich dann Lernende im selbstbestimmten Lernen für
diese Strategien?
• könnte durch digitale Medien erleichtert werden, z.B.
o dass kurze Phasen des Leerlaufs im Alltag zum Üben oder Wiederholen von
Lerninhalten auf dem Smartphone genutzt werden
o Aufforderungsgehalt eines Smartphones
o kann mit Video- oder Audiodateien verknüpft werden
Unter Cognitive Offloading („kognitive Entlastung“ oder „kognitive Auslagerung“) versteht man die
Möglichkeit, Kognitionen, insbesondere Gedächtnisinhalte oder Gedächtnisprozesse, an Gegenstände
oder andere Personen auszulagern, um die kognitiven Anforderungen zu verringern – sie ist eine der
wichtigsten Techniken, die im menschlichen Gedächtnis eingesetzt werden. Es bietet die Möglichkeit
die Beschränkungen des Arbeitsgedächtnisses (und des Langzeitgedächtnisses) zu überwinden und die
kognitive Leistungsfähigkeit der jeweiligen Person zu erhöhen
Welche positiven und negativen Konsequenzen können sich aus CO unter Zuhilfenahme digitaler
Medien ergeben?
14.8 Empirie
Lernvideos
• werden zusätzlich zu den Präsenzveranstaltungen Lernvideos angeboten, die den Inhalt der
Lehrveranstaltungen in identischer Weise abbilden, steigt die Abwesenheit bei Studierenden
entweder gar nicht (z.B. Von Konsky et al. 2009) oder nur in beschränktem Maß (Figlio et al.
2013)
• Studierende höher motiviert als beim Lernen mit klassischen Lernmedien (Bolliger et al., 2010)
• positivere Lernerfahrungen (Choi et al. 2008)
• Lernvideos erhöhen für Selbststudium aufgewendete Zeit (Kukulska-Hulme et al., 2004)
o z.B. durch Quizzes oder Assessments
o Elemente der Gamifizierung à Abzeichen oder Fortschrittspunkte
• aber: trotz höheren Workloads steigt Zufriedenheit eher an (Copley, 2007)
• aber: Videoeinsatz meist nur kurzfristig untersucht à Vorteilekönnen auf „novelty effect“
zurückgehen à Neuheit der Videos als Ausgangspunkt für die positiven, kognitiven,
emotionalen und motivationalen Effekte à Ergebnisse aus Längsschnittstudien stützen aber
diese Vermutung (wenn auch nicht in hinreichender Zahl vorhanden) erstmal nicht
Mobiles Lernen
• Überblick über Begleitstudien zum Tablet-Einsatz in Schule und Unterricht (Aufenager 2017):
überwiegend positive Effekte aufs Lernen, zurückgeführt auf gesteigerte Motivation und
selbstständigeres Lernen
• Zusammenfassung von 36 Einzelstudien zu mobilen Medien an Gymnasien (Pimmer et al.,
2016): positive Effekte v.a., weil Schüler*innen
o durch Push-Modus häufiger zu Lernaktivitäten angeregt werden
o über mobile Abstimmungssysteme aktiver am Unterricht teilnehmen
o elaboriertere Hausaufgaben (z.B. Videos) erstellen
• Metaanalysen zum Fremdsprachenlernen
o Burston (2015): von 19 Studien 15 mit positiven Effekten auf Lesen, Hören und
Sprechen, keine signifikanten Unterschiede in 4 Studien zum Vokabellernen
o Sung et al. (2015): in 44 Studien mittlerer positiver Effekt (g = 0,55) im Vergleich zum
herkömmlichen Lernen
Zusammenfassung
• Lernen mit Medien lässt sich auf drei Aspekte betrachten: Art der Präsentationsmedien (der
Geräte), Art des Repräsentationsmodus (verbal, piktoral) und der Art der Sinnesmodalität
(visuell, auditiv)
• Medien, die sich moderner Informations- und Kommunikationstechnik bedienen, können
durch Interaktivität, Adaptivität und Multimedialität Lernprozesse unterstützen
• Design-Effekte wirken über die Gestaltung des Lernmaterials auf den Lernerfolg:
Multimedia-, Modalitäts-, Kontiguitäts- und Signalisierungseffekt
• Design-Effekte wirken v.a. bei komplexen Lerninhalten und bei Lernenden mit geringem
Vorwissen und können bei Lernenden mit sehr hohem Vorwissen in ihr Gegenteil
umschlagen und das Lernen beeinträchtigen
• geschriebene und gesprochene Texte als Lernmedien sollten einfach gestaltet sein, eine
klare Struktur aufweisen, prägnant formuliert sein und motivational-affektive Stimulanz
beinhalten
• Bilder fördern das Lernen, wenn zwischen Text und Bild enge Verknüpfungen hergestellt
werden – Strichzeichnungen sind häufig lernwirksamer als fotografisch-realistische
Darstellungen, selbstständiges Zeichnen ist wirksame Lernstrategie
• Videos unterstützen den Lernprozess dann, wenn sie realistisch sind oder wenn es um die
Erklärung von Handlungsschritten geht