Sie sind auf Seite 1von 246

Jan Mayer

Hans-Dieter Hermann

Mentales Training

Grundlagen und Anwendung in Sport, Rehabilitation, Arbeit

und Wirtschaft

3., korrigierte und aktualisierte Auflage


Jan Mayer
Hans-Dieter Hermann

Mentales Training
Grundlagen und Anwendung in Sport,
Rehabilitation, Arbeit und Wirtschaft

3., korrigierte und aktualisierte Auflage

Mit 84 Abbildungen und 3 Tabellen

123
Professor Dr. Jan Mayer
Coaching Competence Cooperation
Rhein-Neckar
Schwetzingen

Professor Dr. Hans-Dieter Hermann


Coaching Competence Cooperation
Rhein-Neckar
Schwetzingen

ISBN 978-3-662-46818-0 978-3-662-46819-7 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-662-46819-7

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte
bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1010, 2011, 2015


Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich
vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für
Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung
in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt
auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und
Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem
Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder
die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder
Äußerungen.

Umschlaggestaltung: deblik Berlin


Fotonachweis Umschlag: © Ammentorp/fotolia.com

Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier

Springer-Verlag ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media


www.springer.com
V

Vorwort zur 3. Auflage

Zu unserer großen Freude erscheint nun schon die dritte Auflage dieses Buches – sechs Jahre
nach der Erstausgabe. Unser Anspruch war es, in der dritten Auflage den aktuellen Stand der
Praxis und Forschung zum Mentalen Training darzustellen.
Im deutschsprachigen Raum wird das Mentale Training insbesondere mit der Person
von Prof. Dr. Hans Eberspächer in Verbindung gebracht. Hans Eberspächer gilt als Pionier
der praktischen Sportpsychologie und hat sportpsychologische Trainingsmethoden, wie das
Mentale Training, praxistauglich aufbereitet. Er bezeichnet das Mentale Training als eine uni-
verselle Drehscheibe, die in nahezu allen Situationen, in denen Handlungsabläufe auf höchs-
tem Niveau gefordert sind, zur Lern- und Leistungssteigerung beitragen kann. Wir beide,
Hans-Dieter Hermann und Jan Mayer, haben lange Jahre im Team von Hans Eberspächer
mitgearbeitet und viele seiner Ideen, Vorgehensweisen und Ansichten zur praktischen Sport-
psychologie übernehmen dürfen. Insofern soll das vorliegende Buch die Heidelberger Tra-
dition der praktischen Sportpsychologie fortsetzen, den aktuellen wissenschaftlichen Stand
zum Mentalen Training zusammenfassen, neue Entwicklungen aufzeigen und die vielfältige
Anwendung des Mentalen Trainings anhand praktischer Beispiele verdeutlichen.
In den vergangenen beiden Jahren wurde das Mentale Training weiter intensiv wissen-
schaftlich untersucht und bearbeitet, so dass auch neue Aspekte und Untersuchungen in
diese Auflage Eingang fanden.
Aktuell dominieren Untersuchungen zum
4 Transfer des Mentalen Trainings in die außersportliche Rehabilitation, insbesondere im
Bereich der neurologischen Rehabilitation und zum
4 Transfer des Mentalen Trainings in leistungsorientierte Anwendungsfelder außerhalb des
Sports (z. B. Musik oder Chirurgie).

Im Rahmen der Recherche zu dieser dritten Auflage wurden über 300 Untersuchungen aus
den Jahren 2011 und 2014 gesichtet und relevante Ergebnisse in den Text integriert. Insofern
meinen wir, dem Anspruch der Aktualität gerecht geworden zu sein.
Auch die Verwirklichung dieser dritten Auflage ist nur durch die intensive Unterstützung
von weiteren Personen möglich gewesen. Herr Dr. Psych. Thorsten Leber hat auch für die
Neuauflage viel Zeit und Mühen investiert, ebenso Frau Katrin Schäfer. Beiden danken wir
herzlich!
Frau Sigrid Janke und Frau Monika Radecki sei für die gute Betreuung und die freundli-
che, partnerschaftliche und unkomplizierte Zusammenarbeit gedankt.
Ganz besonderer Dank gebührt unseren Familien, denn auch die Überarbeitung einer
bestehenden Auflage geschieht für uns als lehrende und praktizierende Sportpsychologen vor
allem in vielen Stunden und Tagen, die eigentlich als Freizeit vorgesehen waren und damit
den Familien zugestanden hätten.

Mai 2015

Jan Mayer
Hans-Dieter Hermann
VII

Über die Autoren

Foto
oto: Jaana Ka
K ay

Prof. Dr. Jan Mayer und Prof. Dr. Hans-Dieter Her- Pädagogik an der Hochschule für Prävention und
mann sind anerkannte Experten im Bereich der Gesundheitsmanagement in Saarbrücken.
Sportpsychologie und seit Jahren in der sportpsy- Arbeitsschwerpunkt im gemeinsam geleiteten
chologischen Praxis tätig. Durch ihre Arbeit mit Institut CCC Rhein-Neckar in Schwetzingen (www.
namhaften Spitzensportlern und Nationalmann- ccc-network.de) ist die Beratung von Spitzensport-
schaften, u.a. des Deutschen Fußballbundes, sind sie lern und Führungskräften aus der Wirtschaft sowie
einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Sie Diagnostik und Forschung.
sind Hochschullehrer im Fachbereich Psychologie/
IX

Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 6 Wirkmechanismen des Mentalen
Trainings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
6.1 Den Wirkmechanismen auf der Spur:
Periphere Begleiterscheinungen des
I Grundlagen Mentalen Trainings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
6.1.1 Studien zur EMG-Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
6.1.2 Zeitliche Äquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
2 Leistung zum definierten 6.1.3 Kardiovaskuläre Begleiterscheinungen
Zeitpunkt: Anforderungen an des Mentalen Trainings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
sportpsychologisches Training . . . . . . . . . . . 7 6.2 Theorieansätze zu möglichen
2.1 Grundprinzipien des sportpsycho- Wirkmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
logischen Trainings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 6.2.1 Hypothesen zu den Wirkmechanismen . . . . 51
2.2 Mentales Training – ein sportpsycho- 6.2.2 Weitere Erklärungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . 53
logisches Trainingsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 12
2.3 Vorstellungen als Prüf- und Führungs- 7 Neurophysiologische Erklärungs-
größe für menschliches Handeln . . . . . . . . . . 13 ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
2.3.1 Vorstellungen an situative Gegeben- 7.1 Neuronale Plastizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
heiten anpassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 7.2 Motorisches Lernen und neuronale
2.3.2 Vorstellungen vom Bewältigen kritischer Plastizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Situationen ergänzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 7.3 Neurophysiologische Ansätze zur
Erklärung der Wirksamkeit des Mentalen
3 Psychologische Grundlagen des Trainings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
Mentalen Trainings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 7.3.1 Funktionale Äquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
3.1 Wahrnehmung und Repräsentation
von Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
3.2 Bewegung und Wahrnehmung als System . . 21
II Anwendungsfelder
4 Mentales Training erlernen und
anwenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
4.1 Aufbau von Bewegungsvorstellungen . . . . . 26 8 Mentales Training im Leistungssport . . . . 69
4.1.1 Sprachlich-symbolische Ansätze . . . . . . . . . . . 26 8.1 Vorstellungen entwickeln mit Leistungs-
4.1.2 Räumlich-bildhafte Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . 28 sportlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
4.1.3 Kinästhetische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 8.1.1 Beschreiben der Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . 70
4.2 Arten des Vorstellungstrainings . . . . . . . . . . . 30 8.1.2 Bewegungsbeschreibung durch
4.2.1 Mental-sprachliches Training . . . . . . . . . . . . . . 31 Videobeobachtung konkretisieren und
4.2.2 Mentales Training aus der Beobachter- differenzieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 8.1.3 Bewegungsbeschreibung durch die
4.2.3 Mentales Training aus der Innen- eigene praktische Durchführung
perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 konkretisieren und differenzieren . . . . . . . . . . 71
4.3 Die Rolle der Vorstellungsfähigkeit . . . . . . . . 32 8.1.4 Erarbeitung von Knotenpunkten – Redu-
zierung der Knotenpunkte auf Schlagwörter
5 Wirksamkeit des Mentalen Trainings . . . . 35 – Rhythmisierung der Schlagwörter . . . . . . . . 72
5.1 Wirksamkeitsstudien, Metaanalysen 8.1.5 Überprüfung der zeitlichen Äquivalenz von
und Reviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 vorgestellter und praktisch durchgeführter
5.2 Beeinflussende Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
X Inhaltsverzeichnis

8.1.6 Mentales Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 9.2.7 Praxis des Mentalen Trainings für


8.2 Einsatzmöglichkeiten des Mentalen Einzeltechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
Trainings im Leistungssport . . . . . . . . . . . . . . 73 9.2.8 Praxis des Mentalen Trainings
8.2.1 Mentales Training zur Trainings- komplexer Bewegungsfolgen . . . . . . . . . . . 149
optimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 9.2.9 Wirksamkeit des Mentalen Trainings
8.2.2 Mentales Training zur Optimierung in der Rehabilitation nach Sport-
der Wettkampfleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
8.2.3 Mentales Training zur Optimierung 9.3 Mentales Training in der neurologischen
des Umgangs mit Verletzungen . . . . . . . . . . 76 und orthopädischen Rehabilitation . . . . . 151
8.3 Anwendungsvielfalt des Mentalen 9.3.1 Mentales Training in der neurologischen
Trainings im Leistungssport . . . . . . . . . . . . . . 77 Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
8.3.1 Komplexität der Sportarten und 9.3.2 Mentales Training in der orthopädischen
Mentales Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
8.3.2 Komplexitätsstufe 1: Bewegung
(ohne Variation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 10 Mentales Training im Bereich
8.3.3 Komplexitätsstufe 2: Bewegung + Arbeit und Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . 181
Variation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 10.1 Anforderungen im Arbeits- und
8.3.4 Komplexitätsstufe 3: Bewegung + Wirtschaftsleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
Variation + Team . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 10.1.1 Belastung und Beanspruchung . . . . . . . . . 182
8.3.5 Komplexitätsstufe 4: Bewegung + 10.1.2 Repräsentation und Vorstellungen
Variation + Gegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 von Handlungsoptionen im beruflichen
8.3.6 Komplexitätsstufe 5: Bewegung + Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
Variation + Gegner + Team . . . . . . . . . . . . . 110 10.2 Chirurgie und Zahnmedizin . . . . . . . . . . . . . 184
8.3.7 Komplexitätsstufe 6: Bewegung + 10.2.1 Mentales Training in der Chirurgie . . . . . . 184
Variation + Gegner + Kontakt . . . . . . . . . . . 113 10.2.2 Mentales Training in der Zahn-
8.3.8 Komplexitätsstufe 7: Bewegung + medizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
Variation + Gegner + Kontakt + Team . . . 117 10.3 Luftfahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
8.3.9 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 10.3.1 Einsatz des Mentalen Trainings im
Rahmen der Pilotenausbildung . . . . . . . . . 192
9 Mentales Training in der 10.4 Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 10.5 Produktion/Fertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
9.1 Zielstellung des Mentalen Trainings
im Anwendungsfeld Rehabilitation . . . . . 132 11 Grundlagen und Materialien . . . . . . . . 205
9.2 Mentales Training in der Rehabilitation 11.1 Neurophysiologische Grundlagen
nach Sportverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 133 des Mentalen Trainings . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
9.2.1 Belastungsreaktionen verletzter 11.1.1 Das sensomotorische System . . . . . . . . . . 206
Sportler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 11.1.2 Motorischer Kortex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
9.2.2 Beeinflussende Faktoren der 11.2 Methoden und Verfahren zur
psychischen Belastungsreaktion . . . . . . . . 137 Darstellung mentaler Aktivitäten . . . . . . . . 210
9.2.3 Phasen der psychologischen 11.2.1 Positronenemissionstomografie
Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (PET) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
9.2.4 Merkmale erfolgreich rehabilitierender 11.2.2 Funktionelle Magnetresonanztomografie
Sportler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (fMRT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
9.2.5 Mentales Training in der Rehabilitation 11.2.3 Transkranielle Magnetstimulation
verletzter Leistungssportler . . . . . . . . . . . . . 143 (TMS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
9.2.6 Praxis des Mentalen Trainings für 11.3 Praktische Anleitung zur Progressiven
sportartunspezifische Übungen im Muskelrelaxation (PMR) nach Jacobson . . 211
Aufbautraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 11.3.1 Praxis der PMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
XI
Inhaltsverzeichnis

11.4 Fragebogen zur Erfassung der


Vorstellungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
11.4.1 MIQ (Deutsch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

Anhang

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . 245
1

Einleitung

J. Mayer, H.-D. Hermann, Mentales Training, DOI 10.1007/978-3-662-46819-7_1,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
2 Kapitel 1 · Einleitung

Mentales Training ist Vorstellungstraining, also das tersuchungen vorgestellt, die zeigen, dass bereits
1 Durchspielen von Bewegungen und Handlungen in vor vielen Jahren versucht wurde, die Wirkung
der Vorstellung, ohne dass gleichzeitig die entspre- des Mentalen Trainings zu erklären. Diese Un-
chende Bewegung praktisch durchgeführt wird. tersuchungen vermitteln bereits wesentliche Er-
Im vorliegenden Buch steht die praktische Durch- kenntnisse zu den Wirkmechanismen des Menta-
führung des Mentalen Trainings in verschiedenen An- len Trainings. Darüber hinaus werden mögliche
wendungsbereichen im Vordergrund. Dennoch sollen Erklärungen (Hypothesen) für Wirkmechanismen
auch die theoretischen Grundlagen, Wirkungen und diskutiert.
Wirkmechanismen des Mentalen Trainings ausführlich 7 Kap. 7 thematisiert neuere, insbesondere
dargestellt werden. Einleitend wird kurz die Struktur neurophysiologische Erkenntnisse zum Mentalen
des Buches erläutert. Training. Hier ist die Theorie zur neuronalen Plas-
tizität der Ausgangspunkt, um aktuelle Studien
Das Buch ist in zwei Teile gegliedert: vorzustellen, die eine funktionale Äquivalenz zwi-
4 In Teil I: »Grundlagen« sollen die wesent- schen vorgestellter und praktisch durchgeführter
lichen wissenschaftlichen Grundlagen zum Bewegung nachweisen.
Verständnis des Mentalen Trainings vermittelt
werden. Allerdings wird auch hier die Rele- Überblick Teil II: Anwendungsfelder
vanz für die praktische Anwendung im Vor- In 7 Kap. 8 wird die Anwendung des Mentalen
dergrund stehen. Trainings im Leistungssport beschrieben. Dabei
4 In Teil II: »Anwendungsfelder« werden vielfäl- werden Studien und konkrete Praxisbeispiele zur
tige Anwendungsmöglichkeiten des Mentalen Anwendung des Mentalen Trainings in verschie-
Trainings vorgestellt. Eberspächer et al. (2002) denen Sportarten, die nach ihrer Komplexität zu
bezeichnen das Mentale Training als univer- Sportartengruppen zusammengefasst sind, vorge-
sale Drehscheibe, die in fast allen leistungs- stellt.
und lernrelevanten Situationen zur Anwen- Das 7 Kap. 9 ist dem Anwendungsfeld Rehabili-
dung kommen kann. Hier sollen insbesondere tation gewidmet. Die erfolgreiche Anwendung des
die Anwendungsfelder dargestellt werden, Mentalen Trainings bei verletzten Leistungssport-
für die ausreichend praktische Erfahrung ei- lern eröffnete vielfältige Einsatzmöglichkeiten des
nerseits und entsprechende wissenschaftliche Mentalen Trainings in der Rehabilitation. In den
Nachweise andererseits vorliegen. letzten Jahren sind hier verschiedene Ansätze er-
probt und evaluiert worden. Der Transfer in die
Überblick Teil I: Grundlagen (außersportliche) Rehabilitation erscheint vielver-
Nach der in 7 Kap. 2 erfolgten Einführung in die sprechend, da im Rahmen der neurologischen
Thematik werden in 7 Kap. 3 die psychologischen und orthopädischen Rehabilitation empirisch gesi-
Grundlagen des Mentalen Trainings themati- cherte Ergebnisse vorliegen.
siert. Ausgangspunkt ist die Wahrnehmung und Das Anwendungsfeld Arbeit und Wirtschaft
Speicherung von Information, die letztlich auch wird in 7 Kap. 10 besprochen. Insbesondere in der
Grundlage jeglicher Vorstellung ist. In 7 Kap. 4 Aus- und Weiterbildung von Chirurgen und Zahn-
werden gängige Durchführungsformen des Men- ärzten, aber auch im Rahmen des Trainings von
talen Trainings vorgestellt und besprochen. Piloten und Musikern werden positive Ergebnisse
Die Wirksamkeit des Mentalen Trainings ist berichtet. Für den Einsatz des Mentalen Trainings
Gegenstand von 7 Kap. 5. Wie wirkungsvoll ist das in der Produktion an Fertigungsanlagen liegen
Mentale Training, und welche Faktoren beeinflus- ebenfalls vielversprechende Erkenntnisse vor.
sen die Wirksamkeit? Mehrere Metaanalysen ge- In ▶ Kap. 11 finden Sie weiterführendes Ma-
ben Aufschluss über derartige Fragestellungen und terial für die Anwendung und das Verständnis
werden in diesem Kapitel vorgestellt. des Mentalen Trainings. Zunächst werden dort
In 7 Kap. 6 werden die Wirkmechanismen des neuroanatomische und neurophysiologische
Mentalen Trainings skizziert. Es werden hier Un- Grundlagen zum tieferen Verständnis des Men-
Kapitel 1 · Einleitung
3 1
talen Trainings dargestellt (7 Kap. 11.1). Darüber
hinaus finden sich eine Übersicht über die mo-
dernen bildgebenden Verfahren der Neurowissen-
schaft (7 Kap. 11.2) sowie eine Praxisanleitung zur
Durchführung der Progressiven Muskelrelaxation
(7 Kap. 11.3). Eine deutsche Version des Fragebo-
gens zur Bewegungsvorstellung (MIQ; 7 Kap. 11.4)
schließt das Kapitel ab.
Zum Schluss noch ein sprachlicher Hinweis:
Nach reiflicher Überlegung haben wir uns ent-
schlossen, der Kürze und besseren Lesbarkeit we-
gen für allgemeine Aussagen und Beispiele grund-
sätzlich die maskuline Form zu verwenden (der/
die Sportler, der Trainer, die Therapeuten etc.).
Selbstverständlich sind Sportlerinnen, Trainerin-
nen, Therapeutinnen und Leserinnen hier stets
mitgemeint und mitangesprochen.
I

I Grundlagen

Im ersten Teil des Buches werden die theoretischen Grundlagen zum Mentalen Training dar-
gestellt. Dabei sollen der aktuelle Stand der Wissenschaft und die Ergebnisse aus den relevan-
ten wissenschaftlichen Studien und Analysen einbezogen werden.
Zunächst erfolgt eine grundlegende Einführung in die Thematik des sportpsychologischen
Trainings und des Mentalen Trainings. Anschließend werden folgende Bereiche erörtert:
4 die psychologischen Grundlagen des Mentalen Trainings,
4 die Durchführungsformen des Mentalen Trainings,
4 die Wirksamkeit des Mentalen Trainings,
4 die Wirkmechanismen des Mentalen Trainings,
4 die neurophysiologischen Erklärungsansätze zum Mentalen Training.

2 Leistung zum definierten Zeitpunkt: Anforderungen an


sportpsychologisches Training – 7

3 Psychologische Grundlagen des Mentalen Trainings – 15

4 Mentales Training erlernen und anwenden – 25

5 Wirksamkeit des Mentalen Trainings – 35

6 Wirkmechanismen des Mentalen Trainings – 43

7 Neurophysiologische Erklärungsansätze – 55
2

Leistung zum definierten


Zeitpunkt: Anforderungen an
sportpsychologisches Training

2.1 Grundprinzipien des sportpsychologischen Trainings – 8

2.2 Mentales Training – ein sportpsychologisches


Trainingsverfahren – 12

2.3 Vorstellungen als Prüf- und Führungsgröße für menschliches


Handeln – 13
2.3.1 Vorstellungen an situative Gegebenheiten anpassen – 14
2.3.2 Vorstellungen vom Bewältigen kritischer Situationen ergänzen – 14

J. Mayer, H.-D. Hermann, Mentales Training, DOI 10.1007/978-3-662-46819-7_2,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
8 Kapitel 2 · Leistung zum definierten Zeitpunkt: Anforderungen an sportpsychologisches Training

Mentales Training ist ein Trainingsverfahren im Rahmen z. B. bei einem Tagtraum – überhaupt kein Trai-
des sportpsychologischen Trainings, das insbesondere ningscharakter erkennbar wäre (Immenroth et al.,
zur Lern- und Leistungsoptimierung im Spitzensport 2008).
eingesetzt wird. Grundlage des Mentalen Trainings
2 sind Bewegungsvorstellungen, die auch als Prüf- und
> Unter Mentalem Training ist die planmäßig
wiederholte und bewusst durchgeführte
Führungsgröße des menschlichen Handelns aufgefasst
Vorstellung einer Bewegung oder Handlung
werden können. Beim Mentalen Training geht es also
ohne deren gleichzeitige praktische Ausfüh-
darum, adäquate Bewegungsvorstellungen aufzubauen
rung zu verstehen (Eberspächer, 2001).
und diese dann regelmäßig zu trainieren.
Bevor im Folgenden ausführlich auf das Mentale
In den Medien werden immer wieder Sportler in Training, die ihm zugrunde liegende Theorie und
der Wettkampfvorbereitung dargestellt, die in Ge- die Anwendungsmöglichkeiten auch außerhalb des
danken versunken ihren Lauf, die Bahn oder die Sports eingegangen wird, soll kurz die Zielstellung
gleich geforderten Handlungen in der Vorstellung des sportpsychologischen Trainings im Allgemei-
durchgehen (. Abb. 2.1). Diese Sportler trainieren nen und damit auch des Mentalen Trainings als
mental. einer zentralen Technik des sportpsychologischen
Mentales Training ist Vorstellungstraining, also Trainings besprochen werden.
das Durchspielen von bestimmten Handlungsab-
läufen in der Vorstellung, ohne dass gleichzeitig
die entsprechende Bewegung praktisch durchge- 2.1 Grundprinzipien des sport-
führt wird (Eberspächer, 2001). Im Gegensatz zur psychologischen Trainings
angloamerikanischen Begrifflichkeit (hier wird
in der Regel von »motor imagery« oder »mental Sportpsychologische Trainingsverfahren sind im
practice« gesprochen) verdeutlicht der deutsche Spitzensport mittlerweile etablierte und anerkannte
Begriff, dass die alleinige Vorstellung einer Bewe- Verfahren zur Lern- und Leistungssteigerung. Ath-
gung noch nicht als Mentales Training bezeichnet leten sollen durch das Erlernen und das Training
werden kann. Zentral ist der Trainingsbegriff, da sportpsychologischer Techniken in die Lage ver-
ansonsten jede – mehr oder weniger – bewusste setzt werden, sich insbesondere in Wettkampfsi-
Bewegungsvorstellung als Mentales Training be- tuationen kognitiv so zu regulieren, dass optimale
zeichnet werden könnte, auch wenn dabei – wie Leistungen abgerufen werden können. Ziel ist

. Abb. 2.1 Mentales Training ist ein


im Spitzensport etabliertes Verfah-
ren, z. B. zur Wettkampfvorbereitung.
© Sascha Hördt
2.1 · Grundprinzipien des sportpsychologischen Trainings
9 2
die optimale Leistung zum definierten Zeitpunkt Eigentlich bleiben die relevanten Größen
(Eberspächer et al., 2002). gleich und werden nicht verändert. In . Abb. 2.2
Voraussetzung für das Verständnis des sport- beispielsweise sind dies der normierte Platz, die
psychologischen Trainings ist die Annahme, der normierte Größe der Tore und die vorgeschriebe-
Mensch sei ein bio-psycho-soziales System (Engel, nen Eigenschaften des Balls. Die wichtigen Dinge,
1977). Demnach sind zwangsläufig auch psychi- die für ein Fußballspiel relevant sind, bleiben defi-
sche und soziale Faktoren Voraussetzungen jeder nitiv gleich. Was sich ändert, sind lediglich einige
sportlichen Leistung. Gerade im Leistungssport ist Rahmenbedingungen.
es offensichtlich, dass psychische Prozesse (z. B. Dieses Phänomen ist in . Abb. 2.3 veranschau-
Gedanken und Vorstellungen) wie auch das soziale licht: Wenn der Sportler eine Handlung optimal
Umfeld (z. B. Familie, Partner, Trainingsgruppe) – auf seinem individuell höchsten Niveau – durch-
die Leistung maßgeblich beeinflussen können. führen soll, benötigt er 100 % seiner Aufmerksam-
Die Herausforderung des sportpsychologischen keit für diese Handlung: höchste Konzentration.
Trainings besteht unter anderem darin, dass Sport- Dies gelingt vielen Sportlern im Training oder
ler unter stressreichen Umständen, wie z. B. in ent-
scheidenden Wettkampfsituationen, häufig Schwie-
rigkeiten haben, sich auf das Wesentliche zu kon-
Aufgabe
zentrieren. Doch warum ist es so schwierig, die
Aufmerksamkeit auf das Wesentliche zu lenken,
Training Aufmerksamkeit
z. B. beim Schießen eines Elfmeters? Und was pas-
siert im Kopf des Sportlers, wenn z. B. in einem
Konsequenzen Zuschauer Medien ...
vollen Stadion zu einem festgelegten Zeitpunkt die
persönliche Bestleistung erwartet wird? Wettkampf Aufmerksamkeit
Ein Fußballspieler brachte seine Erfahrungen
und Gefühle auf den Punkt: »Im Wettkampf ist . Abb. 2.3 Aufmerksamkeit des Athleten im Training und im
alles anders! Das kann man nicht trainieren!« Wettkampf: Häufig gelingt es Sportlern, im Training oder bei
Viele Sportler erleben die Wettkampfsituation unbedeutenden Wettkämpfen ihre Aufmerksamkeit zu 100 %
auf die geforderte Aufgabe zu lenken. Gerade in wichtigen
ähnlich: als etwas völlig Unvorhersehbares, Un-
Wettkämpfen jedoch beschäftigen sich viele Sportler mit Din-
berechenbares, auf das man sich nur sehr einge- gen, die in der aktuellen Situation überhaupt nicht weiterhel-
schränkt vorbereiten kann. Aber ist es tatsächlich fen (z. B. mit den Zuschauern, den Medien oder möglichen
so, dass im Wettkampf alles anders ist? Konsequenzen)

. Abb. 2.2 »Im Wettkampf ist alles


anders!«
10 Kapitel 2 · Leistung zum definierten Zeitpunkt: Anforderungen an sportpsychologisches Training

bei einfachen oder unbedeutenden Wettkämp-


fen. Wenn es aber darauf ankommt, werden viele (Rubinstein et al., 2001). Um diese Ausführungs-
Sportler durch die geänderte Situation (Medien, steuerung sowie die menschliche Fähigkeit
2 Erwartungen, Konsequenzen, Zuschauer) von der zum Multitasking und deren Einschränkungen
Konzentration auf die Aufgabe abgelenkt und be- besser zu verstehen, haben Rubinstein et al. un-
schäftigen sich mit diesen situativen Parametern. tersucht, wie hoch der zusätzliche Zeitaufwand
Typisch sind dann Äußerungen wie »Was passiert, ist, wenn Personen wiederholt zwischen Auf-
wenn ich jetzt einen Fehler mache?«. Fachpsycho- gaben mit unterschiedlicher Komplexität und
logisch spricht man in solchen Fällen auch von unterschiedlichem Bekanntheitsgrad wechseln
Lageorientierung (»In welcher Situation befinde müssen. In vier Experimenten wechselten junge
ich mich?«), zu deren Gunsten die Handlungsori- Erwachsene zwischen unterschiedlichen Aufga-
entierung (»Was ist hier zu tun?«) aufgegeben wird ben wie dem Lösen von mathematischen Pro-
(Kuhl, 1995, 2001). Der Kopf beschäftigt sich mit blemen oder der Klassifizierung geometrischer
Dingen, die in dieser Situation nicht hilfreich sind. Figuren. Die Forscher maßen die Geschwin-
Wenn es darauf ankommt, sollte der Kopf aber die digkeit bei der Bearbeitung in Abhängigkeit
Handlung unterstützen und nicht stören (Eberspä- davon, ob die aufeinanderfolgenden Aufgaben
cher, 1998). vertraut oder nicht vertraut waren und ob die
Noch dazu weiß man aus der Aufmerksam- Regeln für die Bearbeitung einfach oder kom-
keitsforschung, dass das zeitgleiche Beschäftigen pliziert waren.
mit mehreren Dingen, das sogenannte Multitas- Die Untersuchung zeigte, dass bei allen Ar-
king (z. B. optimales Stellungsspiel im Fußball ten von Aufgaben ein zusätzlicher Zeitaufwand
und gleichzeitiges Konsequenzdenken), durchaus festzustellen war, wenn die Teilnehmer von ei-
funktioniert, allerdings mit einer erheblichen Leis- ner Aufgabe zu einer anderen wechseln muss-
tungseinbuße (7 Kasten »Multitasking«). Die Leis- ten. Dieser Zeitaufwand nahm mit der Komple-
tungsfähigkeit geht schon dann deutlich zurück, xität der Aufgaben zu. Es dauert demnach be-
wenn lediglich zwei einfache Aufgaben gleichzeitig deutend länger, zwischen komplizierteren oder
zu bewältigen sind. relativ unbekannten Aufgaben zu wechseln, als
Jiang (2004) hat dies in einer bemerkenswerten zwischen einfachen oder bekannten Aufgaben
Studie zeigen können. Studenten sollten in die- hin- und herzuschalten.
ser Untersuchung gleichzeitig farbige Kreuze und Eine Aufgabe wird entweder erledigt oder
bestimmte Formen (z. B. Kreise) erkennen. Die abgebrochen, bevor man mit der nächsten
Versuchspersonen brauchten fast eine Sekunde Re- beginnt. Eine geteilte Aufmerksamkeit für zwei
aktionszeit, um auf einen Knopf zu drücken, wenn gleichzeitige Tätigkeiten gibt es nicht. Natürlich
sie farbige Kreuze und Formen gleichzeitig sahen. gelingt es, z. B. während des Autofahrens zu
Sollten die Studenten dagegen die Aufgaben nach- telefonieren, aber auch nur deshalb, weil die
einander bewältigen (also erst die Kreuze, dann Prozesse beim Fahren des Autos seit Jahren au-
die Formen erkennen), waren sie fast doppelt so tomatisiert sind und im Normalfall keiner weite-
schnell. ren Aufmerksamkeit bedürfen. Dies ändert sich
immer dann, wenn die aktuelle Verkehrssitua-
tion sehr viel Aufmerksamkeit (z. B. kritisches
Multitasking Überholmanöver eines entgegenkommenden
Für relevante Aspekte der menschlichen Leis- Fahrzeugs) erfordert. In solchen Situationen
tung – Wahrnehmen, Denken und Handeln – erlebt man, dass man schlagartig das Telefon-
gibt es spezifische Ressourcen im Gehirn, deren gespräch unterbricht.
effizienter Gebrauch die Überwachung durch Auch wenn wir manchmal den Eindruck
eine mentale Ausführungssteuerung erfordert haben, dass wir mehrere Handlungen gleich-
6 6
2.1 · Grundprinzipien des sportpsychologischen Trainings
11 2

Fokus
zeitig mit hoher Aufmerksamkeit verfolgen
können, springt unsere Aufmerksamkeit tat-
sächlich ständig zwischen beiden Tätigkeiten
hin und her (Klein, 2006). Und der menschliche
Verstand bewältigt – im Gegensatz zu einem
Computer – diese ständigen Unterbrechungen Jetzt!
sehr schlecht. Dies hat auch damit zu tun, dass a
das Arbeitsgedächtnis begrenzt ist und nur
Informationen für die gerade aktuelle Aufgabe
Fokus
bereithalten kann. Wird die Aufgabe unterbro-
chen und wendet man sich einer anderen zu,
müssen alle dafür benötigten Informationen
von Neuem aus dem Langzeitgedächtnis oder
der Umwelt erstellt werden. Nach Klein (2006,
S. 195) ist das Multitasking eine Falle. Er zitiert Jetzt!
den amerikanischen Literaturnobelpreisträger b
John Steinbeck, der einmal hierzu bemerkt hat:
»Man verliert am meisten Zeit damit, dass man
Zeit gewinnen will!«

Fokus
> Geteilte Aufmerksamkeit für zwei bewusste
Tätigkeiten kann das menschliche Gehirn
nicht erbringen, vielmehr springt die Auf-
merksamkeit zwischen beiden Tätigkeiten hin
und her (Klein, 2006).
Jetzt!
c
Da das Arbeitsgedächtnis ein begrenztes Fassungs-
vermögen hat, kann es nur die Informationen . Abb. 2.4 Fokus – Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt: Wenn
für die gerade aktuelle Anforderung bereithalten. es darauf ankommt, ist Konzentration (Fokus) auf die aktuelle
Wenn wir eine Tätigkeit unterbrechen und unsere Aufgabe gefordert (a). Gerade in derartigen Situationen erle-
Aufmerksamkeit etwas anderem widmen, sind ben Sportler, dass sie sich mit Dingen aus der Vergangenheit
oder möglichen Folgen in der Zukunft beschäftigen (b). Der
die Informationen zur ersten Tätigkeit verloren.
Sportler muss erkennen, wann er den Fokus verlässt, und
Wollen wir dann den Faden wieder aufnehmen, eigeninitiativ zurück zum Hier und Jetzt finden (c)
müssen wir die Informationen von Neuem aus der
Langzeiterinnerung oder aus der Umwelt zusam-
menstellen (Klein, 2006). nächsten Moment Einfluss nehmen (Abend, 2005).
Wir können also sehr wohl mehrere Dinge Demnach sollte der Sportler im entscheidenden
gleichzeitig machen (z. B. Auto fahren und telefo- Augenblick seine Aufmerksamkeit auf das Wesent-
nieren), allerdings nur auf einem mittleren Leis- liche, den Handlungsablauf, fokussieren können
tungsniveau. Wenn die Anforderung steigt und (. Abb. 2.4).
Höchstleistung von uns erwartet wird, können wir Viele Sportler beschäftigen sich gerade im Wett-
uns nur noch mit einer Sache beschäftigen. kampf mit möglichen Szenarien in der Zukunft
Das Phänomen, dass viele Sportler in Wett- (positiv wie negativ) oder auch mit Ereignissen
kampfsituationen Schwierigkeiten haben, sich auf aus der Vergangenheit (z. B. Erinnerungen an ver-
das Wesentliche zu konzentrieren, lässt sich auch gleichbare – positive oder negative – Erlebnisse).
anhand eines Zeitstrahls verdeutlichen. Wir le- Die situativen Bedingungen sind dabei häufig ur-
ben im Hier und Jetzt und können nur auf den sächlich dafür, dass der Sportler den Fokus verliert.
12 Kapitel 2 · Leistung zum definierten Zeitpunkt: Anforderungen an sportpsychologisches Training

> Die Fertigkeit, in bestimmten Situationen der tatsächlichen Erfahrung sein kann, nur dass
Denk- und Vorstellungsprozesse aktiv zu diese Erfahrung sich komplett in der Vorstellung
gestalten, kann man sich aneignen. Das ist abspielt (Weinberg & Gould, 2007). Ziel ist es,
2 anstrengend, kostet Energie und muss erlernt durch das intensive Vorstellen eines Bewegungs-
und trainiert werden. oder Handlungsablaufs die Bewegungsausführung
positiv zu beeinflussen.
Gerade in den entscheidenden Phasen des Wett- Das Mentale Training soll dabei so viele Sinnes-
kampfs darf die Bewegungsausführung nicht modalitäten wie möglich einbeziehen. Auch wenn
durch störende Gedanken wie z. B. negatives Kon- die bildliche Vorstellung zunächst naheliegend er-
sequenzdenken beeinflusst werden. Der Athlet scheint, sind Aspekte wie Bewegungsgefühl, aber
soll vielmehr die Kompetenz erlangen, sich wett- auch Tastempfindungen, auditive (das Hören be-
kampfbezogen konzentrieren zu können, indem er treffende) und sogar olfaktorische (den Geruchs-
seine Bewegungsausführung im Wettkampf mittels sinn betreffende) Inhalte einer Vorstellung relevant.
leistungsförderlichen Gedanken und Vorstellun- Die Vorstellung von Bewegungsgefühl ist beim
gen stützt. Dazu müssen sportpsychologische Trai- Mentalen Training von elementarer Bedeutung für
ningsverfahren erlernt und trainiert werden – auch die Effektivität des Trainings (vgl. Voisina et al.
unter ansteigendem Stress, sodass Sportler und 2011). Insofern geht es auch beim Entwickeln einer
Trainer davon ausgehen können, dass der Sportler adäquaten Bewegungsvorstellung immer auch da-
unter Wettkampfbedingungen die entsprechenden rum, möglichst intensive kinästhetische Bewe-
Strategien zuverlässig anwenden kann. gungsinformationen einfließen zu lassen (7 Kap. 4).
Tiger Woods beschreibt sehr anschaulich, wie
diese kinästhetische Perspektive die rein optische
2.2 Mentales Training – sinnvoll ergänzt: »You have to see the shots and
ein sportpsychologisches feel them through your hands« (zit. nach Weinberg
Trainingsverfahren & Gould, 2007, S. 297)
Auch die akustische Sinnesmodalität kann
Im Rahmen des sportpsychologischen Trainings für die Vorstellung von bestimmten Handlun-
werden unterschiedliche kognitive Fertigkeiten gen wesentliche Zusatzinformationen enthalten.
vermittelt bzw. optimiert (z. B. Eberspächer, 2001; Tennisspieler beschreiben die unterschiedlichen
7 Übersichtskasten »Sportpsychologische Trainings- Geräusche, die auf eine bestimmte Art und Weise
verfahren«). Neben den Verfahren der Selbstge- gespielte Bälle kennzeichnen. So hören sich als
sprächsregulation und der Aktivationsregulation Slice gespielte Bälle ganz anders an als Topspins.
nimmt das Mentale Training eine Sonderstellung Beim Vorstellen der Bewegung – beispielsweise
ein, da diese sportpsychologische Trainingsform einer optimalen Topspin-Rückhand – ist es also
bereits seit langem Gegenstand wissenschaftlicher für Tennisspieler wichtig, die entsprechenden Ge-
Untersuchungen ist und schon sehr früh in der räusche in die Vorstellung zu integrieren. Die
sportpsychologischen Praxis eingesetzt wurde Vorstellung wird damit genauer und differen-
(Morris et al., 2005). Außerdem hat sich das Men- zierter.
tale Training in vielen weiteren Anwendungsfel- Ähnliches berichten Skifahrer: Auch ein opti-
dern bewährt, sodass es als disziplinübergreifendes maler Carving-Schwung erzeugt ganz bestimmte
Verfahren zur Lern- und Leistungssteigerung auf- Geräusche. Motorradrennfahrer integrieren ent-
gefasst werden kann (Immenroth et al., 2008). sprechende Motorgeräusche in die Vorstellung,
Das Mentale Training wird nach Eberspächer weil diese sehr handlungsrelevant sind (wie hört
(2001) definiert als das planmäßig wiederholte sich ein Motor bei einer bestimmten Drehzahl
und bewusste Sichvorstellen einer Bewegung ohne kurz vor dem anvisierten Bremspunkt an?). Golfer
deren gleichzeitige praktische Ausführung. Das haben eine ganz differenzierte Vorstellung davon,
Mentale Training ist dabei auch als eine Art Si- wie sich beispielsweise ein Drive anhört, wenn er
mulation zu verstehen, die durchaus identisch mit voll getroffen wird.
2.3 · Vorstellungen als Prüf- und Führungsgröße für menschliches Handeln
13 2
> Die Integration verschiedener Sinnesmoda-
litäten in die Bewegungsvorstellung führt Jacobson; vgl. zusammenfassend Hermann
zu einer weiteren Ausdifferenzierung und & Eberspächer, 1994) erlernt und – unter
Optimierung dieser Vorstellung und damit zu ansteigenden Stressbedingungen – trainiert
einer gesteigerten Effektivität des Mentalen werden.
Trainings. 4 Mentales Training: die Fertigkeit, lern-
und leistungsoptimierende Vorstellungen
zu entwickeln und zu trainieren.
Sportpsychologische Trainingsverfahren Beim Mentalen Training geht es um das
4 Selbstgesprächsregulation: die Fertig- Vorstellen von Bewegungen, ohne sie
keit, Selbstgespräche (handlungsbeglei- gleichzeitig praktisch durchzuführen.
tende Gedanken) zu regulieren.
Selbstgespräche sind Gedanken, die Hand-
lungen und Bewegungen begleiten. Diese
Selbstgespräche können die Handlung bzw. 2.3 Vorstellungen als Prüf-
Bewegung entweder unterstützen oder stö- und Führungsgröße für
ren. Sie beeinflussen die Konzentration auf menschliches Handeln
die Handlungsausführung, die Motivation
und die Befindlichkeit. Bei vielen Sportlern Es ist beim Mentalen Training wichtig, eine opti-
kann beobachtet werden, dass störende male, differenzierte und intensive Bewegungs- bzw.
Selbstgespräche insbesondere in kritischen Handlungsvorstellung aufzubauen. Das ist nicht auf
Wettkampfsituationen dominieren. Mittels sportliche Handlungen begrenzt. In nahezu jeder
der Selbstgesprächsregulation soll dies ver- Anforderungssituation spielen Vorstellungen eine
hindert und ein kontinuierlich handlungslei- wesentliche Rolle, und man kann durch das Trai-
tendes Selbstgespräch erlernt und – unter ning dieser Vorstellungen eine Lern- und Leistungs-
ansteigendem Stress – trainiert werden. steigerung erreichen (7 Teil II: Anwendungsfelder).
4 Aktivationsregulation: die Fertigkeit, Vorstellungen sind im täglichen Leben so etwas
Spannungs- und Entspannungszustände wie Schablonen des Handelns. Von allen Gegeben-
anforderungsgerecht zu regulieren. heiten, die man bereits erlebt hat, besitzt man eine
Oftmals wird die optimale Umsetzung der Vorstellung. Aber auch von Situationen und Gege-
Trainingsleistung in den Wettkampf auch benheiten, die zukünftig bevorstehen, macht man
durch ein inadäquates Aktivationsniveau sich Vorstellungen. Diese Vorstellungen kann man
verhindert. So besagt das Yerkes-Dodson- auch als Prüf- und Führungsgröße des menschli-
Gesetz, dass zu jeder Leistungsanforderung chen Handelns verstehen (Eberspächer, 2001). Wir
ein optimales Aktivationsniveau passt versuchen stets, uns entsprechend unserer Vorstel-
und demnach auch für jede Leistungsan- lung zu verhalten. Gelingt dies nicht, erleben wir
forderung ein Zuviel oder ein Zuwenig uns enttäuscht, denn wir haben nicht den eigenen
an Aktivation zu verhindern ist (Yerkes & Vorstellungen entsprochen.
Dodson, 1908). Das bedeutet: Leistungsori- Es kann auch passieren, dass man seine ei-
entierte Sportler müssen in der Lage sein, genen Vorstellungen übertrifft. Äußerungen wie
durch systematische und zielgerichtete »Das war viel besser, als ich gedacht habe!« weisen
Relaxation oder Mobilisation eigeninitiativ darauf hin. Wichtig für das Handeln in Situationen
das optimale Aktivationsniveau einrichten mit Leistungscharakter ist es daher, eine entspre-
zu können. Dazu können entsprechende chend optimale und realistische Vorstellung des
Mobilisations- bzw. Relaxationstechniken eigenen Handelns zu entwickeln.
(z. B. Progressive Muskelrelaxation nach Wie beim Training anderer psychologischer
6 Fertigkeiten wird man auch beim Mentalen Trai-
ning feststellen, dass das Vorstellen der eigenen
14 Kapitel 2 · Leistung zum definierten Zeitpunkt: Anforderungen an sportpsychologisches Training

Handlungen anfangs nicht unbedingt gleich ein- ten Bahn vorstellt. Dabei werden Zuschauer, of-
wandfrei funktioniert. In der Praxis berichten fizielle Wettkampfrichter, Gegner und bestimmte
Sportler auch von fehlerhaften Vorstellungen, Wettkampfsituationen vorgestellt. Patienten in der
2 wenn beispielsweise die Vorstellung unvollständig Rehabilitation sollen sich Alltagsbewegungen in
ist, Lücken aufweist oder die Bewegung in der verschiedenen Situationen vorstellen, z. B. das Hi-
Vorstellung zu schnell, zu langsam oder gar rück- nabgehen einer belebten Treppe ohne Geländer.
wärts abläuft. Insofern muss auch beim Mentalen
Training von einer Fertigkeit gesprochen werden,
die sich im Laufe der Anwendung weiterentwickelt 2.3.2 Vorstellungen vom Bewältigen
und perfektioniert. kritischer Situationen ergänzen
Die Entwicklung einer passenden Bewegungs-
vorstellung ist daher eine wesentliche Vorausset- Beim Mentalen Training kann auch ein optima-
zung für das Mentale Training. Denn auch das les Verhalten in unerwünschten Situationen trai-
Trainieren von fehlerhaften oder unzweckmäßigen niert werden. So werden Piloten angeleitet, eine
Vorstellungen hat einen Trainingseffekt – hier wer- Notlandung ohne Fahrwerk mental zu trainieren.
den allerdings die fehlerhaften oder unerwünsch- Auch wenn diese Situation äußerst unerwünscht
ten Bewegungen oder Handlungsmuster trainiert. ist, muss ein Pilot sie auch auf hohem Stressniveau
Wie entsprechende Vorstellungen aufgebaut wer- zuverlässig beherrschen, um auf mögliche Krisen-
den können, wird in 7 Kap. 4 ausführlich erläu- situationen vorbereitet zu sein.
tert. Auch Sportler versuchen, sich durch Menta-
les Training auf kritische Wettkampfsituationen
vorzubereiten, denn letztlich sollen sie in der Lage
2.3.1 Vorstellungen an situative sein, in allen möglichen Situationen die optimale
Gegebenheiten anpassen Leistung abzurufen.
Insofern kann das Mentale Training auch dazu
Bei der Beschreibung der Anwendungsfelder des beitragen, dass die Überzeugung wächst, auch in
Mentalen Trainings wird darauf hingewiesen, dass widrigen oder kritischen Situationen bestehen und
je nach Anwendungsfeld, Anforderung und Ziel- bestimmte Handlungsmuster durchführen zu kön-
gruppe unter Umständen ganz unterschiedliche nen. Man nennt diese Überzeugung auch Kompe-
Vorgehensweisen zum Aufbau einer adäquaten Be- tenzüberzeugung (Bandura, 1977). Dieser Aufbau
wegungsvorstellung beitragen können. So haben von Kompetenzüberzeugung ist wahrscheinlich der
wir es im Leistungssport mit sehr bewegungser- Grund, warum sich das Mentale Training bei vielen
fahrenen und in vielen Fällen auch eher jüngeren Sportlern zu einem wesentlichen Teil der Wett-
Anwendern zu tun, wohingegen im Anwendungs- kampfvorbereitung entwickelt hat. Beim Mentalen
feld Rehabilitation gerade ältere und bewegungs- Training geht der Sportler vor dem Wettkampf die
unerfahrene Patienten vom Mentalen Trainieren relevanten Bewegungsabläufe nochmals in Gedan-
profitieren können. ken durch und hat dadurch in der Vorstellung die
Der Transfer einer isolierten Bewegungs- und bevorstehende Anforderung bereits erfolgreich be-
Handlungsvorstellung in unterschiedliche situative wältigt. Daraus resultiert eine ansteigende Kompe-
Gegebenheiten ist ein weiterer Schritt zur Intensi- tenzüberzeugung für den anstehenden Wettkampf.
vierung des Mentalen Trainings. Sportler werden Im Sport wird daher das Mentale Training sowohl
dazu angeleitet, sich ein ganz bestimmtes Verhal- im Training und zu dessen Vor- und Nachberei-
ten, z. B. an einer bestimmten Wettkampfstätte tung als auch im Wettkampf und dessen Vor- und
und in einer ganz spezifischen Wettkampfsitua- Nachbereitung eingesetzt.
tion, vorzustellen. So berichtet ein Rodler, dass er
sich beim Mentalen Training nicht nur seine opti-
male Körperlage auf dem Schlitten, sondern auch
einen optimalen Lauf auf einer ganz bestimm-
3

Psychologische Grundlagen
des Mentalen Trainings

3.1 Wahrnehmung und Repräsentation von Bewegung – 16

3.2 Bewegung und Wahrnehmung als System – 21

J. Mayer, H.-D. Hermann, Mentales Training, DOI 10.1007/978-3-662-46819-7_3,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
16 Kapitel 3 · Psychologische Grundlagen des Mentalen Trainings

Mentales Training ist eine Trainingsmethode, die eine unseres Gedächtnisses, Wahrnehmungen neuronal
Bewegungsvorstellung voraussetzt und die darauf zu speichern, zu repräsentieren und aktiv auf diese
abzielt, durch das geistige Wiederholen einer motori- Repräsentationen zurückzugreifen. Wir können
schen Aktion diese zu optimieren und zu stabilisieren uns Vorstellungen machen von Dingen, die wir
(Eberspächer et al., 2002). Die Bewegungsvorstellung bereits erlebt haben, und daraus können sich wie-
ist damit die zentrale kognitive Komponente des Men- derum Vorstellungen bilden von Ereignissen, die
3 talen Trainings. In 7 Kap. 2 wurden Vorstellungen be- auf uns zukommen.
reits als Prüf- und Führungsgröße des menschlichen Wenn ein ganz bestimmtes Ereignis bevorsteht,
Handelns vorgestellt. Im Folgenden soll hieran ange- wird aus dem, was man schon erlebt hat, aktiv eine
knüpft und differenzierter auf die Generierung und Vorstellung erzeugt. Man erfährt dann in der tat-
Entwicklung von Vorstellungen bzw. Bewegungsvor- sächlich erlebten realen Situation, ob diese den
stellungen eingegangen werden. eigenen Vorstellungen entspricht. Vorstellungen
können dabei unterschiedliche Qualitäten besit-
zen, sie können vage bis sehr differenziert ausfal-
3.1 Wahrnehmung und len, sie können individuell positiv oder negativ
Repräsentation von Bewegung bewertete Ausgänge haben.
Die Basis von Vorstellungen sind demnach
Grundlage aller Vorstellungen ist nach Munzert Erlebnisse der Vergangenheit. Diese Erfahrungen
(2001) die Aktualisierung von Gedächtnisbesitz. Auf sind im Gedächtnis gespeichert, und wir kön-
dieser Grundlage entstehen sowohl auf die Vergan- nen uns daran erinnern. Dabei ist dieses Erinnern
genheit als auch auf die Zukunft gerichtete Vorstel- schon ein aktiver und konstruktiver Prozess. Un-
lungen. Vorstellungen sind hierbei von Wahrneh- tersuchungen zur Übereinstimmung von Zeugen-
mungen dadurch abzugrenzen, »dass sie auf wahr- aussagen haben dies eindrucksvoll bestätigt (7 Kas-
nehmungsartigen Erscheinungen basieren, ohne ten). Ein und dasselbe Ereignis wird von verschie-
dass entsprechende externe Wahrnehmungsstimuli denen Personen ganz unterschiedlich erinnert.
vorliegen« (Munzert, 2001, S. 42). Eine Vorstellung
ist eine Erfahrung, die die reale Erfahrung imitiert,
wobei sie sich von Träumen dahingehend unter- Problematik von Zeugenaussagen
scheidet, dass sie bewusst erzeugt und gesteuert Wenn ein glaubwürdiger Zeuge angibt, sich zwei-
werden kann (White & Hardy, 1998). felsfrei an einen bestimmten Tathergang oder ein
Der Ablauf, wie eine Vorstellung zustande Ereignis erinnern zu können, dann erscheinen
kommt, lässt sich mithilfe eines Grundmodells, des Zweifel an der Aussage normalerweise nicht an-
»neuropsychologischen Modells des Vorstellungs- gebracht. Dass glaubwürdige Zeugenaussagen
prozesses« (Farah, 1984; Munzert, 2001), erklären. dennoch häufig anzuzweifeln sind, wurde nach
Der Prozess der Generierung einer Vorstellung Erdfelder (2003) schon in der Frühphase der Aus-
ergibt sich nach Farah aus Inhalten des Langzeitge- sagenpsychologie erkannt. Die Quellen dieser
dächtnisses, die abgerufen und ins Arbeitsgedächt- verzerrten Gedächtnisurteile sind nach Erdfelder:
nis transformiert werden. Dort entstehen darauf- 4 suggestive Einflüsse in der Abrufphase
hin die wahrnehmungsartigen Erscheinungen. Die (frühe Studien zeigten, dass sich die Zahl
Transformation beschreibt den Prozess des Verän- fehlerhafter Gedächtnisurteile durch sug-
derns der Vorstellung, worin nach Munzert (2001, gestive Frageformulierungen und Konformi-
S. 43) die »Grundlage des kreativen Potenzials von tätsdruck in Gruppensituationen drastisch
Vorstellungen« besteht. Das Bewusstmachen von erhöhen kann),
Vorstellungen, das Beschreiben, Kopieren und 4 Aufmerksamkeitszuwendung in der
Vergleichen, wird schließlich unter dem Begriff Einprägungsphase
der Inspektion subsumiert. (eingeschränkte Aufmerksamkeit in der
Eine wesentliche Voraussetzung für die Exis- 6 Einprägungsphase hat nicht unbedingt sehr
tenz von Vorstellungen ist demnach die Fähigkeit
3.1 · Wahrnehmung und Repräsentation von Bewegung
17 3
Wahrnehmung an sich ist ein konstruktiver Pro-
dürftige, sondern eher sehr fehlerhafte Erin- zess. Wir spiegeln nicht eine objektive Umwelt in
nerungsurteile zur Folge) unserem Gehirn ab, wir konstruieren eine eigene
und und individuelle Wirklichkeit. Diese Ansicht geht
4 verfälschende Informationen in der auf die Philosophie des Konstruktivismus zurück
Phase zwischen dem Ereignis und der (von Foerster, 1993).
Erinnerung daran Üblicherweise werden die Begriffe »Erkennt-
(zwischenzeitliches Geschehen). nis« und »Erkenntnistheorie« so verstanden, als
handele es sich um ein Erfassen einer schon vor
Die dritte Quelle fehlerhafter Gedächtnisurteile dem Erkenntnisakt gegebenen, objektiven Wirk-
wurde in den 1970er-Jahren aufgedeckt. Die lichkeit. Man ist der Überzeugung, dass die Dinge
von Loftus und Palmer (1974) durchgeführten nur so sind, wie man sie sieht.
Experimente begannen typischerweise mit Erkenntnis ist jedoch nach der konstruktivisti-
einem Film oder einer Diaserie über einen Ver- schen Philosophie keine Abbildung einer objekti-
kehrsunfall. Die beiden Wissenschaftler fragten ven Wirklichkeit, sondern eine individuelle Konst-
einige studentische Probanden anschließend, ruktion (Balgo, 1998). Wirklichkeit ist somit nicht
wie schnell die Autos fuhren, als sie »ineinander- vom Beobachter zu trennen, Wirklichkeit wird
krachten« (Gruppe 1). Andere Probanden wur- konstruiert (u. a. Maturana, 1982; Watzlawick,
den gefragt, wie schnell die Autos fuhren, als sie 1998; Watzlawick & Kreuzer, 1998). Dies bedeutet
»aufeinandertrafen« (Gruppe 2). Obwohl beide auch, dass jeder seine eigene Wirklichkeit konst-
Gruppen denselben Film gesehen hatten, lagen ruiert. So wird ein und dieselbe Situation, z. B. ein
die mittleren Schätzurteile in der ersten Gruppe Fußballspiel, von den beteiligten Personen unter
bei 41 Meilen pro Stunde, in der zweiten Gruppe Umständen ganz unterschiedlich erlebt.
dagegen nur bei 34 Meilen pro Stunde (Myers, Natürlich vermittelt uns unsere alltägliche
2005). Dieses Ergebnis belegt einen schon zuvor Erfahrung oft den Eindruck, es gäbe eine vom
gefundenen Effekt suggestiver Fragen. Beobachter unabhängige, objektive Wirklichkeit.
Eine Woche später wurden die Probanden Wenn man z. B. die Bewegungen und Handlungen
erneut befragt, diesmal danach, ob sie zer- anderer beobachtet, bekommt man den Eindruck,
brochenes Glas in dem Film gesehen hätten. als ginge das Verhalten eines Menschen aus dem
Tatsächlich kam zerbrochenes Glas in dem Film Operieren seines Nervensystems mit objektiven
nicht vor. 86 % der Probanden aus Gruppe 2 Abbildungen der Umwelt hervor. Anscheinend
antworteten korrekt mit Nein, jedoch nur 68 % orientieren sich alle Menschen an der gleichen,
der Probanden aus Gruppe 1. objektiven Wirklichkeit, ansonsten wäre ein ab-
Offenbar können also auch Informationen gestimmtes und geordnetes Verhalten nur schwer
verfälschend wirken, die zwischen dem zu erin- verständlich. Besonders eindrücklich wird dieser
nernden Ereignis und dem späteren Gedächt- Sachverhalt, wenn man sich den geordneten und
nistest präsentiert werden; dies gilt auch dann, weitgehend reibungslosen Ablauf im Straßenver-
wenn beim abschließenden Gedächtnistest kehr vor Augen führt (. Abb. 3.1).
suggestive Einflüsse (das Wort »ineinanderkra- Nach Daugs (1994) argumentieren auch Ver-
chen« suggeriert sehr viel eher das Zerbrechen treter der Theorie des Informationsverarbeitungs-
von Glas als der Begriff »aufeinandertreffen«) ansatzes entsprechend. Der Informationsverarbei-
vermieden werden. Dieses wichtige Ergebnis tungsansatz betrachtet das Nervensystem als ein In-
wurde in den letzten 25 Jahren immer wieder strument, über das der Organismus Informationen
bestätigt (Erdfelder, 2003). aus der Umwelt aufnimmt. Diese Informationen
benutzt er, um eine Abbildung oder Repräsentation
der Umwelt aufzubauen, die ihm das Errechnen ei-
Nicht nur das, was wir speichern, oder das, was nes angemessenen, dem Überleben dienlichen Ver-
wir erinnern, ist subjektiv geprägt, sondern die haltens erlaubt. Diese Ansätze der Informations-
18 Kapitel 3 · Psychologische Grundlagen des Mentalen Trainings

. Abb. 3.1 Straßenkreuzung: Der


weitgehend geordnete und rei-
bungslose Ablauf im Straßenverkehr
erweckt den Eindruck, als ginge das
Verhalten des Menschen aus dem
Operieren seines Nervensystems mit
objektiven Abbildungen der Umwelt
hervor. © Urbanhearts / fotolia.com

verarbeitung entwickelten sich aus den Annahmen Doch hier stellt sich die Frage, wie denn dann
der Test-Operate-Test-Exit-(TOTE-)Einheit nach die außerordentliche operationale Effektivität
Miller et al. (1960) und sehen den Menschen als des Menschen (und auch der Tiere) sowie deren
Informationsverarbeitungssystem. enorme Fähigkeit zum Lernen und zum Manipu-
Zentrale Begriffe wie »Informationsauf- lieren der Welt entstehen, wenn das Nervensystem
nahme«, »Informationsaufbereitung«, »Soll-Ist- nicht mit einer Repräsentation der umliegenden
wert-Vergleich«, »Programm«, »Ausführung«, Welt operiert? Wenn man die Objektivität einer er-
»Kontrolle« und »Rückinformation« basieren auf kennbaren Welt negiert, muss dies doch ins Chaos
einer Mensch-Computer-Analogie. Entsprechend völliger Willkürlichkeit führen, da dann alles mög-
geht dieser Ansatz davon aus, dass Informationen lich ist (Maturana & Varela, 1987). Hier lauert ein
über die Umwelt aufgenommen, intern verarbeitet anderes Extrem: Eine Umwelt völlig zu negieren
und abgebildet, d. h. intern repräsentiert werden mit der Annahme, dass das Nervensystem in ei-
(z. B. Wiemeyer, 1996). Verhalten wird demnach nem Vakuum funktioniert, führt zur absoluten ko-
als Resultat von Prozessen aufgefasst, die aus einer gnitiven Einsamkeit des Solipsismus (von Foerster,
internen Repräsentation einer objektiven Umwelt 1993; Maturana & Varela, 1987).
hervorgehen. Der Informationsverarbeitungsan- Nach Maturana und Varela (1987) ist die Ar-
satz geht davon aus, dass die Umwelt dem Ner- beitsweise des Nervensystems keiner der beiden
vensystem seine eigenen Merkmale eingibt und Extremkategorien zuzuordnen: Sie ist weder reprä-
das Nervensystem diese benutzt, um Verhalten zu sentationistisch noch solipsistisch.
erzeugen. Sie ist nicht solipsistisch, da das Nervensys-
Auch wenn mehrfach Plausibilitätsargumente tem als Teil des Organismus an dessen Inter-
für diesen Ansatz angeführt wurden, steht er insbe- aktionen mit seiner Umgebung teilnimmt. Dies
sondere wegen seiner Mensch-Computer-Analogie folgt z. B. auch aus Beobachtungen an Tieren,
und dem dahinterstehenden reduktionistischen deren Verhaltensweisen im Allgemeinen ihren
Menschenbild in der Kritik. Weitere Kritikpunkte Lebensumständen angemessen erscheinen. Tiere
sind nach Daugs (1994) der Zeitverbrauch der verhalten sich nicht, als würden sie ihrer eigenen
Informationsverarbeitung und die begrenzte Ka- und einzigen Welt unabhängig von einer Umwelt
pazität der Informationsverarbeitung. folgen.
3.1 · Wahrnehmung und Repräsentation von Bewegung
19 3
Die Arbeitsweise des Nervensystems ist aller-
dings auch nicht repräsentationistisch, da das Ner-
vensystem bei jeder Interaktion mit der Umwelt
Veränderungen unterworfen ist. Das Nervensys-
tem »empfängt« jedoch keine »Information«, wie
man häufig sagt. Es bringt vielmehr eine Welt
hervor, indem es nach einer internen, auf Erfah-
rungswerten beruhenden Logik bestimmt, welche
Konfigurationen der Umwelt Veränderungen im
Organismus auslösen. Die populäre Metapher vom
Gehirn als Computer ist nach Maturana & Varela
(1987, S. 185) »nicht nur missverständlich, son-
dern schlichtweg falsch«.
Spitzer (2003, S. 59f.) zitiert Hermann von
Helmholtz mit der Aussage, »dass Wahrnehmung
ein komplexes Wechselspiel ist zwischen dem, was
wir intern schon wissen (d. h. gespeichert haben),
und dem, was von außen an unsere Sinnesorgane
herankommt«.
Diese theoretischen Überlegungen lassen sich
an Beispielen zu visuellen Sinnestäuschungen ganz
gut nachvollziehen. . Abb. 3.2 zeigt ein populäres
Beispiel für eine solche Sinnestäuschung.
Wenn wir das »Kippbild« in . Abb. 3.2 betrach- . Abb. 3.2 Kippbild
ten, versucht unser Verstand, Sinn zu erzeugen. Er
sucht in der Vergangenheit (d. h. in den Repräsen-
tationen der individuell erfahrenen und gespei-
cherten Wirklichkeit) nach Erfahrungen, die mit
diesen Sinneseindrücken in Verbindung gebracht Wahrnehmung ist letztlich eine Konstruktion
werden können – ein aktiver, konstruktiver Pro- des Gehirns, die auf besonderen Fähigkeiten un-
zess. Besonders deutlich wird dies, wenn man die seres Wahrnehmungssystems basiert. Diese kön-
partiell eingefärbten Varianten des Kippbildes in nen lernunabhängig (phylogenetisch) sein oder
. Abb. 3.3 betrachtet. Sie liefern jeweils eine sinn- aus Lern- und Prägungsprozessen resultieren und
stiftende Erfahrung für das zweideutige Kippbild sind daher zu den nicht bewusstseinsgesteuerten
und erhöhen so die Wahrscheinlichkeit, das Kipp- Leistungen des Gehirns zu zählen. Somit können
bild in einer bestimmten Weise zu interpretieren. sie auch durch aktuell erworbene Erfahrungen be-
Auch aus der menschlichen Anatomie und stimmt werden. Der Wahrnehmungsleistung liegt
Physiologie ist bekannt, dass unsere Augen kein folglich auch Information zugrunde, die unser Ge-
objektiv gegebenes Bild, sondern zwei leicht ver- hirn bereits in der Vergangenheit als eine sinnvolle
setzte Bilder erstellen. Sie werden vom linken und Einheit im Gedächtnis abgelegt hat. Nur eine im
vom rechten Auge erzeugt – die Voraussetzung Verhalten erprobte und für »richtig« oder »wich-
für räumliches Sehen. Die beiden erzeugten Bilder tig« erachtete Wahrnehmung wird im Gedächtnis
sind jeweils mit einem blinden Fleck versehen (die verankert und liefert auf diese Weise wieder eine
Stelle, an der der Sehnerv das Auge verlässt; hier Basis für neue Wahrnehmungen bzw. neues Ver-
sind keine Rezeptorzellen vorhanden). Erst unser halten (Roth & Menzel, 2001).
Gehirn erzeugt das zusammenhängende, harmo- Auch die Aufnahme von Reizen ist bereits ein
nische Bild, das wir für die Wirklichkeit halten selektiver Prozess. Es strömt jederzeit so viel Infor-
(Myers, 2005). mation in unser Wahrnehmungssystem ein, dass
20 Kapitel 3 · Psychologische Grundlagen des Mentalen Trainings

. Abb. 3.3 Dasselbe Kippbild mit eingefärbten Partien (junge Frau/alte Frau)

wir gar nicht in der Lage sind, alles zu beach- und Haut. Diese sensorische Information wird an
ten, aufzunehmen und zu interpretieren. Das, was verschiedene Ebenen des Nervensystems (Gehirn
letztlich wahrgenommen wird, wurde aus der Flut oder Rückenmark) rückgekoppelt. Im Normalfall
von umgebenden Reizen ausgewählt. Wahrneh- stimmt die Information, die aus der Peripherie
mung ist damit ein selektiver und konstruktiver (Körper) an das Gehirn rückgekoppelt wird, in
Prozess. Foerster und Pörksen (2006) wählen da- groben Zügen mit dem Erwartungshorizont, der
für die pointierte Formulierung: Wahrheit ist die hierfür »festgelegt« wurde, überein: Die Bewegung
Erfindung eines Lügners! läuft reibungslos ab, wie Mulder (2007, S. 1) ein-
Für die Entstehung von Bewegungs- oder drucksvoll beschreibt:
Handlungsvorstellungen bedeutet dies, dass auch
hier viele individuelle Erfahrungen nötig sind, da- » Ich laufe schnell und ich wundere mich.
mit sich eine stabile und differenzierte neuronale […] Meine Füße berühren den Boden und heben
Bewegungsrepräsentation bildet (Olsson & Nyberg, wieder ab, ich weiche einem herumliegenden Ast
2010). Mit den Worten Spitzers (2002) kann man und losgelösten Gehwegplatten aus, ich berück-
auch von stabilen und breiten Gedächtnisspuren sichtige im Voraus ein parkendes Auto und eine
sprechen (7 Kap. 7), die eine derartige repräsen- Ampel in der Ferne. Mal blicke ich auf den Boden
tierte Bewegung oder Handlung ausmachen. und dann wieder nicht, ich sehe meine Füße, bin
Mulder (2007) bezeichnet solche Gedächtnis- mir ihrer aber gleichzeitig kaum bewusst. Doch
spuren auch als »Idee« einer Relation zwischen kann ich meine Augen nicht schließen, ich benö-
Bewegung und rückgekoppelter Information. Er tige die Information also, die Information, die ich
spricht von einem Erwartungshorizont und be- so achtlos aus der sich bewegenden Welt unter
schreibt den Normalfall so: Sobald eine Bewegung mir und um mich herum aufschnappe. […] Warum
in Gang kommt, entsteht ein ganzes Ensemble kann ich das, warum stürze ich nicht, und warum ist
an Informationen u. a. aus Muskeln, Gelenken das so normal? «
3.2 · Bewegung und Wahrnehmung als System
21 3
Nach Munzert (2001) sind für die Bewegungsvor- sind dann auch von vergangenem Bewegen und
stellung im Speziellen zwei Aspekte von besonde- Wahrnehmen, also der individuellen Erfahrungs-
rer Bedeutung: das Vorhandensein eines Aktors geschichte abhängig. Jedes Bewegen und Wahr-
sowie dessen Relation zur Umwelt. Daraus ergibt nehmen geht demnach aus einer internen Erfah-
sich dann die Vorstellung von Bewegung in einer rungsgeschichte des Bewegens und Wahrnehmens
komplexen dynamischen Situation. Es kommt bei hervor.
der Bewegungsvorstellung darauf an, sich die Be-
wegung nicht nur bezogen auf die Körperwahr- > Erst die Wahrnehmung ermöglicht es, In-
nehmung, sondern eben auch in Bezug zur re- formationen über Bewegung einzuholen
levanten Situation und zu deren Anforderungen und damit Bewegung zu optimieren oder
vorzustellen. zu differenzieren. Bewegung und Wahrneh-
Wie in 7 Kap. 7 noch detailliert ausgeführt mung sind untrennbar miteinander ver-
wird, ist somit auch jede Bewegungsvorstellung in- bunden und können als System aufgefasst
dividuell und ein Ergebnis aus vielen Bewegungs- werden.
erfahrungen, die entsprechende Spuren im Gehirn
hinterlassen. Jedem aktuellen Bewegen/Wahrnehmen geht in-
ternes Bewegen/Wahrnehmen voraus. Das be-
deutet, das interne Bewegen/Wahrnehmen führt
3.2 Bewegung und Wahrnehmung zu einem erwarteten Ergebnis, das mit dem tat-
als System sächlich verwirklichten Ergebnis verglichen wird.
Ergibt der Vergleich zwischen Erwartung und Er-
Ein interessanter Zusammenhang zwischen gebnis einen Unterschied, der auch im Erleben
4 Wahrnehmung, des Systems einen Unterschied ausmacht, dann
4 neuronaler Bewegungsrepräsentation und führt dies zu einer Anpassung in Form einer Ver-
4 Bewegung änderung des Systems Bewegung/Wahrnehmung
wird von Balgo (1998) vorgeschlagen – er betrach- (Balgo, 1998).
tet Bewegung und Wahrnehmung systemtheore- Operiert das System Bewegung/Wahrnehmung
tisch. erfolgreich, so besagt dies, dass seine Konstruktion
Wenn – wie oben bereits erörtert – Wahr- möglich, passend oder angemessen in Bezug auf
nehmung nach einer eigenen, durch Erfahrung seine intern konstruierten Bewegungs- und Wahr-
geprägten Logik funktioniert, somit das Nerven- nehmungserwartungen oder -vorstellungen ist.
system keine Information im Sinne von Abbil- Scheitert das System hingegen mit seinen Bewe-
dungen der Umwelt empfängt, sondern autonom gungen und Wahrnehmungen, so erfährt es ledig-
bestimmt, welche Einflüsse aus der Umwelt als lich etwas darüber, wie seine Umwelt nicht ist, d. h.
relevant eingeschätzt werden und welche Verän- welche seiner Konstruktionen nicht durchführbar
derungen diese intern auslösen, dann bedeutet sind.
dies nach Balgo (1998) für die Erklärung von
Bewegung, dass jedes Bewegen Wahrnehmen und > Das Bewegungs-Wahrnehmungs-System
jedes Wahrnehmen Bewegen ist. Denn mit jeder prüft kontinuierlich, ob eine ausgeführte
Bewegung nimmt das System Informationen auf, Bewegung, die eine Konstruktion aus Bewe-
die es gemäß seiner eigenen Logik verarbeitet und gungsmöglichkeiten darstellt und die auf-
aufgrund derer es sich verändert. Somit hat auch grund angenommener Umweltbedingungen
jede Wahrnehmung einen direkten Einfluss auf vom System als angemessen eingeschätzt
Bewegung. Wenn also jedes Bewegen Wahrneh- wird, für die tatsächliche Umweltanforderung
men ist und jedes Wahrnehmen Bewegen, dann passend ist.
sind Bewegung und Wahrnehmung untrennbar
miteinander verbunden und können als System Stellt das System fest, dass eine Bewegungskons-
aufgefasst werden. Bewegen und Wahrnehmen truktion unangemessen war, erfährt es lediglich,
22 Kapitel 3 · Psychologische Grundlagen des Mentalen Trainings

dass die Umwelt den eigenen Annahmen nicht


entspricht – es erfährt nicht, wie die angemessene Motorikforschung
Bewegungskonstruktion für die Umweltanforde- Im Rahmen der Motorikforschung werden
rung aussieht. Erfolgreiche wie nicht erfolgreiche unterschiedliche Ansätze für das Verständnis
Bewegungs- und Wahrnehmungskonstruktionen der Entstehung und Regulation von Bewegung
können ein System verändern. Die interne Bewe- diskutiert (z. B. Kassat, 1998). In der in den
3 gung/Wahrnehmung wird unter Umständen dif- letzten Jahren am häufigsten diskutierten Kon-
ferenziert, und neue Konstruktionen sind dann troverse der Motorikforschung (Munzert, 1992;
davon beeinflusst. Wiemeyer, 1994; Daugs, 1994; Mulder, 2007)
Die Nichterkennbarkeit einer objektiven Re- werden die beiden folgenden Ansätze zur Erklä-
alität hat zur Folge, dass Konstruktivisten nur rung der Bewegungsregulation unterschieden
von Nützlichkeit und nicht mehr von Wahrheit (Meijer & Roth, 1988):
sprechen. Wissen ist kein Reservoir an objektiven
Erkenntnissen, sondern eine handlungsrelevante Motor Approach (Informationsverarbei-
kognitive Struktur, gleichsam eine kognitive Land- tungsansatz)
karte. Häufig wird an dieser Stelle die Metapher Der Informationsverarbeitungsansatz entwi-
eines blinden Wanderers in einem Wald zitiert: ckelte sich aus den Annahmen der »Test-Ope-
Der blinde Wanderer hat nach einiger Zeit ein rate-Test-Exit-(TOTE-)Einheit« nach Miller et al.
Netzwerk von Wegen im Kopf, das ihm die Orien- (1960) und wurde als Motor-Approach-Ansatz
tierung ermöglicht: eine geistige Landkarte. Aber in die Motorikforschung übertragen. Der Motor
er weiß immer noch nicht, wie ein Baum aussieht. Approach zur Erklärung der Bewegungsregu-
Das braucht er auch nicht. Denn Ziel des Erken- lation sieht den Menschen als Informationsver-
nens ist die Ermöglichung wirksamer, erfolgrei- arbeitungssystem. Zentrale Begriffe wie »Infor-
cher Handlungen. mationsaufbereitung«, »Soll-Istwert-Vergleich«,
Veränderungen des Systems Bewegung/Wahr- »Programm« und »Rückinformation« (z. B.
nehmung resultieren demnach nicht aus Abbil- Meinel & Schnabel, 1987; Kassat, 1998; Mulder,
dungen, also Repräsentationen einer existieren- 2007) basieren auf einer Mensch-Computer-
den Wirklichkeit, sondern aus einer funktionalen Analogie. Entsprechend geht man davon aus,
Übereinstimmung zwischen System und Umwelt. dass Informationen über die eigene Bewegung
Erweist sich aktuelles Bewegen/Wahrnehmen als aufgenommen, intern verarbeitet und abge-
unangemessen, geht diese Unterscheidung in die bildet, d. h. intern repräsentiert werden. Die
interne Bewegung/Wahrnehmung ein und verur- Ausführung einer Bewegung wird demnach als
sacht Veränderungen des Systems, bis die funktio- Resultat von Prozessen aufgefasst, die aus einer
nale Übereinstimmung wieder erreicht ist. internen Bewegungsrepräsentation hervorge-
Insgesamt erlaubt der dargestellte Ansatz Bal- hen (Wiemeyer, 1994).
gos (1998) einen weitgehenden Vergleich zum Der Grundgedanke des Repräsentationalis-
Action Approach (▶ Kasten »Motorikforschung«), mus (Kassat, 1998) ist, dass die Welt oder Wirk-
wobei Balgo in Anlehnung an Palágyi (1924) eine lichkeit intern repräsentiert wird. Die Umwelt
Art Repräsentation vorschlägt: die interne Bewe- gibt dem Nervensystem seine eigenen Merk-
gung. Palágyi (1924) unterscheidet zwischen psy- male ein, und das Nervensystem erzeugt daraus
chologisch-vitalen und biologisch-mechanischen Bewegung (Maturana & Varela, 1987).
Lebensvorgängen. Die interne Bewegung ist nach Auch wenn mehrfach Plausibilitätsargu-
Palágyi Teil der vitalen Lebensvorgänge und darf mente – wie das Argument der Invarianz, das
nicht als Abbild der mechanischen Bewegung an- Lernargument, das Deafferentationsargument
gesehen werden. Das Verhältnis ist gewissermaßen – für einen Informationsverarbeitungsansatz
umgekehrt: Die interne Bewegung »a« ermöglicht angeführt werden (z. B. Munzert, 1992), steht
die Produktion einer ähnlichen mechanischen Be- 6
wegung »b«.
3.2 · Bewegung und Wahrnehmung als System
23 3

der Informationsverarbeitungsansatz insbeson- Schack (2007) fasst die in letzter Zeit stag-
dere wegen seiner Mensch-Computer-Analogie nierende Debatte zwischen den beiden Ansät-
in der Kritik. So betont beispielsweise Daugs zen mit den Worten Summers (1998, zit. nach
(1994, S. 19), dass die »… sich immer deutlicher Schack, 2007, S. 111) zusammen: »with both
abzeichnende Krise der ‚Psychologie der Infor- sides agreeing to disagree«.
mationsverarbeitung‘ … inzwischen nicht nur
die Kognitionspsychologie, sondern auch die
Motorikforschung erfasst« habe. »Aktuell sieht Bezogen auf die oben beschriebene Frage der Re-
sich das Informationsverarbeitungs-Paradigma präsentation von Bewegung kann zusammenfas-
geradezu einem inneren Aufstand und einem send mit den Worten von Engelkamp und Pech-
gleichzeitigen Vielfrontenkrieg ausgesetzt. mann (1993, S. 8) festgestellt werden: »Nicht die
Empirische und theoretische Widersprüche Annahme, dass externe Informationen intern re-
in nahezu allen Grundannahmen und Einzelt- präsentiert werden, ist strittig, sondern wie solche
hemen stiften große Unruhe, und alternative Informationen repräsentiert werden.«
Ansätze … fordern das Informationsverarbei- Dieser Kontroverse liegt also die unstrittige
tungs-Paradigma heraus.« generelle Annahme zugrunde, dass Informationen
der Außenwelt systemintern repräsentiert werden.
Action Approach (Ansatz des ökologischen Repräsentationen können als systeminterne Platz-
Realismus) halter, Stellvertreter bzw. Abbildungen systemex-
Der Ansatz des ökologischen Realismus wurde terner Zustände verstanden werden (Immenroth
in die Motorikforschung als Action Approach et al., 2008).
übertragen, dessen Ursprünge auf den russi- Eine für die praktische Umsetzung relevante
schen Wissenschaftler Bernstein zurückgehen. Entsprechung dieses Ansatzes findet sich in der
Nach dem ökologischen Realismus wird das Theorie der subjektiven Anatomie (von Uexküll
Mensch-Umwelt-System als funktionale Einheit et al., 1994). Grundlegendes Ziel im Ansatz der
aufgefasst. Information entsteht demnach in subjektiven Anatomie ist es, aus dem Erleben des
der Person-Umwelt-Interaktion; Repräsenta- Körpers ein individuelles Konzept zu entwickeln.
tions- und Gedächtnisprozesse werden bestrit- Der Bewegungsapparat liefert dem System Infor-
ten (Daugs, 1994; Kassat, 1998). Die Bewegung mation, einen Gefühlscode, der als Zeichen für
des Menschen entsteht infolge einer indivi- sich selbst interpretiert werden kann und von
duellen aufgabenbezogenen Person-Umwelt- Head (1926) Körperschema genannt wurde. Die-
Interaktion und beruht auf zirkulären, selbstor- ses Körperschema ist im Allgemeinen unbewusst
ganisierten Prozessen (Munzert, 1992). und beruht neurophysiologisch auf der Tiefensen-
Der Action-Approach-Ansatz gilt für das sibilität. Sherrington (1906) hat hierfür den Begriff
Verständnis von Bewegung als dem Motor »Proprio-reception« oder Propriozeption geprägt.
Approach unterlegen, besonders weil wichtige Propriozeption drückt aus, dass der Körper sich
Phänomene der Motorikforschung, wie das selbst empfindet, sie ermöglicht, dass »der Kör-
Phänomen der motorischen Variabilität, das per sich selbst erkennt« (von Uexküll et al., 1994,
Phänomen der motorischen Äquivalenz und S. 18), oder, wie oben in der Terminologie nach
das Phänomen der motorischen Flexibilität Balgo (1998) ausgedrückt, dass durch Wahrneh-
(Munzert, 1992) damit nur unzureichend zu mung Bewegung entsteht.
erklären sind. Dennoch wird diesem Ansatz das Eine subjektive Anatomie, vergleichbar mit ei-
Potenzial zugeschrieben, wichtige Ergänzungen ner Körper- oder Bewegungsvorstellung, resultiert
zum Repräsentationalismus zu liefern (Munzert, aus einem bewussten Erleben von Propriozeption.
1992; Wiemeyer, 1994). Eine Bewegungsvorstellung ist der aktive Nach-
6 vollzug einer Bewegungsrepräsentation, der am
Erleben orientiert ist. Diese Bewegungsvorstel-
24 Kapitel 3 · Psychologische Grundlagen des Mentalen Trainings

lung, in die alle Sinnesmodalitäten mit einbezo-


gen werden sollen, kann daher nur individuell
aufgebaut werden und nur individuell Sinn er-
geben. Der Aufbau einer Bewegungsvorstellung
ist damit eine individuelle mentale Leistung, die
jedoch an Bewegungsvorerfahrung gebunden ist
3 und somit nur aufgrund einer Bewegungsreprä-
sentation möglich ist.
Durch Bewegungsvorstellungen werden mo-
torische Abläufe, die als motorische Repräsenta-
tionen in den entsprechenden Arealen des Gehirns
abgelegt sind, bewusst gemacht. Bewusste Bewe-
gungsvorstellungen als mentale Prozesse wiede-
rum nehmen Einfluss auf das motorische System
und aktivieren motorische Netzwerke.
4

Mentales Training erlernen


und anwenden

4.1 Aufbau von Bewegungsvorstellungen – 26


4.1.1 Sprachlich-symbolische Ansätze – 26
4.1.2 Räumlich-bildhafte Ansätze – 28
4.1.3 Kinästhetische Ansätze – 29

4.2 Arten des Vorstellungstrainings – 30


4.2.1 Mental-sprachliches Training – 31
4.2.2 Mentales Training aus der Beobachterperspektive – 31
4.2.3 Mentales Training aus der Innenperspektive – 31

4.3 Die Rolle der Vorstellungsfähigkeit – 32

J. Mayer, H.-D. Hermann, Mentales Training, DOI 10.1007/978-3-662-46819-7_4,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
26 Kapitel 4 · Mentales Training erlernen und anwenden

Beim Mentalen Training geht es darum, durch das in- (2001, 2004; 7 Kasten: Stufenmodell des Mentalen
tensive Vorstellen eines Bewegungsablaufs die Bewe- Trainings (nach Eberspächer, 2001)).
gungsausführung positiv zu beeinflussen. Wie eine
adäquate Bewegungsvorstellung erzeugt werden kann
und wie diese Bewegungsvorstellung schließlich Ge- Stufenmodell des Mentalen Trainings
genstand des Mentalen Trainings wird, ist in diesem (nach Eberspächer, 2001)
Kapitel beschrieben. 1. Detaillierte Beschreibung der Bewegung.
2. Hervorhebung der Knotenpunkte.
4 3. Symbolische Markierung und Rhythmisie-
4.1 Aufbau von rung der Knotenpunkte.
Bewegungsvorstellungen 4. Mentales Training der symbolisch markier-
ten und rhythmisierten Knotenpunkte.
Die Voraussetzung für Mentales Training ist die
Entwicklung einer entsprechend intensiven und dif-
ferenzierten Bewegungsvorstellung. Wie in 7 Kap. 3 Detaillierte Beschreibung der Bewegung
dargestellt, liegen die relevanten Bewegungsinfor- Nach dem Stufenmodell von Eberspächer (2001)
mationen in einer neuronalen Bewegungsrepräsen- geht es zunächst darum, dass sich der Sportler den
tation vor, sind aber im Allgemeinen unterbewusst. zu trainierenden Bewegungsablauf über das An-
sprechen möglichst vieler Sinnesmodalitäten ins
> Die bloße Aufforderung zum Vorstellen von
Gedächtnis ruft, ihn nachvollziehbar beschreibt
Handlungen oder Bewegungen kann noch
und in Worte fasst. Hierbei ist die für den jeweili-
nicht die Qualität und Differenzierung der
gen Sportler optimale und angemessene Beschrei-
Vorstellung sicherstellen, die zu einer Lern-
bung der Bewegung relevant, denn ein und die-
oder Leistungssteigerung führt! Deshalb ist
selbe Bewegung wird von verschiedenen Sportlern
ein systematisches Vorgehen zum Aufbau
unter Umständen völlig unterschiedlich erlebt.
einer Bewegungsvorstellung zu empfehlen.
Die Vorstellung der Bewegung muss mit der
Mit dem Ziel, in der Praxis eine Bewegungsvor- tatsächlichen Bewegungsausführung abgeglichen
stellung zu erarbeiten oder zu entwickeln, müssen werden. Nur bei diesem Abgleich können sinn-
durch entsprechende Verfahren die motorischen volle Korrekturen vorgenommen werden (beispiel-
Abläufe bewusst gemacht werden. Hierzu bieten weise durch den Trainer), um so frühzeitig Fehler-
sich verschiedene Vorgehensweisen an. In der Pra- und Störquellen aufzudecken. 7 Beispiel 4.1 zeigt
xis kommen in der Regel folgende Ansätze zur An- die Bewegungsbeschreibung des optimalen Drives
wendung, hier unterschieden in der Terminologie eines professionellen Golfspielers.
nach Heuer (1985):
4 sprachlich-symbolische Ansätze, Beispiel 4.1: Detaillierte Bewegungs-
4 räumlich-bildhafte Ansätze, beschreibung: Drive (Golfabschlag)
4 kinästhetische Ansätze. »Wenn ich über dem Ball stehe, spüre ich zuerst
meine Ausgangsstellung – wie ich dastehe. Das
passt. Ich fühle, dass sich eine gerade Linie über
4.1.1 Sprachlich-symbolische Ansätze meinem Rücken bildet. Und jetzt beginnt der
Schwung. Ich habe einen sehr leichten Griffdruck
Bei sprachlich-symbolischen Ansätzen werden in der Hand. Die Hand liegt auf dem Schläger, ich
häufig in Stufenmodellen Vorstellungsinhalte ver- rotiere mit meinem linken Unterarm, leichte Hüf-
balisiert, meist schriftlich fixiert, auf wesentliche trotation bei 45°. Mein linkes Bein bleibt steif – ich
Punkte reduziert und dann dem Bewegungsrhyth- drehe mich weiter, mein linker Arm bleibt gerade.
mus angepasst. Ein bekanntes und besonders in Jetzt fühle ich in der oberen Position eine Spannung
der sportpsychologischen Praxis ausgewiesenes im Rumpf und in der linken Schulter, und ich fühle
Verfahren ist das Stufenmodell von Eberspächer mich richtig geladen, als wenn ich Spannung hätte.
4.1 · Aufbau von Bewegungsvorstellungen
27 4
Jetzt beginnt die Transition, ich habe eine laterale nem Rücken bildet. Und jetzt beginnt der Schwung.
Verschiebung in meinem Hüftbereich und rotiere Ich habe einen sehr leichten Griffdruck in der Hand.
gleichzeitig. Jetzt fühle ich, wie mein rechter Ellbo- Die Hand liegt auf dem Schläger, ich rotiere mit mei-
gen unter meinen linken kommt. Ich release unten, nem linken Unterarm, leichte Hüftrotation bei 45°.
mein Schläger kommt genau auf die Trefflinie, Mein linkes Bein bleibt steif – ich drehe mich weiter,
meine rechte Hüfte bleibt in der Position, und mein mein linker Arm bleibt gerade. Jetzt fühle ich in der
Arm streckt sich. Jetzt rotiere ich nur noch durch oberen Position eine Spannung im Rumpf und
und vollende ein langes und hohes Finish.« in der linken Schulter, und ich fühle mich richtig
geladen, als wenn ich Spannung hätte. Jetzt beginnt
Wichtig bei der Beschreibung einer Bewegung ist, die Transition, ich habe eine laterale Verschiebung
das Erleben der Bewegung nachzuvollziehen. Es in meinem Hüftbereich und rotiere gleichzeitig.
geht nicht darum, eine »objektive« Beschreibung des Jetzt fühle ich, wie mein rechter Ellbogen unter mei-
Bewegungsablaufs von außen zu erstellen, wie man nen linken kommt. Ich release unten, mein Schläger
sie aus Lehrbüchern kennt, sondern die individuelle kommt genau auf die Trefflinie, meine rechte Hüfte
Innensicht, das individuelle Erleben der Bewegung bleibt in der Position, und mein Arm streckt sich.
steht im Vordergrund. Die gesamte Bewegungsbe- Jetzt rotiere ich nur noch durch und vollende ein
schreibung ist dann eine sinnvolle Grundlage des langes und hohes Finish.«
Mentalen Trainings, wenn Wissenslücken geschlos-
sen und Fehler entfernt werden und alle bewusst- Abschließend werden die Knotenpunkte der zu
seinsfähigen Anteile in der Beschreibung enthalten trainierenden Bewegung symbolisch markiert,
sind (Immenroth et al., 2008). Der in Schriftform d. h., sie werden in individuelle Kurzformeln um-
vorliegende Bewegungsablauf soll im Anschluss per benannt. Ziel ist die Verdichtung der Information
Selbstgespräch vergegenwärtigt werden. (Chunking). Die Vorstellung soll so an die Dyna-
mik und den zeitlichen Ablauf der Realbewegung
Hervorhebung der Knotenpunkte angenähert werden (7 Beispiel 4.3).
Die nächste Stufe des Modells von Eberspächer bein-
haltet die Herausarbeitung der zentralen Punkte des Beispiel 4.3: Symbolische Markierung und
Bewegungsablaufs, die sogenannten Knotenpunkte Rhythmisierung der Knotenpunkte beim Drive
der Bewegung. Knotenpunkte einer Bewegung sind (Golfabschlag)
die entscheidenden Stellen eines Bewegungsablaufs, 4 »Setup«
die unbedingt durchlaufen werden müssen. Wo die 4 »Spann«
entscheidenden Stellen einer Bewegungsausführung 4 »Rumm«
sind, kann nur der Ausführende selbst entscheiden, 4 »Lang«
und die Knotenpunkte können sich auch im Lauf Um der Dynamik des Drives und der runden Ge-
des Trainingsfortschritts verändern. samtbewegung auch in der Vorstellung näher zu
kommen, wurden die Kurzformeln dem Bewe-
Symbolische Markierung und gungsrhythmus entsprechend zusammengesetzt:
Rhythmisierung der Knotenpunkte 4 »Setup – Schrrrrummmmmmm – Lang.«
In 7 Beispiel 4.2 hat der Sportler zunächst die für
> Von entscheidender Bedeutung beim Aufbau
ihn relevanten Stellen der Bewegung (Drive beim
einer Bewegungsvorstellung ist deren stän-
Golf) markiert. Die Markierungen sind hier durch
diger Abgleich mit der tatsächlichen prakti-
Fettdruck hervorgehoben.
schen Bewegungsrealisierung.

Beispiel 4.2: Markierung und Rhythmisierung der Eine Bewegungsvorstellung, die mit der realis-
Knotenpunkte beim Drive (Golfabschlag) tisch optimal durchführbaren Bewegung nicht de-
»Wenn ich über dem Ball stehe, spüre ich zuerst ckungsgleich ist, kann nicht zu einer Bewegungs-
meine Ausgangsstellung – wie ich dastehe. Das optimierung führen. Nur das Mentale Training mit
passt. Ich fühle, dass sich eine gerade Linie über mei- einer passenden oder zweckmäßigen Bewegungs-
28 Kapitel 4 · Mentales Training erlernen und anwenden

vorstellung führt zur Differenzierung und Stabili- Grundlage des visuellen Ansatzes sind die Er-
sierung der Bewegungsrepräsentation (Frank et al., kenntnisse zu Spiegelneuronen, die auf die Ar-
2014), die schließlich die Prüf- und Führungsgröße beiten von Rizzolatti et al. (1996) zurückgehen.
der Bewegungsausführung ist (Wei & Luo, 2009). Rizzolatti und Kollegen fanden im prämotorischen
Kortex von Affen Neuronen, die bereits bei der rei-
Mentales Training der symbolisch markierten nen Beobachtung einer Tätigkeit aktiviert waren,
und rhythmisierten Knotenpunkte so, als würden die zuschauenden Affen die Aktion
Im nächsten Schritt des Stufenmodells von Ebers- selbst ausführen. Das bedeutet: Während der Affe
4 pächer wird die entwickelte Bewegungsvorstellung sieht, wie ein anderer Affe eine Erdnuss nimmt
mental trainiert. Der Vorteil dieses sprachlich- und verzehrt, »spielt« er diese Situation innerlich
symbolischen Zugangs besteht darin, dass durch nach: Er spiegelt das motorische Verhalten seines
das Aufschreiben der Bewegungsvorstellung der Artgenossen und zeigt damit, dass er es nachvoll-
Trainer und der Athlet ihre Kommunikation im ziehen kann (Bauer, 2006).
Trainingsprozess verbessern können. Der Trainer Dass auch der Mensch motorische Gehirnregi-
kann dann Korrekturen exakter formulieren, und onen allein über das Beobachten von Bewegungen
der Athlet hat einen schriftlich fixierten Bewe- aktiviert, konnten Iacoboni et al. (1999) zeigen,
gungsablauf, der weiter optimiert und modifiziert indem sie die Hirnaktivität bei Probanden maßen,
werden kann und so eine externe Stütze der Bewe- die Fingerbewegungen beobachteten. Handlungen,
gungsvorstellung darstellt. Insofern sollte im tägli- die bei anderen Menschen wahrgenommen wer-
chen Trainingsablauf auch das Erleben des Sport- den, aktivieren im Gehirn des Beobachters ein
lers im Vordergrund stehen. Der Trainer sollte eigenes motorisches Schema, und zwar genau das-
versuchen, an dieses Erleben anzuknüpfen. Somit selbe, das zuständig wäre, wenn er die beobachtete
ist das Zuhören ein wesentliches Kommunikations- Handlung selbst ausgeführt hätte (Avikainen et
instrument im Trainingsalltag. al., 2002; Ram et al., 2007). Von der wahrge-
Allerdings ist hierbei immer zu bedenken, dass nommenen Handlung wird eine interne neuronale
einige Athleten Schwierigkeiten haben, nichtvisu- Kopie hergestellt, so, als vollzöge der Beobachter
elle Vorstellungsinhalte, insbesondere kinästheti- die Handlung selbst (Bauer, 2006). Auch aus lern-
sche Erfahrungen, zu verbalisieren. Es fällt in der theoretischen Ansätzen wird die besondere Ef-
Praxis immer wieder auf, dass in solchen Fällen fektivität des Beobachtungslernens hervorgehoben
nur raum-zeitliche Bewegungsinformationen in (Sweller, 1988; Sweller & Sweller, 2006).Wie das
die Bewegungsbeschreibung einfließen. Hier bietet System der Spiegelneurone funktioniert, erklärt
es sich an, eher über räumlich-bildhafte oder kin- Bauer (2006) anschaulich am Beispiel eines Flugsi-
ästhetische Ansätze den Aufbau der Bewegungs- mulators (7 Kasten).
vorstellung anzugehen.

Das System der Spiegelneurone


4.1.2 Räumlich-bildhafte Ansätze Bauer (2006, S. 26f.) erläutert das System der
Spiegelneurone sehr anschaulich am Beispiel
Beim räumlich-bildhaften Ansatz wird meist ver- eines Flugsimulators:
sucht, mithilfe von Videoaufzeichnungen Bewe- »Ein echter Pilot zieht in einer Propeller-
gungsvorstellungen zu entwickeln. Bei einzelnen maschine in geringer Höhe seine Kreise. Alle
Körpertechniken kann hier auch die Spiegelme- Flugoptionen, die er mit seiner Maschine durch-
thode weiterhelfen. Die Spiegelmethode wird als führt, werden in Echtzeit in einen Flugsimulator
therapeutisches Mittel auch häufig im Kontext am Boden übertragen, in dem sich der ‚Beob-
der Rehabilitation angewandt (weitere Ausfüh- achter‘ befindet. Seine ‚Beobachtung‘ besteht
rungen zur Spiegeltherapie – »Mirror-Box« ge- darin, dass er den Flug des Piloten als Simulati-
nannt – und deren Einsatz in der Rehabilitation 6
7 Kap. 9).
4.1 · Aufbau von Bewegungsvorstellungen
29 4
auch beim Neulernen von Bewegungen an (Ram
onsprogramm erlebt. Ebenso wie der im Flugsi- et al., 2007).
mulator sitzende ‚Beobachter‘ macht auch der Da die Möglichkeiten der Videoaufzeichnung
ganz normale Beobachter, der die Handlung und -aufbereitung von sportlichen Bewegungsab-
eines anderen Menschen miterlebt, folgende läufen sich in den letzten zehn Jahren deutlich wei-
Erfahrung: Indem er das, was er beobachtet, terentwickelt haben, ist es möglich, Bewegungsab-
unbewusst als inneres Simulationsprogramm läufe verschiedener Sportler übereinanderzulegen,
erlebt, versteht er, und zwar spontan und ohne um kleine Bewegungsvariationen zu erkennen und
nachzudenken, was der andere tut. Weil dieses zu analysieren. Insofern bietet sich der räumlich-
Verstehen die Innenperspektive des Handeln- bildhafte Ansatz zur Vorstellungsgenerierung ins-
den mit einschließt, beinhaltet es eine ganz an- besondere über moderne Videoanalysesysteme
dere Dimension als das, was eine intellektuelle sehr an (. Abb. 4.1).
oder mathematische Analyse des beobachteten Die Transformation der visuellen Information
Handlungsablaufs leisten könnte […]. Der im Si- in eine kinästhetische Bewegungsvorstellung bleibt
mulator sitzende Beobachter sieht, wie sich das hier allerdings dem Sportler selbst überlassen und
Flugzeug des realen Piloten einem Berg nähert. ist lediglich durch Nachfragen des Trainers zu er-
Da er die Innenperspektive miterlebt, versteht fahren und ggf. zu modifizieren. Fehlerhafte Vor-
er spontan und intuitiv, warum der Pilot sein stellungen können demnach auch nur durch das
Flugzeug zum Beispiel plötzlich aufsteigen lässt intensive Nachfragen des Trainers erkannt und
oder abdreht.« korrigiert werden.

Dass das Beobachten von Handlungen sich ins- 4.1.3 Kinästhetische Ansätze
besondere zur Entwicklung einer Bewegungsvor-
stellung eignet, betont Bauer (2006). Ihm zufolge Beim kinästhetischen Ansatz wird versucht, durch
ist eine raum-zeitliche Vorstellung einer Bewe- die Erinnerung an bestimmte, intensive Bewe-
gung das Mindeste, was die Beobachtung oder das gungserfahrungen eine Bewegungsvorstellung zu
Miterleben einer Handlung anderer Personen in generieren, in die insbesondere kinästhetische In-
jedem Fall auslöst. Dies gilt grundsätzlich auch für formationen einfließen.
beobachtete Bewegungen, die dem Beobachter bis- Mulder (2007) bemerkt hierzu, dass der
her noch nicht bekannt waren. Der Vorstellungs- Mensch über die Fähigkeit verfügt, von seinen Er-
aufbau über die Beobachtung eines Modells oder innerungen und Emotionen Gebrauch zu machen,
einer Videoaufzeichnung bietet sich insbesondere um seinem gegenwärtigen Verhalten eine Form

. Abb. 4.1 Videogestützte Bewegungsanalyse der Absprungbewegung bei Skispringern, © Peter Dick
30 Kapitel 4 · Mentales Training erlernen und anwenden

zu geben. Mulder knüpft in seiner Argumenta- Sportler wird direkt nach einer optimalen Bewe-
tion an die Traumaforschung an, aus der bekannt gungsausführung aufgefordert, das gerade wahr-
ist, wie stark negative Erlebnisse und Erfahrun- genommene Bewegungserlebnis in der Vorstellung
gen das Verhalten eines Menschen verändern kön- noch einmal ablaufen zu lassen.
nen. Wenn negative Erinnerungen zu einer Reihe Nach Wriessnegger et al. (2014) ist das Men-
physiologischer Symptome und Vermeidungsre- tale Training nach vorangegangener praktischer
aktionen führen können, warum sollten positive Durchführung besonders effektiv, auch weil die
Erinnerungen dann nicht für das Erlernen von Sportler berichten, dass ihnen diese Methode zur
4 Verhaltensweisen genutzt werden können? Mulder Vorstellungsgenerierung sehr leicht fällt.
(2007) schildert hierzu ein eindrucksvolles Beispiel
> Häufig wird in der praktischen Anwendung
aus seiner therapeutischen Praxis (7 Beispiel 4.4).
eine Kombination der drei Ansätze genutzt.
So werden im Sport beispielsweise Bewe-
Beispiel 4.4: Physiotherapie bei Reflexdystrophie
gungsbeschreibungen verfasst, und man
(nach Mulder, 2007)
versucht, diese durch intensives Videostu-
Vor einigen Jahren lernte Mulder in Nijmegen eine 75-
dium zu differenzieren. Häufige Nachfragen
jährige Frau kennen, die mit der Diagnose Reflexdys-
des Trainers nach gelungenen Handlungsse-
trophie schon sechs Jahre im Rollstuhl verbracht hatte.
quenzen und den Empfindungen des Athle-
Mulder beschreibt ihren Gang als mühsam, schlurfend
ten während des Bewegungsablaufs sollen
und schmerzhaft. Das Fußgelenk schien vollkommen
schließlich dazu beitragen, dass die Bewe-
unbiegsam an ihrem Fuß befestigt zu sein. Viele The-
gungsvorstellung der aktuellen Leistungsent-
rapeuten hatten sich im Laufe der Jahre schon an
wicklung stetig angepasst wird.
diesem Krankheitsbild die Zähne ausgebissen. Aus Ge-
sprächen mit der Dame erfuhr Mulder, dass sie früher
eine leidenschaftliche Tänzerin und 1945 hoffnungslos
in einen kanadischen Offizier verliebt gewesen war. 4.2 Arten des
Mulder versuchte nun, diese viele Jahre alten Vorstellungstrainings
Erinnerungen für das Aufbrechen ihrer Pathologie
einzusetzen. Er besorgte Musik, wie sie 1945 gespielt Um in der Praxis erfolgreich mit Mentalem Trai-
worden war, und konstruierte einen Kontext, in dem ning zu arbeiten, sind folgende Vorbedingungen
die Erinnerungen der Frau eine dominante Rolle spiel- hilfreich (Eberspächer, 2001), wenn auch keine
ten. Langsam und über Umwege (aufstehen, sich fest- zwingenden Voraussetzungen:
halten, sich drehen) brachte Mulder die Dame dazu, 4 Der Trainierende muss mit der zu trainieren-
wieder zu tanzen, während sie von damals erzählte den Bewegung bereits Eigenerfahrung haben
und sich an die Gegebenheiten erinnerte. (Olsson & Nyberg, 2011; Wriessnegger et al.,
Mulder schildert, wie dieser Therapieansatz der 2014). Das bedeutet, die Bewegung muss be-
Frau Tag für Tag ein wenig weiter aus ihrem Rollstuhl kannt sein. Neu zu erlernende Bewegun-
heraushalf. Zusätzlich sang sie die Melodien mit und gen können jedoch in bekannte Bewegungs-
war oft tief ergriffen. Langsam, aber sicher verbes- teile aufgeteilt werden, und diese Bewegungs-
serte sich ihr motorischer Zustand. Die Erinnerung teile können separat oder in bestimmter
und die Musik schienen den Zugang zu ihrer Motorik Reihung vorgestellt werden. In einer Studie
zu eröffnen und zu beeinflussen. Das Resultat nach von Mulder et al. (2004) konnte gezeigt wer-
nur sechs Wochen täglichen Trainings war beeindru- den, dass so auch völlig unbekannte Bewegun-
ckend: Die Patientin tanzte mit dem Therapeuten gen mithilfe des Mentalen Trainings gelernt
und führte viele Aufgaben aus, die vorher undenkbar werden können.
gewesen waren. 4 Mentales Training funktioniert am besten,
wenn der Trainierende in der Lage ist, sich
Der kinästhetische Ansatz eignet sich insbesondere den Bewegungsablauf, den er trainieren will,
für den Einsatz vor Ort, z. B. am Trainingsort. Der außerordentlich lebhaft vorzustellen. Derart
4.2 · Arten des Vorstellungstrainings
31 4
lebhafte Vorstellungen können körperliche führung immer am individuellen Optimum ori-
Reaktionen auslösen, wie man sie z. B. vom entiert. In der Praxis spricht man hier auch vom
körperlichen Training kennt – z. B. auch »Kopfkino«, einem inneren Film von der eigenen
kleine Mitbewegungen. Guillot et al. (2013) Person, der im Kopf abläuft.
berichten dementsprechend, dass diese leich-
ten Mitbewegungen beim Mentalen Training
einen positiven Einfluss auf den Effekt des 4.2.3 Mentales Training aus der
Mentalen Trainings haben (7 Kap. 6). Innenperspektive
4 Das Mentale Training erzielt seine lern- und
leistungssteigernden Wirkungen am effektivs- Bei dieser Form des Mentalen Trainings ruft man
ten, wenn es im Wechsel mit motorischem sich die Innenperspektive einer Bewegung ins
Training eingesetzt wird (7 Kap. 5). Bewusstsein. Das bedeutet, man erlebt die Be-
wegungsausführung, vollzieht sie unter Einbezug
Beim mentalen Trainieren unterscheidet man nach möglichst vieler Sinnesmodalitäten nach.
Eberspächer (2001) folgende Arten des Vorstel- Hier sind sportartspezifische Variationen zu
lungstrainings: beobachten. So berichten z. B. Skifahrer, Rodler
4 mental-sprachliches Training, und Motorradfahrer häufig von akustischen Vor-
4 Mentales Training aus der Beobachterperspek- stellungsinhalten wie unterschiedlichen Motoren-
tive, geräuschen, den Geräuschen der Skier auf der
4 Mentales Training aus der Innenperspektive. Piste oder der Kufen auf dem Eis.
Voraussetzung für das Mentale Training aus
der Innenperspektive ist es, sich intensiv in die
4.2.1 Mental-sprachliches Training inneren Prozesse, die für eine möglichst optimale
Ausführung der Bewegung notwendig sind, hin-
Beim mental-sprachlichen Training vergegenwär- einzuversetzen, um diese Prozesse später in der
tigt sich der mental Trainierende den entsprechen- Vorstellung abrufen zu können. Je lebhafter die
den Bewegungsablauf per Selbstgespräch. Dieses Vergegenwärtigung gelingt (insbesondere hin-
Selbstgespräch sollte exakt so lange dauern wie sichtlich der kinästhetischen Bewegungsanteile),
die tatsächliche Bewegungsdurchführung, und es desto intensiver ist die Wirkung des Mentalen
sollte an den Bewegungsrhythmus angepasst sein. Trainings.
Zu diesem Zweck empfiehlt es sich, die zum Auf-
> Das mental-sprachliche Training eignet sich
bau der Bewegungsvorstellung entwickelten Kurz-
am besten für den Einstieg in das Mentale
formeln der Bewegung (wie sie bei den sprach-
Training, wobei häufig das Mentale Training
lich-symbolischen Ansätzen beschrieben wurden;
aus der Innenperspektive als Zieltrainings-
7 Kap. 4.1.1) anzuwenden.
form angegeben wird (Eberspächer, 2001).

In der sportpsychologischen Praxis fällt jedoch


4.2.2 Mentales Training aus der auf, dass die Sportler üblicherweise eine der Per-
Beobachterperspektive spektiven (Beobachterperspektive/Innenperspek-
tive) bevorzugen. Manche können auch willkürlich
Beim Mentalen Training aus der Beobachterper- zwischen beiden Innen- und Außenperspektive
spektive betrachtet sich der mental Trainierende wechseln (u. a. Munzert & Möllmann, 1997; Ber-
mit seinem geistigen Auge selbst bei der Durch- tollo et al., 2009).
führung seines Bewegungsablaufs. Diese Form des Die Frage der damit assoziierten kinästheti-
Mentalen Trainings ist mit dem Betrachten einer schen Empfindungen ist grundsätzlich von der
Videoaufzeichnung der Bewegung vergleichbar, visuellen Perspektive der Vorstellung zu trennen
mit dem Unterschied, dass der Film nur in der (Munzert et al., 2000). Diese Anmerkung erscheint
Vorstellung abläuft und sich die Bewegungsaus- äußerst relevant, da in der Praxis viele Athleten die
32 Kapitel 4 · Mentales Training erlernen und anwenden

Beobachterperspektive bevorzugen und trotzdem


in der Lage sind, kinästhetische Informationen in
Tipp I I
Durch entsprechende Trainingsgestaltung kann
die Bewegungsvorstellung zu integrieren. Dies ent-
die Entwicklung von kinästhetischen Vorstel-
spricht Untersuchungen von Munzert et al. (2000),
lungsinhalten beschleunigt werden:
wonach keine stärkeren kinästhetischen Vorstel-
4 vor der Korrektur durch den Trainer analy-
lungen bei der Innensicht bzw. nicht unbedingt
sieren Sportler selbst die Bewegung. Mögli-
weniger intensive bei der Beobachterperspektive
che Fragestellungen:
nachweisbar sind. Nach Munzert (2001) gibt es
– Was war gut, was war schlecht?
4 lediglich einige Belege dafür, dass bei der Innen-
– Was war besser/schlechter als beim letz-
perspektive stärkere Muskelaktivitäten (Mitbewe-
ten Versuch?
gungen) messbar sind (Hale, 1982); in anderen
– Woran hast du bemerkt, dass dieser Ver-
Untersuchungen sind diese Unterschiede zu ver-
such besser/schlechter als der letzte war?
nachlässigen (Harris & Robinson, 1986). 4 Durchführung des Bewegungsablaufs mit
Man kann zusammenfassend mit Munzert et eingeschränkten Sinnesmodalitäten:
al. (2000) argumentieren, dass es nicht sinnvoll – verbundene/geschlossene Augen,
erscheint, a priori eine der Vorstellungsperspek- – eingeschränkte akustische Information
tiven (Beobachterperspektive/Innenperspektive) (Lärmschutz),
vorzuziehen. Die Wahl hängt vom Ziel ab, das – eingeschränkte taktile Information
mit  der entsprechenden mentalen Trainingsform (Handschuhe).
verbunden ist, sowie von den Präferenzen der Ath- 4 regelmäßiges Verbalisieren und Aufschreiben
leten (Callow & Roberts, 2010). Die Schulung des Bewegungsablaufs – insbesondere der
des  Bewegungsablaufs – insbesondere der raum- kinästhetischen Bewegungsinformationen.
zeitliche Ablauf – wird eher eine Beobachterpers-
pektive, die Schulung der Situationsantizipation
und des Bewegungsgefühls eher eine Innenpers-
pektive erfordern (u. a. Féry, 2003; Weinberg, 4.3 Die Rolle der
2008). Vorstellungsfähigkeit
Für die Intensität des Mentalen Trainings ist
daher die Entwicklung von kinästhetischen Vor- Eine wesentliche Voraussetzung für das Mentale
stellungsinhalten zentral (u. a. Stinear et al., 2006, Training ist eine entsprechende Vorstellungsfähig-
Guillot et al., 2009). Insbesondere zu Beginn der keit. Allerdings sind nicht alle Menschen gleicher-
Einführung sportpsychologischer Trainingsver- maßen befähigt, sich Bewegungen und Handlungen
fahren haben einige Sportler gerade mit der Ent- lebhaft und intensiv vorzustellen. Und natürlich
wicklung von kinästhetischen Vorstellungsinhal- beeinflusst die Qualität der Vorstellungsfähigkeit,
ten Schwierigkeiten. Hier hat sich in der Praxis in welchem Maße ein Anwender das mentale Trai-
gezeigt, dass bei Anfängern in der Regel die Bewe- nieren als wirksam empfindet. Dies entscheidet
gungsvorstellung hauptsächlich aus visuellen In- wesentlich mit darüber, ob und wie intensiv er sich
formationen besteht und dass erst durch entspre- mit dieser sportpsychologischen Trainingsform
chende Trainingsformen kinästhetische Informa- beschäftigt und wie oft er sie anwendet.
tionen in die Bewegungsvorstellung integriert Letztlich beeinflusst damit die Vorstellungsfä-
werden können. Wird diese Tendenz beim ju- higkeit auch die Effektivität des Verfahrens an sich
gendlichen Anwender beobachtet, dann kann dies (Short et al., 2005). Hall et al. (1992) stellen hierzu
auch mit dem Entwicklungsalter begründet sein. fest, dass bei hoher Vorstellungsfähigkeit allein
So ergab eine Untersuchung von Munzert et al. die Anweisung zum Vorstellungstraining genügt
(2000), dass von Schülern eindeutig die visuelle (z. B. »Stell dir deinen optimalen Aufschlag vor!«),
Außenperspektive bevorzugt wird, wohingegen wohingegen bei gering ausgeprägter Vorstellungs-
sich bei Jugendlichen keine so klare Präferenz fähigkeit die alleinige Anweisung zum Vorstellen
feststellen ließ. wenig Erfolg verspricht.
4.3 · Die Rolle der Vorstellungsfähigkeit
33 4
An dieser Stelle ließe sich die Vermutung ab- wartende methodische und zeitliche Aufwand ab-
leiten, dass Mentales Training nur für Personen schätzen ließe.
mit hoher Vorstellungsfähigkeit sinnvoll und wir- Im amerikanischen Sprachraum hat sich der
kungsvoll einzusetzen ist. Nicht nur die Praxis Fragebogen »Movement Imagery Questionnaire«
(u. a. Short et al., 2005) zeigt allerdings, dass – (MIQ; Hall & Pongrac, 1983) bzw. eine überar-
durch einen entsprechenden Aufwand bei der beitete Version, der MIQ-R (Hall & Martin, 1997)
Entwicklung und Differenzierung der Vorstellung durchgesetzt. Beide Versionen erfassen individu-
(7 Kap. 4.1) – auch Personen mit schwach ausge- elle Unterschiede in der Vorstellungsfähigkeit aus
prägter Vorstellungsfähigkeit zu einem effektiven der Innen- und der Beobachterperspektive. Eine
Mentalen Training angeleitet werden können. deutsche Übersetzung des MIQ ist in 7 Kap. 11.4.1
Short et al. führten im Jahr 2005 eine Studie dieses Buches zu finden.
durch, die den Zusammenhang zwischen folgen- Cooke et al. (2014) haben einen Fragebogen
den drei Faktoren untersuchte: zur Vorstellungsfähigkeit bei Kindern vorgestellt.
4 Vorstellungsfähigkeit, Eine gute Alternative – insbesondere für ältere Er-
4 Einsatz des Mentalen Trainings, wachsene – ist der Ansatz von Schott (2013). Sie
4 Wirksamkeitserwartung in Bezug auf die Aus- schlägt einen motorischen Test zur Diagnostik der
führung der Vorstellung. Vorstellungsfähigkeit vor. Bei diesem Test muss
der Sportler eine Reihe von Instruktionen befol-
Die Autoren gingen von der Annahme aus, dass gen, wobei je Instruktion nur ein Körperteil men-
der Einsatz des Mentalen Trainings, also auch die tal bewegt werden soll. Am Ende der Instruktio-
Anwendungshäufigkeit, in erster Linie mit dem nen soll die Versuchsperson die finale Position re-
Vertrauen in die eigene effektive Durchführung produzieren.
der Technik zusammenhängt. In Übereinstim-
mung mit der Theorie Banduras (1977) wurde
erwartet, dass ein positiver Zusammenhang zwi-
schen Wirksamkeitserwartung und Einsatz des
Mentalen Trainings besteht und dass die Wirk-
samkeitserwartung den Zusammenhang von Vor-
stellungsfähigkeit und tatsächlichem Einsatz des
Mentalen Trainings beeinflusst.
Die Untersuchung an 74 Athletinnen aus ver-
schiedenen Sportarten zeigte: Je mehr die Athletin-
nen der Überzeugung waren, dass sie wirkungsvoll
mental trainieren konnten, desto mehr wandten
sie das Mentale Training an. Wirksamkeitserwar-
tung ist auch der ausschlaggebende Faktor für die
Entscheidung, ob Mentales Training angewandt
wird oder nicht; diese Entscheidung ist nicht allein
durch die Vorstellungsfähigkeit vorgegeben.
Die Verbesserung der Vorstellungsfähigkeit ist
nach Cumming und Ste-Marie (2001) zwar mög-
lich, aber schwierig und sehr zeitaufwendig. Hier
schließt sich die Frage an, ob überhaupt passende
Messinstrumente zur Erfassung der Vorstellungs-
fähigkeit vorliegen. Der Einsatz derartiger Mess-
instrumente hätte den Vorteil, dass sich durch
die Erfassung der Vorstellungsfähigkeit vor der
Einführung des Mentalen Trainings der zu er-
5

Wirksamkeit des Mentalen Trainings

5.1 Wirksamkeitsstudien, Metaanalysen und Reviews – 36

5.2 Beeinflussende Variablen – 39

J. Mayer, H.-D. Hermann, Mentales Training, DOI 10.1007/978-3-662-46819-7_5,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
36 Kapitel 5 · Wirksamkeit des Mentalen Trainings

Wie effektiv ist das Mentale Training im Vergleich zum Ziel der Leistungssteigerung lassen sich aufgaben-
praktischen Training – kann man genauso wirksam im übergreifend die im 7 Kasten zusammengefassten
Kopf trainieren, oder hat praktisches Training entschei- Ergebnisse feststellen (Murphy, 1994; Munzert,
dende Vorteile? 2001).
Gerade zu dieser Fragestellung wurden etliche Un-
tersuchungen in den verschiedensten Anwendungsfel-
dern und bei unterschiedlichen Bewegungsaufgaben Ergebnisse von Wirksamkeitsuntersuchungen
durchgeführt. Im Anwendungsteil (7 Kap. 8–10) des zum Mentalen Training
Buches wird detailliert erläutert, wie und auf welche 4 Mentales Training ist wirksamer als kein
Art und Weise das Mentale Training in den Anforde- Training.
rungsbereichen Sport, Rehabilitation und Arbeit/Wirt- Das bedeutet, es gibt einen grundsätzlichen
5 schaft eingesetzt wird und welche Wirkung man sich Effekt des Mentalen Trainings. Dies ist natür-
davon versprechen kann. lich relevant für alle Anwendungsbereiche,
Im Folgenden soll zunächst allgemeiner über Ana- in denen kein praktisches Training möglich
lysen berichtet werden, die Aufschluss darüber geben, ist, wie z. B. in trainingsfreien Zeiten im
inwieweit die Effektivität des Mentalen Trainings über- Sport, Regenerationszeiten, Verletzungs-
haupt als empirisch fundiert angesehen werden kann oder Rehabilitationsphasen.
und welche allgemeinen Einflussgrößen beachtet wer- 4 Der Effekt des Mentalen Trainings ist gerin-
den müssen. ger als der Effekt des praktischen Trainings.
Dies ist sehr zentral für den praktischen
Umgang mit dem Mentalen Training: Men-
5.1 Wirksamkeitsstudien, tales Training kann und soll das praktische
Metaanalysen und Reviews Training nicht ersetzen, sondern vielmehr
ergänzen.
Mentales Training kann unter verschiedenen Ge- 4 Die Kombination von Mentalem Training
sichtspunkten eingesetzt werden, z. B. zum be- und praktischem Training verspricht den
schleunigten Erlernen neuer Bewegungen, zur Op- größten Leistungszuwachs.
timierung, Stabilisierung und Automatisierung Insofern wird auch deutlich, dass es sich
von Bewegungen, zur Emotionsregulation (z. B. beim Mentalen Training in der Praxis um ein
bei Ängsten) oder zur Steigerung der Kompetenz- zusätzliches Training handeln soll. Nur in
überzeugung. wenigen Ausnahmen sollte Mentales Trai-
Vor allem in den 1970er-Jahren wurde eine ning auch praktisches Training ersetzen, um
Vielzahl von Untersuchungen zum Mentalen z. B. die Belastung zu reduzieren.
Training durchgeführt. Zur Untersuchung der
Wirksamkeit des Mentalen Trainings hat sich im
methodischen Vorgehen folgendes Vier-Gruppen- Diese Wirkungen des Mentalen Trainings erschei-
Messwiederholungsparadigma durchgesetzt: nen vielleicht auf den ersten Blick nicht sonderlich
4 Gruppe 1 (Kontrolle): Kein Training (in der spektakulär, da bereits aus der Alltagserfahrung
Regel Beschäftigung mit irrelevantem Stimu- erwartet wird, dass eine – wie auch immer gear-
lus), tete – Mehrbeschäftigung mit einer (Bewegungs-)
4 Gruppe 2: Mentales Training, Aufgabe auch mehr Lern- bzw. Leistungszuwachs
4 Gruppe 3: Praktisches Training, versprechen sollte. Dennoch wird die Erkenntnis,
4 Gruppe 4: Mentales und praktisches Training dass ein systematisches Vorstellen von Bewegungs-
im Wechsel. elementen zur Lern- und Leistungssteigerung
führt, in vielen Anwendungsbereichen noch un-
In diesem Untersuchungsparadigma ist die Wir- zureichend genutzt. Eine weitere Etablierung wird
kung des Mentalen Trainings bei unterschiedli- nur durch den wissenschaftlichen Nachweis der
chen Bewegungsaufgaben nachgewiesen. Mit dem Wirksamkeit und eine möglichst exakte Beschrei-
5.1 · Wirksamkeitsstudien, Metaanalysen und Reviews
37 5
bung der zu erwartenden Effektgröße erreicht wer- Es bestätigt sich weitgehend, dass Mentales Trai-
den können. ning effektiver ist, als gar nicht zu trainieren, aller-
Nach Munzert (2001) ist es daher auch aus an- dings wird die Effektivität von praktischem Trai-
wendungsorientierter Perspektive interessant, den ning nicht erreicht.
»reinen« Effekt mentalen Trainings demonstrieren Grouios (1992a) kommt in einem Review zu
und bestimmen zu können. Hierzu wurden Meta- dem Fazit, dass Mentales Training, kombiniert
analysen durchgeführt, in denen jeweils eine mehr oder im Wechsel mit praktischem Training, effek-
oder minder große Anzahl von experimentellen tiver ist als eine der beiden Trainingsformen allein.
Studien zusammengefasst wurde und aufgaben- Mentales Training kann physisches Training nicht
übergreifende Effekte festgestellt werden sollten. ersetzen, aber dieses zumindest wesentlich ergän-
zen. Zudem scheint es besonders zu Beginn und
Studienergebnisse am Ende eines Lernprozesses effektiv zu sein.
Die am häufigsten zitierte Metaanalyse von Feltz u. Diese Trends bestätigt die bislang umfas-
Landers (1983), erweitert durch Feltz et al. (1988), sendste Metaanalyse, die 1994 von Driskell et al.
hat den Nachteil, dass sie sehr heterogene Trai- vorgelegt wurde. Neben dem bereits erwarteten
ningsmaßnahmen (u. a. kombinierte Verfahren, Befund, dass Mentales Training ein effektives Trai-
z. B. Mentales Training in Kombination mit Ent- ningsverfahren zur Leistungsoptimierung darstellt,
spannungsverfahren und positiven Selbstinstruk- das allerdings weniger effektiv ist als praktisches
tionen) unter Mentalem Training zusammenfasst Training, kommen Driskell et al. (1994) ebenfalls
(Immenroth et al., 2008). Damit ist es natürlich zu dem Ergebnis, dass Mentales Training umso
schwer, dem Mentalen Training an sich eine iso- stärker wirkt, je größer die kognitiven Anteile der
lierte Wirkung zuzuschreiben. Aufgaben sind. Allerdings ist ein Effekt auch bei
Dennoch sei erwähnt, dass Feltz und Landers eher motorischen Aufgaben nachgewiesen. Um-
(1983) und Feltz et al. (1988) Mentalem Training gekehrt ist die Wirkung des Mentalen Trainings
grundsätzlich Wirksamkeit attestieren, allerdings umso geringer, je mehr Kraft und Koordination
mit der Einschränkung, dass das Mentale Training eine Aufgabe beansprucht. Dieser Effekt ist aller-
bei Bewegungsaufgaben, die mehr kognitive Anteile dings für Anfänger stärker als für Fortgeschrittene.
enthalten, wirkungsvoller ist als bei Aufgaben mit Bei Fortgeschrittenen gibt es hinsichtlich des zu
vermehrt motorischen Anteilen. Eine eher kognitive erwartenden Effekts keinen Unterschied zwischen
Bewegungsaufgabe ist eine Aufgabe, bei der z. B. be- kognitiven oder motorischen Aufgaben.
stimmte zeitliche und räumliche Parameter durch- Um die Wirkung eines Verfahrens möglichst
laufen werden müssen, beispielsweise das Durch- genau bestimmen zu können, bedient man sich des
laufen eines Labyrinths oder das Durchfahren eines Wertes der Effektstärke. Diese ist ein standardisier-
Slaloms. Eine eher motorische Aufgabe wäre z. B. tes statistisches Maß, das das Ausmaß der Wirkung
das Sitzen in einem Rennkajak, ohne umzukippen. eines Verfahrens angibt, wobei Effektstärken um
In eine Metaanalyse von Hinshaw aus dem Jahr d = 0,2 als klein und Effektstärken um d = 0,8 als
1991 wurden 21 Studien einbezogen, die nach be- groß eingeschätzt werden (Bortz & Döring, 1995).
stimmten, die methodische Qualität betreffenden Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Effekt-
Auswahlkriterien veröffentlicht worden waren. Es stärken von diversen Faktoren beeinflusst werden.
konnte gezeigt werden, dass Beim Mentalen Training ist dies in erster Linie die
4 die Leistungsentwicklung in der praktischen Art der trainierten Bewegungsaufgabe (bei eher
Trainingsgruppe generell höher ist als in der kognitiven Aufgaben sind höhere Effektstärken
mentalen Trainingsgruppe zu erwarten als bei eher motorischen Aufgaben).
und Dennoch haben einige Autoren versucht, allge-
4 beide Trainingsformen für sich einen signifi- meine Effektstärken des Mentalen Trainings zu
kant größeren positiven Einfluss auf die Leis- bestimmen.
tung haben als die Kontrollbedingung (kein Feltz und Landers (1983) berichten in ihrer
Training). Metaanalyse von einer durchschnittlichen Effekt-
38 Kapitel 5 · Wirksamkeit des Mentalen Trainings

stärke von 0,48. In der methodisch optimierten et al. (2004) zeigen diesen Effekt auch für eine
Überarbeitung der Metaanalyse von Feltz et al. größere Muskelgruppe (Ellbogenbeuger), und Zij-
(1988) wurde eine Effektstärke von 0,43 berech- dewind et al. (2003) berichten diesen Effekt bei der
net. Hinshaw (1991) konnte in ihrer Metaanalyse Plantarflexion des Sprunggelenks, auch wenn die
(21 Studien wurden einbezogen) eine allgemein- Effekte weniger deutlich ausfallen.
durchschnittliche Effektstärke des Mentalen Trai- Ranganathan et al. (2002) zeigen, dass die
nings von 0,68 ermitteln. Driskell et al. (1994) Größe des Effekts von der gewählten Vorstellungs-
finden höhere Effektstärken bei kognitiven Bewe- modalität beeinflusst wird. Vorstellungen, die ki-
gungsaufgaben (0,69) als bei motorischen Bewe- nästhetische Informationen beinhalten, führen
gungsaufgaben (0,34). demnach zu stärkeren Effekten als rein visuelle
Vorstellungen.
5 Zusammenfassung der Ergebnisse. Die wich- Mit dieser Erklärung sind auch widersprüch-
tigsten Ergebnisse der zitierten Studien lassen sich liche Ergebnisse, beispielsweise von Herbert et al.
wie folgt zusammenfassen: (1998), einzuordnen. Herbert et al. (1998) konnten
4 Bei kognitiven Bewegungsaufgaben zeigen in ihrer Untersuchung eines achtwöchigen men-
sich höhere Effektstärken als bei motorischen talen Trainingsprogramms, keinen signifikanten
Bewegungsaufgaben. Kraftzuwachs gegenüber einer Kontrollgruppe
4 Die Größe des Effekts wird dabei auch von der nachweisen. Nach Reiser (2005) ist dies mögli-
gewählten Vorstellungsmodalität beeinflusst. cherweise darin begründet, dass in der eingespiel-
Vorstellungen, die kinästhetische Informatio- ten Instruktion zur Vorstellung (»Get ready to
nen beinhalten, führen demnach zu stärkeren imagine producing a maximal contraction«) un-
Effekten als rein visuelle Vorstellungen. klar blieb, was genau sich die Versuchspersonen
vorstellen sollten, und eben nicht – wie in den Stu-
Effekte des Mentalen Trainings bei rein dien, die positive Effekte berichten – ausdrücklich
motorischen Aufgaben auf die Vorstellung von Kinästhetik hingewiesen
Die Effekte des Mentalen Trainings, wie sie bis wird (7 Kap. 4).
hierher dargestellt wurden, beziehen sich auf das In einer Studie von Reiser (2005) wurde die
Lernen und Optimieren von Bewegungen. Insbe- Wirkung des Mentalen Trainings auf die isometri-
sondere die Metaanalyse von Driskell et al. (1994) sche Maximalkraft im Verlauf eines vierwöchigen
kommt zu dem Ergebnis, dass durchaus auch bei Trainings untersucht. Vor, während und am Ende
Aufgaben mit motorischem Charakter Mentales der Trainingsphase wurde die Relativkraft (isome-
Training sinnvoll eingesetzt werden kann, auch trische Maximalkraft, relativiert am Körperge-
wenn die Effekte weniger stark ausgeprägt zu sein wicht) erfasst. Im Gegensatz zur Kontrollgruppe
scheinen. An dieser Stelle sind Befunde erwäh- (kein Training) verzeichnete die mental übende
nenswert, die sogar deutliche Effekte des Mentalen Gruppe einen signifikanten Kraftgewinn (5,7 %).
Trainings bei rein motorischen Aufgaben wie Ma- Die Kraftgewinne der praktisch trainierenden
ximalkraftaufgaben berichten (z. B. Reiser, 2005; Gruppe (14,1 %) werden allerdings nicht erreicht.
Reiser et al., 2011). Der stärkste Vorstellungseffekt findet sich dabei zu
Yue u. Cole (1992) haben in einer Untersu- Beginn der Trainingsphase. Der Kraftanstieg in-
chung zeigen können, dass das Vorstellen maxi- folge des Mentalen Trainings wird als Verbesserung
maler Muskelkontraktionen (hier wurde die Ab- der muskulären Aktivierung und somit als Anpas-
duktion des kleinen Fingers trainiert) zu einer sung der zentralen Programmierung interpretiert.
vergleichbaren Verbesserung der isometrischen Für einen Kraftanstieg in der frühen Trai-
Maximalkraft führt wie ein tatsächlich durchge- ningsphase spricht auch eine Studie von Shackell
führtes Krafttraining. Smith et al. (2003) berich- und Standing (2007). Sie zeigten mit einer Un-
ten ebenfalls, dass durch ein reines Vorstellungs- tersuchung an 30 Leistungssportlern verschiede-
training die Abduktionskraft des kleinen Fingers ner Sportarten (Football, Basketball, Rugby), dass
signifikant gesteigert werden kann. Ranganathan ein Mentales Training einer Kräftigungsübung der
5.2 · Beeinflussende Variablen
39 5
Hüftbeuger über zwei Wochen mit fünf Trainings- gewinnen, bei der Siegerehrung einen Pokal in
einheiten pro Woche zu einem Kraftanstieg führte Empfang zu nehmen),
(praktisches Training: 28 %, Mentales Training: 4 kognitiv/generell (Vorstellungsinhalte, die sich
24 %, keine Verbesserung bei der Kontrollgruppe). auf situationsübergreifende Wettkampfstrate-
gien beziehen, z. B. allgemeintaktisches offensi-
Zusammenfassung der Ergebnisse. Bei Aufga- ves/defensives Vorgehen im Mannschaftssport),
ben mit motorischem Charakter kann Mentales 4 kognitiv/spezifisch (Vorstellungsinhalte, die
Training sinnvoll eingesetzt werden. Es wurden sich auf einen konkreten Bewegungs- oder
positive Effekte auch bei rein motorischen Aufga- Handlungsablauf beziehen).
ben wie Maximalkraftaufgaben festgestellt.
Die kognitiven Funktionen des Mentalen Trainings
> Insgesamt können folgende Ergebnisse zur
besitzen im Vergleich zu den motivationalen Funk-
Wirkung des Mentalen Trainings festgehalten
tionen für die grundlagenwissenschaftliche und an-
werden: Bei kognitiven Bewegungsaufgaben
wendungsbezogene Sportpsychologie eine wesent-
zeigen sich höhere Effektstärken als bei mo-
lich höhere Relevanz (vgl. Immenroth et al., 2008).
torischen Bewegungsaufgaben. Aber auch
Allerdings gibt es auch entsprechende Nach-
bei Aufgaben mit motorischem Charakter
weise für die motivationale Funktion des Mentalen
kann Mentales Training sinnvoll eingesetzt
Trainings. So konnten Page et al. (1999) in einer
werden. Es wurden sogar positive Effekte
Untersuchung an 40 Leistungsschwimmern fest-
bei rein motorischen Aufgaben wie Maxi-
stellen, dass Mentales Training die wahrgenom-
malkraftaufgaben gezeigt. Die Effekte bei
mene Wettkampfangst reduziert und zu einer Stei-
motorischen Aufgaben sind allerdings weni-
gerung des Selbstvertrauens führt. Der Einfluss des
ger stark ausgeprägt als die Effekte bei kog-
Mentalen Trainings auf die wettkampfbezogene
nitiven Aufgaben. Die Größe des Effekts des
Kompetenzüberzeugung ist schon mehrfach Ge-
Mentalen Trainings wird dabei auch von der
genstand wissenschaftlicher Untersuchungen ge-
gewählten Vorstellungsmodalität beeinflusst.
wesen. Durchgängig werden positive Effekte be-
Vorstellungen, die kinästhetische Informatio-
schrieben (Morris et al., 2005; Weinberg 2008;
nen beinhalten, führen zu stärkeren Effekten
Levy et al., 2011).
als rein visuelle Vorstellungen.
Diese Effekte des Mentalen Trainings auf leis-
Neben der Optimierung von Handlungs- und Be- tungsrelevante psychologische Variablen sind si-
wegungsabläufen werden in der anwendungsbezo- cherlich auch damit zu erklären, dass die Vorstel-
genen Sportpsychologie noch weitere Funktionen lung und das Nachvollziehen des eigenen positiven
des Mentalen Trainings unterschieden. Dabei wird und optimalen Handelns auch negatives Konse-
im Allgemeinen die Kategorisierung von Paivio quenzdenken unterbindet, das häufig als Auslöser
(1985) herangezogen, in der die zwei unabhän- für Wettkampfängste oder unzureichende Selbst-
gigen Dimensionen kognitiv/motivational und wirksamkeitserwartung angesehen wird.
spezifisch/generell unterschieden werden (vgl.
Immenroth et al., 2008). Aus diesem Kategori-
sierungssystem ergeben sich vier Funktionen des 5.2 Beeinflussende Variablen
Mentalen Trainings (vgl. dazu auch Munroe et al.,
2000; Short et al., 2005): Vorstellungsfähigkeit
4 motivational/generell (Vorstellungsinhalte, die Bisherige Arbeiten (u. a. Hinshaw, 1991) zeigen,
sich auf emotionale Zustände beziehen, z. B. dass für die Wirksamkeit des Mentalen Trainings
die Bewältigung von schwierigen Wettkampf- ganz unterschiedliche vermittelnde Variablen von
situationen), Bedeutung sind. Einen entscheidenden Einfluss
4 motivational/spezifisch (Vorstellungsinhalte, hat die Vorstellungsfähigkeit (Morris et al., 2005).
die sich auf spezielle motivierende Ziele be- Nach Bell (1983) scheinen diesbezüglich große
ziehen, z. B. einen bestimmen Wettkampf zu interindividuelle Unterschiede vorzuliegen, wo-
40 Kapitel 5 · Wirksamkeit des Mentalen Trainings

bei hier in erster Linie das Fertigkeitsniveau aus- auf die Effektivität des Mentalen Trainings aus. Au-
schlaggebend sein dürfte. Um die Vorstellungsfä- ßerdem ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Wirk-
higkeit zu erfassen und die methodischen Schritte samkeit des Mentalen Trainings über alle Fertig-
bei der Einführung des Mentalen Trainings darauf keitsstufen hinweg homogen ist, d. h., ein Novize
abzustimmen, empfehlen sich die bereits oben vor- wird bei ein und derselben Aufgabe einen anderen
gestellten Verfahren (7 Kap. 4.3). Nutzen für sich erzielen als ein Fortgeschrittener.
Dennoch zeigen die vorliegenden Befunde, dass
Wirksamkeitserwartung Mentales Training auch von Anfängern sinnvoll
Eine wichtige Rolle für die Entstehung intensiver eingesetzt werden kann (Blair et al., 1993). So muss
und lebhafter Vorstellungen spielt die Wirksam- beispielsweise die zu erlernende Gesamtbewegung
keitserwartung (Gray et al., 1984; Bandura, 1977), nicht vollständig bekannt sein, um sie effektiv men-
5 also die Überzeugung, lern- und leistungsoptimie- tal zu trainieren. Es ist es oft ausreichend, die we-
rende Vorstellungen auch selbst erzeugen zu kön- sentlichen Teilbewegungen zu kennen und diese in
nen. Wie in 7 Kap. 4.3 bereits angedeutet, erscheint der Vorstellung aneinanderzureihen (diese Methode
die Ausprägung der Wirksamkeitserwartung für wird z. B. häufig in kompensatorischen Sportarten
den langfristigen Erfolg des Mentalen Trainings zum Erlernen neuer Bewegungsmuster angewandt).
sogar wesentlicher zu sein als die Vorstellungsfä-
higkeit an sich (Short et al., 2005). Alter der Trainierenden
Es stellt sich an dieser Stelle die grundsätzliche
Aktivierungsgrad Frage, ab welchem Alter Mentales Training eine
Als weiterer wichtiger Einflussfaktor im Hinblick sinnvolle Trainingsmethode darstellt und inwie-
auf die Wirksamkeit des mentalen Trainings wird weit z. B. auch der Kinder- und Jugendhochleis-
der Aktivierungsgrad diskutiert. In Abhängigkeit tungssport davon profitieren kann.
von den Inhalten des Mentalen Trainings und dem Nach Munzert et al. (2000) haben entwick-
aktuellen Erregungszustand liegen sowohl positive lungspsychologische Studien (Kosslyn et al., 1990;
als auch negative (z. B. Gray et al., 1984) Zusam- Marmor, 1975) gezeigt, dass sich Vorstellungsleis-
menhänge zwischen Aktivierungsgrad und Wirk- tungen schon sehr früh herausbilden. So können
samkeit des Mentalen Trainings vor. Aufgaben zur mentalen Rotation von vorgestellten
Ein entspannter Wachzustand ist keine not- Gebilden schon mit sechs Jahren problemlos be-
wendige Voraussetzung für eine effektive Durch- wältigt werden, und auch das Vorstellen von Bewe-
führung des Mentalen Trainings (Louis, Collet & gungen ist bereits ab dem fünften Lebensjahr
Guillot, 2011). Allerdings ist in vielen Anwen- möglich, auch wenn die Qualität der Bewegungs-
dungsbereichen eine kurze Entspannungsphase vorstellung zu diesem Zeitpunkt noch großen
vor dem eigentlichen Mentalen Training durchaus Schwankungen unterworfen ist (vgl. Gabbart,
hilfreich und zu empfehlen, um sich stärker auf die 2009; Caeyenberghs et al., 2009; Hoyek et al.,
Innenwelt konzentrieren zu können (Eberspächer, 2009). Munzert et al. (2000) können zeigen, dass in
2001). Damit ist die Entspannungsphase als Hin- dem für viele Sportarten wichtigen Alter von zehn
führung zum Mentalen Training zu verstehen, die Jahren detaillierte und lebendige sportspezifische
eine entsprechende Aufmerksamkeitsfokussierung Vorstellungen gebildet werden können.
ermöglicht.

Art der Vorstellungsinhalte und


Tipp I I
Die praktische Erfahrung zeigt, dass bereits mit
Fertigkeitsniveau Kindern ab sechs Jahren die Vorstellung von
Weiterhin sind die Art der Vorstellungsinhalte und sportlichen Handlungen auf kindgerechte Art und
das Fertigkeitsniveau von Bedeutung. Wie bereits in Weise erarbeitet und auch mental trainiert werden
7 Kap. 4.2 dargestellt, sind kinästhetische Vorstel- kann. Viele Kinder nutzen sogar Formen des Men-
lungsinhalte eine wesentliche Ergänzung zur rein talen Trainings beim Spielen (Tobin et al., 2013).
visuellen Vorstellung und wirken sich auch positiv
5.2 · Beeinflussende Variablen
41 5

Anmerkung zur Interpretation von Wirksam-


keitsnachweisen zum Mentalen Training
In der Fachliteratur finden sich nach Immenroth
et al. (2008) nur wenige empirische Untersu-
chungen, bei denen das Mentale Training keine
positiven Effekte auf die Bewegungsausführung
hat. Es muss jedoch – allgemeinen methodo-
logischen Gesichtspunkten zufolge – davon
ausgegangen werden, dass insbesondere sol-
che Ergebnisse veröffentlicht werden, die die
Effektivität des Mentalen Trainings bestätigen.
Die oftmals als Beleg für die Wirksamkeit des
Mentalen Trainings aufgeführten Metaanalysen
z. B. von Driskell et al. (1994), Feltz und Landers
(1983) und Hinshaw (1991) müssen nach Im-
menroth et al. (2008) zwangsläufig lern- und
leistungssteigernde Effekte des Mentalen Trai-
nings nachweisen.
Obwohl die aufgeführten Metaanalysen
somit nicht als definitiver Beleg für die positive
Wirkung des Mentalen Trainings gelten können,
scheinen sie dennoch – das gilt insbesondere
für die Metaanalyse von Driskell et al. (1994) –
eine eindeutige Tendenz aufzuzeigen. So integ-
rieren diese Metaanalysen kontrollierte Studien,
die die positive Wirkung des Mentalen Trainings
auf die Bewegungsausführung in einzelnen
Sportarten und unter bestimmten Bedingun-
gen belegen.
Fazit: Mentales Training darf zumindest
unter bestimmten Anwendungsbedingungen als
erfolgreiches Instrument bezeichnet werden, um
»die Diskrepanz zwischen Ist- und Sollzustand
z. B. einer sportlichen Bewegung zu minimieren«
(Eberspächer & Immenroth, 1998, S. 18).
6

Wirkmechanismen des Mentalen


Trainings

6.1 Den Wirkmechanismen auf der Spur: Periphere Begleit-


erscheinungen des Mentalen Trainings – 44
6.1.1 Studien zur EMG-Aktivität – 44
6.1.2 Zeitliche Äquivalenz – 46
6.1.3 Kardiovaskuläre Begleiterscheinungen des Mentalen Trainings – 48

6.2 Theorieansätze zu möglichen Wirkmechanismen – 50


6.2.1 Hypothesen zu den Wirkmechanismen – 51
6.2.2 Weitere Erklärungsansätze – 53

J. Mayer, H.-D. Hermann, Mentales Training, DOI 10.1007/978-3-662-46819-7_6,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
44 Kapitel 6 · Wirkmechanismen des Mentalen Trainings

In der Medizin wurde bereits relativ früh erkannt, dass 6.1 Den Wirkmechanismen
sich Krankheiten oder Beschwerden bessern können, auf der Spur: Periphere
obwohl nur Placebos statt echten Medikamenten ver- Begleiterscheinungen
abreicht wurden. Der Begriff »Placebo« bedeutet: »Ich des Mentalen Trainings
werde gefallen«. Es handelt sich dabei um Tabletten,
Säfte, Kapseln usw., die wie ein echtes Medikament Um zu erklären, wie Vorstellungen sich auf das
aussehen, aber keine Wirksubstanz enthalten (Beecher, Bewegen und Handeln auswirken, und somit auch
1955; Harrington, 1999). Allein die Vorstellung, etwas die Anwendungsmöglichkeiten des Mentalen Trai-
Wirksames erhalten zu haben, kann demnach beim nings zu prüfen und ggf. zu rechtfertigen, wurden
Heilungsprozess eine wichtige Rolle spielen (Harring- schon früh zahlreiche Untersuchungen durchge-
ton, 1999). führt. Ziel dieser Studien war es zu zeigen, dass die
Als Grundprinzip des Placebo-Phänomens kann zentralen Prozesse beim Mentalen Training denen
festgehalten werden, dass auf systematische Weise Vor- der praktisch durchgeführten Bewegung entspre-
6 stellungen beim Patienten in Gang gesetzt werden, die chen. Dazu wurden folgende Ansätze verfolgt:
die körpereigenen Abwehr- und Heilkräfte mobilisieren. 4 Vergleich der elektromyographischen (EMG-)
Mittlerweile gibt es eine Reihe von systematischen The- Aktivität in der Muskulatur bei real durchge-
rapieverfahren auf der Basis von Vorstellungsprozessen, führter und vorgestellter Bewegung,
wie sie beispielsweise von Simonton et al. (1996) im 4 Vergleich der zeitlichen Dauer von real durch-
Rahmen der Onkologie beschrieben werden (7 Kap. 9). geführter und vorgestellter Bewegung,
Der Ursprung der wissenschaftlichen Beschäf- 4 Vergleich der peripheren, physiologischen
tigung mit Vorstellungen und deren Auswirkungen (kardiovaskulären) Begleiterscheinungen bei
auf Bewegungen, bezogen auf die Lern- oder Leis- real durchgeführter und vorgestellter Bewe-
tungssteigerung, sind wohl die Untersuchungen von gung.
Lotze Mitte des 19. Jahrhunderts (Immenroth et al.,
2008). Lotze (1852) beschrieb das Phänomen, dass die
Bewegungsvorstellung bzw. -wahrnehmung zum Mit- 6.1.1 Studien zur EMG-Aktivität
vollzug »mit leisen Bewegungen« (Lotze, 1852, S. 293)
führen kann. Bekannt geworden ist dieses Phänomen Eine der ersten Studien, die den 1894 von Car-
unter dem Begriff des »Carpenter-Effekts«. Carpenter penter vorgestellten Effekt (s. oben) belegen sollte,
stellte 1894 ein ideomotorisches Prinzip vor, wonach dass bei der intensiven Vorstellung einer Bewe-
bei der intensiven Vorstellung einer Bewegung äqui- gung ähnliche Muskelpotenziale messbar seien wie
valente Muskelpotenziale messbar seien wie bei der bei der tatsächlichen Durchführung dieser Bewe-
tatsächlichen praktischen Durchführung dieser Bewe- gung, geht auf Jacobson (1932) zurück.
gung (Hinshaw, 1991; Immenroth et al., 2008). Jacobson maß während des Mentalen Trai-
Jastrow führte 1892 eine Studie zu sogenannten nings die Aktionspotenziale in den entsprechen-
unfreiwilligen Bewegungen durch. Dazu entwickelte er den Muskelgruppen. Dabei bekamen Probanden
den Automatographen, der sämtliche Bewegungen der nach einer Entspannungsphase (= gerade Linie auf
Hand in horizontaler Ebene aufzeichnete. Das Ergebnis dem Messgerät) Anweisungen wie »Stell Dir eine
der Untersuchung war, dass die Hand unbewusst dem Beugung des rechten Arms vor!«, mit dem Er-
Aufmerksamkeitsfokus (visuell, akustisch und/oder ima- gebnis, dass die Nadel des Messgeräts ausschlug.
ginär) folgte. Somit, so folgerte er, müsse eine Beziehung Anschließend wurden die Spuren der mentalen
zwischen den Muskeln und den Gedanken – oder anders Bewegungen, die das Messgerät erstellt hatte, mit
ausgedrückt: zwischen Körper und Geist – bestehen. den Spuren der realen Bewegungen verglichen. Es
Die ersten experimentellen Untersuchungen zum zeigte sich, dass die Verläufe der Spuren vergleich-
Mentalen Training begannen während der 30er-Jahre bar waren und sich lediglich hinsichtlich der Span-
des vergangenen Jahrhunderts. In diesem Kapitel nung (bei der tatsächlichen Bewegungsausführung
werden einige dieser Untersuchungen exemplarisch war diese bedeutend größer als bei mentaler Aus-
dargestellt. führung) unterschieden.
6.1 · Den Wirkmechanismen auf der Spur: Periphere Begleiterscheinungen
45 6
Um auszuschließen, dass bei Mentalem Trai- ler Zustände mit der EMG-Aktivität beim rea-
ning im ganzen Körper Aktionspotenziale fließen len Durchleben dieser Zustände verglichen wird.
und nicht nur in den Gliedmaßen, in denen man In einer Studie von Schwartz et al. (1980) wur-
sich die Bewegung vorstellt, wurde auch im lin- den Emotionen wie Glück, Traurigkeit, Wut und
ken Arm das Aktionspotenzial gemessen. Es zeigte Angst untersucht. Es zeigte sich, dass die mentalen
sich, dass nur am rechten Arm derartige Spannun- EMG-Aktivitäten »Miniaturen« der aktiven (nicht
gen festzustellen waren. Jacobson konnte somit mentalen) EMGs waren und die verschiedenen
demonstrieren, dass eine spezifische Veränderung emotionalen Zustände unterschiedliche EMG-
der Muskelinnervation jeweils mit einer spezifi- Diagramme lieferten. So wurden beispielsweise
schen vorgestellten Bewegung zusammenhängt. So glückliche Vorstellungen mit einer hohen zygoma-
führt die Vorstellung, einen schweren Gegenstand tischen Aktivität (Jochbeinfalte) und sehr geringer
anzuheben, zu einer erhöhten Innervation der ent- Stirnfaltenaktivität in Verbindung gebracht, wäh-
sprechenden Armmuskulatur, allerdings zu einer rend traurige Vorstellungen genau das umgekehrte
deutlich geringeren Innervation als bei tatsächlich Aktivierungsmuster auslösten.
ausgeführter Bewegung. Des Weiteren ließ sich feststellen, dass derar-
In weiteren, ähnlichen Untersuchungen fand tige emotionale Vorstellungsbilder auch zu ent-
Jacobson heraus, dass die Vorstellung rhythmi- sprechenden kardiovaskulären Veränderungen
scher Bewegungen auch zu rhythmischen Verläu- führen. Schwartz et al. (1980) konnten beispiels-
fen von Aktionspotenzialen führt im Vergleich zu weise zeigen, dass die Vorstellung von Angst oder
kurzen, azyklischen Bewegungsvorstellungen, die Ärger mit einer Beschleunigung des Herzschlags
nur für ein kurzes Auftreten von Aktionspotenzial und einem ansteigenden systolischen Blutdruck in
sorgen. Zusammenhang gebracht werden kann.
In einer von Bird (1984) durchgeführten Un- Diese Erkenntnisse sind uns aus dem Alltag
tersuchung an fünf Sportlern wurden die EMG- bekannt: Allein die Vorstellung z. B. einer Beleidi-
Werte bei praktischem Training und bei Mentalem gung löst entsprechenden Ärger und – damit ver-
Training aufgezeichnet und verglichen. In fast al- bunden – körperliche Erregung (ansteigender Puls
len Fällen entsprachen die mentalen EMG-Dia- und erhöhter Blutdruck) aus. Insofern erscheint es
gramme sowohl zeitlich und rhythmisch als auch durchaus plausibel, dass die Vorstellung von z. B.
hinsichtlich der Intensität den EMG-Diagrammen anstrengenden Handlungen oder Bewegungen
bei entsprechendem praktischem Training (ledig- ähnliche physiologische Erscheinungen auslösen
lich die Ausprägung war geringer). Bei einer ein- könnte.
zigen Sportlerin stimmte der zeitliche Ablauf des Untersuchungen zur EMG-Aktivität bei der
Mentalen Trainings nicht mit der für die prakti- Vorstellung sportlicher Bewegungen kommen zu
sche Ausführung benötigten Zeit überein, was auf ähnlichen Ergebnissen. So konnten Bakker et al.
ihre geringe Erfahrung in der Sportart zurückge- (1996) in einer Untersuchung feststellen, dass beim
führt werden konnte. Mentalen Training einer Oberarmbewegung (Bi-
Die Autorin weist darauf hin, dass durch die zeps-Curls) die EMG-Aktivität im Vergleich zum
Kontrolle des Mentalen Trainings per EMG auch anderen Arm deutlich anstieg und dass es auch
Fehler in der Vorstellung einer Bewegung oder Unterschiede bei verschiedenen Gewichten gab.
Technik aufgedeckt und anschließend verringert Die vorliegenden Ergebnisse können schon als
oder ausgeschaltet werden können. Nicht über- ein erster Hinweis darauf betrachtet werden, dass
einstimmende Spuren der EMGs weisen auf Vor- beim Mentalen Training die zentralen Prozesse
stellungsfehler oder Stress hin und können durch denen der praktisch durchgeführten Bewegung
Korrekturen der Vorstellung verringert oder aus- entsprechen.
geschaltet werden. In der Praxis kommen beim Mentalen Training
Vergleichbare Ergebnisse werden berichtet, Mitbewegungen von Gliedmaßen oder auch Kopf-
wenn die EMG-Aktivität von Gesichtsmuskeln bewegungen durchaus häufig vor. Im Allgemeinen
bei der Vorstellung verschiedener emotiona- kann man sagen: Je intensiver und lebhafter die
46 Kapitel 6 · Wirkmechanismen des Mentalen Trainings

Vorstellung ist, umso eher lassen sich Begleitbewe- Durchführung entsprach der gleichen wie im ers-
gungen in der Peripherie beobachten, was grund- ten Experiment, mit dem Zusatz, dass die Proban-
sätzlich dafür spricht, dass entsprechende Muskel- den diesmal einen 25 kg schweren Rucksack tra-
potenziale beim Mentalen Training messbar sind. gen mussten. Die praktischen Laufzeiten blieben
Wir hatten oben bereits darauf hingewiesen, dass weitgehend unverändert, während sich die für die
das Mentale Training mit derartigen Begleitbewe- mentale Durchführung benötigten Zeiten verlän-
gungen auch effektiver zu sein scheint (Gouillot, gerten. Dieses Ergebnis widerlegte sowohl die Hy-
Moschberger & Collet, 2013). pothese der Zeitabspeicherung als auch die eines
gleichen Mechanismus. Eine mögliche Erklärung
für dieses Ergebnis lieferten die Probanden selbst,
6.1.2 Zeitliche Äquivalenz indem sie angaben, bei der mentalen Durchfüh-
rung eine sehr große Anstrengung verspürt zu ha-
Wie sich bereits in der Studie von Bird angedeutet ben, die mit der Distanz zunahm. Diese Anstren-
6 hat, besteht zwischen den mentalen Abläufen einer gung sei ihnen bei der praktischen Durchführung
Bewegung und der praktischen Ausführung eine nicht in diesem Maße aufgefallen.
zeitliche Äquivalenz. In weiteren Untersuchungen In einer weiteren Studie untersuchten Decety
stand diese zeitliche Übereinstimmung im Mittel- und Michel (1989) die zeitliche Übereinstimmung
punkt des Interesses. bei der mentalen und praktischen Durchführung
von Schreib- und Zeichenbewegungen. Die Pro-
Studien banden sollten einen Satz aufschreiben und einen
In einer Untersuchung von Decety et al. (1989) Würfel zeichnen, einmal praktisch, einmal in der
sollten Probanden aus zwei Testgruppen (einmal Vorstellung. Dies wurde für beide Hände und un-
mit und einmal ohne Mentales Training) drei un- terschiedliche Schreib- und Zeichengrößen unter-
terschiedlich lange Strecken (5, 10 und 15 m) mit sucht. Es zeigten sich hohe Übereinstimmungen
verbundenen Augen zurücklegen. Die Experimen- der mentalen und realen Bewegungsdurchführung.
talgruppe sollte die Strecken nicht nur praktisch Um die Hypothese, dass mentale und prakti-
(wie die Kontrollgruppe), sondern auch in der sche Ausführungen von dem gleichen Mechanis-
Vorstellung durchlaufen. mus gesteuert werden, zu belegen, führten Decety
Ein Ergebnis dieser Studie war, dass sich das und Jeannerod (1996) einen Versuch in einer vir-
Mentale Training positiv auf die Genauigkeit der tuellen Realität durch. Dabei wurde untersucht, in-
Laufrichtung (sowohl hinsichtlich der Länge als wieweit das Fitt’sche Gesetz (Fitt’s Law = Zunahme
auch hinsichtlich der seitlichen Abweichung) aus- des Schwierigkeitsgrades bedeutet Abnahme der
wirkte. Ein weiteres – und wesentlich bedeutende- Durchführungsgeschwindigkeit) auch bei der
res – Ergebnis war, dass zwischen den gemessenen mentalen Bewegungsdurchführung bestätigt wer-
Zeiten von mentalem und praktischem Ablaufen den kann.
der verschiedenen Streckenlängen kein wesentli- Der Versuch wurde mit 16 Probanden durch-
cher Unterschied festgestellt werden konnte. De- geführt, die in einer dreidimensionalen virtuel-
cety et al. (1989) sahen dafür zwei mögliche Erklä- len Szene drei simulierte Gatter unterschiedlicher
rungen: Zum einen könnte es sein, dass die für die Breite und Distanz mental durchlaufen sollten,
praktische Durchführung benötigte Zeit abgespei- während die Zeit gemessen wurde. Ziel war es,
chert und bei der mentalen Durchführung wieder zu beweisen, dass die Zeit sowohl mit der Distanz
abgerufen wird. Alternativ könnte bei der mentalen der Gatter als auch mit deren Weite korreliert. Die
wie bei der praktischen Durchführung der gleiche erhobenen Messungen ergaben eine Abhängigkeit
Mechanismus beteiligt sein, was die Vergleichbar- der Laufgeschwindigkeit sowohl von der Gatter-
keit der Zeiten ebenfalls erklären würde. breite als auch von der Entfernung: Bei weiter ent-
Um die beiden Annahmen zu überprüfen, fernten Gattern und bei engeren Gattern (erhöhte
wurde ein zweites, ähnliches Experiment mit der Schwierigkeit) benötigten die Probanden mehr
mental trainierenden Gruppe durchgeführt. Die Zeit zur Aufgabenbewältigung.
6.1 · Den Wirkmechanismen auf der Spur: Periphere Begleiterscheinungen
47 6
Fitt’s Law scheint auch bei vorgestellter Bewe- noch nicht automatisiert sind (z. B. beim Erler-
gungsausführung bestätigt: Die Aufgabenschwie- nen des Golfabschlags), passiert es beim Mentalen
rigkeit hat ebenso Einfluss auf eine real ausgeführte Training häufig, dass die vorgestellte Bewegung
wie auf eine mental simulierte Bewegung. Diese sehr viel länger dauert als die reale Durchführung
Ergebnisse stützen die Annahme, dass bei der men- der Bewegung.
talen Bewegungsausführung die gleichen Systeme Sind Bewegungen hoch automatisiert entspre-
beteiligt sind und somit die gleichen Programme chen sich Vorstellungs- und Ausführungsdauer
ablaufen wie bei der praktischen Ausführung. eher. So konnten bspw. Louis et al. (2012) an Alpi-
Maruff et al. (1999) bestätigten die Ergebnisse nen Skifahrern und »equestrian riders« feststellen,
von Decety und Jeannerod (1996). Sie verglichen dass die zeitliche Äquivalenz von vorgestellter und
die Bewegungsgenauigkeiten der dominanten und tatsächlicher Bewegung bei Experten besser ist als
der nicht dominanten Hand (praktisch und mental) bei Novizen. Dies bestätigen auch Studien mit Be-
und berichteten von sehr hohen zeitlichen Überein- zug auf Grafik-, Zeichen- und Zeigeaufgaben (z. B.
stimmungen zwischen vorgestellter und praktisch Watson & Rubin, 1996; Papaxanthis et al., 2002b;
durchgeführter Bewegung, insbesondere bei der do- Radulescu et al., 2010) sowie auf gemessene Geh-
minanten Hand. Bei der nicht dominanten Hand zeiten (beispielsweise Berthoz, 1996; Papaxanthis et
wurde auch bei der Bewegungsvorstellung eine ent- al., 2002b).
sprechend verlangsamte Durchführung festgestellt.
> Die zeitliche Übereinstimmung von realer
Papaxanthis et al. (2002a) führten ein weiteres
und vorgestellter Bewegungszeit kann nur
Experiment zum Timing von mental und praktisch
als eines von vielen Kriterien und nicht als
durchgeführten Bewegungen durch. Dabei wur-
der alleinige Indikator für die Qualität einer
den Armbewegungen mit unterschiedlichen Rich-
Bewegungsvorstellung betrachtet werden.
tungsvorgaben und unterschiedlicher Gewichtsbe-
lastung (1 kg und 1,5 kg) von Probanden praktisch
und mental durchgeführt. Auch hier stellte sich Unter- und Überschätzung der eigentlichen
heraus, dass die Dauer der vorgestellten Bewegung Bewegungsdauer beim Mentalen Training
nahezu identisch mit der Dauer der tatsächlich Es ist offensichtlich, dass beim Mentalen Trai-
durchgeführten Bewegung war, unabhängig von ning kein adäquater Vergleichsmechanismus, z. B.
der Gewichtsbelastung. das Feedback aus der Umwelt, zur Einschätzung
der zeitlichen Genauigkeit zur Verfügung steht.
Zusammenfassung der Ergebnisse. Die Ergeb- Es wird daher bei ansteigender Komplexität der
nisse der Studien zur zeitlichen Äquivalenz lassen Bewegung für den mental Trainierenden immer
sich wie folgt zusammenfassen: schwieriger, eine zeitliche Äquivalenz zu erzielen.
4 Zwischen der praktischen Durchführung und Einige Untersuchungen geben Grund zu der An-
der Vorstellung einer Bewegung besteht kein nahme, dass hierbei verschiedene Einflussfaktoren
wesentlicher Zeitunterschied. zu beachten sind (Ceritelli et al., 2000; Munroe et
4 Das für die praktische Bewegungsdurchfüh- al., 2000; Calmels & Fournier, 2001).
rung bestehende Gesetz, dass die Zunahme Zu einer Unterschätzung der Bewegungsdauer
des Schwierigkeitsgrades die Abnahme der während des Mentalen Trainings kommt es z. B.
Durchführungsgeschwindigkeit nach sich 4 direkt vor einem Wettkampf, da der oft be-
zieht, gilt auch für vorgestellte Bewegungen. grenzte zeitliche Rahmen zu einer Beschleuni-
gung der Vorstellung beiträgt,
Es scheint demnach nachgewiesen, dass die men- 4 wenn nur ganz besondere Aspekte der Bewe-
tale Bewegungsausführung genauso viel Zeit in gung vorgestellt werden, z. B. nur die Ausfüh-
Anspruch nimmt wie die tatsächliche praktische rungsphase oder bestimmte anspruchsvolle
Durchführung. Dieses Phänomen setzt allerdings Abschnitte der Handlung, nicht aber Vorberei-
– insbesondere bei komplexeren Bewegungen – tungs-, Konzentrationsphasen und Pausen.
einige Trainingszeit voraus. Bei Bewegungen, die
48 Kapitel 6 · Wirkmechanismen des Mentalen Trainings

Zu einer Überschätzung kommt es dagegen Lauferlebnis sehr intensiv. Später wurden sie aufge-
4 im Falle von relativ schnellen und komplexen fordert, diese Aufgabe mental durchzuführen: Sie
Bewegungen, wie z. B. dem Golfabschlag, ei- bekamen die Laufbandgeräusche vorgespielt und
ner Turnübung oder dem Tennisaufschlag, sollten sich dabei vorstellen, in den unterschiedli-
4 mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad der Be- chen Tempi zu laufen. In beiden Durchgängen wur-
wegungsaufgabe. den u. a. die Herzfrequenz und das Atemvolumen
gemessen. Beim Mentalen Training stiegen sowohl
> Allgemein werden Über- und Unterschätzung
die Herzfrequenz als auch das Atemvolumen pro-
vermehrt bei weniger erfahrenen Athleten
portional zur vorgestellten Laufgeschwindigkeit.
festgestellt, da diese aufgrund fehlender Auto-
Die in Studien festgestellten körperlichen Ver-
matisierung oder mangelhaften Wissens über
änderungen beim Mentalen Training sind eigent-
die korrekte Ausführung größere Probleme bei
lich vegetativ nicht erforderlich. Damit stützen
der zeitlich akkuraten Bewegungssimulation
auch diese Ergebnisse die Annahme einer funktio-
haben (u. a. Isaac, 1992; Reed, 2002; Louis et
6 al., 2012).
nalen Äquivalenz von vorgestellter und praktischer
Bewegung.
In einer Studie von Mulder et al. (2005) konnte
allerdings gezeigt werden, dass diese körperlichen
6.1.3 Kardiovaskuläre Begleiterschei- Begleiterscheinungen beim Mentalen Training
nungen des Mentalen Trainings nicht ohne Weiteres zu beobachten sind. Es ist
nicht die körperliche Anforderung der vorgestell-
Wenn es erste Hinweise dafür gibt, dass beim ten Übung an sich, die die entsprechenden Begleit-
Mentalen Training vergleichbare Muskelpotenziale erscheinungen hervorruft, sondern es spielen eben
messbar sind wie bei praktischer Bewegung und auch motivational-emotionale Faktoren der Person
wenn außerdem die zeitliche Dauer beim Menta- eine Rolle, die sich die Bewegung vorstellt. Diese
len Training äquivalent zur Dauer der praktischen Ergebnisse sind ein Hinweis darauf, dass nur das
Durchführung ist, stellt sich die Frage, ob auch individuelle, lebhafte und intensive Vorstellen kör-
weitere periphere Begleiterscheinungen, wie z. B. perliche Begleiterscheinungen auszulösen scheint.
Reaktionen des vegetativen Nervensystems auf Be- Unter Umständen wurde die erhöhte Intensität der
wegungsanforderungen (Herzfrequenz, Blutdruck Vorstellung in der Studie von Decety et al. (1991)
etc.), bei praktischer und vorgestellter Bewegungs- dadurch erreicht, dass die (kurz vorher erlebten)
ausführung übereinstimmen. Geräusche des sich bewegenden Laufbands das
Mentale Training unterstützten.
Studien Calabrese et al. (2004) versuchten nachzuwei-
White et al. (1977) konnten im Rahmen früher sen, dass insbesondere kardiovaskuläre Begleiter-
Untersuchungen zur Wirksamkeit von Biofeedback scheinungen beim Mentalen Training abhängig
feststellen, dass die Vorstellung durchaus Einfluss auf von der praktischen Erfahrung in der Tätigkeit
die physiologischen Reaktionen (hier: Herzfrequenz) sind. Dies ließ sich aber nicht bestätigen: Auch un-
hat, dass allerdings die Art und Intensität der Vor- geübte Ruderer zeigten bei der bloßen Vorstellung,
stellung eine relevante Einflussgröße darstellt. Die ein Ruderrennen durchzuführen, entsprechende
Untersuchung von White et al. (1977) wies bereits kardiovaskuläre Veränderungen.
darauf hin, dass, je lebhafter und intensiver man sich Untersucht wurden die Herzfrequenz und At-
eine Bewegung vorstellen kann, desto eher periphere mung beim Beobachten und beim Vorstellen eines
Begleiterscheinungen messbar sein werden. Ruderrennens. Dabei unterschieden Calabrese et
Eine Untersuchung von Decety et al. (1991) al. vier Probandengruppen:
konnte entsprechende Effekte bei einem Laufband- 4 Ruderer (Leistungssportler),
test zeigen: Zunächst mussten die Probanden je 3 4 Leistungssportler (keine Ruderer),
Minuten in drei unterschiedlichen Tempi (5, 8 und 4 Studenten (22–30 Jahre alt),
12 km/h) laufen, d. h., die Probanden erfuhren das 4 Senioren (50–60 Jahre alt).
6.1 · Den Wirkmechanismen auf der Spur: Periphere Begleiterscheinungen
49 6
Im Versuchsablauf wurde zunächst ein Video von 1. Messung: 3 Min. Hindu-Squats (. Abb. 6.1).
einem olympischen 2000-Meter-Ruderrennen ge- Anschließend Pulsmessung.
zeigt, danach hatten die Probanden die Aufgabe, 2. Messung: Sitzen auf einen Stuhl, ca. 2 Min.
sich in einen Ruderer zu versetzen und sich das Entspannung. Anschließend Pulsmessung.
Rennen aus der Innenperspektive vorzustellen. 3. Messung: 3 Min. Hindu-Squats in der Vorstel-
Auch hier wurde die Intensität des Mentalen Trai- lung (. Abb. 6.1). Anschließend Pulsmessung.
nings dadurch unterstützt, dass die Geräusche der Es ist darauf zu achten, dass die Vorstellung so
Startvorbereitung bis zum Startschuss des Video- lebhaft wie möglich ist. Die Probanden sollten
tapes auch in der Vorstellungsbedingung vorge- versuchen, in der Vorstellung die Bein- und Rü-
spielt wurden. Es konnte festgestellt werden, dass ckenmuskulatur zu spüren.
alle Gruppen deutliche Veränderungen in den
kardiovaskulären und respiratorischen Variablen Höchstwahrscheinlich ist folgendes Ergebnis fest-
aufwiesen. Tendenziell war dabei der Effekt beim stellbar:
Vorstellen stärker als beim bloßen Zuschauen. 4 Im entspannten Zustand wird ungefähr der
Ruhepuls gemessen.
Beispiel 6.1: Versuch zur Überprüfung der 4 Nach 3 Min. Hindu-Squats wird nahezu Maxi-
kardiovaskulären Begleiterscheinungen von malpuls gemessen.
tatsächlicher und vorgestellter Bewegung 4 Nach der erneuten Entspannungsphase wird
4 Material: Pulsmesser wieder ungefähr der Ruhepuls gemessen.
4 Durchführung: 4 Beim bloßen Vorstellen der Hindu-Squats
Base-Line: Sitzen auf einem Stuhl, ca. 2 Min. erhöht sich der Pulsschlag wieder leicht
Entspannung. Anschließend Pulsmessung. (ca. 5–10 Schläge pro Minute).

. Abb. 6.1 Hindu-Squats: Die-


se Übung wird auch »Indische
Kniebeuge« genannt. Durch die
maximale Kniebeugung ist die
Übung sehr viel anstrengender als
eine herkömmliche Kniebeuge;
daher wird auch in relativer kurzer
Zeit der individuell maximale Puls
erreicht sein
50 Kapitel 6 · Wirkmechanismen des Mentalen Trainings

Bisherige Studien beziehen sich allerdings nur auf den Wirkmechanismen. Zur Beantwortung dieser
die Bewegungsvorstellung im Allgemeinen, es wird Frage sind eine Vielzahl an theoretischen Erklä-
also nicht zwischen verschiedenen Vorstellungs- rungsansätzen vorgeschlagen worden (7 Übersicht
perspektiven unterschieden. im Kasten; Grouios, 1992a; Hinshaw, 1991).
Wang und Morgan (1992) untersuchten da-
her physiologische Korrelate der Innenperspek-
tive und der Beobachterperspektive. Bei einem Theorieansätze zur Erklärung der
mentalen Hanteltraining wurden beide Pers- Wirkmechanismen des Mentalen Trainings
pektiven unterschieden. Die Ergebnisse zeigen (nach Morris et al., 2005)
hier, dass sich während des Mentalen Trainings
aus der Innenperspektive ähnlich wie beim vo- Klassische Theorien:
rausgehenden physischen Training Herz- und 4 Psychoneuromuskuläre Theorie (Carpenter,
Atemfrequenz sowie Blutdruck entsprechend Jacobsen, Richardson): Mentales Training
6 verändern; zwar geringer als beim praktischen steigert die Leistung durch die dabei
Training, aber stärker als bei der Beobachterper- entstehenden aufgabenspezifischen
spektive. minimalen elektrischen Signale in der
An einfachen Übungen wie dem vorgestellten Muskulatur, die das gleiche Muster auf-
Versuch (7 Beispiel 6.1) kann nachvollzogen wer- weisen wie bei einer tatsächlichen Bewe-
den, inwieweit beim Vorstellen anstrengender Be- gungsausführung.
wegungen kardiovaskuläre Begleiterscheinungen 4 Theorie des symbolischen Lernens (Sackett):
messbar sind. Bewegungen und Aufgaben enthalten
Es kann an dieser Stelle festgehalten werden, immer eine Komponente symbolischer Re-
dass die hier vorgestellten Studien erste Hinweise präsentanz. Das Mentale Training stellt eine
darauf geben, dass beim Mentalen Training der Möglichkeit dar, die Bewegungssequenzen
gleiche zentrale Prozess abläuft wie beim aktiven symbolisch einzuüben und dadurch das
Bewegungsvollzug. Grundsätzlich erweist es sich Abspeichern von Bewegungsmustern in re-
als schwierig, die Frage der funktionalen Äquiva- levanten Strukturen des Gehirns zu erleich-
lenz über periphere Begleiterscheinungen zu erfas- tern.
sen; es wurden schließlich auch widersprüchliche
Ergebnisse erzielt. Dennoch lassen die vorliegen- Kognitive Theorien:
den Ergebnisse die Vermutung zu, dass die Lebhaf- 4 Dual-code-Theorie (Paivio): Information
tigkeit oder Intensität der Bewegungsvorstellung kann entweder als Wort oder als Bild abge-
eine erhebliche Rolle spielt. speichert werden. Mentales Training sorgt
Diese Vermutung lässt sich schlüssig in ent- dafür, dass beide Kodierungen genutzt
sprechende theoretische Ansätze einbetten, wobei werden. Aufgrund der Unabhängigkeit der
hier festzustellen ist, dass lange Zeit bestimmte beiden Repräsentationen steigt die Chance,
theoretische Ansätze und Hypothesen die Diskus- die Information bei Bedarf erfolgreich abru-
sion um die Wirkmechanismen des Mentalen Trai- fen zu können.
nings dominieren. 4 Bioinformational Theory (Lang): Bilder sind
nicht nur eine sensorische Wahrnehmung,
sondern auch immer mit einer bestimmten
6.2 Theorieansätze zu möglichen Bedeutung verknüpft. Die Bedeutungen
Wirkmechanismen sind in drei verschiedene Klassen von Aus-
sagen zu gliedern: Stimulus (Umwelt), Reak-
Wie in 7 Kap. 5 ausführlich dargelegt, ist nicht die tion, Interpretation der Vorgänge. Mentales
Frage, ob Mentales Training wirkt, zentraler Ge- Training stärkt die Verbindung zwischen
genstand der wissenschaftlichen Auseinanderset- 6 Stimulus und Reaktion.
zung gewesen, sondern vielmehr die Frage nach
6.2 · Theorieansätze zu möglichen Wirkmechanismen
51 6
6.2.1 Hypothesen zu den
4 Triple-Code-Theorie (Ahsen): Mentales Wirkmechanismen
Training hat Einfluss auf drei verschiedene
leistungsrelevante Komponenten: Die zahlreichen in der Literatur diskutierten theo-
– Vorstellung: innere Repräsentation aller retischen Ansätze (7 Übersicht im Kasten), die zur
mit der Bewegung in Zusammenhang Erklärung der Wirkmechanismen des Mentalen
stehenden Wahrnehmungen. Trainings herangezogen werden, lassen sich nach
– Somatische Reaktion: Veränderung psy- Heuer (1985) drei Kategorien von Hypothesen zu-
chophysiologischer Faktoren durch die ordnen:
Vorstellung. 4 kurios,
– Bedeutung der Vorstellung: Die individu- 4 unspezifisch und
ellen Erfahrungen führen zu interpersonell 4 spezifisch.
unterschiedlichen Repräsentationen bei
gleichen Instruktionen. Gerade die Kom- Auf die ausführliche Darstellung der kuriosen
ponente der Bedeutung wird nach Ahsen Hypothesen, in denen das Mentale Training als
in anderen Theorien häufig vernachlässigt. spezieller Fall des Nachahmungslernens verstan-
4 Gross Framework or Insight Theory (Grouios, den wird, und der unspezifischen Hypothesen, bei
Hale): Mentales Training wirkt vor allen denen die Effekte des Mentalen Trainings lediglich
Dingen unterstützend bei der Entwicklung auf erhöhte Motivation bzw. Aufmerksamkeit zu-
eines ganzheitlichen Bildes von einer Fähig- rückführt werden, soll hier verzichtet werden, da
keit, weniger bei der detaillierten Betrach- die bisherigen empirischen Befunde zum Menta-
tung von Bewegungen. Die Wurzeln dieser len Training diesen Erklärungsansätzen widerspre-
Theorie liegen in der Gestaltpsychologie. chen. So können die durch das Mentale Training
bewirkten Leistungsverbesserungen nicht durch
Zustandsbezogene psychologische Theorien: die kuriosen Hypothesen erklärt werden, und die
4 Attention-Arousal Set Theory (Schmidt): spezifischen Wirkungen des Mentalen Trainings
Mentales Training ist ein Element der Leis- bei kognitiven Bewegungsaufgaben sind auch nicht
tungsvorbereitung. Der Beitrag besteht allein auf Motivations- oder Aufmerksamkeitsstei-
darin, den Athleten durch die notwendige gerung (unspezifische Hypothesen) zurückzufüh-
Aufmerksamkeit auf das optimale Erre- ren (Immenroth et al., 2008).
gungsniveau zu bringen. Effekte außerhalb
der direkten Leistungsvorbereitung bleiben Spezifische Hypothesen
dabei unberücksichtigt. Spezifisch werden Hypothesen genannt, denen die
4 Selbstwirksamkeit/Selbstbewusstsein (Ban- Annahme zugrunde liegt, dass Mentales Training
dura, Grouios): Durch Mentales Training spezifische (im Gegensatz zu unspezifischen) Wir-
wird die Erfolgs- bzw. Selbstwirksamkeits- kungen erzielt. Zu den spezifischen Hypothesen
erwartung gesteigert, was wiederum die zählen
tatsächliche Performance verbessert. 4 die kognitive Hypothese,
4 Motivationale Ansätze (Paivio): Mentales Trai- 4 die ideomotorische Hypothese und
ning hat vorwiegend motivationale und kog- 4 die Programmierungshypothese.
nitive Effekte bei der Leistungsverbesserung.
4 Funktionale Äquivalenz (Farrah, Finke, Jean- Bevor die Hypothesen jedoch im Einzelnen be-
nerod): Mentales Training, verbunden mit schrieben werden, sei ein Postulat vorangestellt:
Wahrnehmung bzw. mit Bewegung, bean- Bewegungen, genauer Bewegungsmuster, können
sprucht gemeinsame Strukturen im Gehirn. auf unterschiedliche Arten beschrieben und damit
Bei Mentalem Training wird lediglich die auch auf unterschiedliche Arten gelernt werden.
tatsächliche Ausführung blockiert. Demnach postuliert Heuer (1985, S. 193), »daß
innere Repräsentationen eines Bewegungsmusters
52 Kapitel 6 · Wirkmechanismen des Mentalen Trainings

entwickelt werden können, die diesen Beschrei- ten Bewegung sein können, ist diese Hypothese
bungen entsprechen«. Es gibt vier unterschiedliche kaum haltbar.
Arten, Bewegungsmuster zu beschreiben:
4 die motorische, Programmierungshypothese
4 die kinästhetische, Ein weiterer Ansatz, diesen »nicht kognitiven
4 die räumlich-bildhafte sowie Rest« zu erklären, führt zur Programmierungshy-
4 die symbolische oder auch sprachliche Be- pothese, die letztlich eine Modifikation der ideo-
schreibung. motorischen Hypothese darstellt. Im Rahmen der
Programmierungshypothese wird angenommen,
Dabei erfolgt die motorische Beschreibung über dass die zentralen motorischen Prozesse, die bei
das raum-zeitliche Muster efferenter Kommandos, der Vorstellung einer Bewegung ablaufen, weit-
die kinästhetische über das Bewegungsgefühl, die gehend identisch mit den Prozessen sind, die der
räumlich-bildhafte über die raum-zeitlichen Ver- Bewegungsausführung zugrunde liegen. Dies be-
6 laufsmerkmale und die symbolische über Sprache stätigen neurophysiologische Untersuchungen
(Heuer, 1985). (7 Kap. 7). Es wird daher auch von einer funktio-
nalen Äquivalenz zwischen Bewegungsvorstellung
Kognitive Hypothese und -ausführung gesprochen (Daugs & Blischke,
»Der kognitiven Hypothese nach ist die mentale 1996). Der Grundgedanke dabei ist, den zentra-
Übung auf die kognitiven Anteile motorischer Fer- len Prozess, der durch Bewegungsvorstellungen
tigkeiten beschränkt.« (Heuer, 1985, S. 193) induziert wird, als wesentlich für die Wirkung des
Mentalen Trainings anzunehmen (Heuer, 1985).
Die Wirkungen Mentalen Trainings beziehen sich Eine Bewegungsvorstellung ist in diesem Sinne
nach dieser Hypothese also auf die kognitiven An- eine Bewegung mit blockiertem Endglied. Der Un-
teile einer Bewegungsaufgabe, also die symbolische terschied zwischen Bewegung und Bewegungsvor-
und räumlich-bildhafte Repräsentation. Dieser Er- stellung besteht darin, dass die zentral erzeugten
klärungsansatz wirft aber die Frage nach jenem Kommandos im ersten Fall an die Körperperi-
»nicht kognitiven Rest« einer Bewegungsaufgabe pherie weitergeleitet werden, im zweiten Fall aber
auf. Erklärt die kognitive Hypothese die Wirkung nur ansatzweise (Heuer, 1985).
des Mentalen Trainings komplett, oder gibt es Ef- Die Wirkungsweise des Mentalen Trainings
fekte, die nicht auf die kognitiven Anteile einer Be- wird nun dahingehend interpretiert, dass Mentales
wegungsaufgabe und somit auf das Erlernen sym- Training entweder ein vorhandenes Bewegungs-
bolischer oder räumlich-bildhafter Repräsentatio- programm festigt oder sogar die im Programm
nen von Bewegungsmerkmalen zurückzuführen gespeicherten Informationen vervollständigt. Die
sind (Heuer, 1985)? Diese Frage führt zu einer wei- trainierende Wirkung des wiederholten Ablaufs
teren Hypothese, der ideomotorischen Hypothese. wird auf zwei Faktoren zurückgeführt (Schlicht,
1992):
Ideomotorische Hypothese 1. auf die übende Wirkung einfacher Wieder-
Gemäß der ideomotorischen Hypothese sind holung entsprechend dem Thorndike-Gesetz
hauptsächlich die minimalen, peripheren musku- der Übung, welches besagt, dass Verbindun-
lären Effekte von Bewegungsvorstellungen für die gen zwischen Reizen und Reaktionen dann
Effekte mentaler Übung verantwortlich. Grund- gestärkt werden, wenn sie häufig, in kurzen
lage hierfür ist das ideomotorische Prinzip, wel- Abständen und mit Elan geübt werden;
ches auch als »Carpenter-Effekt« bekannt ist und 2. auf die Korrektur des Bewegungsprogramms:
von Jacobson untersucht wurde (7 Kap. 6.1.1). Da – Die Korrektur beruht auf der Grundlage ei-
jedoch im Muskel selbst kein sensomotorisches ner inneren Rückmeldung, die vergleichbar
Lernen stattfinden kann und auch die kinästheti- ist mit dem »Knowledge-of-Results«-Para-
schen Rückmeldungen einer Vorstellung nicht an- digma (Adams, 1971). Dieses Paradigma
nähernd die gleichen wie die einer real ausgeführ- besagt, dass der Lernende eine interne
6.2 · Theorieansätze zu möglichen Wirkmechanismen
53 6
Bewegungsreferenz hat, die Abweichungen
von der Ideallinie vorgibt.
– Nach der »Schematheorie des motorischen
Lernens« (Schmidt, 1975) läuft nach einer
Programmauslösung durch einen internen
oder externen Auslöser das motorische
Programm ab.

Untersuchungen zu Antizipations- und Transfer-


effekten liefern Belege für die Annahmen der Pro-
grammierungshypothese (Schlicht, 1992).

6.2.2 Weitere Erklärungsansätze

Ein weiterer Aspekt zur Erklärung der Wirkung


des Mentalen Trainings wurde von Immenroth
(2002) eingebracht: die Restriktionshypothese.
Ausgangspunkt ist dabei die Überlegung, dass das
Charakteristische des Mentalen Trainings im Ge-
gensatz zum praktischen Training im Nichtausfüh-
ren der Bewegung liegt.
Mental Trainierende können die Bewegungs-
vorstellung fast grenzenlos variieren, d. h., sie
können sich beispielsweise auch ihre im Moment
optimale Bewegungsausführung immer wieder
vorstellen, ohne dabei den Schranken des derzeit
für sie Machbaren unterworfen zu sein. Sie sind
also nicht wie beim praktischen Training durch
Ermüdung, widrige Umweltbedingungen oder
Verletzungen beim Trainieren eingeschränkt (da-
her der Begriff Restriktion), sondern können sich
ihre optimale Bewegungsausführung beliebig oft
vorstellen.
Bezogen auf das eingeführte systemische Ver-
ständnis von Bewegung erklärt die Restriktionshy-
pothese, dass Trainierende, nachdem sie sich eine
passende und angemessene interne Konstruktion
oder Repräsentation ihrer Bewegung aufgebaut ha-
ben, die optimale Bewegung ohne Restriktionen
wiederholen können. Das bedeutet, dass die opti-
male Konstruktion der Bewegung durch internes
Wiederholen (Mentales Training) besser automati-
siert werden kann.
7

Neurophysiologische
Erklärungsansätze

7.1 Neuronale Plastizität – 56

7.2 Motorisches Lernen und neuronale Plastizität – 60

7.3 Neurophysiologische Ansätze zur Erklärung der Wirksamkeit des


Mentalen Trainings – 61
7.3.1 Funktionale Äquivalenz – 61

J. Mayer, H.-D. Hermann, Mentales Training, DOI 10.1007/978-3-662-46819-7_7,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
56 Kapitel 7 · Neurophysiologische Erklärungsansätze

Die Erkenntnisse der neurophysiologischen Forschung Hemisphäre befallen hatte, also jene Region, in der
haben auch weitreichende Folgen für das Verständnis die sprachlichen Fähigkeiten angesiedelt sind. Weil
der Wirkmechanismen des Mentalen Trainings. Durch die linke Hemisphäre die rechte Körperseite kontrol-
entsprechende bildgebende Verfahren ist es möglich, liert, würde die Operation – das wussten die Ärzte
neuronale Vorgänge beim Mentalen Training darzu- – die Sehkraft ihres rechten Auges einschränken,
stellen. Untersuchungen zum Mentalen Training mit ihre rechte Hand lähmen und sie zum rechtsseitigen
modernen bildgebenden Verfahren bestätigen weitest- Humpeln zwingen. Wann und wie sie wieder spre-
gehend die These der funktionalen Äquivalenz von chen können würde, vermochte niemand zu sagen.
vorgestellter und praktisch durchgeführter Bewegung. Als das Mädchen aus der Narkose erwachte,
konnte es »danke«, »bitte« und »Ich liebe dich« sagen
– »Reflexsprache« nennen das die Ärzte. Auf Fragen
7.1 Neuronale Plastizität wie »Der Himmel ist ...?« schüttelte sie jedoch ratlos
den Kopf. Sie kannte die Wörter »Tasse« oder »Jeans«
Eine wichtige Voraussetzung für das motorische nicht mehr. Aus einer Einserschülerin war eine kaum
Lernen, also die Veränderung, Optimierung, Sta- des Lesens mächtige 14-Jährige geworden. Noch zwei
7 bilisierung und Automatisierung von Handlungen Jahre nach der Operation musste sie oft nach Wörtern
und Bewegungen unter wechselnden situativen suchen. Ihre Sätze waren noch immer einfach, und
Anforderungen, ist die Eigenschaft der neuronalen häufig musste sie Gesten zur Hilfe nehmen. Doch sie
Plastizität (7 Beispiel 7.1). bereute die Operation nicht und konnte bereits ein
Borgstein und Grootendorst (2002) berichten Jahr später wieder auf ihre alte Schule gehen.
von einem (allerdings erst dreijährigen) Mädchen
mit Rasmussen-Syndrom, bei dem die dominante Nach Spitzer (2002) zeigen diese und ähnliche Bei-
Hirnhemisphäre operativ entfernt wurde. Im Alter spiele von Kindern mit Rasmussen-Syndrom und
von sieben Jahren war das Mädchen problemlos in anschließender Hemisphärektomie eindrucksvoll,
der Lage, zwei Sprachen zu sprechen und ein nor- wie flexibel und anpassungsfähig das Gehirn ist:
males Leben fast ohne Einschränkungen zu führen. »Das Gehirn hat gelernt, seine fehlende Hälfte zu
kompensieren.« (Spitzer, 2002, S. 15) Diese Fä-
Beispiel 7.1: Fallbeispiel: Rasmussen-Enzephalitis higkeit des Gehirns, sich sowohl neuen Anforde-
(nach: Die Zeit, 28/1999) rungen der Umwelt als auch internen Prozessen
1993 bekam ein damals zehnjähriges Mädchen aus immer wieder anzupassen, nennt man neuronale
Oklahoma plötzlich epileptische Anfälle. Kein Me- Plastizität.
dikament konnte sie kurieren. Erst Monate später Das Gehirn ist zudem eine sich beständig
fanden die Ärzte heraus, warum: Das Mädchen litt selbst optimierende Struktur (Spitzer, 1996), die
an Rasmussen-Enzephalitis, einer Erkrankung, die nach eigenen Organisationsprinzipien funktioniert
die befallene Hirnhälfte nach und nach zerstört, und sich kontinuierlich weiterentwickelt. Das Ge-
Muskelzuckungen und Krampfanfälle auslöst. hirn des Kleinkindes ist besonders formbar und
Die einzige bisher bekannte langfristig wirksame dynamisch, während das erwachsene Gehirn als
Therapie gegen das Rasmussen-Syndrom besteht in relativ statisch und stabil gilt (Braus, 2004). Die
der Entfernung der befallenen Gehirnhälfte (Hemisphä- Annahme einer »festen Verdrahtung« von Ner-
rektomie). Eine solche Operation kann man nur des- venzellen im adulten Gehirn wurde jedoch in den
halb überleben, weil das Großhirn aus zwei getrennten 80er- und 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts auf-
Hemisphären besteht. Fällt eine Hälfte aus, kann die grund von neueren Erkenntnissen revidiert. Es
andere deren Funktionen zumindest teilweise über- konnte der für die Hirnforschung und viele weitere
nehmen. Diese Neuprogrammierung der Gehirnareale Wissenschaftsbereiche bedeutsame Nachweis er-
gelingt umso besser, je jünger der Patient ist. bracht werden, dass eine gewisse Verformbarkeit
Bei der Operation war das Mädchen bereits neuronaler Verbindungen nicht nur ein Privileg
14 Jahre alt. Erschwerend kam bei ihr hinzu, dass der frühen Kindheit darstellt. Vielmehr handelt
die Rasmussen-Enzephalitis ihre dominante linke es sich hier um eine grundsätzliche, lebenslange
7.1 · Neuronale Plastizität
57 7
Fähigkeit: Nervenzellnetzwerke unterliegen zeitle- Das Ausmaß dieser Veränderungen steht in
bens kontinuierlichen Umwandlungsprozessen. engem Zusammenhang mit der Art und Weise
sowie der Intensität, mit der Afferenzen aus der
> Verbindungen zwischen Neuronen können
Peripherie innerhalb des sensorischen Systems ge-
unabhängig vom Lebensalter einer Person je-
nutzt werden (7 Kap. 11.1). Je nachdem, wie hoch
derzeit neu entstehen oder abgebaut werden.
der Benutzungsgrad ist, kommt es zu systema-
Auch das Gehirn des Erwachsenen zeichnet sich tischen Veränderungen innerhalb des jeweiligen
durch eine deutliche Dynamik aus. Die sich per- Neuronennetzwerkes (Reichert, 2000). Da sich die
manent verändernden Umweltbedingungen und Umwelt eines jeden Menschen ganz variabel gestal-
entsprechenden sensorischen Reize greifen zum tet und sich ihm über zahlreiche Reize und Reiz-
einen modulierend in die Architektur und Qua- kombinationen darbietet, ist es nicht weiter ver-
lität des Neuronennetzwerkes ein (z. B. über die wunderlich, dass die funktionelle Hirnarchitektur
Stärke der Verbindung zwischen den Neuronen), im Rahmen des genetisch Möglichen durch diese
zum anderen ist von diesen Vorgängen auf zellu- Vielfalt entscheidend geprägt wird und individuelle
lärer Ebene auch die gesamte damit einhergehende Verknüpfungsmuster entstehen (Kandel, 1996).
funktionelle Hirnstruktur auf höherer Ebene be- Tierexperimentelle Studien von Jenkins et al.
troffen (Elbert & Rockstroh, 2003). Die bereits (1990a) werden oft als Nachweis und illustratives
beschriebenen kortikalen Karten des Menschen Beispiel für eine Reorganisation des somatosenso-
weisen daher zum Teil große inter- und intra- rischen Kortex infolge einer Überstimulation peri-
individuelle Unterschiede auf. Auch die somato- pherer Rezeptoren herangezogen. So kann gezeigt
tope Gliederung des primär-sensorischen Kortex werden, dass sich bei einem Affen, der darauf
(7 Kap. 11.1) ist keine für immer festgelegte und trainiert ist, eine sich wiederholende Handlung
unveränderbare kortikale Karte, sondern unter- immer mit denselben drei Fingern auszuführen,
liegt einem ständigen Wandel (kortikale Reorgani- das repräsentative Areal dieser Finger im somato-
sation) ihrer entsprechenden funktionellen Einhei- sensorischen Kortex entsprechend vergrößert, und
ten (Elbert & Rockstroh, 2003). zwar auf Kosten umliegender Gebiete (. Abb. 7.1).

2 3
Vor dem
4 Training

1
5

1 2 3 1 2 3
4 5 4 5

1mm Nach dem


Training
A B

. Abb. 7.1 Der gesteigerte Gebrauch bestimmter Finger vergrößert die kortikale Repräsen-
tation dieser Finger (Kandel, 1995; zit. nach Kandel & Kupfermann, 1996; mit freundlicher
Genehmigung von McGraw-Hill). Links: Kortikale Repräsentation der Finger. Die Regionen der
kortikalen Area 3b, welche die Fingeroberflächen eines erwachsenen Affen repräsentieren,
drei Monate vor (A) und nach dem Training (B). Nach dem Training zeigt sich eine deutliche
Vergrößerung in der Repräsentation dieser Finger (Expansion). Rechts: Kortikale rezeptive
Felder der Finger. Ein kortikales Feld entspricht dem Hautareal, in dem eine Berührung eine
1cm
Zelle der Großhirnrinde entweder erregt oder hemmt. Die Anzahl an rezeptiven Feldern im
distalen Glied der Finger 2, 3 und 4 ist nach dem Training erhöht
58 Kapitel 7 · Neurophysiologische Erklärungsansätze

Wie Untersuchungen an Pianisten, Violin- und Schonverhalten zu vermeiden. Auf der Basis einer
Cellospielern (Elbert et al., 1995; Hund-Georgiadis detaillierten Karte der kortikalen Repräsentation,
& von Cramon, 1999; Candia et al., 2003) und an die einmal zum Zeitpunkt der Amputation und
Leistungssportlern (Nakata et al., 2010) zeigen, dann noch einmal zwei Monate danach angefertigt
lassen sich diese Erkenntnisse durchaus auch auf wurde, wurde die Veränderung der Repräsentation
den Menschen übertragen. So lassen sich die Re- im Gehirn gemessen.
präsentationen der rechten und linken Hand bei
einer Person, die regelmäßig ein Streichinstrument Ergebnisse. Die rezeptiven Felder der benach-
spielt, voneinander unterscheiden (die rechte Hand barten Finger beanspruchten innerhalb von zwei
führt den Bogen, die linke Hand greift die Saiten). Monaten nach der Amputation einen signifikanten
Nach den Untersuchungen von Elbert et al. (1995) Bereich der Felder der amputierten Finger. Die be-
zeigt sich, dass sich das Repräsentationsareal der nachbarten Areale sind also gewachsen, während
linken Finger signifikant größer ausbildet, da sie sich das nicht mehr benötigte Areal fast vollstän-
einen stärkeren sensorischen Input erfahren. Dies dig zurückgebildet hat (. Abb. 7.2 und 7.3).
gilt auch für die motorischen Areale, da die vier Stimulations- und nutzungsbedingte Ver-
7 Finger mit Saitenkontakt regelrecht trainiert wer- schmelzungen von Repräsentationsarealen konn-
den, während die rechte Hand beim Führen des ten auch in Untersuchungen an Lesern der Blin-
Bogens kaum gefordert wird. denschrift (Braille) nach dem Mehrfingersystem
nachgewiesen werden (Sterr et al., 1998). Bedingt
> Aus einer vermehrten, intensiven und ver-
durch intensive, synchrone Reizung der Finger-
haltensrelevanten Stimulation resultiert eine
kuppen beim Ertasten der Punktmuster kommt
kortikale Expansion, wobei auch Regelmäßig-
keit und eine entsprechende Motivation eine
wesentliche Rolle spielen.

Andererseits zeigen weiterführende Untersuchun-


gen auch, dass ein Nichtgebrauch von Extremitä- Ursprüngliches
Repräsentationsareal
ten, also eine reduzierte oder ausfallende Stimu- von Finger 3
lation, zur Rückbildung von kortikalen Repräsen-
tationen führt. Die entsprechenden Kortexareale
übernehmen andere Aufgaben.

Studie
Merzenich et al. (1984) beschreiben Veränderun-
gen im somatosensorischen Kortex nach Finger-
amputationen bei erwachsenen Affen.

Hypothese. Nicht mehr stimulierte rezeptive Fel-


der im somatosensorischen Kortex werden durch
benachbarte Felder invadiert und mitverwendet. Ursprüngliches
Repräsentationsareal
Die ursprüngliche Zuordnung zum amputierten von Finger 3
Areal geht verloren, und die Stimulation erfolgt Finger 2
durch die benachbarten Areale – im vorliegenden Finger 4

Fall durch die rezeptiven Felder der benachbarten Ballen 2


Ballen 3
Finger. 1,0 mm

. Abb. 7.2 Darstellung der Expansion der benachbarten


Methode. Bei acht erwachsenen Affen wurden Finger in den kortikalen Repräsentationsbereich des ampu-
ein oder zwei Finger amputiert. Die Amputation tierten Fingers (nach Merzenich et al., 1984; mit freundlicher
erfolgte an beiden Händen, um ein einseitiges Genehmigung von John Wiley & Sons, Inc.)
7.1 · Neuronale Plastizität
59 7
es zu einer Überlagerung einzelner kortikaler Wie bereits oben dargestellt, werden neue In-
Fingerareale bzw. zu einer Desorganisation des formationen nicht von einem einzigen Neuron
gesamten Handareals. Letztlich können diese kor- verarbeitet, sondern diese Aufgabe kommt jeweils
tikalen Veränderungen, die aus veränderter (ver- einer Vielzahl an Neuronen zu. Folglich steht
mehrter oder reduzierter) verhaltensrelevanter auch schon bei den einfachsten Lernvorgängen
Stimulation resultieren, auch als Lernvorgänge ein funktionelles Neuronenensemble im Dienste
bezeichnet werden. eines bestimmten Gedächtnisinhalts. Durch die
ständigen Umwandlungsprozesse innerhalb des
Prozentuale Abweichung vom Normalzustand gesamten Netzwerks besteht die Möglichkeit, dass
+100
ein Neuron an der Repräsentation mehrerer Ge-
dächtnisinhalte beteiligt ist. Umgekehrt wird ein
sich auf mehrere Aspekte beziehender Gedächt-
+50
nisinhalt auf getrennte Neuronenpopulationen in
–01 –01,0
unterschiedlichen Bereichen des Gehirns verteilt
0 (Menzel, 2001). Damit derartig verstreute Ge-
dächtniskomponenten bei Bedarf einheitlich ab-
–50
gerufen und als Aktion oder Wahrnehmung ver-
haltenswirksam werden können, müssen sie sich
–100
T F F F F F T F F F F F miteinander verknüpfen, was wiederum eine syn-
o o chrone Erregung aller beteiligten Neurone voraus-
t 1 2 3 4 5 t 1 2 3 4 5
a a setzt (Roth & Menzel, 2001).
l l Spitzer (2003) vergleicht derartiges Lernen und
. Abb. 7.3 Prozentuale Veränderung der Repräsentationsa- die damit verbundenen neuronalen Prozesse mit
reale im Kortex. Links: Finger 3 (F 3) wurde amputiert. Rechts: (Gedächtnis-)Spuren: Spuren, die beispielsweise
Finger 2 (F 2) und 3 (F 3) wurden amputiert (nach Merzenich auf einer Wiese oder in einem verschneiten Park
et al., 1984, mit freundlicher Genehmigung von John Wiley entstehen, wenn viele Menschen denselben Weg
& Sons, Inc.)
wählen. Geht eine einzelne Person durch einen
verschneiten Park, resultiert daraus nur eine relativ
schwach sichtbare, feine Spur. Gehen viele Leute in
Die Bedeutung der Wiederholung gleicher Weise durch den Park, wird die Spur brei-
Lernen im Sinne von Bewegungsoptimierung, Sta- ter und ausgetretener (vgl. auch . Abb. 7.4).
bilisierung und Automatisierung setzt regelmäßi- Spitzer spricht in diesem Zusammenhang auch
ges Üben voraus. Es bedarf zahlreicher Wieder- von der »Statistik des Gebrauchs« (Spitzer, 2003,
holungen, um das zu Lernende in den dafür zu- S. 29). Das bedeutet: Ein Verhalten, das häufig auf
ständigen motorischen Kortexarealen zu festigen die gleiche Art und Weise abläuft, hinterlässt breite
(Spitzer, 1996). Spuren – dies gilt auch für das Gehirn. Stabile

WC WC WC

Ausgang Ausgang Ausgang


Souvenir Shop

Souvenir Shop

Souvenir Shop

Waffeln Waffeln Waffeln

a Kasse b Kasse
c Kasse

. Abb. 7.4 Spuren in einem verschneiten Park: Gehen viele Leute die gleichen Wege, entstehen mit der Zeit breite, ausgetre-
tene Spuren (aus: M. Spitzer: Selbstbestimmen, 2003)
60 Kapitel 7 · Neurophysiologische Erklärungsansätze

Gedächtnisspuren entstehen durch Gebrauch, d. h. Jenkins et al. (1990a) im Zusammenhang mit


durch die Benutzung von Verbindungen zwischen erfahrungs- bzw. aktivitätsabhängigen Verände-
Nervenzellen. Jeder einzelne Gebrauch schlägt sich rungen der somatotopen Karte des Kortex ableiten
ganz geringfügig nieder, aber »nach vielen Wie- lassen. Ein Affe wurde täglich eine Stunde lang
derholungen verbleiben die Regeln, die hinter den darauf trainiert, eine Aufgabe zu bewältigen, die
einzelnen Erfahrungen stehen, in Form fester Spu- den intensiven Einsatz von drei Fingern erfor-
ren im Gehirn« (Spitzer, 2003, S. 29). derte. Die entsprechenden Repräsentationsareale
der stark stimulierten Fingerspitzen wiesen dabei
eine deutliche Vergrößerung auf. Motorisches
7.2 Motorisches Lernen und Training geht also auf Kortexebene nachweislich
neuronale Plastizität mit einer Ausdehnung von sensorischen Arealen
einher. Ebenfalls offensichtlich scheint, dass ange-
Wesentliche Erkenntnisse bezüglich der zent- messenes motorisches Training auf bestehende
ralnervösen Aktivität beim motorischen Lernen neuronale Verschaltungsmuster Einfluss nehmen
lassen sich mithilfe der nichtinvasiven Positro- und so deren Wirksamkeit erhöhen kann (Kandel,
7 nen-Emissions-Tomografie (PET; 7 Kap. 11.2) ge- 1996).
winnen. Mittels PET können Regionen lokalisiert
> Motorisches Training bezieht sich auf die
werden, deren Aktivitätsverteilung von der der
aktive wiederholte Ausführung eines be-
Umgebung abweicht. Die PET zeigt, wie stark eine
stimmten Bewegungsablaufs und dient dem
Gehirnregion im Rahmen energieabhängiger neu-
Erwerb motorischer Fertigkeiten (motori-
ronaler Prozesse Glukose verwertet und wie sich
sches Lernen). Es basiert auf einer regelmä-
die lokale Durchblutung verändert (Braus, 2004).
ßigen, adäquaten mechanosensorischen
Anhand der lokalen Durchblutungssituation und
Stimulation in der Peripherie und der zent-
des Metabolismus lässt sich ebenfalls erkennen,
ralen Umsetzung dieser afferenten Reize in
welche Gebiete des Kortex beim Erlernen einer
entsprechende efferente Signale bzw. Bewe-
komplexen und koordinierten Bewegungssequenz
gungskommandos, die dann zu Muskelkon-
zu welchem Zeitpunkt besonders beteiligt sind
traktionen führen.
(Konczak, 2003).
So zeigte sich zu Beginn der motorischen Lern- Wie im Zusammenhang mit kortikale Reorgani-
phase ein Erregungsmuster, das relativ viele ver- sationen erwähnt, finden Veränderungen expan-
schiedene Kortexareale mit einbezieht, darunter siver Art in den neuronalen Karten nur dann
auch Bereiche, die mit der Kodierung motorischer statt, wenn ihnen intensives Üben vorausgeht und
Informationen nicht unbedingt in Zusammen- dazu die Reizverarbeitung mit entsprechend hoher
hang stehen. Mit zunehmender Automatisierung Motivation erfolgt. Erste Untersuchungen an Men-
der Bewegung bzw. einer erhöhten motorischen schen (Elbert & Rockstroh, 2003) deuten darauf
Kompetenz konnte jedoch festgestellt werden, dass hin, dass es für Umwandlungsprozesse in Arealen
sich die neuronale Aktivität immer mehr nur auf des sensomotorischen Kortex eines Trainings be-
die wirklich bewegungsrelevanten Kortexareale darf, das mehrere Stunden am Tag an mehreren
beschränkt. Dies charakterisiert den Übergang von aufeinanderfolgenden Tagen umfasst, um einen
der Lern- zur Könnensphase. wirksamen und langfristigen Effekt zu erzielen.
Dabei zeigt sich ebenfalls, dass die Reorganisation
> Motorische Prozesse können weit über
umso massiver zu sein scheint, je umfangreicher
den gesamten Kortex verteilt sein und sind
die Trainingseinheiten sind.
nicht auf ein einziges spezifisches Areal be-
Karni et al. (1995) konnten nachweisen, dass
schränkt.
durch das Training einer Bewegungssequenz eine
Zunächst sei an dieser Stelle nochmals auf die starke Leistungsverbesserung bezüglich Geschwin-
Erkenntnisse verwiesen, die sich aus den Tier- digkeit und Präzision realisiert werden kann. Nach
experimenten von Merzenich et al. (1984) und ca. drei Wochen erregt eine trainierte Bewegungs-
7.3 · Neurophysiologische Ansätze zur Erklärung der Wirksamkeit des Mentalen Trainings
61 7
sequenz ein größeres Gebiet des primär-motori- wird die Frage nach der funktionellen Äquivalenz
schen Kortex (7 Kap. 11.1) als die Kontrollsequenz. aufgegriffen:
Hieraus lässt sich ableiten, dass durch Training 4 Handelt es sich bei den während des Mentalen
eine Ausweitung des primär-motorischen Kortex Trainings stattfindenden Prozessen um unter-
möglich und Ausdruck für den Lernprozess beim schwellige Aktivität innerhalb des gesamten
Erwerb motorischer Fertigkeiten ist. motorischen Systems oder
Muellbacher (2001) konnte zeigen, dass eine 4 beschränkt sich die Erregbarkeit auf rein ko-
Optimierung von Fingerbewegungen mit einer op- gnitive Areale, im Sinne der Bewegungsvor-
timierten kortikalen Rekrutierung der relevanten bereitung und somit im Dienste von Planung
Muskelgruppen einhergeht. Diese Resultate und In- und Konzeption?
terpretationen werden durch Erkenntnisse anderer
Autoren unterstützt bzw. ergänzt. So zeigen Classen Vorliegende Studien mit bildgebenden Verfahren,
et al. (1998) und Pascual-Leone et al. (1994), dass die die kortikale Aktivität bei der Vorstellung von
lerninduzierte Veränderungen kortikaler Erregbar- Bewegungen untersuchen, können zur Klärung
keit auf spezifischen Reorganisationsphänomenen dieser Frage beitragen.
im primär-motorischen Kortex basieren.
Fazit der Studie von Muellbacher ist, dass der
primär-motorische Kortex spezifisch am motori- 7.3.1 Funktionale Äquivalenz
schen Lernen beteiligt ist und durch Lernpro-
zesse rasch modifiziert und reorganisiert werden Im Folgenden werden Studien vorgestellt, die un-
kann; sogar innerhalb einzelner Trainingsperioden ter Anwendung moderner Bildgebungsverfahren
(u. a. Friston et al., 1992; Grafton et al., 1992; Ka- entstanden sind und die intensiv die Aktivität in
washima et al., 1994). Dass sich neuroplastische (sub-)kortikalen Strukturen während der Bewe-
Veränderungen während des motorischen Lernens gungsvorstellung untersuchen. Die Erfassung und
allerdings nicht nur auf den primär-motorischen Darstellung der konkreten kortikalen Erregungs-
Kortex beschränken, sondern ein verzweigtes kor- muster spielt eine wichtige Rolle für weitere Er-
tikales Netz betreffen, kann ebenfalls als bestätigt klärungen zu den Wirkungsweisen des Mentalen
gelten (Shadmer & Holcomb, 1997; Wriessnegger Trainings.
et al., 2014).
Studien
> Der primär-motorische Kortex ist spezifisch
Zwei Studien mit funktioneller Magnetresonanz-
am motorischen Lernen beteiligt und kann
tomografie (fMRT; 7 Kap. 11.2) aus dem Jahr 1996
durch Lernprozesse rasch modifiziert und
(Roth et al.; Porro et al.) gehen gezielt auf die Rolle
reorganisiert werden. Training und intensives
von PMA (prämotorisches Areal) und SMA (sup-
Üben stellen Strategien dar, die maßgebli-
plementär-motorisches Areal) und besonders auf
chen Einfluss auf die Reorganisation nehmen.
die Rolle des primär-motorischen Kortex während
vorgestellter sowie ausgeführter Finger-Daumen-
Bewegungen ein. Bei Roth et al. (1996) bestätigt
7.3 Neurophysiologische Ansätze sich, dass beim Vorstellen von Bewegungen neben
zur Erklärung der Wirksamkeit PMA und SMA der kontralaterale primär-motori-
des Mentalen Trainings sche Kortex aktiv beteiligt ist. Auch Porro et al.
(1996; Porro et al., 2000) können diesen Befund
Die Studien, die sich mit der Erforschung des bestätigen. Fazit dieser Studien ist, dass Mentales
Gehirns im Zusammenhang mit Bewegungsvor- Training und praktische Bewegungsdurchführung
stellung und Mentalem Training befasst haben, auf gleichen neuronalen Netzwerken basieren und
liefern für das Verständnis der Wirkmechanismen dass dem primär-motorischen Kortex während der
des Mentalen Trainings erstaunliche Befunde und Bewegungsvorstellung eine bedeutende Rolle zu-
schaffen ein wesentliches Fundament. Zunächst kommt, insofern als durch seine Beteiligung als
62 Kapitel 7 · Neurophysiologische Erklärungsansätze

vorrangig exekutives Kortexareal alle Stadien mo- selbst gewählten, untrainierten Finger-Daumen-
torischer Kontrolle vertreten sind. Oppositionssequenz genau zu erfassen bzw. zu lo-
Ein den primär-motorischen Kortex integrie- kalisieren.
rendes Aktivitätsmuster bestätigen auch Lotze et Der Vergleich zeigte unter beiden Bedingun-
al. (1999), mit einem zusätzlichen Blick auf sub- gen ein konstantes Erregungsmuster. Bei der Be-
kortikale Aktivität während des Mentalen Trai- wegungsvorstellung ist die Aktivität allerdings
nings. Lotze et al. konzentrieren sich auf die fol- variabler und weniger stark ausgeprägt. Zudem
genden zwei Aspekte: sind zusätzlich Erregungsmomente in den latera-
1. den Aktivitätsvergleich in den primär- und len Gebieten der Kleinhirnhemisphären zu finden,
sekundär-motorischen Arealen bei einer die für einen vorstellungsbezogenen Schwerpunkt
Faustschlussbewegung unter mentalen und in den lateralen Anteilen sprechen.
physischen Bedingungen, Ehrsson et al. (2003) widmeten sich den mo-
2. die genaue örtliche Bestimmung der Aktivität torischen Repräsentationen von Fingern, Zehen
in Groß- und Kleinhirn. und Zunge und versuchten zu ergründen, ob die
genaue Vorstellung willentlicher Bewegungen mit
7 Im Großhirn zeigt sich unter beiden Bedingun- diesen Körperteilen auch zu einer körperteilspe-
gen signifikante Aktivität im SMA, PMA und im zifischen Aktivierung in den motorischen und
primär-motorischen Kortex. Im Kleinhirn ist die nichtmotorischen Arealen führt und sich somit die
ipsilaterale (auf derselben Körperseite oder -hälfte charakteristische somatotope Gliederung ähnlich
gelegene) Aktivität bei der Vorstellung im Ver- wie bei der Bewegungsausführung widerspiegelt.
gleich zur Ausführung erhöht. Guillot et al. (2009) zeigten, dass das Vorstel-
Diese Befunde decken sich mit den Ergebnis- len von Bewegungen mit kinästhetischen Vorstel-
sen früherer Studien (z. B. von Leonardo et al., lungsinhalten den kortikalen Aktivierungsmustern
1995; Porro et al., 1996; Roth et al., 1996) und bei praktisch durchgeführter Bewegung eher ent-
bestätigen erneut die Annahme identischer Aktivi- spricht.
tätsmuster bei der Bewegungsvorstellung und -aus- Die Ergebnisse der fMRT-gestützten Studie zei-
führung. Die im Allgemeinen reduzierte Aktivität gen, dass die Vorstellung der Bewegung bestimmter
im Kleinhirn ist wahrscheinlich auf einen Mangel Körperteile vergleichbare somatotop organisierte
an afferenten Informationen zurückzuführen. Areale des primär-motorischen Kortex sowie für ein
Im Jahr 2002 setzten sich Naito et al. gezielt bestimmtes Körperteil typische, nicht primär-moto-
mit kinästhetischen Empfindungen in Bezug auf rische Strukturen aktiviert. Folglich ist auch der In-
Bewegungsvorstellungen auseinander. Sie gingen halt einer Bewegungsvorstellung, in diesem Fall die
konkret der Frage nach, ob die Bewegungsvorstel- Bewegungskontrolle in Bezug auf einen bestimm-
lung auch sensorische Wahrnehmungen als ein ten Körperteil, während des Mentalen Trainings im
wesentliches Element beinhaltet. Es konnte gezeigt kortikalen Erregungsmuster nachvollziehbar.
werden, dass Mentales Training mit kinästheti- Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass
schen Empfindungen einhergeht, die intern bzw. in neurowissenschaftlichen Studien zum Menta-
zentral generiert werden, sozusagen als Ersatz für len Training ein großer Bereich neuronaler Are-
das echte sensorische Feedback, das normalerweise ale nachgewiesen wurde, der bei vorgestellter und
nur bei der Bewegungsausführung entsteht. praktisch durchgeführter Bewegung aktiviert ist.
Da der Fokus bisher meist auf der Untersu- In einem Review führen Munzert et al. (2009) 43
chung kortikaler Hirnareale lag und nur selten Studien auf, die eine Aktivierung des primär-mo-
auch subkortikalen Strukturen Aufmerksamkeit torischen Kortex beim Mentalen Training nach-
geschenkt wurde, beschäftigte sich die fMRT-Stu- weisen konnten. Insofern kann die Annahme ei-
die von Luft et al. (1998) besonders intensiv mit ner funktionalen Äquivalenz von vorgestellter und
der Beteiligung des Kleinhirns (auch Lotze et al., praktischer Bewegung weitestgehend als bestätigt
1999) und versuchte die Kleinhirnaktivität wäh- angesehen werden (vgl. auch Sharma & Baron,
rend der Vorstellung und der Ausführung einer 2013). Es lassen sich aber auch spezifische Un-
7.3 · Neurophysiologische Ansätze zur Erklärung der Wirksamkeit des Mentalen Trainings
63 7
menhang besteht. Die Studienergebnisse bestätig-
ten Folgendes:
4 Die fMRT-Technik ermöglicht es, Aktivitäts-
muster auch bei der Vorstellung komplexer
und koordinierter Bewegungen aufzudecken.
4 Mit zunehmendem Fertigkeitsniveau lässt die
Aktivität besonders im supplementär-motori-
schen Areal und im Kleinhirn nach.

Zudem liegt eine große Übereinstimmung zwi-


schen dem Aktivitätsmuster bei der Vorstellung
eines Golfschwungs und den bekannten, bei ein-
facher Fingerbewegung aktiven Kortexarealen vor.
Insgesamt nimmt die Hirnaktivität bei geringe-
rem Fertigkeitsniveau zu, was wesentliche Kon-
sequenzen für das Erlernen des Golfspielens hat.
So kann die Ursache für eine hohe, weiträumige
Aktivierung ein unvollständiger Lernprozess sein,
bei dem eine Bewegungsautomatisierung (noch)
nicht möglich ist.
. Abb. 7.5 Kennzeichnung der Hirnareale: spezifisch bei
vorgestellter Bewegung aktiviert (3); spezifisch bei praktisch In einer Studie von Fourkas et al. (2008), bei
durchgeführter Bewegung aktiviert (2); sowohl bei vorge- der erfahrene Tennisspieler sich die Vorhandbe-
stellter als auch praktischer Bewegung aktiviert (1) (nach Ha- wegung im Tennis und im Tischtennis sowie ei-
nakawa et al., 2003; mit freundlicher Genehmigung von the nen Golfschwung vorstellen sollten, konnte ent-
American Physiological Society)
sprechende neuronale Aktivierungsmuster nur bei
der Tennis-Vorhand nachgewiesen werden. Dies
spricht dafür, dass eine langjährige Trainingser-
terschiede zwischen vorgestellter und praktisch fahrung zu einer entsprechend differenzierten Be-
durchgeführter Bewegung aufzeigen. . Abb. 7.5 wegungsrepräsentation führt, die wiederum eine
verdeutlicht, welche Areale bei praktischer und wesentliche Voraussetzung für ein effektives Men-
vorgestellter Bewegung aktiviert sind und welche tales Training ist.
Areale spezifisch bei praktischer bzw. bei vorge- Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen Wei &
stellter Bewegung beteiligt sind. Luo (2009). Sie verglichen die Art und Weise der
Lange Zeit problematisch war die Tatsache, kortikalen Aktivierung beim Mentalen Training
dass in den meisten Untersuchungen zur funktio- von Leistungsturmspringern und Novizen ohne
nalen Äquivalenz von vorgestellter und praktisch entsprechendes jahrelanges Training. Die beiden
durchgeführter Bewegung nur einfache, meist ein- Gruppen wurden angeleitet, eine Bewegung aus
dimensionale bzw. eingelenkige (Teil-)Bewegun- dem Turmspringen und eine einfache motorische
gen ausgewählt wurden. Hinsichtlich der kortika- sportartunspezifische Tätigkeit (Gymnastik) men-
len Erregungsmuster bei schnellen, komplexen tal zu trainieren. Es zeigte sich, dass die Leistungs-
und automatisierten Bewegungsabläufen gibt es turmspringer sich hinsichtlich der kortikalen Akti-
mittlerweile jedoch auch erste Erkenntnisse. vierung während des Mentalen Trainings deutlich
Ross et al. (2003) untersuchten anhand des von den Novizen unterschieden. Bei der einfachen
Golfschwungs, ob während der Vorstellung über- Bewegung aus der Gymnastik zeigten sich dagegen
haupt Aktivität in spezifischen Kortexgebieten keine Unterschiede zwischen den Gruppen.
nachweisbar ist und inwiefern zwischen dem Fer- Wriessnegger et al. (2014) untersuchten in ih-
tigkeitsniveau (Handicap) der Golfspieler und den rer Studie die kortikale Erregung beim Vorstellen
entsprechend aktivierten Hirnarealen ein Zusam- komplexer Bewegungen wie Tennis und Fußball,
64 Kapitel 7 · Neurophysiologische Erklärungsansätze

jeweils vor und nach einer kurzen praktischen dere bezogen auf den primär-motorischen Kortex
Übung zur jeweiligen Sportart. Die Ergebnisse zei- (u. a. Karni et al., 1995; Muellbacher, 2001). So-
gen, dass selbst zehn Minuten praktisches Üben fern motorisches Training angemessen ist, kann es
zwischen zwei Vorstellungseinheiten ausreichen, entsprechend wirkungsvoll auf bereits bestehende
um die Aktivität in den entsprechenden motori- neuronale Verbindungen Einfluss nehmen. In der
schen Arealen zu verstärken (M1, PMC, SMA so- Forschung lässt sich dies aufgrund von Ausbreitung
wie frontoparietale und subkortikale Strukturen). und Intensität der Hirnaktivität mithilfe verschie-
Dies könnte auf die – durch die praktische Übung dener Mess- und Darstellungsverfahren nachwei-
entstandene – gesteigerte Lebhaftigkeit der Bewe- sen. Die Erfassung beteiligter Hirnstrukturen und
gungsvorstellung zurückgeführt werden. Dass die Kortexareale übermittelt eine wesentliche Arbeits-
Fähigkeit zur lebhaften Vorstellung Effekte auf die grundlage und macht eine Annäherung an das
Qualität des Mentalen Trainings hat, konnte in Phänomen des Mentalen Trainings erst möglich.
vorherigen Studien bereits gezeigt werden (Mun- Die bereits sehr früh gewonnene Erkenntnis,
roe et al., 2002; Lorey et al., 2011). Auffällig war, dass Mentales Training sich auf die Ausführung
dass die Vorstellung der Bewegung aus dem Fuß- motorischer Aktionen auswirkt und ähnlich wie
7 ball ein größeres Netzwerk aktiviert hatte. Gerade motorisches Training die Verbesserung von Lern-
für die Gestaltung motorischer Rehabilitationspro- prozessen und Leistung unterstützt (z. B. Corbin,
zesse könnten die Ergebnisse dieser Studie von 1972; Richardson, 1967; Weinberg, 1981), wirft eine
Nutzen sein. Vielzahl an Forschungsfragen auf, die sich größ-
tenteils an die Neurowissenschaften wenden. Der
Erkenntnisse zum Mentalen Training: Fazit Forschungsschwerpunkt liegt auf dem »Wie«, d. h.:
Was das motorische Training betrifft, machten 4 Wie wirkt Mentales Training?
Merzenich et al. (1984) und Jenkins et al. (1990a) 4 Wie kommt es dazu, dass die bloße Vorstel-
an Affen sehr beeindruckende Beobachtungen, lung einer Bewegung genügt, um eine nach-
durch die sie dann erste bedeutsame neurophy- weisbar lern- und leistungssteigernde Wirkung
siologische Grundlagen zum motorischen Lernen auf motorische Aktionen zu entfalten?
liefern konnten. Wie derartige tierexperimentelle
Studien zeigen, lassen sich durch somatosensible Gemäß der Programmierungshypothese geht die
Stimulation und sensomotorisches Training eines Vorstellung eines Bewegungsmusters mit einem
Körpergliedes bestimmte Hirnareale modifizieren hohen Maß an zentraler kortikaler Aktivität einher
bzw. entsprechende körperteilspezifische somato- und weist diesbezüglich starke Parallelen zu den
sensorische Repräsentationsareale des Kortex ver- Erregungsprozessen während der entsprechenden
größern. Dies geschieht allerdings nur unter der Bewegungsausführung auf. Sie liefert den Anstoß
Voraussetzung adäquater Trainingseinheiten. für die Überprüfung einer vermuteten funktiona-
Mittels präziser Techniken und Analyseverfah- len Äquivalenz zwischen der Bewegungsvorstel-
ren zur nichtinvasiven Kartierung der Hirnaktivi- lung und der tatsächlichen Bewegungsausführung.
tät sind auch beim Menschen funktionelle Reorga- Diese Hypothesenüberprüfung erfolgt einer-
nisationen von somatosensorischen Repräsenta- seits über Methoden, die sich an Vorgängen und
tionsarealen nachweisbar (z. B. Elbert et al., 1995). Größen außerhalb des Gehirns orientieren, wie
Nach der Untersuchung von Zhang et al., (2011) z. B. die Messung von Bewegungsparametern und
erreichen zwei Wochen Mentales Training bereits physiologischen Korrelaten (7 Kap. 5), und ande-
eine Verbesserung der motorischen Leistung und rerseits über die Erfassung entsprechender Hirn-
bewirken messbare, funktionale Veränderungen aktivität mittels moderner bildgebender Verfahren.
im Gehirn. Bereits die Studien zu den physiologischen
In engem Zusammenhang mit motorischem Korrelaten stützen die Annahme einer funktiona-
Training steht auch das motorische Lernen mit len Äquivalenz zwischen der Bewegungsvorstel-
seinen plastischen Veränderungen und spezifi- lung und der tatsächlichen Bewegungsausführung.
schen kurz- und langfristigen Effekten, insbeson- Das Fazit der neurophysiologischen Studien ist,
7.3 · Neurophysiologische Ansätze zur Erklärung der Wirksamkeit des Mentalen Trainings
65 7
4 dass Mentales Training und praktische Bewe-
gungsdurchführung auf den gleichen neuro-
nalen Netzwerken basieren und
4 dass dem primär-motorischen Kortex wäh-
rend der Bewegungsvorstellung eine bedeu-
tende Rolle zukommt.

Es muss an dieser Stelle darauf hingewiesen wer-


den, dass die Erkenntnisse zur funktionalen Äqui-
valenz hauptsächlich auf einfachen Bewegungen
(Finger, Zehen, Zunge) beruhen, es jedoch ver-
mehrt Studien gibt, die auch die Hirnaktivität bei
komplexen, automatisierten Ganzkörperbewegun-
gen untersucht haben. Hieraus ergeben sich weit-
reichende Fragestellungen, die wesentlich sind für
die Anwendung des Mentalen Trainings beim Er-
lernen, Stabilisieren und Optimieren von kom-
plexmotorischen Fertigkeiten, z. B. in der Sport-
praxis sowie in der orthopädischen oder neurolo-
gischen Rehabilitation.
Wenn motorisches Training zu expansiven Re-
organisationen kortikaler Motorareale führt und
wenn Mentales Training und praktische Bewe-
gungsdurchführung auf gleichen neuronalen Subs-
traten beruhen, lässt sich dann auch dem Mentalen
Training ein derartiger Einfluss auf Veränderungen
kortikaler Strukturen zusprechen? Kann man also
mit Mentalem Training Lernprozesse vereinfachen,
Bewegungsautomatisierungsprozesse beschleuni-
gen oder das Umlernen und Neulernen von Bewe-
gungen nach Verletzungen (z. B. den Umgang mit
Prothesen) optimieren? Die bislang vorliegenden
Befunde sprechen eindeutig dafür. Die sich aus
der Bestätigung dieser Annahme ergebende, sehr
große Relevanz für viele Anwendungsfelder, ge-
rade im Bereich der Rehabilitation und des Leis-
tungssports, macht eine weitere intensive wissen-
schaftliche Auseinandersetzung mit dieser Thema-
tik unbedingt erforderlich.
II

II Anwendungsfelder

Im ersten Teil des Buches sind die theoretischen Grundlagen zum Mentalen Training darge-
stellt. Es wurde darauf geachtet, den aktuellen Stand der Wissenschaft wiederzugeben und
entsprechend die Ergebnisse aus den relevanten wissenschaftlichen Studien und Analysen
einfließen zu lassen.
Im zweiten Teil des Buches soll nun die Anwendung des Mentalen Trainings im Vor-
dergrund stehen. Hierbei werden zum einen wissenschaftlich gesicherte Ergebnisse zur
Anwendung des Mentalen Trainings vorgestellt, zum anderen wird auch – in Form von Pra-
xisbeispielen und Praxistipps – die langjährige Erfahrung aus der Praxis einfließen.
Ziel ist es, auf diese Art und Weise dem Leser einen optimalen Überblick über die An-
wendungsmöglichkeiten des Mentalen Trainings aufzuzeigen.
Bei den Anwendungsfeldern werden
4 Leistungssport,
4 Rehabilitation,
4 Arbeit und Wirtschaft
unterschieden.

8 Mentales Training im Leistungssport – 69

9 Mentales Training in der Rehabilitation – 131

10 Mentales Training im Bereich Arbeit und Wirtschaft – 181

11 Grundlagen und Materialien – 205


8

Mentales Training im Leistungssport

8.1 Vorstellungen entwickeln mit Leistungssportlern – 70


8.1.1 Beschreiben der Bewegung – 70
8.1.2 Bewegungsbeschreibung durch Videobeobachtung konkretisieren und
differenzieren – 71
8.1.3 Bewegungsbeschreibung durch die eigene praktische Durchführung
konkretisieren und differenzieren – 71
8.1.4 Erarbeitung von Knotenpunkten – Reduzierung der Knotenpunkte auf
Schlagwörter – Rhythmisierung der Schlagwörter – 72
8.1.5 Überprüfung der zeitlichen Äquivalenz von vorgestellter und praktisch
durchgeführter Bewegung – 72
8.1.6 Mentales Training – 73

8.2 Einsatzmöglichkeiten des Mentalen Trainings im Leistungs-


sport – 73
8.2.1 Mentales Training zur Trainingsoptimierung – 74
8.2.2 Mentales Training zur Optimierung der Wettkampfleistung – 75
8.2.3 Mentales Training zur Optimierung des Umgangs mit Verletzungen – 76

8.3 Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungs-


sport – 77
8.3.1 Komplexität der Sportarten und Mentales Training – 78
8.3.2 Komplexitätsstufe 1: Bewegung (ohne Variation) – 80
8.3.3 Komplexitätsstufe 2: Bewegung + Variation – 90
8.3.4 Komplexitätsstufe 3: Bewegung + Variation + Team – 101
8.3.5 Komplexitätsstufe 4: Bewegung + Variation + Gegner – 105
8.3.6 Komplexitätsstufe 5: Bewegung + Variation + Gegner + Team – 110
8.3.7 Komplexitätsstufe 6: Bewegung + Variation + Gegner + Kontakt – 113
8.3.8 Komplexitätsstufe 7: Bewegung + Variation + Gegner + Kontakt +
Team – 117
8.3.9 Fazit – 128

J. Mayer, H.-D. Hermann, Mentales Training, DOI 10.1007/978-3-662-46819-7_8,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
70 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

Leistungssport ist eine besondere Form des sportli- und wie das Mentale Training in diesen Sportarten
chen Handelns. Er hat die Leistungssteigerung bis hin erfolgreich eingesetzt werden kann.
zum Rekord, Siege oder eine Kombination aus beiden
zum Ziel. Die Leistungssteigerung ist Mittel und Zweck,
Weg und Ziel zugleich (Emrich, 2003). 8.1 Vorstellungen entwickeln
Das bewährte Mittel, um die Leistung zu steigern, mit Leistungssportlern
ist das Training. Was trainiert, was optimiert werden
muss, sind alle am Zustandekommen der Leistung In 7 Kap. 4 wurden die grundsätzlichen Möglich-
beteiligten Faktoren – nicht nur die einzelnen Fak- keiten zum Aufbau und zur Differenzierung von
toren isoliert voneinander, sondern auch deren Zu- Bewegungs- oder Handlungsvorstellungen vorge-
sammenspiel. Nach Weineck (2002) ist die sportliche stellt. Dabei wurde unterschieden zwischen
Leistungsfähigkeit aufgrund ihrer multifaktoriellen 4 einem sprachlich-symbolischen Ansatz, bei
Zusammensetzung nur komplex zu trainieren. Um dem Bewegungsbeschreibungen angefertigt
die individuelle Höchstleistung zu erreichen, müs- und dann auf Knotenpunkte verdichtet werden,
sen die einzelnen leistungsbestimmenden Faktoren 4 einem räumlich-bildhaften Ansatz, der die Be-
harmonisch entwickelt und aufeinander abgestimmt obachtung, z. B. von Videoaufzeichnungen, in
werden. den Mittelpunkt rückt, und
Dass dabei nicht nur körperliche, sondern eben 4 einem kinästhetischen Ansatz, der die eigene
8 auch psychische Faktoren eine Rolle spielen, liegt Bewegungserfahrung zur Generierung von
auf der Hand. Heute ist man sich auch in der Praxis Bewegungsvorstellungen nutzt.
des Leistungssports einig: Ohne ein entsprechendes
Training der mentalen Fertigkeiten ist die sportliche Es stellt sich jetzt die Frage, welche der vorge-
Höchstleistung kaum zu erreichen (Eberspächer et al., stellten Ansätze für die Anwendung des Menta-
2002). Genauso wie z. B. konditionelle Trainingsverfah- len Trainings im Leistungssport empfehlenswert
ren muss jedoch auch Mentales Training – als eine Form sind. Bereits in 7 Kap. 4 wurde darauf hingewie-
des sportpsychologischen Trainings im Leistungssport sen, dass in der Praxis häufig Mischformen dieser
– regelmäßig und zielgerichtet eingesetzt werden, um Ansätze angewandt werden. Außerdem sprechen
den maximalen Nutzen, hier: die Leistungsoptimie- sicher sportartspezifische Besonderheiten mehr
rung, zu erzielen. für die eine bzw. mehr für die andere Vorgehens-
Im Folgenden wird zunächst eine praxisnahe und weise.
vielfach erprobte Vorgehensweise beim Mentalen Trai-
> Es ist für die gewünschte Wirkung des Menta-
ning – eine Kombination der in 7 Kap. 4 bereits bespro-
len Trainings wesentlich, eine angemessen in-
chenen sprachlich-symbolischen, räumlich-bildhaften
tensive, realistische und vor allem fehlerfreie
und kinästhetischen Ansätze – dargestellt. Anschlie-
Bewegungsvorstellung der Zielbewegung
ßend sollen die Hauptanwendungsfelder des Mentalen
aufzubauen.
Trainings im Sport erörtert werden:
4 Optimierung der Wettkampfleistung, Auf der Basis des Stufenmodells von Eberspächer
4 Optimierung der Trainingseffektivität und (2001; 7 Kap. 4.1.1) und unter Einbeziehung ande-
4 Optimierung des Umgangs mit Verletzungen rer Ansätze wird im Folgenden das praktische Vor-
(dieser Bereich wird detaillierter in 7 Kap. 9 gehen beim Mentalen Training skizziert. Dieses
erläutert). Vorgehen zur Vorstellungsentwicklung hat einen
prozessualen Verlauf (. Abb. 8.1).
Darauf aufbauend werden die Erkenntnisse zur Anwen-
dung des Mentalen Trainings aus verschiedenen Sport-
arten zusammengestellt. Dabei werden die Sportar- 8.1.1 Beschreiben der Bewegung
ten Komplexitätsstufen zugeordnet, um so Aussagen
treffen zu können, in welchen Sportartengruppen der Zunächst wird der Sportler aufgefordert, die Be-
Einsatz des Mentalen Trainings vielversprechend ist wegung unter Einbezug möglichst vieler Sinnes-
8.1 · Vorstellungen entwickeln mit Leistungssportlern
71 8
Bewegungsbeschreibung erstellen Videobetrachtung auf Details der Bewegung auf-
merksam zu machen. Diese Vorgehensweise macht
Bewegungsbeschreibung es außerdem möglich, die Vorstellung des Sport-

Aufbau einer Bewegungsvorstellung


durch Videobeobachtung differenzieren lers mit einer objektiven Außenperspektive abzu-
gleichen.
Bewegungsbeschreibung Es ist wichtig, eine Videoaufzeichnung zur
durch praktische Durchführung
Verfügung zu haben, in der der Sportler selbst
differenzieren
zu sehen ist, sodass er sich bei der Bewegungs-
ausführung beobachten kann. Am besten sind
Erarbeitung von Knotenpunkten sowie
Reduzierung der Knotenpunkte auf Aufzeichnungen aus mehreren Perspektiven (von
Schlagworte und Rhythmisierung der vorn, von hinten, von der Seite). Die aufgenom-
Schlagworte mene Bewegung sollte nahe an das individuelle
Optimum der Bewegungsausführung des Sportlers
Zeitliche Äquivalenz herankommen.
von praktischer und vorgestellter Der Sportler sollte versuchen, sich bei der
Bewegung überprüfen Betrachtung in die Bewegung hineinzuversetzen.
Er sollte nachvollziehen, wie sich diese Bewe-
gung anfühlt. Die bei der Videobetrachtung ge-
Mentales Training wonnenen Eindrücke und Erkenntnisse werden
anschließend in die Bewegungsbeschreibung in-
tegriert.
. Abb. 8.1 Prozess der Vorstellungsentwicklung im Leistungs-
sport

8.1.3 Bewegungsbeschreibung
durch die eigene praktische
modalitäten zu beschreiben. Wichtig ist hierbei, Durchführung konkretisieren
dass eine individuelle Version der Bewegung und differenzieren
beschrieben wird und nicht lediglich sich ver-
ändernde raum-zeitliche Parameter geschildert Nach der Beschreibung und intensiven Video-
werden. betrachtung sollte bereits eine detaillierte Bewe-
Grundsätzlich ist zu empfehlen, die Bewe- gungsvorstellung vorliegen. Gerade durch die Vi-
gungsbeschreibung schriftlich zu verfassen. Viele deobetrachtung ist der Sportler unter Umständen
Sportler haben jedoch Schwierigkeiten, eine Be- dazu verleitet, vermehrt die Außenperspektive zu
wegung zu beschreiben, die damit verbundenen berücksichtigen. Durch die praktische Durchfüh-
Bewegungsgefühle und Sinneseindrücke in Worte rung und die ausführliche Analyse des Erlebens
zu fassen und in die Bewegungsbeschreibung zu bei der praktischen Durchführung wird nun ver-
integrieren. Daher ist es oft sinnvoll, weitere An- sucht, möglichst viel kinästhetische Bewegungsin-
sätze zur Vorstellungsgenerierung zu nutzen. formation in die Bewegungsvorstellung einfließen
zu lassen. Durch entsprechendes Hinterfragen der
praktisch durchgeführten Bewegung soll das Be-
8.1.2 Bewegungsbeschreibung wegungsgefühl bei der optimalen Bewegungsaus-
durch Videobeobachtung führung in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit
konkretisieren und des Sportlers gerückt werden. Beispiele für ent-
differenzieren sprechende Fragen sind:
4 Was war besonders gut?
Um die Bewegungsbeschreibung zu differenzie- 4 Woran hast du bemerkt, dass du die Bewegung
ren und zu vervollständigen, hat es sich als sehr gut ausgeführt hast?
nützlich erwiesen, die Sportler mittels intensiver 4 Was hast du dabei gefühlt?
72 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

Unterstützen kann man dies beispielsweise durch zupassen. Dieses Vorgehen wurde in 7 Kap. 4.1.1
Modifikationen ausführlich dargestellt.
4 der Wahrnehmung (z. B. Bewegen mit ge- Die Erarbeitung von Knotenpunkten eignet
schlossenen Augen), sich insbesondere bei Problemen in einzelnen
4 der Bewegungsmodalitäten (z. B. langsame Handlungsabschnitten (z. B. wenn Lücken in der
oder schnelle Bewegung), Bewegungsvorstellung auftauchen oder an be-
4 der Umwelt (z. B. Durchführung an unter- stimmten Stellen keine kinästhetische Information
schiedlichen Trainingsstätten etc.). zur Bewegung vorliegt).

Wichtig ist, dass die gute und auch die schlechte


Bewegungsausführung ausführlich besprochen 8.1.5 Überprüfung der zeitlichen
werden. Der Sportler soll immer zuerst seine Ein- Äquivalenz von vorgestellter
drücke, Korrekturen und Anmerkungen zum Be- und praktisch durchgeführter
wegungsvollzug darlegen, und erst dann soll der Bewegung
Trainer seine Eindrücke aus der Außenperspektive
ergänzen. Erst die Reflexion des Sportlers über Inzwischen sollte eine differenzierte und lebhafte
seine Bewegungsdurchführung führt zur weiteren Bewegungsvorstellung verfügbar sein. Ist dies
Differenzierung der Bewegungsvorstellung. erreicht, wird der Grad der zeitlichen Überein-
8 stimmung zwischen vorgestellter und praktisch
Tipp I I durchgeführter Bewegung ermittelt. Natürlich ist
Manchmal kann es hilfreich sein, die praktische es möglich und in vielen Sportarten auch wün-
Bewegungsdurchführung per Videoaufzeich- schenswert, dass Sportler eine Bewegung oder
nung festzuhalten, um den Sportler bei der Handlung in der Vorstellung in verschiedenen Ge-
Eigenreflexion zusätzlich mit der Außenpers- schwindigkeiten ablaufen lassen können (z. B. in
pektive zu konfrontieren. Zeitlupe). Voraussetzung dafür sollte jedoch die
Fertigkeit sein, sich die Bewegung oder Handlung
auch in realer Zeit vorstellen zu können.
> Das Ziel besteht darin, dass die Einschätzung
des Sportlers bezüglich der Qualität der Be- > Die zeitliche Übereinstimmung von vorge-
wegungsausführung deutlich mit der Außen- stellter und praktisch durchgeführter Bewe-
perspektive übereinstimmt. Dies kann als ein gung ist ein weiteres Qualitätsmerkmal für
Zeichen für eine angemessene Bewegungs- eine angemessene Bewegungsvorstellung.
vorstellung interpretiert werden.
Dauert die vorgestellte Bewegung wesentlich län-
ger als die praktische Durchführung, ist es sinn-
8.1.4 Erarbeitung von Knotenpunkten voll, Vorstellungsinhalte durch die Bildung von
– Reduzierung der Knotenpunkte (weiteren) Knotenpunkten zusammenzufassen
auf Schlagwörter – (7 Kap. 8.1.4). Bei deutlich verkürzter Vorstel-
Rhythmisierung der Schlagwörter lungszeit sind häufig Bewegungsabschnitte nicht
intensiv und differenziert genug repräsentiert.
Knotenpunkte sind die individuell bedeutenden Hier sollte erneut über Videobetrachtung und
Stellen des Bewegungsablaufs (Eberspächer, 2001). praktische Durchführung die Bewegungsvorstel-
lung weiter ausdifferenziert werden.
> Die Festlegung der Knotenpunkte wird dem
Neben der Überprüfung der zeitlichen Äqui-
Sportler selbst überlassen.
valenz bietet es sich zur Feststellung der Qualität
Zunächst werden die relevanten Stellen der Be- der Bewegungsvorstellung immer auch an, den
wegung hervorgehoben. Anschließend gilt es, Sportler selbst zu befragen bzw. ihn die praktisch
diese auf ein Schlagwort zu reduzieren und diese durchgeführten Bewegungsabläufe selbst beurtei-
Schlagwörter dem Rhythmus der Bewegung an- len zu lassen (7 Kap. 8.1.3).
8.2 · Einsatzmöglichkeiten des Mentalen Trainings im Leistungssport
73 8
> Eine Prüfung der Qualität der Bewegungsvor-
stellung soll sicherstellen, dass später im Men-
Tipp I I
talen Training auch lern- und/oder leistungs- Das Mentale Training direkt vor dem Einschla-
optimierende Inhalte vorgestellt werden. fen ist als besonders effektiv einzuschätzen, da
Unvollständige oder fehlerhafte Vorstellungs- während der Tiefschlafphase Gedächtnisinhalte
inhalte können sich kontraproduktiv auswirken aus dem Kurzzeitgedächtnis in das Langzeitge-
dächtnis überführt werden (u. a. Spitzer, 2002;
Debarnot et al., 2009).
8.1.6 Mentales Training
> Ist das Mentale Training fester Bestandteil
Erst jetzt kann davon ausgegangen werden, dass des alltäglichen Trainings, lässt es sich in
der Sportler nicht nur eine ausreichend intensive leicht modifizierter Form (reduziert oder ver-
und differenzierte Bewegungsvorstellung aufgebaut kürzt) zur Wettkampfvorbereitung oder zur
hat, sondern auch in der Lage ist, diese in zeitlicher Gestaltung von Wettkampfpausen einsetzen
Übereinstimmung mit der praktisch durchgeführ- (7 Kap. 8.2.2).
ten Bewegung ablaufen zu lassen, also mit dem ei-
gentlichen Mentalen Training zu beginnen.
8.2 Einsatzmöglichkeiten
Tipp I I des Mentalen Trainings
im Leistungssport
Unbeabsichtigt auftretende Mitbewegungen
sollten nicht verhindert werden und sind eher
ein Zeichen für die hohe Intensität der Vorstel- Im Leistungssport wird Mentales Training mit ver-
lung (Guillot, Moschberger & Collet, 2013). Je schiedenen Zielsetzungen angewandt. Natürlich
nach Länge der vorzustellenden Bewegung steht die Leistungsoptimierung als wesentliches
oder Bewegungsfolge wird empfohlen, ein- bis Ziel obenan, dennoch ist es sinnvoll, die in der
dreimal täglich mental zu trainieren, dabei 7 Übersicht im Kasten genannten Einsatzmöglich-
sollte eine Trainingseinheit nicht länger als ma- keiten zu unterscheiden.
ximal 10 Minuten dauern. Hier gilt der Grund-
satz: Qualität vor Quantität.
Einsatzmöglichkeiten des Mentalen
Trainings
Besonders empfehlenswert ist die Integration des 4 Optimierung der Trainingseffektivität
Mentalen Trainings in den Trainings- und/oder – Erlernen und Stabilisieren von motori-
Tagesablauf, denn eine Ritualisierung des Menta- schen Fertigkeiten
len Trainings erleichtert die regelmäßige Durch- – Erlernen und Stabilisieren von taktischen
führung. So kann z. B. eine Einheit vor dem prak- Handlungsabläufen
tischen Training stattfinden, eine danach oder in 4 Optimierung der Wettkampfleistung
einer Trainingspause und eine weitere abends di- – Wettkampfvorbereitung, Pausengestal-
rekt vor dem Einschlafen. In einer Analyse (Schus- tung in Wettkämpfen, Wettkampfnach-
ter et al., 2011) von 133 Studien, die Mentales bereitung
Training in verschiedenen Anwendungsbereichen – Regulation psychischer Faktoren vor,
untersuchten, wurden Empfehlungen für die wirk- im und nach dem Wettkampf
samste praktische Durchführung (Modalitäten) 4 Optimierung des Umgangs mit Verlet-
des Mentalen Trainings abgeleitet: Mentales Trai- zungen
ning ist am effektivsten nach dem praktischen – Bewegungsoptimierung
Training, mit internaler Perspektive, unter Ein- – Emotionsregulation
bezug kinästhetischer Vorstellungsinhalte und in – Schmerzregulation
sportartspezifischer Körperhaltung.
74 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

8.2.1 Mentales Training zur Gerade bei solchen Sportarten kann durch Menta-
Trainingsoptimierung les Training die Trainingsintensität, die zur Tech-
nikstabilisierung nötig ist, hoch gehalten werden.
Erlernen und Stabilisieren von motorischen Da durch Mentales Training äquivalente neuronale
Fertigkeiten Prozesse aktiviert werden wie beim tatsächlichen
Was das Erlernen und Trainieren von motorischen praktischen Bewegungsvollzug (7 Kap. 7), können
Fertigkeiten angeht, kann das Mentale Training so die für die Automatisierung von Bewegungsab-
insbesondere die kognitive Phase des Lernens und läufen nötigen hohen Umfänge annähernd reali-
Erwerbens einer motorischen Fertigkeit unter- siert werden.
stützen (7 Kap. 5). Hier zeigen sich besonders bei Schließlich spielt Mentales Training auch bei
komplexen Techniken bedeutende Vorteile des der Korrektur von Fehlern eine bedeutende Rolle:
Mentalen Trainings. Durch die Modifikation von Bewegungsvorstel-
Reidick (2007) konnte im Rahmen einer Unter- lungen und deren Training ist es schneller mög-
suchung an Kindern und Jugendlichen zeigen, dass lich, die Entstehung von Fehlern zu erkennen und
beim Erlernen der Technik des Hürdenlaufens der die Ursachen durch entsprechende Korrekturen
Einsatz des Mentalen Trainings zu einer Verbesse- zu beseitigen (Morris et al., 2005). Voraussetzung
rung der Endzeit über 50 m und auch zur Verbes- für eine schnelle Fehlerkorrektur ist natürlich eine
serung der Hürdenüberquerungszeit beiträgt. Die entsprechende Differenzierung und Intensität der
8 rein praktisch trainierende Gruppe, die genauso Bewegungsvorstellung.
viel Trainingszeit investierte, verschlechterte sich In vielen Sportarten nehmen Athlet und Trai-
in beiden Kriterien (Endzeit über 50 m Hürden ner direkt nach jedem praktischen Durchgang
und Hürdenüberquerungszeit; 7 Kap. 8.3.2). eine ausführliche Analyse vor (z. B. Skispringen,
Dies erklärt Reidick (2007) damit, dass das Er- Geräteturnen oder Eiskunstlauf). Erst das Vor-
lernen der Hürdentechnik gerade am Anfang mit handensein einer angemessenen und entsprechend
sehr vielen schmerzhaften Erfahrungen verbunden differenzierten Bewegungsvorstellung ermöglicht
ist (z. B. das Hängenbleiben mit dem Nachziehbein es dem Athleten, diese Trainerkorrekturen schnell
an der Hürde). Durch ausschließlich praktisches aufzufassen und umzusetzen.
Training wird die Konzentration des Sportlers unter
Umständen von der Technik- und Bewegungsaus- Tipp I I
führung weg auf die Hürde gelenkt (Vermeiden von Ideale Voraussetzungen zur schnellstmögli-
Schmerzen). Daraus resultiert die Vergrößerung chen Umsetzung der Fehlerkorrektur bringen
von Absprungabstand und Überquerungshöhe der Sportler mit, die Erfahrung mit Mentalem
Hürde, was sich letztlich in einer Verschlechterung Training haben und konkrete Umsetzungs-
der Endzeit über die 50 m Hürden auswirkt. pläne aus der Analyse mit dem Trainer zu-
Neben der Unterstützung beim Technikerwerb nächst in der Vorstellung entwickeln und
lassen sich bereits erworbene Fertigkeiten im Sinne ablaufen lassen, bevor eine erneute praktische
von »keeping them well tuned« trainieren (Morris Ausführung erfolgt.
et al., 2005, S. 216). In diesem Zusammenhang
seien hier exemplarisch solche Sportarten hervor-
gehoben, Erlernen und Stabilisieren von taktischen
4 die nur bei bestimmten Witterungsverhältnis- Handlungsabläufen
sen durchgeführt werden können (z. B. Ski- Auch für das taktische Lernen bietet das Mentale
springen oder Ski alpin), Training Vorteile: Mit seiner Hilfe lassen sich kom-
4 die nur mit hohem organisatorischem Auf- plexe taktische Strategien in konkrete individuali-
wand und damit in Abhängigkeit von Dritten sierte Handlungspläne umformulieren, lernen und
durchgeführt werden können (z. B. Segelflug), trainieren. Gerade im Spielsport ist somit eine
4 deren intensive Durchführung mit hohen Kos- schnellere Entscheidungszeit bei der Umsetzung
ten verbunden ist (z. B. Motorsport). von taktischen Vorgaben zu erwarten (Mayer et al.,
8.2 · Einsatzmöglichkeiten des Mentalen Trainings im Leistungssport
75 8
2006; Memmert et al., 2009; Verkasa & Gorovaya, oder auch während des Wettkampfs zum Einsatz
2011). kommen (7 Beispiel 8.1).
Ein wesentlicher Vorteil, gerade bei schnellen
Spielsportarten wie Eishockey, Fußball oder Basket- Beispiel 8.1: Skifahrer: Vorbereitung der Abfahrt
ball, ist darin zu sehen, dass der einzelne Sportler Zur Wettkampfvorbereitung ist von einem Skifahrer
während des Spiels automatisch situationsangemes- folgendes Ritual festgelegt worden (. Abb. 8.2): In
sen reagiert und somit kognitive Ressourcen ander- den letzten 20 Minuten vor dem Start versucht er,
weitig nutzen kann, z. B. für die Wahrnehmung von durch Hören einer festgelegten, ruhigen Musik und
Gegner- und Mitspielerverhalten (7 Kap. 8.3.8). einen bestimmten Atemrhythmus zu entspannen
(Relaxation). Nach zwei Musikstücken (ca. 7 Minu-
ten) trainiert er die Abfahrt mental. Er steht dabei
8.2.2 Mentales Training zur Optimie- in schulterbreiter Fußstellung mit leicht angewin-
rung der Wettkampfleistung kelten Knien und hält die Skistöcke – wie später im
Rennen – in den Händen.
Vorbereitung auf den Austragungsort Nach dem Mentalen Training hört der Skifahrer
und die Wettkampfsituation erneut Musik: drei Musikstücke, die er als seine
Die Anpassung (Gewöhnung oder Technikanpas- »Wettkampfmusik« zusammengestellt hat und die
sung) an den Austragungsort kann Inhalt des Men- eine mobilisierende Wirkung auf ihn haben. Dabei
talen Trainings sein. So können bestimmte Austra- führt er ein bestimmtes Stretching- und Aufwärm-
gungsorte durch bestimmte atmosphärische oder programm durch. Die letzte Minute vor dem Start
bauliche Besonderheiten die Bewegungsausführung füllt er durch die disziplinierte Aufrechterhaltung
beeinflussen oder stören. Um auf diese Umstände bestimmter Denkinhalte (aktive Selbstgespräche).
vorbereitet zu sein, nutzen viele Athleten das Men-
tale Training, um so ihren Bewegungsablauf an das
neue oder ungewohnte Setting anzupassen.

Positives Selbstgespräch
In vielen Sportarten erlaubt das Mentale Trai- Entspannung Mobilisation

Kopfdisziplin:
Aktivation

ning die Technikanpassung an bestimmte Wett-


kampfbegebenheiten Wochen vor dem eigentlichen
Wettkampf. So trainieren Rodler und Bobfahrer be-
reits im Sommer mental Fahrten bei unterschied-
lichen Eisbedingungen an den verschiedenen Bah- Mentales
nen des Weltcups. Eishockeyspieler bereiten sich Training
auf Eis- und Bandeneigenschaften in bestimmten
Zeit
Stadien vor, und Skispringer trainieren mental ih-
ren Bewegungsablauf bei unterschiedlichen Wind- . Abb. 8.2 Mentales Training als Teil des Rituals zur Wett-
verhältnissen auf den Weltcupschanzen. kampfvorbereitung
Auch das adäquate Verhalten bei möglichen stö-
renden Rahmenbedingungen wird per Mentalem
Training trainiert: Tennisspieler bereiten sich damit Das Mentale Training unmittelbar vor dem Wett-
auf störende Einflüsse aus der Umwelt (z. B. Flug- kampf kann insbesondere dazu beitragen, die jetzt
zeuglärm bei den US Open) vor, Biathleten nehmen erforderlichen Handlungsabläufe neuronal vorzu-
mit dieser Methode die besondere Atmosphäre ei- bereiten. Allerdings sind auch die Wirkungen auf
ner Wettkampfstätte vorweg (z. B. die besondere psychische Faktoren maßgeblich:
Nähe der Fans im Schießstadion von Ruhpolding). 4 Mentales Training kann hilfreich sein, um die
Aufmerksamkeit zu fokussieren. Dieses Ef-
Wettkampfvorbereitung fekts bedient man sich häufig sowohl vor dem
Mentales Training kann im Rahmen der Wett- Wettkampf als auch während des Wettkampfs
kampfvorbereitung Teil eines festen Rituals sein (z. B. in Wettkampfpausen; s. unten). Das
76 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

Vorstellen eigener optimaler Bewegungs- und Beispiel 8.3: Wettkampfnachbereitung


Handlungsabläufe lenkt die Aufmerksam- im Eishockey
keit des Sportlers auf relevante Aspekte der Ein Eishockeyspieler berichtete von einem gra-
Handlungsausführung und unterstützt somit vierenden Fehler, der ihm bei der Spieleröffnung
die Vermeidung unfunktionaler Denkmuster widerfuhr, als er den Puck hinter dem eigenen Tor
(z. B. Konsequenzdenken oder Zweifel an der ins Spiel bringen wollte. Ein gegnerischer Stürmer
eigenen Leistungsfähigkeit). konnte ihm im eigenen Drittel den Puck abnehmen
4 Mentales Training wirkt sich positiv auf die und schoss daraufhin das entscheidende Tor der
Kompetenzerwartung aus (7 Kap. 5). So er- Partie. In der Folge ging dem Spieler diese Szene
zeugen Vorstellungen des eigenen positiven nicht mehr aus dem Kopf, immer wieder musste
Handelns Gefühle der Kontrolle und der er an das Erlebnis denken, sodass er schließlich
Kompetenz und stärken damit das Vertrauen bei ruhendem Puck hinter dem eigenen Tor kaum
des Sportlers in die eigene Leistungsfähigkeit noch in der Lage war, den Puck sicher ins Spiel zu
(Levy, Nicholls & Polman, 2011). bringen.
Das Erarbeiten einer entsprechend optimalen
Wettkampfpausen Vorstellung dieser Situation mit verschiedenen
Entsprechende Effekte lassen sich auch während Handlungsoptionen und das wiederholte, systema-
des Wettkampfs erzielen, z. B. in Wettkampfpau- tische Mentale Training dieser Handlungsoptionen
8 sen. Das in 7 Beispiel 8.2 wiedergegebene Ritual resultierte in einer Erweiterung des taktischen Re-
wurde von einem Tennisspieler für die Pause beim pertoires und dem entsprechenden Zutrauen, die
Seitenwechsel erarbeitet. Situation zu bewältigen.

Beispiel 8.2: Tennis: Gestaltung der Pause beim


Seitenwechsel 8.2.3 Mentales Training zur
4 Atmen (relaxierend) Optimierung des Umgangs
4 Trinken mit Verletzungen
4 Essen
4 Systemcheck (»Bin ich klar?«, »Fokus im Hier Der Einsatz des Mentalen Trainings im Umgang
und Jetzt?«) mit Verletzungen wird an dieser Stelle nur kurz
4 Mentales Training: Vorbereitung auf Aufschlag erwähnt, da diese Anwendung in 7 Kap. 9 aus-
oder Return führlich dargestellt wird. Hier sei nur vorwegge-
4 Atmen (mobilisierend) nommen, dass das Mentale Training nach Sport-
verletzungen zum Erhalt, Umlernen oder Neuler-
Wettkampfnachbereitung nen von Bewegungsabläufen erfolgreich eingesetzt
Neben dem Einsatz des Mentalen Trainings vor wird, darüber hinaus aber auch ein positiver Effekt
und während des Wettkampfes spielt auch der auf das Schmerzerleben sowie die Emotionsregula-
Rückblick, also die Wettkampfnachbereitung, eine tion festgestellt wird.
bedeutsame Rolle. Mentales Training kann im Insbesondere dann, wenn die Verletzung durch
Nachgang eines Wettkampfes hilfreich sein, um Sturz oder Unfall aufgetreten ist, können Ängste
das sportliche Handeln zu analysieren und ggf. und Blockaden den Rehabilitationsfortschritt und
optimierte Handlungsabläufe zeitnah in der Vor- den Wiedereinstieg in das Training und den Wett-
stellung auszubilden und zu trainieren. kampf massiv beeinträchtigen. Gerade bei der-
Eine sorgfältige Nachbereitung von Wettkämp- artigen Problemstellungen erweist sich Mentales
fen verfolgt auch den Zweck, gravierende Fehler Training als nützliches und ergänzendes Verfahren
eines Sportlers nicht zu ansteigender Verunsiche- im Rahmen der Therapie (Hermann & Eberspä-
rung in vergleichbaren Spielsituationen führen zu cher, 1994).
lassen (7 Beispiel 8.3).
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
77 8
8.3 Anwendungsvielfalt ganz spezifischen Realität, dem besagten Feld,
des Mentalen Trainings untersucht werden (McKenzie & Howe, 1991);
im Leistungssport 4 der Aspekt der effektiven Umsetzung in
speziellen sportartspezifischen Anwendungs-
Das wissenschaftliche Interesse am Mentalen bereichen. Die Sportpsychologie mit ihren
Training rückt einige Fragen in den Mittelpunkt Trainingsverfahren wird in den letzten Jahren
(7 Kap. 3–7), z. B. vermehrt von der Sportpraxis wahrgenommen
4 die Frage nach der prinzipiellen Wirksamkeit (Eberspächer et al., 2002, 2005). Etablieren
des Mentalen Trainings, können sich sportpsychologische Trainingsfor-
4 die Frage nach der Effektivität im Vergleich zu men jedoch erst unter der Voraussetzung, dass
praktischem Training, die Anwendung sportartspezifisch dargestellt
4 die Frage nach den zugrunde liegenden Wirk- wird und entsprechende Untersuchungsergeb-
mechanismen und nisse die zu erwartende Wirkung des Verfah-
4 die Frage, welche Faktoren die Wirkung des rens quantifizieren. Insofern geht es nicht al-
Mentalen Trainings auf welche Art und Weise lein darum, grundlegende Wirkmechanismen
beeinflussen. darzustellen und allgemeine Empfehlungen
zu formulieren, sondern der Einsatz des Men-
Insbesondere aus der Sicht der Praxis wird kriti- talen Trainings muss sportartspezifisch unter
siert, dass sich das wissenschaftliche Interesse zu Berücksichtigung unterschiedlicher Fertig-
sehr an den Grundlagen und zu wenig am kon- keitsstufen diskutiert und untersucht werden
kreten Einsatz des Mentalen Trainings orientiert. (Grove et al., 1999; Munzert, 2001).
Immer öfter wurde seitens der Praxis die Forde-
rung formuliert, den Anwendungsbereich mehr zu Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass bis-
fokussieren und konkrete, sportartspezifische An- lang eine Fülle an Untersuchungen zu Mentalem
wendungsmöglichkeiten des Mentalen Trainings Training im Anwendungsfeld (Leistungs-)Sport
zum Gegenstand der wissenschaftlichen Untersu- vorliegt. Darüber hinaus existieren die bereits in
chung zu machen (z. B. Isaac, 1992). Insbesondere 7 Kap. 5 vorgestellten Metaanalysen, die generelle
zwei Aspekte sind es, die bei diesen Forderungen Wirkungsweisen des Mentalen Trainings ermittelt
im Vordergrund stehen: haben. Es fehlt jedoch bislang ein systematischer
4 der Aspekt der externen Validität von Unter- und umfassender Überblick über Untersuchun-
suchungsergebnissen, also die Übertragbarkeit gen mit entsprechenden Wirksamkeitsnachweisen
von Erkenntnissen aus Untersuchungen, die und Berichten zu Anwendungsbesonderheiten des
nicht selten mit Studierenden als Probanden Mentalen Trainings unter sportartspezifischen Be-
durchgeführt wurden, auf den Leistungssport- dingungen.
ler in der Trainings- oder Wettkampfpraxis. Ziel ist es, in diesem Kapitel die wissenschaft-
Die Frage nach der externen Validität taucht lich gestützten Erkenntnisse zur Anwendung des
in der Wissenschaft v. a. dann auf, wenn ex- Mentalen Trainings sportartspezifisch darzustel-
perimentelle Studien unter Laborbedingungen len. Dies soll dem jeweiligen Anwender zu geziel-
an einer Stichprobe durchgeführt werden und ten Informationen zum bisherigen Einsatz und
anschließend auf eine bestimmte Population den damit verbundenen Wirkungen des Mentalen
geschlossen werden soll. Untersuchungen un- Trainings in seiner Sportart verhelfen. Außerdem
ter Laborbedingungen mit einer Stichprobe, sollen praktische Erfahrungen in der Anwendung
die der betreffenden Personengruppe, für die des Mentalen Trainings in verschiedenen Sportar-
die Ergebnisse gewonnen werden sollen, nicht ten einfließen.
entspricht, bieten eine große Angriffsfläche. Hierzu wird im Folgenden eine systematische
Um Rückschlüsse im Hinblick auf die Anwen- Übersicht über die Anwendung von Mentalem
dung eines Sachverhalts ziehen zu können, Training im Leistungssport (unterteilt nach ver-
muss der entsprechende Sachverhalt in seiner schiedenen Sportarten und Sportartengruppen)
78 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

vorgestellt. Dabei soll eine Grobskizzierung der


bisherigen wissenschaftlichen Auswertung des teraktion mit anderen Personen, hinzu
Einsatzes von Mentalem Training in der betreffen- (z. B. Rhythmische Sportgymnastik in der
den Sportart bzw. der Sportartengruppe dargestellt Gruppe).
werden. Außerdem wird aus den dargestellten Er- 4 Komplexitätsstufe 4: Bewegung +
gebnissen und den praktischen Erfahrungen ein Variation + Gegner
erster Schritt in Richtung differenzierter Empfeh- Diese Komplexitätsstufe beinhaltet
lungen für die Anwendung von Mentalem Trai- variierende Anforderungen an den Be-
ning in einzelnen Sportarten bzw. Sportartengrup- wegungsablauf bzw. unterschiedliche
pen geleistet. Bewegungsabläufe, verbunden mit der
indirekten Beeinflussung des Bewegungs-
geschehens durch den Gegner. Indirekt
8.3.1 Komplexität der Sportarten deshalb, weil das Bewegungsgeschehen
und Mentales Training zwar vom Gegner abhängt, jedoch keine
direkte Einwirkung durch diesen, also
Für die beabsichtigte Analyse wurden die Sportar- kein Kontakt gegeben ist (z. B. Tischten-
ten nach Komplexitätskriterien gruppiert. Je mehr nis, Tennis).
Kriterien hierbei zu berücksichtigen sind, umso fa- 4 Komplexitätsstufe 5: Bewegung +
8 cettenreicher muss das Mentale Training gestaltet Variation + Gegner + Team
werden. So entsteht eine Kategorisierung, die die Zum variierten Bewegungsgeschehen, ver-
einzelnen Sportarten sieben aufeinander aufbau- bunden mit einer indirekten Beeinflussung
enden Kategorien oder Komplexitätsstufen zuord- durch den Gegner, kommt in dieser Kate-
net (. Abb. 8.3 und die Übersicht im 7 Kasten). gorie der Teamaspekt hinzu – aus »dem«
Gegner werden in diesem Fall »die« Gegner,
und die eigenen Teammitglieder und deren
Beschreibung der Komplexitätsstufen Verhalten müssen zusätzlich berücksichtigt
4 Komplexitätsstufe 1: Bewegung werden (z. B. Volleyball).
(ohne Variation) 4 Komplexitätsstufe 6: Bewegung +
Bei Sportarten dieser Komplexitätsstufe ist Variation + Gegner + Kontakt
der Bewegungsablauf ohne Variation und Auf dieser Komplexitätsstufe kommt zu
weitestgehend ohne Anpassung an Situa- den variierenden Anforderungen an den
tionsparameter zu vollziehen (z. B. Diskus- Bewegungsablauf und der Berücksich-
wurf, Bogenschießen). tigung des Gegnerverhaltens auch der
4 Komplexitätsstufe 2: Bewegung + direkte Kontakt zum Gegner hinzu (z. B.
Variation Boxen, Judo).
Bei Sportarten dieser Komplexitätsstufe exis- 4 Komplexitätsstufe 7: Bewegung +
tieren verschiedene Bewegungsvariationen, Variation + Gegner + Kontakt + Team
die entsprechend der gestellten Anforderung Zu den variierenden Anforderungen an
eingesetzt werden, oder der Bewegungsab- den Bewegungsablauf, der Berücksichti-
lauf variiert aufgrund wechselnder Umge- gung des Gegnerverhaltens sowie dem di-
bungsbedingungen (z. B. Golf, Ski alpin). rekten Kontakt zu diesem kommt schließ-
4 Komplexitätsstufe 3: Bewegung + lich noch der Teamaspekt hinzu. Es geht
Variation + Team also nicht um einen, sondern um viele
Bei dieser Komplexitätsstufe kommt zur Gegner sowie um eigene Teammitglieder
Variation des Bewegungsablaufs der und um das abgestimmte Verhalten der
Teamaspekt, also die abgestimmte In- Teammitglieder zueinander (z. B. Fußball,
6 Basketball, Eishockey).
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
79 8
Komplexitätsstufe 1: Bewegung (ohne Variation)

Komplexitätsstufe 2: Bewegung + Variation

Komplexitätsstufe 3: Bewegung + Variation + Team

Komplexitätsstufe 4: Bewegung + Variation + Gegner

Komplexitätsstufe 5: Bewegung + Variation + Gegner + Team

Komplexitätsstufe 6: Bewegung + Variation + Gegner + Kontakt


. Abb. 8.3 Einteilung der
Sportarten in sieben Komple-
Komplexitätsstufe 7: Bewegung + Variation + Gegner + Kontakt + Team xitätsstufen

Mit jeder Komplexitätsstufe kommen demnach In der nun folgenden Beschreibung der Sport-
weitere Aspekte hinzu, die die vorzustellende Be- artengruppen soll allgemein geklärt werden, ob in
wegungssituation komplexer machen und daher den hier zugeordneten Sportarten
höhere Anforderungen an die Gestaltung des 4 Mentales Training im Spitzenbereich zur Leis-
Mentalen Trainings stellen. Schließlich müssen tungsoptimierung beiträgt,
viele relevante Aspekte in die Vorstellung mitein- 4 Mentales Training zum Bewegungslernen,
bezogen werden, um die originäre Bewegungssi- unter Umständen auch beim Nachwuchs, ein-
tuation so realistisch wie möglich mental trainie- gesetzt werden kann,
ren zu können. 4 Mentales Training zur Optimierung psycholo-
Bestandteil der Analyse sind dabei sowohl gischer Variablen (Wettkampfangst, Selbstbe-
olympische als auch nicht olympische Sportarten. wusstsein) eingesetzt wird
Von der Übersicht ausgeschlossen sind solche sowie
Anwendungsbeispiele, die zwar Sportartenbezug 4 auf welche Art und Weise das Mentale Trai-
aufweisen, jedoch nicht dem Leistungssport zu- ning durchgeführt wird.
zuordnen sind. Stellvertretend seien hier Untersu-
chungen an Studierenden genannt, die keinen Leis- Es sei an dieser Stelle erneut darauf hingewiesen,
tungssportbezug haben. Ausnahmen finden sich dass vornehmlich wissenschaftliche Publikationen
dort, wo neue Bewegungen mit Sportartenbezug in diese Übersicht einbezogen wurden, die dann
erlernt werden sollen. Diese Anwendungsbeispiele mit Erfahrungsberichten und Beispielen vertieft
werden trotz fehlenden Leistungssportbezugs in werden. Dies soll dreierlei sicherstellen:
die Übersicht integriert, da sie Aufschluss über den 4 Die Art und Weise, wie in den jeweiligen
Einsatz des Mentalen Trainings zum Erlernen der Sportarten mental trainiert wurde, wird aus-
sportartspezifischen Bewegungen geben können. reichend dokumentiert.
Aus welchen Sportarten Ergebnisse aus wissen- 4 Über die Wirkung des Verfahrens in den je-
schaftlichen Studien zur Anwendung des Mentalen weiligen Sportartengruppen wird nach objek-
Trainings vorliegen bzw. zu welchen Sportarten in tiven Kriterien berichtet.
diesem Kapitel Praxisbeispiele dargestellt sind und 4 Praktische Erfahrungen in der Anwendung
welcher Kategorie diese jeweils zugeordnet sind, ist des Mentalen Trainings in der jeweiligen
der . Tab. 8.1 zu entnehmen. Sportartengruppe werden vorgestellt.
80 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

8.3.2 Komplexitätsstufe 1:
. Tab. 8.1 Sportarten, zu denen Ergebnisse aus wis-
senschaftlichen Studien zur Anwendung des Mentalen Bewegung (ohne Variation)
Trainings vorliegen bzw. zu denen Praxisbeispiele dar-
gestellt sind, und deren Komplexitätsstufe Bei Sportarten der Komplexitätsstufe 1 (. Abb. 8.4)
ist der Bewegungsablauf ohne Variation und ohne
Sportart Komplexitätsstufe
wesentliche Anpassung an Situationsparameter
Basketball 7 durchzuführen. Es handelt sich also um Sportar-
ten, bei denen ein bestimmter Bewegungsablauf
Boxen 6
im Wettkampf und auch im Training auf die im-
Cricket 5 mer gleiche Art und Weise durchzuführen ist. Dies
bedeutet, dass ein und derselbe Bewegungsablauf
Darts 1
in technisch höchster Perfektion verfügbar sein
Eishockey 7 muss, unabhängig von der Situation, in der er
durchzuführen ist.
Eiskunstlauf (Einzel) 2
Neben Sportarten, in denen dies die einzige
Feldhockey 7 Anforderung darstellt (z. B. Bogenschießen), gibt
es auch Sportarten höherer Komplexitätsstufen,
Football 7
in denen immer wieder isolierte Bewegungen aus-
8 Fußball 7 geführt werden, die eigentlich der Komplexitäts-
stufe 1 zuzuordnen sind (z. B. der Freiwurf beim
Golf 2
Basketball). Aus Gründen der Übersichtlichkeit
Judo 6 werden im Folgenden die Ergebnisse zum Men-
talen Training dieser isolierten Bewegungen im
Kanu 2
Kontext der jeweiligen Sportart besprochen.
Karate 6
> Für den Einsatz des Mentalen Trainings bei
Leichtathletik 1 Sportarten der Komplexitätsstufe 1 ist es
wichtig, dass eine stabile und differenzierte
Reiten 2
Vorstellung des Bewegungsablaufs auf
Rennrodeln 2 höchstem technischem Niveau verfügbar
ist. Es ist hingegen nicht erforderlich, ver-
Rhythmische Sport- 3
gymnastik (Gruppe) schiedene Vorstellungsvariationen für
einen Bewegungsablauf parallel zu entwi-
Rugby 7 ckeln – z. B. um ihn an verschiedene Situati-
Schwimmen 1 onen anzupassen. Sportler können exakt
vorgegebene Bewegungsabläufe mental
Skisport 2 trainieren. Beim Mentalen Training wird in
Schießen 1 der Vorstellung immer die gleiche Bewe-
gung ablaufen (ggf. angepasst an unter-
Synchroneiskunstlauf 3 schiedliche situative Gebebenheiten.
(Gruppe)
Im Folgenden sollen relevante Befunde zum Ein-
Tennis 4
satz des Mentalen Trainings in Sportarten, die der
Tischtennis 4 Komplexitätsstufe 1 zugeordnet sind, vorgestellt
werden.
Triathlon 2

Turnen 2 Leichtathletik
Leichtathletik besteht aus mehreren Disziplinen,
Volleyball 5
die aus den Bewegungen des Laufens, Springens,
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
81 8
schleunigenden Drehbewegung sind wesentliche
Aspekte der Bewegungsvorstellung, die erst durch
intensive Videobetrachtung und intensives Ana-
lysieren der praktisch durchgeführten Bewegung
ausreichend differenziert vom Sportler vorgestellt
werden kann.
Das Mentale Training wird Bestandteil des
praktischen Trainings, da die Pausen zwischen den
Belastungsphasen mit Eigenreflexion und Mentalem
Training gefüllt werden. Der Sportler führt somit
zunächst die Bewegung praktisch aus, reflektiert
dann mit dem Trainer über positive und negative
Aspekte der Bewegungsdurchführung und versucht,
die ermittelten Verbesserungsmöglichkeiten in die
. Abb. 8.4 Komplexitätsstufe 1: Bei Sportarten der ersten Vorstellung zu integrieren. Bevor er erneut wirft,
Komplexitätsstufe, wie z. B. dem Bogenschießen, ist der Be- wird per Mentalem Training der optimale Ablauf der
wegungsablauf ohne Variation und ohne wesentliche Anpas-
Bewegung vorgestellt.
sung an Situationsparameter durchzuführen.
© Toutenphoton / fotolia.com Darüber hinaus wird das Mentale Training Be-
standteil des Tagesablaufs: Der Sportler trainiert
mental regelmäßig abends vor dem Einschlafen.
Werfens und Stoßens entstanden sind. Diese viel- Dabei stellt er sich die optimale Bewegungsdurch-
fältigen Disziplinen lassen sich grob in fünf Blöcke führung an verschiedenen Wettkampfstätten und in
unterteilen: Sprint, Mittel- und Langstreckenlauf, verschiedenen Wettkampfsituationen vor.
Sprung, Wurf, Gehen. Im Allgemeinen kann für In einem letzten Schritt wird das Mentale Trai-
die Charakterisierung der in der Leichtathletik zu- ning als Element in das Ritual der Wettkampfvorbe-
sammengefassten Disziplinen folgender Grundsatz reitung aufgenommen.
gelten: Je kürzer die Belastungsdauer einer Diszi-
plin, umso komplexer und anspruchsvoller sind In einer Untersuchung von Ungerleider et al.
die darin enthaltenen technischen Elemente. Hin- (1989) wurden die kognitiven Strategien erfolg-
sichtlich der Komplexität der Bewegungsinhalte reicher Leichtathleten untersucht. 70 % der Ath-
zeichnen sich viele Disziplinen der Leichtathletik leten gaben an, während des Wettkampfes Men-
durch immer gleichbleibende Bewegungsabläufe tales Training einzusetzen. Dabei konnten auch
aus. Beispiele sind Diskuswerfen (7 Beispiel 8.4), Zusammenhänge mit weiteren Variablen gefunden
Weitsprung, Hürdenlauf. werden. So nutzen eher jüngere Athleten, Athleten
mit Verletzungsvorgeschichte und diejenigen, die
Beispiel 8.4: Mentales Training zur Trainings- und außerdem Entspannungsverfahren einsetzen, auch
Wettkampfoptimierung im Diskuswurf das Mentale Training. In einer weiteren Untersu-
Der Diskuswurf gehört zu den ältesten olympischen chung konnten Ungerleider und Golding (1991)
Sportarten und wird im Rahmen der Leichtathletik zeigen, dass Olympiateilnehmer Mentales Training
den Wurfsportarten zugerechnet. Die Anforderung häufiger nutzen als Nicht-Olympiateilnehmer – so-
beim Diskuswurf ist gleichbleibend: Mit einer Dreh- wohl vor und nach den entsprechenden Ausschei-
technik auf begrenztem Raum (Wurfkreis) gilt es, dungswettkämpfen als auch vor den Olympischen
den Diskus möglichst weit in einen abgesteckten Spielen. Ungerleider und Golding (1991) schluss-
Raum (Sektor) zu werfen. folgerten, dass besonders erfolgreiche Leichtath-
Nach dem in 7 Kap. 8.1 dargestellten Vorgehen leten auch Mentales Training einsetzen. In der
wird gemeinsam mit dem Sportler eine Bewegungs- Leichtathletik wurde in verschiedenen Disziplinen
vorstellung erarbeitet. Insbesondere die optimale die Wirkung des Mentalen Trainings zur Leis-
Arm- und Oberkörperhaltung während der be- tungsoptimierung untersucht.
82 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

Studien Bewegungsvorstellung geachtet, außerdem wurde


Inwiefern der Leistungstransfer vom unspezi- versucht, über verschiedene Zugänge Intensität
fischen praktischen Training (Training auf dem und Lebhaftigkeit der Vorstellung zu fördern. Der
Fahrradergometer) zur leichtathletischen Wett- konkrete Ablauf des Mentalen Trainings, das auf
kampfdisziplin Sprint durch Hinzunahme von dem Stufenmodell von Eberspächer (2001) auf-
Mentalem Training verbessert werden kann, un- baut, sei an dieser Stelle ausführlicher dargestellt:
tersuchten Van Gyn et al. (1990).
Bei der Studie an 40 Sportstudierenden wurden »Zuerst versuchte sich jedes Kind den Hürdenlauf
vier Gruppen gebildet: eine Gruppe, die nur men- aus eigenem Erleben vorzustellen. Anschließend
tal die Sprintbewegung trainierte, eine Gruppe, die wurde über die Erfahrungen gesprochen. Dabei
nur Maximalleistung auf dem Fahrradergometer wurde deutlich, dass einige Kinder Schwierigkeiten
trainierte, eine kombinierte Gruppe und eine Kon- hatten, sich den Lauf vorzustellen, fast alle konnten
trollgruppe. Das Training wurde dreimal wöchent- nur das wiedergeben, was sie als Korrekturhilfe vom
lich über sechs Wochen durchgeführt. Trainer gehört hatten« (Reidick, 2007, S. 86).
Die Sportler der mentalen Trainingsgruppe soll-
ten den Bewegungsablauf beim Sprint fokussieren, Im nächsten Schritt sollten Karten, auf denen die
eine einleitende Instruktion »You are coming to the einzelnen Elemente der Hürdenüberquerung bild-
start line. Get ready on the start line« wurde vom lich dargestellt waren, von den Kindern und Ju-
8 Versuchsleiter vorgegeben. Die Sportler der kom- gendlichen in die richtige Reihenfolge gebracht
binierten Gruppe (Mentales Training und Training werden.
der Maximalleistung) sollten sich im Rahmen des
Trainings der Maximalleistung auf dem Ergometer »Erstaunlich war, dass von den elf Mädchen nur
zu einem Zeitpunkt, zu dem die Trittfrequenz an- ein Kind, das zwar selbst wenig Erfahrung mit dem
nähernd der Sprintfrequenz entsprach, den Bewe- Hürdentraining hatte, aber schon viele Läufe im
gungsablauf beim Sprint vorstellen. Fernsehen gesehen hatte, die Bilder richtig zuord-
Dabei stellte sich heraus, dass sich die Maxi- nen konnte. […] Alle anderen, selbst zwei Mädchen
malleistung (in Watt) der Athleten beim unspezi- mit viel Hürdenerfahrungen und eigenen sehr guten
fischen Training auf dem Fahrradergometer in den Leistungen, waren nicht in der Lage, die Bilder rich-
beiden Gruppen, die die Maximalleistung trainier- tig zu ordnen.« (Reidick, 2007, S. 87)
ten (nur Maximalleistung bzw. Maximalleistung
kombiniert mit Mentalem Training), verbesserte. Nach dem Ordnen der Bilder sollten die Kinder
Die Sprintleistung verbesserte sich jedoch nur in wieder die Augen schließen und sich den Hürden-
den beiden Gruppen, die mental (nur mental bzw. lauf nach der zeitgleichen Beschreibung des Ver-
kombiniert) trainierte (. Abb. 8.5). Bemerkenswert suchsleiters vorstellen. Dieser betonte markante
ist außerdem, dass die Gruppe, die nur mental Punkte besonders, um die umfangreiche Technik
trainierte, bei der Sprintleistung besser abschnitt auf wichtige Punkte zu reduzieren:
als die Gruppe, die lediglich unspezifisch praktisch 4 Lauf auf die Hürde zu.
die Maximalleistung trainierte. 4 Drücken in die Hürde hinein.
Erwähnt werden soll an dieser Stelle auch der 4 Nachziehbein im Halbkreis.
Ansatz von Reidick (2007; auch Reidick & Mayer, 4 Stabiles Schwungbein bei der Landung, mög-
2007), der bereits im Kontext der Trainingsopti- lichst gestreckt, hohes Nachziehbein.
mierung durch Mentales Training kurz vorgestellt 4 Sprinten zwischen den Hürden.
wurde (7 Kap. 8.3.1). Hier wurde versucht, das
Erlernen der Hürdentechnik bei Kindern und Ju- Reidick betont, dass es bei der Erarbeitung der
gendlichen im Alter von 11 bis 15 Jahren durch Instruktion wichtig gewesen sei, »in der Sprache
Mentales Training zu optimieren. der Jugendlichen und Kinder zu bleiben. Es sollte
In der Studie von Reidick (2007) wurde sehr so verständlich dargestellt werden, dass die Kinder
auf den kindgerechten Aufbau einer angemessenen in der Lage waren, die Bewegungsinstruktionen
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
83 8
Pre- und Posttest: 40-m-Sprint-Zeiten in 1/1000 Sekunden

Mentales Training Mentales Training und Fahrradergometer


Training Fahrradergometer Kontrollgruppe
6200

6100

6000

5900

5800

5700

5600

5500

5400
Vorher Nachher

Pre- und Posttest: Maximalleistung in Watt

Mentales Training Mentales Training und Fahrradergometer


Training Fahrradergometer Kontrollgruppe
900

880

860

840

820

800

780 . Abb. 8.5 Vergleich der Ergebnisse


760 (vor und nach der Intervention)
in den Variablen Maximalleistung
740
(Watt) und 40-m-Sprintzeit (1/1000
720 Sekunden) der vier Untersuchungs-
gruppen (erstellt nach Daten von
700
Vorher Nachher Van Gyn et al., 1990)

zu verstehen und umsetzen zu können« (Reidick, chen war für den Trainer ein wichtiges Instrument,
2007, S. 87). um zu überprüfen, ob die Bewegungsvorstellung
In der nächsten Trainingseinheit wurde ein technisch richtig war. Durch die Beschreibung von
Video eines 50-m-Hürdenlaufs der Frauen gezeigt. Empfindungen wie Spannung vor dem Start, Herz-
Im Anschluss daran schlossen die Kinder wieder klopfen, das Fühlen der verschiedenen Muskelbe-
die Augen und stellten sich den Hürdenlauf mehr- wegungen oder der Flug über die Hürden wurden
mals vor. Danach wurde mit der Gruppe gemein- kinästhetische Informationen des Bewegungsab-
sam der Hürdenlauf beschrieben, und der Trainer laufs in die Vorstellung integriert.
gab Hilfen und Korrekturen. Bei der Beschreibung In einer weiteren Einheit wurde vom Trainer
sollte der Hürdenlauf von den Kindern und Ju- noch einmal herausgearbeitet, welche einzelnen
gendlichen in allen Einzelheiten dargestellt wer- Technikelemente für die markanten Punkte stehen.
den. Die Beschreibung der Kinder und Jugendli- Diese wurden – vom Trainer – mit Knotenpunkten
84 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

und Schlagwörtern versehen, z. B. der Experimentalgruppe Kontrollgruppe


4 Knotenpunkt »Drücken in die Hürde hinein«, 11
der für die
10,5
4 Technikelemente »Abdrücken mit dem Nach-
ziehbein, Abdruck nach vorn, Schwungbein 10

Zeit 50 m Hürden [s]


wird angekickt und führt die Bewegung nach
vorn, Oberkörper bleibt in Laufrichtung, 9,5
Arme werden in Laufrichtung bewegt, Be- 9
schleunigung bleibt« steht und mit dem
4 Schlagwort »Kick« 8,5
versehen wurde.
8
Anhand der Videoaufzeichnungen wurden für
jeden einzelnen Sportler eigene Knotenpunkte ge- 7,5
sucht und mit individuell von den Kindern ge-
7
wählten Schlagwörtern versehen. Auch wenn die Vorher Nachher
Autorin diesen Prozess als etwas mühsam be- a
schreibt, wird er als sehr bedeutsam eingeschätzt: Experimentalgruppe Kontrollgruppe
»Durch den Bezug zum eigenen Leben wird es 1,5
8 für die Kinder und Jugendlichen verstehbarer, die
1,48
Symbole kommen aus ihren eigenen Vorstellungen
Zeit Hürdenüberquerung [s]

und sind die eigenen Knotenpunkte eines Kindes


1,46
und Jugendlichen« (Reidick, 2007, S. 89).
In den nächsten Einheiten wurde die zeitliche 1,44
Übereinstimmung zwischen vorgestellter und tat-
sächlicher Bewegung erfasst. 1,42

»Im Laufe der Zeit näherte sich die mentale Vorstel- 1,4
lung zeitlich immer mehr der realen Ausübung an.
In den letzten beiden Einheiten wurde das Mentale 1,38
Training mit einer Stoppuhr durchgeführt. Dabei
1,36
wurde der Lauf in der Regel dreimal in der Vorstel- Vorher Nachher
lung durchgegangen, zwei Sportler schafften fast b
die Zeit eines vergleichbaren 50-m-Hürdenlaufs.«
(Reidick, 2007, S. 90) . Abb. 8.6 Mittelwertsunterschiede in den Variablen »End-
zeit 50 m Hürden« (a) und »Hürdenüberquerungszeit« (b) vor
und nach dem Training der Experimentalgruppe (praktisches
Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind bemer- Training und Mentales Training) und der Kontrollgruppe
kenswert: Die Kinder, die zusätzlich zum prak- (praktisches Training) (nach Reidick, 2007)
tischen Training mental trainierten, verbesserten
sich deutlich gegenüber den Kindern, die zeit-
gleich lediglich praktisch trainierten. Gemessen
wurden u. a. die Endzeit über 50 m Hürden sowie Zusammenfassung der Ergebnisse. Die Ergeb-
die Hürdenüberquerungszeit (. Abb. 8.6). Reidick nisse der beiden hier referierten Studien zum Men-
und Mayer (2007) erklären diesen deutlichen Ef- talen Training in der Leichtathletik lassen sich fol-
fekt damit, dass gerade beim rein praktischen Trai- gendermaßen zusammenfassen:
ning häufig schmerzhafte Erfahrungen gemacht 4 Die Studie von Van Gyn et al. (1990) zeigt,
werden, was dazu führt, dass die Kinder die Hürde dass Mentales Training eine sinnvolle Ergän-
höher nehmen und damit der optimalen Technik- zung des unspezifischen Trainings darzustel-
entwicklung entgegenwirken. len scheint, die den Leistungstransfer vom
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
85 8
unspezifischen praktischen Training zur Wett- Mendoza und Wichman (1978) untersuchten
kampfdisziplin sichert. die Wirkung des Mentalen Trainings beim Erler-
4 Außerdem scheint ein spezifisches Mentales nen des Dartwurfs in einem Vier-Gruppen-De-
Training zu einer besseren spezifischen Leis- sign: kein Training, Mentales Training, Mentales
tung in der Wettkampfdisziplin Sprint zu füh- Training und Bewegungssimulation, praktisches
ren als ein unspezifisches Maximalleistungs- Training. Bewegungssimulation bedeutet hier die
training (hier: Fahrradergometertraining) aktive Bewegungsdurchführung, allerdings ohne
allein. Dartpfeil und Zielscheibe. Insofern werden die
4 In der Studie von Reidick (2007) verbesser- gleichen Bewegungsabläufe durchgeführt und
ten sich Kinder und Jugendliche, die beim entsprechendes sensorisches Feedback erzeugt.
Erlernen der 50-m-Hürdentechnik zusätzlich Lediglich das Halten und Abwerfen des Pfeils
zum praktischen Training mental trainierten, sowie die Rückmeldung über den Erfolg der Be-
deutlich gegenüber den Kindern und Jugend- wegungshandlung bleiben aus und müssen vorge-
lichen, die zeitgleich lediglich praktisch trai- stellt werden.
nierten. Gemessen wurden u. a. die Endzeit Die Untersuchung an Studierenden mit dem
über 50 m Hürden sowie die Hürdenüberque- Ziel des Fertigkeitserwerbs konnte einen bedeut-
rungszeit. samen Unterschied zwischen den Experimental-
gruppen und der Kontrollgruppe zeigen. Was die
Darts Leistungssteigerung beim Dartwerfen betrifft,
Beim Dartwerfen ist die Präzision der Bewegungs- stand nach dieser Studie praktisches Training an
ausführung der leistungsbestimmende Faktor. Es oberster Stelle, gefolgt von Mentalem Training, wo-
wird mit Pfeilen auf eine Zielscheibe geworfen. bei die beiden Arten des Mentalen Trainings sich
Die Abwurflinie ist ca. 2,4 m von der Zielscheibe nicht signifikant voneinander unterschieden. Dies
entfernt. könnte natürlich auch damit zusammenhängen,
Zum Einsatz des Mentalen Trainings beim dass bei Bewegungsnovizen, wie hier den Studen-
Dartwerfen wurden zwei voneinander zu unter- ten, die entsprechende Bewegungserfahrung fehlt,
scheidende Bereiche untersucht: zum einen Darts die notwendig wäre, um von der Simulationsme-
als Bewegungsaufgabe, die im Kontext des moto- thode noch deutlicher zu profitieren. Mendoza
rischen Lernens häufig herangezogen wurde, und und Wichmann (1978) fassten zusammen, dass
zum anderen Darts als eigentliche Sportart mit Mentales Training zum Erlernen des Dartwerfens
dem Ziel der Leistungsoptimierung. wirkt, wenn auch nicht im selben Ausmaß wie
praktisches Training.
Studien zum Erlernen des Dartwurfs Weitere Untersuchungen im Bereich Neuer-
Die Bewegungsaufgabe Dartwerfen war schon in werb motorischer Fertigkeiten am Beispiel Darts
der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts stammen von Cumming et al. (2006). Sie unter-
Gegenstand von Studien, die die Effekte des Men- suchten die Kombination von Mentalem Training
talen Trainings im Bereich des Neulernens mo- und systematisch geführten Selbstgesprächen (po-
torischer Fertigkeiten untersuchen. Vandell et al. sitiv wie negativ). Es zeigte sich, dass bei den Pro-
(1943) verglichen Auswirkungen des praktischen banden, die Mentales Training mit positiven
und des Mentalen Trainings auf den Fertigkeits- Selbstgesprächen kombinierten, der größte Leis-
erwerb. Sie stellten fest, dass sowohl praktisches tungsfortschritt zu beobachten war.
als auch Mentales Training, täglich angewandt,
zu einer Leistungsverbesserung führte, während Zusammenfassung der Ergebnisse. Die Unter-
die Kontrollbedingung – weder Mentales Training suchung an Studierenden im Hinblick auf den
noch praktisches Training – zu keiner Verbesse- Fertigkeitserwerb beim Dartwurf konnte zeigen,
rung führte. Vandell et al. (1943) sprachen schon dass praktisches Training die größte Leistungsstei-
damals von einer annähernd gleichen Wirksam- gerung erzielt. Mentales Training – ob mit oder
keit beider Trainingsformen. ohne begleitende Bewegungssimulation – bewirkt
86 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

ebenfalls eine Leistungssteigerung, wenn auch die Disziplingruppen Pistole (freie Pistole, Luft-
keine so deutliche. pistole, Schnellfeuerpistole, Sportpistole), Gewehr
(Kleinkaliber-Dreistellungskampf, Kleinkaliber-
Studie zur Leistungsoptimierung Liegendkampf, Luftgewehr), Wurfscheibenschie-
Die Wirkung des Mentalen Trainings bei der Leis- ßen (Skeet, Trap, Doppeltrap) (7 Beispiel 8.5) und
tungsoptimierung in der Sportart Darts wurde in Bogenschießen. Schießsport ist außerdem Teildis-
einer Studie von Suedfeld et al. (1993) untersucht. ziplin im modernen Fünfkampf (Luftpistole) und
Erforscht wurden die Auswirkungen einer ganz im Biathlon (Spezial-Kleinkalibergewehr). Die
bestimmten Stimulationstechnik, der »restricted besondere Anforderung im Schießsport ist eine
environmental stimulus technique« (REST), iso- größtmögliche Präzision bei der Bewegungsaus-
liert und in Kombination mit Mentalem Training führung, die ein hohes Konzentrationsvermögen
und Entspannungstraining. REST wird auch als voraussetzt.
»Floaten« bezeichnet und bedeutet das schwere-
lose Treiben in salzhaltigem Wasser, meist in einer Beispiel 8.5: Wurfscheibenschießen
ruhigen, verdunkelten Umgebung. Mit dem Floa- Die Simulationstechnik, die Mendoza und Wichman
ten in der ruhigen und dunklen Umgebung soll die (1978) für die Anwendung des Mentalen Trainings
Reduzierung der (automatischen) Wahrnehmung bei der Sportart Darts beschrieben (s. oben), bietet
von Umweltreizen erreicht werden. Dartspieler mit sich auch bei vielen Schießsportarten an, wobei hier
8 unterschiedlichem Leistungsniveau wurden nun die Bewegung mit der Waffe simuliert wird.
hinsichtlich ihrer Leistung, in diesem Fall der Prä- Am Beispiel des Schießens mit einer Flinte
zision, vor und nach den verschiedenen Trainings- (Wurfscheibenschießen) soll die Simulationstechnik
bedingungen getestet. genauer beschrieben werden: Der Sportler nimmt
die Ausgangsstellung ein und hält die Flinte wie
Ergebnisse. Es zeigte sich, dass die Stimulations- beim praktischen Schießen in beiden Händen. Mit
technik REST schon allein eine deutliche Wir- geschlossenen Augen (in einem verdunkelten Raum
kung zeigte und dass mit der Kombination aus auch mit geöffneten Augen) stellt er sich jetzt eine
REST und Mentalem Training die größte Leis- bestimmte Situation am Schießstand vor, z. B. eine
tungsverbesserung erzielt wurde. Verbesserungen Wettkampfsituation. Beginnend mit dem Vorberei-
waren hierbei auf allen Leistungsniveaus zu ver- tungsritual, wird bei der Simulationstechnik die er-
zeichnen. forderliche Bewegung auch praktisch mit der Flinte
Mentales Training allein führte zu keiner Leis- durchgeführt: Das Abrufen der Scheibe, das Einset-
tungsverbesserung. Dies erklärt sich unter Um- zen der Flinte, das Aufnehmen der Scheibe bis zum
ständen auch damit, dass als Mentales Training das Abzug und das Nachhalten. Die Bewegung ist so
Hören einer 13-minütigen Tonbandaufzeichnung quasi praktisch durchgeführt worden, lediglich die
verstanden wurde, auf der das Bewegungsgefühl Situation, die ausgeworfene Scheibe, die tatsäch-
bei einem optimalen Dartwurf beschrieben war. liche Schussabgabe und das Treffen der Scheibe
Die Teilnehmer sollten anschließend versuchen, wurden vorgestellt.
dieses Gefühl nachzuvollziehen. Interessant ist
hier, dass durch das REST-Verfahren ein außeror- In der Sportart Schießen sind einige Disziplinen
dentlicher Entspannungs- und Konzentrationszu- der Komplexitätsstufe 1 zuzuordnen (beispiels-
stand hergestellt werden konnte, der die Wirkung weise Bogenschießen oder Schnellfeuerpistole),
des Mentalen Trainings zu optimieren schien. andere der Komplexitätsstufe 2 (z. B. Trap; hier ist
eine Variation der Bewegung in Abhängigkeit von
Schießen unterschiedlichen Flugbahnen der Wurfscheibe zu
Schießen ist eine Sportart, bei der mit Waffen bzw. berücksichtigen).
Sportgeräten und Pfeil oder Kugel auf Ziele (feste Beim Schießen muss ein und derselbe Bewe-
Scheiben oder bewegliche Ziele) geschossen wird. gungsablauf mehrmals hintereinander in höchs-
Die olympischen Schießsportdisziplinen umfassen ter Präzision durchgeführt werden. Die Disziplin
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
87 8
Bogenschießen ist bereits häufiger im Kontext des zug, Ankern, Zielen, Lösen, Endphase) mitgeteilt
Mentalen Trainings thematisiert worden. werden. Zweimal pro Woche wurde gemeinsam
In Interviews mit Bogenschützen wurde erho- trainiert.
ben, welche mentalen Strategien sie anwenden. Ro- Nach vierwöchigem Training wurde die Leis-
bazza und Bortoli (1998) führten hierzu Interviews tung (60 Schuss aus 18 m) erfasst. In beiden Grup-
mit allen Athleten des italienischen olympischen pen konnte eine Leistungsverbesserung nachgewie-
Teams von 1996 durch. Die Schützen verfügten sen werden, wobei sich die Experimentalgruppe
nach dieser Studie über einen Pool unterschied- hinsichtlich der Leistungsverbesserung nicht we-
licher mentaler Vorbereitungsstrategien – darun- sentlich von der Kontrollgruppe unterschied. Die
ter auch Mentales Training –, die sie entweder in Experimentalgruppe verbesserte sich von einem
Kombination oder einzeln je nach jeweiliger Funk- durchschnittlichen Ergebnis von 498 vor der Inter-
tion und in Abhängigkeit von der bestehenden vention auf 513 nach der Intervention, die Kont-
Situation einsetzten. rollgruppe entsprechend von 434 auf 454.

Studien Zusammenfassung der Ergebnisse. Die Ergeb-


Deschaumes-Molinaro et al. (1991) untersuchten, nisse der vorliegenden Studien lassen sich wie folgt
inwieweit die körperlichen Begleiterscheinungen zusammenfassen und bewerten:
beim praktischen und vorgestellten Bogenschießen 4 Die körperlichen Begleiterscheinungen
vergleichbar sind. Sie verglichen die Vorbereitung beim praktischen und vorgestellten Bogen-
auf die Schussabgabe und das Schießen an sich mit schießen sind vergleichbar. Daraus folgern
dem Mentalen Training des Bogenschießens. Sie Deschaumes-Molinaro et al. (1991), dass
fanden heraus, dass wesentliche körperliche Reak- Mentales Training die Präzision beim Bo-
tionen (Thermoregulation, Herz-Kreislauf-System, genschießen verbessern kann.
Atmung) beim praktischen und mentalen Durch- 4 In der Studie von Zervas und Kakkos
führen ähnlich sind. Daraus schlossen sie, dass (1991) zeigte sich in beiden Gruppen (prak-
die für das Bogenschießen so wichtige Präzision tisches Training/Mentales Training) eine
möglicherweise auch durch Mentales Training ver- Verbesserung der Leistung beim Bogen-
bessert werden kann. schießen (60 Schuss aus 18 m). Statistisch
Zervas und Kakkos (1991) untersuchten, ob konnte kein bedeutender Effekt des Menta-
sich ein mit Entspannungstraining kombiniertes len Trainings ausgemacht werden. Hier ist
Mentales Training positiv auf die Präzision von anzumerken, dass, obwohl beide Gruppen
Bogenschützen auswirkt. Die Experimentalgruppe objektiv eine ähnlich große Leistungsver-
setzte sich zusammen aus den neun Mitgliedern besserung zeigten, diese Verbesserungen
der griechischen Olympiamannschaft. Die Kon- nicht unbedingt vergleichbar sind, denn:
trollgruppe bestand aus den neun Schützen von Je höher das Resultat einer Schießleistung
Platz 10 bis 18 der nationalen Rangliste, die al- ist, umso schwieriger ist es auch, diese zu
lerdings nicht Mitglieder der Nationalmannschaft erreichen. Die Wertigkeit der Verbesserung
waren. spricht hier für die Experimentalgruppe.
Die Kontrollgruppe trainierte praktisch, die Zudem bemerkten die Autoren, dass die Ex-
Experimentalgruppe erhielt zusätzlich ein men- perimentalgruppe beim zweiten Test einen
tales Trainingsprogramm, bestehend aus Ent- nationalen Rekord und zwei persönliche
spannungstraining und Mentalem Training. Beim Rekorde eingestellt hat. Auch dies unter-
Mentalen Training sollten die wesentlichen Phasen streicht, dass die Leistungsverbesserungen
des Schusses vorgestellt werden, außerdem wurde in beiden Gruppen unterschiedlich zu be-
darauf hingewiesen, dass das Bewegungsgefühl werten sind. Insofern kann dieses Ergebnis
nachvollzogen werden sollte. In Partnerübungen durchaus als ein Nachweis für die Wirksam-
sollten verbal die Bewegungsgefühle in der jeweili- keit des Mentalen Trainings beim Bogen-
gen Phase (z. B. Vorbereitung, Pfeil einsetzen, Aus- schießen interpretiert werden.
88 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

Tipp I I Studien zur Leistungsoptimierung durch


Mentales Training im Sportschwimmen/
Im Schießsport ist eine optimale Aktivierung
Wasserspringen
eine wesentliche Voraussetzung für eine gute
Das mentale Trainingsprogramm in der Studie
Schießleistung. Eine besondere Anforderung an
von  Bar-Eli beinhaltete mehrere sportpsychologi-
den Schützen besteht darin, unabhängig von
sche Trainingsverfahren. Man nennt diese Kombi-
Wettkampfstress oder aktuellem Zwischener-
gebnis für jeden Schuss das Aktivierungsniveau
nation verschiedener Verfahren auch einen sog.
optimal zwischen Spannung und Entspannung
Package-Approach: hier Entspannungsverfahren,
zu regulieren. Insofern bietet es sich bei Schüt- Selbstgesprächsregulation, Mentales Training so-
zen an, über entsprechendes Biofeedback (z. B. wie Bio-Feed-Back und wurde über einen Zeit-
Hautleitwiderstand oder Herzfrequenz) auch raum von 14 Wochen durchgeführt. Die Leis-
beim Mentalen Training die Aktivierung zu tungssteigerung wurde sowohl quantitativ (Zeit
erfassen und rückzumelden. Gerade kritische 50 m Freistil) als auch qualitativ (Technik Freistil)
Wettkampfsituationen können so durch Menta- ermittelt. Die Leistung der Experimentalgruppe
les Training vorbereitet und trainiert werden. verbesserte sich in größerem Umfang als die der
Kontrollgruppe.
Eine Folgeuntersuchung nach der gleichen Me-
Schwimmen thode wurde 2004 von Bar-Eli und Blumenstein
8 Zum Schwimmsport gehören Synchronschwim- vorgestellt. Diesmal trainierten 16- bis 18-jährige
men, Rettungsschwimmen, Tauchsport, Wasserball leistungsorientierte Schwimmer. Das Training
und Wasserspringen sowie das eigentliche Sport- wurde über einen Zeitraum von zehn Wochen bei
schwimmen. Beim Sportschwimmen unterscheidet fünfmaligem Training pro Woche durchgeführt.
man die Schwimmarten Brustschwimmen, Freistil Auch hier konnte eine Leistungsverbesserung bei
oder Kraulschwimmen, Rückenschwimmen und der Experimentalgruppe festgestellt werden.
Schmetterling oder Delfinschwimmen. Das Lagen- Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommen
schwimmen setzt sich aus Teilstrecken der vier Kenitzer und Briddell (1991), die Mentales Trai-
Schwimmarten zusammen. ning in Kombination mit Progressiver Muskelrela-
Was die Anwendung des Mentalen Trainings xation zur Leistungsoptimierung im Schwimmen
bei Schwimmern betrifft, sind besonders Ergeb- an 16 Mitgliedern einer leistungsorientierten
nisse aus dem Sportschwimmen und dem Wasser- Schwimmmannschaft im Alter von 18 bis 22 Jah-
springen publiziert. Das Sportschwimmen ist hier ren untersuchten. Das mentale Trainingspro-
der Komplexitätsstufe 1 zugeordnet, da für eine gramm dauerte 20 Wochen und beinhaltete zu-
bestimmte Wettkampfstrecke prinzipiell immer die nächst den Aufbau einer Bewegungsvorstellung,
gleichen Bewegungsabläufe ohne wesentliche Varia- wobei insbesondere darauf geachtet wurde, dass
tion gefordert sind. Das Wasserspringen ist der kinästhetische Bewegungsinformation in die Vor-
Komplexitätsstufe zwei zuzuordnen, da hier Varia- stellung integriert und die jeweilige Vorstellung
tionen von verschiedenen Bewegungen unter stan- individualisiert wurde. In dieser Untersuchung
dardisierten Bedingungen durchzuführen sind. Im brachte die Anwendung dieser Kombination eine
Bereich des Sportschwimmens gibt es Untersu- bedeutende Verbesserung der bei Wettkämpfen
chungen, die vom Einsatz des Mentalen Trainings geschwommenen Zeiten mit sich, auch wenn die-
bei Kindern und Jugendlichen im Leistungssport ser Effekt gegenüber einer Kontrollbedingung
berichten. So konnten Bar-Eli et al. (2002) bei 11- nicht geprüft wurde. Laut Pithan und Stoll (2012)
bis 14-jährigen Schwimmern nachweisen, dass zur spielt das Mentale Training beim Techniktraining
Leistungssteigerung Mentales Training in Kombi- im Wasserspringen (eigentlich der Komplexitäts-
nation mit Biofeedback effektiver ist als rein prakti- stufe 2 zuzuordnen) eine zentrale Rolle. Pithan
sches Training. und Stoll nutzen in ihrem Bericht zum Vorstel-
lungsaufbau neben einer herkömmlichen Video-
aufzeichnung der Sprünge zusätzlich eine Kopfka-
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
89 8
mera für den Springer, um so die Perspektive des Die Ursachen für den Leistungseinbruch werden
Sportlers in die Bewegungsvorstellung zu integrie- vom Trainer analysiert. Er kann feststellen, dass der
ren, bzw. Fehler zu korrigieren. Schwimmerin auf dieser letzten Bahn sehr viele
technische Fehler unterlaufen und dass der ökono-
Zusammenfassung der Ergebnisse. Die Ergeb- mische Schwimmstil praktisch aufgegeben wird. Ge-
nisse beider Studien lassen sich wie folgt zusam- rade wenn das Rennen am anstrengendsten wird,
menfassen: kosten diese Fehler zusätzliche Kraft und führen
4 Mentales Training (Package Approach) führt schließlich zum Leistungseinbruch.
bei Schwimmern im Vergleich zu einer Kon- Durch Mentales Training wird nun versucht, das
trollgruppe zu einer größeren Leistungsver- Gefühl der ansteigenden Belastung mit einem tech-
besserung. nisch sauberen und ökonomischen Schwimmstil zu
4 Dieses Ergebnis lässt sich auch beim leis- verbinden. Das regelmäßige Vorstellen der optimal
tungsorientierten Training mit Kindern und ausgeführten Bewegungsabläufe, verbunden mit
Jugendlichen im Sportschwimmen zeigen. dem Gefühl der Anstrengung und Verausgabung,
4 Mentales Training in Kombination mit Pro- führt dazu, dass der Schwimmerin in dieser kriti-
gressiver Muskelrelaxation führt zu einer Ver- schen Situation weniger Fehler unterlaufen. Weil sie
besserung der bei Wettkämpfen geschwomme- die letzte Bahn immer besser bewältigt, lässt sich
nen Zeiten. auch die Erwartung eines Leistungseinbruchs nicht
mehr aufrechterhalten, und eine gesteigerte Selbst-
Gerade die Erkenntnisse über den erfolgreichen wirksamkeitserwartung stellt sich ein.
Einsatz des Mentalen Trainings bei Kindern und
Jugendlichen im Leistungssport Schwimmen spre- Studien zum Einfluss des Mentalen
chen dafür, hohe Umfänge im Rahmen der Trai- Trainings auf die Wettkampfangst
ningsmethodik nach dem Grundsatz »Qualität vor Um die spezielle Wirkung eines mentalen Trai-
Quantität« zu vermeiden und die (dadurch ent- ningsprogramms auf die Wettkampfangst im
stehenden) trainingsfreien Zeiten durch Mentales Schwimmen zu untersuchen, führten Hanton und
Training effektiv zu nutzen (7 Beispiel 8.6). Jones (1999) eine Studie durch. Das Trainings-
programm bestand aus Mentalem Training, dem
Beispiel 8.6: Mentales Training zur Training der Selbstgesprächsregulation sowie einer
Wettkampfoptimierung (100 m Delfin) Anleitung zur optimalen Zielsetzung.
Die 100 m-Delfin-Strecke stellt besondere Anforde- Vor der Intervention brachten betroffene Ath-
rungen an den Schwimmer, da hier eine besonders leten die Wettkampfsituation mit einer als läh-
gut ausgebildete Kraftausdauer erforderlich ist. In mend interpretierten Angst in Verbindung. Nach
diesem Beispiel wird das Mentale Training zur op- der Intervention bewerteten die Schwimmer die
timalen Bewältigung der letzten 25 m dieser Wett- Wettkampfsituation eher positiv. Dies ging außer-
kampfstrecke eingesetzt. dem mit Leistungsverbesserungen einher.
Eine Sportlerin erlebt in mehreren aufeinan- Erwähnenswert ist an dieser Stelle auch eine
derfolgenden Wettkämpfen Leistungseinbrüche Studie von Page et al. (1999), die der Frage nach-
auf den letzten 25 m. Sie entwickelt Zweifel, ob sie ging, ob Mentales Training sich auf die von
überhaupt in der Lage ist, diese Strecke erfolgreich Schwimmern wahrgenommene Wettkampfangst
zu bewältigen. Vor jedem Rennen beschäftigt sie auswirkt. Bei diesem Mentalen Training wurde ein
sich mit einem möglichen Leistungseinbruch. Dies Skript angefertigt, das den Ablauf der Vorberei-
wird im Lauf der Zeit zu einer sich selbst erfüllen- tung auf den Wettkampf, das Warm-up, die Situa-
den Prophezeiung: Die Schwimmerin erwartet tion auf dem Startblock, die Startphase und den
inzwischen den Leistungseinbruch nach der letzten Wettkampfverlauf beschreibt. Dieses Skript wurde
Wende und fühlt sich durch jeden tatsächlichen auf Band gesprochen und dauerte ca. 30 Minuten.
Leistungseinbruch immer wieder in ihren Befürch- Die Sportler hörten dieses Band an und wurden
tungen bestätigt. aufgefordert, sich den Ablauf intensiv vorzustellen.
90 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

Nach fünf Wochen konnte eine signifikante Ab- Auch im Rahmen der Wettkampfoptimierung
nahme der wahrgenommenen Angst nachgewie- wurde die positive Wirkung des Mentalen Trai-
sen werden. nings, hier auch eingebettet in weitere psychologi-
sche Verfahren, bestätigt.
Zusammenfassung der Ergebnisse. Die Ergeb- Weiterhin lassen sich – in den dargestellten
nisse der Studien zur Wettkampfangst bei Schwim- Sportarten – nicht nur die Leistung, sondern auch
mern lassen sich wie folgt zusammenfassen: für die Leistung entscheidende Variablen wie z. B.
4 Durch Mentales Training in Kombination mit die Wettkampfangst durch Mentales Training posi-
einem Training der Selbstgesprächsregulation tiv beeinflussen.
und einem Zielsetzungstraining konnte Wett-
kampfangst bei Schwimmern in ein positives
Erleben gewendet werden. 8.3.3 Komplexitätsstufe 2: Bewegung
4 Mentales Training, bei dem eine 30-minü- + Variation
tige Tonbandaufzeichnung eines Skripts zum
Wettkampfablauf eingesetzt wurde, konnte Bei Sportarten der Komplexitätsstufe 2 ist der Be-
die Wettkampfangst bei Schwimmern redu- wegungsablauf mit Variation – entweder Technik-
zieren. variationen, Variationen aufgrund veränderlicher
Umweltparameter und/oder sich ändernder Kom-
8 Zusammenschau binationen von Technikelementen – durchzufüh-
Alle der Komplexitätsstufe 1 zugeordneten Sport- ren. Es müssen also mehrere Bewegungsabläufe
arten unterscheiden sich von anderen Sportarten in technisch möglichst hoher Perfektion verfügbar
dadurch, dass die objektiv gegebenen Anforde- sein.
rungen an den jeweiligen Bewegungsablauf immer Neben Sportarten, in denen die Variation der
gleich sind, der Bewegungsablauf sich also prak- Bewegung die Hauptanforderung darstellt (z. B.
tisch nicht verändert. Golf; . Abb. 8.7), ergeben sich auch in Sportarten
Mentales Training in Sportarten mit gleichblei- höherer Komplexitätsstufen immer wieder Anfor-
benden Anforderungen an den jeweiligen Bewe- derungen an die Bewegungsdurchführung, die
gungsablauf erscheint hier zum einen im Bereich im  Grunde der Komplexitätsstufe 2 zuzuord-
der Trainingsoptimierung (z. B. zum Neulernen, nen sind (z. B. Aufschlag im Tennis). Aus Grün-
zum Stabilisieren der Technik) und zum anderen den der Übersichtlichkeit wird auch hier so ver-
auch zur Wettkampfoptimierung (z. B. im Rahmen fahren wie in 7 Kap. 8.3.2: Die Ergebnisse zum
der Wettkampfvorbereitung) sinnvoll. Das Verfah- Mentalen Training dieser Bewegungsanforderun-
ren sollte sowohl für Anfänger als auch für Exper- gen werden im Kontext der jeweiligen Sportart
ten, für junge wie für erwachsene Sportler eine besprochen.
geeignete und das praktische Training ergänzende Für den Einsatz des Mentalen Trainings bei
Trainingsform sein. Die bislang vorliegenden Er- Sportarten der Komplexitätsstufe 2 müssen meh-
fahrungen und Untersuchungen bestätigen dies rere Bewegungsvorstellungen verfügbar sein. So ist
weitestgehend. einerseits die Bewegungsvorstellung in Bezug auf
Die Wirksamkeit des Mentalen Trainings im verschiedene Techniken, ggf. auch deren Kombi-
Bereich der Trainingsoptimierung ist für die Kom- nation (z. B. im Geräteturnen) zu erarbeiten und
bination mit praktischem Training sowie für die andererseits die Vorstellung der Anpassung einer
Kombination mit weiteren sportpsychologischen Technik an verschiedene Umweltparameter auf-
Trainingsformen (insbesondere Entspannungsver- zubauen (z. B. Rodeln auf verschiedenen Rodel-
fahren) nachgewiesen. Außerdem konnte gezeigt bahnen).
werden, dass Mentales Training ein geeignetes An einigen Beispielen sollen die bisherigen
Verfahren zur Optimierung der spezifischen Wir- Befunde zum Einsatz des Mentalen Trainings auf
kung eines unspezifischen Grundlagentrainings dieser Komplexitätsstufe diskutiert werden.
darstellen kann.
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
91 8
folgreichere Golfer vermehrt Mentales Training an
(zur Trainingsoptimierung, aber auch zur Opti-
mierung der Wettkampfleistung). Zudem berich-
ten Bernier & Fournier (2010), dass leistungs-
stärkere Golfer das Mentale Training auch dazu
nutzen, ihre Technik an bestimmte Situationsgege-
benheiten anzupassen.
Für die Sportart Golf lassen sich die bisher ge-
wonnenen Erkenntnisse zum Einsatz des Mentalen
Trainings unterscheiden in
4 solche, die das Neulernen, also den Erwerb
einer Fertigkeit, meist den Golfabschlag, the-
. Abb. 8.7 Bei Sportarten der Komplexitätsstufe 2 ist der
matisieren, und
Bewegungsablauf mit Variation – entweder Technikvariatio-
nen, Variationen aufgrund sich verändernder Umweltpara-
4 solche, die sich auf die Anwendung im Fortge-
meter und/oder sich ändernder Kombinationen von Technik- schrittenen- und Expertenbereich beziehen.
elementen – durchzuführen, wie z. B. beim Golf, © spuno/
fotolia.com Studien
Brouziyne und Molinaro (2005) untersuchten,
ob  Mentales Training zusätzlich zu praktischem
Golf Training bei Golfanfängern, die den Abschlag
Beim Golf gilt es einen Ball mit möglichst wenigen trainieren, die Genauigkeit des Schlags optimiert.
Schlägen nacheinander in 18 Löcher zu spielen. Die Versuchspersonen, die mental trainierten,
Dabei können insgesamt 14 verschiedene Golf- wurden angeleitet, sich vor jedem Abschlag die
schläger benutzt werden, und je nach geforder- Bewegung intensiv vorzustellen, dabei in den
ter Reichweite und Genauigkeit kommen unter- Körper hineinzufühlen, sich außerdem das Tref-
schiedlichste Schlagvarianten zum Einsatz. Das fen des Balls, seine Flugbahn und die Landung
Gesamtergebnis setzt sich aus der Anzahl der für vorzustellen. Das Trainingsprogramm dauerte
die 18 Löcher benötigten Schläge zusammen. sieben Wochen bei einer wöchentlichen Trai-
Welche Strategien professionelle Golfspieler in ningseinheit. Die Forscher kamen zu dem Er-
der Vorbereitung auf einen Wettkampf anwenden, gebnis, dass beim Neulernen des Golfabschlags
beschreiben McCaffrey und Orlick (1989). Aus Mentales Training eine sinnvolle Ergänzung
den zahlreichen und detailliert dargestellten Un- des  praktischen Trainings darstellt. Die Proban-
terschieden zwischen Topathleten und weniger den, die mental trainierten, verbesserten ihre
erfolgreichen Athleten schließen McCaffrey und Leistung (Genauigkeit des Golfabschlags) deut-
Orlick (1989), dass der Einsatz des Mentalen Trai- lich gegenüber denjenigen, die nur praktisch trai-
nings als Teil psychologischer Techniken einen nierten.
entscheidenden Beitrag zum Erfolg im leistungs- Zur Wirksamkeit des Mentalen Trainings
sportlichen Golf ausmacht (vgl. auch Cohn, 1991; im Fortgeschrittenen- und Leistungsbereich der
Beauchamp, 1999). Sportart Golf liegen differenziertere Erkenntnisse
Auch Thomas und Over (1994) und Hellström vor. So zeigten Thomas und Fogarty (1997), dass
(2009) beschreiben das Training kognitiver Fertig- Mentales Training in Kombination mit Techniken
keiten als zentralen Unterschied zwischen mehr der Selbstgesprächsregulation ein effektives Mittel
und weniger leistungsstarken Golfspielern. Leis- ist, um die Leistung von Golfern zu steigern. Die
tungsstärkere Spieler bereiten sich im Vergleich zu Leistung der Spieler wurde zum einen anhand des
weniger leistungsstarken Spielern u. a. in höherem Handicaps, d. h. der Kennzahl, die die ungefähre
Maße mental auf die bevorstehende Leistungsan- Spielstärke eines Golfers beschreibt, gemessen,
forderung vor. Dies bestätigen auch Gregg und zum anderen mit einem speziellen golfspezifischen
Hall (2006). Nach ihrer Untersuchung wenden er- Fertigkeitstest untersucht.
92 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

Smith und Holmes (2004) untersuchten zwei zahl der den Bewegungsablauf störenden »Yips«
unterschiedliche Vorgehensweisen beim Mentalen zurückging.
Training und deren Auswirkungen auf die Effek- Smith et al. (2008) untersuchten die Wirkung
tivität an 40 erfahrenen Golfern. Sie stellten fest, eines speziellen mentalen Trainingsprogramms
dass die Art und Weise des Vorstellungsaufbaus (PETTLEP Imagery, 7 Kasten) beim Schlag aus
einen entscheidenden Einfluss auf die Wirksam- dem Bunker an 32 Leistungsgolfern. Die Gol-
keit des Verfahrens hat. Sie verglichen eine Me- fer wurden vier Gruppen zugeteilt (PETTLEP
thode, bei der Video- und Tonbandaufzeichnun- Imagery, PETTLEP Imagery und praktisches Trai-
gen zum Einsatz kamen, mit der Methode der Be- ning, praktisches Training und Kontrollgruppe).
wegungsbeschreibung. Im Gegensatz zur Methode Das Training wurde zweimal wöchentlich über
der Video- und Tonbandaufzeichnung führte die sechs Wochen durchgeführt. Die Kombinations-
Methode der alleinigen Bewegungsbeschreibung gruppe verbesserte sich am stärksten; zwischen
gegenüber einer Kontrollgruppe zu keinem bedeu- den Gruppen »Praktisches Training« und »PET-
tenden Leistungszuwachs. TLEP Imagery« konnte kein Unterschied in der
Nicholls et al. (2005) untersuchten, inwieweit Verbesserung festgestellt werden.
Mentales Training im Golf dazu beitragen kann,
einen Flow-Zustand aktiv herzustellen. Der Be-
griff »Flow« geht auf Csikszentmihalyi (1990) zu- PETTLEP-Imagery (nach Holmes & Collins,
8 rück und bezeichnet das vollkommene Aufgehen 2001)
in einer Tätigkeit. Im Flow-Zustand fühlt sich der Das PETTLEP-Imagery-Modell soll sicherstellen,
Sportler optimal gefordert. Er vergisst die Situa- dass folgende Faktoren in das Mentale Training
tion, in der er sich befindet. Der Sportler einbezogen werden:
beschreibt vollkommene Kontrolle über die Tätig- Physical: bezieht sich auf die physikali-
keit. schen und kinästhetischen
Das mentale Trainingsprogramm wurde von Eigenschaften der Bewegung
vier leistungsorientierten Golfern über einen Zeit- Environment: bezieht sich auf die typischen
raum von 12 Wochen durchgeführt. Für das Trai- Umstände des Umfelds
ning wurden positive Bewegungsbeschreibungen Task: bezieht sich auf den Aufgaben-
aus der Innenperspektive angefertigt, die später auf typ und die Zielstellung
Band gesprochen und von den Probanden mindes- Timing: bezieht sich auf den zeitlichen
tens fünfmal pro Woche angehört und nachemp- Ablauf
funden werden sollten. Die Autoren zeigten in ih- Learning: bezieht sich auf die Differen-
rer Untersuchung, dass Mentales Training sowohl zierung des Vorstellungsinhalts
die Intensität als auch die Häufigkeit des Flow- und dessen regelmäßige Über-
Erlebens positiv beeinflussen kann. Außerdem war prüfung
eine Leistungsverbesserung zu verzeichnen, und Emotion: bezieht sich auf die begleitende
die getesteten Spieler berichteten über eine Verbes- Emotion
serung der Vorstellungsfähigkeit. Perspective: bezieht sich auf die Vorstellungs-
Bell (2006; Bell & Thompson, 2007) unter- perspektive (hier Innenperspek-
suchte, ob Mentales Training eine wirksame Me- tive favorisiert)
thode ist, um Störungen des Bewegungsablaufs zu
verbessern. Im Golf nennt man diese Bewegungs-
störungen – z. B. Zittern, verkrampfte oder blo- Zusammenfassung der Ergebnisse. Die Ergeb-
ckierte Bewegungen – »Yips«. Bell (2006) konnte im nisse der Studien zum Einsatz des Mentalen Trai-
Rahmen seiner Untersuchung an vier Golfern mit nings beim Golf im Anfänger- und Leistungsbereich
durchschnittlich 33-jähriger Golferfahrung fol- lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
gende Ergebnisse berichten: Alle betroffenen Spieler 4 Beim Neulernen des Golfabschlags ist das
verbesserten sich sofort und nachhaltig, da die An- Mentale Training eine sinnvolle Ergänzung
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
93 8
des praktischen Trainings, um die Genauigkeit
beim Golfabschlag zu erhöhen. Vorstellung versucht der Sportler erneut,
4 Mentales Training in Kombination mit Selbst- den optimalen Bewegungsablauf nach-
gesprächsregulation ist ein effektives Mittel, zuempfinden. Er achtet darauf, sich das
um die Leistung im Golfsport zu steigern. Bewegungsgefühl möglichst intensiv vorzu-
4 Wenn Video- und Audioaufzeichnungen im stellen.
Mentalen Training eingesetzt werden, führt 4 Praktische Durchführung des Ab-
dies bei erfahrenen Golfern – im Vergleich zu schlags mit dem Driver mit geschlos-
Mentalem Training mit alleiniger Bewegungs- senen Augen: Die Augen werden bei
beschreibung – zu einem größeren Leistungs- der Ausholbewegung geschlossen. Die
zuwachs. Bewegung wird ausgeführt, der Sportler
4 Mentales Training im Golf kann die Herstel- achtet darauf, der Bewegungsvorstellung
lung des Flow-Zustands (Csikszentmihalyi, möglichst nahe zu kommen. Durch das
1990) erleichtern. Schließen der Augen wird die visuelle In-
4 Bewegungsstörungen beim Golf (»Yips«) formation zur Bewegungsteuerung unter-
können durch Mentales Training reduziert bunden. Fast ausschließlich kinästhetische
werden. Bewegungsinformation trägt nun zur Be-
wegungssteuerung bei. Im Anschluss wird
Tipp I I analysiert, welche Aspekte der Bewegung
Zur Integration des Mentalen Trainings in das zufriedenstellend und welche Aspekte
tägliche Golftraining, z. B. auf der Driving- nicht optimal durchgeführt wurden.
Range, bietet sich folgender Ablauf an:
4 Mentales Training des Abschlags mit Man wird feststellen, dass bei der Bewegungs-
dem Driver: Die Ausgangsposition (Schlä- durchführung mit geschlossenen Augen eine
gerhaltung) wird eingenommen. In der nahezu optimale Bewegungsausführung
Vorstellung wird der optimale Bewegungs- möglich ist, obwohl ausschließlich kinästhe-
ablauf nachempfunden. Der Sportler sollte tische Bewegungsinformationen zur Verfügung
sich das Bewegungsgefühl möglichst inten- stehen. Diese kinästhetische Bewegungsinfor-
siv vorstellen. mation ist später im Wettkampf die entschei-
4 Simulation des Abschlags mit dem Driver: dende Informationsquelle, um auch unter
Die optimale Bewegungsausführung wird Stress die optimale Bewegung durchführen zu
simuliert. Der Sportler achtet darauf, dabei können.
der Bewegungsvorstellung möglichst nahe
zu kommen.
4 Praktische Durchführung des Ab-
Kanu
schlags mit dem Driver: Die Bewegung »Kanu« bezeichnet einen leichten Bootstyp, der
wird ausgeführt. Dabei sollte der Sportler mittels Doppelpaddel betrieben wird. Als Renndis-
darauf achten, der Bewegungsvorstellung ziplin wird der Kanusport in den Varianten Einer,
möglichst nahe zu kommen. Im Anschluss Zweier und Vierer ausgetragen. Gefahren werden
wird analysiert, welche Aspekte der Bewe- die Distanzen 500 m und 1000 m. Darüber hinaus
gung zufriedenstellend und welche As- gibt es noch die Slalomvariante, die auf einer Wild-
pekte nicht optimal durchgeführt wurden. wasserstrecke mit natürlichen oder künstlichen
Hindernissen ausgetragen wird.
4 Mentales Training des Abschlags mit In einer Untersuchung von White und Hardy
dem Driver: Die Ausgangsposition (Schlä- (1998) konnte festgestellt werden, dass Menta-
gerhaltung) wird eingenommen. In der les Training im Wettkampf und im Training bei
6 Leistungssportlern im Kanu-Slalom auf interna-
tionalem Niveau regelmäßig angewandt wird (vgl.
94 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

auch MacIntyre & Moran, 2007). MacIntyre et Eine Untersuchung zum erfolgreichen Einsatz des
al. (2002) konnten sogar die Leistung im Kanu- Mentalen Trainings beim Neuerlernen des Notaus-
Slalom mit der Vorstellungsfähigkeit in Zusam- stiegs oder Unterwasserausstiegs wird von Millard
menhang bringen. et al. (2001) vorgestellt.
Besonders im Wildwasserrennsport ist es
erforderlich, beim Kentern (. Abb. 8.8) aus der Studien
Sitzluke herauszukommen. Dies sollte sicher be- Millard et al. (2001) verglichen die Wirksamkeit
herrscht werden, sonst besteht für einen gekenter- von Mentalem Training, praktischem Training,
ten Kanuten schnell Lebensgefahr. Der Ablauf des einer Kombination aus beidem und einer Kon-
Notausstiegs (Unterwasserausstieg) wird wie folgt trollbedingung (kein Training) an 60 Mädchen
beschrieben: im Alter von 11 bis 16 Jahren im Hinblick auf
4 Kentern. das Neulernen des Notausstiegs (Unterwasser-
4 Warten, bis das Kanu kopfüber auspendelt ausstieg) beim Kanusport. Das Mentale Training
und zur Ruhe kommt. setzte sich aus einer Videodarstellung der Methode
4 Oberkörper nach vorne beugen. (Über- und Unterwasserperspektive), dem Bespre-
4 Spritzdeckenschlaufe suchen, ergreifen und chen des optimalen Vorgehens und dem aktiven
nach vorn ziehen. Vorstellen der Bewegungsausführung zusammen.
4 Spritzdecke lösen. Über einen Zeitraum von drei Tagen wurde täglich
8 4 Sitzluke mit beiden Händen links und rechts 30 Minuten mental trainiert.
fassen, sich nach unten aus der Luke drücken
und auftauchen. Ergebnisse. Es stellte sich heraus, dass die Kom-
bination von praktischem Training und Mentalem
Training die effektivste Methode war, dicht gefolgt
von ausschließlich praktischem Training. Das al-
leinige Mentale Training ist immerhin wirksamer
als gar kein Training.

Turnen
Turnen im engeren Sinne beinhaltet das Geräte-
und Trampolinturnen, wobei sich das Gerätetur-
nen wieder aus einer Vielzahl von Disziplinen
zusammensetzt: Boden, Pauschenpferd, Ringe,
Sprung, Barren, Reck, Stufenbarren und Schwe-
bebalken. Beim Trampolinturnen wird auf einem
Trampolin oder einem Doppelminitrampolin ge-
turnt. Das Trampolinturnen unterteilt sich in die
Disziplinen Einzel und Synchron.
Ziel bei Wettbewerben ist es, an Turngeräten
Übungen nach vorgegebenen Technik- und Hal-
tungskriterien möglichst optimal auszuführen. Der
technische und koordinative Anspruch ist entspre-
chend vielseitig und durchgängig über alle Teilbe-
reiche auf hohem Niveau.
Schon früh wurde die Anwendung des Menta-
len Trainings im Geräteturnen untersucht. White-
ley (1966) überprüfte die Wirksamkeit des Menta-
. Abb. 8.8 Kentern beim Kanu-Wildwasserrennsport, len Trainings beim Neulernen einfacher Techniken
© Lovrencg / fotolia.com wie z. B. der Technik des Nackensprungs oder
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
95 8
des Kopfsprungs. Dabei stellte sich heraus, dass al. (2005) geprüft. An Barren, Balken und Boden,
die Dreierkombination aus praktischem Training, jedoch nicht am Sprung, also in drei von vier Dis-
Mentalem Training und praktischem Training (in ziplinen, zeigten sich in der Experimentalgruppe
dieser Reihenfolge) die effektivste Methode war. größere Leistungsverbesserungen als in der Kon-
Phipps und Morehouse (1969) zeigten in einer trollgruppe.
Studie, dass eine relativ einfache Fertigkeit (Hock-
sprung über eine Barrenstange) durch Mentales Studien
Training auch ohne vorausgehendes praktisches Die Wirksamkeit des Mentalen Trainings hinsicht-
Training erlernt werden kann. 50 % der Versuchs- lich des Erlernens und der Verbesserung kom-
personen bewältigten die gestellte Anforderung plexer Fertigkeiten sowie der Einfluss der Vor-
ohne praktisches Training. Ein entsprechendes stellungsfähigkeit auf die Leistung standen im
Ergebnis resultiert auch aus der Studie von Jones Mittelpunkt des Interesses von Isaac (1992). Sie
(1965; Phipps & Morehouse, 1969). Jones (1965) untersuchte 78 Trampolinturner unterschiedlicher
stellte fest, dass Fertigkeiten, bei denen die Grob- Leistungsniveaus. Die Experimentalgruppe führte
motorik im Vordergrund steht, von Novizen aus- zusätzlich zum praktischen Training ein Mentales
schließlich durch Mentales Training, ohne prakti- Training durch, die Kontrollgruppe beschäftigte
sches Training, erlernt werden können. sich in dieser Zeit mit Denksportaufgaben. Das
Auch im Hochleistungssport Geräteturnen Mentale Training bestand aus einer bildlichen Be-
wurden Untersuchungen zur Einsatzhäufigkeit des wegungsbeschreibung mit der Anweisung, sich die
Mentalen Trainings durchgeführt. So stellen Ma- Ausführung dieser dargestellten Bewegung vor-
honey und Avener (1977; White & Hardy, 1998) zustellen. Das Mentale Training wurde über sechs
fest, dass das Mentale Training im Hochleistungs- Wochen jeweils für 5 Minuten im Anschluss an
sport von erfolgreichen Turnern in beträchtlichem das praktische Training durchgeführt. Die Experi-
Maß genutzt wird. mentalgruppe zeigte signifikant größere Leistungs-
Welche Vorstellungsperspektive und -modali- verbesserungen als die Kontrollgruppe.
tät bei Anfängern für das Erlernen einer einfachen Neben Lernoptimierung und Leistungsopti-
Bodenübung geeignet ist, prüften Hardy und Cal- mierung interessiert im Kunsturnen auch der Ein-
low (1999). Dabei stellte sich heraus, dass Anfän- fluss des Mentalen Trainings auf die Wettkampf-
ger eher visuelle Informationen in der Vorstellung angst. Hier wurde in einer Studie (Cogan & Petrie,
berücksichtigen. Dies kann darin begründet sein, 1995) die Implementierung eines sportpsychologi-
dass beim Anfänger entsprechende kinästhetische schen Trainingsprogramms, bestehend aus Ent-
Bewegungsinformationen noch nicht ausreichend spannungstraining und Mentalem Training, be-
differenziert vorliegen. Auch wird beim Neulernen schrieben. Das Training wurde zu Beginn der Wett-
die Beobachterperspektive vorgezogen. Die Bedeu- kampfperiode eingeführt. Cogan und Petrie (1995)
tung der kinästhetischen Vorstellungsinhalte zeigte überprüften die Wirksamkeit dieses Programms
sich dann allerdings beim erneuten Realisierungs- hinsichtlich der Wettkampfangst im Vergleich zu
versuch zu einem späteren Zeitpunkt (Callow & einer Kontrollgruppe. Innerhalb der Experimental-
Hardy, 1997). gruppe sanken kognitive Angst (Besorgnis, Be-
fürchtungen etc.) und somatische Angst (Wahr-
> Das lebhafte Vorstellen von Bewegungsge-
nehmung körperlich spürbarer Anzeichen von
fühlen setzt einen bestimmten Grad an Kön-
Angst wie Herzklopfen, feuchte Hände etc.) vom
nen und Bewegungserfahrung voraus.
Ende der Vorbereitungs- bis zur Mitte der Wett-
Die Wirksamkeit eines kombinierten psychologi- kampfperiode.
schen Trainingsprogramms, das neben dem Men-
talen Training auch Entspannungstraining, Selbst- Zusammenfassung der Ergebnisse. Die Ergeb-
gesprächsregulation, Zielsetzungstraining und ein nisse der Studien zum Einsatz des Mentalen Trai-
Training der Aufmerksamkeitsfokussierung ent- nings im Turnen lassen sich wie folgt zusammen-
hielt (Package-Approach), wurde von Fournier et fassen:
96 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

4 Mentales Training zusätzlich zu praktischem Kriterium. Diejenigen, die sich mit dem Lauf be-
Training führte bei Trampolinturnern zu einer schäftigen und effektive Strategien zur Bewältigung
signifikanten Leistungsverbesserung im Ver- durchgehen, sind demnach erfolgreicher als dieje-
gleich zu einer Kontrollgruppe. nigen, die lediglich positives Denken anwenden.
4 Ein sportpsychologisches Trainingsprogramm, Die Implementierung eines sportpsychologi-
bestehend aus Entspannungstraining und schen Trainingsprogramms bei 43 jugendlichen
Mentalem Training, war in der Lage, bei Tur- Skifahrern einer Ski-Akademie im Alter von 12
nern die Wettkampfangst zu verringern. bis 18 Jahren dokumentierte Hellstedt (1987) und
diskutierte anschließend dessen Effektivität. Ne-
Tipp I I ben Mentalem Training wurden im Rahmen die-
Bei sehr komplexen Bewegungsabläufen, wie ses Konzepts viele weitere Komponenten angebo-
beispielsweise den mehrfachen Überschlag- ten und durchgeführt, darunter auch Entspan-
bewegungen im Geräteturnen, ist das Mentale nungstraining und Zielsetzungsgespräche. Im
Training eine bewährte Methode, um Bewe- Rahmen einer Evaluation bewerteten die Teilneh-
gungsinformation zu bündeln. So kann durch mer des Programms das Entspannungstraining
die Reduktion der Bewegungsbeschreibung und das Mentale Training als besonders effektive
auf Knotenpunkte die Bewegungsinformation Maßnahmen.
unter Umständen auf ein einziges Schlagwort Callow et al. (2013) berichten von ihrer Un-
8 verdichtet werden. tersuchung, wonach die Anforderung Slalom zu
Zum Erlernen neuer oder schwierigerer Ele- fahren mit dem Mentalen Training aus der Innen-
mente oder Elementkombinationen, die bisher perspektive besser gelingt als aus der Beobachter-
vom Sportler noch nicht durchgeführt wurden, perspektive (7 vgl. Kap. 4.2).
eignet sich das Mentale Training, da zunächst in
der Vorstellung die Technikelemente erarbeitet Beispiel 8.7: Alpiner Skilauf: Mentales Training
und/oder kombiniert und schließlich mental zur Trainingsoptimierung
trainiert werden können. Wichtig für den Aufbau von lebhaften und differen-
zierten Vorstellungen ist u. a. eine entsprechende
Trainingsgestaltung. In diesem Beispiel wird mit ei-
Skisport (alpin) ner Ski-alpin-Schülermannschaft (Alter: 10–12 Jahre)
Beim alpinen Skirennsport werden in offiziellen ein Mentales Training durchgeführt. Ziel ist es, die
Wettkämpfen die fünf Disziplinen Abfahrt, Su- Basistechnik des Carvingschwungs mental zu trai-
per-G, Riesenslalom, Slalom und Alpine Kombi- nieren und damit zu festigen.
nation gefahren. Diese unterscheiden sich durch Beim Erlernen dieser Technik tritt häufig das
die Varianten bei der Torsetzung und die dadurch Problem auf, dass wesentliche Aspekte beim Trans-
möglichen Geschwindigkeiten. Abfahrt und Su- fer der Technik in einen gesteckten Lauf (insbeson-
per-G werden als Speed-Disziplinen bezeichnet, dere im Wettkampf ) verloren gehen. Die Aufmerk-
Slalom und Riesenslalom als Technikdisziplinen. samkeit der Kinder wird auf die Stangen gelenkt,
Die Alpine Kombination aus Abfahrt und Slalom und die neu erlernte Technik wird vernachlässigt.
verbindet die beiden Varianten. Die Speed-Diszi- Um eine detaillierte und lebhafte Vorstellung
plinen stellen hohe Anforderungen an Kraft und aufzubauen, wird folgende Methode entworfen:
Ausdauer der Sportler. Die Technikdisziplinen er- Während des Trainings wird die Kommunikation
fordern besondere fahrtechnische Fertigkeiten. zwischen Trainer und Athlet modifiziert: War es bis-
Anhand welcher Faktoren sich erfolgreiche von her üblich, dass der Trainer seine Korrekturen dem
weniger erfolgreichen Skifahrern unterscheiden Sportler direkt nach dem Trainingslauf erklärt und
lassen, beschreiben Rotella et al. (1980). Demnach dieser mehr oder weniger passiv zuhört, wird nun
ist die Phase zwischen der Besichtigung der Strecke eine aktive Rolle des Sportlers eingefordert. Bevor
und dem Start bzw. die Frage, womit sich die Sport- der Trainer seine Korrektur mitteilt, soll zunächst der
ler in dieser Phase beschäftigen, ein besonderes Sportler berichten, was bei der Bewegungsausfüh-
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
97 8
rung gut und was nicht so gut gelungen ist. Dies Training dann an aktuelle Situations- und Umwelt-
bewirkt, dass sich der Sportler schon früh aktiv mit gegebenheiten angepasst werden. Die Skifahrerin
der eigenen Bewegungsausführung auseinander- hat sich im Training bereits angewöhnt, jeden Trai-
setzt. Im Anschluss daran wird konkret festgelegt ningslauf zu besichtigen und mental zu trainieren.
und formuliert (Bestätigung oder Korrektur), auf Ziel ist hierbei, dass sie nicht nur ihre Basistechnik
welche Aspekte der Technikumsetzung beim nächs- in kurzer Zeit an einen besichtigten Lauf anpassen
ten Durchgang geachtet werden soll. Hierbei wer- kann, sondern dass unter Umständen relativ kurz
den maximal zwei Aspekte angesprochen. Bevor der vor dem Start noch Änderungen und Modifikatio-
Sportler in einen erneuten Trainingslauf startet, soll nen möglich sind.
er am Start über Funk ankündigen, was er bei dieser Die Besichtigung einer Wettkampfstrecke dauert
Trainingsfahrt umsetzen möchte. ca. 20–30 Minuten, in denen der neu gesteckte Lauf
Nach dem Training hält der Athlet gemeinsam von den Fahrern langsam durchfahren und angese-
mit dem Trainer in einem Trainingstagebuch fest, hen werden darf. In dieser kurzen Zeitspanne muss
was an diesem Trainingstag positiv umgesetzt sich der Athlet nicht nur die Reihenfolge der Tore
wurde. Es werden also nur die positiven Tech- und die Schlüsselstellen einprägen, sondern auch
nikelemente festgehalten, aufgeschrieben oder das optimale Bewegungsverhalten festlegen. Bei der
aufgezeichnet. Es wird darauf geachtet, dass aus Besichtigung der Wettkampfstrecke erarbeitet sich
der Perspektive der Athleten berichtet wird und die Rennläuferin stufenweise eine Vorstellung des
kinästhetische Bewegungsinformationen auch in Laufes. Zunächst die ersten fünf Tore, dann die Tore
den Aufzeichnungen berücksichtigt sind. Im Laufe 1–10, dann wird der nächste Teilabschnitt ange-
der Zeit wird dieser Aufschrieb dementsprechend hängt usw. Nach der Besichtigung und vor dem Start
reichhaltiger, detaillierter und lebhafter. trainiert sie den optimalen Ablauf ihrer Fahrt noch
Vor und nach jedem Training wird die ganze zwei- bis dreimal in Ruhe mental (. Abb. 8.9).
Gruppe aufgefordert, sich das optimale Carven Rund 10 Minuten vor dem Start, so lautet die
intensiv vorzustellen. Dieses Mentale Training ist Vereinbarung, bekommt die Skifahrerin Informatio-
bereits nach kurzer Zeit ein selbstverständlicher nen von der Strecke per Funk von den Trainern mit-
Bestandteil des Aufwärmens vor dem Training sowie geteilt. Oftmals lautet die Botschaft folgenderma-
des Nachbereitens im Anschluss an die gemeinsame ßen: »Fahren wie besichtigt«, was bedeutet, dass die
Überarbeitung des Bewegungsaufschriebs im Trai- Annahmen, die während der Besichtigung getroffen
ningstagebuch. wurden, genau umzusetzen sind. Schwieriger wird
es dann, wenn die Trainer Korrekturen der Besichti-
Beispiel 8.8: Alpiner Skilauf: Mentales Training gung vornehmen: »Am Übergang enger anfahren!«
zur Wettkampfoptimierung (Slalom)
Die Anforderung bei der alpinen Disziplin Slalom
besteht darin, die Basistechnik (Carvingschwung,
Gleiten etc.) in einem immer wieder unterschiedlich
gesteckten Lauf umzusetzen. Ungefähr 1–2 Stunden
vor dem Start des Durchgangs (in Abhängigkeit von
der Startnummer des Athleten) wird der gesteckte
Lauf besichtigt. In diesem Lauf darf aber praktisch
nicht trainiert werden. Die Anpassung und Kom-
bination der Basistechnik an den geforderten Lauf
muss in der Vorstellung gelingen.
Vorbereitend werden mit einer Skifahrerin vor
der Wettkampfphase die Basistechniken zunächst
isoliert mental erarbeitet, um so eine stabile Vor-
stellung von Technikelementen zur Verfügung zu
haben. Diese Technikelemente können im Mentalen . Abb. 8.9 Startvorbereitung einer Skirennläuferin
98 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

Diese Information wird nicht einfach zur Kenntnis Beispiel 8.9: Bewegungsbeschreibung:
genommen, sondern sofort in die Vorstellung inte- Disziplinwechsel Schwimmen/Rad
griert und diese Teilstrecke drei- bis fünfmal in der Die Knotenpunkte in dieser Bewegungsschreibung nach
Vorstellung absolviert. Ziemainz et al. (2003) sind hier durch Fettdruck markiert:
Die Skifahrerin hat trainiert, ihre Vorstellung Kurz vor Ende der Schwimmstrecke Durchgehen
kurzfristig an Gegebenheiten der Umwelt anzu- der Knotenpunkte für den nachfolgenden Wechsel.
passen. Das Mentale Training führt nun dazu, dass Nachdem ich das Wasser verlassen habe, ziehe ich die
sie an dieser vermeintlichen Schlüsselstelle bereits Badekappe und die Schwimmbrille vom Kopf, laufe
weiß, wie zu fahren ist, und dass kognitive Ressour- zur Zeitnahme und ziehe den rechten Arm über die
cen – beispielsweise für das Wahrnehmen des opti- Zeitnahmebox. Im Anschluss öffne ich die Reißver-
malen Bewegungsgefühls auf dem Ski – frei sind. schlüsse am Neoprenanzug, laufe zum Wechselplatz
und ziehe den Neoprenanzug aus. Ich beginne, den
Triathlon Radhelm aufzuziehen und schließe den Helmver-
Beim Triathlon folgen die Disziplinen Schwimmen, schluss. Ich nehme das Rad mit der linken Hand aus
Radfahren und Laufen unmittelbar aufeinander, dem Ständer und schiebe es mit der linken Hand
was eine Umstellung der Muskulatur auf die jewei- zum Ende der Wechselzone. Dort ziehe ich den rech-
lige Disziplin erfordert. Die Varianten reichen von ten Arm über die Zeitnahmebox, fasse mit beiden
der Sprintdistanz mit 0,5 km Schwimmen, 20 km Händen am Oberlenker und springe auf. Trete nun
8 Radfahren, 10 km Laufen bis hin zur Langdistanz fünf- bis sechsmal kräftig in die Pedale, sichere mich
mit 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und nach hinten und vorne ab, dass kein Gegner in un-
einem Marathonlauf (42,195 km). Das Training mittelbarere Nähe ist, und ziehe dann zunächst ganz
eines Triathleten ist durch die unterschiedlichen in Ruhe den rechten Radschuh an, um mich dann
Einzeldisziplinen technisch entsprechend vielseitig dem linken zu widmen.
und naturgemäß stark ausdauerbezogen. Im Wett- Ende Wechsel!
kampf gilt es, die Übergänge zwischen den einzel-
nen Disziplinen so kurz wie möglich zu gestalten In der Evaluation des Mentalen Trainings (Zie-
und den Körper schnellstmöglich auf die neue mainz et al., 2003) können die Probanden der Ex-
Belastung einzustellen. perimentalgruppe die Wechselzeit um 11 Sekun-
Diese Phasen des Wechsels zwischen den den reduzieren, eine Kontrollgruppe konnte sich
Ausdauerdisziplinen sind von besonderer Rele- lediglich um 1 Sekunde verbessern.
vanz für das Mentale Training. Ziemainz et al.
(2003) weisen darauf hin, dass speziell im Be- Eiskunstlauf
reich des triathlonspezifischen Wechsels starke Beim Eiskunstlauf steht die kunst- und ausdrucks-
Leistungsunterschiede vorliegen, insbesondere volle Ausführung der Elemente Sprünge, Pirouetten
im Jugend- und Juniorenbereich. Brückner und und Schritte im Mittelpunkt. Beim Eiskunstlaufen
Wegner (2001) berichten von einem relativ en- werden die Disziplinen Einzellaufen, Paarlaufen,
gen Zusammenhang zwischen der Teilleistung Eistanzen und Synchroneiskunstlauf ausgetragen.
Wechsel Rad/Lauf und dem Gesamtergebnis des Ergebnisse zum Mentalen Training im Synchroneis-
Triathlons. kunstlauf werden gesondert (Komplexitätsstufe 3)
Ziemainz et al. (2003; Ziemainz, 2002) entwi- besprochen. Die Beurteilung der Qualität der ge-
ckelten in Anlehnung an das fünfstufige Modell zeigten Elemente erfolgt durch Preisrichter, die die
von Eberspächer (2001; 7 Kap. 4.1.1) ein Mentales Performance nach entsprechenden Regeln für die
Training für den triathlonspezifischen Disziplin- technische Durchführung und den künstlerischen
wechsel im Jugend- und Juniorentriathlon. Ein Ausdruck bewerten.
Beispiel für eine in Rahmen dieses Konzepts ent-
wickelte Bewegungsbeschreibung für den triath- Studien
lonspezifischen Disziplinwechsel Schwimmen/Rad Palmer (1992) verglich unterschiedliche Durchfüh-
ist in 7 Beispiel 8.9 dargestellt. rungsmodalitäten des Mentalen Trainings beim
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
99 8
Eiskunstlauf. Allgemein kann das Ergebnis ihrer
Studie folgendermaßen beschrieben werden: Je werden. Durch vielfache Wiederholung der nun
mehr Aufwand für die Generierung entsprechen- durch Modifikation optimierten Bewegung wird
der Vorstellungen beim jugendlichen Eiskunstläu- die intellektuelle Regulationsebene zugunsten
fer (Alter zwischen 12 und 17 Jahren) betrieben der sensumotorischen wieder aufgegeben, die
wird, desto größer ist der zu erwartende Erfolg. automatisierte Bewegung besteht wieder.
Das alleinige Benennen und Durchsprechen einzel- Demnach ist der Zeitpunkt für den Beginn eines
ner Knotenpunkte erwies sich in dieser Studie als Mentalen Trainings bei hochkomplexen und
nicht sehr wirkungsvoll. Vielversprechender war automatisierten Bewegungen mit Blick auf an-
eine Kombination verschiedener Vorgehensweisen stehende Wettkämpfe sehr sensibel zu wählen.
(Aufzeichnen der Bewegung, Erarbeitung von
Schlagwörtern, Hineinfühlen in die Bewegung, in-
tensives Vorstellen der Bewegung), um die Intensi- Rennrodeln
tät und Lebhaftigkeit der Vorstellung zu steigern. Rennrodeln wird mit einem Rennschlitten auf ei-
Garza und Feltz (1998) untersuchten bei 10- ner Kunsteisbahn durchgeführt. Beim Rodeln liegt
bis 18-jährigen leistungsorientierten Eiskunstläu- der Fahrer auf dem Rücken, gelenkt wird durch
fern verschiedene Arten der Durchführung von Beindruck und Verlagerung des Oberkörpers.
Mentalem Training. Eine Gruppe führte das Men- Beim Rennrodeln werden mit dem Einsitzer der
tale Training in Form eines Konzentrierens auf Männer und Frauen sowie dem Doppelsitzer der
Knotenpunkte der Bewegung mit vorheriger Be- Männer und der Teamstaffel vier Wettbewerbsdis-
wegungsbeschreibung durch. Eine weitere Gruppe ziplinen ausgetragen.
setzte Mentales Training im Sinne einer Bewe- Ein Praxisbeispiel soll den Einsatz des Men-
gungssimulation ein, bei der Begleitbewegungen talen Trainings zur Trainings- und Wettkampf-
zur Vorstellung ausgeführt wurden. optimierung im Rennrodeln verdeutlichen (7 Bei-
Beide Arten des Mentalen Trainings verbes- spiel 8.10).
serten die Leistung von Sprüngen und Pirouet-
ten bedeutend im Vergleich zur Kontrollgruppe. Beispiel 8.10: Mentales Training zur Trainings-
Abgesehen von der Leistung erhöhte sich in bei- und Wettkampfoptimierung im Rodeln
den Gruppen das Selbstvertrauen, wohingegen die Erfolgreiches Rodeln erfordert zum einen die exakte
Kompetenzüberzeugung lediglich in der Gruppe, Kenntnis der Rodelbahn, zum anderen die ideale
die mit Begleitbewegung mental trainierte, gestei- Abstimmung von Material und Gerät auf die aktuell
gert werden konnte. vorherrschenden Umweltgegebenheiten (Eisbeschaf-
fenheit, Wetterverhältnisse etc.). Für die Optimierung
Tipp I I der Leistung gilt es also, im Vorfeld die unveränder-
Werden durch das Mentale Training (insbeson- lichen Bestimmungsgrößen der Wettkampfleistung
dere durch das Erstellen einer differenzierten so gut wie möglich zu beherrschen. Hierzu gehört
Bewegungsbeschreibung) hochautomatisierte zum einen die Rodeltechnik an sich (z. B. Fahrlage,
Bewegungsabläufe analysiert und dem Ath- Ansteuerung von Kurven etc.), aber auch die Abstim-
leten bewusst gemacht, kann dies auch dazu mung der individuellen Fahrtechnik an die speziellen
führen, dass Bewegungsabläufe hinterfragt Anforderungen der jeweiligen Rodelbahn.
werden und zunächst praktisch nicht mehr ein- Zur Vorbereitung auf die Rodelbahnen des Weltcups
wandfrei funktionieren. Die Regulationsebene erarbeiten sich die Rodler das Profil jeder Bahn
der Bewegung (Hacker, 1998) ist nicht mehr die (. Abb. 8.10; s.a. den Ablaufplan im nächsten 7 Kasten).
sensumotorische, sondern die intellektuelle. Zu diesem Zweck erstellen sie ganz konkrete Ablauf-
Auf dieser Regulationsebene kann die Bewe- pläne, die enthalten, was in den einzelnen Passagen zu
gung oder Handlung analysiert und modifiziert beachten ist und wie diese optimal zu bewältigen sind.
6 Diese Ablaufpläne werden dann mit Bewegungs-
informationen und individuellem Bewegungsgefühl
100 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

. Abb. 8.10 Rodelbahn von St. Moritz

Ablaufplan: Rodelbahn St. Moritz


4 Start mit 8 Pinguinen (Bobstart)
4 Knick 1: durchschneiden
4 Knick 2: mittig, nach innen schneiden
4 Wall: spitz, kurz führen, halten, letztes Drittel
rausführen
4 Snake 1: mittig, heben dann raus und rüber
nehmen
4 Snake 2: an der Wand umdrehen, gegen-
drehen
4 Sunny: spitz, lenken, halten, gut auslenken,
gegendrehen
. Abb. 8.11 Rodelbahn aus der Perspektive des Athleten, 4 Nash: mittig-rechts ran, ab Mitte rausziehen,
© David Möller
gegendrehen-gegenhalten
4 Dixon: spitz, mittig, ab Mitte leicht raus
angereichert, sodass ein konkretes Drehbuch für den 4 Horse Shoe: mittig-rechts ran, Spitzbogen,
optimalen Lauf des Rodlers entsteht. In einem letzten ab Mitte rausführen bis zum Ende
Schritt definieren die Rodler die Knotenpunkte der 4 Telephone: beim Anfahren leicht Bein drauf,
einzelnen Ablaufpläne und versehen sie mit Schlag- ab Mitte leicht rausführen
wörtern. Sie haben jetzt für jede Rodelbahn des Welt- 4 Shamrock: möglichst links ran, ab Mitte
cups ein individuelles Drehbuch mit Schlagwörtern. rausführen
Zusätzlich fertigen sie auch Aufnahmen der einzel- 4 Devils Dyke: mittig ran, lenken, halten,
nen Streckenabschnitte aus der Athletenperspektive 6 lenken, halten, lenken, gegendrehen
an (. Abb. 8.11).
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
101 8
die aufgrund von Eis- oder Wetterverhältnissen er-
4 Nameless: möglichst rechts ran, Bein leicht forderlich werden, können berücksichtigt und in die
drauf Vorstellung eingearbeitet werden. Viele relevante und
4 Tree: spitz, ab Mitte rausziehen (relativ spät), unveränderliche Informationen der Bahn sind so be-
gegendrehen reits stabil repräsentiert, sodass der Rodler seine volle
4 Bridge: möglichst links, ab 1/3 rausziehen, Aufmerksamkeit auf die veränderlichen Aspekte der
gegendrehen (ins Gefälle reinziehen) Strecke richten kann.
4 Leap: links stehen, ab Mitte rausziehen,
gegendrehen Zusammenschau
4 Sachs: früh, spitz, gleich Bein drauf und Alle in dieser Kategorie beschriebenen Sportarten
lenken, gut gegendrehen haben gemeinsam, dass die objektiv gegebenen
4 Martineau: mittig, spitz, erstmal nur fahren, Anforderungen an den jeweiligen Bewegungsab-
in der Mitte Druck (da umdrehen), gegen- lauf nicht ständig gleich bleiben, sondern variie-
drehen und hinten raustippen – mittig links ren. Variationen ergeben sich entweder
zur Portago stehen 4 durch wechselnde Umgebungsbedingungen
4 Portago: mittig, durchlenken, gegendrehen wie beispielsweise beim alpinen Skilauf oder
4 durch direkte Veränderungen des Bewegungs-
ablaufs, die prinzipiell unabhängig von den
Zur Vorbereitung auf die Saison beginnen die Umgebungsbedingungen sind, wie beispiels-
Sportler bereits im Sommer mit dem Mentalen weise beim Geräteturnen.
Training. Dabei versuchen sie, das Mentale Trai-
ning so intensiv und lebhaft wie möglich zu gestal- Sinnvoll ist die Anwendung des Mentalen Trainings
ten, indem sie es auf dem Schlitten in simulierter auf dieser Komplexitätsstufe sowohl bezüglich des
Fahrlage durchführen (7 Beispiel 8.11). Neulernens bei Anfängern als auch bezüglich des
Optimierens von Leistung im Fortgeschrittenen-
Beispiel 8.11: Rodeln: Mentales Training in und Expertenbereich. Auch bei Kindern und Ju-
simulierter Fahrlage gendlichen werden positive Ergebnisse berichtet.
Der Rodler nutzt eine kurze Entspannungsphase, um Mentales Training allein, in Kombination mit
sich auf die jeweilige Rodelbahn einzustellen. An- praktischem Training oder mit weiteren sportpsy-
schließend nimmt er die Fahrlage auf dem Schlitten chologischen Trainingsformen trägt zur Leistungs-
ein und gibt einem Betreuer ein Startsignal, worauf verbesserung in den Sportarten der Komplexitäts-
dieser eine Stoppuhr startet. Danach durchfährt er in stufe 2 bei. Das Mentale Training wird hier häu-
der Vorstellung die gesamte Strecke. Auf das Zielsig- fig in Kombination mit vielen unterschiedlichen
nal des Rodlers wird die Zeit angehalten und mit der sportpsychologischen Trainingsformen angewandt
reell zu erwartenden Fahrtzeit verglichen. (Package Approach). Letztlich wird auch bei die-
Nach jeder mentalen Trainingseinheit analysiert der sen Sportarten ein positiver Einfluss des Mentalen
Sportler detailliert, welche Streckenabschnitte in der Trainings auf die Wettkampfangst beschrieben.
Vorstellung ideal abgelaufen sind und in welchen Pas-
sagen Fehler, Ungenauigkeiten etc. aufgetreten sind,
um das entsprechende Verhalten in diesen Streckenab- 8.3.4 Komplexitätsstufe 3: Bewegung
schnitten erneut zu überdenken und ggf. Modifikatio- + Variation + Team
nen in der Bewegungsbeschreibung vorzunehmen.
Auf diese Weise kann die für Rodler unangenehm Bei Sportarten der Komplexitätsstufe 3 findet der
lange Phase des eisfreien Sommertrainings mit wett- Bewegungsablauf mit Variationen statt. Es kann
kampfspezifischem Mentalem Training überbrückt sich entweder um Technikvariationen und/oder
werden. In der Saison kann der Sportler dann auf Variationen aufgrund sich verändernder Umwelt-
die stabile Vorstellung des Bewegungsablaufs in der parameter handeln. Zugleich ist die Abstimmung
jeweiligen Rodelbahn zurückgreifen. Modifikationen, in einem Team erforderlich (. Abb. 8.12).
102 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

Für den Einsatz des Mentalen Trainings be-


deutet dies auch bei Sportarten der Komplexi-
tätsstufe 3, dass mehrere Bewegungsvorstellun-
gen verfügbar sein müssen. So ist einerseits die
Bewegungsvorstellung in Bezug auf verschiedene
Techniken und deren Kombination zu erarbeiten.
Andererseits muss die Vorstellung der Anpassung
einer Technik an verschiedene Verhaltensweisen
des Teams aufgebaut werden. Insofern muss in der
Vorstellung neben einem Plan A (»Alles läuft opti-
mal!«) noch ein Plan B oder C erarbeitet werden.
Hierbei ist besonders das Lernen aus vergangenen
Fehlern von zentraler Bedeutung. Sind Fehler ana-
. Abb. 8.12 Bei Sportarten der Komplexitätsstufe 3 findet
der Bewegungsablauf mit Variationen statt. Außerdem ist die
lysiert und alternative Verhaltensweisen aufgebaut
Abstimmung in einem Team erforderlich, wie z. B. beim Tur- und mental trainiert worden, erlebt sich der Sport-
nen und Tanzen in der Gruppe oder auch beim Reiten, ler vorbereitet und souverän, da er sicher ist, auf
© Walter Luger/fotolia.com eventuell auftretende Fehler adäquat reagieren zu
können.
8 Bei einigen Sportarten der Komplexitätsstufe 2
> Das Training von adäquatem Verhalten bei
gibt es in manchen Disziplinen auch Teamwettbe-
unerwünschten Situationen ist nicht gleich-
werbe. Dabei werden die Leistungen der einzelnen
zusetzen mit einem Fehlertraining. Es wird
Sportler zusammen gewertet, z. B. in der Mann-
also keineswegs angestrebt, in eine derartige
schaftswertung beim Geräteturnen oder beim alpi-
Situation zu kommen, aber: Falls es passiert,
nen Skilauf. In Sportarten der Komplexitätsstufe 3
erlebt sich der Sportler vorbereitet.
führen die Teams die Bewegung gleichzeitig aus.
Die Teammitglieder müssen also aufeinander ab- Es liegen nur wenige wissenschaftliche Untersu-
gestimmt agieren, z. B. bei der Rhythmischen chungen zum Einsatz des Mentalen Trainings in
Sportgymnastik in der Gruppe, beim Synchron- Sportarten dieser Komplexitätsstufe vor.
Trampolin, beim Formationstanz oder beim Syn-
chroneiskunstlauf. Dies bedeutet, dass mehrere Synchroneiskunstlauf
Bewegungsabläufe in technisch möglichst hoher Beim Synchroneiskunstlaufen führt ein Team aus
Perfektion verfügbar sein müssen, dass deren Vari- 16 Eisläuferinnen eine Choreografie vor. Leis-
ation allerdings nicht nur an Umweltgegebenhei- tungskriterien sind Synchronizität und Präzision,
ten angepasst werden muss, sondern auch an das technische Schwierigkeit der Programme sowie In-
unter Umständen variable Verhalten von Team- terpretation der Musik und Ausdrucksstärke.
mitgliedern. Zum Einsatz des Mentalen Trainings im Syn-
Ziel des Trainings ist, die Abstimmung der chroneiskunstlauf haben Cumming und Ste-Marie
Teammitglieder aufeinander so weit wie möglich (2001) eine Studie vorgelegt. Ergebnis der Unter-
zu optimieren. Dennoch ist es für eine optimale suchung war, dass sich die Athletinnen hinsicht-
Leistungserbringung nicht nur wesentlich, sein lich ihrer Vorstellungsfähigkeit im Zuge des Men-
eigenes Bewegungsverhalten an das denkbar op- talen Trainings zuerst in der visuellen, dann in der
timale Verhalten des jeweiligen Teammitglieds an- kinästhetischen Modalität verbesserten.
zupassen, sondern auch adäquate Lösungen für die Hardy et al. (2003) untersuchten den Einfluss
Reaktion auf suboptimales oder gar fehlerhaftes des Mentalen Trainings auf den Teamzusammen-
Verhalten des anderen parat zu haben (auf der halt beim Synchroneiskunstlauf. Sie konnten einen
Höchstleistungsebene kann adäquates Reagieren deutlichen positiven Zusammenhang zwischen der
auf suboptimales Partnerverhalten den entschei- Teamkohäsion und dem Einsatz von Mentalem
denden Unterschied ausmachen). Training feststellen.
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
103 8
Reiten Beispiel 8.12: Mentales Training zur Optimierung
Beim Reiten besteht das Team aus Reiter und der Wettkampfleistung im Springreiten
Pferd. Man unterscheidet die wesentlichen Diszi- Eine Springreiterin nutzt das Mentale Training, um ei-
plinen Springreiten, Dressur und Vielseitigkeits- nen kapitalen Fehler, der sich beim Sprung über einen
reiten. Davon zu trennen sind das Rennreiten und Oxer ereignete und zu einem schweren Sturz führte,
das Westernreiten. positiv zu verarbeiten. Nach diesem Sprung hatte sie
ihr Fehlverhalten und die entsprechende Reaktion ih-
Rennreiten. Rennen, bei denen die Pferde auf der res Pferdes ständig vor Augen. Die Bilder des Sturzes
Rennbahn keinerlei Hindernisse überwinden müs- gingen ihr nicht aus dem Kopf, was dazu führte, dass
sen, werden als Flachrennen bezeichnet. Flach- sich bei jedem weiteren Sprung über einen Oxer
rennen können über unterschiedliche Distanzen Ängste und Spannungen einstellten, die sich schließ-
absolviert werden. Die geringste Distanz beträgt lich auf das Pferd übertrugen. Regelmäßiges Verwei-
1000 m (Fliegerrennen) und die längste Distanz gern vor dem Sprung war die Folge. Schließlich wollte
4000 m (Steherrennen). kein sicherer Sprung über einen Oxer mehr gelingen.
In einer Einzelfallstudie von Callow und Waters Der Reiterin ist klar, dass ihr unentschlossenes,
(2005) an Jockeys von Flachrennen erstellten die verängstigtes und verkrampftes Verhalten vor dem
Jockeys Bewegungsbeschreibungen, die die Grund- Sprung sich auf das Pferd überträgt und letztlich
lage des Mentalen Trainings darstellten. Beim Men- ursächlich für das Verhalten des Pferdes ist.
talen Training wurde darauf geachtet, insbesondere Ausgangspunkt des Mentalen Trainings ist
kinästhetische Bewegungsinformationen einzube- der Aufbau einer positiven Vorstellung von einem
ziehen. Das Mentale Training wurde an sechs Ter- optimalen Sprung über den Oxer. Diese Bewe-
minen innerhalb von drei Wochen durchgeführt. gungsvorstellung ist dann um die weiteren Sprünge
Callow und Waters (2005) konnten bei zwei der des Parcours zu ergänzen. Der Reiterin gelingt es
drei untersuchten Jockeys positive Effekte des Men- schnell, eine intensive und lebhafte Vorstellung ei-
talen Trainings auf das Selbstvertrauen feststellen. nes optimalen Ritts durch einen (Trainings-)Parcours
zu entwickeln. Auch die Vorstellung des Sprungs
Dressurreiten. Beim Dressurreiten müssen auf ei- über einen Oxer gelingt ohne Probleme. Sie weiß
nem 20m × 60m großen Dressurviereck verschie- genau, wie es sich anfühlt, wenn sie mit ihrem Pferd
dene Aufgaben (Lektionen) in einer bestimmten den Sprung entschlossen anreitet, und wie sie die
Reihenfolge oder, in einer Kür, auch mit Musikun- Sprungbewegung des Pferdes unterstützt.
termalung in frei gewählter Abfolge gezeigt werden. Nun gilt es auch das unerwünschte Verhalten
In einer Studie von Wolframm und Micklewright des Pferdes in die Vorstellung einzubauen, um so
(2011) konnte gezeigt werden, dass ein psychologi- rechtzeitig entsprechende Gegenmaßnahmen
sches Trainingsprogramm u.a. auch mit Mentalem einleiten zu können. Dies ist der anspruchsvollste
Training (Package Approach), das 6 Wochen lang Teil des Trainings: Die Reiterin soll alle denkbaren
jeweils 2 Stunden die Woche durchgeführt wurde, Reaktionen des Pferdes antizipieren und sich ent-
sich positiv auf die Wettkampfleistung auswirkt. sprechende regulierende Verhaltensweisen dazu
erarbeiten. Hierzu werden auch andere erfahrene
Springreiten. Beim Springreiten müssen Pferd Reiter befragt, um so das eigene Verhaltensspek-
und Reiter einen aus mehreren Hindernissen trum auszubauen. Berücksichtigt werden dabei
bestehenden Parcours in einer festgelegten Rei- sämtliche Störgrößen, die das Verhalten des Pferdes
henfolge überwinden. Leistungskriterien sind die beeinflussen könnten: Fehlverhalten der Reiterin
Anzahl der Fehler (abgeworfene Hindernisteile) selbst, Störungen von außen etc.
sowie die Zeit, die für die Bewältigung des Par-
cours benötigt wird. Ein Praxisbeispiel soll den Rhythmische Sportgymnastik in der
Einsatz des Mentalen Trainings zur Optimierung Gruppe
der Wettkampfleistung im Springreiten verdeutli- Die Rhythmische Sportgymnastik ist v. a. durch
chen (7 Beispiel 8.12). gymnastische und tänzerische Elemente gekenn-
104 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

zeichnet und erfordert ein hohes Maß an Körper- Die Gymnastinnen müssen zuerst die gesamte
beherrschung, Gleichgewichts- und Rhythmusge- Übung (ein Element nach dem anderen) beschrei-
fühl. Rhythmische Sportgymnastik wird auf einer ben und aufschreiben. Anschließend legt jede ganz
13 × 13 m großen Wettkampffläche mit Seilen, individuell fest, worauf sie bei diesem Übungsteil be-
Reifen, Keulen, Bändern und Bällen zu Musik sonders achten muss. Für diese erarbeiteten Knoten-
ausgeführt. Bei den Juniorinnen werden die Wett- punkte der einzelnen Elemente ihrer Übung sollen
kämpfe als Gruppenübungen ausgetragen. Hier- dann Schlagwörter gefunden werden. Dieser Prozess
bei müssen fünf Gymnastinnen eine Übung mit erfolgt in enger Abstimmung mit der Trainerin, um
entsprechenden Schwierigkeitsgraden vorführen. sicherzustellen, dass die Gymnastinnen auch das in-
Neben den Schwierigkeitsgraden ist die Synchro- dividuell Relevante im jeweiligen Übungsteil hervor-
nizität der Gruppe ein wesentliches Leistungskri- heben. Die gesamte Übung kann so in eine Reihen-
terium. Ein Praxisbeispiel soll den Einsatz des folge von Schlagwörtern transformiert werden.
Mentalen Trainings zur Optimierung der Synchro- Beim Mentalen Training, das meist im Anschluss
nizität einer Gruppe in der Rhythmischen Sport- an oder in Vorbereitung auf das praktische Training
gymnastik verdeutlichen (7 Beispiel 8.13). durchgeführt wird, legen sich die Gymnastinnen auf
die Matte und führen eigenständig eine 3-minütige
Beispiel 8.13: Mentales Training zur Optimierung Atementspannung durch. Die Trainerin fordert dann
der Synchronizität (Rhythmische Sportgymnastik) die Sportlerinnen auf, sich vorzustellen, wie sie auf die
8 Eine Gruppe aus fünf Gymnastinnen erarbeitet eine Wettkampffläche einlaufen und wie sie die Ausgangs-
Choreografie, die verschiedene Schwierigkeiten position einnehmen. Es wird dabei Wert darauf gelegt,
enthalten muss und bei der die Synchronizität der dass sich die Sportlerinnen das Bewegungsgefühl vor-
Bewegungsausführung ein wesentliches Kriterium stellen: Die Athletinnen werden aufgefordert, sich vor-
der Leistungsbewertung darstellt. zustellen, wie sich das Tragen des Wettkampfanzugs
Die Übung wird mit hohem Aufwand, erheb- anfühlt, wie die Füße die Wettkampffläche spüren etc.
licher Intensität und großen Umfängen trainiert. Wenn die Sportlerinnen in der Vorstellung ihre Aus-
Gerade im Kinder- und Jugendhochleistungssport gangsposition auf der Wettkampffläche eingenommen
bietet sich der Einsatz des Mentalen Trainings zur haben, wird die Musik für die Übung gestartet und
Trainingsoptimierung an. Zum einen kann durch nach 10 Sekunden wieder gestoppt. Die Sportlerinnen
Mentales Training schneller die erwünschte Syn- trainieren jetzt ihre Übung mental (. Abb. 8.13). Per
chronizität hergestellt werden, zum anderen ist es Handzeichen signalisieren sie, wann sie im Vorstel-
durch mentales Trainieren möglich, die immensen lungstraining ihre Übung beendet haben.
Belastungen für die Kinder und Jugendlichen hin- Bei der deutschen Junioren-Nationalmannschaft
sichtlich Umfang und Intensität des Trainings zu war diese Form des Trainings ein fester Bestandteil
reduzieren. der Vorbereitung auf die Europameisterschaft 2007.

. Abb. 8.13 Rhythmische


Sportgymnastik: Mentales
Training für den Gruppenwett-
bewerb
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
105 8
Zu Beginn des Trainings war eine Varianz der men- Verhalten eines Gegners abzustimmen sind. Der
talen Übungszeiten innerhalb der Gruppe von über Gegner wirkt dabei nicht störend auf die Durch-
70 Sekunden festzustellen (bei einer Übungsdauer führung des eigenen Bewegungsablaufs ein, d. h.,
von ca. 3 Minuten). Nach regelmäßigem mehrmo- es besteht kein körperlicher Kontakt zum Gegner.
natigem Training konnte diese Varianz auf ca. 20 Se- Typische Sportarten dieser Komplexitätsstufe sind
kunden reduziert werden. Tennis (. Abb. 8.14), Badminton und Tischtennis.
In weiteren Schritten wurde die Vorstellung Die Bewegungstechnik ist auf höchstem Ni-
der Gymnastinnen auch an mögliches fehlerhaftes veau automatisiert, muss aber dennoch in Ab-
Verhalten der Gruppenmitglieder in besonders kriti- hängigkeit vom Gegnerverhalten modifiziert und
schen Übungsteilen angepasst. Hier wurde individu- variiert werden. Dabei sind zwei prinzipiell zu un-
ell vorgegangen. Beispielsweise trainierte die Gym- terscheidende Gegebenheiten zu berücksichtigen:
nastin A, die einen schwierigen Fußwurf zu fangen 4 Einerseits sollte der Spieler die eigene Technik
hatte, in der Vorstellung die Möglichkeit, dass der so ausführen, dass der Gegner Schwierigkeiten
Wurf zu kurz oder zu lang gerät. Hervorzuheben ist bekommt, seine optimale Technik auszuführen.
hierbei, dass die Gymnastin dadurch deutlich weni- 4 Andererseits wird der Spieler vom Gegner in
ger Wettkampfangst empfand. Ihre Argumentation: Situationen gebracht, in denen er die eigene
»Es ist egal, wie der Wurf kommt: zu lang oder zu Technik nicht optimal durchführen kann.
kurz, ich bekomme ihn sowieso!«
Insofern sind beide Aspekte auch Trainingsziel:
Zusammenschau zum einen das eigene Verhaltensrepertoire opti-
Alle in dieser Kategorie beschriebenen Sportarten
haben gemeinsam, dass die objektiv gegebenen
Anforderungen an den jeweiligen Bewegungsab-
lauf nicht ständig gleich bleiben, sondern vari-
ieren. Es kann sich um Technikvariationen und/
oder Variationen aufgrund von sich verändernden
Umweltparametern handeln. Zugleich ist die Ab-
stimmung mit einem Team erforderlich.
Die wenigen wissenschaftlichen Studien, die
sich der Anwendung des Mentalen Trainings bei
Sportarten dieser Komplexitätsstufe widmen, the-
matisieren insbesondere Aspekte des Teamzusam-
menhalts und des Selbstvertrauens der Teammit-
glieder.
Allgemeine Aussagen zur Wirksamkeit und
zur Anwendbarkeit bei bestimmten Zielgruppen
sind an dieser Stelle jedoch nur eingeschränkt
möglich.

8.3.5 Komplexitätsstufe 4:
Bewegung + Variation + Gegner

Im Gegensatz zu Sportarten der Komplexitäts-


stufe 3 ist hier nicht ein Team und dessen Verhal-
. Abb. 8.14 In Sportarten der Komplexitätsstufe 4 wie hier
ten zu berücksichtigen, sondern ein direkter Geg- beim Tennis ist ein direkter Gegner zu beachten, der allerdings
ner. Der erforderliche Bewegungsablauf weist viel- den eigenen Bewegungsablauf nicht behindert oder stört,
fältige Technikvariationen auf, die zugleich auf das © Galina Barskaya/fotolia.com
106 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

mal, also in höchster Perfektion umsetzen zu kön- und systematisch geführte Selbstgespräche. Au-
nen, zum anderen auch in Drucksituationen noch ßerdem berichten DeFrancesco und Burke (1997),
entsprechend reagieren zu können. dass höher platzierte Spieler einen signifikant grö-
Viele Sportler erleben diese Vielfalt und Unvor- ßeren Anteil ihrer Leistung psychologischen Vari-
hersagbarkeit der geforderten Bewegungsabläufe ablen zuschrieben als niedriger platzierte Spieler,
als »immer neu« und »sich nicht wiederholend«. dabei werden die Verfahren vorrangig vor und
Dennoch treten hier immer wiederkehrende Situ- während des Wettkampfes genutzt.
ationen auf, die durch Mentales Training vorberei- Wie sich Mentales Training allein oder in
tet werden können. Kombination mit anderen Maßnahmen auf die
Für den Einsatz des Mentalen Trainings be- Leistung auswirkt, wird im Folgenden dargelegt.
deutet dies, dass mehrere Bewegungsvorstellungen Zunächst werden Untersuchungen zum Techni-
verfügbar sein müssen. So ist sowohl die Bewe- kerwerb vorgestellt. Im Tennis wurde darüber hin-
gungsvorstellung für verschiedene Techniken und aus auch die Wirkung des Mentalen Trainings auf
deren Kombination zu erarbeiten (z. B. der indivi- die Wettkampfangst untersucht.
duelle Bewegungsablauf beim Serve-and-Volley im
Tennis) als auch die Vorstellung einer an verschie- Studien zum Technikerwerb
dene Verhaltensweisen des Gegners angepassten Surburg (1968) untersuchte die Wirkung des
Technik (z. B. Return im Tennis – entweder cross Mentalen Trainings in Kombination mit unter-
8 oder longline) aufzubauen. schiedlichen Instruktionen auf die Ausführung des
Die isolierte Annahme eines typischen Geg- Vorhand-Drives im Tennis. In allen Experimental-
nerverhaltens ist hier häufig nicht zielführend. Der gruppen – Mentales Training in Kombination mit
Sportler würde so nur auf einen Ausschnitt des Audioinstruktion, mit audiovisueller und mit visu-
möglichen Verhaltensrepertoires des Gegners vor- eller Instruktion – konnten im Gegensatz zur Kon-
bereitet sein und sich dann möglicherweise in der trollgruppe Leistungsverbesserungen hinsichtlich
Wettkampfsituation überfordert fühlen. Zudem ist des Vorhand-Drives beobachtet werden. Die effek-
es im praktischen Training teilweise sehr schwer, tivste Alternative stellte hier das Mentale Training
ein bestimmtes Gegnerverhalten durch einen Spar- in Kombination mit einer Audioinstruktion dar.
ringspartner möglichst exakt zu simulieren. Das Die Wirksamkeit des Mentalen Trainings
Mentale Training kann hier unterstützend wirken. wurde insbesondere für das Erlernen der Tech-
nikelemente untersucht. So prüften Féry und
Tennis Morizot (2000), welchen Effekt Mentales Training
Tennis zählt zu den sogenannten Rückschlagspie- auf das Erlernen des Aufschlags im Tennis hat. Sie
len. Hierbei stehen sich auf dem durch ein Netz untersuchten dabei zwei Bedingungen: zum einen
geteilten Spielfeld zwei Spieler (bzw. Spielerdoppel) das alleinige Beobachten eines Modells und  zum
gegenüber. Ziel ist es, die Bälle so im Feld des anderen das Beobachten des Modells und Men-
Gegners zu platzieren, dass sie nicht mehr zurück- tales Training der Bewegung. Dabei scheint dem
gespielt werden können. Als Grundschlagarten Mentalen Training entscheidende Bedeutung
gelten der Aufschlag, die Vor- und die Rückhand, zuzukommen: Der Effekt eines Modells beim
die jeweils in einer Vielzahl von Varianten gespielt Erlernen des Tennisaufschlags ist dann größer,
werden können, sowie Überkopfbälle und Volleys wenn die Bewegung zusätzlich mental trainiert
(Flugbälle). wird. Ähnliches berichten Guillot et al. (2012).
Im Tennis sind psychologische Strategien ins- In  dieser Studie wirkte sich Mentales Training
besondere im professionellen Bereich etabliert und (in  einem Zeitraum von 6 Wochen) positiv auf
wichtige Hilfsmittel zur Leistungsverbesserung. die Ausführung (Genauigkeit) des Aufschlags
Nach einer Befragung von DeFrancesco und Burke im Vergleich zu einer Kontrollgruppe aus. Un-
(1997) nutzen professionelle Tennisspieler vorran- tersucht  wurde zudem das Vorstellungsvermö-
gig Mentales Training, vorbereitende Routineab- gen der Probanden. Es stellte sich heraus, dass
läufe, Entspannungstraining, Zielsetzungstraining die  Probanden, die ein besseres Vorstellungsver-
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
107 8
mögen haben, auch beim Mentalen Training bes- nen positiven Effekt eines mentalen Trainingspro-
ser abschnitten. gramms (Package-Approach: Zielsetzungstraining,
Immenroth et al. (2003) untersuchten Men- positives Denken, systematische Selbstgespräche,
tales Training zur Verbesserung des Tennisauf- Konzentrationstraining, Aktivationsregulation und
schlags bei Kindern im Alter von zehn Jahren. Mentales Training) auf die wahrgenommene Wett-
Erwartungsgemäß konnte gezeigt werden, dass kampfangst nachweisen.
sich die Gruppe, die mental trainiert hatte, und
die Gruppe, die praktisch trainiert hatte, gegen- Beispiel 8.14: Tennis
über der Kontrollgruppe verbesserten, dabei un- Ein Tennisspieler auf internationalem Niveau verliert
terschieden sich die mental und die praktisch trai- stets gegen die gleiche Art von Gegnern. Er ist ein
nierende Gruppe nur unwesentlich. eher schmächtiger, laufstarker Spieler mit gutem,
Auch dieses Ergebnis weist darauf hin, dass ge- druckvollem Spiel von der Grundlinie. Mit diesem
rade beim Techniklernen praktische Übungszeiten Spiel ist er eigentlich erfolgreich, verliert aber häufig
in einem gewissen Maß durchaus durch mentale gegen aufschlagstarke Serve-and-Volley-Spieler. Er
Übungszeiten ersetzt werden können, ohne einen hat kein taktisches Konzept, wie er seine Stärken
Qualitätsverlust beim Technikerwerb in Kauf zu gegen diese Spieler einsetzen kann.
nehmen. Wesentlich erscheint auch, dass alleiniges Dies hat dazu geführt, dass der Spieler sich
mentales Trainieren zu einer verbesserten Technik schon direkt nach der Auslosung ausrechnet, ob er
führt. unter Umständen im weiteren Verlauf des Turniers
auf einen starken Serve-and-Volley-Spieler trifft und
Zusammenfassung der Ergebnisse. Die Ergeb- dann gegen diesen Gegner ausscheiden wird.
nisse der Studien zum Technikerwerb im Tennis Der Trainer erarbeitet mit ihm zur Lösung dieser
mithilfe von Mentalem Training können folgen- Problematik ein Mentales Training, das das Spielver-
dermaßen zusammengefasst werden: halten gegen Serve-and-Volley-Spieler beinhaltet.
4 Die Gefahr eines Qualitätsverlusts besteht nicht. Zunächst analysieren Trainer und Spieler in einem
4 Der Effekt beim Erlernen und Verbessern des intensiven Videostudium das Verhalten von Serve-
Tennisaufschlags ist dann größer, wenn die and-Volley-Spielern (Rechts- und Linkshänder). Die
Bewegung zusätzlich mental trainiert wird. regelmäßig wiederkehrenden Verhaltensmuster
4 Alleiniges Mentales Training scheint zu einer werden ausgearbeitet und entsprechend ihrer Auf-
verbesserten Technik zu führen. Dies gilt auch tretenswahrscheinlichkeit sortiert. So finden Trainer
für den Technikerwerb im Kindes- und Ju- und Spieler heraus, dass bei eigenem Aufschlag auf
gendalter. die rechte Seite eines rechtshändigen Gegners mit
einem Return des Gegners longline zu rechnen ist
Studien zur Reduzierung der und dass der Gegner dann höchstwahrscheinlich
Wettkampfangst direkt den Weg ans Netz zum Volley nutzen wird
Ryska (1998) untersuchte den Einsatz unterschied- (. Abb. 8.15).
licher kognitiver Strategien und deren Beitrag zur Nun analysieren Trainer und Athlet das Stärken-
Senkung kognitiver und somatischer Angst sowie profil des Spielers auf dieses Gegnerverhalten bezo-
zur Steigerung des Selbstvertrauens vor einem of- gen und legen ein möglichst erfolgversprechendes
fiziellen Wettkampf und fand heraus, dass annä- Handlungsmuster fest. Für die oben dargestellte
hernd 30 % der Sportler mentale Fertigkeiten wie Situation erarbeiten sie folgenden Handlungsplan:
Entspannungstraining, Mentales Training, Auf- 1. Aufschlag cross.
merksamkeitskontrolle, positives Selbstgespräch 2. Mit der Aufschlagbewegung einen Schritt ins
und Zielsetzung anwenden und dass dies mit ge- Feld.
ringerer kognitiver und somatischer Angst sowie 3. Return:
höherem Selbstvertrauen einhergeht. – Return longline (. Abb. 8.15a): früh den (noch
Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommen aufsteigenden) Ball treffen und wieder long-
Mamassis und Doganis (2004). Sie konnten ei- line spielen.
108 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

Variante A: Return longline Variante B: Return cross

1
1
. Abb. 8.15 Analyse des typischen 3 3
Gegnerverhaltens im Tennis. a Vari-
ante A: Return longline. b Variante
B: Return cross (O trainierender
Spieler, O Gegner, Q1 Reihenfolge
im erarbeiteten Handlungsmus-
8 ter, – – >
– Laufweg, ------
> Flugbahn 2 2
des Balls) a b

– Return cross (. Abb. 8.15b): früh den (noch läufe erstellt und mental trainiert, um so Schritt für
aufsteigenden) Ball treffen und longline auf Schritt das individuelle Handlungsrepertoire des
die Rückhandseite des Gegners spielen. Spielers in diesen taktischen Anforderungen auszu-
bauen.
Besonders wichtig ist bei diesem Handlungsplan,
dass der Spieler das Feld »eng macht«, also die Bälle Tischtennis
früh (noch aufsteigend) spielt und damit den Geg- Genau wie Tennis ist auch Tischtennis ein Rück-
ner unter Druck setzen kann. schlagspiel, das mit zwei sich gegenüberstehenden
Dieser Bewegungsplan wird anschließend Gegnern bzw. gegnerischen Paaren gespielt wird.
praktisch gespielt und per Video aufgezeichnet. Der Ziel ist es, wie beim Tennis, die Bälle so im Feld
Bewegungsplan und die Videoaufzeichnung dienen des Gegners zu platzieren, dass sie nicht mehr zu-
als Grundlage zur Vorstellungsgenerierung. Darüber rückgespielt werden können. Tischtennis ist durch
hinaus bereiten der Trainer und der Tennisspieler die leichten Spielgeräte und die relativ geringen
weitere acht typische Spielszenen auf diese Art Feldmaße ein sehr schnelles Spiel und damit eine
und Weise auf. Der Sportler bekommt die Aufgabe, technisch und koordinativ hoch anspruchsvolle
jeden Tag zwei bis drei dieser Szenen mental zu Sportart.
trainieren.
Im Laufe der weiteren Turniere stellt sich heraus, Studien
dass sich der Sportler auf Serve-and-Volley-Gegner Lejeune et al. (1994) testeten Leistungsverände-
besser vorbereitet fühlt. Die Überzeugung, nun rungen an 40 Tischtennisspielern im Anfänger-
auch das nötige Repertoire zum Bezwingen dieser stadium. Die Probanden waren zwischen 19 und
Gegner verfügbar zu haben, ist merklich angestie- 27 Jahren alt. Fünf Tage dauerte das Training un-
gen. Dies steigert sich noch, als die ersten erfolg- ter vier verschiedenen Bedingungen: Eine Kont-
reichen Matches gegen Serve-and-Volley-Spieler rollgruppe trainierte überhaupt nicht. Mit einer
absolviert sind. Es werden nun weiterhin Siege wie Gruppe wurde praktisch trainiert. Mit einer weite-
auch Niederlagen analysiert, weitere Handlungsab- ren Gruppe wurde praktisch trainiert und im Rah-
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
109 8
men eines Videotrainings die Bewegungsausfüh- sierung der Wahrnehmung auch die Knotenpunkte
rung intensiv beobachtet. Mit einer vierten Gruppe der Bewegung enthielt. Die Dauer des reinen Men-
wurde praktisch trainiert, im Rahmen eines Video- talen Trainings betrug jeweils ca. 6 Minuten.
trainings die Bewegungsausführung intensiv beob- Die mental trainierende Gruppe verbesserte
achtet und ein Mentales Training durchgeführt. sich stärker als die beiden anderen Gruppen, so-
Bei diesem Mentalen Training wurde zunächst eine wohl was die Genauigkeit, als auch was die techni-
20-minütige Entspannungsübung durchgeführt sche Qualität der Schläge im Tischtennis anging.
und danach 40 Minuten mental trainiert. Dabei Neben der technischen Qualität und Präzision
sollten die Probanden sich einen Konterangriff mit der Schläge wurden von Bhambri et al. (2005) wei-
Rückhand und Vorhand intensiv vorstellen. Das tere leistungsbestimmende Faktoren auf ihre Op-
Ergebnis dieser Studie spricht für den Effekt des timierung durch Mentales Training oder mentale
Mentalen Trainings. Trainingsprogramme hin untersucht. Dabei zeigte
Wenn als Aufgabe die Wiederholung gleicher eine Kombination aus Entspannungstraining und
Schläge – ein Konterangriff entweder mit Vor- Mentalem Training den größten Effekt hinsichtlich
oder mit Rückhand – gestellt wurde, so konnte die der mentalen Belastbarkeit.
quantitative Leistung (Anzahl der richtig platzier-
ten Bälle unabhängig von der Qualität der Bewe- Zusammenfassung der Ergebnisse. Die Ergeb-
gung) unter allen Bedingungen außer der Kont- nisse der Studien zum Einsatz des Mentalen Trai-
rollbedingung verbessert werden. Die qualitative nings im Tischtennis lassen sich wie folgt zusam-
Leistung (Korrektheit der Bewegungsausführung) menfassen:
verbesserte sich allerdings bei der Gruppe, die 4 Die qualitative Leistung (Korrektheit der Be-
mental trainierte, am stärksten. wegungsausführung) beim Tischtennis konnte
Diese Effekte blieben auch dann bestehen, insbesondere durch Mentales Training verbes-
wenn die Aufgabe – was eher der realen Spielsitua- sert werden.
tion entspricht – aus einem Wechsel zwischen bei- 4 Dieser Effekt blieb auch dann bestehen, wenn
den Techniken bestand, also einer abwechselnden die Aufgabe aus einem Wechsel zwischen zwei
Ausführung von Vor- und Rückhand. Techniken bestand (was eher der realen Spiel-
Auch für den erfolgreichen Einsatz des Men- situation entspricht).
talen Trainings zur Technikvermittlung und -ver- 4 Eine Kombination aus Videobeobachtung,
besserung im Tischtennis bei Kindern und Ju- Entspannungstraining und Mentalem Training
gendlichen lassen sich erste Nachweise finden. So wirkte sich bei sieben- bis zehnjährigen Kin-
untersuchten Li-Wei et al. (1992) die Effekte ei- dern positiv auf die Genauigkeit und die tech-
nes mentalen Trainingsprogramms an talentierten nische Qualität der Schläge im Tischtennis aus.
Tischtennisspielern im Alter von sieben bis zehn
Jahren. Sie unterteilten 40 Kinder in drei Gruppen: Zusammenschau
Eine Gruppe trainierte mental mit einer Kombi- Neben den möglichen Variationen des Bewegungs-
nation aus Videobeobachtung, Entspannungstrai- ablaufes ist die indirekte Beeinflussung durch den
ning und Mentalem Training, eine zweite Gruppe am Zustandekommen der sportlichen Handlung
führte lediglich die Videobeobachtung durch, die beteiligten Gegner wesentliches Merkmal der
dritte Gruppe diente als Kontrollgruppe. Sportarten, die der Komplexitätsstufe 4 zugeord-
Der ersten Gruppe wurden zunächst im Ab- net sind. Im Unterschied zu den nachfolgenden
stand von vier Wochen ausgewählte Videoaus- Komplexitätsstufen ist jedoch keine direkte Ein-
schnitte von Tischtennisspielern gezeigt. Nach dem wirkung des Gegners im Sinne von Körperkontakt
Erlernen einer Entspannungstechnik wurde ein gegeben.
Mentales Training eingeführt, das starken Bezug Auch auf dieser Komplexitätsstufe lässt sich
zu den gezeigten Videos hatte. Zur Erleichterung der Nutzen des Mentalen Trainings herausstellen:
des Mentalen Trainings wurde außerdem ein Skript Mentales Training eignet sich sowohl für das Neu-
vorgelesen, das neben einigen Sätzen zur Sensibili- lernen als auch für die Leistungsoptimierung im
110 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

Fortgeschrittenen- und Expertenbereich. Auch bei äquate Lösungen für die Reaktion auf suboptima-
Kindern und Jugendlichen trägt Mentales Training les oder gar fehlerhaftes Verhalten eines anderen
zur Optimierung von Präzision und Bewegungs- Teammitglieds verfügbar zu haben.
qualität bei. Für den Einsatz des Mentalen Trainings be-
Auch wenn gerade bezüglich der Ergebnisse im deutet dies, dass Bewegungsvorstellungen für ver-
Tennis festgestellt werden muss, dass die die Kom- schiedene Techniken und deren Kombination in
plexität dieser Sportart ausmachenden taktischen Abstimmung auf die Mitspieler und auf mögliches
Anforderungen bisher nicht untersucht wurden, Gegnerverhalten zu erarbeiten sind. Hier können
so wurde zumindest in der Studie von Lejeune et Strategien, die bei einem bestimmten Gegner nicht
al. (1994) ansatzweise eine taktische Spielkonstel- zum gewünschten Erfolg geführt haben, umgestellt
lation nachempfunden, auch wenn hier die Integ- werden. So kann ein entsprechendes alternatives
ration von bestimmtem Gegnerverhalten nicht Teil Verhalten im praktischen wie auch im Mentalen
des Mentalen Trainings war. Training aufgebaut werden.
Auch im Bereich der weiteren leistungsbe- Es stellt sich grundsätzlich die Frage, auf wel-
stimmenden Faktoren, wie der mentalen Stärke, che Weise neben technischen Einzelfertigkeiten
werden positive Effekte des Mentalen Trainings auch taktische Lernprozesse eines Teams durch
beschrieben. Mentales Training optimiert werden können. Die
in 7 Kap. 5 vorgestellten Metaanalysen zur Wirk-
8 samkeit des Mentalen Trainings weisen nach, dass
8.3.6 Komplexitätsstufe 5: Bewegung Mentales Training – insbesondere in der Phase des
+ Variation + Gegner + Team Erlernens von Bewegungsabläufen (Driskell et al.,
1994) – bei Bewegungsaufgaben mit eher kogniti-
Bei Sportarten dieser Komplexitätsstufe müssen im ven Anteilen als besonders effektiv einzuschätzen
Unterschied zu Sportarten der Komplexitätsstufe 4 ist.
neben den Gegnern auch noch das eigene Team
> Da jede Konstellation im Mannschaftssport
und das Verhalten der Teammitglieder berücksich-
auch individuell aufgefasst werden kann
tigt werden. Die diversen individuell erforderli-
(Eberspächer & Immenroth, 1998) und Stan-
chen Bewegungsabläufe samt Technikvariationen
dardsituationen und Spielzüge grundsätzlich
müssen im Team exakt abgestimmt und an das
als kognitive Aufgaben betrachtet werden
Verhalten eines Gegners angepasst werden. Das
können, ist gerade beim taktischen Lernen
Timing ist ein wesentliches leistungsbestimmendes
und bei der Automatisierung von taktischen
Kriterium.
Bewegungsabläufen der Einsatz des Menta-
Ziel des Trainings ist es, die Abstimmung der
len Trainings sinnvoll.
Teammitglieder aufeinander so weit wie möglich
zu optimieren und dabei auf gegnerisches Verhal- Im Folgenden werden einige Untersuchungen und
ten schnell, variabel und intern abgestimmt reagie- Beispiele zum Einsatz des Mentalen Trainings in
ren zu können. Der Gegner wirkt auf dieser Kom- Teamsportarten vorgestellt, die sich zwar bezogen
plexitätsstufe noch nicht störend auf die Durch- auf das Gegnerverhalten taktisch ausrichten müs-
führung des eigenen Bewegungsablaufs ein, d. h., sen, bei denen aber kein direkter Kontakt mit dem
es besteht kein körperlicher Kontakt zum Gegner. Gegner gegeben ist.
Eine typische Sportart dieser Komplexitätsstufe ist
Volleyball, bei der das Netz die Mannschaften von- Volleyball
einander trennt und ein Eingreifen bzw. Eindrin- Bei diesem Rückschlagspiel, das in Mannschaften
gen in das Spielfeld des Gegners nicht erlaubt ist. aus je sechs Spielern gespielt wird, gilt es, den
Für eine optimale Leistungserbringung ist es Gegner durch geschickte Ballplatzierung in dessen
dabei nicht nur wesentlich, das eigene Bewegungs- Spielfeldhälfte zu Fehlern zu zwingen und dadurch
verhalten an das optimale Verhalten der anderen zu punkten. Pro Spielzug innerhalb einer Mann-
Teammitglieder anzupassen, sondern auch ad- schaft sind drei Ballberührungen erlaubt, bevor
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
111 8

=
x 2
4 3

. Abb. 8.16 Bei Sportarten der Komplexitätsstufe 5 muss


– anders als bei Sportarten niedrigerer Komplexitätsstufen 1
– das Verhalten der Teammitglieder und das Verhalten eines 5 6
Gegners berücksichtigt werden. Der Gegner wirkt jedoch, wie
hier z. B. beim Volleyball, nicht störend auf die Durchführung
. Abb. 8.17 Spielzug im Volleyball (๪ Angriffsspieler,
des eigenen Bewegungsablaufs ein, © alice rawson/fotolia.
๯ Zuspieler, O Ball nach Ende des Spielzugs, – – >
– Laufweg,
com
> Ballannahme, ຘ–ຘ>
------ – Angriffsschlag)

der Ball wieder in die gegnerische Hälfte gespielt


werden muss (. Abb. 8.16; vgl. auch 7 Beispiel auch aus der Perspektive der Feldabwehr auf der
8.15). Position 5.
Wesentlich bei dieser Bewegungsbeschreibung
Beispiel 8.15: Volleyball: Vorbereitung auf ein sind nicht nur die Laufwege, sondern auch das indi-
Turnier viduelle Gefühl des richtigen Timings. Hierauf wird
Bei einer Damen-Volleyballmannschaft auf mittle- besonderer Wert gelegt: Die Spielerinnen sollen
rem nationalem Niveau soll das taktische Verhalten festhalten, in Abhängigkeit von welchen situativen
im Team in Vorbereitung auf eine Turnierteilnahme Gegebenheiten sie mit welchen Bewegungsabläu-
optimiert werden. Hierzu wird Mentales Training fen starten. Bei einer erneuten Videodemonstration
eingesetzt. Ausgangspunkt sind ausgesuchte Spiel- hat jede Spielerin die Aufgabe, ihre Bewegungsbe-
züge, bei denen nach Ansicht der Trainerin das Ti- schreibung noch einmal zu überprüfen. In Einzel-
ming der Spielerinnen nicht gut aufeinander abge- gesprächen bespricht schließlich die Trainerin mit
stimmt ist. Zu diesem Zweck wird den Spielerinnen jeder einzelnen Athletin die jeweilige Bewegungs-
in einer Trainingseinheit das taktische Verhalten bei beschreibung.
einem dieser Spielzüge (z. B. Staffel mit Aufsteiger; Im praktischen Training wird dieser Spielzug
. Abb. 8.17) erklärt: zunächst per Taktiktafel, dann nun regelmäßig trainiert, wobei immer die Zuspie-
per Video (Demonstration dieses Spielzugs im Spiel lerin vor der Annahme des gegnerischen Aufschlags
eines professionellen Teams) und praktisch im Feld das vereinbarte Zeichen gibt, ob der Spielzug
(zuerst mit gestellten Positionen und ohne Ball). durchgeführt wird oder nicht. Nachdem der Ball
In einem nächsten Schritt schreibt jede Spie- durch die Annahme kontrolliert auf die Zuspielerin
lerin das optimale Verhalten für ihre in diesem gespielt wird, soll der Ablauf im Team ideal abge-
Angriff eingenommene Position auf. Dabei können stimmt auf die immer gleiche Art und Weise trai-
pro Spielerin auch mehrere Positionen in Betracht niert werden.
kommen, da die Trainerin diesen Angriff nicht nur Unterstützt wird dieses praktische Training
in einer festgelegten Aufstellung verfügbar haben durch ein entsprechend aufbereitetes Mentales
will. So verlangt sie von einer Spielerin, sich den Training. Die Spielerinnen sind aufgefordert, ihr
Spielzug nicht nur aus der Perspektive als Angrei- Bewegungsverhalten bei dem Spielzug regelmäßig
ferin von der Position 4 aufzuschreiben, sondern selbstständig für sich, außerhalb des praktischen
112 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

Trainings, mental zu trainieren. Außerdem wird der Roure et al. (1998) kamen zu dem Ergebnis,
Spielzug bei jedem Training ein- bis zweimal im dass das Vorstellen von Bewegungsfolgen im Vol-
Mannschaftsverbund mental trainiert. leyball die gleichen Reaktionen des autonomen
Dazu setzen oder legen sich die Spielerinnen Nervensystems hervorruft wie deren praktische
auf den Hallenboden und schließen die Augen. Das Ausführung. Zudem waren Leistungsverbesserun-
Signal zum gleichzeitigen Beginn des Mentalen Trai- gen (Genauigkeit des Spielzugs) ausschließlich für
nings ist ein deutlich hörbarer Aufschlag samt dem die mental trainierende Gruppe zu verzeichnen.
Geräusch der Ballannahme (von zwei Betreuern In einer Untersuchung von Velentzas, Hei-
praktisch durchgeführt). Im Mentalen Training soll nen und Schack (2011) konnte gezeigt werden,
mit diesem Auftaktgeräusch der individuelle innere dass sich Mentales Training im Vergleich zu einer
Film starten. Der in der jeweiligen Vorstellung er- Kontrollgruppe positiv auf die Präzision und Ge-
folgte oder beobachtete Angriffsschlag ist das Ende schwindigkeit des Volleyball-Aufschlags auswirkt.
des Mentalen Trainings. Die Spielerinnen signalisie- Eine positive Auswirkung auf die Bewegungs-
ren dieses Ende per Handzeichen. Für die Trainerin repräsentation wurde zudem festgestellt.
ist eine zunehmende zeitliche Übereinstimmung
der Handzeichen ein Indiz für ein sich verbessern- Zusammenfassung der Ergebnisse. Die Ergeb-
des Timing bei diesem Spielzug. nisse der Studien zum Einsatz des Mentalen Trai-
nings im Volleyball lassen sich folgendermaßen
8 Studien zusammenfassen:
In der Untersuchung von Shick (1970) wurde der 4 Anfänger im Volleyball zeigen einen bes-
Einfluss des Mentalen Trainings auf bestimmte seren Technikerwerb, wenn sie mental
technische Fertigkeiten im Volleyball untersucht. trainieren.
In einer ersten Studie wurde ein mentales Trai- 4 Sich Bewegungsfolgen im Volleyball vor-
ningsprogramm gegen die Kontrollbedingung zustellen ruft die gleichen Reaktionen des
(kein Training) geprüft. Die Probanden der Men- autonomen Nervensystems hervor wie deren
taltrainingsgruppe (hier Anfänger) verbesserten praktische Ausführung.
sich signifikant gegenüber der Kontrollgruppe. 4 Standardaufgaben wie z. B. der Volleyball-Auf-
Roure et al. (1998) untersuchten die Reaktionen schlag aber auch komplexere Bewegungsfolgen
des autonomen Nervensystems während ausgeführ- im Volleyball können durch Mentales Training
ter und vorgestellter Bewegungsfolgen im Volley- optimiert werden.
ball. Die Bewegungsfolgen waren einem Spielzug
vergleichbar, bei dem bestimmte Wenn-dann-Re- Cricket
geln einzuhalten waren. Die Probanden (24 Studie- Cricket ist weitestgehend mit Baseball zu ver-
rende) wurden zwei Gruppen zugeteilt: einer Kon- gleichen. Das Spiel ist in Innings unterteilt, in-
trollgruppe, die nicht trainierte, und einer Gruppe, nerhalb derer jeweils eine Mannschaft versucht,
die die Anforderung mental trainierte. Neben den durch erfolgreiche Runs möglichst viele Punkte
Reaktionen des autonomen Nervensystems wurde zu erzielen, während die andere versucht, genau
auch in einem praktischen Test der Erfolg des Spiel- dies zu verhindern. In Anbetracht der wichtigsten
zugs gemessen (Umsetzung der vorgegebenen Bewegungsabläufe lässt sich Cricket als Kombina-
Wenn-dann-Regeln). Das Mentale Training dauerte tion aus Schlag-, Wurf- und Laufspiel bezeichnen.
jeweils 30 Minuten und wurde dreimal wöchentlich Auch hier kann Mentales Training die Leistung
über zwei Monate durchgeführt. Im Mentalen Trai- verbessern.
ning wurde eine Tonbandaufzeichnung eingesetzt,
bei der auch das Geräusch des Volleyballaufschlags Studie
(Ausgangspunkt der vorzustellenden Bewegungs- Eine Studie von Thelwell und Maynard (2003) ging
folge) zu hören war. Die Probanden wurden aufge- der Frage nach, ob die Leistung im Cricket durch
fordert, sich die Bewegungsfolge unter Einbezug das Erlernen und den Einsatz verschiedener psy-
von Bewegungsgefühl intensiv vorzustellen. chologischer Trainingsverfahren, u. a. durch Men-
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
113 8
tales Training, verbessert werden kann. Neben dem Mentales Training durch und betonten, dass das
Mentalen Training, bei dem u. a. das eigene Ver- Mentale Training nicht nur zur Technikverbesse-
halten in Wettkampfsituationen mental trainiert rung, sondern insbesondere auch zur Antizipation
wurde, setzten die Autoren Verfahren zur leistungs- und Bewältigung kritischer Wettkampfsituationen
förderlichen Zielsetzung, Aktivationsregulation, eingesetzt wurde.
Selbstgesprächsregulation und Konzentrationstrai-
ning ein (Package-Approach). Sie überprüften die
Wirksamkeit des Trainingsprogramms hinsichtlich 8.3.7 Komplexitätsstufe 6: Bewegung
der Leistungsoptimierung, aber auch hinsichtlich + Variation + Gegner + Kontakt
der Kontinuität der Leistungsverbesserung (erho-
ben durch subjektive Kriterien wie eine Experten- In vielen Sportarten ist der Körperkontakt mit ei-
einschätzung und objektive Kriterien wie die Spiel- nem Gegner ein bestimmendes Merkmal. Daraus
statistiken). ergibt sich eine weitere Steigerung der Komplexität
– mit entsprechenden Anforderungen an das Men-
Ergebnisse. Hinsichtlich der objektiven Kriterien tale Training. Die in den Sportarten dieser Kom-
konnte eine Leistungsverbesserung der Experi- plexitätsstufe geforderten Bewegungsmuster vari-
mentalgruppe gegenüber der Kontrollgruppe ge- ieren insbesondere deswegen, weil ein Gegner den
zeigt werden, hinsichtlich der subjektiven Krite- Sportler beim optimalen Bewegungsablauf stören
rien war außerdem eine gesteigerte Kontinuität der kann bzw. will (. Abb. 8.18). In vielen Sportarten
Leistungsverbesserung in der Experimentalgruppe ist das Stören des Gegners ein erlaubtes Mittel, um
zu verzeichnen. den sportlichen Erfolg des Gegners zu minimie-
ren. Insbesondere in Kampfsportarten ist der Kon-
Zusammenschau takt mit dem Gegner sogar das Ziel: Es gilt, den
Die der Komplexitätsstufe 5 zugeordneten Sportar- Gegner möglichst gezielt und mit maximal mögli-
ten unterscheiden sich von den Sportarten niedri- cher Intensität zu treffen. Obwohl in allen als
gerer Komplexitätsstufen dadurch, dass zusätzlich Sportart bezeichneten Kampfkünsten strenge Re-
zu den Variationen im Bewegungsablauf sowie der geln gelten und Verstöße mit Sanktionen bestraft
indirekten Beeinflussung der sportlichen Hand- werden, wird dennoch die Verletzung des Gegners
lung durch den Gegner noch der Teamaspekt hin- häufig billigend in Kauf genommen (z. B. beim
zukommt. Jedoch ist keine direkte Einwirkung des Boxen).
Gegners im Sinne von Körperkontakt gegeben.
Zwar liegt eine vergleichsweise geringe Anzahl
an Untersuchungen zu Sportarten dieser Kategorie
vor, doch wird aus den daraus gewonnenen Er-
kenntnissen bereits deutlich, dass Mentales Trai-
ning – isoliert oder in Kombination mit weiteren
Trainingsformen (Package Approach) – einen po-
sitiven Einfluss auf die Leistung hat. Zumindest
wurde dies für relativ gleichbleibende Bewegungs-
abläufe wie beispielsweise den Aufschlag im Vol-
leyball nachgewiesen.
Es sei an dieser Stelle noch auf den Praxis-
bericht von Schmidt und Schleiffenbaum (2000)
über die sportpsychologische Betreuung der Vol- . Abb. 8.18 Die in den Sportarten der Komplexitätsstufe 6
geforderten Bewegungsmuster variieren nicht nur aufgrund
leyball-Damennationalmannschaft in Vorberei-
bestimmter situativer Parameter, sondern auch, weil ein Geg-
tung auf eine Europameisterschaft hingewiesen. ner den Sportler beim optimalen Bewegungsablauf stören
Auch Schmidt und Schleiffenbaum führten mit und behindern will, wie z. B. beim Boxen, © Vadim Blago-
einigen Spielerinnen ein individuell abgestimmtes darnyi/fotolia.com
114 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

Bezogen auf den Kampfsport, gilt sogar der lichst exakt zu simulieren. Das Mentale Training
Sieg durch Niederschlag oder Aufgabe des Geg- kann hier unterstützend wirken.
ners als besonders ruhmreich (Landa, 2004). Dies Gerade in den Kampfsportarten scheinen men-
trifft in besonderem Maße für Vollkontaktsport- tale Strategien zur Wettkampfeinstimmung wichtig
arten zu. Vollkontakt heißt, dass man zwar – je zu sein. Devonport (2006) stellte in einer Umfrage
nach Regelwerk – nur bestimmte Techniken aus- unter Kickboxern fest, dass Mentales Training zu
führen oder bestimmte Körperzonen treffen darf, den wichtigsten Strategien der Wettkampfvorbe-
die Schläge jedoch voll durchgezogen werden. Im reitung gehört.
Gegensatz zum Semi- oder Leichtkontakt ist dabei
der Knock-out des Gegners erlaubt und wird auch Karate
angestrebt. Karate ist ursprünglich eine waffenlose traditio-
Auch beim Kampfsport erleben viele Sport- nelle Kampftechnik aus dem asiatischen Raum,
ler die Kampfsituationen als »immer neu« und die vor allem Schlag-, Stoß-, Tritt- und Block-
»sich nicht wiederholend«. Dennoch treten auch techniken sowie Fußfeger beinhaltet. Da aufgrund
hier immer wiederkehrende Situationen auf, bei- der hohen Effektivität vieler Techniken eine hohe
spielsweise bestimmte typische Verhaltensweisen Verletzungsgefahr besteht, herrschen bei Karate
von Gegnern (z. B. im Boxen Linksausleger versus als Wettkampfsport sehr strenge Regeln, die den
Rechtsausleger), auf die sich die Sportler durch Schutz der Teilnehmer gewährleisten.
8 Mentales Training vorbereiten können. Möchte Weinberg et al. (1981) untersuchten, ob Men-
man auf dieser Komplexitätsstufe mental trainie- tales Training in Kombination mit Entspannungs-
ren, sind zweierlei Vorstellungen zu erarbeiten: training nach der VMBR-Methode von Suinn
4 die Bewegungsvorstellung für verschiedene (1972; 7 Kasten) zur Leistungsverbesserung im
Techniken und deren Kombination (z. B. die Karate wirkungsvoller ist als alleiniges Mentales
gegnerunabhängige individuelle Kampfkon- Training oder alleiniges Entspannungstraining.
zeption im Boxen) und Leistungsverbesserungen konnten beim Sparring
4 die Vorstellung einer an verschiedene Verhal- nachgewiesen werden. Höchste Effektivität zeigte
tensweisen des Gegners angepassten Technik die VMBR-Methode. Des Weiteren waren Effekte
(z. B. im Boxen das taktische Verhalten ge- hinsichtlich der im Wettkampf erlebten Angst zu
genüber einem Gegner mit deutlich größerer verzeichnen. Nach sechs Wochen konnte eine Ab-
Reichweite). nahme der Wettkampfangst in allen drei Interven-
tionsgruppen nachgewiesen werden.
Die isolierte Annahme eines typischen Gegner-
verhaltens ist auch hier nicht zielführend. Der
Sportler wird so nur auf einen Ausschnitt aus Die VMBR-Methode nach Suinn (1972)
dem möglichen Verhaltensrepertoire des Gegners Beim Visuo-Motor-Behavioral-Rehearsal (VMBR)
vorbereitet und ist dann unter Umständen in der nach Suinn (1972) handelt es sich um eine
Wettkampfsituation überrascht, unvorbereitet und Kombination aus Entspannungsverfahren und
vielleicht auch überfordert, um sich noch während Mentalem Training. Das VMBR ist aus drei Pha-
des Kampfes auf den Gegner einzustellen. sen aufgebaut:
So können Strategien, die bei einem bestimm- 4 Phase 1: Erzeugung eines Entspannungs-
ten Gegner nicht zum gewünschten Erfolg geführt zustands mithilfe von Progressiver Muskel-
haben, z. B. per Videostudium analysiert werden. relaxation nach Jacobson.
Anschließend kann ein entsprechendes alternati- 4 Phase 2: Möglichst intensive und lebhafte
ves Verhalten im praktischen wie auch Mentalen Vorstellung der sportspezifischen Bewegun-
Training aufgebaut werden. Wie bei Sportarten der gen.
Komplexitätsstufe 5 ist es auch hier im praktischen 4 Phase 3: Möglichst intensive und lebhafte
Training häufig sehr schwer, ein bestimmtes Geg- 6 Vorstellung der sportspezifischen Bewegun-
nerverhalten durch einen Sparringspartner mög-
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
115 8
Nach Erfahrungsberichten von Lane (2006) ist
gen, die sich jedoch in einer möglichst rea- das Mentale Training auch im Boxen ein effektives
listischen – möglicherweise bereits erlebten Mittel, um sowohl einzelne Techniken als auch
– Situation abspielen. Hier wird insbeson- komplexere Kampftaktiken zu trainieren. Nach
dere auch an stressreiche oder belastende Lane führt die mentale Vorbereitung insbesondere
Situationen gedacht. auch dazu, dass die Informationen, die der Coach
dem Athleten in den Rundenpausen gibt und die in
Entscheidendes Element bei der Anwendung extrem kurzer Zeit verarbeitet werden müssen, bes-
von VMBR ist der Transfer einer vorgestellten ser aufgenommen werden können (7 Beispiel 8.16).
Bewegung in ein konkretes situatives Setting.
Dadurch soll eine optimale Vorbereitung auf Beispiel 8.16: Individuelle Kampfkonzeption (IKK)
typische und/oder kritische Wettkampfsituati- beim Boxen
onen gelingen sowie eine optimale Fehlerana- Beim Boxen wird für jeden Boxer eine individuelle
lyse und -korrektur ermöglicht werden. Kampfkonzeption (IKK) entwickelt. Diese Kampf-
konzeption ist vergleichbar einer strategischen Aus-
richtung des Kampfes, um die individuellen Stärken
Die Effektivität einer individualisierten Kombi- optimal einzubringen. Die IKK ist aufgeteilt in eine
nation aus Entspannungstraining und Mentalem aktuelle Zustandsbeschreibung und eine gewünschte
Training (VMBR-Methode) hinsichtlich der Vari- Weiterentwicklung, die an Aufgaben gebunden ist.
ablen Leistung und Angst konnte von Seabourne Die IKK eines Boxers ist beispielsweise folgender-
et al. (1984) demonstriert werden. Hierbei wur- maßen aufgebaut:
den nicht nur einzelne technische Fertigkeiten 4 Strategisch-taktisches Grundverhalten
mental trainiert, sondern die Probanden wurden – Manöverboxer, soll von Beginn an kampfbe-
auch aufgefordert, ganze Sparringsrunden in der stimmend sein, Kampfführung beidhändig, mit
Vorstellung zu absolvieren. In der Experimental- variabler Führungshand.
gruppe war im Vergleich zur Kontrollgruppe eine 4 Angriffsvorbereitung
größere Abnahme von Wettkampfangst sowie ein – Stand: Angriffsvorbereitung durch Führungs-
höherer Anstieg der Leistung in allen drei ge- hand.
messenen Bereichen – Fertigkeiten, Fertigkeits- – Aufgaben: Führungshand variabel einsetzen,
kombinationen und Sparring – zu beobachten. auf bessere Schlagführung achten.
Entscheidend dabei war jedoch, dass die Athleten 4 Angriffsdurchführung
aus einer Reihe von vorgestellten Techniken aus- – Stand: Spezialaktion (Führungshand – Schlag-
wählen und diese individuell anpassen konnten. hand – Rückschritt – Schlaghand – Führungs-
Eine nach individuellen Ansprüchen gestaltete hand) kommt ungenau und zögernd.
Kombination aus Mentalem Training und Ent- – Aufgaben: Spezialaktion konsequent durch-
spannungstraining ist demnach eine wirksame führen.
Trainingsform, um die Leistung in der Sportart 4 Angriffsabschluss
Karate zu steigern. – Stand: Angriffsabschluss mit Doppeldeckung.
– Aufgaben: Angriffsabschluss mit Rückschritt –
Boxen Angriffsweiterführung.
Beim Boxen bekämpfen sich zwei Sportler nur
mit den Fäusten. Jegliche Benutzung eines ande- Der Boxer hat nun – insbesondere beim Sparring – die
ren Körperteils wird als Foul gewertet. Geboxt Aufgabe, diese Aufgaben zu trainieren und besonders
wird in Gewichtsklassen vom Papiergewicht (bis im Wettkampf seine IKK umzusetzen.
46 kg) bis zum Superschwergewicht (ab 91 kg). Beispiel: Ein Boxer hat die Schwierigkeit, dass er
Beim olympischen Amateurboxen wird ein Kampf im Kampf – insbesondere gegen vermeintlich schwä-
in vier Runden zu je 2 Minuten ausgetragen. Es chere Gegner – seine IKK vernachlässigt. Dies führt
entscheidet die Anzahl der Treffer. dazu, dass der Boxer relativ ungestüm und unkon-
116 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

trolliert den schnellen K.o. sucht und dadurch dem des Partners ein. Ihr Bein rutscht weit um seinen
Gegner die Möglichkeit zu Treffern bietet. Nicht selten Bauch herum, sodass der Fuß auf der anderen
gehen sicher geglaubte Siege noch verloren. Seite wieder herausschaut. Mit beiden Armen um-
Im Mentalen Training optimiert der Sportler sein greifen Sie von außen Arm und Oberschenkel des
Kampfverhalten auch bei vermeintlich schwächeren Partners. Jetzt tauchen Sie mit dem Kopf unter
Gegnern. In der Vorstellung soll die IKK bei bestimm- dem Partner Ihrem Fuß hinterher und rollen um
ten Situationen im Kampf gegen schwächere Gegner den Partner herum. Danach wird der Partner fest-
konsequent aufrechterhalten werden. Dabei werden gelegt und der Armhebel vollendet. (Im Judo wird
zum einen Videoaufzeichnungen von bestimmten der Partner, der im entscheidenden Moment aktiv
Kampfszenen der Vergangenheit mit dem Trainer ana- ist – hier: hebelt –, »Tori« genannt, sein Gegner
lysiert, bestimmte Verhaltensweisen optimiert und mit wird als »Uke« bezeichnet.)
Mentalem Training trainiert. Zum anderen wird die Be- 2. Bewegungsbeschreibung aus der Sportler-
wegungsvorstellung für bestimmte wiederkehrende perspektive
Kampfsituationen, wie z. B. den Angriffsabschluss, an Ich übersteige Ukes Rücken mit dem rechten
ausgewählte Gegner angepasst und regelmäßig men- Bein. Mit der rechten Hand umfasse ich Ukes
tal trainiert. Bein in Höhe des Oberschenkels. Die linke Hand
Das Mentale Training seiner IKK, angepasst an den umgreift Ukes Ärmel. Ich rolle über meine rechte
nächsten bevorstehenden Gegner, wird schließlich Schulter, versuche aber, unter Uke zu kommen.
8 wesentlicher Teil der unmittelbaren Wettkampfvorbe- Mit Schwung nehme ich Uke mit in die Rollbewe-
reitung für den Sportler. gung. Wenn ich auf den Rücken gerollt bin, ist Uke
über mir. Um ihn zu belasten, kommt mein linkes
Judo Bein über Ukes Kopf-Hals-Partie. Meine Beine
Judo ist eine japanische Zweikampfsportart. Ziel klemmen Ukes Arm ein. Ukes Arm wird von mei-
ist es, den Gegner durch Anwenden einer Tech- nen Händen gestreckt und fixiert. Mein Becken
nik mit Kraft und Schnelligkeit kontrolliert auf drückt nach oben, der Hebel wirkt.
den Rücken zu werfen. Der Kampf findet nicht 3. Handlung lernen und mit der Praxis abgleichen
ausschließlich im Stand statt, sondern geht auch 4. Knotenpunkte beschreiben
am Boden weiter. Hier gibt es prinzipiell zwei – Übersteigen des Uke.
weitere Möglichkeiten, einen Sieg zu erringen. – Arm und Bein ergreifen.
Wird der Gegner für 25 Sekunden auf dem Rü- – Tauchen/rollen mit Uke.
cken liegend am Boden festgehalten oder wird der – Überschwingen des Beines.
Gegner durch einen Armhebel oder Würgegriff – Ukes Arm lang machen.
zur Aufgabe gezwungen, ist der Kampf gewonnen. – Hebeln. Becken hochdrücken.
Wie 7 Beispiel 8.17 zeigt, kann Mentales Training 5. Knotenpunkte markieren
im Judo sinnvoll zum Technikerwerb verwendet – Übersteigen.
werden. – Zufassen.
– Tauchen.
Beispiel 8.17: Mentales Training zum Techniker- – Überschwingen.
werb im Judo – Lang machen.
Ein Beispiel zur Vermittlung der Technik »Tauchrolle« – Hebeln.
zum Juji-Gatame (Hebeltechnik) wurde von Eberspä-
cher und Mayer (2003, S. 262f.) nach einem modifi- Zusammenschau
zierten Stufenmodell (Eberspächer, 2001; 7 Kap. 4.1.1) Die Komplexitätsstufe 6, damit die zweithöchste
beschrieben: Komplexitätsstufe, umfasst Sportarten, deren An-
1. Bewegungsbeschreibung durch den Trainer forderungen an den Bewegungsablauf insofern
Der Partner befindet sich vor Ihnen in der hohen variieren, als dass nicht nur ein Gegner für das
Bankposition. Sie belasten ihn und steigen von Zustandekommen der sportlichen Handlung be-
hinten mit der Ferse zwischen Knie und Seite nötigt wird und auf diesen reagiert werden muss;
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
117 8
vielmehr besteht direkter Kontakt, also Körper-
kontakt zu einem Gegner, der den Sportler bei der
optimalen Bewegungsdurchführung stören will.
Zum Neulernen von Bewegungen liegen in
dieser Kategorie keine wissenschaftlichen Erkennt-
nisse vor. Größere Aufmerksamkeit hingegen
wurde dem Fortgeschrittenen- und Expertenbe-
reich geschenkt.
Die Wirksamkeitsnachweise sind durchaus po-
sitiv. Mentales Training scheint auch auf dieser
Komplexitätsstufe von Nutzen zu sein. Insbeson-
dere erweist sich die Kombination aus Mentalem
. Abb. 8.19 Bei Sportarten der siebten und höchsten Kom-
Training und Entspannungstraining (VMBR-Me- plexitätsstufe müssen neben einem gegnerischen Team, das
thode) als effektive Trainingsform. den Bewegungsablauf durch Körperkontakt stören und un-
Untersuchungen konnten zeigen, dass Menta- terbinden will, auch noch das eigene Team und das Verhalten
les Training nicht nur zur Optimierung einzelner der Teammitglieder berücksichtigt werden, wie z. B. beim
American Football, © Matthias Nast/fotolia.com
Techniken wirkungsvoll eingesetzt werden kann,
sondern auch positive Effekte beim Trainieren
komplexer Kampfhandlungen hat. Außerdem trägt
Mentales Training dazu bei die Wettkampfangst zu auch die Umsetzung komplexer Spielsysteme er-
verringern. wartet. Dabei ist es für eine optimale Leistungs-
erbringung nicht nur wesentlich, das Bewegungs-
verhalten des einzelnen Athleten, kombiniert mit
8.3.8 Komplexitätsstufe 7: dem optimalen Verhalten der anderen Teammit-
Bewegung + Variation + Gegner glieder, an mögliches Gegnerverhalten anzupassen
+ Kontakt + Team (7 Kap. 8.3.6), sondern auch adäquate Lösungen
für die Reaktion auf suboptimales oder gar feh-
Bei Sportarten der siebten und höchsten Komple- lerhaftes Verhalten des eigenen Teams verfügbar
xitätsstufe muss neben einem gegnerischen Team, zu haben.
das den Bewegungsablauf durch Körperkontakt Für den Einsatz des Mentalen Trainings bedeu-
stören und unterbinden will, auch das eigene Team tet dies, dass zum einen die Bewegungsvorstellung
und das Verhalten der Teammitglieder berück- für verschiedene Techniken und deren Kombina-
sichtigt werden (. Abb. 8.19). Die erforderlichen tion in Abstimmung auf die Mitspieler zu erar-
Bewegungsabläufe müssen beiten ist. Zum anderen sind Vorstellungen von
4 in verschiedenen Kombinationen verfügbar entsprechenden Reaktionen des Teams auf unter-
sein, schiedliches Gegnerverhalten, aber auch auf unter-
4 auf das eigene Team abgestimmt sein und schiedliches Verhalten des eigenen Teams aufzu-
4 flexibel variierbar sein, je nach taktischer Aus- bauen. Auch hier können Strategien, die bei einem
richtung des Gegners. bestimmten Gegner oder in bestimmten Situatio-
nen nicht zum gewünschten Erfolg geführt haben,
> Ziel des Trainings bei Sportarten der Komple-
umgestellt werden, um dann ein entsprechendes
xitätsstufe 7 ist, die Abstimmung der Team-
alternatives Verhalten im praktischen Training wie
mitglieder aufeinander zu optimieren und auf
auch im Mentalen Training aufzubauen.
gegnerisches Verhalten schnell, variabel und
Dennoch wurde der Einsatz des Mentalen Trai-
intern abgestimmt reagieren zu können.
nings in Spielsportarten, insbesondere zur Taktik-
So wird in vielen Spielsportarten (Fußball, Basket- optimierung, bisher nur sehr eingeschränkt unter-
ball, Handball, Hockey oder Eishockey) von den sucht, häufiger dagegen finden sich Studien und
Spielern neben Einzeltechniken auf hohem Niveau Berichte über den Einsatz des Mentalen Trainings
118 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

zur Optimierung von sportartspezifischen Einzel- Freiwurfleistung des betreffenden Spielers durch ein
techniken. Am häufigsten wurde die Anwendung psychologisches Trainingsprogramm erreicht wer-
des Mentalen Trainings bisher in der Sportart Bas- den, das u. a. aus Mentalem Training bestand. Beim
ketball untersucht. dreistufigen Vorgehen von Silva stand in einer ers-
ten Stufe die Identifikation spezieller individueller
Basketball Optimierungsansätze im Vordergrund. Der Sportler
Bei diesem Mannschaftsspiel versuchen zwei sollte die relevanten Bewegungen und Handlungs-
Mannschaften mit je fünf Mitgliedern, durch Tref- abläufe, die es zu optimieren galt, definieren und
fer in die auf dem Spielfeld gegenüber hängenden möglichst genau beschreiben, was er während dieser
Körbe möglichst erfolgreich zu punkten und damit Bewegungsabläufe fühlte und dachte und wie er die
das Spiel für sich zu entscheiden. Basketball wird situativen Umstände wahrnahm. In der nächsten
zwar als »körperloser« Sport bezeichnet, dies gilt Stufe, die Silva »kognitive Restrukturierungsphase«
aber im Wesentlichen nur für den Augenblick des nannte, wurden inadäquate Vorstellungsinhalte
Wurfs. Im Basketball wurde häufig der isolierte identifiziert und durch adäquate Inhalte ersetzt. Da-
Basketballfreiwurf als Gegenstand des Mentalen bei waren neben fehlerhaften oder unangemessenen
Trainings gewählt. Bewegungsvorstellungen auch ungünstige Denkin-
halte Gegenstand der Restrukturierung. Auf der
Studien dritten Stufe wurden die adäquaten Vorstellungsin-
8 Schon in den 1940er-Jahren verglichen Vandell et halte mit Schlagwörtern versehen und in mehreren
al. (1943) die Auswirkungen von Mentalem Trai- Abschnitten insgesamt 30 Minuten täglich mental
ning und von praktischem Training auf die Frei- trainiert. Trainingszeiten und Trainingsort wurden
wurfleistung im Basketball, allerdings bei Nicht- den Sportlern überlassen, sie sollten lediglich in
leistungssportlern. Sie kamen zu dem Ergebnis, einem Trainingstagebuch ihr Mentales Training do-
dass das Mentale Training beinahe genauso effek- kumentieren. Der Trainingsfortschritt sowie Inhalte
tiv war wie praktisches Training. des Mentalen Trainings wurden regelmäßig bespro-
Wie sich Mentales Training mit begleitender chen. Obwohl die Gesamtleistung der Mannschaft
Bewegungssimulation, Mentales Training ohne bezüglich Freiwürfen im gemessenen Zeitraum nur
begleitende Bewegungssimulation, praktisches um 2,7 % anstieg, konnte die Leistung des betreffen-
Training und eine Kombination des praktischen den Spielers um 21 % gesteigert werden.
Trainings mit den beiden Formen des Mentalen Anhand eines weiteren Einzelfalls untersuchte
Trainings auf die Freiwurfleistung von Spielern mit Silva (1982) die Wirkung des Trainingsprogramms
unterschiedlich langer Spielpraxis auswirken, un- auf die Anzahl der begangenen Fouls, die häufig zur
tersuchte Ziegler (1987). Bei den Spielern mit den Disqualifikation eines Spielers führen. Trotz länge-
geringsten Spielerfahrungen erwiesen sich Menta- rer Zeit im Spiel ging die Anzahl der Fouls von 4,3
les Training mit begleitender Bewegungssimula- auf 3,4 – also um fast ein Foul pro Spiel – zurück,
tion und die Kombination aus Mentalem Training während bei der gesamten Mannschaft lediglich ein
und praktischem Training als am erfolgreichsten. Rückgang von 0,2 Fouls zu verzeichnen war.
Hall und Erffmeyer (1983) konnten zeigen, Meyers et al. (1982) untersuchten die Wurf-
dass sich eine Kombination aus Entspannungstrai- leistung – sowohl Freiwürfe als auch Würfe aus
ning und Mentalem Training (VMBR-Methode) dem laufenden Spiel heraus – von zwei Spielern
auf die Freiwurfleistung im Basketball positiver (Positionen Center und Forward). Zunächst wurde
auswirkt als Entspannungstraining oder Mentales das Ausgangsniveau ermittelt, dann erhielten die
Training allein. Ähnliches berichten auch Wris- Spieler ein Trainingsprogramm, bestehend aus
berg und Anshel (1989), und auch die Studie von Mentalem Training, Entspannungstraining und
Lamirand und Rainey (1994) bestätigt dieses Er- Training der Selbstgesprächsregulation. Der Cen-
gebnis weitestgehend. ter-Spieler erhielt ein Programm zur Optimierung
Eine interessante Einzelfalldarstellung hierzu lie- der Freiwurfquote, der Forward ein Programm zur
fert Silva (1982). Hier konnte die Verbesserung der Optimierung der Quote der Würfe aus dem Feld.
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
119 8
Interessant an dieser Studie ist, dass die Proban- zweite Gruppe erhielt bestimmte praktische Routi-
den neben erfolgreichen Bewegungsabläufen auch neabläufe (z. B. Ball dreimal prellen) als Aufgabe,
kritische Situationen sowie das Bewältigen von die dritte Gruppe sollte Mentales Training als Rou-
Fehlern mental trainieren sollten. tineablauf durchführen. Vergleicht man alle drei
Die Veränderung der Wurfleistung wurde er- Gruppen miteinander, so war die Gruppe, die
fasst. Meyers et al. (1982) stellten fest, dass sich Mentales Training in die Routineabläufe integriert
die Wurfleistung durch eine solche Intervention hatte, am erfolgreichsten.
verbessern ließ. So verbesserte der Center seine Post et al. (2010) untersuchten die Wirkung von
Freiwurfquote im Spiel von 41 auf 55 %. Nach der Mentalem Training in der Spielvorbereitung einer
Intervention wurde der Spieler aufgefordert, das weiblichen Basketballmannschaft. Aufgrund einer
mentale Trainingsprogramm nicht weiter durch- unbefriedigenden Freiwurfquote von 58 % entwarf
zuführen, und die Leistung sank auf 29 %. Bemer- der Cotrainer ein Skript für ein 15-minütiges, vom
kenswert ist dieses Ergebnis, da der Prozentwert Trainer geleitetes Mentales Training, das mit der
für die Freiwurfquote im Training zu allen drei gesamten Mannschaft einmal wöchentlich nach den
Messzeitpunkten konstant deutlich über 70 % ge- Trainingseinheiten durchgeführt wurde. Außerdem
halten wurde, und auch die Quote der Würfe aus wurden die Spielerinnen aufgefordert, auch außer-
dem Feld blieb relativ stabil bei um die 50 %. halb dieser geleiteten Einheiten mental zu trainie-
Der Forward, der seine Würfe aus dem Feld ren. Anschließend wurde das Mentale Training auch
mental trainierte, verbesserte seine Quote von 37 wesentlicher Bestandteil der Spielvorbereitung. Die
auf 52 %. Bei ihm blieb die – nicht trainierte – Freiwurfquote verbesserte sich signifikant bei den
Freiwurfquote stabil bei 68 %. Insofern zeigt diese Spielen, bei denen Mentales Training in der Spiel-
Studie, dass das Mentale Training sehr spezifisch vorbereitung durchgeführt wurde (69,97 %).
aufzubauen ist und auch kontinuierlich beibehal- Bislang gibt es nur wenige Studien im Basket-
ten und trainiert werden muss. ball, die von Wirkungen des Mentalen Trainings
Zu ähnlichen Schlüssen kommt auch die Stu- über Einzeltechniken hinaus berichten. In feldori-
die von Savoy und Beitel (1996), der zufolge die entierten Einzelfallstudien (z. B. Savoy, 1997) wird
einmalige Implementierung des Mentalen Trai- dem Mentalen Training eine grundsätzliche Ak-
nings sogar als nutzlos eingestuft werden muss. zeptanz und Wirkung zugeschrieben. Auf welche
Eine kontinuierliche Weiterführung sei unabding- Art und Weise Mentales Training im Basketball
bar. Ihre Studie evaluierte den Effekt des Mentalen von Leistungssportlern eingesetzt wird, beschrei-
Trainings als ergänzende Maßnahme zum prakti- ben Madigan et al. (1992). Mit dem Ziel der Leis-
schen Training und untersuchte auch den Effekt tungsverbesserung wird Mentales Training sowohl
des späteren Aussetzens dieser ergänzenden Maß- zur Verbesserung bestimmter Fertigkeiten und zur
nahme: Der kurzfristige Einsatz eines Mentalen Unterstützung leistungsförderlicher Emotionen wie
Trainings erschien wenig wirkungsvoll: »Foul z. B. Zuversicht als auch zur Entwicklung bestimm-
shooting improved when the interventions were ter individualisierter Wettkampfstrategien genutzt.
employed across 35 games and there were negative Darüber hinaus gibt es auch Studien, die die
effects when interventions were removed« (Savoy Wirkung des Mentalen Trainings auf die taktische
& Beitel, 1996, S. 461). Leistung untersuchen. So evaluierte Savoy (1997)
Die Auswirkungen unterschiedlicher Routine- im Rahmen einer Einzelfallstudie an zwei leis-
abläufe auf die nachfolgende Leistung – hier: kurz tungsorientierten Basketballspielerinnen ein men-
vor Ausführung eines Freiwurfs – testeten Pre- tales Trainingsprogramm. Bei beiden Spielerinnen
debon und Docker (1992). Häufig ist Mentales verbesserten sich u. a. die Spielstatistik und die
Training ein wesentlicher Teil derartiger Routine- allgemeine Bewertung durch den Trainer.
abläufe. In dieser Untersuchung wurden 30 Bas- Wie sich eine Kombination aus Mentalem Trai-
ketballspieler (Leistungsniveau) drei Gruppen ran- ning, Entspannungstraining und Selbstgesprächs-
domisiert zugeteilt. Die erste Gruppe sollte keinen regulation (Package-Approach) auf die Leistung
Routineablauf vor dem Freiwurf durchführen. Die – speziell die Verteidigung betreffend – auswirkt,
120 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

überprüften Kendall et al. (1990). Sie stellten so- gulation im Basketball erbrachte sowohl eine
wohl eine Verbesserung der Verteidigungsleistung Verbesserung der Verteidigungsleistung als
als auch eine erhöhte Kontinuität in der Leistungs- auch eine erhöhte Kontinuität im Spiel.
erbringung im Rahmen eines Expertenratings fest. 4 Die Integration von Mentalem Training in
Dabei wurden taktische Aufgaben wie Zustellen das Taktiktraining führt zu ähnlich großen
des Laufwegs, Erzwingen von Fehlwürfen und Verbesserungen im taktischen Verhalten wie
Verhinderung von Zuspielen bewertet. praktisches Training allein.
In einer Untersuchung von Guillot et al. (2009)
wurde das Mentale Training zum taktischen Ler- Darüber hinaus ließen sich auch positive Wirkun-
nen bei zehn Basketballspielerinnen eingesetzt. gen des Mentalen Trainings auf die psychologi-
Drei taktische Aufgaben wurden gestellt. Die erste schen Leistungsaspekte wie Wettkampfangst und
wurde mental und praktisch im Wechsel trainiert, Selbstvertrauen nachweisen (Savoy, 1993, 1997;
die zweite wurde nur praktisch trainiert und die Shearer et al., 2009).
dritte wurde gar nicht trainiert. In der ersten und
zweiten Aufgabe konnten etwa gleich große Ver- Eishockey
besserungen der Spielerinnen festgestellt werden Eishockey wird zwischen zwei gegnerischen Mann-
(Selbstbeurteilung und Trainereinschätzung), bei schaften zu je fünf Spielern auf einer ca. 60 m lan-
der dritten Aufgabe ergaben sich erwartungsge- gen und 30 m breiten Eisfläche ausgetragen. Das
8 mäß keine Verbesserungen. Spielgerät, der Puck (Hartgummischeibe), muss
mithilfe des Schlägers in das Tor des Gegners
Zusammenfassung der Ergebnisse. Die wich- befördert werden. Eishockey gilt als sehr körperbe-
tigsten Ergebnisse der Studien zum Einsatz des tonte und schnelle Sportart.
Mentalen Trainings im Basketball lassen sich wie In der schon oben angesprochenen Studie von
folgt zusammenfassen: Silva (1982) wurde das gleiche dreistufige men-
4 Bei Nichtleistungssportlern ist das Mentale tale Trainingsprogramm auf seine Auswirkungen
Training zum Technikerwerb im Basketball auf die Wettkampfleistung eines Eishockeyspie-
(Freiwurf) beinahe genauso effektiv wie das lers untersucht. In dieser Einzelfallanalyse konnten
praktische Training. folgende Leistungsverbesserungen nachgewiesen
4 Bei den Spielern mit geringerer Spielerfahrung werden: Die Strafzeit des betreffenden Spielers
scheinen Mentales Training mit begleitender verkürzte sich, und die auf dem Eis verbrachte
Bewegungssimulation und die Kombination Zeit verlängerte sich. Außerdem waren – mögli-
aus Mentalem Training und praktischem Trai- cherweise aufgrund der verlängerten Zeit auf dem
ning am erfolgreichsten zu sein. Eis – weitere Leistungsverbesserungen hinsichtlich
4 Eine Kombination aus Entspannungstraining der Spielstatistik (Tore und Assists) zu verzeichnen
und Mentalem Training (VMBR-Methode) (7 Beispiel 8.18).
wirkt sich positiver auf die Freiwurfleistung Hallman und Munroe-Chandler (2009) unter-
im Basketball aus als Entspannungstraining suchten, ob Mentales Training von Spielern auf
oder Mentales Training allein. verschiedenen Positionen (Tor, Verteidigung, An-
4 Mentales Training muss im Rahmen des Tech- griff) unterschiedlich intensiv genutzt wird. Dazu
niktrainings im Basketball kontinuierlich bei- wurden 258 Eishockeyspieler befragt. Ergebnis:
behalten werden, um effektiv zu sein. Der nur Torhüter nutzen das Mentale Training signifikant
kurzfristige Einsatz eines Mentalen Trainings häufiger als Feldspieler.
erscheint wenig wirkungsvoll.
4 Mentales Training kann auch in der unmittel- Beispiel 8.18: Erarbeitung eines neuen
baren Spielvorbereitung erfolgreich eingesetzt Spielsystems im Eishockey
werden. In der Vorbereitung eines Eishockeyteams soll ein
4 Die Kombination aus Mentalem Training, neues Spielsystem eingeführt werden. Es soll ein
Entspannungstraining und Selbstgesprächsre- schnelles und attraktives System gespielt werden, bei
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
121 8
dem viele Spieler neue Aufgaben übernehmen sol- Spieler zu verdeutlichen, dass es nicht ausreicht,
len. Zudem erhalten sie taktische Vorgaben, die zum nur zu wissen, was er selbst in den einzelnen
Teil bisher noch nicht von ihnen gefordert waren. Spielsituationen durchzuführen hat. Er muss
Man überlegt, ob hier mit Mentalem Training vielmehr genauso wissen, wo auf dem Eis wel-
die Lernzeit optimiert werden kann und wie am cher Mitspieler in dieser Situation welche Auf-
besten vorgegangen werden soll. Konzipiert wird gaben übernimmt. Damit soll auch das gegen-
das folgende mehrstufige Vorgehen: seitige Coaching auf dem Eis verbessert werden.
1. Skizzierung der Spieltaktik am Taktikboard 5. Integration von unterschiedlichem Gegner-
In einem ersten Schritt wird – wie auch bisher verhalten in die individualisierte Taktikvor-
üblich – das gewünschte taktische Verhalten der gabe
Mannschaft auf dem Taktikboard demonstriert. Die Vorstellung des jeweiligen taktischen Ver-
Dieses Taktikboard zeigt aus der Vogelperspektive haltens und des Verhaltens der Teammitglieder
die taktische Anforderung an die einzelne Posi- wird jetzt noch an das jeweilige Gegnerverhalten
tion und das Zusammenspiel der Mannschaft. angepasst. Wurde bei den vorherigen Stufen das
2. Animation der Darstellung mittels entspre- Gegnerverhalten noch völlig ausgeblendet (Stufe
chender Software 1 + 2) bzw. ein zu erwartendes Standardverhal-
Moderne Software zur Optimierung der Tak- ten angenommen (Stufe 3 + 4), wird jetzt auch
tikvorgaben in Spielsportarten ermöglicht es, ein eher außergewöhnliches Gegnerverhalten
Dynamik und Timing der Taktik zu animieren. einbezogen. Außerdem ist das Verhalten ganz
Insbesondere die Schnelligkeit des neu zu bestimmter Mannschaften mit exponierten Spie-
erlernenden Spielsystems bringt erhebliche lerpersönlichkeiten oder Teameigenschaften zu
Anforderungen an das Timing mit sich. Durch berücksichtigen.
die animierte Darstellung soll eine bessere Vor- 6. Mentales Training verschiedener Spiel-
stellung dieser wesentlichen Timingprozesse situationen unter Annahme verschiedenen
erreicht werden. Gegnerverhaltens
3. Individualisierung der taktischen Vorgabe In einem letzten Schritt sind die Spieler auf-
Im nächsten Schritt wird die bisherige Darstel- gefordert, sich eigeninitiativ, außerhalb der
lung der Vogelperspektive aufgegeben und der Trainingszeiten, möglichst täglich verschiedene
Spielzug mit dem jeweiligen Sportler aus sei- Konstellationen des neuen Spielsystems vor-
ner Perspektive auf dem Eis besprochen (auch zustellen. Dabei wird die Durchführung durch
hier kann heute entsprechender Software be- regelmäßiges Nachfragen, welche Inhalte in
hilflich sein (z. B. Tactic3d)). Hierbei sind Fragen welchen Konstellationen trainiert wurden, kon-
wie z. B. »Wann genau startest Du in diese Lü- trolliert (ggf. lässt sich an dieser Stelle auch ein
cke?« hilfreich. Diese Besprechungen erfolgten Trainingstagebuch einführen, in dem die men-
in Kleingruppen (nach Blöcken), sodass auch talen Trainingseinheiten dokumentiert werden).
die anderen Teammitglieder die Informationen
über das individualisierte Verhalten des einzel- Feldhockey
nen Spielers mitbekommen. Ein Team beim Feldhockey besteht genau wie beim
4. Integration des taktischen Verhaltens Fußball aus zehn Feldspielern und einem Torwart.
der verschiedenen Teammitglieder in die Die taktischen Varianten und Aufstellungsarten
individualisierte Taktikvorgabe beider Sportarten sind jedoch deutlich verschie-
Um nicht nur das eigene Verhalten aus der Ich- den. Hockey ist eine sehr athletische Sportart, bei
Perspektive zu trainieren, sondern ebenso die der die Spieler lange Laufwege zurücklegen müs-
Taktikvorgaben der anderen Spieler zu kennen, sen. Gleichzeitig handelt es sich um ein komplexes
wird deren Verhalten in die Vorstellung inte- Spielsystem. Taktisches Verständnis und die Be-
griert. Hierbei helfen Fragen wie z. B. »Was macht herrschung von zum Teil koordinativ anspruchs-
der Verteidiger, wenn Du im Powerplay vor das vollen Bewegungen sind eine wichtige Grundlage
Tor ziehst?« Das Ziel ist hierbei, dem einzelnen für erfolgreiches Hockey.
122 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

Studie funktionierendes und abgestimmtes Zusammen-


Im Feldhockey liegt eine Studie zum Einsatz des spiel der Teammitglieder.
Mentalen Trainings bei Anfängern vor: Smith et Wie wird Mentales Training unter professio-
al. (2001) testeten die Wirkungen inhaltlich un- nellen Football-Spielern eingesetzt? Kirkby (1991)
terschiedlicher Bewegungsbeschreibungen oder ging u. a. dieser Frage nach und stellte neben einer
Handlungsskripte beim Mentalen Training auf die insgesamt positiven Einstellung der Spieler zum
Leistung, hier: der Siebenmeter im Hockey. Die sportpsychologischen Training fest, dass Menta-
Versuchspersonen wurden in drei Gruppen einge- les Training vor und während eines Spiels von
teilt: die Kontrollgruppe, die weder praktisch noch den meisten der befragten Spieler insbesondere für
mental trainierte, und zwei Gruppen, die mental drei Bereiche eingesetzt wurde:
trainierten. Die eine mental trainierende Gruppe 4 Tackling (18,4 %),
erstellte eine Bewegungsbeschreibung, die ledig- 4 Marking (18,4 %) und
lich visuelle Informationen zu der vorzustellenden 4 Kicking (13,2 %).
Bewegung enthielt, die andere mental trainierende
Gruppe erstellte eine Bewegungsbeschreibung, die Wie sich die Implementierung von Mentalem Trai-
zusätzlich zur visuellen Information auch Informa- ning während einer Saison auf die Leistung einer
tionen zu Bewegungsgefühl und Körperreaktionen gesamten Mannschaft auswirkt, beschreiben Fen-
enthielt. ker und Lambiotte (1987). Dabei war nicht nur die
8 Die Bewegungsbeschreibungen waren Grund- gezeigte Leistung von Interesse, sondern auch der
lage für das Mentale Training, das von den Sport- psychophysische Zustand vor der Leistungserbrin-
lern selbstständig über sieben Wochen dreimal gung (Readiness). Gerade im Football wird die-
wöchentlich durchgeführt werden sollte. Die men- ser Komponente, die man auch als »Bereitschaft«
talen Trainingseinheiten wurden in einem Trai- bezeichnen kann, ein deutlicher Einfluss auf die
ningstagebuch festgehalten. Aktion und Konstanz der Leistungserbringung im
Spiel zugeschrieben.
Ergebnisse. Die Untersuchung zeigte, dass die Bemerkenswert ist hier, dass als ein wesentli-
Gruppe, die die Bewegungsbeschreibung mit zu- cher Bestandteil des täglichen Trainings eine 10-
sätzlichen Informationen zu Bewegungsgefühl und minütige mentale Trainingseinheit mit der gesam-
Körperreaktionen erstellte, hinsichtlich des Penalty ten Mannschaft durchgeführt wurde, bei der nach
Flick besser abschnitt als die Gruppe, die lediglich einer 2-minütigen Entspannungseinheit die zuvor
über visuelle Informationen verfügte. Letztere wie- absolvierten Trainingsinhalte auch in der Vorstel-
derum zeigte bessere Leistungen als die Kontroll- lung mental trainiert wurden. Der Erfolg der Maß-
gruppe. nahme wird von den Autoren folgendermaßen
beschrieben: »The program used imagery training
American Football techniques in conjunction with a process-oriented
American Football ist geprägt von taktischen und approach to performance to help the team achieve
physischen Elementen. Jeder Spieler hat eine be- its best record in 20 years« (Fenker & Lambiotte,
stimmte Position und eine ganz bestimmte Auf- 1987, S. 224).
gabe. So sind in aller Regel die Offensive und die De Witts (1980) Interesse galt der Frage, ob
Defensive völlig unterschiedlich besetzt. Dabei ist durch Mentales Training, kombiniert mit Biofeed-
immer der Einsatz von elf Spielern gleichzeitig back, bei stark gestressten Spielern Stressreaktio-
erlaubt. Punkte können erzielt werden, wenn der nen reduziert und die im Spiel gezeigte Leistung
Football mittels eines Lauf- oder eines Passspiel- verbessert werden können. Die Wirksamkeit die-
zugs in die gegnerische Endzone getragen oder ser Maßnahme konnte weitestgehend belegt wer-
dort gefangen bzw. ein Field Goal erzielt wird. den: Die gemessene Muskelspannung reduzierte
Aufgrund der sehr unterschiedlichen Anforderun- sich deutlich, und laut der subjektiven Beurteilung
gen und des hohen Spezialisierungsgrades der ver- durch die Trainer zeigten vier der sechs Spieler im
schiedenen Positionen erfordert Football ein gut Spiel verbesserte Leistungen.
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
123 8
Fußball
Fußball ist eine Mannschaftssportart, bei der der zielle individuelle Fehler- bzw. Störquellen
Ball mit Fuß und Kopf gespielt werden darf. Eine hinsichtlich Position, Laufweg oder Timing
Ausnahme stellt der Torwart dar, der innerhalb frühzeitig geklärt werden.
des eigenen Strafraums auch die Hände benutzen 3. Selbstgespräch: Jeder Spieler geht seine
darf. Die elf Spieler eines Teams versuchen dabei, Selbstinstruktion so oft per Selbstgespräch
den Ball ins gegnerische Tor zu schießen und durch, bis sie fehlerfrei abgerufen werden
Gleiches auf ihrer Seite zu verhindern. Grundlage kann.
für den Erfolg einer Fußballmannschaft ist eine 4. Knotenpunkte: Der Spieler identifiziert
Kombination aus körperlicher Fitness, individu- die Knotenpunkte für die Stellen des Bewe-
ellen Fähigkeiten und Technik und nicht zuletzt gungsablaufs, die für ihn individuell rele-
einer effektiven Mannschaftstaktik. vant sind.
Auf welche Art und Weise Fußballspieler un- 5. Symbolische Markierung: Der Spieler
terschiedlichen Leistungsniveaus Mentales Trai- entwickelt Kurzformeln oder Schlagwörter
ning nutzen, untersuchten Salmon et al. (1994). für die Knotenpunkte, die dem tatsächli-
Demnach nutzen Fußballspieler Mentales Training chen Timing der Bewegung angepasst sind.
häufiger im Wettkampf als im Training und jeweils
eher davor als danach. Eliteathleten machen im
Vergleich zu Nichteliteathleten insgesamt häufiger Das Mentale Mannschaftstraining wurde mittels
Gebrauch von Mentalem Training. einer Bewertung der Spieler, des Trainers und von
Eberspächer und Immenroth (1998) beschreiben Fußballinstruktoren evaluiert. Alle Beteiligten
ein fünfschrittiges Mentales Mannschaftstraining im schätzten dabei die Relevanz des Mentalen Mann-
Fußball (7 Kasten). Hierbei wurden eine Eckstoßva- schaftstrainings als Methode zur Verbesserung
riante (. Abb. 8.20) und ein Spielzug für das Mentale taktischer Fertigkeiten einer Fußballmannschaft
Mannschaftstraining erarbeitet. In der praktischen als außerordentlich hoch ein. Kritisch wird von
Durchführung erfolgte nach Schritt 1–3 eine prak- den Autoren angemerkt, dass noch kein Gegner-
tische Realisation. Danach wurden die Schritte 2–3 verhalten einbezogen war und das Mentale Mann-
wiederholt. Nach einer zweiten praktischen Realisa- schaftstraining hier eher zur Lernoptimierung ein-
tion erfolgten die Schritte 4–5. Abschluss des insge- gesetzt wurde. Mit dem Effekt der Leistungsopti-
samt ca. zweistündigen Trainings stellte eine letzte mierung sollte das Training noch wettkampfnäher
praktische Realisierung der Spielzüge dar. gestaltet werden (7 Beispiel 8.19).

Beispiel 8.19: Aufarbeitung taktischen


Mentales Mannschaftstraining nach Fehlverhaltens im Fußball
Eberspächer und Immenroth (1998) Eine Fußballmannschaft verliert ein Pflichtspiel auf-
1. Instruktion: Die zu trainierende Aufga- grund zweier eklatanter taktischer Fehler. Das Fehl-
benstellung muss an die Mannschaft über- verhalten kann dabei nicht einem Spieler allein vor-
mittelt werden. Hierzu nutzt der Trainer die geworfen werden, sondern die gesamte Viererkette
üblichen Übersichtsdiagramme am Taktik- hat das erwünschte taktische Verhalten nicht gezeigt.
board (. Abb. 8.20). In der Aufbereitung dieses Fehlers werden den
2. Selbstinstruktion: Der einzelne Mann- Spielern per Videoaufzeichnung die Stellungsfehler
schaftsspieler spiegelt die Instruktion aus verdeutlicht, und im Gespräch Trainer–Kleingruppe
der individuellen Perspektive, d. h., er stellt (Viererkette) wird das optimale taktische Verhalten
sich seinen konkreten Bewegungsablauf erarbeitet. Dabei werden die individuellen Aufga-
innerhalb der kollektiven Aufgabenstellung ben jedes Einzelnen geklärt, aber auch die Aufga-
vor und erarbeitet eine schriftliche Selbst- ben der Viererkette. Gerade beim Stellungsspiel der
6 instruktion. Auf diese Weise können poten- Abwehr soll das gegenseitige Coachen derartige
Fehler vermeiden helfen.
124 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

xB xC xA

xC1 xA1

X X X
Ablauf: Timing:
D E F C löst sich auf C1, wenn A anläuft
A spielt Eckstoß auf C1
B irritiert den Torwart D läuft, wenn A Ball berührt
C1 verlängert rückwärts E u. F laufen, wenn Ball zw. A u. C1
D, E oder F schließen ab A läuft nach dem Eckstoß auf A1
Laufwege:

. Abb. 8.20 Mentales Mannschaftstraining – Eckstoßvariante (nach Eberspächer & Immenroth, 1998)

Die Spieler werden nun aufgefordert, sich das sen sowie einem abschließenden Schuss auf einen
letzte Spiel in Erinnerung zu rufen, sich aber dabei definierten Zielbereich zusammen. Fehler in den
das eigene optimale Verhalten und das der Team- jeweiligen Aufgabenstellungen wurden durch Zeit-
mitglieder vorzustellen. In einem weiteren Schritt strafen bestraft. Die Experimentalgruppe trainierte
stellen sie sich Modifikationen des Mitspielerver- den Parcours mental, die Kontrollgruppe trainierte
haltens, das gegenseitige Coaching und weiteres den Parcours überhaupt nicht.
unterstützendes oder helfendes Verhalten vor. Das Mentale Training wurde über sechs Wo-
Die Spieler bekommen die Aufgabe, das Men- chen zweimal wöchentlich jeweils 15 Minuten
tale Training bis zum nächsten Pflichtspiel täglich durchgeführt. Dabei wurde auf drei verschiedene
zweimal unter wechselnden situativen Bedingun- Arten mental trainiert:
gen ablaufen zu lassen. 4 Beobachterperspektive und visuelle Moda-
lität,
Studien 4 Innenperspektive und visuelle Modalität,
Sowohl Novizen als auch erfahrene Fußballspieler 4 Innenperspektive und kinästhetische Modalität.
standen im Mittelpunkt des Interesses von Blair
et al. (1993). Untersucht wurde die Wirkung des Während keine bedeutsamen Effekte hinsichtlich
Mentalen Trainings auf die Leistung (Genauigkeit der Genauigkeit der Leistung nachzuweisen wa-
und Schnelligkeit) bei einem sportartspezifischen ren, verbesserten sich sowohl Novizen als auch
und spieltypischen Aufgabenparcours. Dieser Par- erfahrene Spieler der Experimentalgruppe hin-
cours setzte sich aus einer Kombination von Dribb- sichtlich der Schnelligkeit gegenüber der Kont-
lings mit Hindernissen, Laufwegen ohne Ball, Päs- rollgruppe. Blair et al. (1993) betonen, dass Men-
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
125 8
tales Training bei fußballspezifischen Aufgaben Dropkicks (3 Punkte) und Straftritte (3 Punkte)
wirksam und im Fußball auf jedem Leistungsni- mehr Punkte zu erzielen als der Gegner. Dazu darf
veau einsetzbar ist. der Ball (Rugby-Ei) nur nach hinten geworfen oder
Wie sich ein auf Mittelfeldspieler zugeschnit- übergeben werden, Treten des Balles hingegen ist auf
tenes mentales Trainingsprogramm auf die posi- dem Spielfeld in alle Richtungen erlaubt.
tionsspezifische Leistung im Fußball auswirkt, un- Inwiefern die Anwendung des Mentalen Trai-
tersuchten Thelwell et al. (2006). Beim Mentalen nings im Vergleich zu praktischem Training hin-
Training wurden Grundfertigkeiten (Passan- sichtlich des Tacklings, des Tiefhaltens – der Spiel-
nahme, Passabgabe und Tackling in verschiedenen technik zum Aufhalten des Gegners – im Rugby
Situationen) erarbeitet und mental trainiert. Dabei sinnvoll ist, wurde von McKenzie und Howe (1991)
wurden auch kritische Situationen berücksichtigt, untersucht. Alles in allem zeigte sich, dass eine
z. B. Verhalten nach Fehlpass etc. Kombination aus Mentalem Training und prakti-
Die Untersuchung wurde an fünf Mittelfeld- schem Training am effektivsten war. Größte Erfolgs-
spielern (Leistungsklasse) durchgeführt. Zumin- raten waren für die Tight Five, die Stürmergruppe,
dest geringe Verbesserungen waren bezüglich aller und für Spieler unter 20 Jahren zu verzeichnen.
Variablen der positionsspezifischen Leistung zu
beobachten. Insbesondere der Einsatz des Menta- Zusammenschau
len Trainings bei Jugendlichen und Kindern im Sportarten, die der siebten und höchsten Kom-
Fußball wurde in den letzten Jahren untersucht plexitätsstufe angehören, beinhalten neben den
(vgl. Veraksa & Gorovaya, 2011; Munroe-Chandler bereits für die vorhergehenden Komplexitätsstu-
et al., 2012). Bemerkenswert ist hier die Erkenntnis, fen genannten Anforderungen – Variation im
dass gerade Kinder (7-8 Jahre) in beiden Studien Bewegungsablauf und das Vorhandensein eines
am meisten vom Mentalen Training profitieren. Gegners – den direkten Kontakt zum Gegner. Im
Ein Hinweis darauf, schon frühzeitig (im Grundla- Unterschied zur Komplexitätsstufe 6 sind die der
genbereich) mit sportpsychologischem Training zu Komplexitätsstufe 7 zugeordneten Sportarten au-
beginnen (vgl. auch Mayer & Hermann, 2014). ßerdem Mannschaftssportarten, hier kommt also
der Teamaspekt hinzu.
Zusammenfassung der Ergebnisse. Die Ergeb- Auch bei dieser Sportartengruppe ist die An-
nisse der genannten Studien lassen sich wie folgt wendung des Mentalen Trainings sinnvoll. Sowohl
zusammenfassen: zum Neulernen im Anfängerbereich als auch zur
4 Im Fußball machen Eliteathleten im Vergleich Leistungsoptimierung im Fortgeschrittenen- und
zu Nichteliteathleten häufiger Gebrauch von Expertenbereich liegen entsprechende Erkennt-
Mentalem Training. nisse vor.
4 Beim Mentalen Training eines fußballspezi- Mentales Training kann von anderen Trainings-
fischen Aufgabenparcours zeigten sich keine formen isoliert, aber auch in Kombination mit diesen
bedeutsamen Effekte hinsichtlich der Genau- wirksam sein (hier hat sich besonders die Kombina-
igkeit. Die Schnelligkeit verbesserte sich hin- tion aus Mentalem Training mit Entspannungstrai-
gegen bei unerfahreneren wie bei erfahrenen ning und dem Training der Selbstgesprächsregula-
Spielern. tion bewährt). Vor allem Standardsituationen wie
4 Mentales Training kann die positionsspezifi- die des Freiwurfs im Basketball lassen sich durch
sche Leistung im Fußball optimieren. Mentales Training, isoliert oder in Kombination
4 Bereits im Grundlagenbereich kann sinnvoll mit weiteren sportpsychologischen Trainingsfor-
mit Mentalem Training begonnen werden. men, verbessern. Weiterhin sind Leistungsverbes-
serungen hinsichtlich der Reduktion von Fouls, des
Rugby technischen und des taktischen Verhaltens und der
Beim Rugby stehen sich zwei Mannschaften mit je Gesamtspielleistung zu verzeichnen.
15 Spielern gegenüber. Ziel ist, während der Spielzeit Bisher liegen aber nur sehr wenige Befunde zur
durch Versuche (5 Punkte), Erhöhungen (2 Punkte), Optimierung der taktischen Lernleistung im sport-
126 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

spezifischen Setting vor. Es soll daher an dieser


Stelle noch auf eine weitere Studie hingewiesen
werden, die das Mentale Training sportartübergrei-
fend im Kontext des taktischen Lernens untersucht.

Studie: Mentales Training zum taktischen


Umlernen
In der Studie von Memmert et al. (2009; auch
Mayer et al., 2006) war das taktische Umlernen,
wie es von Auswahlspielern gefordert ist, Gegen-
stand der Untersuchung.
In vielen Spielsportarten (Fußball, Basketball,
Handball, Hockey und Eishockey) wird von den
Spielern neben der Beherrschung von Einzeltech-
niken auf hohem Niveau auch die Umsetzung
komplexer Spielsysteme erwartet. Gerade bei der
Umstellung derartiger Spielsysteme – oder beim . Abb. 8.21 TicTacToe: Zwei Spieler setzen abwechselnd ihr
Übergang von der Vereins- in eine Auswahlmann- Symbol in ein Spielfeld. Gewonnen hat der Spieler, der zuerst
8 schaft – verlangt der Trainer vom Spieler, sich in drei Felder pro Zeile oder Spalte oder eine Diagonale mit sei-
kürzester Zeit auf das neue bzw. andere Taktikkon- nen Symbolen besetzt hat

zept einzustellen. Insbesondere Auswahltrainer


berichten aus der Praxis, dass dies teilweise nicht
zufriedenstellend gelingt, dass dieser Prozess viel- Die Autoren begründen, warum dieses alte Stra-
mehr relativ lange dauert. So kann die Mannschaft tegiespiel dazu geeignet ist, einfache taktisch-stra-
in den ersten Lehrgangstagen unter Umständen tegische Lernstrategien zu evaluieren, die auch eine
kaum an das taktische Niveau der letzten Lehr- gewisse Affinität zum taktischen Entscheidungs-
gänge anknüpfen. Die Lehrgangsmaßnahmen sind handeln im Sportspiel haben: Besonders die eindeu-
deshalb nicht immer so effektiv wie gewünscht tige Sieg-Niederlage-Struktur des Spiels, verbunden
und erwartet. mit der Aufgabe, eigene Angriffe einzuleiten und
Sportspieler, die gleichzeitig in einer Vereins- Angriffe des Gegners abzuwehren, und die auch
mannschaft und in einer Auswahlmannschaft ein- in vielen Sportarten bedeutsame Komponente des
gesetzt werden, müssen sich oftmals innerhalb kür- Zeitdrucks (Raab, 2003) sprechen, so die Autoren,
zester Zeit an unterschiedliche Taktikvorgaben der für eine weitestgehend vergleichbare Anforderung.
verschiedenen Trainer anpassen. Memmert et al. Im Gegensatz zum traditionellen 3×3-Feld
(2009) stellten die Frage, inwieweit Mentales Trai- spielten die Teilnehmer auf einem 4×4-Feld ge-
ning eine effektive und effiziente Trainingsstrategie gen einen Computer, weil so komplexere Spielsi-
für dieses kurzfristige taktische Umlernen darstellt. tuationen und damit auch entsprechende Taktik-
Dabei wurde der Einfluss von vier Trainingsinter- entscheidungen möglich sind. Gewonnen hat der
ventionen (Gruppe 1: praktisch, Gruppe 2: mental, Spieler, der zuerst drei Felder pro Zeile, pro Spalte
Gruppe 3: praktisch-mental kombiniert, Gruppe 4: oder eine Diagonale mit seinen Figuren besetzt
Kontrollgruppe) auf Entscheidungsrichtigkeit und hat. Dabei mussten die Teilnehmer immer den ers-
-zeit bei einem taktisch-strategischen Umlernpro- ten Zug links oben (Feld 1, . Abb. 8.21) ausführen.
zess untersucht. Um Zeitdruck zu simulieren, betrug die maximale
Eigenwillig an dieser Studie ist, dass diese Entscheidungszeit pro Zug lediglich 5 Sekunden.
Frage nicht an konkreten Spielsportmannschaften Bei der Umlernbedingung mussten die Teil-
untersucht wurde. Stattdessen wurde das Com- nehmer ebenfalls immer beginnen, aber den ers-
puterspiel TicTacToe als Diagnostik-, Lern- und ten Zug rechts unten (Feld 16) ausführen. Alle
Umlerninstrumentarium eingesetzt (. Abb. 8.21). Probanden erhielten die Instruktion, dass sie das
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
127 8
Instruktion: Instruktion:

Setzt der PC
seinen ersten
Kreis in ein
Außenfeld, das
nicht direkt
neben deinem
X rechts
unten liegt...

a b
Instruktion: Instruktion:

Antworte mit dem Antworte mit dem


Außenfeld, welches Außenfeld, welches
direkt neben direkt neben
deinem ersten X deinem ersten X
liegt, aber weiter liegt, aber weiter
vom Kreis entfernt vom Kreis entfernt
liegt als das liegt als das
andere andere
angrenzende angrenzende
Außenfeld. Außenfeld.
c d
Instruktion: Instruktion:

Spiele danach die Spiele danach die


rechts unten rechts unten
angrenzende angrenzende
Diagonale Diagonale
im Innenfeld. im Innenfeld.

e f
. Abb. 8.22 TicTacToe: Instruktion zum Mentalen Training

Spiel TicTacToe so erfolgreich und so schnell wie das Strategiespiel erlernt werden. Die vier Grup-
möglich bewältigen sollten. Erfasst wurde die Ent- pen bekamen unterschiedliche Interventionen. Die
scheidungsqualität durch den Spielerfolg sowie die Gesamtdauer jeder der vier Interventionen betrug
durchschnittliche Entscheidungszeit pro Spiel. exakt 40 Minuten.
In einer ersten sogenannten Lernphase (Lern- Die praktisch übende Gruppe hatte erneut
bedingung: Start Feld 1) wurden von den Proban- 160 Einzelspiele in der Umlernbedingung (Start
den 160 Einzelspiele TicTacToe gegen einen Com- Feld 16) zu absolvieren. Der mental übenden
puter gespielt. Diese Phase sollte allen Teilnehmern Gruppe wurde – in deutlicher Anlehnung an die
das Erlernen eines bestimmten Spielsystems (einer taktische Mannschaftsbesprechung im Spielsport
Taktik) für das Strategiespiel ermöglichen. Am da- – zunächst das optimale taktische Verhalten in die-
rauffolgenden Tag fand die zweite Phase, die so- ser Umlernbedingung präsentiert. Dazu wurde den
genannte Umlernphase (Umlernbedingung: Start Versuchspersonen für vier klassische Ausgangssi-
Feld 16) statt. Vergleichbar dem Spieler, der von tuationen ein schnellstmöglicher Weg zum Sieg in
der Vereinsmannschaft in die Auswahlmannschaft Form von Wenn-dann-Regeln erklärt (Beispiel in
wechselt, sollte jetzt eine modifizierte Taktik für . Abb. 8.22). Zur besseren Vorstellungsgenerierung
128 Kapitel 8 · Mentales Training im Leistungssport

wurden diese Lösungswege optisch aufbereitet.


Dann wurden die Teilnehmer aufgefordert, sich
Tipp I I
Schon das alleinige Mentale Training ohne jeg-
möglichst lebhaft vorzustellen, wie sie erfolgreich
liches praktische Training ist wirksamer, als sich
die klassischen Ausgangssituationen lösen (Men-
gar nicht vorzubereiten. Dies könnte insbeson-
tales Training).
dere dann von Vorteil sein, wenn Spieler nach
Die kombinierte Gruppe übte je 20 Minuten
einer Verletzungspause zu den Auswahlmann-
mental und praktisch. Die Einweisung in das Men-
schaften stoßen oder vor Wettkämpfen wenig
tale Training erfolgte wie bei der ausschließlich
Zeit zum praktischen Training bleibt.
mental trainierenden Gruppe. Die Zeit für das
Mit einer Kombination aus Mentalem Training
Mentale Training war für die kombinierte Gruppe
und praktischem Training gelingt zudem der
jedoch entsprechend kürzer, da noch 80 Spiele
Wiedereinstieg in das alte Taktikkonzept deut-
TicTacToe in der Umlernbedingung (Start Feld 16)
lich besser als mit rein praktischem Training. Für
durchgeführt wurden. Die Kontrollgruppe spielte
die praktische Umsetzung bedeutet dies kon-
Mühle gegen einen Computer.
kret, dass beispielsweise der erste Lehrgangstag
Als Ergebnis halten die Autoren fest, dass sich
mit der praktischen Wiederholung der wichtigs-
die drei Interventionsgruppen im Gegensatz zu
ten Spielzüge eröffnet werden könnte. Über die
der 16-köpfigen Kontrollgruppe bei der Umlern-
Mittagszeit können dann kleinere mentale Trai-
bedingung bedeutend verbessert haben. Im Detail
8 waren die praktisch übende und die kombinierte
ningseinheiten absolviert werden. Eine andere
Möglichkeit wäre, bereits die Anreise zu den
Gruppe erfolgreicher und schneller als die mental
Lehrgängen (Flugzeug, Bahn) dazu zu nutzen,
übende Gruppe, die wiederum erfolgreicher als die
sich mental auf die neuen taktischen Aufgaben
Placebo-Gruppe agierte.
in der Auswahlmannschaft vorzubereiten (z. B.
mit Player-Books, in denen die taktischen Vor-
Bewertung der Ergebnisse. Die Ergebnisse der
gaben festgehalten sind).
Studie von Memmert et al. (2009) weisen darauf
hin, dass beim taktischen Umlernen im Sportspiel
die Integration von Mentalem Training (am besten
kombiniert mit praktischen Trainingsphasen) die 8.3.9 Fazit
Effektivität und Effizienz des Umlernprozesses op-
timieren kann. Was bedeuten diese Ergebnisse für Über die Grenzen der einzelnen Komplexitätsstu-
das Training von Auswahlmannschaften in Spiel- fen hinweg lassen sich einige generelle Aussagen
sportarten? Die wichtigste Erkenntnis scheint die zur Anwendung des Mentalen Trainings machen.
zu sein, dass sich die Spieler durch Integration des Das Ausmaß an Forschungsbemühungen, was
Mentalen Trainings schneller an das neue Tak- die Anwendung des Mentalen Trainings betrifft,
tikkonzept anpassen können. Mentales Trainieren ist in den Sportartengruppen höchst unterschied-
ist nicht an Trainer, Mitspieler oder Sportstätten lich. Während einzelnen Sportarten großes For-
gebunden und reduziert somit die erforderliche schungsinteresse entgegengebracht wurde, liegen
praktische Trainingszeit deutlich (hier um 50 %). in anderen Sportarten nur wenige oder noch keine
Dabei ist festzustellen, dass schon das alleinige Erkenntnisse vor.
Mentale Training ohne jegliches praktisches Trai- Grundsätzlich ist festzustellen, dass Mentales
ning wirksamer ist, als sich gar nicht vorzuberei- Training sowohl allein als auch in Kombination
ten. Dies könnte insbesondere dann von Vorteil mit praktischem Training oder weiteren sportpsy-
sein, wenn Spieler aus dem Verletztenstatus zu chologischen Trainingsformen bei allen Sportar-
den Auswahlmannschaften stoßen oder vor Wett- tengruppen von Nutzen sein kann: zum einen
kämpfen wenig Zeit zum praktischen Training hinsichtlich des Neulernens bei Anfängern, zum
bleibt. Ideal zum Umlernen wäre allerdings eine anderen hinsichtlich der Leistungsoptimierung
Trainingsphase, in der mentale und praktische bei Fortgeschrittenen und Experten. Aber nicht
Trainingseinheiten kombiniert werden. nur im Hinblick auf die am Ende entscheidende
8.3 · Anwendungsvielfalt des Mentalen Trainings im Leistungssport
129 8
Zielvariable Leistung, sondern auch im Hinblick
auf weitere Zielvariablen wie z. B. Wettkampfangst
oder Selbstvertrauen scheint Mentales Training
über alle Sportartengruppen hinweg bedeutsam
zu sein.
Allgemein ist festzustellen, dass die Kombina-
tion aus unterschiedlichen sportpsychologischen
Trainingsformen (am häufigsten wird Mentales
Training mit Entspannungsverfahren und Verfah-
ren der Selbstgesprächsregulation kombiniert), der
sogenannte Package Approach, den größten Erfolg
verspricht.
9

Mentales Training in der Rehabilitation

9.1 Zielstellung des Mentalen Trainings im Anwendungsfeld


Rehabilitation – 132

9.2 Mentales Training in der Rehabilitation nach


Sportverletzungen – 133
9.2.1 Belastungsreaktionen verletzter Sportler – 135
9.2.2 Beeinflussende Faktoren der psychischen Belastungsreaktion – 137
9.2.3 Phasen der psychologischen Rehabilitation – 141
9.2.4 Merkmale erfolgreich rehabilitierender Sportler – 142
9.2.5 Mentales Training in der Rehabilitation verletzter Leistungssportler – 143
9.2.6 Praxis des Mentalen Trainings für sportartunspezifische Übungen im
Aufbautraining – 144
9.2.7 Praxis des Mentalen Trainings für Einzeltechniken – 147
9.2.8 Praxis des Mentalen Trainings komplexer Bewegungsfolgen – 149
9.2.9 Wirksamkeit des Mentalen Trainings in der Rehabilitation nach
Sportverletzungen – 150

9.3 Mentales Training in der neurologischen und orthopädischen


Rehabilitation – 151
9.3.1 Mentales Training in der neurologischen Rehabilitation – 155
9.3.2 Mentales Training in der orthopädischen Rehabilitation – 165

J. Mayer, H.-D. Hermann, Mentales Training, DOI 10.1007/978-3-662-46819-7_9,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
132 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

Rehabilitation heißt: immer besser und besser« (Coué, 1993, S. 35) be-
4 »ins berufliche und gesellschaftliche Leben wieder kannt geworden. Der Einsatz der eigenen Vorstel-
eingliedern«, lungskraft zur Aktivierung der Selbstheilungskräfte
4 »etwas Beschädigtes in seinen früheren guten Zu- erfuhr dann vor allem durch die populären Arbei-
stand bringen«, ten des Onkologen Simonton und seiner Mitarbei-
4 »etwas auf eine höhere Ebene oder auf eine Ebene ter (z. B. Simonton et al., 1996) weite Verbreitung.
von größerem Wert heben« (Adler, 1996, S. 483) Mit seinem Programm versuchte Simonton insbe-
und schließt somit die Vorstellung und den Anspruch sondere bei Krebspatienten über Visualisierungs-
ein, etwas wieder gesund zu machen. Dies ist in der Re- methoden eine positive und zuversichtliche Ein-
alität jedoch oft nicht zu erreichen. Defizite bleiben und stellung zu schaffen, um so die körpereigenen Ab-
müssen einkalkuliert werden. Nach Adler (1996) geht wehrkräfte der Patienten zu aktivieren. In diesem
es daher bei der Rehabilitation nicht nur um die Besei- Kapitel wird der Begriff des Mentalen Trainings je-
tigung von Beschwerden, sondern auch darum, dass doch enger gefasst und primär auf die Optimierung
die Rehabilitierenden lernen, bleibende Beeinträchti- von Bewegungen in der Rehabilitation bezogen.
gungen zu akzeptieren und mit ihnen zu leben. Dieses Bereits 1957 erwog Puni, die trainierende
Selbstverständnis vorausgesetzt, muss sich effektive Re- Wirkung von Bewegungsvorstellungen bei Reha-
habilitation an folgenden Grundzielen messen lassen bilitationsmaßnahmen einzusetzen (Puni, 1961):
(Mayer et al., 2003): Durch Bewegungsvorstellungen sollte die Bewe-
4 Rehabilitation soll helfen, individuelle Ziele von gungskoordination, die durch eine Krankheit oder
Patienten zu verfolgen und zu erreichen. Verletzung gestört worden ist, wiederherstellt
9 4 Rehabilitation soll zur gesundheitsfördernden Eigen- werden.
leistung in Lebenszeit und Lebensraum beitragen. Am häufigsten wurden mentale Trainings-
formen in der Rehabilitation verletzter Spitzen-
Neben den absolut notwendigen physisch-biologischen sportler angewendet. Hier wurde schnell erkannt,
Rehabilitationsmaßnahmen stellt das Mentale Training dass sich Bewegungsvorstellungen optimal für die
in diesem Zusammenhang eine wichtige ergänzende Überbrückung von Verletzungspausen verwenden
Maßnahme dar, die am psychischen System ansetzt. lassen (Ievleva & Orlick, 1991, 1993; Heil, 1993).
Das Mentale Training ist ein etabliertes Verfahren in Die Sportverletzung wird dabei auch als psychi-
der Rehabilitation nach Sportverletzungen. Die Anwen- sche Belastung verstanden, die zu entsprechenden
dung des Mentalen Trainings in diesem Bereich bildet Belastungsreaktionen des Sportlers führt. Erst vor
den Schwerpunkt dieses Kapitels. Zur Implementierung diesem Hintergrund erklärt sich der Nutzen des
des Mentalen Trainings in die außersportliche Rehabili- Mentalen Trainings, das positive Auswirkungen
tation – mit dem Anspruch einer nachhaltigen Wirkung nicht nur auf die Bewegungsoptimierung, sondern
– muss das Vorgehen modifiziert werden. Dass in den auch auf die motivationalen und emotionalen Fak-
Anwendungsgebieten der neurologischen und ortho- toren des Rehabilitationsprozesses hat (Hermann
pädischen Rehabilitation gerade in den letzten Jahren & Eberspächer, 1994; Evans et al., 2006).
durchaus praktikable und wirksame Ansätze entwickelt Die Übertragung des Mentalen Trainings aus
wurden, wird anschließend dargestellt. dem Hochleistungssport in Rehabilitationskon-
texte außerhalb des Sports fällt schwerer. Dort hat
man es in der Regel nicht mit Bewegungsspezia-
9.1 Zielstellung des Mentalen listen und auch nicht mit sportspezifischen Bewe-
Trainings im Anwendungsfeld gungen zu tun. Vielmehr sind häufig ältere oder
Rehabilitation mehrfach erkrankte Patienten betroffen, die in der
Rehabilitation bestimmte Bewegungen erlernen
Der Nutzen der Vorstellungskraft beim Heilungs- sollen, um ihren Alltag meistern oder ihren Beruf
prozess ist schon Anfang des 20. Jahrhunderts weiter ausüben zu können (Mayer et al., 2003).
durch Coué und seine Autosuggestionsformeln Die Bewegungen sind oft aufgrund von über Jahre
wie: »Es geht mir mit jedem Tag in jeder Hinsicht bestehenden Vorschädigungen verlernt oder durch
9.2 · Mentales Training in der Rehabilitation nach Sportverletzungen
133 9
Schonhaltungen ersetzt worden und müssen wie- erst nach langer Wiedereinstiegszeit erreicht. Das
der neu erlernt werden. anberaumte Aufbautraining bringt nur langsam
Auch in der außersportlichen Rehabilitation die gewünschten Leistungsfortschritte, und unter
sind sicherlich psychische Belastungen durch die Umständen wird die volle Leistungsfähigkeit des
Verletzung und Operation vorzufinden, und diese Sportlers gar nicht mehr erreicht. Schlechtesten-
sind sicherlich auch weitestgehend mit den durch falls wird der Sport sogar ganz aufgegeben.
eine Sportverletzung entstehenden Belastungen zu Diese Entwicklungen können kaum überra-
vergleichen. Dennoch wird die Bewältigung der schen, denn häufig wird eine Rehabilitation dann
Erkrankung nur sehr vereinzelt mit dem Mentalen als erfolgreich eingeschätzt, wenn der Knochen
Training in Verbindung gebracht. Es stellt sich eher wieder gut zusammengewachsen ist, das Band wie-
die Frage, wie therapeutische Inhalte zur Bewe- der hält oder das Gelenk wieder einen bestimmten
gungsoptimierung so aufbereitet werden können, Winkel erreicht. Insbesondere in längerfristigen
dass beim Patienten eine nachhaltige Handlungs- Rehabilitationsphasen hemmen oder blockieren
kompetenz für Beruf oder Alltag aufgebaut werden eventuell auftretende psychische Probleme des
kann. Daher wird in diesem Kapitel diskutiert, ob Athleten oftmals den Genesungsfortschritt und
das Mentale Training hier eine sinnvolle Ergän- somit die Wiedereingliederung in Training und
zung zu physiotherapeutischen Verfahren darstel- Wettkampf.
len kann. Häufig ist der Arzt im Heilungsprozess der
»Akteur«, und der Patient ist das »Objekt«, das
in Analogie zu einer Maschine funktioniert und
9.2 Mentales Training in dementsprechend repariert werden kann (Engel,
der Rehabilitation nach 1977). Dabei wird dem Patienten eine passive und
Sportverletzungen bequeme Beziehung zu Medizin und Therapie
suggeriert, die eine schnelle Verbesserung ohne
Sportverletzungen bedeuten für die meisten Sport- eigene Anstrengung und Verantwortung verspricht
ler einen erheblichen Einschnitt in den gewohnten (Leigh & Reiser, 1980; Zitterbarth, 1995).
Lebensrhythmus, da sie eine Unterbrechung des Zu dieser Entwicklung tragen allerdings oft
Trainings- und Wettkampfalltags zur Folge haben auch die Sportler selbst bei. Hermann und Eber-
(Hermann & Eberspächer, 1994). Je nach Art und spächer (1994) beschreiben eine Einstellung zur
Ausmaß der Verletzung werden dann mehr oder »Maschine Körper«, wie sie im Leistungssport
weniger umfangreiche Rehabilitationsmaßnahmen vielerorts anzutreffen ist. Claudio Sulser, ein ehe-
ergriffen, die in der Regel von Medizinern, Phy- maliger Schweizer Fußballprofi, zieht in einem
siotherapeuten und (Fitness-)Trainern begleitet Rückblick auf seine schwerste Verletzung einen
werden. Vergleich zum »Werkstattverhalten«, der die Ein-
stellung vieler Menschen zu Krankheit und Ge-
> Eine vollendete Rehabilitation eines Leis-
sundheit treffend beschreibt (z. B. Geue, 1990).
tungssportlers ist selten gleichbedeutend
mit unmittelbarer, hundertprozentiger
»Ich verglich meinen Körper mit einem Wagen, der
Leistungsfähigkeit.
einer dringenden Reparatur bedurfte. Man bringt
Versucht man, verletzte Sportler ausschließlich den Wagen in die Werkstatt, lässt ihn reparieren,
mit  rein medizinischen, physiotherapeutischen und nach kurzer Zeit geht er wieder einwandfrei,
und trainingswissenschaftlichen Maßnahmen vielleicht sogar besser als früher. Leider sah dann die
möglichst schnell zu ihrer physischen Topform Realität für mich ganz anders aus.« (Sulser, zit. nach
zurückzuführen, ohne sich mit der psychischen Hermann & Eberspächer, 1994, S. 9)
Beanspruchung der Verletzten auseinanderzuset-
zen (Hermann & Eberspächer, 1994), wird häufig Nach Hermann und Eberspächer (1994) skizziert
der ursprüngliche Leistungsstand jedoch trotz der dieses Beispiel den typischen Ablauf der Rehabi-
wiederhergestellten körperlichen Voraussetzungen litation: Sportler werden medizinisch und physio-
134 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

therapeutisch behandelt und betreut, sodass von Phänomen gerne mit den Worten: »Der Kopf spielt
dieser Seite her bestmögliche Bedingungen für den noch nicht mit!«
Wiedereinstieg in den Sportalltag geschaffen wer- Selbstverständlich haben somatische Faktoren
den. Je einschneidender das individuelle Verlet- bzw. die medizinische Versorgung einen hohen
zungserleben war, umso problematischer gestaltet Stellenwert, der nicht in Frage gestellt wird: Es
sich die psychische Verarbeitung (7 Beispiel 9.1). wird auch häufig davon gesprochen, wie wichtig
Wird sie – wie in Claudio Sulsers Beispiel – völlig der mentale Bereich für die Genesung und die
vernachlässigt, kann es nicht überraschen, wenn Leistungserbringung sei, in der Praxis wird er je-
die Psyche in der Folgezeit die sportliche Hand- doch selten genauso systematisch und konsequent
lung hemmt. in die Versorgung einbezogen. Aktive Maßnah-
men zur psychischen Rehabilitation werden kaum
> Psychische Prozesse müssen im Rehabilita-
ergriffen. Bleibt dann das erwartete Anknüpfen
tionsprozess berücksichtigt werden.
an frühere Leistungen aus, werden die sportlichen
Rehabilitanden schnell als labil und nicht belastbar
Beispiel 9.1: Sturz eines Skispringers bezeichnet und müssen mitunter in der Folgezeit
Ein international erfolgreicher Skispringer zieht sich mit diesem Ruf leben. Der Genesungsprozess vie-
bei einem schweren Sturz mit kurzzeitiger Bewusst- ler prominenter Sportler wurde auf diese Weise in
losigkeit mehrere Knochenbrüche und Prellungen zu. der Öffentlichkeit diskutiert.
Dank intensiver medizinischer, krankengymnastischer Unter Umständen verhindert auch das sport-
und sportphysiotherapeutischer Betreuung kann er lich-soziale Umfeld ein reibungsloses Comeback.
9 nach einigen Monaten die Rehabilitationseinrichtung Anfangs ist das Verständnis von Trainern, Be-
verlassen und mit dem Aufbautraining beginnen. treuern, Mannschaftskollegen und Sponsoren bei
Einer Fortsetzung der Karriere steht scheinbar nichts auftretenden Schwierigkeiten nach Verletzungs-
mehr im Wege, was aufgrund eines Mangels an beruf- pausen meist recht groß, kann jedoch schnell in
lichen Alternativen auch sein Ziel ist. Unverständnis und Ungeduld umschlagen. Daraus
Trotzdem schafft er es nicht mehr, konstant an wiederum können Folgeprobleme entstehen.
frühere Leistungen anzuknüpfen. Später beschreibt Da viele Athleten ihr Selbstbewusstsein über
er seine durch den Sturz und die Verletzung auf- ihre (körperliche) Leistung oder Leistungsfähigkeit
getretenen Unsicherheiten und Ängste, die ihm definieren, haben sie nach überstandener Verlet-
insbesondere auf größeren Schanzen und bei Wett- zung die doppelte Schwierigkeit, bei vermindertem
kämpfen zusetzen. Letztlich führen Frustration und Selbstwertgefühl sportliche Leistungen erbringen
Resignation zum Rückzug aus dem Leistungssport, zu müssen, denen sie sich ohnehin noch nicht ge-
obwohl seine körperlichen Voraussetzungen ihm wachsen fühlen. Selbstzweifel können sich verstär-
noch etliche Jahre in diesem Sport erlaubt hätten. ken, die erwartete Leistung bleibt aus.
> Unglücklicherweise gibt es auch Trainer, die
Gerade wenn die Sportverletzung bei der Aus-
ihren Sportlern in der Rehabilitationszeit
übung von Risikosportarten erfolgt ist (z. B. Ski
bewusst oder unbewusst ein Gefühl der Wert-
alpin, Skispringen oder Motorsport) und Sport-
losigkeit vermitteln.
ler erfahren müssen, dass das Überschreiten ei-
ner gewissen Grenze schmerzhaft und gefährlich Insbesondere im professionellen und semipro-
sein kann, bedeutet es eine besondere Herausfor- fessionellen Mannschaftssport ist zu beobachten,
derung, nach erfolgter physischer Rehabilitation dass den Sportlern erst dann die entsprechende
wieder an die Höchstleistung anzuknüpfen und Aufmerksamkeit zuteil wird, wenn sie wieder
sich damit auch wieder der Grenze zwischen ext- »funktionieren«. Man könnte ja annehmen, dass
remer Höchstleistung auf der einen Seite und Sturz diese Nichtbeachtung die Motivation des Spielers
und Verletzung auf der anderen Seite zu nähern. fördere, bald wieder dabei sein zu wollen. Dass
Nicht selten stören dann Ängste oder Blockaden diese Methode in Ausnahmefällen tatsächlich
den Bewegungsablauf. Trainer beschreiben dieses den gewünschten Effekt erbracht hat, ist durch-
9.2 · Mentales Training in der Rehabilitation nach Sportverletzungen
135 9
aus möglich. Sportler, die sich durch ein solches Trainings in der Rehabilitation nach Sportverlet-
Trainerverhalten zu verstärkten Rehabilitationsbe- zungen geht es nicht nur um eine möglichst ef-
mühungen anhalten lassen, sind jedoch kaum von fektive Bewegungsoptimierung. Durch die aktive
der Idee geleitet, bald wieder gesund zu werden, Beteiligung des Sportlers am psychischen Reha-
sondern wollen um beinahe jeden Preis möglichst bilitationsprozess soll der Athlet auch psychisch
schnell wieder dabei sein. Der nötige Rehabilita- gestärkt aus dieser kritischen Phase hervorgehen.
tionsprozess wird so unter Umständen verkürzt Da psychische Probleme nach Verletzungen nach-
– mit dem Risiko einer erhöhten Wiederverlet- haltige Effekte auf den Genesungsprozess und die
zungsgefahr oder eines späteren Schadens. weitere Leistungsfähigkeit haben, werden sie im
Unter derartigen Bedingungen ist eine gezielte, Folgenden kurz beschrieben.
umfassende Rehabilitation nicht nur erschwert,
sondern fast unmöglich. In der Zusammenarbeit
mit verletzten Athleten wird dann deutlich, dass 9.2.1 Belastungsreaktionen
die eigentliche Belastung nicht die Verletzung ist, verletzter Sportler
sondern die eigene Ungeduld und das fordernde
Umfeld, das vom Rehabilitanden den zweiten Wie bereits erwähnt, ist es nicht selten der Fall,
Schritt vor dem ersten verlangt. dass nach Sportverletzungen der ursprüngliche
Effektive Rehabilitation setzt eine ganzheitliche Leistungszustand nicht wieder erreicht werden
Sichtweise voraus – Körper und Geist müssen pa- kann, obwohl die körperlichen Voraussetzungen
rallel genesen. Die psychische Rehabilitation ver- dafür eigentlich längst wieder gegeben sind. Bei
letzter Athleten ist nicht vom Gesamtgenesungs- der Zusammenarbeit mit verletzten Athleten hat
prozess zu isolieren. Zunehmend wird von allen sich gezeigt, dass nicht die körperliche, sondern
an der Rehabilitation beteiligten Personen der die psychische Komponente in solchen Situationen
Wunsch nach qualifizierter sportpsychologischer die wesentliche Belastung darstellt.
Unterstützung geäußert. Diese Unterstützung ist
jedoch nicht ausschließlich an psychologisch ge- »Ich habe während Jahren meine Sportart ausgeübt,
schultes Fachpersonal zu delegieren: Neben dem ohne zu überlegen, dass ich auch einmal verletzt
Sportpsychologen kann auch der betroffene Sport- werden könnte. Ich dachte wie die meisten Auto-
ler selbst aktiv werden, und Mediziner, Trainer, mobilisten in Bezug auf Verkehrsunfälle: Es passiert
Physiotherapeuten und das soziale Umfeld können immer den anderen. Ich empfand es als selbstver-
und sollten hier ihren spezifischen Beitrag leisten. ständlich, praktisch jeden Tag zu trainieren, um dann
Weiss und Troxel (1986) bringen das grundlegende irgendwo in der Schweiz oder im Ausland ein Spiel
Prinzip der Rehabilitation auf den Punkt: »Treat bestreiten zu können. Plötzlich ist das, was gestern
the person, not only the injury.« selbstverständlich war, heute nicht mehr möglich.
Die psychische Rehabilitation muss daher als Man ist mit einer neuen, unvorhergesehenen Situ-
Teil des zielgerichteten, geplanten und kontrollier- ation konfrontiert … Es entsteht zuerst ein psycho-
ten Rehabilitationsprozesses verstanden werden. logisches Problem: das psychische Bewältigen der
Ziel ist es, durch das Training psychischer Fer- Verletzung.« (Sulser, 1985, S. 144)
tigkeiten – hier: Mentales Training – und durch
die Beachtung sozialer Faktoren ein besseres Der Artikel von Sulser ist eine der wenigen
Rehabilitationsergebnis und einen schnelleren deutschsprachigen Publikationen zu den mentalen
Wiedereinstieg in Training und Wettkampf zu er- Problemen verletzter Sportler. Dem Fußballprofi
reichen. machten in seiner fünfmonatigen Genesungszeit
Bevor der Einsatz des Mentalen Trainings in Motivationsprobleme und ein aus Mangel an kör-
der Rehabilitation verletzter Sportler vorgestellt perlicher Betätigung resultierendes Gefühl der
wird, soll zunächst auf mögliche psychologische Unzufriedenheit am meisten zu schaffen. Neben
Probleme in der Rehabilitation aufmerksam ge- den Ausführungen von Sulser liegen auch wissen-
macht werden. Denn beim Einsatz des Mentalen schaftliche Untersuchungen zu den psychischen
136 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

. Tab. 9.1 Verschiedene Befunde zu Belastungsreaktionen nach Sportverletzungen (nach Hermann & Mayer, 2003)

Personen/Sportarten Anzahl (n) Resultate Studien

Patienten einer sport- 121 Negative Stimmung, negatives Brewer et al. (1995)
medizinischen Klinik Selbstbild

Sportmediziner 43 Schmerzen, Stress/Angst, Ärger, Brewer et al. (1991)


Depression

Junioren (C-Kader) Leicht- 51 Fehlende Verarbeitung von Ängsten Bussmann & Alfermann
athletik begünstigt Drop-out (1990)

Verletzte Athleten 43 Einsamkeit und Abkapselung Crossmann & Jamieson


(1985)

Knieverletzte Leistungssportler 31 Starke Stimmungsschwankungen Daly et al. (1995)

Langzeitverletzte Kader- 59 Diverse Belastungsreaktionen, vor Hermann & Eberspächer


athleten aus 10 Sportarten allem Ängste, Niedergeschlagen- (1994)
heit, psychosomatische Unruhe

Leistungssportler 16 Frustration und Depression, Johnston & Caroll (1998)


Ungeduld

Leistungssportler aus 3 Sport- 150 Nichtbewältigung als häufigster Kaminski (1998)


9 arten Grund für Karriereabbruch

Athleten aus 10 Sportarten 343 Erhöhte Depressionsrate, vermin- Leddy et al. (1996)
dertes Selbstvertrauen

Athleten 61 Spannungen, Depressionen, Müdig- Pearson & Jones (1992)


keit, Feindseligkeit

Athleten aus 25 Sportarten 136 Kein Vertrauen in die eigene Stärke, Quinn & Fallon (1999)
negative Emotionen

Leistungs- und Freizeitsportler 41 Resignation, Hilflosigkeit, Bedürfnis Schott (1996)


mit langfristiger Rehabilitation nach sozialer Unterstützung

Athleten 130 Depression, Ärger, Anspannung Smith et al. (1990)

Athleten 72 Spannung, Depression, Ärger, ver- Smith et al. (1988)


minderte Tatkraft

Am Saisonende verletzte 21 Frustration, Ärger, Ängste, Depres- Udry et al. (1997)


Skirennläufer sionen

Athleten aus 4 Sportarten 10 Negative Selbstgespräche, negative Weiss & Troxel (1986)
Emotionen, psychosomatische Be-
schwerden

Belastungsreaktionen nach Sportverletzungen vor Sportarten nach Beendigung ihrer Rehabilitation


(. Tab. 9.1) – mit ähnlichen Befunden. (Dauer mindestens vier Wochen). Gegenstand der
Hermann und Eberspächer (1994) befragten Befragung war das psychische Befinden der Leis-
im Rahmen mehrerer Untersuchungsreihen in den tungssportler in der Zeit zwischen Verletzungsein-
Jahren 1991–1993 insgesamt 59 männliche und tritt und Wiederaufnahme des sportartspezifischen
weibliche Leistungssportler aus zehn verschiedenen Trainings. Bedeutsame Unterschiede zwischen den
9.2 · Mentales Training in der Rehabilitation nach Sportverletzungen
137 9
Einschätzungen weiblicher und denen männlicher ten Vermittlung von Wertlosigkeit als fragwürdi-
Athleten konnten nicht festgestellt werden. ges Motivationsinstrument.
Die Sorge um die weitere körperliche Unver-
> Hilfreich ist es, wenn das soziale Umfeld ver-
sehrtheit (97 %) beeinträchtigte das Befinden der
sucht, dem betroffenen Sportler jede Art von
Sportler am meisten. Aber auch die Angst, dass
Unterstützung bei der Rehabilitation zukom-
die Karriere beendet sein könnte, dass man nicht
men zu lassen, und gleichzeitig Verständnis
mehr das Vertrauen der Trainer genießt oder dass
und Geduld für die schwierige Situation auf-
sich die Struktur im Team zu den eigenen Un-
bringt (Hermann, 2001).
gunsten verändert (soziale Angst), wurde oft
angeführt. Jeweils 53 % der Athleten berichteten Wie wichtig der sinnvolle Umgang mit Ängsten
von Gefühlen der Niedergeschlagenheit und der und Unsicherheiten für die Wiedererlangung der
Ungeduld. sportlichen Leistungsfähigkeit ist, zeigt die Studie
Motivationsprobleme der Athleten drückten von Bussmann und Alfermann (1990). Ihre an
sich insbesondere durch Zweifel am Sinn des Leis- Leichtathleten gewonnenen Ergebnisse belegen,
tungssports (36 %) aus. Sind ungeduldige Rehabi- dass in vielen Fällen die psychischen Folgen der
litanden eher übermotiviert, so ist bei denjenigen, Verletzung nicht bewältigt werden. Vor allem die
die sich fragen, warum sie sich das alles antun, Angst, eine erneute Sportverletzung zu erleiden,
eine Tendenz zur Resignation zu beobachten. führt oftmals dazu, dass Sportler ihre Karriere
Hauptsächlich die jüngeren Athleten berichteten völlig aufgeben.
von aufgetretenem Ärger (insgesamt 47 %). Psy-
chophysiologisch geht Ärger mit Erregung ein-
her und ist für den Rehabilitationsfortschritt eher 9.2.2 Beeinflussende Faktoren der
kontraproduktiv. Zudem gab es Aussagen, die auf psychischen Belastungsreaktion
psychosomatische Unruhe (61 %), auf Hilflosigkeit
(27 %) und auf Gefühle der Einsamkeit (20 %) Die praktischen Erfahrungen mit Leistungssport-
schließen ließen – für einen Teil der Rehabilitan- lern zeigen, dass die Art und das Ausmaß der
den ebenfalls nicht zu unterschätzende belastende Belastungsreaktion von vielen Faktoren abhängen
Faktoren in der Rehabilitation. können (. Abb. 9.1). Diese Faktoren können in
In der Tendenz ähnlich äußerten sich auch der Persönlichkeit des Rehabilitanden und in den
neun befragte Sportmediziner, die allesamt im Umständen der Verletzung begründet liegen oder
Hochleistungssport tätig sind (Hermann & Eber- auch situations- und sportartbedingt sein. Neben
spächer, 1994). Auf die Frage, welche Probleme den Umfeldbedingungen (z. B. Verhalten der Me-
ihren Beobachtungen nach bei Athleten während diziner, Trainer oder anderer Bezugspersonen)
einer längerfristigen Rehabilitationsphase (mehr beeinflussen diese Faktoren das Erleben und die
als vier Wochen) auftreten, nannten die Mediziner psychischen Reaktionen in Rehabilitationszeiten
am häufigsten den Umgang mit Ängsten, Unge- entscheidend.
duld und Langeweile. Nach ihren Einschätzungen
treten zudem Selbstzweifel der Athleten, Zweifel Verletzungsbedingte Faktoren
am Sinn des Leistungssports, Einsamkeit und Ori- Schwere der Verletzung. Als bedeutendster Fak-
entierungslosigkeit vermehrt auf. tor ist die individuelle Einschätzung der Schwere
Man sollte annehmen, dass die dargestellten der Verletzung zu nennen. Aus psychologischer
mentalen Probleme, die eine Sportverletzung nach Sicht kann diese Einschätzung aus der Rehabilitati-
sich ziehen kann, durch das soziale Umfeld – so- onsdauer und der Möglichkeit einer vollständigen
wohl im sportlichen als auch im privaten Bereich Wiedererlangung der sportlichen Leistungsfähig-
– wenigstens teilweise abgefangen und gemildert keit abgeleitet werden (z. B. Smith et al., 1990).
werden können. Leider kommt es, insbesondere Bei leichten Verletzungen – mit einer Rehabilita-
im sportlichen Umfeld manchmal zu Unverständ- tionszeit von unter vier Wochen – treten nur selten
nis und Ungeduld, teilweise sogar zu einer bewuss- psychische Probleme auf.
138 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

Person
- Alter
- Persönlichkeitsmerkmale
- Status
- Stellenwert
- Verletzungsvorerfahrungen

Belastungs-
reaktion

Sportverletzung
. Abb. 9.1 Beeinflussende - Schwere
Faktoren der psychischen - Ursachen
Situation/Sportart
Belastungsreaktion (aus Her- - Schmerz
- Sportart
mann & Eberspächer, 1994) - Saisonzeitpunkt

9
Kann aufgrund eines Sportschadens die sport- der Unsicherheit, des Kontrollverlusts und der
liche Leistungsfähigkeit nicht mehr erreicht wer- Angst vor Wiederverletzung.
den, sodass der jeweilige Sport sogar ganz aufge-
geben werden muss, sind in Einzelfällen schwer- Schmerz. Die individuelle Schmerzschwelle und
wiegende psychische Probleme zu beobachten. Schmerztoleranz variieren von Person zu Person.
Die Inanspruchnahme einer psychotherapeuti- Die Schmerzschwelle ist vom Einzelnen kaum
schen Beratung sollte dann in Betracht gezogen beeinflussbar und als angeborenes Merkmal zu
werden. verstehen. Beeinflussbar sind hingegen Schmerz-
toleranz und Schmerzempfinden. Die Schmerz-
Ursachen der Verletzung. Die individuelle Ursa- toleranz wird als erlernte und damit auch verän-
chenzuschreibung für die Entstehung der Verlet- derbare Komponente im Schmerzgeschehen an-
zung spielt eine wichtige Rolle für die psychische gesehen. Die wahrgenommene Schmerzintensität
Belastung in der Rehabilitation. Die Reaktionen hängt – vor allem bei geringeren Schmerzen – von
sind abhängig davon, ob die Verletzungsursache der Aufmerksamkeit ab, die man dem Schmerz
bekannt oder unbekannt und ob die Verletzung widmet. Insbesondere dieser letzte Punkt ist in der
selbst- oder fremdverschuldet ist. Rehabilitationszeit von besonderer Bedeutung.
> In der Praxis ist oftmals zu beobachten, dass > Da verletzte Sportler durch den Verletzungs-
das Wissen um die Ursache und um das ei- eintritt, die noch nicht gesicherte vollstän-
gene Fehlverhalten zu weniger starken psy- dige Genesung und eventuell durch die
chischen Reaktionen führt, da ein Gefühl der Unklarheit der Zukunftsperspektive (z. B.
Kontrolle und der Eigenverantwortlichkeit bei unklare Mannschaftszugehörigkeit nach der
dem Verletzten bestehen bleibt. Rehabilitation) verunsichert sind, verstärkt
sich oft die Aufmerksamkeit für die eigenen
Der Sportler glaubt daher eher, eine Wiederver-
körperlichen Empfindungen.
letzung aktiv vermeiden zu können. Bei fremd-
verschuldeten Verletzungen oder unklarer Verlet- Aus dieser verstärkten Aufmerksamkeit resultiert
zungsursache verstärken sich dagegen oft Gefühle eine gesteigerte Schmerzsensibilität der Betroffe-
9.2 · Mentales Training in der Rehabilitation nach Sportverletzungen
139 9
Bedrohung den Situation wie der Rehabilitation mit erhöhter
Schmerzempfindlichkeit, Schmerzäußerungen so-
wie mit negativen Emotionen reagieren. Das wirkt
Angst sich insbesondere auf den wahrgenommenen Ge-
Schmerz
nesungsfortschritt und die Rehabilitationsmotiva-
tion aus.
Problematisch wird der operante Schmerz auch
im Mentalen Training nach Sportverletzungen:
Schmerz- Schmerzempfindungen, verminderte Schmerzto-
wahrnehmung Schmerz-
sensibilität
leranz sowie Unsicherheiten und Ängste können
erhöht
erhöht dazu führen, dass sich die Rehabilitanden nicht in
der Lage fühlen, sich die entsprechenden Handlun-
gen und Bewegungen vorzustellen. Ein behutsames
Eigen-
beobachtung Vorgehen der Therapeuten und Trainer und die
anfängliche Inkaufnahme nur kleiner Fortschritte
. Abb. 9.2 Kreislauf der Schmerzsensibilität (aus Hermann & können bei diesen Rehabilitanden symptomver-
Eberspächer, 1994) schlimmernde und rehabilitationshemmende psy-
chische Reaktionen reduzieren.

nen, sodass manchmal schon das Auftreten leich- Personbedingte Faktoren


ter Schmerzen als bedrohlich eingestuft wird und Persönlichkeitsmerkmale. Personen mit generell
– vermittelt über Angst – zu einer verstärkten hoher Ängstlichkeit und mit nur wenig ausgepräg-
Schmerzwahrnehmung führt. . Abb. 9.2 veran- ten unterstützenden Stressbewältigungsstrategien
schaulicht diesen Kreislauf, der einen erheblichen zeigen im Allgemeinen stärkere rehabilitations-
negativen Einfluss auf die Befindlichkeit und auf hemmende Belastungsreaktionen. Athleten berich-
die Wahrnehmung der Rehabilitation haben kann ten auch über ein verzögertes Auftreten der psy-
(Hermann & Eberspächer, 1994). chischen Probleme und Reaktionen: So ist es keine
In der Rehabilitation kann es schwierig sein, Seltenheit, dass psychische Belastungsreaktionen
den Schmerz direkt der Verletzung bzw. der Ope- erst nach einigen Tagen auftreten, weil z. B. der
ration zuzuordnen (reaktiver Schmerz). Mediziner, Sportler zu Beginn der Rehabilitationsphase noch
Pflegepersonal oder Physiotherapeuten sehen dann stark mit der neuen Situation (Klinikrhythmus,
die geäußerten Schmerzempfindungen möglicher- häufige Untersuchungen o. Ä.) beschäftigt ist und
weise als übertrieben an. In den seltensten Fällen weil in diesen Tagen vielleicht auch noch Besuche
wird man den Betroffenen auf diese Weise gerecht, von Trainern, Teamkollegen, unter Umständen so-
denn das Schmerzerleben kann durch Erfahrungen gar von Medienvertretern stattfinden.
aus der Vergangenheit beeinflusst werden (operan- Das Persönlichkeitsmerkmal Risikobereitschaft
ter Schmerz). Wenn beispielsweise für engagierte ist als beeinflussender Faktor von besonderer Be-
Sportler die einzige Möglichkeit, sich Pausen im deutung. Eine Verletzung als Folge eines freiwillig
Trainings- und Wettkampfgeschehen zu verschaf- übernommenen, also einkalkulierten Risikos wird
fen, in Schmerzäußerungen besteht, erhalten diese von den Betroffenen leichter akzeptiert. Problema-
Schmerzäußerungen (meist unbewusst) einen posi- tisch wird es jedoch bei den Athleten, die objektive
tiven Charakter (Hermann & Eberspächer, 1994). und subjektive Risiken ihrer Sportart verdrängt
Auch in diesem Fall wirkt der in . Abb. 9.2 haben: Durch das Erleben einer Verletzung wer-
beschriebene Kreislauf: Auftretende Schmerzen den diese Gedanken wieder ins Bewusstsein ge-
werden stärker beachtet, Schmerzsensibilität und rückt – mit eventuell erheblichen und langfristigen
-wahrnehmung sind gesteigert. Durch den erlern- emotionalen Folgen.
ten Zusammenhang erhöht sich auch die Wahr- Machen sich Sportler erst durch die Verlet-
scheinlichkeit, dass Betroffene in einer belasten- zung klar, dass sie ein hohes Risiko eingegangen
140 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

sind, dauern negative emotionale Reaktionen in


der Rehabilitationsphase länger an und begleiten schreiben der Handlungsschritte aus der
den Sportler weiter. Insbesondere bei Ängsten er- Innenperspektive.
höht sich dadurch die Wahrscheinlichkeit, in der 4. Vorstellung des eigenen Handelns (Men-
Folgezeit nicht mehr an frühere Leistungen an- tales Training) in der angstverursachenden
knüpfen zu können und eine weitere Verletzung Situation: Der Sportler soll sich im ent-
zu erleiden. spannten Zustand zunächst das Ereignis
Ein bewährtes verhaltenstherapeutisches Ver- vorstellen, das die geringste Angst auslöst
fahren, das zur Bewältigung von Ängsten einge- (hier: Fahrt zur Schanze). Spürt er Angst in
setzt wird, ist die systematische Desensibilisierung sich aufkommen, wird das Mentale Training
nach Wolpe (1977). Bei diesem Verfahren spielen unterbrochen, und der Sportler versucht, er-
Handlungs- und Bewegungsvorstellungen eine we- neut einen entspannten Zustand herzustel-
sentliche Rolle (7 Kasten). len. Dies wird so lange durchgeführt, bis der
Sportler sich angstfrei in der entsprechen-
den Situation handelnd vorstellen kann. Im
Systematische Desensibilisierung (nach entspannten Zustand stellt sich der Sportler
Wolpe, 1977) dann die Situationen vor, die in seiner
Die systematische Desensibilisierung geht von Angsthierarchie weiter oben stehen. Dies
dem Grundprinzip aus, dass Angst und körperli- wird so lange fortgeführt, bis die höchste
che Entspannung nicht gleichzeitig vorhanden Stufe der Angsthierarchie erreicht ist.
9 sein können. Der Ablauf der systematischen
Desensibilisierung lässt sich folgendermaßen Erst wenn der Sportler in der Lage ist, sich im
skizzieren: entspannten Zustand angstfrei den gesamten
1. Aufstellung einer Angsthierarchie: Der Handlungsablauf vorzustellen, wird versucht,
Sportler erstellt eine Angsthierarchie. Wel- den Sportler vor Ort schrittweise – entspre-
che Ereignisse, Situationen oder Aufgaben chend der Vorstellung – zu den realen Abläufen
lösen Ängste aus? Die Hierarchie angstaus- hinzuführen.
lösender Ereignisse könnte z. B. bei einem
Skispringer folgendermaßen aussehen:
– Beginnende Angst: Fahrt zur Schanze. Status. Bei Profisportlern, die durch die Verlet-
– Leicht erhöhte Angst: Mit dem Sessellift zung in ihrer Existenz bedroht sind, ist die psychi-
zum Sprungturm fahren. sche Belastung höher als bei Freizeitsportlern. Je
– Mittlere Angst: Auf dem Sprungturm ste- nach Versicherungslage und beruflichen Alterna-
hen und den Anlauf hinunterschauen. tiven können Berufssportler in erhebliche Krisen
– Stark erhöhte Angst: Mit Sprungski zum geraten, die sich auch in psychischen Reaktionen
Absprungbalken hinabsteigen. äußern.
– Maximale Angst: Mit angeschnallten
Sprungskiern auf dem Absprungbalken Individueller Stellenwert. Unabhängig vom Sta-
sitzen. tus kann für das Auftreten negativer psychischer
2. Entspannungstraining: Der Sportler erlernt Reaktionen in der Rehabilitationszeit auch der in-
eine Entspannungstechnik (z. B. die Progres- dividuelle Stellenwert des Sports im Leben des
sive Muskelentspannung nach Jacobson, Betroffenen mitverantwortlich sein. Wird Sport
Anleitung in 7 Kap. 11.3). beispielsweise – bewusst oder unbewusst – zur
3. Erarbeitung einer optimalen Vorstellung Bewältigung oder Verdrängung anderer Probleme
für das eigene Handeln in den betreffen- eingesetzt, ist es durchaus möglich, dass diese Pro-
den Situationen: Empfohlen wird hier das bleme während der Verletzungszeit verstärkt wie-
6 Beschreiben und Aufzeichnen oder Auf- der auftreten. So erleben sich Personen durch eine
Verletzung in ihrem Selbstwertgefühl gefährdet,
9.2 · Mentales Training in der Rehabilitation nach Sportverletzungen
141 9
wenn sie ihre Selbstbestätigung vornehmlich aus Immerhin treten nach Kerr und Minden (1988)
sportlichen Erfolgen und aus der damit verbunde- 27 % aller Verletzungen unmittelbar vor einem
nen sozialen Anerkennung ziehen. wichtigen Ereignis auf.
> Alle genannten Einflussfaktoren sind zu-
Verletzungsvorerfahrungen. Verletzungsvorer-
nächst durch geeignete Verfahren der Eigen-
fahrungen beeinflussen die Belastungsreaktion
oder Fremddiagnostik so weit wie möglich
ebenfalls. Sportler, die noch nie ernsthaft verletzt
zu analysieren. Nur wenn man diese Faktoren
wurden, reagieren häufig besonders stark auf die
berücksichtigt, kann man psychologische
neue und unbekannte Situation. Verletzungser-
Rehabilitationsmaßnahmen individuell zu
fahrene Athleten hingegen schätzen die Situation
einem rehabilitationsunterstützenden System
anders ein: Sind bereits erlittene Verletzungen pro-
zusammenführen und das Mentale Training
blemlos ausgeheilt, zieht eine weitere Verletzung in
zielführend in den Rehabilitationsprozess in-
der Regel weniger ausgeprägte oder völlig andere
tegrieren.
psychische Folgen nach sich.

Alter. Ein weiterer Faktor kann das Alter der


Verletzten sein, da unter Umständen schon eine 9.2.3 Phasen der psychologischen
leichte Verletzung bei älteren Sportlern das Ende Rehabilitation
der sportlichen Laufbahn bedeuten kann. Jugend-
liche Athleten sehen trotz größerer Ungeduld im Hermann und Eberspächer (1994) sowie Marcolli
Rehabilitationsprozess eine andere sportliche Pers- (2001, 2002) strukturieren die psychologische
pektive als 30-Jährige, die vielleicht nur noch einen Rehabilitation, abgestimmt auf den medizinisch-
bedeutsamen Wettkampf bestreiten wollen. physiotherapeutischen Ablauf, in vier sich teil-
weise überlappende Phasen. In allen Phasen kann
Situations- und sportartbedingte das Mentale Training sinnvoll eingesetzt werden
Faktoren (. Abb. 9.3).
Sportart. Verletzungen und Verletzungserfahrun-
gen gehören in Sportarten wie Handball, Ski alpin, Akutphase. Die Akutphase (erste Phase) umfasst
Judo oder Motocross nicht selten zum Alltagsbild. eine kurze Zeit zu Beginn des Rehabilitationspro-
So werden z. B. beim Carven aufgrund immer zesses, unmittelbar nach Eintritt der Verletzung
aggressiverer Materialgestaltung derart hohe Be- oder nach dem operativen Eingriff. In dieser Phase
lastungsspitzen erreicht, dass ein Kreuzbandriss kann bereits mit dem Mentalen Training einfa-
von Ski-alpin-Nationalmannschaften schon fast als cher Basisbewegungen begonnen werden (Men-
unvermeidlich angesehen werden kann. tales Training sportartunspezifischer Übungen;
Verletzte Athleten aus diesen Sportarten ak- 7 Kap. 9.2.6). Direkt im Anschluss an eine Opera-
zeptieren ihre Situation häufig schneller und sind tion, z. B. nach einer Kreuzbandplastik, kann sich
dadurch in der Lage, den Rehabilitationsprozess das Mentale Training der Extensions- und Flexi-
zielgerichtet und psychisch weniger belastet zu onsbewegung im Kniegelenk nicht nur positiv auf
gestalten. Längerfristige rehabilitationshemmende die Bewegungsbahnung auswirken, sondern auch
psychische Reaktionen sind bei Rehabilitanden aus der Befürchtung des frisch operierten Sportlers
diesen Sportarten vergleichsweise selten zu beob- entgegenwirken, er könne »falsche« oder schädli-
achten. che Bewegungen ausführen. Diese Bedenken und
Sorgen führen in der Regel dazu, dass der Sportler
Saisonzeitpunkt. Auch der Saisonzeitpunkt der ausschließlich mit dem Physiotherapeuten an der
Verletzung ist wichtig: Unmittelbar vor Saison- Bewegungsoptimierung arbeitet. Hier kann Men-
höhepunkten wie Qualifikationen oder Meister- tales Training zum eigeninitiativen Training au-
schaften nehmen Athleten eine Verletzung mit we- ßerhalb der Physiotherapie anregen und somit den
sentlich höherem Frustrationsgrad und Ärger auf. Rehabilitationsprozess optimieren.
142 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

Leistungs-
fähigkeit

pf n n g
g
am de u

ta
tk f eit

all
et au ber
r
Vo
W
e
lich tion
ort
Sp bilita
ha
Re
-
tions
. Abb. 9.3 Einsatz des bilita
Reha bereitungions-
r
vo abilita t
Mentalen Trainings in un- eh
Akut- und R findung
terschiedlichen Rehabilitati- phase
Zeit
onsphasen (aus Hermann & Verletzung/ Wiederaufnahme des Wettkampftätigkeit
Eberspächer, 1994) Operation sportartspezifischen Trainings

9 Rehabilitationsvorbereitung und -findung. In Hier kommt hauptsächlich das Mentale Training


dieser zweiten Phase wird ein Maßnahmenplan komplexer Bewegungsfolgen (7 Kap. 9.2.8) zum
erstellt. Bei schwereren Verletzungen steht das Einsatz. Dabei soll das eigene Handeln in verschie-
Mentale Training sportartunspezifischer Übun- denen nah am Wettkampf orientierten Situationen
gen (7 Kap. 9.2.6) im Mittelpunkt, bei weniger mental trainiert werden.
schweren kann auch schon das Mentale Training
sportspezifischer Einzeltechniken (7 Kap. 9.2.7)
zum Einsatz kommen. Häufig erleben Sportler 9.2.4 Merkmale erfolgreich
es als sehr motivierend, neben Basisbewegungen rehabilitierender Sportler
schon recht früh in der Rehabilitation wieder
sportspezifisch trainieren zu können. Es stellt sich die Frage, ob es bei Sportlern Ver-
haltensweisen, Merkmale oder Einstellungen gibt,
Sportliche Rehabilitation. An die Phase der Re- die eine Rehabilitation unterstützen und dazu
habilitationsvorbereitung schließt sich die Phase führen, dass die Rekonvaleszenzphase vergleichs-
der sportlichen Rehabilitation an, die so lange weise schnell und ohne weitere Komplikationen
dauert, bis das – zunächst reduzierte – sport- überstanden wird. Ist dies der Fall, könnten ver-
artspezifische Training wieder aufgenommen letzte Athleten von erfolgreichen Rehabilitanden
werden kann. Hier dominiert deutlich das Men- lernen. Nicht zuletzt ist bei dieser Fragestellung
tale Training sportspezifischer Einzeltechniken auch die Rolle des Mentalen Trainings von Inte-
(7 Kap. 9.2.7), auch wenn durchaus schon kom- resse.
plexe Bewegungsfolgen mental trainiert werden In mehreren Anfang der 1990er-Jahre durch-
können. In dieser Phase sollte jedoch schon wie- geführten Studien befragten Hermann und Eber-
der die eine oder andere Einzeltechnik praktisch spächer (1994) insgesamt 59 Leistungssportler
durchgeführt werden können. nach einer Verletzungspause. Die Sportler sollten
angeben, was ihnen, im Nachhinein betrachtet,
Vorbereitung auf den Wettkampfalltag. In der neben der fachmedizinischen Betreuung während
abschließenden Phase wird der Wiedereintritt in der Rehabilitation am meisten bei der Genesung
den Wettkampfalltag psychologisch vorbereitet. geholfen hat. Die Aussagen wurden durch struktu-
9.2 · Mentales Training in der Rehabilitation nach Sportverletzungen
143 9

Interne Faktoren Externe Faktoren

Positives Selbstgespräch
Positive Einstellung
Willensstärke Sportphysiotherapie/
Selbstvertrauen Krankengymnastik
Erfolgreich
Realistische Zielsetzung rehabilitierender
Emotionale Ausgeglichenheit Medizinerverhalten
Sportler
Vertrauen zum Arzt
Wissen über Behandlung Unterstützung durch
Mentales Training andere Personen
Entspannungstraining
Compliance

. Abb. 9.4 Merkmale erfolgreicher Rehabilitanden (aus Hermann & Eberspächer, 1994)

rierte Interviews gewonnen, anschließend inhalts- erklären sein: Wer das Gefühl hat zu wissen, wa-
analytisch ausgewertet und zu Hauptkategorien rum welche Maßnahmen ergriffen werden, steht
zusammengefasst (. Abb. 9.4). dem Gesamtprozess offener gegenüber, erlebt sich
Auffallend ist, dass die Mehrzahl der Nennun- seltener als hilflos und fühlt sich dem Geschehen
gen Faktoren wie positive Einstellung, Willens- nicht ausgeliefert.
stärke, Mentales Training und das Wissen über die In einer aktuellen Meta-Analyse von Schwab
Behandlungsinhalte betraf, die vor allem der Ei- Reese, Pittsinger und Yang (2012) wurde die Effek-
geninitiative der Rehabilitanden zuzuordnen sind. tivität verschiedener psychologischer Interventio-
Das Arztverhalten, die Unterstützung seitens der nen auf die Rehabilitation nach Sportverletzung
Familie und des sportlichen Umfelds (Teamkolle- untersucht. Insbesondere das Mentale Training in
gen, Trainer, sonstige Betreuer) sowie begleitende Kombination mit Entspannungstechniken zeigte
sportphysiotherapeutische/krankengymnastische dabei deutliche Effekte auf die Verbesserung der
Maßnahmen sind hingegen eher als externe Fak- Krankheitsbewältigung und Reduzierung der
toren einzustufen. Angst vor Wiederverletzung.
Beinahe alle Athleten glaubten, dass ihre ei- Im Folgenden soll die Anwendung des Men-
gene positive Einstellung maßgeblich zu ihrer Ge- talen Trainings in der Rehabilitation nach Sport-
nesung beigetragen hatte. In diese Kategorie fallen verletzungen dargestellt werden. Dabei steht die
Aussagen wie »Ich habe keine Wunder erwartet, Vorgehensweise nach Hermann und Eberspächer
aber konsequent mitgearbeitet« oder auch »Ich (1994) im Mittelpunkt.
wusste, dass ich Geduld haben muss und es dann
auch schaffen werde, wieder Leistungssport zu
treiben«. »Ich habe mich nie aufgegeben!« ist eine 9.2.5 Mentales Training in der
der typischen Aussagen für Willensstärke in der Rehabilitation verletzter
Rehabilitation. Leistungssportler
Einer aktiven Bewältigung der Situation ent-
sprechend, wurden auch die eigenen Bemühungen, Hermann und Eberspächer (1994) entwickelten das
etwas über die Behandlung und die Wirkung der Mentale Training, wie es im Hochleistungssport
einzelnen Maßnahmen zu erfahren, als genesungs- etabliert ist, als psychologisches Trainingsverfah-
unterstützend eingestuft. Dies dürfte vor allem mit ren für die Rehabilitation verletzter Spitzensportler
einem Gefühl der Kontrolle über die Situation zu weiter, mit dem Ziel, die Rehabilitation effektiver
144 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

zu gestalten und den Wiedereinstieg in den Trai- des Sports mit sich. Zudem können Blockaden bei
nings- und Wettkampfalltag zu optimieren. praktischen Übungen im Aufbautraining beseitigt
Mentales Training bietet nach Hermann und werden.
Eberspächer (1994) für alle Sportarten die Mög-
lichkeit, einzelne Techniken, kurze Bewegungsse- Emotions- und Schmerzbewältigung. Beste-
quenzen und komplexe Übungen in der Rehabi- hende Ängste, Unsicherheiten und Spannungen
litation zu stabilisieren und zu optimieren. Auch können über entspanntes geistiges Durchspielen
das Neulernen und Umlernen von Bewegungen einer korrekten Bewegungsausführung gemil-
während der Rehabilitationszeit kann durch Men- dert, eventuell sogar beseitigt werden (vgl. auch
tales Training unterstützt werden. Monsma et al., 2009). Auch Schmerzen und die
Angst vor Schmerzen lassen sich auf diese Weise
Tipp I I verringern (Cupal & Brewer, 2001).
Mentales Training scheint ein ideales Verfahren
für die Rehabilitation zu sein, da Motivationssteuerung. Bewährt hat sich das
4 Bewegungen trainiert werden können, Mentale Training auch als (ergänzende) Maß-
ohne die verletzten Strukturen zu belasten, nahme, wenn das praktische Training noch nicht
4 trainingsfreie Zeit somit sinnvoll genutzt möglich ist oder noch nicht wieder in vollem Um-
werden kann, fang aufgenommen werden kann.
4 neben der Bewegungsoptimierung auch > Die Erfahrung, in einer verletzungsbeding-
verletzungsbedingte Ängste bei der Be- ten Pause aktiv etwas für die Wiederge-
9 wegungsausführung abgebaut werden winnung oder Aufrechterhaltung der Leis-
können und Motivationsproblemen und tungsfähigkeit tun und sich dabei mit seiner
Niedergeschlagenheit entgegengewirkt Sportart beschäftigen zu können, wird von
werden kann, verletzten Athleten als besonders motivie-
4 es das Aufbautraining in der frühen Reha- rend für den weiteren Rehabilitationsprozess
bilitation optimieren und den sportlichen beschrieben.
Wiedereinstieg in Training und Wettkampf
erleichtern kann. Im Folgenden wird zunächst das Mentale Trai-
ning für sportartunspezifische Übungen im Auf-
bautraining der frühen Rehabilitation vorgestellt
Folgende Hauptziele des Mentalen Trainings in der (. Abb. 9.5). Darauf aufbauend wird das Mentale
Rehabilitation können unterschieden werden: Training für Einzeltechniken und schließlich das
4 Bewegungsoptimierung, Mentale Training für komplexe Bewegungsfolgen
4 Emotions- und Schmerzbewältigung, besprochen. In dieser Form kann das Mentale
4 Motivationssteuerung. Training bis zum Wiedereinstieg in Training und
Wettkampf angewandt werden.
Bewegungsoptimierung. Primär wird das Men-
tale Training in der Rehabilitation nach Sport-
verletzungen zum Erlernen, Umlernen, Stabili- 9.2.6 Praxis des Mentalen Trainings
sieren und Optimieren einzelner oder komplexer für sportartunspezifische
Bewegungsabläufe zu verschiedenen Zeitpunkten Übungen im Aufbautraining
im Rehabilitationsprozess eingesetzt. Es über-
nimmt damit eine Überbrückungsfunktion in trai- Das Mentale Training für sportartunspezifische
ningsfreien Zeiten und in Phasen, in denen das Übungen bietet sowohl bei Übungen, die an Se-
sportartspezifische Training noch nicht in vollem quenztrainingsgeräten durchgeführt werden, als
Umfang wieder aufgenommen werden kann. Ins- auch bei Übungen ohne apparative Unterstützung
besondere seine stabilisierende Wirkung bringt wertvolle Hilfe. Wird das Aufbautraining vom
Langzeiteffekte für eine leichtere Wiederaufnahme Sportler allein durchgeführt, sollte zunächst der
9.2 · Mentales Training in der Rehabilitation nach Sportverletzungen
145 9
Mentales Training
in der Rehabilitation

sportart- komplexe,
unspezifische Übungen sportartspezifische . Abb. 9.5 Einsatzmöglichkei-
im Aufbautraining Bewegungsfolgen ten des Mentalen Trainings in
sportart- der Rehabilitation nach Sport-
spezifische verletzungen (aus Hermann &
Einzeltechniken Eberspächer, 1994)

behandelnde Arzt oder Physiotherapeut bezüglich Zur Generierung der Bewegungsvorstellung von
möglicher Gefahren befragt werden. Basisbewegungen (wie z. B. Extension und Flexion
des Kniegelenks) werden zwei Vorgehensweisen
Aufbau einer Bewegungsvorstellung empfohlen:
Beim Mentalen Training für sportartunspezifische 4 der spiegeltherapeutische Ansatz oder
Übungen geht es häufig darum, die Entwicklung 4 die praktische Durchführung mit der nicht
von Basisbewegungen (z. B. Extension und Fle- betroffenen Seite (kontralaterales Training).
xion im Kniegelenk) zu unterstützen. Dabei sollte
die aktuell bestmögliche Durchführung der Bewe- Spiegeltherapie. Die Spiegeltherapie ist ein Verfah-
gung genauso Gegenstand des Mentalen Trainings ren, das von Ramachandran (z. B. Ramachandran &
sein wie die angestrebte Zielbewegung. Sind also Blakeslee, 2002) beschrieben und ursprünglich zur
beispielsweise im Kniegelenk aktuell maximal 75° Therapie von Phantomschmerzen nach Amputation
Flexion schmerzfrei durchführbar, dann sollte sich entwickelt wurde. Bei der Spiegeltherapie sitzt der
das Mentale Training auf diesen Bewegungs-Range Patient so vor einem rechtwinklig zum Körper ste-
beziehen, doch der Patient sollte auch aufgefordert henden Spiegel, dass das amputierte, kranke, ge-
werden, sich eine maximal mögliche Kniebeugung lähmte oder immobilisierte Körperteil hinter dem
vorzustellen. Spiegel und das gesunde Körperteil vor dem Spiegel
Im Wesentlichen orientiert sich der Ablauf platziert wird. Durch diese Spiegelanordnung sieht
des Mentalen Trainings für sportartunspezifische es für den Patienten so aus, als sei die Spiegelung des
Übungen an der in 7 Kap. 8 vorgestellten Vorge- gesunden Körperteils die kranke, amputierte, ge-
hensweise. Da der verletzte Sportler die Bewegung lähmte oder immobilisierte Extremität.
oft nicht praktisch durchführen kann (Schmerz, Mithilfe des Spiegels soll die perfekte Illusion
Immobilisation o. Ä.), sind einige Modifikationen einer gesunden Extremität erzeugt werden: Der
notwendig. Patient blickt in den Spiegel und realisiert im Ideal-
fall zwei »gesunde« Extremitäten (Schwarzer et al.,
Tipp I I 2007). So können im Rahmen der Spiegeltherapie
Wenn Basisbewegungen praktisch durchführ- die krankheitsbedingt veränderten Verarbeitungs-
bar sind, sollten praktische Bewegungsausfüh- prozesse im Gehirn positiv beeinflusst und letzt-
rung und Mentales Training im Wechsel erfol- lich eine adäquate Bewegungsrepräsentation und
gen, sodass die Bewegungsvorstellung immer damit auch eine Bewegungsvorstellung aufgebaut
an den Rehabilitationsfortschritt angepasst werden (Fukumura et al., 2007). Der beeinträch-
werden kann. tigte Kreislauf von motorischer Intention, pro-
priozeptivem Feedback und visuellem Eindruck soll
nach Schwarzer et al. (2007) wiederhergestellt wer-
den (. Abb. 9.6).
146 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

Verfügung stehen dürften und daher ein Modell


gefilmt werden muss.

Erarbeitung von Knotenpunkten –


Reduzierung der Knotenpunkte
auf Schlagwörter – Rhythmisierung
der Schlagwörter
Ist eine stabile Bewegungsvorstellung aufgebaut,
werden abschließend die wichtigsten Bewegungs-
a elemente in individuelle Kurzformeln oder Schlag-
wörter umbenannt, die dann im Rhythmus der
auszuführenden Bewegung gesprochen werden
können. Die Kurzformeln können individuell ge-
wählt werden, sollten aber für den Ausführenden
selbst eine klare Instruktion beinhalten (»Vor!«,
»Tief!« o. Ä.; 7 Beispiel 9.2).

Beispiel 9.2: Schlagwörter für Basisbewegungen


Schlagwörter bei der Übung »Auf Zehenspitzen ste-
hen« könnten sein:
9 b
4 »Stand« (Fuß steht normal auf dem Boden),
4 »Vor« (Belastung auf die Ballen),
4 »Hoch« (auf die Zehenspitzen stellen),
. Abb. 9.6 Aufbau eines afferenten Trainings mithilfe
einer Spiegelkonstruktion. a Prinzip des Spiegeltrainings:
4 »Stand« (absenken und wieder den normalen
Der Spiegel simuliert die Bewegung der immobilisierten Stand einnehmen).
oder gelähmten Hand; b Spiegeltraining in der Therapie:
Im therapeutischen Prozess wird das Spiegeltraining Schlagwörter bei der Übung »Extension und Flexion
zum Aufbau von Bewegungsvorstellungen genutzt (mit im Kniegelenk« (liegend) könnten sein:
freundlicher Genehmigung des Berufsgenossenschaftli-
chen Universitätsklinikums Bergmannsheil, Abteilung für
4 »Auf« (maximal mögliche Flexion im Kniege-
Schmerztherapie) lenk),
4 »Gerade« (möglichst achsstabile Extensionsbe-
wegung),
4 »Ab« (maximal mögliche Extension im Kniege-
Kontralaterales Training. Sind Extremitäten ver- lenk).
letzt und/oder immobilisiert, z. B. durch Gipsver-
sorgung, bietet es sich an, die Entwicklung der Mentales Training
Bewegungsvorstellung (insbesondere den Aufbau Im weiteren praktischen Vorgehen bietet sich der
der kinästhetischen Informationen) mit kontra- stete Wechsel zwischen mentaler und praktischer
lateralem Training zu unterstützen. Gerade bei der Bewegungsausführung an. Mithilfe der im Bewe-
Entwicklung einer Vorstellung von Basisbewegun- gungsrhythmus gesprochenen Schlagwörter wird
gen (wie z. B. Extension und Flexion des Kniege- dann zunächst mental trainiert, um anschließend
lenks) ist das Vorgehen über die nicht betroffene die praktische Umsetzung einzuleiten. Auch wäh-
Seite sinnvoll. rend der praktischen Ausführung können die
Darüber hinaus bietet sich auch die Betrach- Schlagwörter laut oder leise mitgesprochen wer-
tung von entsprechenden Videoaufzeichnungen den. Dies ist insbesondere beim Weiterbestehen
an, wobei Videoaufzeichnungen, die den verletzten von Blockaden bei der praktischen Ausführung
Sportler selbst bei der Durchführung von Basis- hilfreich. Mit Nachlassen der Blockaden sollte
bewegungen zeigen, in den wenigsten Fällen zur dann darauf verzichtet werden.
9.2 · Mentales Training in der Rehabilitation nach Sportverletzungen
147 9
Praxis des Mentalen Trainings
Tipp I I 9.2.7
für Einzeltechniken
Hilfreich für ein intensives Mentales Training
ist ein relativer Entspannungszustand. Insbe-
Beim Einsatz des Mentalen Trainings für Einzel-
sondere bei Rehabilitanden, die Ängste vor
techniken ist zu unterscheiden, ob der Sportler
Schmerzen oder kein Vertrauen in die Funkti-
bereits wieder mit dem sportartspezifischen Trai-
onsfähigkeit ihres Bewegungsapparats haben,
ning begonnen hat oder ob er sich noch in der
erweist sich eine vorgeschaltete Entspan-
Aufbauphase des Rehabilitationstrainings befindet.
nungsübung als äußerst hilfreich.
Grundsätzlich bringt der kombinierte Einsatz von
Das Mitsprechen des Ablaufs der (Teil-)
Mentalem Training und praktischem Training die
Bewegung beim praktischen Durchführen
größten Fortschritte.
der Bewegung (möglichst mit geschlossenen Dennoch kann es durchaus sinnvoll sein, be-
Augen) ist eine wirksame Methode, um eine reits mit dem Mentalen Training sportartspezi-
angemessen intensive Vorstellung zu erarbei- fischer Einzeltechniken zu beginnen, auch wenn
ten: Der Sportler spricht sich im entspannten die praktische Durchführung dieser Bewegung
Zustand möglichst viele Inhalte des zu trai- noch nicht möglich ist. Neulern-, Umlern- und
nierenden Bewegungsablaufs immer wieder Optimierungsprozesse können erleichtert werden,
laut vor. Dabei sollte er Ich-Formulierungen indem das Mentale Training für Einzeltechniken
verwenden und möglichst viele kinästheti- schon relativ frühzeitig im Rehabilitationsprozess
sche Bewegungsinformationen (Bewegungs- (z. B. schon während einer Immobilisierung oder
gefühl) ansprechen, z. B. »Ich spüre, wie sich begleitend zu sportartunspezifischen Übungen)
die Oberschenkelmuskulatur anspannt, wenn durchgeführt wird. Ist bereits mit dem sportartspe-
ich das Bein im Kniegelenk beuge.« Auf diese zifischen Training begonnen worden, sollte Wert
Weise kann sich eine stabile und differen- darauf gelegt werden, im steten Wechsel mental
zierte Vorstellung von der Bewegungsaus- und praktisch zu trainieren.
führung entwickeln. Im Vorfeld des ersten Wettkampfs nach der
Wenn es möglich ist, führt der Sportler Verletzung ist es hilfreich, verschiedene Einzel-
die zu trainierende Zielbewegung im Wechsel techniken so trainiert zu haben, dass sie auf hohem
mental und praktisch durch, sodass der Ab- Fertigkeitsniveau Teil der unmittelbaren Wett-
gleich zwischen Vorstellung und tatsächlicher kampfvorbereitung werden können. In . Abb. 9.7
Bewegung erfolgen kann. sind die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten des
Mentalen Trainings für Einzeltechniken in der Re-
habilitation dargestellt.
Wie oft und in welchem Umfang Mentales Trai- Das Mentale Training für Einzeltechniken in
ning für sportartunspezifische Übungen angewen- der Rehabilitation nach Sportverletzungen wird
det werden sollte, richtet sich in erster Linie nach weitestgehend nach der in 7 Kap. 8 vorgestellten
der psychischen Verfassung, den auftretenden Vorgehensweise durchgeführt. Daher soll hier le-
Schmerzen und der Motivation des Patienten. diglich schematisch der Ablauf dargestellt werden
– mit einigen Ergänzungen zu Besonderheiten bei
Tipp I I der Anwendung in der Rehabilitation nach Sport-
Grundsätzlich sollte ein tägliches Training an- verletzungen.
gestrebt werden, wobei zwei bis drei mentale
Trainingseinheiten pro Tag durchaus angemes-
Ablauf des Mentalen Trainings
sen sind. Die Länge einer Trainingseinheit sollte
für Einzeltechniken
10 Minuten nicht überschreiten. Allgemeiner
Beschreiben der Bewegung
Grundsatz in der frühen Rehabilitation: Qualität Auch bei der Anwendung in der Rehabilitation
vor Quantität. sollte die vom Sportler erstellte Bewegungsbe-
schreibung dem Trainer zur Kontrolle vorgelegt
148 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

Rehabilitation nach
Sportverletzung

. Abb. 9.7 Einsatzmög- Einzeltechnik Wettkampf-


lichkeiten des Mentalen erlernen vorbereitung
Trainings für Einzeltechniken umlernen Motivation fördern
in der Rehabilitation nach
Einzeltechnik Ängste bewältigen/
Sportverletzung (aus Her- Einzeltechnik
stabilisieren abbauen
mann & Eberspächer, 1994) optimieren

werden. Dieses Vorgehen deckt Fehler- und Stör- von vergleichbaren Sportlern (vergleichbare Tech-
quellen frühzeitig auf und verhindert, dass ein nik, vergleichbare Konstitution etc.) eingesetzt
fehlerhafter Bewegungsablauf gelernt wird. werden.
Auch wenn die Bewegung aufgrund der Ver-
letzung, auftretender Schmerzen oder bestehender Tipp I I
Bewegungseinschränkungen noch nicht praktisch Auch bei gesunden Sportlern sollten bewe-
durchgeführt werden kann, sollte sich der Sport- gungsbezogene Videosequenzen regelmäßig
9 ler beim Mentalen Training immer die optimale Bestandteil des Trainings sein – dann steht auch
Zielbewegung vorstellen (selbst wenn zum gegen- nach einer Verletzung geeignetes Videomaterial
wärtigen Zeitpunkt vielleicht noch nicht sicher ist, zur Verfügung.
ob die Bewegung überhaupt wieder durchführbar
sein wird). Hier unterscheidet sich das Vorgehen
vom Mentalen Training der sportartunspezifischen Bei der Videobeobachtung wird der Sportler auf-
Basisbewegungen. Während das Mentale Training gefordert, die Aufnahme intensiv zu betrachten
dort insbesondere zur Bewegungsbahnung einge- und im Anschluss die Bewegung aus der Innen-
setzt wird, gilt es beim Training von Einzeltechni- perspektive unter Einbezug von möglichst viel ki-
ken bereits bestehende (Ziel-)Bewegungsabläufe zu nästhetischer Bewegungsinformation ablaufen zu
stabilisieren. Auch wenn diese Bewegungsabläufe lassen.
unter Umständen neu erlernt werden müssen oder
mussten, sollte immer die optimale Zielbewegung Variieren lassen sich
vorgestellt werden. 4 die Perspektive der Betrachtung (von vorn,
von der Seite, von hinten),
Bewegungsbeschreibung durch 4 die Bewegungsgeschwindigkeit (Realgeschwin-
Videobeobachtung konkretisieren digkeit, Zeitlupe) sowie
und differenzieren 4 der Kontext, in dem die Bewegung stattfindet
Beim Videotraining sollten dem Sportler mehrere (Training, Wettkampf, mit/ohne Gegnerein-
Aufzeichnungen von optimalen Ausführungen der fluss).
Zielbewegung zur Verfügung stehen. Ideal ist es,
> Es ist wichtig, dass keine Videoaufzeichnun-
wenn mehrere Perspektiven (von vorn, von der
gen von Bewegungsfehlern oder von Miss-
Seite, von hinten) betrachtet werden können. Dies
erfolgen betrachtet werden.
erleichtert es dem Sportler, auch in längeren Ver-
letzungspausen eine differenzierte Bewegungsvor- Die Konkretisierung und Differenzierung der Be-
stellung aufrechtzuerhalten. wegungsbeschreibung durch die eigene praktische
Ist vom verletzten Sportler keine Videoauf- Durchführung ist häufig in dieser Phase der Reha-
zeichnung verfügbar, können auch Aufnahmen bilitation noch nicht möglich.
9.2 · Mentales Training in der Rehabilitation nach Sportverletzungen
149 9
Erarbeitung von Knotenpunkten – Befürchtungen konfrontiert. So sorgen sich bei-
Reduzierung der Knotenpunkte auf spielsweise Eiskunstläufer, Tänzer, Turner, Kunst-
Schlagwörter – Rhythmisierung der radfahrer und Rhythmische Sportgymnastinnen
Schlagwörter um ihre Kür oder ihr Programm. Motorsportler
Vergleichbar mit den oben vorgestellten Durch- und Skiabfahrtsläufer sehen entscheidende Nach-
führungsmodalitäten des Mentalen Trainings wer- teile für sich erwachsen, weil sie spezielle Renn-
den die wichtigen Phasen der Bewegung als Kno- strecken verletzungsbedingt nicht häufig genug
tenpunkte festgehalten und symbolisch markiert, trainieren können. Andere Athleten glauben ihre
d. h., sie werden in individuelle Kurzformeln um- Variabilität in Gefahr, weil sie nicht genügend Al-
benannt und dem Bewegungsrhythmus angepasst. ternativen zu ihrem taktischen Standardvorgehen
Auf diese Weise soll die Vorstellung der Dynamik trainieren können, so Kampfsportler oder Sport-
und dem zeitlichen Ablauf der Realbewegung an- ler aus Rückschlagspielen (z. B. Tennis, Squash,
genähert werden. Badminton) oder Spielsportarten (z. B. Fußball,
Handball, Basketball).
Mentales Training
> Das Mentale Training komplexer Bewe-
Beim Mentalen Training ist auf die Intensität und
gungsfolgen bietet die Möglichkeit, Bewe-
Lebhaftigkeit der Vorstellung besonderer Wert zu
gungsabläufe weitgehend verfügbar zu
legen.
erhalten, zu stabilisieren, eventuell sogar
einzelne Anteile zu optimieren. Darüber hin-
Tipp I I aus können Grundlagen für neue komplexe
Eine Einheit des Mentalen Trainings sollte nicht Bewegungen (Entwurf einer neuen Kür, eines
länger dauern als ca. 10 Minuten, da danach neuen Programms, einer neuen Spieltaktik)
erfahrungsgemäß die notwendige Konzentra- gelegt werden.
tion nachlässt. Es ist dann besser, eine größere
Pause von mehreren Stunden einzulegen oder Voraussetzungen und Vorgehensweisen des Men-
erst am nächsten Tag eine weitere Übung talen Trainings komplexer Bewegungsfolgen sind
durchzuführen. Prinzipiell kann dies jedoch identisch mit den bereits für das Training von Ein-
– unter der Voraussetzung regelmäßigen Trai- zeltechniken dargelegten Schritten (7 Kap. 9.2.7).
nierens – der Entscheidung des Rehabilitanden Gerade für verletzte Spielsportler eignet sich
bzw. Sportlers überlassen bleiben. das Mentale Training komplexer Bewegungs-
folgen, um die Taktikvorgaben unter vielfältigen
Bedingungen durchzuspielen oder um neue Tak-
> Eine gute Qualität von bewegungsunter- tikkonzepte zu automatisieren. Wie in ▶ Kap. 8
stützenden Vorstellungen erreicht man am dargestellt, bietet es sich an, verschiedene Kom-
besten im ausgeruhten, frischen Zustand. plexitätsstufen zu trainieren (z. B. Taktik ohne
Gegner, mit passivem Gegnerverhalten, mit akti-
vem Gegnerverhalten, mit aggressivem Gegner-
9.2.8 Praxis des Mentalen Trainings verhalten, mit unterschiedlicher Aufstellung der
komplexer Bewegungsfolgen eigenen und der gegnerischen Mannschaft). Dies
ist gerade für einen verletzten Spielsportler eine
Für viele Sportler ist die Rehabilitationszeit des- unter Umständen entscheidende Hilfe beim Wie-
halb so problematisch, weil sie Sorge haben, dereinstieg in den Trainingsalltag. Er hat dann
sich nach Beendigung des Genesungsprozesses nicht nur das Taktikkonzept gelernt, sondern
nicht mehr in ausreichendem Maß an komplexe durch das Mentale Training kann auch die Auto-
Abläufe, an technisch-taktische Vorgaben und matisierung der Bewegung beschleunigt und ein
Anforderungen zu erinnern und dadurch weit unangemessenes taktisches Verhalten beim Wie-
zurückgeworfen zu werden. In der sportpsycho- dereinstieg in das sportspezifische Training ver-
logischen Praxis wird man häufig mit solchen mieden werden.
150 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

9.2.9 Wirksamkeit des Mentalen bilitation am meisten geholfen habe, nannte die
Trainings in der Rehabilitation schnelle Gruppe vor allem persönliche Verantwor-
nach Sportverletzungen tung, Zielsetzung, soziale Unterstützung, positive
Einstellung und Mentales Training. Die langsamen
Das Mentale Training in der Rehabilitation nach Rehabilitanden empfanden in erster Linie externe
Sportverletzungen bietet somit in allen Rehabili- Maßnahmen wie die Physiotherapie als unterstüt-
tationsphasen (. Abb. 9.3) dem verletzten Sportler zend. Sie äußerten zudem die Meinung, dass sie
die Möglichkeit, die Rehabilitationszeit aktiv zur ohnehin kaum selbst Einfluss auf ihre Genesung
Aufrechterhaltung der eigenen Leistungsfähigkeit nehmen könnten, und gaben im Vergleich zur
zu nutzen. Darüber hinaus sind die oben beschrie- schnellen Gruppe auch eine stärkere Angst vor
benen Begleiteffekte hinsichtlich der Emotionsbe- Wiederverletzung an.
wältigung (z. B. Umgang mit Ängsten, systemati- Marcolli (2001, 2002) untersuchte in seinen
sche Desensibilisierung; s. oben) sowie der Mo- Studien den Stellenwert und den Nutzen eines psy-
tivationsförderung nicht zu unterschätzen. Dies chologischen Trainingsprogramms (u. a. Mentales
bestätigen auch die Ergebnisse mehrerer Untersu- Training) in der Rehabilitation nach Sportverlet-
chungen. zungen.
An seiner Längsschnittuntersuchung (Mar-
Studien colli, 2001) nahmen 40 verletzte Sportler teil.
Ievleva und Orlick (1991) untersuchten mit qua- Die Probanden wurden in zwei Gruppen – eine
litativen (retrospektive Interviews) und quantita- Interventions- und eine Kontrollgruppe – zu je
9 tiven Methoden (Fragebogen) 32 knöchel- oder 20 Personen eingeteilt. Alle Probanden litten un-
knieverletzte Athleten mit einer durchschnittli- ter Kreuzband-, Patellarsehnen-, Achillessehnen-
chen Genesungszeit von ca. zehn Wochen auf oder Schulterverletzungen und waren operiert
ihre psychologischen Strategien während der Re- worden. Die Rehabilitationsdauer betrug zwischen
habilitation. Sie teilten die Athleten drei Gruppen sechs und acht Monate. Beide Gruppen erlebten
zu: Komplikationen oder Rückschläge, dennoch war
4 schnelle Rehabilitanden (bis zu fünf Wochen die Dauer der Rehabilitation bei der Interventi-
Genesungszeit), onsgruppe geringer als bei der Kontrollgruppe.
4 mittelschnelle Rehabilitanden (fünf bis zwölf Bei einer Verletzung des vorderen Kreuzbandes
Wochen Genesungszeit) und betrug sie in der Interventionsgruppe im Durch-
4 langsame Rehabilitanden (mehr als zwölf schnitt 27,61 Wochen, bei der Kontrollgruppe
Wochen Genesungszeit). 33,53 Wochen.
Darüber hinaus ergab diese Untersuchung,
Auch wenn man bei den folgenden Ergebnissen dass eine psychologisch unterstützte Rehabilita-
die Einschränkung machen muss, dass Perso- tion die medizinische Heilung beschleunigen, den
nen mit kürzerer Rehabilitationszeit retrospektiv Wiedereinstieg in den Wettkampfalltag erleichtern
vieles positiver sehen als jene, die eine längere und angstbedingten Leistungshemmungen oder
Genesungsphase zu durchleben hatten, so sind gar vorzeitigen Karriereabbrüchen entgegenwirken
die Resultate in ihrer Tendenz doch beachtens- kann (Marcolli, 2001).
wert. Bei der Folgeuntersuchung im Jahr 2002 galt
Im Bereich des positiven Selbstgesprächs und das Interesse der Frage, wie die betroffenen Ath-
der realistischen Zielsetzung wichen die Gruppen leten die psychologische Unterstützung rückbli-
statistisch bedeutsam voneinander ab: Diese bei- ckend beurteilten. 20 Athleten, die ein sportpsy-
den Faktoren waren bei den schnellen Rehabili- chologisch begleitetes Rehabilitationsprogramm
tanden am stärksten ausgeprägt. Zusätzlich unter- durchlaufen hatten, wurden in einer retrospekti-
schied sich die schnelle von der langsamen Gruppe ven Nachuntersuchung nach Abschluss ihrer Re-
durch die konsequente Anwendung des Mentalen habilitation abermals befragt. Dabei zeigte sich,
Trainings. Auf die Frage, was ihnen in der Reha- dass Athleten die psychologischen Trainingsfor-
9.3 · Mentales Training in der neurologischen und orthopädischen Rehabilitation
151 9
men und damit auch das Mentale Training als 9.3 Mentales Training in der
umso wertvoller einschätzten, je ambitionierter neurologischen und ortho-
sie ihren Sport betrieben. Profis gewichteten den pädischen Rehabilitation
Nutzen der psychologischen Intervention wäh-
rend der Rehabilitation als nahezu gleichwertig Der vielversprechende Einsatz des Mentalen Trai-
zur Physiotherapie und behielten etliche Elemente nings in der Rehabilitation nach Sportverletzun-
des Mentalen Trainings auch nach Abschluss der gen führt zu der Frage, ob Mentales Training auch
Rehabilitation bei. in der Rehabilitation von Nichtsportlern sinnvoll
einsetzbar ist.
Zusammenfassung der Ergebnisse. Die wich- In der Rehabilitation verletzter Spitzensportler
tigsten Resultate der beschriebenen Studien lassen wird das Mentale Training mit nahezu densel-
sich wie folgt zusammenfassen: ben Durchführungsmodalitäten angewandt wie im
4 Im Rahmen der Rehabilitation nach Hochleistungssport. Ausgangsbasis für diese Über-
Sportverletzungen zeichnen sich schnelle tragbarkeit ist die Äquivalenz der zu trainierenden
Rehabilitanden durch positive Selbstge- Bewegungen, einer sportartspezifischen Bewegung
spräche, eine realistische Zielsetzung und auf hohem bis höchstem technischem Niveau, wie
die regelmäßige Anwendung des Mentalen auch die Äquivalenz der Anwender, nämlich be-
Trainings aus. Die Gruppe der langsamen wegungserfahrene und bewegungsspezialisierte
Rehabilitanden empfand eher äußere Fak- Spitzensportler.
toren (Physiotherapie) als gesundheitsför- Der Versuch, ein im Hochleistungssport zur
dernd. Bewegungsoptimierung etabliertes Verfahren in
4 In der Rehabilitation (nach Kreuzband-, die außersportliche Rehabilitation zu transferie-
Patellarsehnen-, Achillessehnen- oder ren, muss an vielerlei Modifikationen gebunden
Schulterverletzungen mit anschließender sein. Diese Modifikationen orientieren sich haupt-
Operation) konnte die Rehabilitations- sächlich am Anwender des Verfahrens, in diesem
dauer durch ein psychologisches Trainings- Fall am Patienten. So sind die Patienten in der
programm (u. a. Mentales Training) im außersportlichen Rehabilitation in der Regel keine
Vergleich zu einer Kontrollgruppe deutlich Bewegungsspezialisten, vielmehr sind sie körper-
reduziert werden. lich häufig stark eingeschränkt (unter Umständen
4 Außerdem ergab die Untersuchung von mehrfach erkrankt) und sollen keine sportspe-
Marcolli (2001), dass der Wiedereinstieg in zifischen Bewegungen, sondern Bewegungen zur
den Wettkampfalltag durch das psychologi- Bewältigung des Alltags trainieren.
sche Trainingsprogramm erleichtert wurde.
> Vom Hochleistungssportler unterscheidet
4 Die psychologischen Trainingsformen
sich der Rehabilitationspatient insbesondere
wurden als umso wertvoller eingeschätzt,
durch
je ambitionierter die Sportler ihren Sport
4 seine meist schlechtere körperliche Ver-
betrieben.
fassung,
Fazit 4 sein geringeres Bewegungswissen,
4 seine geringere Bewegungserfahrung.
Es ist deutlich geworden, dass der Einsatz von
Mentalem Training in der Rehabilitation nach
Sportverletzungen ein effektives Verfahren zur Be- Rehabilitationspatienten sind Menschen, die häufig
wegungsoptimierung darstellt, das darüber hinaus aufgrund chronisch-degenerativer Erkrankungen
die psychischen Belastungsreaktionen positiv be- operiert wurden oder an einer solchen Erkrankung
einflusst (vgl. Schwab Reese, Pittsinger & Yang, leiden, vielfach verbunden mit Komorbiditäten.
2012). Damit trägt es dazu bei, die Rehabilitations- Auch der Rehabilitationspatient soll in der Reha-
zeit zu verkürzen und den Wiedereinstieg in den bilitation häufig Bewegungen wiedererlernen oder
Trainings- und Wettkampfalltag zu erleichtern. umlernen, die ihm den Alltag oder den Wiederein-
152 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

stieg ins Berufsleben erleichtern. Diese Bewegun- gie nach, wobei in den letzten Jahren besonders
gen – z. B. die Gehbewegung – sind in der Regel das Salutogenesemodell von Antonovsky (1997)
hoch automatisiert, und der Patient kann ihren einen entscheidenden Perspektivenwechsel herbei-
technischen Ablauf häufig nicht ohne Weiteres geführt hat. Das Modell orientiert sich an den
nachvollziehen: Auf die Frage, wie denn richtiges Faktoren, die erklären, was den Menschen gesund
Gehen funktioniere, antworten die Patienten oft erhält. Insofern ist es eine Ergänzung zu der sonst
mit »Ein Bein nach dem anderen«, »Links, rechts« üblichen pathogenetischen Perspektive, die eher
oder »Einfach vor«. Im Vergleich zum Hochleis- die Ursachen und Risikofaktoren von Krankheiten
tungssportler – einem Bewegungsexperten – ist in den Mittelpunkt rückt.
der Rehabilitationspatient relativ unwissend, was Die Antwort auf die Frage, was den Menschen
seine Bewegung angeht und verlässt sich auf einge- gesund erhält, liegt dem Salutogenesemodell zu-
schliffene Automatismen, ohne sich Gedanken folge in einem personeninternen Konstrukt, das
über die Bewegungsausführung zu machen. Dabei Antonovsky »Kohärenzsinn« oder »-gefühl« (sense
sind diese Bewegungen oft aufgrund von jahrelan- of coherence) genannt hat. Dieser Kohärenzsinn
ger Vorschädigung und entsprechenden Schmer- wird aus drei Faktoren gebildet:
zen verlernt oder durch Schonhaltungen ersetzt 4 dem Gefühl der Verstehbarkeit (»sense of com-
worden, und der Rehabilitand muss sie teilweise prehensibility«; erklärt, inwieweit ein Mensch
sogar erst (wieder-)erlernen. die Situation, in der er sich befindet, einord-
Nun stellt sich generell die Frage, ob sich ein nen und verstehen kann),
Mensch Bewegungen (hier: Schon- oder Fehlhal- 4 dem Gefühl der Handhabbarkeit (»sense of
9 tungen), die er sich über Jahre hinweg antrainiert manageability«; erklärt, inwieweit jemand ei-
hat, überhaupt während einer kurzen stationä- geninitiativ mit einer Situation umgehen kann,
ren oder ambulanten Rehabilitationsmaßnahme ob Handlungsoptionen bestehen und auch
abgewöhnen kann und ob die erwünschten Be- erkannt bzw. genutzt werden) und schließlich
wegungsmuster so schnell erlernt und stabilisiert 4 dem Gefühl der Bedeutsamkeit oder Sinn-
werden können. haftigkeit (»sense of meaningfulness«), dem
motivationalen Element des Konstrukts, das
> Von zentraler Bedeutung für die Effektivität
schließlich handlungsveranlassend wirkt und
der Rehabilitation ist die Forderung, dass die
in der Regel ein ausgeprägtes Gefühl der Ver-
Therapie über den Zeitraum der Rehabilitati-
stehbarkeit und Handhabbarkeit voraussetzt.
onsmaßnahme hinaus wirken muss.

In der Rehabilitation muss der Patient mit Kompe-


tenzen ausgestattet werden, die dann in seinem hei- Der Prozess der Motivation (nach Rhein-
mischen Kontext langfristig und kontinuierlich um- berg, 2000)
gesetzt werden und zu einem nachhaltigen Rehabi- Das Salutogenesemodell integriert mehrere
litationsergebnis beitragen. Daraus ergeben sich Konstrukte, die mit einer nachhaltigen, gesund-
Bedingungen für die Therapiegestaltung: So muss heitsförderlichen Eigenleistung in Verbindung
der Patient aktiv in den therapeutischen Prozess gebracht werden. Am deutlichsten lässt sich
einbezogen werden. Dazu muss er verstehen, wa- dies anhand des kognitiven Motivationsmodells
rum welche Maßnahmen durchzuführen sind. Er nach Rheinberg (2000) darstellen. Die kognitive
muss außerdem selbstständig und ohne therapeuti- Psychologie erklärt den Motivationsprozess (der
sche oder institutionelle Hilfe und Unterstützung letztlich jeder Eigenleistung zugrunde liegen
entsprechende Maßnahmen durchführen können, muss) im Rahmen eines Pfadmodells. Dabei
und schließlich muss er motiviert sein, dies auch werden verschiedene Erwartungen unterschie-
aus eigenem Antrieb im heimischen Kontext zu tun. den, die letztlich erfüllt sein müssen, damit
Der Frage, wie gesundheitsförderliches Ver- Motivation zur Handlung entsteht:
halten nachhaltig aufgebaut werden kann, gehen 6
verschiedene Modelle der Gesundheitspsycholo-
9.3 · Mentales Training in der neurologischen und orthopädischen Rehabilitation
153 9

Situations-Ergebnis-Erwartung nach zur eigeninitiativen Handlungsveranlassung


Zunächst muss eine positive Situations-Ergeb- die stabile Erwartung aufgebaut sein, mit der
nis-Erwartung vorliegen. Diese Erwartung kann erlernten Technik auch sicher eine Treppe hinauf-
weitestgehend mit dem Konstrukt Optimismus oder hinabsteigen zu können.
(nach Scheier & Carver, 1985) gleichgesetzt wer-
den. Scheier und Carver definieren Optimismus Situations-Handlungs-Erwartung
als eine stabile und generalisierte Erwartung Die Kontrollüberzeugung muss außerdem mit
positiver Ereignisse. Damit erwarten Optimisten einer positiven Situations-Handlungs-Erwar-
grundsätzlich eher positive Ergebnisse (zu- tung einhergehen, die nach Schwarzer (1996)
nächst unabhängig von der eigenen Handlung). mit der Kompetenzüberzeugung (Bandura,
In der orthopädischen Rehabilitation nach Hüft- 1977) gleichzusetzen ist. Die Kompetenzüber-
totalendoprothese (Hüft-TEP) beispielsweise zeugung bezieht sich auf die wahrgenommene
zeichnen sich optimistische Patienten durch die Überzeugung, eine verfügbare Handlung auch
Erwartung aus, dass sie in naher Zukunft ihren in einer ganz bestimmten Situation durchzu-
Alltag, z. B. das Treppensteigen, wieder bewälti- führen. Am Beispiel des Hüftpatienten könnte
gen können. dies die Überzeugung sein, eine ganz be-
stimmte Treppe, ohne Geländer bei bestimm-
Ergebnis-Folge-Erwartung ten Bedingungen (z. B. bei Nässe, im Regen) mit
Außerdem muss eine positive Ergebnis-Folge- der verfügbaren Technik sicher hinauf- und
Erwartung vorliegen. Diese kann auch als hinabsteigen zu können.
»Instrumentalität« (Vroom, 1964) bezeichnet In der Terminologie von Antonovsky
werden und drückt die Erwartung aus, dass (1997) könnten diese letzten beiden Erwar-
ein Handlungsergebnis zu den erwünschten tungen auch als Gefühl der Handhabbarkeit
Handlungsfolgen führt. Hüft-TEP-Patienten mit interpretiert werden. Sind Verstehbarkeit und
positiv ausgeprägter Instrumentalität zeichnen Handhabbarkeit (oder die vier hier genannten
sich durch die Erwartung aus, dass die Ergeb- Erwartungen) erfüllt, ist nach dem kognitiven
nisse der Kräftigungs- und Koordinationsübun- Motivationsmodell (Rheinberg, 2000) eine
gen auch eine bessere Bewältigung des Alltags Motivation zur entsprechenden gesundheitsför-
– hier leichteres Treppensteigen – nach sich dernden Eigenleistung vorhanden, was in der
ziehen werden. Terminologie von Antonovsky (1997) auch als
In der Terminologie Antonovskys (1997) Gefühl der Bedeutsamkeit bezeichnet werden
könnten diese beiden Erwartungen auch als könnte (. Abb. 9.8).
Gefühl der Verstehbarkeit interpretiert werden.

Handlungs-Ergebnis-Erwartung
Des Weiteren muss zur Handlungsveranlassung Situation
eine positive Handlungs-Ergebnis-Erwartung vor- Selbstwirksamkeit
liegen, was nach Schwarzer (1996) dem Konstrukt
der Kontrollüberzeugung nach Rotter (1971) ent- Handlung Optimismus
spricht. Rotter (1971) spricht von »Kontrollüber- Kontrolle
zeugung«, wenn eine Person stabile Erwartungen
Ergebnis
im Hinblick auf Zusammenhänge zwischen Hand-
lung und Handlungskonsequenzen entwickelt. Instrumentalität
Bezogen auf das Beispiel des Hüftpatienten, der Folgen
selbstständig Treppen steigen soll, muss dem-
6 . Abb. 9.8 Erweitertes kognitives Motivationsmodell (nach
Heckhausen, 1980; zit. nach Rheinberg, 1997/2000)
154 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

Für die therapeutische Praxis bedeutet dieser tiativen Umsetzung des Mentalen Trainings auch
Ansatz, dass therapeutische Verfahren erst dann außerhalb des therapeutischen Kontextes führen.
nachhaltig wirken, wenn die therapeutische In- Wird der Patient zu dieser eigeninitiativen Anwen-
tervention für den jeweiligen Patienten versteh- dung des Verfahrens motiviert, erlebt er das Men-
bar, handhabbar und bedeutsam ist. Es erscheint tale Training als bedeutsam bzw. sinnhaft.
plausibel, dass gerade das Mentale Training diesen Noch ist die praktische Anwendung des Men-
Ansprüchen gerecht werden kann und somit eine talen Trainings in der neurologischen und beson-
sinnvolle Ergänzung der Therapieverfahren dar- ders in der orthopädischen Rehabilitation nicht
stellt, mit dem Ziel, eine überdauernde Eigeniniti- ausreichend etabliert (Dickstein & Deutsch, 2007;
ative aufzubauen. Malouin, Jackson & Richards, 2013). In den letz-
ten Jahren wurden jedoch vermehrt Durchfüh-
Verstehbarkeit. Ziel des Mentalen Trainings ist rungsmodalitäten des Mentalen Trainings in der
der Aufbau einer angemessenen Bewegungsvor- Rehabilitation hinsichtlich Effektivität und Effizi-
stellung, die über regelmäßiges und systematisches enz untersucht. Zudem belegen neuere Studien,
Training zu einer differenzierten und stabilen Be- dass auch ältere Personen Mentales Training ef-
wegungsrepräsentation führen soll. Beim Aufbau fektiv durchführen können (Saimpont et al.,
der Bewegungsvorstellung spielt die Wahrnehmung 2013). Erst ab einem Alter von 70 Jahre und älter
der Bewegung (Bewegungsgefühl) eine entschei- reduziert sich die Qualität der Vorstellungsfähig-
dende Rolle. Dies bedeutet, dass Mentales Training keit, was nach Schott (2012) eng mit der Leis-
im Erleben des Patienten, d. h. ausschließlich in tungsfähigkeit Arbeitsgedächtnis zusammenzu-
9 der Wirklichkeit des Patienten stattfindet. Der Pa- hängen scheint.
tient erfährt, dass das Therapieverfahren Mentales In der Regel ist die Optimierung von Alltags-
Training nur durch seine eigene Aktivität lebt – er bewegungen hier Gegenstand des Trainings. Die
muss seine Ansichten und Gefühle, also sein Erle- funktionale Äquivalenz der praktischen Durch-
ben, einbringen und zum Therapiegegenstand ma- führung und Vorstellung von Alltagsbewegun-
chen. So wird Mentales Training für den einzelnen gen wurde bereits untersucht: In einer Studie von
Patienten verstehbar. Szameitat et al. (2006) sollten 15 Versuchsperso-
nen Alltagsbewegungen der oberen Extremitäten
Handhabbarkeit. Da beim Mentalen Training (wie z. B. Essen und Trinken) und des ganzen
Bewegungsvorstellungen eine entscheidende Körpers (wie z. B. Schwimmen) mental trainieren.
Rolle spielen, merkt der Patient, dass sein Erle- Während des Vorstellungstrainings wurden fMRT-
ben und seine Wirklichkeit Austragungsort und Scans der Versuchspersonen angefertigt. Es konn-
damit Mittelpunkt des Therapieverfahrens sind ten die gleichen Aktivierungsmuster festgestellt
und er eigenverantwortlich die Ziele der Therapie werden wie bei den bekannten Untersuchungen
bestimmt. Indem es den Patienten zu frühem ei- zu weniger komplexen Bewegungen, z. B. Finger-
genverantwortlichem Handeln anregt und ihm die Tapping-Übungen (7 Kap. 6).
Möglichkeit bietet, auch außerhalb von Therapie, Diese ersten Hinweise auf eine funktionale
Therapeuten und Institutionen zu trainieren, trägt Äquivalenz der praktischen Durchführung und
Mentales Training entscheidend dazu bei, dass sich Vorstellung von Alltagsbewegungen deuten darauf
der Patient vom therapeutischen Kontext unab- hin, dass das Mentale Training auch für die au-
hängig und als verantwortlich für die eigene Sache ßersportliche Rehabilitation, in der das (Wieder-)
erlebt. Das Gefühl der Handhabbarkeit zeigt sich Erlernen von Alltagsbewegungen im Vordergrund
in der Erfahrung des Patienten, eigeninitiativ am des therapeutischen Interesses steht, eine vielver-
eigenen Ziel arbeiten zu können. sprechende Therapieform sein dürfte.
Im Folgenden sollen die bislang erprobten An-
Bedeutsamkeit. Letztlich soll das Erleben von wendungsmöglichkeiten des Mentalen Trainings
Verstehbarkeit und Handhabbarkeit im Umgang in der neurologischen und orthopädischen Re-
mit dem Mentalen Training zur weiteren eigenini- habilitation dargestellt werden. Zunächst werden
9.3 · Mentales Training in der neurologischen und orthopädischen Rehabilitation
155 9
jeweils das Krankheitsbild an sich und die daraus 2005, S. 1133) und ist in den Industrieländern
resultierenden Schwierigkeiten der Bewegungsop- die dritthäufigste Todesursache. In Deutschland
timierung in der Rehabilitation geschildert, bevor sind jährlich ca. 150.000–200.000 Menschen
das jeweilige Vorgehen sowie die zu erwartende von einem Schlaganfall betroffen (Diener et al.,
Wirkung beschrieben werden. 2004).
Die Folgen eines Schlaganfalls sind abhängig
von der Hirnregion, in der er auftritt, und vom
9.3.1 Mentales Training in der Ausmaß der Zerstörung von Hirngewebe. Meis-
neurologischen Rehabilitation tens treten jedoch zentralmotorische Ausfälle auf,
die sich in einer Lähmung einer Körperhälfte (He-
Schwerpunkt Schlaganfall. Bei der neurologi- miparese), der unteren Extremitäten (Paraparese),
schen Rehabilitation liegt der Schwerpunkt der An- aller Gliedmaßen (Tetraparese) oder einer einzel-
wendung des Mentalen Trainings in der Therapie nen Extremität (Monoparese) widerspiegeln kön-
nach Schlaganfall. Hier gibt es vielfältig erprobte nen. Weiterhin kann es zu Störungen der Merkfä-
Umsetzungsmöglichkeiten und entsprechend viele higkeit, zu Sprach-, Sprech- und Wahrnehmungs-
Evaluationsstudien, die die Wirksamkeit des Men- störungen, Persönlichkeitsveränderungen sowie zu
talen Trainings grundsätzlich bestätigen und be- psychosozialen Störungen kommen (Diener et al.,
stimmte Anwendungsbedingungen untersuchen. 2004).
Daneben wurde Mentales Training im Kontext ei- Das Hauptziel bei der Rehabilitation von
niger weiterer Erkrankungen thematisiert, für die Schlaganfallpatienten ist, die gestörten motori-
in der Regel weit weniger Untersuchungen und schen Funktionen so gut wie möglich wiederher-
Evaluationsstudien vorliegen. zustellen, um die Alltagskompetenz des Patienten
aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen.
Weitere Einsatzgebiete. Im Abschnitt »Weitere
neurologische Krankheitsbilder« werden die Mög- > Die Therapie sollte möglichst früh nach Auf-
lichkeiten einer wirksamen Anwendung des Men- treten des Schlaganfalls beginnen, denn die
talen Trainings bei Störung der motorischen Funktion führt zu
4 motorischer Ungeschicklichkeit (Developmen- einem weiteren Nichtgebrauch, der entspre-
tal Coordination Disorder; DCD), chend ungünstige neuronale Folgen nach
4 komplexem regionalem Schmerzsyndrom sich zieht.
(CRPS; Morbus Sudeck),
4 Morbus Parkinson Allerdings ist entgegen der weitverbreiteten An-
4 Chorea Huntington und nahme, dass drei bis sechs Monate nach dem
4 multipler Sklerose Schlaganfall kaum noch Steigerungen der moto-
diskutiert. rischen Kompetenz möglich sind, heute bekannt,
dass auch Patienten, die erst in einer späteren
Schlaganfall Phase der Krankheit rehabilitative Maßnahmen
Unter der Bezeichnung »Schlaganfall« werden fol- erhielten, deutliche Verbesserungen in der Bewäl-
gende Schädigungen subsumiert: tigung der Alltagstätigkeiten und in der Gehleis-
4 zerebraler Insult, tung vorweisen konnten (Hummelsheim & Haupt-
4 Apoplexie, mann, 1998).
4 Hirnschlag, Die therapeutischen Maßnahmen können sich
4 Hirninfarkt. aus diversen physiologischen, psychologischen
und medikamentösen Komponenten zusammen-
Der Schlaganfall ist ein »akut oder perakut auf- setzen. Grundsätzlich können Ansätze aus den in
tretendes klinisches Syndrom mit zentralneuro- der Übersicht im 7 Kasten gelisteten Therapiever-
logischen Ausfällen, verursacht durch eine zereb- fahren zur Anwendung kommen.
rale Durchblutungsstörung oder Blutung« (Berlit,
156 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

stellen, über Jahre hinweg intakt bleibt. Es wird je-


Therapieverfahren nach Schlaganfall doch bei bestimmten Läsionen (Johnson-Frey,
4 Krankengymnastik/Physiotherapie 2004) auch Gegenteiliges berichtet, sodass die Frage,
4 Ergotherapie ob der Einsatz des Mentalen Trainings eine sinn-
4 Medikamentöse Behandlung volle Therapieform darstellt, nur in Abhängigkeit
4 Biofeedback vom betroffenen Areal beantwortet werden kann
4 Logotherapie (vgl. De Vries & Mulder, 2007; Braun et al. 2013).
4 Funktionale elektrische Stimulation
4 Psychologische Betreuung Ist Mentales Training in der Rehabilitation
nach Schlaganfall ein wirksames Therapie-
verfahren?
Wie bereits erwähnt, gibt es zahlreiche Studien Viele Studien beschäftigen sich anwendungsorien-
und Berichte zur Anwendung und Wirksamkeit tiert mit der Wirksamkeit des Mentalen Trainings
von Mentalem Training in der Rehabilitation von in der Rehabilitation nach Schlaganfall. Hierbei
Schlaganfallpatienten. Allgemein lassen sich zwei wird in der Regel ein Kombinationsverfahren aus
Gruppen von Studien mit unterschiedlichem Un- praktischem Training und Mentalem Training
tersuchungsziel unterscheiden (. Tab. 9.2): durchgeführt. Man kann unterscheiden zwischen
4 Studien, die die Voraussetzungen für die 4 Studien, die sich mit der Bewegungsoptimie-
Durchführung von Mentalem Training bei rung der unteren oder der oberen Extremitäten,
Schlaganfallpatienten untersuchen, und 4 Studien, die sich mit der Verbesserung der all-
9 4 Studien, die die Wirksamkeit des Mentalen gemeinen Alltagskompetenz und
Trainings in der Rehabilitation von Schlagan- 4 Studien, die sich mit dem Einsatz von interak-
fallpatienten prüfen. tiven Technologien in der Rehabilitation
auseinandergesetzt haben (. Tab. 9.2).
Ist Mentales Training bei Schlaganfall- Die gemeinsame Erkenntnis der Studien zur
patienten überhaupt durchführbar? Bewegungsoptimierung der oberen Extremitä-
Zur Klärung dieser Fragestellung wird untersucht, ten ist, dass vier- bis sechswöchige Trainingspro-
ob sich Schlaganfallpatienten überhaupt Bewegun- gramme, die Mentales Training mit praktischem
gen vorstellen können, die sie selbst nicht mehr Training kombinieren, zu einer Verbesserung der
auszuführen vermögen. Dazu wird z. B. geprüft, Bewegungsfähigkeiten (z. B. Greifstärke, Linien
ob der Patient eine auf einem Bildschirm präsen- zeichnen, Arm- und Handgelenksbewegungen)
tierte Hand nach ihrer Seitigkeit (rechts oder links) führt. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen,
bewerten und bestimmte Bewegungsmuster antizi- in welcher Phase nach dem Schlaganfall sich die
pieren kann (z. B. eine dargestellte Stange auf eine Patienten befinden: Mentales Training erwies sich
bestimmte Art und Weise – Kammgriff oder Rist- sowohl in der Phase, in der sich die Patienten noch
griff – zu greifen). Bei derartigen Tests wird postu- im Krankenhaus befinden (Liu et al., 2004), als
liert, dass die Probanden eine Bewegungsvorstel- auch in der akuten Phase des Schlaganfalls (unter
lung entwickeln und anwenden (Johnson, 2000). einem Jahr; Page et al., 2001a, 2001b; Crosbie et al.,
Einige der Studien konnten nachweisen, dass 2004) sowie bei chronischen Hemiplegikern (über
die Patienten nach einem Schlaganfall durchaus in ein Jahr nach dem Schlaganfall; Stevens, 2003;
der Lage sind, sich Bewegungen mit ihren einge- Page, 2000; Dijkerman et al., 2004) als erfolgreich.
schränkten Extremitäten vorzustellen (Decety & Auffallend ist, dass sich die Art und Weise
Boisson, 1990). Diese Vorstellungsfähigkeit bleibt der Vorstellungsgenerierung sowie die Durch-
sowohl in der akuten Phase des Schlaganfalls als führungsmodalitäten des Mentalen Trainings bei
auch bei chronischen Ausprägungen des Schlagan- diesen Studien teilweise deutlich voneinander un-
falls bestehen (Johnson-Frey, 2004). So konnten terscheiden. Es fällt schwer, eine einzige Methode
Sirigu et al. (1996) zeigen, dass die Fähigkeit, sich zu favorisieren, deshalb sollen im Folgenden ver-
Bewegungen von gelähmten Körperteilen vorzu- schiedene Methoden vorgestellt werden.
9.3 · Mentales Training in der neurologischen und orthopädischen Rehabilitation
157 9

. Tab. 9.2 Forschungsgebiete und -ziele bei der Anwendung von Mentalem Training bei Schlaganfallpatienten

Forschungsziel Untersuchungsgegenstand Studien

Prüfung der Voraussetzungen Fähigkeit zur Bewegungsvorstellung Decety & Boisson (1990)
von Mentalem Training Johnson (2000)
Sabate et al. (2004)
Johnson et al. (2002)
Johnson-Frey (2004)
Malouin et al. (2004a)
Tomasino et al. (2003)

Quantifizierung der Wirksamkeit Bewegungsverbesserung (obere Extre- Crosbie et al. (2004)


des Mentalen Trainings mitäten) Dijkerman et al. (2004)
Miltner et al. (2000)
Page (2000)
Page et al. (2001a, 2001b)
Stevens & Stoykov (2003)
Yoo et al. (2001)
Riccio et al. (2010)
Page et al. (2011)
Timmermans et al. (2013)
Liu, Song & Zhang (2014)
De Vries et al. (2011)

Bewegungsverbesserung (untere Extre- Dickstein et al. (2004)


mitäten) Jackson et al. (2004)
Malouin et al. (2004b)
Hwang et al. (2010)
Cho et al. (2013)

Verbesserung der Alltagskompetenz Liu et al. (2004)


Guttman et al. (2012)

Verbesserung des Umgangs mit inter- Gaggioli et al. (2004)


aktiven Technologien Morganti et al. (2003)

Studien Zur Generierung der Vorstellung einer Greif-


Miltner et al. (1999) versuchten bei der Entwick- bewegung wurde die spiegeltherapeutische Me-
lung eines kognitiven Therapieansatzes zur Bewe- thode gewählt (7 Kap. 9.2.6): Der Patient saß an
gungsoptimierung bei zentral gelähmten Patienten einem Tisch, auf dem ein Spiegel rechtwinklig zum
(Hemiparetikern), die Repräsentation der Bewe- Körper des Patienten so aufgebaut wurde, dass der
gung mittels der Bewegungsvorstellung zu aktivie- Patient nur seinen gesunden Arm sehen konnte.
ren. Dabei muss berücksichtigt werden, dass bei Wenn er bei Greifbewegungen der gesunden Seite
Hemiparetikern die Bewegungsrepräsentation oft in den Spiegel sah, hatte er den Eindruck, dass sein
schon seit Jahren durch die erfahrene Einschrän- paretischer Arm sich ebenfalls bewegte. Zusätzlich
kung ungünstig beeinflusst wurde. Ziel des Menta- zu diesem visuellen Stimulus erfuhr der Patient
len Trainings ist die Veränderung der vorhandenen einen taktil-kinästhetischen, propriozeptiven Sti-
Bewegungsrepräsentation der paretischen Seite in mulus auf der betroffenen Seite: Der Arm wurde
Richtung auf normales Bewegen. Dazu wurde von zeitgleich zur Bewegung des gesunden Armes vom
Miltner et al. (1999) ein kognitives Therapiemo- Therapeuten bewegt, sodass das visuelle Feedback
dell entwickelt, bei dem Verfahren des räumlich- und die propriozeptive Information des betrof-
bildhaften und des kinästhetischen Ansatzes zur fenen Armes gleichgeschaltet wurden. Zusätzlich
Vorstellungsgenerierung kombiniert wurden. zur Spiegeltherapie wurde die Greifbewegung der
158 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

gesunden oberen Extremität gefilmt, sodass der (hier: der Greifbewegung) vom Therapeuten vorge-
Patient im Video seinen betroffenen Arm sah, der lesen wurde. Auch sie berichten, bezogen auf die zu
sich ganz normal bewegte. trainierende Bewegungsaufgabe, von positiven Er-
Der Patient wurde nun angewiesen, sich die Be- gebnissen des Mentalen Trainings. Bei Stevens und
wegung seines paretischen Arms einschließlich der Stoykov (2003) und bei Crosbie et al. (2004) wurden
propriozeptiven Eindrücke besonders aufmerksam die – durch eine andere Person ausgeführten – Ziel-
vorzustellen bzw. nachzuempfinden, während er bewegungen per Video vorgespielt. Die Probanden
die Greifbewegung im Videofilm betrachtete. Über erhielten die Aufgabe, nach jeder gezeigten Bewe-
eine Videodarstellung, verbunden mit propriozep- gung sich diese mental vorzustellen. Bei Crosbie et
tiven Eindrücken, wurde also versucht, die Vorstel- al. (2004) sollten sie die Bewegung zusätzlich auch
lungsgenerierung unter Einbezug kinästhetischer praktisch mit der nicht betroffenen Seite durchfüh-
Bewegungsinformationen zu provozieren. ren, bei Stevens und Stoykov (2003) mittels Spiegel-
Miltner et al. (2000) konnten in einer Stu- therapie die Bewegung des nicht betroffenen Armes
die zur Wirksamkeit des Mentalen Trainings in nachvollziehen. Auch in diesen beiden Studien wur-
der neurologischen Rehabilitation Verbesserungen den positive Ergebnisse hinsichtlich der optimierten
in mehreren klinischen Parametern nachweisen, Durchführung der Zielbewegung berichtet.
insbesondere eine funktionelle Verbesserung der Braun et al. (2008) entwickelten ein Stufenmo-
Greifbewegung. Die Ergebnisse der Studie unter- dell zur Anwendung des Mentalen Trainings in der
stützen die Hypothese, dass eine kognitive Thera- Rehabilitation nach Schlaganfall:
pie bei Patienten mit neurologischen Erkrankun- 1. Assess mental capacity (Klären, ob der Patient
9 gen durchaus einen wertvollen Beitrag zur neuro- physiologisch/anatomisch zum Mentalen Trai-
logischen Rehabilitation leisten kann. ning in der Lage ist)
Page (2000; auch Page et al., 2001a, 2001b, 2012) 2. Establish nature of mental practice (Erklären,
versuchte, die Bewegungsvorstellung durch An- was Mentales Training ist und wie es dem Pa-
weisungen auf einem Audiotape zu entwickeln. tienten helfen könnte)
Diese Anweisungen lauteten beispielsweise: »Stel- 3. Teach imagery technique (Vermitteln des
len Sie sich vor, Sie greifen nach einer Tasse auf Mentalen Trainings)
dem Tisch«, »Fühlen Sie, wie Ihr Arm und Ihre 4. Embed and monitor (Einbetten des Mentalen
Finger sich strecken, wenn Sie nach der Tasse grei- Trainings in andere Verfahren, z.B. im Wech-
fen« (Page et al., 2001a). sel mit praktischem Training)
Die Aufgaben, die die Probanden erfüllen muss- 5. Develop self-generated treatments (Zu eigen-
ten, variierten von Woche zu Woche. So mussten sie initiativem Trainieren anregen)
z. B. in der ersten Woche eine Tasse greifen, die auf
einem Tisch stand, um sie anschließend zum Mund In einer weiteren Studie von Page et al. (2009)
zu führen, in der zweiten Woche mussten sie die konnte durch Mentales Training, verbunden mit
Seiten in einem großen Buch umblättern usw. dem praktischen Training von Alltagstätigkeiten,
Der Vorteil des Ansatzes von Page besteht si- eine Verbesserung der motorischen Defizite nach-
cherlich darin, dass durch das regelmäßige Anhö- gewiesen werden. Außerdem konnten entspre-
ren eines Audiotapes die Anforderung an die Ei- chende kortikale Veränderungen gezeigt werden
genleistung der Patienten deutlich reduziert wurde (u. a. im prämotorischen Areal und im primär-
und somit eine hohe Compliance der Patienten zu motorischen Kortex, ähnliches berichten Liu, Song
erwarten war. Page (2000) und Page et al. (2001a, & Zang, 2014). Kern des Mentalen Trainings wa-
2001b) berichten durchweg von positiven Ergeb- ren fünf Alltagstätigkeiten:
nissen, wobei eine 60minütige Audio-Tape-Session 4 eine Tasse greifen,
größere Erfolge zeigte, als eine 20- oder 40minü- 4 eine Seite in einem Buch umblättern,
tige Session (Page et al., 2011). 4 einen Stift benutzen,
Dijkerman et al. (2004) wählten eine Variante, 4 ein Essbesteck benutzen,
bei der die Instruktionen zum Mentalen Training 4 eine Bürste oder einen Kamm benutzen.
9.3 · Mentales Training in der neurologischen und orthopädischen Rehabilitation
159 9
Die Patienten trainierten diese Alltagstätigkeiten und Probleme aufmerksam gemacht, die wäh-
praktisch mit einem Therapeuten zehn Wochen rend des Gehens aufgetreten waren. Nach und
lang dreimal wöchentlich für jeweils 30 Minuten nach wurde ein erwünschtes Gangbild erarbeitet,
(jede Tätigkeit zwei Wochen lang). Dieses prakti- welches dann mental trainiert wurde. Bei diesem
sche Training war Grundlage für das Mentale Trai- Training, das an einem Patienten evaluiert wurde,
ning. Direkt nach dem praktischen Training wurde konnten wesentliche Gangparameter verbessert
ein 30-minütiges Mentales Training (mithilfe eines werden (Ganggeschwindigkeit, Schrittlänge und
Audiotapes) durchgeführt. Schreitlänge), allerdings wurde keine Verbesse-
Während in den meisten Untersuchungen zum rung der Gangsymmetrie erreicht. Hier ist interes-
Mentalen Training in der Rehabilitation nach sant, dass der Patient nach der Therapie berichtete,
Schlaganfall einfache Reich- und Greifbewegungen es sei ihm nie gelungen, sich eine symmetrische
als Gegenstand des Trainings herangezogen werden, Gehbewegung vorzustellen.
untersuchten Liu et al. (2004) an 46 Probanden den Malouin et al. (2004b) konnten bereits nach
Einfluss des Mentalen Trainings auf Aufgaben des einem einzigen mentalen Trainingsprogramm bei
alltäglichen Lebens, wie z. B. telefonieren, Medika- Schlaganfallpatienten eine Verbesserung hinsicht-
mente einnehmen oder das Bett beziehen. lich der Belastung des eingeschränkten Beins beim
Auch hier wurde über eine Videodemonstra- Aufstehen von einem Stuhl messen. Die Proban-
tion, die die Zielaufgabe in korrekter Ausführung den wurden aufgefordert, das Aufstehen zu ver-
zeigte, und über Bildersequenzen der Bewegung innerlichen und zu beschreiben. Dabei sollten sie
versucht, eine Bewegungsvorstellung aufzubauen. darauf achten, dass sie beide Beine gleichmäßig
Daraufhin sollte die Aufgabe mental trainiert und belasteten. Dazu wurde ihnen auf einem Monitor
praktisch durchgeführt werden. Dieser Versuch ein Feedback präsentiert, das angab, mit wie viel
wurde sofort auf Video aufgenommen und den Gewicht sie auf dem rechten Bein standen und mit
Probanden direkt im Anschluss vorgespielt. The- wie viel auf dem linken Bein. Anschließend muss-
rapeut und Patient besprachen nun die jeweiligen ten sie die Bewegung einmal physisch und fünfmal
Probleme. Dies wurde so lange wiederholt, bis mental trainieren. Bereits nach kurzer Zeit konn-
die notwendige Ausführungsqualität gegeben war. ten die ersten Verbesserungen gemessen werden.
Das Training wurde drei Wochen lang jeweils 60 In einer Nachfolgeuntersuchung am darauffolgen-
Minuten täglich durchgeführt. Liu et al. (2004) den Tag konnte gezeigt werden, dass die Patienten
konnten zeigen, dass die Probanden der Interven- die neu erlernte Strategie zur gleichmäßigen Belas-
tionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe bei tung der Beine beibehalten hatten.
der Durchführung von Alltagstätigkeiten durch- In einer Studie von Müller et al. (2007) konnte
weg besser abschneiden. gezeigt werden, dass Mentales Training genauso
Dickstein et al. (2004) konzipierten ein menta- wie praktisches Training im Vergleich zu unspe-
les Trainingsprogramm für Schlaganfallpatienten zifischer physikalischer Therapie zu einer Verbes-
mit dem Ziel, die Gehfähigkeit und -leistung zu serung der Handfunktion bei halbseitengelähmten
verbessern. Das Programm dauerte sechs Wochen Schlaganfallpatienten führt.
und wurde dreimal wöchentlich durchgeführt. Es
bestand aus folgenden Komponenten: Zusammenfassung der Ergebnisse. Die wich-
4 Muskelrelaxationsübungen, tigsten Ergebnisse der hier vorgestellten Studien
4 Informationen über die Bewegung, können wie folgt zusammengefasst werden:
4 Vorstellen der Gehbewegung aus einer exter- 4 Vorgegebene Anweisungen (durch Audio-
nen Perspektive, tapes oder durch einen vorlesenden Thera-
4 Vorstellen der Gehbewegung aus einer inter- peuten) führten ebenso wie der Einsatz von
nen Perspektive. Videoaufnahmen eines Modells bei Schlag-
anfallpatienten zu positiven Ergebnissen hin-
Der Patient erarbeitete die Gehbewegung zusam- sichtlich der optimierten Durchführung von
men mit dem Therapeuten und wurde auf Fehler Zielbewegungen.
160 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

4 Das mentale Trainieren von Alltagstätigkeiten kann (Sirigu et al., 1996; Braun et al., 2013). Es sei
führte bei Schlaganfallpatienten zu einer be- an dieser Stelle zudem auf die Untersuchung von
deutsamen Verbesserung der Bewegungsaus- Schuster et al. (2012) verwiesen. In dieser Studie
führung im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. werden Schlaganfall-Patienten nach dem Wie,
4 Mit einem mentalen Trainingsprogramm Was, Wo, Warum des Mentalen Trainings befragt.
für Schlaganfallpatienten konnten die Es zeigt sich, dass die Patienten das Mentale Trai-
wesentlichen Gangparameter verbessert ning ganz unterschiedlich einsetzen, und dass sie
werden (Ganggeschwindigkeit, Schrittlänge auch ohne Anleitung oder Aufforderung das Men-
und Schreitlänge). tale Training als wichtige Unterstützung in ihren
4 Bereits nach einem einzigen mentalen Trai- Alltag integrieren können.
ningsprogramm ließ sich bei Schlaganfallpa-
tienten eine Verbesserung der Belastung des > Im Vorfeld einer Therapie sollte immer zu-
eingeschränkten Beins beim Aufstehen von erst geklärt werden, welche Schädigung wo
einem Stuhl nachweisen. genau aufgetreten ist und ob die Patienten
überhaupt noch in der Lage sind, sich ent-
In den letzten Jahren wird vereinzelt der Frage sprechende Bewegungen vorzustellen.
nachgegangen, inwieweit interaktive, computer-
gestützte Technologien im Bereich des Mentalen Weitere neurologische Krankheitsbilder
Trainings in der Rehabilitation eingesetzt werden Motorische Ungeschicklichkeit (Develop-
können. Hauptziel dieser interaktiven Techno- mental Coordination Disorder; DCD)
9 logien ist, die Patienten unabhängig von Thera- DCD ist gekennzeichnet durch Störungen der Be-
peuten und therapeutischen Institutionen mit Be- wegungsausführung und wird nur dann diagnos-
wegungsanweisungen (verbal, bildlich usw.) und tiziert, wenn keine zusätzlichen neurologischen
entsprechenden Aufforderungen zum Mentalen Vorerkrankungen wie z. B. Autismus oder musku-
Training versorgen zu können. Die hierzu vorlie- läre Dystrophie vorliegen. Laut Wilson (2005) tritt
genden Ansätze (z. B. Gaggioli et al., 2004; Mor- DCD bei 5–15 % der Kinder auf. Dabei kann das
ganti et al., 2003) müssen jedoch noch auf ihre An- Krankheitsbild von Kind zu Kind sehr stark vari-
wendbarkeit und Wirksamkeit untersucht werden. ieren. Die Auswirkungen von DCD sind vielfältig.
Aber auch ohne derartige interaktive Techno- Es wird von Problemen bei folgenden Aspekten
logie kann, darauf lassen einige Studien schließen, berichtet (Visser, 2003):
das Mentale Training zu Hause ohne Supervision 4 Haltungskontrolle,
oder Anleitung vonseiten eines Therapeuten ange- 4 Feinmotorik,
wandt werden und zu positiven Ergebnissen füh- 4 Fähigkeit, Objekte zu lokalisieren,
ren (z. B. Dijkerman et al., 2004; Page et al., 2001a). 4 Kinästhetik,
Zusammenfassend kann festgehalten werden, 4 Informationsverarbeitung.
dass Mentales Training in der Rehabilitation nach
Schlaganfall einen Beitrag zur Verbesserung der Erhebliche Unterschiede bestehen jedoch nicht
Bewegungssituation der Patienten zu leisten ver- nur hinsichtlich der Ausprägung der Krankheit,
mag. Dies bestätigen mittlerweile auch Reviews sondern auch in Bezug auf den Krankheitsverlauf.
und Überblicksarbeiten (vgl. Braun et al., 2006; Darüber hinaus ist die Ätiologie der Krankheit bis
McEven et al., 2009; Munzert et al., 2009; Steen- heute unklar, und es liegen keine einheitlichen Er-
bergen et al., 2009; Braun et al. 2013). So werden kenntnisse über sinnvolle Therapieformen vor. Es
auch Effektstärken des Mentalen Training in der hat sich jedoch gezeigt, dass die Anwendung von
Rehabilitation nach Schlaganfall von bis zu 0,51 Ergotherapie und Physiotherapie zu einer Verbes-
berichtet (Cha et al., 2012). Allerdings haben die serung der motorischen Kontrolle bei DCD führen
Studien mit Schlaganfallpatienten auch gezeigt, kann (Visser, 2003).
dass Mentales Training nicht bei jedem Patienten Vor dem Einsatz des Mentalen Trainings bei
auf die gleiche Art und Weise angewandt werden Kindern mit DCD stellt sich die Frage, ob die
9.3 · Mentales Training in der neurologischen und orthopädischen Rehabilitation
161 9
Erkrankung auch Einschränkungen bei der Vor- al., 2003). Die Krankheit zählt zu den neuropathi-
stellungsfähigkeit von Bewegungen nach sich zieht schen Schmerzsyndromen und wird heute in zwei
(vgl. Deconinck et al., 2009). Ausgangspunkt die- verschiedene Typen eingeteilt. Beim CRPS Typ I
ser Frage sind die Untersuchungen von Wilson et (sympathische Reflexdystrophie, Morbus Sudeck)
al. (2001, 2004), die mit unterschiedlichen Auf- gehen dem Krankheitsbild Verletzungen voraus wie
gaben zur Bewegungsvorstellung zeigen konnten, z. B. Verstauchungen, Quetschungen, Hautläsionen
dass Kinder mit DCD eine andere Strategie bei oder Frakturen. Der Typ II (Kausalgie) hingegen
der Ausführung mentaler Aufgaben anwenden als ist gekennzeichnet durch vorausgehende partielle
nicht erkrankte Kinder, was zu der Schlussfolge- periphere Nervenläsionen in den distalen Extremi-
rung führte, dass die betroffenen Kinder offenbar täten (Wasner et al., 2003). Die nachfolgenden Be-
nicht über eine angemessene interne Repräsenta- trachtungen beziehen sich mangels Untersuchun-
tion ihres Körpers verfügen. gen zur Wirksamkeit von Mentalem Training bei
CRPS Typ II lediglich auf den Typ I.
Studie. Wilson et al. (2002) untersuchten in einer Die Symptome von CRPS Typ I sind sehr viel-
Studie die Effektivität eines fünfwöchigen menta- fältig. So kann es nach den oben genannten Ver-
len Trainingsprogramms bei 54 Kindern mit DCD. letzungen, welche bei nicht von der Krankheit
Die Kinder wurden auf drei verschiedene Gruppen betroffenen Menschen ohne erhebliche Nebener-
verteilt (Gruppe 1: Mentales Training, Gruppe 2: scheinungen abheilen würden, zu unterschiedli-
herkömmliche Bewegungstherapie, Gruppe 3/ chen Kombinationen aus sensorischen, autono-
Kontrollgruppe: keine Behandlung) und erhielten men, motorischen und vegetativen Einzelsympto-
einmal wöchentlich eine Stunde lang eine entspre- men kommen. Weiterhin ist das Auftreten eines
chende Intervention. Das mentale Trainingspro- Tremors oder einer Dystonie möglich. Sensorische
gramm beinhaltete Aufgaben zur visuellen Vor- Störungen sind gekennzeichnet durch brennende
stellung, Entspannungsübungen, Beobachtung von Spontanschmerzen in den Extremitäten, wobei die
Videoaufzeichnungen grundlegender Alltagsbewe- Intensität der Schmerzen in keinem Verhältnis zu
gungen und Mentales Training aus der internen der vorausgegangenen Verletzung steht. Bei auto-
und der externen Perspektive. Abschließend wur- nomen Störungen kommt es zu einer Veränderung
den die mental trainierten Bewegungen praktisch der Hauttemperatur und zu Schweißbildung sowie
ausgeführt (Wilson et al., 2002). zu einer akuten Schwellung der betroffenen Stelle.
Es zeigte sich, dass sich sowohl die Kinder, Vegetative Störungen gehen einher mit veränder-
die mental trainierten, als auch diejenigen, die tem Nagel- und Haarwachstum, und motorische
herkömmlich therapiert wurden, hinsichtlich der Störungen zeigen sich in einer Schwächung na-
grundlegenden Alltagsbewegungen im Vergleich hezu aller Muskeln am betroffenen Körperteil, was
zur Kontrollgruppe deutlich verbesserten. Die zu einer erheblichen Einschränkung der Feinmo-
Kinder, die nur mental trainierten, verbesserten torik führt (Wasner et al., 2003).
sich dabei genauso stark wie die Kinder, die auf Die Therapie von CRPS sollte möglichst früh
herkömmliche Weise therapiert wurden. nach der Diagnose beginnen, um eine chronische
Mentales Training scheint also in der Lage zu Ausprägung zu vermeiden. Eine Therapie setzt sich
sein, die Bewegungsausführung bei Kindern mit im Normalfall zusammen aus einer pharmakologi-
DCD zu verbessern und stellt nach den Ergebnis- schen Behandlung, Sympathektomie (chirurgisches
sen dieser Studie möglicherweise eine ergänzende Verfahren zur Unterbrechung von Nerven des Sym-
Möglichkeit in der Therapie von DCD dar. pathikusgrenzstrangs), Psychotherapie und Physio-
therapie bzw. Ergotherapie (Wasner et al., 2003).
Komplexes regionales Schmerzsyndrom Unter Berücksichtigung des Hauptziels der The-
(Complex Regional Pain Syndrome; CRPS) rapie, nämlich die Funktionsfähigkeit der betroffe-
Das CRPS wurde früher als Morbus Sudeck, Algo- nen Extremität wiederherzustellen und möglicher-
dystrophie, Reflexdystrophie, sympathische Reflex- weise beschädigte kortikale Strukturen zu reaktivie-
dystrophie oder als Kausalgie bezeichnet (Wasner et ren, liegt der therapeutische Fokus auf der Physio- und
162 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

Ergotherapie, wobei die Schmerzvermeidung eine zende Methode in der Therapie des chronischen
wesentliche Bedingung der therapeutischen Inter- CRPS Typ I herausgestellt. Der besondere Nutzen
vention ist. Da sich die Spiegeltherapie (s. oben) bei bei der Behandlung besteht darin, dass die Pati-
akutem CRPS Typ I bereits als effektiv erwiesen hat enten durch regelmäßiges Mentales Training zu
(Moseley, 2004), liegt die Anwendung von Menta- Schmerzfreiheit gelangen können.
lem Training als Ergänzung der herkömmlichen
Therapie nahe: Da keine Bewegungsausführung Morbus Parkinson
notwendig ist, kann die Maßnahme in aller Regel Die Parkinsonkrankheit (idiopathisches Parkin-
schmerzfrei durchgeführt werden, und trotzdem son-Syndrom) ist eine neurologische Erkrankung,
können die beteiligten kortikalen Strukturen trai- die v. a. durch Veränderungen in den Basalgang-
niert und dadurch evtl. reaktiviert werden. lien gekennzeichnet ist und mit einer fehlerhaften
Produktion des Botenstoffes Dopamin einhergeht.
Studien. Moseley (2004) untersuchte den Einsatz Die genaue Ursache, sprich: die Frage, warum der
eines mentalen Trainingsprogramms bei chroni- Stoffwechsel entgleist, ist jedoch bis heute nicht
schen CRPS-I-Patienten mit dem Ziel, das kortikale vollständig geklärt (Fuchs, 2002). Da die Basalgan-
Netzwerk zu aktivieren, ohne dass die Patienten glien v. a. für die Planung und die Vorbereitung
tatsächliche Bewegungen ausführen mussten. Das von Bewegungen zuständig sind (7 Kap. 11.1),
mentale Trainingsprogramm dauerte sechs Wochen kommt es zu motorischen Störungen, die sich da-
und bestand in den ersten zwei Wochen aus dem rin zeigen, dass Parkinsonpatienten bei der Einlei-
Erkennen der Seitigkeit von linken und rechten tung von Bewegungen – v. a. in Abwesenheit von
9 Händen, die auf einem Bildschirm präsentiert wur- bewegungsauslösenden Reizen – Schwierigkeiten
den. In den nächsten zwei Wochen wurden den Pa- haben. Die klassischen Kernsymptome dieser
tienten auf einem Bildschirm Fotos ihrer eigenen, Fehlfunktion sind:
von der Krankheit betroffenen Hände gezeigt. Da- 4 Bewegungsverarmung (Bradykinese, Hypoki-
bei wurden sie aufgefordert, sich die gezeigte Posi- nese, Akinese),
tion der eingeschränkten Hand vorzustellen. In den 4 Muskeltonuserhöhung (Rigor),
letzten zwei Wochen wurde zusätzlich ein Spiegel- 4 Ruhezittern (Tremor) und
training mit den Probanden durchgeführt. 4 Haltungsinstabilitäten (posturale Störungen).
Die Patienten, die an diesem Trainingspro-
gramm teilgenommen hatten, verspürten nach Neben diesen motorischen Störungen kommt es
sechs Wochen weniger Schmerzen als herkömm- häufig noch zu vegetativ-sensorischen und psychi-
lich therapierte Patienten, außerdem war ein deut- schen Begleitsymptomen (Fuchs, 2002).
licherer Rückgang der Schwellungen beobachtbar. Bei der Bewegungsverarmung lassen sich drei
Nach sechs Wochen erfüllten 50 % der mental Komponenten differenzieren. Es wird unterschie-
trainierenden Patienten nicht mehr die Kriterien den zwischen der Bradykinese (Bewegungsver-
für die Diagnose von CRPS-I. langsamung), der Hypokinese (Verminderung der
In einer nachfolgenden Untersuchung konnte Bewegungsamplitude und der Spontanbewegun-
Moseley (2005) zudem zeigen, dass die Erfolge, die gen) sowie der Akinese (Hemmung des Bewe-
mit dem mentalen Trainingsprogramm erzielt wer- gungsstarts). Die Störungen der Motorik zeigen
den konnten, nicht allein darauf zurückzuführen sich weiterhin in einer verkürzten Schrittlänge,
waren, dass die Patienten ihrer betroffenen Extre- trippelnden Schritten, Ungeschicktheit bei alltägli-
mität mehr Aufmerksamkeit schenkten. Vielmehr chen Tätigkeiten wie die Schuhe zubinden oder
konnte durch die speziellen Durchführungsmoda- das Hemd zuknöpfen sowie in einer Gesichtstarre
litäten des Trainings eine (sequenzielle) Aktivie- und einer leiseren Stimme (Hummelsheim &
rung von entsprechenden kortikalen motorischen Hauptmann, 1998; Berlit, 2005).
Arealen erzielt werden. Die Therapie von Parkinsonpatienten ist auf
Mentales Training hat sich in diesen ersten eine symptomatische Behandlung begrenzt, da die
Untersuchungen als erfolgversprechende ergän- genauen Ursachen der Krankheit bis heute nicht
9.3 · Mentales Training in der neurologischen und orthopädischen Rehabilitation
163 9
bekannt sind. Eine medikamentöse Behandlung der Einsatz des Mentalen Trainings als Therapie-
wird empfohlen, um den Mangel des Botenstoffs form grundsätzlich plausibel erscheint.
Dopamin in den Basalganglien auszugleichen und Yaguez et al. (1999) griffen diesen Ansatz auf,
somit eine Verbesserung der Motorik herbeizufüh- indem sie die Effekte eines Mentalen Trainings
ren (Fuchs, 2002). Zusätzlich ist eine umfassende auf die Bewegungsfähigkeit von Parkinson- und
physiotherapeutische und ergotherapeutische In- Chorea-Huntington-Patienten (s. unten) unter-
tervention wichtig, um die allgemeine Beweglich- suchten. Das Mentale Training bestand aus einer
keit zu erhalten und weiteren Bewegungsein- mündlichen Anleitung, mit der die Probanden
schränkungen entgegenzuwirken. aufgefordert wurden, sich das Zeichnen verschie-
Studienergebnisse zeigen, dass nur regelmäßige dener Ideogramme aus einer externen und einer
Behandlungen bzw. Training zu einer Verbesse- internen Perspektive vorzustellen.
rung der motorischen Leistungen führen können. Nach dieser Vorgehensweise konnte bei Parkin-
Wurde die physiotherapeutische Intervention un- sonpatienten jedoch in keiner Versuchsbedingung
terbrochen, verringerte sich innerhalb weniger eine signifikante Verbesserung der Bewegungsleis-
Wochen die zuvor erarbeitete motorische Kompe- tung gemessen werden. Dies könnte nach Yaguez
tenz (Hummelsheim & Hauptmann, 1998). Gerade et al. (1999) zum einen mit dem Dopaminmangel
hier stellt sich die Frage, ob Parkinsonpatienten zusammenhängen, der eine Weiterverarbeitung der
von Mentalem Training profitieren können. Bewegungsinformationen verhindert; zum anderen
berichteten die Probanden über Konzentrations-
Studien. In ersten Studien zum Einsatz des Men- probleme bei der Aufgabenbearbeitung, die ein
talen Trainings bei Parkinsonpatienten wurde zu- konsequentes Training und Bearbeiten der Aufga-
nächst die kortikale Aktivität der Bewegungsvor- ben erschwerten oder gar unmöglich machten.
bereitung untersucht. Man erhoffte sich dadurch In einer neueren Kontrollgruppenstudie mit 23
Antworten auf die Frage, warum insbesondere Patienten von Tamir et al. (2007) erhielten zwölf
die bewegungsvorbereitenden Prozesse bei diesen Patienten eine kombinierte Therapie (Mentales
Patienten gestört sind. Dabei konnten Fehlfunk- Training und praktisches Training), elf Patienten
tionen diverser Kortexareale inklusive einer Un- nur das praktische Training. Beide Gruppen ver-
terfunktion des supplementär-motorischen Kortex besserten sich hinsichtlich der Bewältigung der All-
nachgewiesen werden. tagstätigkeiten. Die kombiniert trainierte Gruppe
Aufgrund dieser Erkenntnisse kamen Cun- verbesserte sich im Vergleich zur rein praktisch
nington et al. (2001) zu der Schlussfolgerung, dass trainierten Gruppe stärker in der Bewältigung
sowohl die Über- als auch die Unteraktivierung schneller Bewegungsfolgen und erzielte bessere Er-
verschiedener Kortexbereiche zu den motorischen gebnisse in den Skalen »mental subtests« und »mo-
Defiziten bei Parkinsonpatienten beitragen. Die tor subtests« der Parkinson’s Disease Rating Scale.
gefundenen Dysfunktionen dieser Areale, welche Beim Mentalen Training sollten sich die Patienten
an der Bewegungsvorbereitung beteiligt sind, füh- Alltagstätigkeiten in ihrer heimischen Umgebung
ren zu einer ineffizienten Planung und Vorberei- vorstellen. Es wurde über zwölf Wochen zweimal
tung von Bewegungen (Cunnington et al., 2001). wöchentlich jeweils 60 Minuten lang trainiert.
Weiterhin wurde untersucht, ob Patienten mit Ähnliches berichtet Knobl (2009), wobei hier die
Morbus Parkinson überhaupt in der Lage sind, besten Effekte bei frühen Krankheitsstadien erzielt
sich Bewegungen vorzustellen (Munzert et al., werden konnten. In einer Studie von Braun et al.
2009). Dominey et al. (1995) konnten nachwei- (2011) zeige das Mentale Training die gleichen po-
sen, dass Parkinsonpatienten im Vergleich zu Ge- sitiven Effekte, wie ein Entspannungstraining.
sunden langsamere Fingerbewegungen zeigen und
dass diese Verlangsamung bei der mentalen Aus- Chorea Huntington
führung bestehen bleibt. Diese Beobachtung zeigt, Bei der Chorea Huntington handelt es sich um
dass Parkinsonpatienten in der Lage sind, Bewe- eine vererbbare Hirnerkrankung. Gekennzeichnet
gungsvorstellungen zu erzeugen, und dass somit ist die Krankheit durch Bewegungsstörungen und
164 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

neuropsychiatrische Beeinträchtigungen, die im Da sich die Versuchsteilnehmer alle in einer frühen


weiteren Verlauf zur Demenz führen. Für Chorea- Phase der Krankheit befanden, können anhand
Huntington-Patienten sind unwillkürliche, abrupt dieser Ergebnisse jedoch keine Aussagen über die
auftretende Schleuderbewegungen der Extremitä- Effektivität in späteren Krankheitsstadien gemacht
ten typisch. Mit dem Fortschreiten der Krankheit werden.
verschlimmern sich die Symptome der gestörten
Motorik. Die Gesichtsmuskulatur führt ungewollte Multiple Sklerose
Grimassen aus, es kommt zu einer Beeinträchti- Bei der multiplen Sklerose (MS), einer Erkrankung
gung der Sprach- und Schluckfähigkeit und im des zentralen Nervensystems, treten entzündliche
fortgeschrittenen Stadium auch zu einem hüp- Herde an den unterschiedlichsten Lokalisationen
fenden und stotternden Gang (Berlit, 2005). Die auf. Die Läsionen sind im gesamten Zentralner-
Krankheit tritt meistens im vierten Lebensjahr- vensystem zu finden. Dadurch ergeben sich unter-
zehnt auf und führt innerhalb von 15 bis 20 Jahren schiedliche Symptome und Symptomkombinatio-
zum Tod. nen (Brück, 2002).
Die Ursache der Krankheit liegt in einem Gen- Die häufigsten motorischen Symptome wer-
defekt, welcher zu einer langsamen Degeneration den durch Pyramidenbahnläsionen hervorgerufen.
bestimmter Bereiche der Basalganglien führt. Im Anfangsstadium der Erkrankung stehen rasche
Bisher gibt es keine Möglichkeit, diese Krankheit Ermüdung, Schwere und Spannungsgefühl in den
zu heilen. Aufgrund dessen ist das Hauptziel der Beinen sowie Stolpern über kleine Hindernisse im
Therapie, die Alltagskompetenz der Patienten zu Vordergrund. Bald darauf entwickelt sich ein ab-
9 verbessern und zu erhalten. normes Gangbild. Es kommt zur Spitzfußstellung
Neben einer medikamentösen Behandlung und bei fortgeschrittener MS zu spastischer Para-
(Berlit, 2005) wird eine physiotherapeutische und parese (Schmidt & Hofmann, 2002).
ergotherapeutische Behandlung empfohlen, um Die MS kann unterschiedlich verlaufen und
die Bewegungskompetenz aufrechtzuerhalten beginnt meist zwischen dem 20. und dem 40. Le-
(Hummelsheim & Hauptmann, 1998). bensjahr (Flachenecker & Zettl, 2002). Sie ist die
häufigste Ursache von Behinderungen nichttrau-
Studien. Erste Untersuchungen zum Einsatz des matischer Genese im jungen Erwachsenenalter
Mentalen Trainings konnten zeigen, dass Patienten (Brück, 2002). Die Krankheit verläuft entweder
mit Chorea Huntington trotz der Störung in den gleichmäßig fortschreitend oder in Schüben. Die
Basalganglien fähig sind, sich Bewegungen vor- während dieser Schübe auftretenden Symptome
zustellen. Es konnten keine Unterschiede im Ver- können sich anschließend zurückbilden.
gleich zu gesunden Probanden festgestellt werden Das Ziel der symptomatischen Therapie ist das
(McLennan et al., 2000). Erreichen der unter den gegebenen Umständen
Um der Frage nachzugehen, ob Mentales Trai- bestmöglichen Lebensqualität. Für den einzelnen
ning in der Therapie von Chorea-Huntington- Patienten soll der höchstmögliche Grad an Selbst-
Patienten wirkt, kann erneut auf die Studie von ständigkeit erreicht werden. Die symptomatische
Yaguez et al. (1999) zurückgegriffen werden, in Therapie der MS stützt sich auf nichtmedikamen-
der die Wirkung des Mentalen Trainings auch bei töse und medikamentöse Maßnahmen. Die nicht-
Chorea-Huntington-Patienten untersucht wurde. medikamentöse Therapie von MS-Symptomen hat
Die Probanden wurden – wie die Parkinsonpatien- in jedem Erkrankungsstadium einen hohen Stel-
ten – angeleitet, sich das Zeichnen verschiedener lenwert (Hoffmann, 2002).
Ideogramme aus einer externen und einer inter- Die Anwendung des Mentalen Trainings bei
nen Perspektive vorzustellen. MS wird noch sehr selten beschrieben. Außer we-
nigen Einzelfallstudien oder qualitativen Fallbe-
> Bei den Chorea-Huntington-Patienten konnte schreibungen liegen noch keine umfangreichen
eine Verbesserung der Bewegungsleistung empirischen Wirksamkeitsnachweise vor (7 Bei-
durch Mentales Training festgestellt werden. spiel 9.3).
9.3 · Mentales Training in der neurologischen und orthopädischen Rehabilitation
165 9
Beispiel 9.3: Gehtraining mit einer MS-Patientin kontinuierlich eingesetzt. Aktuell dominiert aller-
Mayer et al. (2003) beschreiben die Anwendung dings noch die wissenschaftliche Auseinanderset-
des Mentalen Gehtrainings bei einer Patientin mit zung mit Möglichkeiten und Grenzen des Verfah-
MS im Anfangsstadium. Die Patientin klagt über rens, insbesondere in der Anwendung bei Schlag-
zunehmende Gangunsicherheit, verbunden mit anfallpatienten (vgl. Munzert et al., 2009; Malouin,
einer Angst vor Stürzen. Kleine Hindernisse und Jackson & Richards, 2013).
Treppen lösen starke Angstgefühle aus, auch weil
die Patientin tatsächlich schon oft gestürzt ist.
Die Patientin geht ohne Gehhilfen, berichtet aber, 9.3.2 Mentales Training in der
dass sie nur Strecken bis zu 25 m am Stück gehen orthopädischen Rehabilitation
kann.
Nach dem in 7 Kap. 9.3.2 vorgestellten Ablauf Im Vergleich zur neurologischen Rehabilitation –
des Mentalen Gehtrainings nach Mayer (2001) erar- hier wurden insbesondere zum Schlaganfall schon
beitet die Patientin eine individuelle Bewegungsin- vielfach Berichte und Studien publiziert – ist der
struktion, die zur Generierung einer optimalen Be- Einsatz des Mentalen Trainings in der orthopä-
wegungsvorstellung beitragen soll. Sie trainiert die dischen Rehabilitation nicht annähernd so diffe-
Gehbewegung im Wechsel praktisch und mental. Im renziert untersucht worden. Dennoch zeigen die
Laufe des Trainings wird auch die Bewältigung kriti- wenigen Evaluationsstudien, die zu diesem Bereich
scher Alltagssituationen mental trainiert. vorliegen, positive Ergebnisse, sodass auch die or-
Die Patientin berichtet von positiven Effekten thopädische Rehabilitation als vielversprechendes
des Trainings, wobei insbesondere die Verlängerung Anwendungsfeld für das Mentale Training einge-
der bewältigbaren Gehstrecke von 25 m auf Spa- schätzt werden kann (vgl. Schott et al., 2013).
ziergänge von 20 Minuten Dauer bemerkenswert Im Folgenden sollen die Einsatzgebiete des
erscheint. Heremans et al. (2012) untersuchten den Mentalen Trainings in der orthopädischen Rehabi-
Einsatz von Mentalem Training bei Patienten mit litation bei folgenden Krankheitsbildern bzw. nach
Multipler Sklerose und stellen fest, dass der Einsatz folgenden orthopädischen Eingriffen vorgestellt
von externer Stimuli (akustisch, z. B. ein Metronom werden:
oder optisch, z. B. ein Hinweis auf einem Monitor) 4 endoprothetischer Gelenkersatz (Knie, Hüfte),
das Mentale Training für die Patienten erleichtert. 4 Rückenschmerz, Bandscheibenvorfall,
4 Immobilisierung,
Fazit 4 Kreuzbandruptur, Meniskusläsion,
Im Anwendungsfeld neurologische Rehabilitation 4 Amputation.
werden vielfältige Möglichkeiten des Mentalen
Trainings diskutiert und evaluiert. Grundsätzlich Endoprothesenversorgung (Knie und
sprechen die bislang vorliegenden Ergebnisse für Hüfte)
die Anwendung des Mentalen Trainings bei Schlag- Die häufigste Indikation für eine Endoprothesen-
anfallpatienten. Allerdings ist hier die individuelle versorgung ist die Diagnose einer Kniegelenk- oder
Ausprägung der Läsion wohl der zentrale Faktor, Hüftgelenkarthrose (Gon- oder Koxarthrose). Die
der für oder gegen eine Ergänzung der herkömm- Arthrose beruht meist auf einer Störung des bio-
lichen Therapie um Mentales Training sprechen mechanischen Gleichgewichts zwischen Knorpel-
sollte. Für die Anwendung des Mentalen Trainings resistenz und Beanspruchung (Schüle, 1997). Zum
bei weiteren neurologischen Erkrankungen liegen klinischen Bild der Arthrose gehören schmerzre-
bislang nur sehr wenige Berichte und Untersu- flektorische Tonussteigerungen, die einerseits zur
chungsergebnisse vor. Insofern kann an dieser Stelle myogenen Kontraktur, andererseits zur Atrophie
noch keine Empfehlung für oder wider den Einsatz und zu begleitenden Durchblutungsstörungen
des Mentalen Trainings gegeben werden. führen können. Außerdem werden durch Belas-
In der Praxis der neurologischen Rehabilita- tungs-, Anlauf- und Ermüdungsschmerz Schon-
tion wird das Mentale Training immer häufiger haltungen provoziert, die das Gelenk entlasten
166 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

bzw. Einschränkungen der Bewegungsfunktionen fohlen (Eckhardt & Betz, 1996) und umfasst fol-
kompensieren sollen (z. B. Niethard & Pfeil, 1997; gende Aufgaben (Mouret, 1997; Mouret & Zichner,
Horstmann et al., 1998). 1992):
Neben dem eigentlichen Schaden (Impair- 4 Schmerzen beseitigen,
ment), der degenerativen Veränderung der Ge- 4 Gelenkbeweglichkeit wiederherstellen,
lenkstrukturen im Hüft- oder Kniegelenk, hat eine 4 Muskulatur auftrainieren,
Arthrose natürlich weitreichende physische Ein- 4 Funktionen des Beins wieder aufbauen.
schränkungen (Disabilities) zur Folge (Schüle &
Schnieders, 2000), z. B.: Ein zentrales Ziel der postoperativen Behandlung
4 Schmerzen, stellt damit das selbstständige und funktionelle
4 Fehlbelastungen, Gehen dar (Bronner, 1992; Cluitmanns & Pons,
4 Einschränkungen der Beweglichkeit, 1997). Das Gehen ist jedoch bei arthrotisch ver-
4 Einschränkungen der Koordination, ändertem Hüft- oder Kniegelenk oft seit Jahren
4 Einschränkung der Sensomotorik, durch Schmerzen in Zusammenhang mit gestörter
4 Störung des Knochenstoffwechsels, Statik beeinträchtigt, und die Betroffenen haben
sich Ausweichbewegungen und Schonhaltungen
wie auch weitreichende psychosoziale Einschrän- angewöhnt. Die physiologische Wiederherstel-
kungen (Handicaps), z. B.: lung einer schmerzfreien Gelenkfunktion allein
4 Bewegungsangst, ist oft nicht ausreichend, um das neue Gelenk
4 Belastungsangst, auch funktionell einzusetzen. Fehl- und Schon-
9 4 eingeschränkte Bewegungsspontaneität, haltungen werden auch nach Wiederherstellung
4 Leistungsverlust, der Gelenkfunktion beibehalten, die damit ver-
4 Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz, bundene Fehlbelastung wird oft als Hauptursa-
4 Störung der Alltagsaktivitäten. che für die Abnutzung und Destabilisierung der
Prothesenverankerung und damit für frühzeitige
Bevor sich ein Patient für den Einsatz eines künst- Revisionsoperationen angesehen (Jerosch & Hei-
lichen Hüft- oder Kniegelenks entscheidet, hat er sel, 1996). Das Wiedererlernen der Gehbewegung
oft eine umfangreiche »Kranken- und Therapie- erhält somit einen zentralen Stellenwert in der
karriere« (Schüle, 1997, S. 115) hinter sich. Die Be- Rehabilitation.
schwerdedauer vor der Operation beträgt bei der Gehen können steht für Selbstständigkeit und
Hüftgelenkarthrose nach Schüle (1997) im Durch- Lebensqualität. Mit der Beeinträchtigung der Geh-
schnitt sechs Jahre. bewegung wird dem Patienten bewusst, dass nicht
Die operative Versorgung des sich versteifen- nur eine komplexe Bewegung gestört ist, sondern
den arthrotischen Hüftgelenks durch Hüftendo- auch das psychische und soziale Befinden einge-
prothesen wird heute sehr häufig und erfolgreich schränkt ist. Das Wiedererlernen der Gehbewegung
durchgeführt. So wird die Zahl der jährlich in ist daher auch aus medizinisch-therapeutischer
Deutschland implantierten Hüftendoprothesen auf Sicht nicht nur auf ein rein somatisches Problem zu
ca. 232.000 und die der Knieendoprothesen auf reduzieren, sondern betrifft den ganzen Menschen,
etwa 168.000 geschätzt – seit Jahren kontinuierlich sein mentales wie auch sein soziales System.
ansteigend (Wengler, Nimptsch & Mansky, 2014).
Dabei wird der Erfolg einer endoprothetischen Mentales Gehtraining
Versorgung nicht allein durch eine korrekte Ope- Mayer (2001; auch Mayer et al., 2003) entwickel-
ration oder Implantatwahl gewährleistet, sondern ten ein Verfahren zum Mentalen Gehtraining, das
auch durch die individuelle postoperative Behand- insbesondere bei Patienten nach Endoprothesen-
lung des Patienten (Eckhardt & Betz, 1996; Mou- versorgung zur Anwendung kommt. Das Modell
ret, 1997). in . Abb. 9.9 verdeutlicht den Ablauf dieses Thera-
Die postoperative Behandlung wird im Rah- pieverfahrens, das im Folgenden Schritt für Schritt
men der Qualitätssicherung standardisiert emp- besprochen werden soll.
9.3 · Mentales Training in der neurologischen und orthopädischen Rehabilitation
167 9

Gehbewegung

Bewegungsbeschreibung

Bewegungsanweisung

Motorisches Training Mentales Training


Wahrnehmung mental-sprachliches Training
Umwelt MT aus der Beobachterperspektive
Bewegung MT aus der Innenperspektive

Mentale Bewegungs-
repräsentation . Abb. 9.9 Mentales Gehtrai-
ning: Ablaufschema (nach Mayer,
2001; mit freundlicher Genehmi-
Realisation
gung des Verlags Dr. Kovač)

a
b

. Abb. 9.10 Bewegungsbeschreibung anhand einer Gliederpuppe (a) und einer Zeichnung (b) (Auszug aus einer Bilderreihe;
nach Mayer, 2001; mit freundlicher Genehmigung des Verlags Dr. Kovač)

Zunächst klären Therapeut und Patient in ei- ellen krankheitsbedingten Einschränkungen und
nem einführenden Gespräch das Ziel der Therapie. Möglichkeiten in eine individuell optimale Sollbe-
Dabei soll der Patient sein Gangbild einschätzen wegung modifiziert werden kann.
und z. B. erkennen, dass er sich eine Schon- oder Der Patient wird dazu zunächst mit dem Modell
Fehlhaltung angewöhnt hat. Schließlich bittet der der physiologischen Gehbewegung konfrontiert,
Therapeut den Patienten, in einem Therapieauf- der Bewegungsbeschreibung. Eine Bewegungs-
trag zu formulieren, wie sich sein Gang im Laufe beschreibung ist die objektivierte, biomechanische
der Therapie verändern soll. Darstellung der physiologischen Gehbewegung
Hier steht zunächst die intensive Auseinan- am  Modell. Anhand einer Videodarstellung, einer
dersetzung des Patienten mit der Sollbewegung Bilderreihe, einer Gliederpuppe (. Abb. 9.10) oder
im Vordergrund, also in der Regel der physiologi- am Modell des Therapeuten selbst lassen sich
schen Gehbewegung, die jedoch je nach individu- die  relevanten funktionalen Aspekte der Sollbewe-
168 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

gung für den jeweiligen Patienten verstehbar ver- sich die acht Phasen der Gehbewegung zusam-
mitteln. menfassen lassen. Dies sind
Bei der Videodarstellung bieten sich objek- 4 Weight Acceptance, beginnend mit dem
tivierte Darstellungen der Gehbewegung in ver- Initialkontakt,
schiedenen Altersklassen an, wie sie beispielsweise 4 Single Limb Support und
von Bruckner (1988) veröffentlicht wurden. Ver- 4 Limb Advancement, beginnend mit dem
schiedene Publikationen bieten Bilderreihen der Vorschwung.
Gehbewegung aus verschiedenen Perspektiven
(z. B. Beckers & Deckers, 1997). Tipp I I
> Wichtig bei der Bewegungsbeschreibung Folgende Knotenpunkte (mit Erklärungen für
ist es, mit dem Patienten gemeinsam die für den Patienten) haben sich in der Praxis be-
ihn relevanten funktionalen Bewegungs- währt:
abschnitte der Gehbewegung zu erschließen, 4 Auf: In dieser Phase der Gehbewegung
sodass der Patient den Unterschied zwischen setzt das Bein mit der Ferse auf.
seiner aktuellen Gehweise und der Sollbewe- 4 Gewicht: Nach dem Aufsetzen übernimmt
gung erkennt. das Bein immer mehr Körpergewicht, bis
es allein das ganze Körpergewicht tragen
Das bedeutet auch, dass bei nur einer betroffenen muss. Das andere Bein schwingt dann frei
Seite die Aufmerksamkeit nur auf das betroffene vorbei.
Bein gelenkt werden soll. 4 Ab: Nachdem das andere Bein aufgesetzt
9 hat, drückt sich das Bein hinten ab, um
Tipp I I gleichfalls nach vorn schwingen zu können.
Besonders geeignet für diese Auseinanderset-
zung mit der Bewegungsbeschreibung ist eine
Konfrontation mit dem Istzustand der eigenen Patient und Therapeut erarbeiten im nächsten
Gehbewegung, beispielsweise durch eine Vi- Schritt aus der extern vorgegebenen Bewegungs-
deodarstellung der eigenen Gehbewegung zu anweisung eine individuelle Bewegungsanweisung.
Behandlungsbeginn. Dabei werden die relevanten Bewegungsabschnitte
isoliert, deren optimale Durchführung vom Patien-
ten bewusst erlebt wird. Diese Bewegungsab-
Dem Patienten wird nun die Umsetzung der schnitte werden mit einer für den Patienten schlüs-
physiologischen Gehbewegung anhand von drei sigen Markierung symbolisiert (7 Beispiel 9.4).
zentralen Knotenpunkten der Gehbewegung ver-
mittelt. Aus biomechanischer Sicht versteht man Beispiel 9.4: Verbesserung der Extension
unter »Knotenpunkten« diejenigen Bewegungs- im Kniegelenk
abschnitte, die für eine optimale Bewegungsaus- Ein Patient soll die Extension im Kniegelenk in der
führung unbedingt notwendig sind und sukzessiv Gangphase Terminalstand verbessern. Dazu wird er
durchlaufen werden müssen (Eberspächer, 2001, aufgefordert, diese Gehposition einzunehmen. Der
7 Kap. 4.1.1). Diese Knotenpunkte stellen somit Patient wird zunächst die Bewegungsposition seiner
eine morphologische oder externe, objektivierte Schonhaltung einnehmen (aktuelle Repräsentation
Sicht der wichtigsten Schritte der Gehbewegung der Gehbewegung). . Abb. 9.11a verdeutlicht diese
dar. Diese extern vorgegebenen Knotenpunkte Schonhaltung (reduzierte Hüftextension), die mit ei-
müssen in einem nächsten Schritt in individuell ner zu starken Flexion im Kniegelenk einhergeht.
relevante interne Knotenpunkte, die individuelle Der Therapeut führt nun das Bein vorsichtig in die
Bewegungsanweisung, weiterentwickelt werden. maximal mögliche schmerzfreie Extensionsstellung
Die drei zentralen Knotenpunkte der Gehbe- im Kniegelenk (. Abb. 9.11b). Dann fordert er den Pa-
wegung ergeben sich aus den drei Basisaufgaben tienten auf, sich diese Beinposition zu merken und sie
der Gehbewegung (nach Perry, 1992), zu denen zu markieren. Im Beispiel nennt der Patient die Posi-
9.3 · Mentales Training in der neurologischen und orthopädischen Rehabilitation
169 9
Der Prozess, aus einer extern vorgegebenen Be-
wegungsanweisung eine individuelle Bewegungs-
anweisung zu entwickeln, soll nach Mayer et al.
(2003) zu einer differenzierten Bewegungsvorstel-
lung beitragen und wirkt sich somit positiv auf die
Bewegungsrepräsentation aus.
Nach dem Aufbau der Bewegungsvorstellung
wird nun im Wechsel motorisch und mental trai-
niert. Das motorische Training zeichnet sich durch
eine Art propriozeptives Training aus, bei dem
unter Modifikation von Wahrnehmung, Bewe-
gung und Umwelt die Bewegungserfahrung wei-
ter geschult und differenziert werden soll. Durch
den Wechsel mit praktischem Training wird beim
mentalen Trainieren der Einbezug vielfältiger kin-
ästhetischer Information sichergestellt.
Im letzten Schritt des Verfahrens wird die
praktische Eigenrealisierung der Bewegung mit
anschließender Bewegungsanalyse aus Sicht des
Patienten beschrieben. Das Verfahren setzt also
sehr auf die intensive Kommunikation zwischen
Therapeut und Patient mit einer eigenständigen
Kontrolle und Verbesserung der Gehbewegung.
> Der Therapeut moderiert lediglich die
. Abb. 9.11 Erarbeitung einer Bewegungsinstruktion: a Schon- Therapieeinheiten, der Patient wird zur
haltung des Patienten, b maximale schmerzfreie Extensionsstel- eigeninitiativen Regulierung seiner Geh-
lung (Mayer et al., 2003)
bewegung angeleitet.

tion »straff«, weil sie in seiner Wahrnehmung mit einer In einer ersten Evaluationsstudie an Patienten nach
Dehnung in der Wadenmuskulatur verbunden ist. Hüfttotalendoprothese (Mayer, 2001) konnte ge-
Bei der Benennung der Knotenpunkte gibt es zeigt werden, dass Mentales Gehtraining – durch-
kein Richtig und kein Falsch, allein die Körperwahr- geführt in einer dreiwöchigen Anschlussheilbe-
nehmung des Patienten ist entscheidend. handlung bei drei halbstündigen Terminen pro
Ungünstig sind negative Begriffe wie z. B. »zieht« Woche – nicht nur positive Effekte auf die Bewe-
oder »Schmerz«, dies signalisiert dem Therapeuten, gungsausführung hat, sondern sich auch auf die
dass die Bewegung nicht mehr im schmerzfreien Be- Krankheitsverarbeitung positiv auswirkt. In einer
wegungsbereich durchgeführt wird. Ungünstig sind weiteren Studie (Mayer et al., 2005) konnte dieser
weiter »Nicht-Botschaften« wie z. B. »nicht beugen«. erste Trend weitestgehend bestätigt werden. Im
Der Patient wählt kurze verbale Botschaften, die die Be- Vergleich zu einer Kontrollgruppe (keine zusätzli-
wegungsausführung einleiten, z. B. »auf«, »fest«, »ab«. che Behandlung) konnte die Gruppe der Patienten,
Die zur sprachlichen Markierung der Knoten- die mental trainiert hatte, bedeutend bessere Er-
punkte gewählten Begriffe sollten möglichst einsilbig gebnisse in den Variablen Gehgeschwindigkeit und
sein. Wichtig ist weiterhin, dass der gewählte Begriff Schreitlänge erzielen.
später bei der Bewegungsrealisation auch mit der er-
arbeiteten Bewegung korrespondiert. Dies überprüft Rückenschmerzen, Bandscheibenvorfall
man am besten, indem man den Patienten immer Rückenschmerzen sind bei Männern der häu-
wieder im Stand oder im Gehbarren auffordert, die figste, bei Frauen der zweithäufigste Grund für
Knotenpunktposition einzunehmen. eine Arbeitsunfähigkeit. Nach Göbel (2001) sind
170 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

Rückenschmerzen neben Kopfschmerzen die häu- gelegentlich auftreten, umfasst 15–37 % in


figsten zu einer Langzeitbehinderung führenden den verschiedenen Studien. Diese Gruppe ist
Schmerzprobleme. durch die Schmerzen besonders schwer be-
Neuhauser et al. (2005) berichten von dem hindert und zeichnet sich durch eine intensive
bundesweiten telefonischen Gesundheitssurvey und zeitlich prolongierte Inanspruchnahme
2003, mit dem aktuelle Daten zur Verbreitung und des Gesundheitswesens aus.
Versorgung von Rückenschmerzen in Deutsch- 4 Frauen sind im Allgemeinen häufiger und
land erhoben werden sollten. Eine Stichprobe von schwerer betroffen als Männer.
8.318 Erwachsenen wurde befragt. Die 12-Monats- 4 Ein direkter Zusammenhang zwischen dem
Prävalenz chronischer Rückenschmerzen, definiert Alter der Betroffenen und dem Ausmaß der
als »drei Monate und länger anhaltende Rücken- Beschwerden besteht nicht.
schmerzen, und zwar fast täglich«, betrug 16 %
bei Männern und 22 % bei Frauen, die Lebenszeit- Die therapeutische Behandlung der (unspezifi-
prävalenz 24 % und 30 %. In Großbritannien geht schen) Rückenschmerzen erfolgt häufig im Rah-
man von einer jährlichen Inzidenz von bis zu 45 % men der Physiotherapie und physikalischen The-
aus, wobei die 35- bis 55-Jährigen am häufigsten rapie. Bemerkenswert ist hierbei die von Nachem-
betroffen sind (Speed, 2004). son (1992) erstellte Analyse zur Wirksamkeit
Eine Studie zur Epidemiologie in Großbritan- verschiedener Therapieformen. Er untersuchte
nien, deren Ergebnisse nach Göbel (2001) auch verschiedene Therapiemaßnahmen von der einfa-
auf Deutschland übertragen werden können, chen Bettruhe bis hin zu den gängigen Methoden
9 wurde von Frank (1993) vorgestellt. Bei einer Be- der physikalischen und pharmakologischen Be-
völkerungszahl von 55 Mio. Menschen wurden handlung in Abhängigkeit von der Dauer unspezi-
innerhalb von 12 Monaten 52,6 Mio. ärztlich be- fischer Rückenschmerzen. Dabei wurden folgende
scheinigte Arbeitsunfähigkeitstage durch Rücken- Verfahren angewandt:
schmerzen bedingt. 4 Bettruhe bis zwei Tage,
Nach Kohlmann und Schmidt (2005) waren 4 Bettruhe bis sieben Tage,
im Jahr 2002 die Krankheiten der Wirbelsäule und 4 Nichtopioidanalgetika,
des Rückens mit einem Anteil von 30 % bei Män- 4 Manualtherapie,
nern und Frauen die häufigste Ursache für Leis- 4 Rückenschule,
tungen der gesetzlichen Rentenversicherung zur 4 Wärme-/Kälteapplikation,
medizinischen Rehabilitation. Rückenschmerzen 4 Physiotherapie,
sind damit der größte Einzelfaktor für Arbeitsun- 4 Facetteninjektionen,
fähigkeit. 4 Stretching,
Göbel (2001) fasst die wichtigsten Erkenntnisse 4 Traktion,
von verschiedenen Untersuchungen zum Auftreten 4 (jegliche) Operation.
von Rückenschmerzen zusammen:
4 Rückenschmerzen gehören zu den zweithäu- Eine zumindest kurzzeitige Wirkung (bei einer
figsten bis häufigsten Schmerzproblemen der Schmerzdauer von unter sieben Tagen) konnte
Bevölkerung. lediglich für die zweitägige Bettruhe und die Verab-
4 Im Mittel leiden die Betroffenen viele Jahre reichung von nichtopioiden Analgetika nachgewie-
an Rückenschmerzen und an vielen einzelnen sen werden. Während sogenannte Facetteninjektio-
Episoden von Schmerzen. In dieser Gruppe nen – d. h. die lokale Verabreichung von Betäu-
von Betroffenen gibt es jedoch Patienten, die bungsmitteln und Kortison –, Operationen und
kontinuierliche Rückenschmerzen haben. längere Bettruhe keine oder unerwünschte Effekte
Diese Gruppe ist für 25 % der Gesamtpräva- zeigten, konnten diverse Behandlungsformen we-
lenz von Rückenschmerzen verantwortlich. nigstens im Bereich von bis zu 42 Tagen Schmerz-
4 Der Anteil der Patienten mit Rückenschmer- dauer gute Effekte erzielen. Dazu gehörten unter
zen, bei denen die Schmerzen nicht nur anderem die Rückenschule, Manualtherapie und
9.3 · Mentales Training in der neurologischen und orthopädischen Rehabilitation
171 9
die Verabreichung von nichtopioiden Analgetika.
Im Bereich von über 42 Tagen Schmerzdauer konn- sure of the curved end against the back of the
ten nur für Krankengymnastik/Physiotherapie grö- thighs and the abdomen. Third, they visualized
ßere Effekte nachgewiesen werden. Alle anderen their trunks as a sandwich with a bottom layer,
gängigen Behandlungsmethoden waren in diesem a middle layer of filling, and a top layer. Using
Bereich kaum oder überhaupt nicht wirksam. this image they then watched the bottom layer
Zur Anwendung des Mentalen Trainings bei slide downward. Finally, subjects imagined each
Rückenschmerzen liegen bisher nur sehr wenige side of their pelvis as a paddle wheel, revolving
Ergebnisse vor. Dennoch erscheint der Einsatz counterclockwise toward the head.« (Fairwea-
mentaler Trainingsformen durchaus plausibel. ther & Sidaway, 1993, S. 387f.)
Fairweather und Sidaway (1993) untersuchten
den Einsatz eines Mentalen Trainingsprogramms,
das mit physischem Training kombiniert wurde, Die Methode, über Bewegungsmetaphern eine Be-
und dessen Wirkung auf Rückenschmerzen. Sie wegungsvorstellung aufzubauen, ist als Methode der
entwickelten dabei ein eher ungewöhnliches Ver- Technikvermittlung im Sport – insbesondere bei
fahren. So versuchten sie, die Patienten mithilfe Anfängern – bekannt. Ungewöhnlich sind eher die
der Vorstellung verschiedener Gewichte für kinäs- nach Sweigards Protokoll gewählten Metaphern.
thetische Bewegungsaspekte zu sensibilisieren und Sweigard (1974) entwickelte ein Konzept der Ideo-
somit die Bewegungsvorstellung zu differenzieren. kinese, bei dem bildhafte Vorstellungen (Meta-
Das Mentale Training wurde im Wechsel mit prak- phern) zur Vermittlung von Tanzbewegungen und
tischem Training durchgeführt. zur Verbesserung der Koordination eingesetzt wur-
Bei den innerhalb von drei Wochen neunmal den, z. B.: »Beim Plié schwebt die Kniescheibe wie
durchgeführten mentalen Trainingseinheiten soll- ein kleiner Luftballon mühelos nach oben.« Zur
ten die Patienten mit angewinkelten Beinen auf Generierung von Bewegungsvorstellungen im Kon-
dem Rücken liegen und zunächst eine Entspan- text des Mentalen Trainings ist der Einsatz von Be-
nungsübung durchführen. Im entspannten Zu- wegungsmetaphern allerdings eher unüblich.
stand sollten die Probanden sich dann vorstellen, Fairweather und Sidaway (1993) berichten
dass verschieden schwere Gegenstände auf ihrer nach einer dreiwöchigen Therapiephase über be-
Bauchmuskulatur liegen (z. B. ein Medizinball). deutsame Verbesserungen der Körperhaltung und
Im Anschluss folgte eine vierstufige Vorstellungs- einen Rückgang der Rückenschmerzen bei den
instruktion, wobei auf das Protokoll von Sweigard Patienten, die mental trainierten, gegenüber einer
(1974) verwiesen wurde (s. unten). Danach hat- Kontrollgruppe (7 Beispiel 9.5).
ten die Probanden verschiedene Metaphern in der
Vorstellung nachzuempfinden (7 Kasten). Beispiel 9.5: Mentales Gehtraining bei
einer Patientin mit Bandscheibenvorfall
und Beinlängenverkürzung
Instruktion zum Mentalen Training nach Mayer et al. (2003) berichten im Rahmen einer
Fairweather und Sidaway (1993) Einzelfalldarstellung vom Einsatz des Mentalen Trai-
»First, subjects visualized their buttocks as un- nings bei einer Patientin mit Bandscheibenvorfall.
baked loaves of dough and watched them slide Trainiert wird nach der Methode des Mentalen Geh-
downward to the back of the heels. Second, trainings (s. oben).
they imagined themselves lying on a toboggan Die Patientin erlitt im Alter von sieben Jahren
so that its curved-up end pressed back against eine Unterschenkeltrümmerfraktur links, die opera-
their thighs. In this position they then watched tiv mit einer Versteifung in Spitzfußstellung versorgt
their seats slide downward to fit into the curve wurde. Seit dieser Zeit wird eine Beinlängendif-
of the toboggan, thus increasing the pres- ferenz von 8,5 cm durch orthopädische Schuhe
6 ausgeglichen. Zur damaligen Zeit unzureichende
therapeutische Maßnahmen hatten eine jahrelange
172 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

Fehlbelastung links und eine Überbelastung rechts hundertprozentige Belastbarkeit erneut zu errei-
zur Folge, was in Kombination mit muskulärer chen, sind vier bis zwölf Monate nötig, obwohl
Dysbalance durch eine sitzende Tätigkeit zu einer einige Autoren daran zweifeln, dass der ursprüng-
Wurzelkompression L5/S1 und L4/L5 und einem liche Zustand überhaupt wieder erreichbar ist (van
Bandscheibenprolaps L3/L4 führte. den Berg, 2003).
Entsprechend dem Verfahren des Mentalen Insbesondere die Ergebnisse der Studie von
Gehtrainings wird mit der Patientin eine individuelle Yue und Cole (1992), die zeigten, dass sich durch
Bewegungsanweisung erarbeitet. Aufschlussreich Mentales Training eine Zunahme der Muskelkraft
ist die Entwicklung dieser Instruktion: Zu Beginn erreichen ließ (7 Kap. 5.1), lösten bei Medizinern
wird die Gehbewegung von der Patientin lediglich und Physiotherapeuten großes Interesse an der
mit »Einen Fuß vor den anderen setzen« beschrie- Integration mentaler Trainingsprogramme in die
ben. Gegen Ende der Entwicklungsphase ist die Therapie frisch operierter oder verletzter und im-
Beschreibung deutlich differenzierter: »Anspannen mobilisierter Patienten aus. Erste Untersuchungen
(Bauchmuskulatur) beim Aufsetzen, Gewicht auf – in der Regel an gesunden Probanden – soll-
links stabil, Spannung kurz lösen, rechts reinholen ten klären, inwieweit durch Mentales Training bei
– nicht nach außen, gleichmäßiger Takt –, abschwin- Immobilisation Gelenkbeweglichkeit erhalten und
gen und Spannung wieder aufbauen.« Muskelatrophie verringert werden kann.
Die daraus resultierende differenzierte Bewe- Es scheint also angebracht, Mentales Training
gungsvorstellung wird im Wechsel mit praktischem in der Rehabilitation von orthopädischen Verlet-
Training geübt. Im Rahmen einer qualitativen und zungen einzusetzen, um den durch Immobilisation
9 quantitativen Ganganalyse kann insbesondere hin- hervorgerufenen Einschränkungen entgegenzu-
sichtlich der qualitativen Therapieerfolgseinschät- wirken.
zung ein ausgesprochen positives Ergebnis erzielt
werden. Studien
Newsom et al. (2003) untersuchten, ob der Ein-
Immobilisation satz von Mentalem Training bei gesunden Pro-
Die Ruhigstellung oder Immobilisation (in der Re- banden, die ihren Unterarm für zehn Tage einge-
gel durch Gips oder Fixateur) gehört zu den häu- gipst hatten, verhindern kann, dass die Greifstärke
figsten Maßnahmen nach einer Verletzung oder aufgrund der Immobilisation zurückgeht. Es gab
Operation. Dabei ist im Rahmen der minimalinva- eine Experimentalgruppe, die dreimal am Tag ein
siven Operationsmethoden die Frühmobilisation 5-minütiges Mentales Training durchführte, und
eine wesentliche Maßnahme, um schneller bessere eine Kontrollgruppe ohne Training. Die Aufgabe
Rehabilitationsergebnisse zu erzielen. Eine längere der Experimentalgruppe bestand darin, sich in-
Immobilisation hat oft gravierende Auswirkungen tensiv vorzustellen, mit der immobilisierten Hand
– nicht nur auf die Beweglichkeit von Gelenken. einen Gummiball zu drücken. Nach zehn Tagen
Van den Berg (2003) berichtet von einer Untersu- Immobilisation konnte bei der Kontrollgruppe ein
chung von Flowers und Pheasant (1988; zit. in van Rückgang der Greifstärke sowie der Kraft bei der
den Berg, 2003), die zeigen konnten, dass nicht- Handgelenksextension und -flexion festgestellt
traumatisierte Gelenke nach einer Immobilisation werden. Die mental trainierende Gruppe konnte
von sechs Wochen steif sind. Die Beweglichkeit zwar keine Kraftzugewinne verzeichnen, jedoch
ließ sich durch passives Bewegen innerhalb we- war der Kraftverlust deutlich geringer als bei der
niger Minuten wiederherstellen. Waren Gelenke Kontrollgruppe.
dagegen sieben Wochen oder länger immobilisiert, Mehrfach wurde schon die Frage der Out-
entstanden überdauernde Kontrakturen (van den come-Optimierung durch Mentales Training
Berg, 2003). nach distaler Radiusfraktur untersucht (Schnei-
Die Belastbarkeit von Bändern und Sehnen be- der, 2006, Frenkel et al., 2014, Schott & Korbus,
trägt nach einer Immobilisationsperiode von vier 2014). Die distale Radiusfraktur ist die häufigste
Wochen nur noch 20 %. Um die ursprüngliche knöcherne Verletzung beim Menschen überhaupt
9.3 · Mentales Training in der neurologischen und orthopädischen Rehabilitation
173 9
(Di Monaco et al., 2003; MacDermid et al., 2001). gende Reflexion über kinästhetische Informationen
Mit steigendem Alter nimmt die Inzidenz dieser ist somit nicht möglich. Denkbar wäre der Einsatz
Verletzungen zu. Die Auswirkung einer solchen der Spiegeltherapie. In der Studie von Schneider
»Monoverletzung« auf den Gesamtorganismus (2006) wurde versucht, über den gesunden und
insbesondere älterer Menschen wird eher unter- nicht immobilisierten Arm eine Bewegungsvorstel-
schätzt; so wird z. B. berichtet, dass Betroffene al- lung aufzubauen (vgl. die Übersicht im 7 Kasten).
lein aufgrund dieses isolierten Traumas der oberen
Extremität den eigenen Haushalt aufgeben muss-
ten (Di Monaco et al., 2003; Einsiedel et al., 2003; Mentales Trainingsprogramm nach distalen
Greendale et al., 1995). Radiusfrakturen (nach Schneider, 2006)
Als wesentliche Ursache für schlechte funktio- Dieses vierstufige mentale Trainingsprogramm
nelle Ergebnisse nach distalen Radiusfrakturen gilt nach Schneider (2006) dient der Aufrechterhal-
insbesondere die häufig notwendige Immobilisie- tung von Kraft und Geschicklichkeit nach dista-
rung durch externe Fixierung oder Gipsversorgung len Radiusfrakturen.
des Radiokarpalgelenkes über einen Zeitraum von 1. Deskription der Zielbewegung
meist vier bis sechs Wochen. – am Modell
Die durch eine notwendige externe Ruhigstel- – am nicht betroffenen (rechten) Arm
lung hervorgerufenen negativen Auswirkungen – Konzentration auf kinästhetische Erfah-
sind Bewegungseinschränkung des Handgelenks rungen am nicht betroffenen (rechten)
durch Kapselschrumpfung des radiokarpalen und Arm
distalen radioulnaren Bandapparates, Muskelatro- 2. Instruktion
phie der Unterarmmuskulatur, Hautreizungen und – Knotenpunkte vermitteln (auf – Mitte –
Ulzerationen sowie lokale Inaktivitätsosteoporose ab, links – Mitte – rechts)
des Knochens, v. a. bei älteren Patienten. Hinzu – Knotenpunkte mit kinästhetischer Er-
kommen bei einer notwendigen Inaktivität des ent- fahrung verbinden (Einsatz vielfältiger
sprechenden Handgelenkes und der Finger ein Ver- Übungsformen)
lust der groben und feinen Muskelkraft sowie eine 3. Bewegungsvorstellung entwickeln
Störung der Feinmechanik und der Koordination. – Rechts aktive Durchführung – dabei ak-
Das Problem der sekundären Verschlechterung tiv zuschauen
der Gehfähigkeit des alten Menschen bei nicht – In der Vorstellung nachvollziehen – In-
gebrauchsfähiger oberer Extremität ist nicht zu nenperspektive (linke und rechte Hand)
vernachlässigen (Di Monaco et al., 2003; MacDer- – Rechts aktive Durchführung – geschlos-
mid et al., 2001). Um diese – insbesondere beim sene Augen
älteren Menschen weitreichenden – Auswirkungen – In der Vorstellung nachvollziehen – In-
einer erzwungenen Immobilisierung des musku- nenperspektive (linke und rechte Hand)
loskelettalen Abschnitts »distaler Unterarm und 4. Mentales Training
Handgelenk« zu verhindern oder abzumildern, – Rechts aktive Durchführung – geschlos-
sind somit weitere ergänzende therapeutische Me- sene Augen
thoden gefordert, da auf eine externe Fixation oft – In der Vorstellung nachvollziehen – In-
nicht verzichtet werden kann. nenperspektive (Steigerung: vermehrt die
Als häufigste Verletzungsursache werden Stürze Bewegung der linken Hand vorstellen)
im Haushalt, im Straßenverkehr oder beim Sport – Individuell relevante Komplexbewegung
genannt. Für die Umsetzung eines mentalen Trai- (z. B. Suppe löffeln) aus der Innenpers-
ningsprogramms ergibt sich so die Schwierigkeit, pektive nachvollziehen
dass der bereits operierte und immobilisierte Patient
eine Vorstellung der wichtigsten Handgelenksbewe-
gungen seines immobilisierten Armes entwickeln Die Studie, die das Verfahren zunächst an gesun-
soll. Die praktische Durchführung und darauffol- den Probanden evaluierte, konnte zeigen, dass bei
174 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

Personen mit immobilisiertem Handgelenk (drei- unteren Extremitäten lassen sich folgendermaßen
wöchige Gipsruhigstellung) durch den Einsatz des zusammenfassen:
Mentalen Trainings deutlich weniger Bewegungs- 4 Nach zehn Tagen Immobilisation des Un-
einschränkungen im Handgelenk und eine verrin- terarms konnte bei einer Gruppe gesunder
gerte Atrophie der Muskulatur zu verzeichnen wa- Probanden, die während der Ruhigstellung
ren (Schneider, 2006; vgl. auch Frenkel et al. 2014). mental trainierte, ein deutlich geringerer
Eine Studie von Zijdewind et al. (2003) unter- Kraftverlust festgestellt werden als bei einer
suchte die Effektivität eines mentalen Trainings- Kontrollgruppe.
programms zur Optimierung der Bewegungsweite 4 Durch den Einsatz des Mentalen Trainings
im Sprunggelenk bei Gesunden. In einem Drei- waren bei gesunden Personen mit immobili-
Gruppen-Design wurde das Mentale Training mit siertem Handgelenk (dreiwöchige Gipsruhig-
einem Krafttraining geringer Intensität und einer stellung) im Vergleich zu einer Kontrollgruppe
Kontrollgruppe (kein Training) verglichen. Die weniger Bewegungseinschränkungen und eine
mental trainierenden Probanden sahen zunächst verringerte Atrophie der Muskulatur zu ver-
ein Video (visueller Ansatz), auf dem eine Per- zeichnen.
son mit einem Gewicht auf den Schultern den 4 Probanden, die die Sprunggelenksbewegung
Zehenstand trainierte (Toe-Raise-Exercise). Die mental trainierten, verzeichneten die größten
Probanden wurden aufgefordert, sich die Aktivie- Trainingserfolge (im Vergleich mit einer Kont-
rung ihrer Sprunggelenkmuskulatur beim Beugen rollgruppe und einer »Low-Intensity-Group«).
und Strecken vorzustellen. Diese Vorstellung sollte 4 Nach einer Sprunggelenksverletzung erreich-
9 10 Sekunden aufrechterhalten werden, danach er- ten Sportler, die mental und praktisch trai-
folgte eine Pause von 10 Sekunden. Für jedes Bein nierten, eine größere muskuläre Ausdauer als
wurden fünf Serien mit je fünf Wiederholungen ausschließlich praktisch trainierende Sportler.
durchgeführt.
Nach einer siebenwöchigen Trainingsphase Kreuzbandruptur, Meniskusläsion
mit fünf Trainingseinheiten in der Woche waren Die Ruptur des (vorderen) Kreuzbands hat durch
bei der mental trainierenden Gruppe die größten die Zunahme sportlicher Freizeitaktivitäten in den
Trainingserfolge zu verzeichnen, was nach Zijde- vergangenen 20 Jahren eine wesentliche medizini-
wind et al. (2003) für den Einsatz des Mentalen sche, aber auch medizinökonomische Bedeutung
Trainings in der Rehabilitation nach Immobilisie- gewonnen. Jürgens (2000) belegt diese Feststel-
rung spricht. lung mit Zahlen: Allein für die USA werden über
In einer Untersuchung von Christakou et al. 100.000 Verletzungen des vorderen Kreuzbands
(2007) wurden 20 Sportler mit Sprunggelenksver- pro Jahr angegeben. Eine vergleichbare Anzahl
letzung (grade II ankle sprain) in zwei Gruppen medizinischer Publikationen seit Mitte der 1970er-
aufgeteilt. Die Experimentalgruppe erhielt Menta- Jahre setzt sich mit der Diagnostik, der Therapie
les Training in Kombination mit praktischem Trai- und den Folgen dieser Verletzung auseinander.
ning, die Kontrollgruppe erhielt nur praktisches Hinterwimmer et al. (2003) sprechen von kumula-
Training. Es wurde über vier Wochen dreimal tiven Inzidenzen (Verletzte pro 1.000 Sportler) von
wöchentlich 60 Minuten trainiert. Die Experimen- 0,5 bei Frauen und 0,1 bei Männern. Unstrittig und
talgruppe erreichte in den Variablen »Stabilität« durch eine große Anzahl von Veröffentlichungen
und »Gleichgewicht« die gleichen Ergebnisse wie belegt ist die Tatsache, dass der natürliche Verlauf
die Kontrollgruppe. In der Variablen »muskuläre einer vorderen Kreuzbandruptur durch die verän-
Ausdauer« war die Experimentalgruppe der Kont- derte Kinematik die Arthroseentstehung am Knie-
rollgruppe überlegen. gelenk begünstigt. Beeinflusst wird diese Tendenz
durch Faktoren wie Alter, Gewicht, Trainingszu-
Zusammenfassung der Ergebnisse. Die wichtigs- stand, Vorschäden oder Begleitverletzungen.
ten Ergebnisse der vorgestellten Studien zum Men- Die Kreuzbandruptur wird heute entweder
talen Training bei Immobilisation der oberen und konservativ behandelt oder endoskopisch mit
9.3 · Mentales Training in der neurologischen und orthopädischen Rehabilitation
175 9
einer Kreuzbandplastik versorgt. Die Indikation Trainings bei Ross und Berger nicht beschrieben
zur Kreuzbandersatzplastik wird aufgrund der wird. Das Stressimpfungstraining wurde zusätzlich
schlechten konservativen Behandlungsergebnisse, zur herkömmlichen Physiotherapie durchgeführt.
insbesondere bei jüngeren und aktiven Patienten, Gegenüber einer Kontrollgruppe, die keine zusätz-
und der immer weniger invasiven Operationsme- liche Behandlung erhielt, empfanden die Patienten,
thoden immer großzügiger gestellt. Die minimal- die mit dem Stresstraining behandelt wurden, we-
invasive Operationsmethode ermöglicht es, schon niger Schmerzen, hatten weniger Angst während
kurz nach der Operation mit Rehabilitationsmaß- der Rehabilitation und benötigten eine kürzere
nahmen und der frühfunktionellen Belastung des Rehabilitationszeit.
Kniegelenks zu beginnen (Jürgens, 2000).
Meniskusläsionen machen den größten Teil al- Zusammenfassung der Ergebnisse. Die Ergeb-
ler Sportverletzungen des Kniegelenks aus, insbe- nisse der Studien lassen sich wie folgt zusammen-
sondere beim Fußball. Häufig liegen kombinierte fassen:
Verletzungen unter Einbeziehung von Gelenk- 4 Mentales Training nach Ruptur des vorderen
knorpel, Kapsel, Seiten- und Kreuzbändern vor Kreuzbandes verbessert die Kraftentwicklung
(Ueblacker et al., 2005). bei Beugung und Streckung des Kniegelenks
Sieht man davon ab, dass das Mentale Trai- und beugt der Angst vor Wiederverletzung
ning in der Rehabilitation nach Sportverletzung und der Schmerzwahrnehmung vor.
häufig Anwendung findet und Kreuzbandrupturen 4 Patienten nach Meniskusoperation profitier-
und Meniskusläsionen typische Sportverletzungen ten von Mentalem Training durch weniger
sind, liegen bislang kaum spezifische Berichte oder Schmerzen, weniger Angst und kürzere Reha-
Untersuchungen zur Anwendung des Mentalen bilitationszeiten.
Trainings in der Rehabilitation nach Kreuzban-
druptur oder Meniskusläsion vor. Amputation
Die häufigste Ursache von Amputationen bei Er-
Studien wachsenen ist in den zivilisierten Ländern die arte-
Cupal und Brewer (2001) untersuchten die Wirk- rielle Verschlusskrankheit, gefolgt von schweren
samkeit eines mentalen Trainingsprogramms an Unfällen (Niethard & Pfeil, 1997). Was die Anwen-
30 Patienten nach vorderer Kreuzbandruptur. Im dung des Mentalen Trainings bei Amputationen
Rahmen der Rehabilitation wurden zehn Einheiten betrifft, liegen bisher lediglich Berichte oder Unter-
Mentales Training durchgeführt, bei dem in Kom- suchungen über Beinamputierte vor. Entsprechend
bination mit Entspannungsübungen sportliche werden an dieser Stelle die Anforderungen an die
Zielbewegungen, die individuell an den jeweiligen Therapie nach Beinamputation beschrieben.
Patienten angepasst waren, vorgestellt wurden. Das Behandlungsziel ist die Wiederherstellung
Sie konnten bei den mental trainierenden Pati- der Funktion, für Beinamputierte also das Stehen
enten gegenüber einer Kontrollgruppe bedeutsame und Gehen (Mehrtens et al., 1993). Beinamputierte
Effekte hinsichtlich der Fähigkeit zur Kraftent- sollten, wann immer möglich und so rasch als mög-
wicklung bei Beugung und Streckung des Knie- lich, ihre Gehfähigkeit wiedererlangen, d. h., zu-
gelenks, der Angst vor Wiederverletzung und der nächst mit einer Prothese versorgt werden (De-
Schmerzwahrnehmung nachweisen. brunner, 1994). Mit dieser Beinprothese soll der
Ross und Berger (1996) stellten eine Unter- Amputierte schmerzfrei und mit intensiver thera-
suchung an Meniskuspatienten aus verschiede- peutischer Unterstützung das Stehen und Gehen
nen Sportarten vor, bei der die Wirksamkeit ei- erlernen. Der Bewegungsablauf sollte möglichst
nes Stressimpfungstrainings (nach Meichenbaum, flüssig und natürlich sein. Dies ist im Normalfall
1985) untersucht wurde. Das Stressimpfungstrai- mit den heutigen Prothesen weitgehend realisierbar.
ning enthielt neben einem Entspannungstraining Zentral beim Wiedererlernen der Gehbewe-
und Aufklärungsgesprächen auch ein Mentales gung nach einer Beinamputation ist die Tatsache,
Training, wobei der genaue Ablauf des Mentalen dass ein neues, mechanisches Körperteil in den Be-
176 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

wegungsablauf integriert werden muss. Eine Pro- Mayer et al. (2003) beschreiben im Rahmen
these kann ein eigenes, lebendes Bein bei Weitem einer qualitativen Einzelfalldarstellung die Durch-
nicht ersetzen: Sie ist leblos, kraftlos, gefühllos, führung des Mentalen Trainings nach der Me-
schlecht steuerbar, sie fühlt sich anders an und ist thode des Mentalen Gehtrainings (s. oben) bei
schon allein aus rein ästhetischen Gründen nicht einem Patienten nach Oberschenkelamputation
mit einem natürlichen Bein vergleichbar. Obwohl und Prothesenversorgung. Beim Gehtraining von
eine Prothese daher wohl nie als Körperteil akzep- Patienten mit Oberschenkelprothese muss berück-
tiert wird, ist sie doch für den Patienten ein unent- sichtigt werden, dass der Patient zwei mechanische
behrliches Mittel, um ein unabhängiges Leben füh- Gelenke seiner Prothese beherrschen lernen muss.
ren zu können. Die einwandfreie Funktion ist dabei Insbesondere der Verlust des Kniegelenks macht
die erste Voraussetzung (Debrunner, 1994). das Gehen zu einem Balanceakt. Der Patient sollte
Nach optimaler Stumpfversorgung justiert der daher bereits zu Beginn des Trainings alle techni-
Orthopädietechniker die Prothese und passt sie schen Möglichkeiten der Prothese kennenlernen,
durch feine Veränderungen an das Gangbild des damit er diese später beim alltäglichen Gehen voll
Patienten an. Die Prothese muss in der Standphase nutzen kann (Rieble et al., 1986; Debrunner, 1994;
des Ganges die Belastung durch den zu tragenden 7 Beispiel 9.6).
Körper im Einbeinstand mit genügend hoher Si-
cherheit bei möglichst natürlich wirkendem Gang- Beispiel 9.6: Prothesentraining eines oberschen-
bild tragen. Die Ausführung der Schwungphase kelamputierten Patienten (nach Mayer et al. 2003)
soll in einer der Gehgeschwindigkeit entsprechen- Nach einem schweren Verkehrsunfall wird bei einem
9 den Zeit erfolgen, und sie soll zusammen mit der Patienten der Oberschenkel des linken Beins ampu-
Kniebewegung ein harmonisch wirkendes Gang- tiert. Die Amputation erfolgt ca. 10 cm oberhalb des
bild ermöglichen. Der Orthopädietechniker ist bei Kniegelenks. Der Patient benutzt eine monozentri-
der Justierung ganz besonders auf die Aussagen sche Knieprothese (»Jüpa-Knie«), darf sein Bein voll
des Patienten angewiesen. belasten, benutzt zum Gehen allerdings zwei Unter-
Nach Nico et al. (2004) sind Amputierte (hier armgehstützen, da er mit der Prothese noch nicht
jedoch Armamputierte) durchaus noch in der zurechtkommt und Angst vor Stürzen hat.
Lage, sich Bewegungen mit ihren nicht mehr vor- Das Gangbild ist zu Beginn der Therapie noch
handenen Gliedmaßen vorzustellen. sehr unsicher: Bei dem betroffenen Bein wird in
der Schwungphase die Knieflexion und -extension
> Bei Amputierten scheinen Bewegungs-
noch nicht im physiologischen Bewegungsrhyth-
repräsentationen noch über längere Zeit
mus durchgeführt. Aufgrund der Gangunsicherheit
hinweg bestehen zu bleiben.
zeigt der Patient eine deutlich erhöhte Spurbreite.
Allerdings hat sich gezeigt, dass der Verlust domi- Daraus folgen eine starke Transversalverschiebung
nanter Gliedmaßen zu größeren Schwierigkeiten des Rumpfes und eine Lateralflexion zur betroffenen
bei der Bewegungsvorstellung führt als der Ver- Seite in der Standphase.
lust nicht dominanter Gliedmaßen. Ebenso konnte Der Patient beschreibt die Schwierigkeiten beim
gezeigt werden, dass das Tragen einer Prothese Gehen folgendermaßen: Er habe die Funktion der Pro-
sich negativ auf die akkurate Vorstellung von Be- these weitgehend im Griff, allerdings habe er Angst,
wegungen auswirkt (Nico et al., 2004). Aufgrund dass er beim Vorschwung des betroffenen Beins an sei-
dieser undifferenzierten Bewegungsvorstellung im ner Gehhilfe hängen bleiben und stürzen könnte. Die
Umgang mit der Prothese kann der Patient zu- Jüpa-Prothese weist eine Besonderheit auf: Der Unter-
nächst nicht genau sagen, ob eine Stellungskor- schenkel muss vorgeschleudert werden und eingeras-
rektur durch den Orthopädietechniker die ange- tet werden, um in der Standphase stabil zu stützen.
strebte Wirkung erbracht hat und wie er mit der Entsprechend dem Vorgehen beim Mentalen
Prothese und der Motorik der Stumpfmuskulatur Gehtraining wird – ausgehend von einer ausführli-
eine möglichst sichere und harmonisch wirkende chen Bewegungsbeschreibung – eine individuelle
Gehbewegung erzeugt (Blumentritt, 1997). Bewegungsinstruktion entwickelt, die, auf Knoten-
9.3 · Mentales Training in der neurologischen und orthopädischen Rehabilitation
177 9
punkte der Bewegung reduziert, die Grundlage der anzupassen. Der Schaft wurde mit drei Schlaufen
Bewegungsvorstellung darstellt. In der Folge wird das versehen, sodass er fest an Oberschenkel und Wade
Mentale Training im Wechsel mit praktischem Trai- des jeweiligen Probanden fixiert werden konnte.
ning durchgeführt. Beim Mentalen Training wird das Die Oberschenkelprothese für Gesunde ließ sich
Erleben der optimalen Steuerung der Prothese zum durch zwei Stellschrauben optimal an Körpergröße
zentralen Vorstellungsinhalt: die charakteristischen, und Beinlänge der Probanden anpassen.
wahrnehmbaren Bewegungen im Stumpf in Zusam- In einer randomisierten Kontrollgruppenstu-
menhang mit den Mechanismen der Prothese. die mit Messwiederholung sollte der Effekt des
Das Bewegungsgefühl, wenn die Prothese Mentalen Trainings untersucht werden. Dabei er-
beschleunigt wird, deren Einrasten in der Exten- hielten die Versuchspersonen (Sportstudierende)
sionsstellung und das damit verbundene Gefühl der der Experimentalgruppe über drei Wochen einmal
Sicherheit (»Jetzt kann nichts mehr passieren«) wer- wöchentlich 30 Minuten Übungszeit mit der Pro-
den in die Bewegungsvorstellung integriert, und das these, davon 10 Minuten Mentales Training. Beim
Abrufen dieser Bewegungsvorstellung wird mental Mentalen Training wurde zunächst eine Vorstel-
trainiert. Im Rahmen der Anschlussheilbehandlung lung der zu erlernenden Bewegung entwickelt, wo-
wird schließlich das Gehen ohne Gehhilfen erreicht. bei besonders kinästhetische Aspekte im Umgang
mit der Prothese erarbeitet wurden. Im Anschluss
Studie daran wurden die Probanden aufgefordert, sich
Eine Evaluationsstudie zum Einsatz des Mentalen die Bewegung vorzustellen, dabei sollte insbeson-
Trainings zur Bewegungsoptimierung wurde von dere die Kinästhetik der Bewegung nachvollzogen
Gassner et al. (2007) vorgestellt. Das Besondere an werden. Außerdem wurden sie aufgefordert, auch
dieser Studie ist, dass eine Oberschenkelprothese außerhalb des Trainings täglich mental zu trai-
für Gesunde (basierend auf einem Kniegelenk der nieren. Die Versuchspersonen der Kontrollgruppe
Baureihe 3R80; . Abb. 9.12) angefertigt wurde, erhielten über drei Wochen einmal wöchentlich
um unter annähernd kontrollierten Bedingungen 30 Minuten Übungsmöglichkeit mit der Prothese.
das Mentale Training zum Bewegungslernen mit Gemessen wurden kinematische Parameter der
Oberschenkelprothese evaluieren zu können. Gehbewegung (Gehgeschwindigkeit, Schreitlänge)
Die Prothese wurde mit einem Schaft ausge- sowie eine subjektive Experteneinschätzung hin-
stattet, der es ermöglicht, die Prothese gesunden sichtlich Gehqualität, Bewegungssicherheit und
Probanden mit einem auf 90° angewinkelten Knie Lernerfolg.

. Abb. 9.12 Oberschenkelprothese für Gesunde (Gassner et al., 2007)


178 Kapitel 9 · Mentales Training in der Rehabilitation

Ergebnisse. Die Untersuchung zeigte einen deut- Bei Patienten mit Osteosarkom wird zur Ver-
lich positiveren Effekt des Mentalen Trainings in meidung einer funktionell ungünstigen hüftna-
Kombination mit praktischem Training im Ver- hen Amputation bei diesem Verfahren der Fuß
gleich zu rein praktischem Üben, obwohl die Ex- als Kniegelenksersatz replantiert (Umkehrplastik
perimentalgruppe bedingt durch das zusätzliche nach Borggraeve/van Nes) und prothetisch ver-
Mentale Training weniger Zeit zum praktischen sorgt (. Abb. 9.13). Durch die Replantation des um
Üben hatte als die Kontrollgruppe. Bemerkenswert 180° gedrehten Unterschenkels unter Verkürzung
ist, dass die Experimentalgruppe sowohl in der des Beins kann das Sprunggelenk als Kniegelenk
computergestützten Ganganalyse wie auch im Ex- fungieren und aktiv eine Unterschenkelprothese
pertenrating der Kontrollgruppe überlegen war. steuern. Auf der ganzen Welt existieren nicht mehr
Bei der Interpretation der Ergebnisse bleibt als ca. 600 Personen, ausnahmslos jüngere Patien-
– auch bezüglich eines möglichen Transfers in ten und Kinder, die mit einer solchen Umkehr-
die Rehabilitation – zu berücksichtigen, dass die plastik versorgt wurden (7 Beispiel 9.7).
Probanden (Sportstudierende) über besondere Vo-
raussetzungen verfügten, die bei Patienten in der Beispiel 9.7: Prothesentraining nach
Rehabilitation in dieser Form nicht ohne Weiteres Umkehrplastik (nach Mayer et al., 2003)
zu erwarten sind, und dass einmaliges Üben pro Der Patient darf sechs Monate lang das operierte
Woche doch sehr praxisfern erscheint. Bein nur mit 30 kg belasten und muss deswegen
an zwei Unterarmgehstützen gehen. Im Laufe der
Mentales Gehtraining bei Patienten mit Therapie wird mit dem Patienten eine individuelle
9 Umkehrplastik Bewegungsanweisung erarbeitet, die Grundlage für
Von einem besonderen Anwendungsbeispiel für die Entwicklung einer angemessenen Bewegungs-
den erfolgreichen Einsatz des Mentalen Trainings vorstellung sein soll. Die Entwicklung der Bewe-
bei Amputierten berichten Mayer et al. (2003). gungsvorstellung ist insofern außergewöhnlich, als
Sie trainierten nach der Methode des Mentalen die früher laterale Körperwahrnehmung des Unter-
Gehtrainings (s. oben) einen Patienten, der nach schenkels durch die Umkehrplastik jetzt zu einer
Osteosarkom mit einer Umkehrplastik nach Borg- medialen Körperwahrnehmung geworden ist. Zur
graeve/van Nes versorgt wurde. weiteren Differenzierung dieser Bewegungsvorstel-

. Abb. 9.13 Beispiel einer


Umkehrplastik bei einem
neunjährigen Jungen mit Zu-
stand nach Osteosarkom am
distalen Femur. a Klinischer
Aspekt sechs Monate nach der
Operation; b, c Demonstration
der aktiven Beweglichkeit im
oberen Sprunggelenk bzw. im
neuen Knie (Hefti, 2006)
9.3 · Mentales Training in der neurologischen und orthopädischen Rehabilitation
179 9
lung wird die Zielbewegung auch praktisch unter
verschiedenen Modifikationen durchgeführt (ge-
schlossene Augen, unterschiedliche Ausführungsge-
schwindigkeiten, mit und ohne Prothese).
Das Mentale Training erfolgt zunächst sprach-
lich, dann vermehrt aus der internalen Perspektive.
An das Mentale Training wird eine Realisierungs-
phase (praktische Durchführung) angeschlossen.
Im Rahmen einer objektiven und subjektiven
Ganganalyse konnten deutliche Verbesserungen in
relevanten Parametern der Gehbewegung gezeigt
werden.

Fazit
Es bleibt festzuhalten, dass Mentales Training ne-
ben der Anwendung in der Rehabilitation nach
Sportverletzungen auch vielfach in der außersport-
lichen neurologischen und orthopädischen Reha-
bilitation anzutreffen ist. Dabei sind Schwerpunkte
in der neurologischen Rehabilitation, speziell in
der Rehabilitation nach Schlaganfall, festzustellen.
Aber auch in der orthopädischen Rehabilitation
setzt sich mehr und mehr die Überzeugung vom
therapeutischen Nutzen des Mentalen Trainings
durch. Außerhalb der neurologischen oder ortho-
pädischen Rehabilitation wird Mentales Training
als Therapieverfahren nur sehr vereinzelt ange-
wandt (z. B. bei pulmonaler Hypertonie; vgl. Me-
reles et al., 2006).
Noch sind die Durchführungsmodalitäten sehr
unterschiedlich, auch wenn allgemein eher Verfah-
ren nach dem räumlich-bildhaften oder kinästhe-
tischen Ansatz berichtet werden. In der therapeu-
tischen Praxis ist noch nicht von einer etablierten
Anwendung zu sprechen. Daher gilt es in naher
Zukunft vornehmlich über wissenschaftliche Stu-
dien die Wirksamkeit des Mentalen Trainings an
sich sowie die optimale Durchführungsmodalität
– auch in Kombination mit etablierten physiothe-
rapeutischen Verfahren – zu ermitteln. Außerdem
ist das Verfahren über die Angabe von Effektstär-
ken transparent und kalkulierbar für die Praxis
aufzubereiten.
10

Mentales Training im Bereich Arbeit


und Wirtschaft

10.1 Anforderungen im Arbeits- und Wirtschaftsleben – 182


10.1.1 Belastung und Beanspruchung – 182
10.1.2 Repräsentation und Vorstellungen von Handlungsoptionen im beruflichen
Kontext – 183

10.2 Chirurgie und Zahnmedizin – 184


10.2.1 Mentales Training in der Chirurgie – 184
10.2.2 Mentales Training in der Zahnmedizin – 189

10.3 Luftfahrt – 191


10.3.1 Einsatz des Mentalen Trainings im Rahmen der Pilotenausbildung – 192

10.4 Musik – 195

10.5 Produktion/Fertigung – 199

J. Mayer, H.-D. Hermann, Mentales Training, DOI 10.1007/978-3-662-46819-7_10,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
182 Kapitel 10 · Mentales Training im Bereich Arbeit und Wirtschaft

In den vorangegangenen Kapiteln wurde dargelegt, »Bei einer Fehlertoleranz von 0,1 % käme es in den
dass Mentales Training ein psychologisches Trainings- USA im Bankgewerbe zu 32.000 Fehlbuchungen pro
verfahren zur Lern- und Leistungssteigerung ist. Dabei Tag, bei der Post zu 16.000 verlorenen Briefen pro
wurde im Kontext Leistungssport neben der Anwen- Stunde und auf dem Flughafen von Chicago zu zwei
dung des Mentalen Trainings zur Vermittlung von Be- unsicheren Landungen pro Tag. Auf den Intensiv-
wegungen und Handlungsabläufen insbesondere die stationen der Krankenhäuser im Staat New York lag
Optimierung im Sinne von Automatisierung und Sta- die Fehlertoleranz im Jahr 1984 bei 1 %. Ein Drittel
bilisierung von Bewegung unter Stress in den Vorder- dieser Fehler führte bei den Patienten zu lebensbe-
grund gestellt. Diese Anforderungen finden sich nicht drohlichen Komplikationen.«
nur bei Wettkämpfen, sondern auch in vielen Anwen-
dungsgebieten des Arbeits- und Wirtschaftslebens. In vielen Situationen des Alltags wird vom Leis-
Welchen Beitrag das Mentale Training hier zur Lern- tungserbringer das Bestmögliche erwartet (Pro-
und Leistungsoptimierung leisten kann, soll im Folgen- gnose). Die Konsequenzen beim Misslingen der
den am Beispiel der Medizin, der Luftfahrt, der Musik Handlung können gravierend sein, der Zeitpunkt
sowie der Produktion/Fertigung gezeigt werden. ist oft von außen vorgegeben, und die Nichtwie-
derholbarkeit erklärt sich von selbst, wenn man
sich die täglichen Anforderungen in den Berufs-
10.1 Anforderungen im feldern z. B. von Piloten, Chirurgen oder auch
Arbeits- und Wirtschaftsleben Künstlern vor Augen führt.
Diese wettkampfähnlichen Anforderungen
Systematisiert man die Unterschiede von Training des Arbeits- und Wirtschaftslebens werden von
und Wettkampf, lassen sich wesentliche Kriterien vielen Menschen als Belastung wahrgenommen.
einer wettkampfähnlichen Situation herausstellen Man fühlt sich unter Druck, weil Leistungsfähig-
10 (u. a. Eberspächer, 2001; 7 Übersicht im Kasten). keit und Leistungsorientierung im Alltag häufig
vorausgesetzt werden. Doch welche Mechanis-
men stecken hinter diesem Belastungsphänomen,
Kriterien einer wettkampfähnlichen und wie kann Mentales Training hier unterstüt-
Situation zend wirken?
4 Ein Wettkampf geht immer mit einer Prog-
nose, also einer an die Handlung und das
Ergebnis gestellten Erwartung einher. 10.1.1 Belastung und Beanspruchung
4 Ein Wettkampf bzw. sein Ergebnis hat im-
mer (positive oder negative) Konsequenzen. Allgemein ist zunächst zwischen Belastung und
4 Im Wettkampf muss die Leistung zu einem Beanspruchung zu unterscheiden. Der Begriff der
extern vorgegebenen Zeitpunkt erbracht Belastung kommt eigentlich aus der Physik und
werden. meint einen ganz bestimmten Druck, der auf ein
4 Im Wettkampf hat man keine Möglichkeit, bestimmtes Material ausgeübt wird. Er wird abge-
eine misslungene Aktion zu wiederholen. grenzt vom Begriff der Beanspruchung. Beanspru-
chung ist das jeweilige Erleben dieser Belastung
(Frieling & Sonntag, 1999).
Diese Kriterien, die die Besonderheit der Wett- Dies bedeutet: Eine Belastung ist interindividu-
kampfsituation ausmachen und wesentlich für die ell gleich groß, wird allerdings von verschiedenen
Unterscheidung von Training und Wettkampf sind, Menschen ganz unterschiedlich erlebt. Deutlich
finden sich nicht nur sportartübergreifend in allen wird dieser Unterschied auch im Stresskonzept
sportlichen Wettkämpfen wieder, sondern auch in von Lazarus und Folkman (1984). Dieses Modell
vielen leistungsorientierten Situationen des Arbeits- beschreibt die Entstehung von Stress als Resultat
und Berufslebens. Immenroth (2003, S. 61) bringt von verschiedenen personeninternen Bewertungs-
dies mit folgenden Ausführungen auf den Punkt: prozessen. D. h., dass ein und dasselbe Ereignis
10.1 · Anforderungen im Arbeits- und Wirtschaftsleben
183 10
von verschiedenen Menschen ganz unterschiedlich Ein völlig stressfreies Leben ist nach seiner Auf-
wahrgenommen wird. Für professionelle Musiker fassung Stillstand und ein richtiges Maß an Stress
z. B. ist ein Konzert vor vielen Zuhörern vielleicht die »Würze des Lebens«. Nur zu viel oder an-
eine reizvolle Herausforderung, eine Gelegenheit, dauernder, chronischer Stress entwickle sich zum
um das eigene Können zu demonstrieren. Mög- negativen Stress, der – wie Selye zeigen konnte –
licherweise wird ein Konzert aber auch als eine nachweislich für viele Erkrankungen (mit-)verant-
Bedrohung wahrgenommen, die aus der Angst wortlich ist, z. B. für Herzerkrankungen, Magen-
resultiert, sich zu blamieren. Darm-Probleme, Schlafstörungen, Hörsturz oder
Burnout-Syndrom.
> Ob eine Situation als Bedrohung oder Her-
ausforderung interpretiert wird, hängt mit
der individuellen Einschätzung der zur Verfü- 10.1.2 Repräsentation und
gung stehenden Ressourcen zusammen. Vorstellungen von
Fühlt sich der Musiker der Situation, vor vielen Handlungsoptionen im
Menschen zu musizieren, gewachsen, vielleicht beruflichen Kontext
weil er schon oft erfolgreich Konzerte gegeben
oder das vorzutragende Stück sehr gut vorbereitet Da Belastungen unterschiedlich wahrgenommen
hat, wird er sich weit weniger beansprucht erleben und interpretiert werden, und zwar abhängig von
als ein Kollege, der vielleicht das erste Mal vor ei- den individuell als verfügbar eingeschätzten Res-
ner größeren Gruppe spielen muss und noch dazu sourcen, bedeutet dies für den optimalen und
schlecht vorbereitet ist. leistungsfördernden Umgang mit Belastungen im
An diesem Beispiel wird deutlich: ein und die- Berufsalltag, dass entsprechende Handlungsopti-
selbe Belastung (eine größere Gruppe von Zu- onen für stressreiche Situationen entwickelt und
hörern) führt individuell zu ganz unterschiedlich trainiert werden müssen.
erlebten Beanspruchungen, je nachdem, wie die Auch hier ist es daher wesentlich, eine entspre-
Belastung vom Individuum bewertet wird, und chende Repräsentation bzw. Vorstellung von der
diese Bewertung hängt maßgeblich von vorhande- geforderten Handlung zur Verfügung zu haben.
nen Bewältigungsressourcen ab. In der Arbeitspsychologie spricht man bei diesen
Viele Menschen berichten, dass sie ein gewis- Repräsentationen auch von mentalen Landkarten
ses Maß an erlebter Beanspruchung sogar brau- bzw. mentalen Modellen, die für die Regulation
chen, um »richtig gut« zu sein. Sie fühlen sich einer Handlung eine entscheidende Rolle spielen
in beanspruchenden Situationen aktivierter und (Theorie zur Handlungsregulation nach Hacker,
leistungsfähiger. 1998). Die mentalen Landkarten entsprechen der
Im Sport nennt man dieses Gefühl vor einem Repräsentation der Umwelt, der angestrebten Ziele
Wettkampf »Vorstartzustand«: Puls und Blutdruck sowie der eigenen Fähigkeiten und Kompeten-
gehen hoch, man schwitzt vermehrt, und mancher zen zur Erreichung dieser Ziele. Entsprechend den
Sportler berichtet auch von Magendrücken. Diese Ausführungen in 7 Kap. 3 ist auch nach Hacker
körperlichen Reaktionen in Beanspruchungssitu- (1998) die Qualität einer Handlung stark von der
ationen sind genetisch festgelegt und beschreiben Richtigkeit und Differenziertheit dieser Repräsen-
einen bestimmten Schutzmechanismus: Der Kör- tation abhängig. Je besser also das innere Modell
per mobilisiert in als gefährlich eingeschätzten Si- ist, umso angemessener und demnach auch erfolg-
tuationen seine Widerstandskräfte. reicher kann eine Handlung durchgeführt werden
Dieser Mechanismus ist schon vor vielen Jahr- (Hacker, 1998).
zehnten von Selye (1953) – insbesondere im Tier- Die Notwendigkeit einer Repräsentation und
versuch – nachgewiesen worden. Selye bezeichnete einer daraus resultierenden Bewegungs- oder
diesen mobilisierten Zustand als akuten Stress. Er Handlungsvorstellung besteht demnach nicht nur
interpretierte akuten Stress als positiven Stress, für Bewegungen im sportlichen oder rehabilitati-
der wichtig für die individuelle Entwicklung sei. ven Zusammenhang, sondern für jede Form von
184 Kapitel 10 · Mentales Training im Bereich Arbeit und Wirtschaft

Handlung, somit auch im beruflichen Kontext.


Dabei sind
4 Routinehandlungen,
4 neu zu erlernende Handlungen und
4 Handlungen unter Stress
zu unterscheiden.
Für eine Routinehandlung im beruflichen Um-
feld sind Bewegungs- und Handlungsvorstellungen
in aller Regel ausreichend umfangreich und detail-
liert vorhanden. Wer sich aber neue Handlungs-
muster erarbeiten will oder muss, kommt nicht
umhin, entsprechende Bewegungs- bzw. Hand-
lungsvorstellungen zu entwickeln. Außerdem müs-
sen Bewegungs- und Handlungsvorstellungen für
das optimale Handeln unter Stress verfügbar sein.
> Das Mentale Training setzt hier an und soll
dazu beitragen, die Entwicklung und das Trai-
ning von entsprechenden Handlungs- und
Bewegungsvorstellungen zu unterstützen.

10.2 Chirurgie und Zahnmedizin


10
10.2.1 Mentales Training in der
. Abb. 10.1 Mentales Training: Anwendungsfeld Chirurgie,
Chirurgie
© Christian Delbert / fotolia.com

Der menschliche Körper stellt aufgrund des ho-


hen Ausmaßes an Dynamik, Vernetztheit und In- in der Lage sein, komplizierte Bewegungsabläufe
transparenz seiner »Komponenten« ein außerge- unter Berücksichtigung von zwei Achsen zu koor-
wöhnlich komplexes System dar. In dieses System dinieren (Müller et al., 1995; . Abb. 10.2):
müssen Chirurgen bei Operationen eingreifen. 4 operative Handlung: Instrument-Patient-
Das setzt entsprechende Kompetenzen voraus (Im- Achse (Achse A) und
menroth, 2003): 4 visuelles Feedback: Augen-Monitor-Achse
4 Sachkompetenz (z. B. adäquates medizinisches (Achse B).
Wissen und die Beherrschung der Operations-
technik), Die Bewegungsabläufe gehören nicht zum natür-
4 Sozialkompetenz (z. B. im Umgang mit Pati- lichen Handlungsrepertoire der Chirurgen und
enten und Mitarbeitern) und müssen teilweise unter extremem Stress durch-
4 Selbstkompetenz (z. B. die optimale Handlungs- geführt werden (Gough, 1994). Da zudem in der
regulation, insbesondere in Stresssituationen). minimalinvasiven Chirurgie insbesondere die vi-
suelle und haptische Wahrnehmung des Chirurgen
Der operative Eingriff ist geprägt durch moto- stark eingeschränkt ist, muss beim endoskopischen
rische und kognitive Anforderungen. Besonders Operieren von einer außerordentlich hohen fein-
hoch sind die genannten Anforderungen bei der motorischen Anforderung ausgegangen werden
seit Mitte der 1980er-Jahre immer häufiger ange- (Immenroth, 2003).
wandten endoskopischen bzw. minimalinvasiven Es erscheint naheliegend das Mentale Training
Chirurgie (. Abb. 10.1). Chirurgen müssen dabei mithilfe verschiedener Modifikationen auf den chi-
10.2 · Chirurgie und Zahnmedizin
185 10

Operative
Handlung Patient
Achse A
. Abb. 10.2 Schematische
Optische Darstellung der Konstellation
Chirurg Überwachung bei der minimalinvasiven Chir-
urgie (a), reale Situation im OP
Achse B (b) (abgedruckt mit freundli-
Visuelles cher Genehmigung der Klinik
Feedback Monitor für Gynäkologie, Universitäts-
spital Zürich, Schweiz, und
a b NCCR Co-Me, Schweiz, 2007)

rurgischen Bereich zu übertragen (Eberspächer & aus organisatorischen und finanziellen Gründen;
Immenroth, 1999; Hall, 2002; Immenroth, 2003). So Immenroth, 2003).
kann Mentales Training als Trainingsmethode bzw. Alternative Trainingsmethoden sind daher in
als Möglichkeit zur Vorbereitung auf operative Ein- der Medizinerausbildung von großer Bedeutung.
griffe von großem Nutzen sein kann: einerseits für Neben diversen modernen Simulationsverfahren,
den lernenden Chirurgen, dessen Lernfortschritt die mit einem relativ hohen Kostenaufwand ver-
durch Mentales Training optimiert werden kann, bunden sind, kommt dafür auch das im Vergleich
und andererseits für Chirurgen, die – Profisportlern zu anderen Trainingsmethoden wenig aufwendige
vergleichbar – unter stressreichen Bedingungen Mentale Training in Frage. Vorrangiges Ziel bei
komplizierte feinmotorische Bewegungen möglichst der Anwendung des Mentalen Trainings in der
exakt ausführen müssen (vgl. Arora et al., 2011). Chirurgenausbildung ist die Steigerung der Lern-
leistung. Letztlich soll nicht nur eine Erhöhung der
> Insbesondere im Rahmen der Medizineraus-
Lerngeschwindigkeit, sondern auch eine Verbesse-
bildung ist das Mentale Training mittlerweile
rung der Handlungsqualität resultieren (Immen-
eine anerkannte Ausbildungsform, deren Ef-
roth, 2003).
fektivität und Effizienz schon durch mehrere
Evaluationsstudien nachgewiesen werden Ablaufschema
konnte (vgl. z. B. Arora et al., 2011; Louridas
Der Ablauf des Mentalen Trainings in der invasi-
et al., 2015; Cocks et al., 2014).
ven Medizin (hier nach Immenroth, 2003) ist nach
dem in der Übersicht im 7 Kasten dargestellten
Chirurgenausbildung Schema aufgebaut.
In der Ausbildung des modernen Chirurgen kann
wie beim Training im Leistungssport das Streben
nach höchster Perfektion bei komplizierten Be- Ablaufschema des Mentalen Trainings in
wegungen unter allen denkbaren Bedingungen der invasiven Medizin
als übergeordnetes Ziel angesehen werden (Troidl 4 Operation festlegen
1996; Cocks et al. 2014). Aufgrund der organisa- 4 Deskription der Operation
torischen, aber vor allem auch der ethischen Rah- 4 Instruktion
menbedingungen in der Medizinerausbildung lernt 4 Praktisches Training und Mentales Training
ein Chirurg üblicherweise die erforderliche Ope- im Wechsel
rationstechnik zunächst durch Beobachtung eines 4 Realisation
Modells. Auch nach dieser Phase der Beobachtung
von Operationsvorgängen ist die Anzahl der prak-
tischen Übungsdurchgänge im Operationssaal sehr Operation festlegen. Zunächst muss eine Ope-
begrenzt (nicht nur aus ethischen, sondern auch ration festgelegt werden, z. B. eine laparoskopi-
186 Kapitel 10 · Mentales Training im Bereich Arbeit und Wirtschaft

sche Cholezystektomie (Gallenblasenentfernung, an den Trokar 3 (T3). Ziehe sie vorsichtig nach
7 Beispiel 10.1). Dabei handelt es sich um ein en- kaudal und lateral. Cave: Zu kräftiger Zug am Infun-
doskopisches Operationsverfahren, d. h., der Ein- dibulum kann zu Komplikationen, wie dem Einrei-
griff erfolgt über kleinstmögliche Einschnitte (mit- ßen von Gefäßen, führen!
tels sogenannter Trokare). Durch diese Vorgehens- 4. Aufspannen des Calot-Dreiecks: Hebe die
weise ist eine visuelle Überwachung der Operation Leber mit dem Taststab über Trokar 4 (T4) an und
nur über Monitore möglich, was den Chirurgen spanne gleichzeitig das Lig. hepatoduodenale auf.
vor zwei besondere Schwierigkeiten stellt: 5. Inzision des peritonealen Überzugs im Calot-
4 Das Arbeiten erfolgt entgegen der natürlichen Dreieck: Durchtrenne scharf den Peritonealüber-
(einachsigen) Handlungsgewohnheiten auf zug gallenblasennah mit der Schere. Cave: Durch-
zwei Achsen (. Abb. 10.2). trenne gallenblasennah! Branchen der Schere nur
4 Durch den oben beschriebenen Aufbau ist nur an der Spitze öffnen, um exakt nur wenig Gewebe
eine sehr eingeschränkte bzw. veränderte Kon- zu durchtrennen!
trolle (visuell/haptisch) möglich (Immenroth, 6. Darstellung des Ductus cysticus*: Präpariere
2003). weiter gallenblasennah das Calot-Dreieck mit
Häkchen oder Schere über T2. Stelle den Ductus
Deskription der Operation. Im zweiten Schritt cysticus durch Abschieben des Gewebes mittels
erfolgt die ausführliche Beschreibung der festge- Präparierfasszange über T2 dar. Der Ductus cys-
legten Operation. Solche Beschreibungen liegen ticus muss vollständig und zirkulär dargestellt
in der entsprechenden chirurgischen Fachliteratur sein. Cave: Die stumpfe Präparationsrichtung sollte
(OP-Atlas) in relativ standardisierter Form vor. stets von der Gallenblase weg in Richtung Ductus
choledochus nach medial gerichtet sein! Die scharfe
Instruktion. Aus der Deskription wird im nächs- Präparationsrichtung sollte stets auf die Gallenblase
10 ten Schritt eine Instruktion abgeleitet. Dazu wird zu, weg vom Ductus choledochus, nach lateral
die ausführliche Beschreibung der jeweiligen Ope- gerichtet sein. Durch leichte Bewegungen der Prä-
ration auf Knotenpunkte reduziert. Diese Knoten- parierfasszange oder Clip-Zange mit parallel zum
punkte werden zu einer standardisierten Instruk- Gefäß geführten Branchen ist die Fensterung im
tionsfibel zusammengestellt, die dem Chirurgen Calot-Dreieck zu erreichen!
vor dem mentalen Trainieren ausgehändigt wird. 7. Clip-Technik zur Versorgung des Ductus cys-
In den letzten Jahren wurden für mehrere Opera- ticus*: Clippe den Ductus cysticus zentralwärts
tionsmethoden Instruktionsfibeln (z. B. Jugenhei- zur Sicherung mit zwei Endo-Clips (alternativ Ein-
mer, 2006) oder vergleichbare Skripte (vgl. Arora satz resorbierbarer Clips). Peripher genügt die Ver-
et al., 2010; Louridas et al., 2015) entwickelt. sorgung mit einem Clip. Cave: Die zentralen Clips
sollten mindestens 10 mm von der sichtbaren
Beispiel 10.1: Die 14 Knotenpunkte der laparos- Konfluenz entfernt platziert werden, da sonst eine
kopischen Cholezystektomie (nach Eberspächer Teilligatur des Ductus choledochus erfolgen kann!
& Immenroth, 1999) 8. Durchtrennung des Ductus cysticus*: Durch-
1. Exploration der Bauchhöhle: Überprüfe in trenne den geclippten Ductus cysticus mittels der
horizontaler Kameraführung sorgfältig die Bauch- über T2 eingeführten Schere.
höhle, insbesondere das Operationsfeld. Kontrol- 9. Darstellen, Clippen und Durchtrennen der
liere die Trokareinstichstellen, insbesondere bei A. cystica* (. Abb. 10.3): Gehe analog zu den
Verwachsungen. Knotenpunkten 6–8 vor. Präpariere die A. cystica
2. Lösen von pericholezystischen Verwachsun- zunächst zirkulär frei und stelle sie möglichst voll-
gen: Löse stumpf oder ggf. scharf mit der Schere ständig dar. Cave: Präpariere stets gallenblasennah!
evtl. vorhandene pericholezystische Adhäsionen Nach zentraler und peripherer Clippapplikation
über den Trokar 2 (T2) ab. kann unter Sicht exakt die Durchtrennung mit der
3. Fixieren der Gallenblase: Fasse die Gallenblase über T2 eingeführten Schere erfolgen. Cave: Nach
am Fundus bzw. Infundibulum mit der Fasszange dem Durchtrennen der A. cystica kann ein zusätz-
10.2 · Chirurgie und Zahnmedizin
187 10
lich dorsalwärts gelegenes arterielles Gefäß zur leitet, muss beim Mentalen Training in der Chirur-
Versorgung der Gallenblasenhinterwand verlaufen. gie nicht der lernende Chirurg selbst, sondern ein
Deshalb wird nach dem Durchtrennen der A. cys- erfahrener Kollege die Knotenpunkte der jeweili-
tica nochmals die sorgfältige Präparation mit der gen Operation vorgeben. Somit sollte bei der For-
Schere oder dem Häkchen bis zum Leberparenchym mulierung der Knotenpunkte auch auf individu-
vorgenommen! elle Wahrnehmungsphänomene verzichtet werden
10. Subseröses Ausschälen der Gallenblase: (Immenroth, 2003). Diese Vorgehensweise ergibt
Dränge den rechten Leberlappen mit dem Tast- sich zwangsläufig, da Chirurgen heute gar nicht
stab nach kranial, fasse die Gallenblase am Infun- mehr die Zeit haben, die Ableitung der Knoten-
dibulum und spanne sie nach kaudal und lateral. punkte für jede Operation selbst vorzunehmen.
Präpariere die Gallenblase aus ihrem Leberbett Zudem besteht bei jungen, unerfahrenen Chirur-
mit der elektrischen Schere. Koaguliere bei etwai- gen die Gefahr, dass sie sich möglicherweise auf
gen Blutungen. irrelevante Handlungsschritte konzentrieren und
11. Luxation der isolierten Gallenblase unter Sicht: deswegen wichtige Knotenpunkte bzw. Sicher-
Fasse die Gallenblase an dem Stumpf des Ductus heitsaspekte der jeweiligen Operation nicht be-
cysticus mit der Fasszange über T3. Extrahiere die rücksichtigen (Troidl, 1995; Immenroth et al., 2008;
isolierte Gallenblase samt Trokar unter Sicht aus vgl. auch die Übersicht über die Besonderheiten bei
der Bauchhöhle. Ziehe die Gallenblase möglichst der Durchführung des Mentalen Trainings in der
weit vor die Bauchdecke. Fasse die teilluxierte Gal- Chirurgie im 7 Kasten; 7 Beispiel 10.1).
lenblase mit Péan-Klemmen und eröffne sie. Sauge
die Gallenflüssigkeit ab. Entferne große Gallen-
steine einzeln, gegebenenfalls nach Zerkleinerung. Besonderheiten bei der Durchführung des
Vergrößere ggf. den Schnitt am rechten Unter- Mentalen Trainings in der Chirurgie
bauch. Luxiere die Gallenblase unter drehenden 4 Die Ableitung der Knotenpunkte erfolgt
Bewegungen. Cave: Beim Gallenblasenhydrops emp- nicht durch den Trainierenden selbst, son-
fiehlt sich vor der Extraktion eine Punktion der Gallen- dern in der Regel durch einen erfahrenen
blase mit Absaugen der Flüssigkeit! Bei Vergrößerung Chirurgen.
des Schnitts muss zur Vorbeugung einer Bauchwand- 4 Es werden ausschließlich externe bzw. mor-
hernie ggf. eine resorbierbare Fasziennaht unter Sicht phologische Knotenpunkte festgelegt.
am T3-Zugang durchgeführt werden! 4 Mögliche Gefahren und Sicherheitsaspekte
12. Alternative: Extraktion der Gallenblase mit- sind bei den Knotenpunkten berücksichtigt.
tels Endo-Bag: Führe die Gallenblase in den
Endo-Bag ein und schließe diesen. Verfahre weiter
wie unter 11. Jeder Knotenpunkt wird mit kurzen, prägnant for-
13. Inspektion des Operationsgebietes: Spanne mulierten Handlungs- und Bewegungsanweisun-
das Leberbett mit dem Taststab auf. Spüle das gen sowie konkreten Hinweisen auf Gefahrenmo-
Operationsgebiet und sauge anschließend ab. Ko- mente verbunden. In der Instruktionsfibel werden
aguliere gegebenenfalls nach, bis alle Blutungen auf der linken Seite die Knotenpunkte sowie die
gestillt sind. Kontrolliere die Clips. entsprechende Instruktion und auf der rechten
14. Abschluss der Operation: Entlaste das Seite die zugehörigen Abbildungen angeordnet
Pneumoperitoneum. Entferne die Trokare unter (Immenroth, 2003; . Abb. 10.3).
Sicht. Verschließe die Hauteinstichstellen. Für den Übergang zur nächsten Stufe des Ab-
* Die Reihenfolge der Knotenpunkte 6 (einschließlich laufschemas muss der auszubildende Chirurg die
7 bzw. 8) und 9 ist abhängig von der anatomischen Instruktionsfibel lernen und sich den Ablauf der
Situation. Operation per Selbstgespräch vergegenwärtigen.
Es empfiehlt sich, diesen Schritt von einem erfah-
Im Gegensatz zum Mentalen Training im Sport, renen Kollegen oder Ausbilder kontrollieren bzw.
bei dem der Sportler die Knotenpunkte selbst ab- bestätigen zu lassen.
188 Kapitel 10 · Mentales Training im Bereich Arbeit und Wirtschaft

. Abb. 10.3 Auszug aus einer Instruktionsfibel für die laparaskopische Cholezystektomie, 9. Knotenpunkt (aus Immenroth,
2003, S. 86; mit freundlicher Genehmigung des Verlags Dr. Kovač)

10
Damit sollte eine differenzierte Vorstellung über Immenroth (2003) empfiehlt, beim Einsatz des
den Operationsablauf vorliegen, und das eigentliche Mentalen Trainings in der invasiven Medizin ge-
Mentale Training, das im Wechsel mit praktischem wisse Trainingsprinzipien zu beachten (7 Praxis-
Training durchgeführt wird, kann beginnen. tipp).

Praktisches und Mentales Training. Beim prakti- Tipp I I


schen Training operiert der auszubildende Chirurg Empfohlene Trainingsprinzipien (nach Immen-
am Operationssimulator. Beim Mentalen Training roth, 2003):
stellt er sich den Handlungsablauf intensiv vor, 4 Vor jeder Trainingseinheit sollte der Trainie-
wobei er insbesondere kinästhetische Bewegungs- rende mithilfe einer passenden Entspan-
information nachempfinden sollte. Der Wechsel nungstechnik in einen Zustand relativer
zwischen praktischem Training und Mentalem Entspannung kommen.
Training soll zur weiteren Differenzierung der Be- 4 Praktisches Training und Mentales Training
wegungsvorstellung beitragen. können und sollen kombiniert werden, um
gesteigerte Effekte zu erzielen. Der opti-
Realisation der Operation. Der letzte Schritt male Trainingsplan beinhaltet immer men-
des Ablaufschemas ist die Realisation der Opera- tale und eine praktische Trainingseinheiten
tion am Patienten. Jede Operation führt zu einer im Wechsel.
weiteren Differenzierung und Intensivierung der 4 Am effektivsten ist regelmäßiges Training
Bewegungsvorstellung. Wichtig ist hier, dass eine über einen längeren Zeitraum. Grundsätz-
ausführliche Analyse der Realisation – gemeinsam lich lassen sich aber auch bei eintägigen
mit einem erfahrenen Kollegen oder Ausbilder – Trainingsmaßnahmen im Block bereits Ver-
erfolgt und dass diese Erkenntnisse in das weitere besserungen erzielen.
(praktische wie mentale) Training einfließen.
10.2 · Chirurgie und Zahnmedizin
189 10
Studien zur Wirksamkeit deutliche Effekte in der technischen Durchfüh-
Mehrere Evaluationsstudien gingen der Frage der rung bei der laparaskopischen Cholecystectomy zu
Wirksamkeit des Mentalen Trainings in der Chi- Gunsten der mental trainierenden Gruppe.
rurgie nach. Die Ergebnisse einer Pilotstudie von In einer Studie von Louridas et al. (2015)
Immenroth (2003) deuteten bereits den Nutzen wurde untersucht, inwieweit Mentales Training
des Mentalen Trainings in der Chirurgie an. In unterstützt, um stressreiche Situationen bei der
weiteren Studien konnten Immenroth et al. (2007) laparaskopischen Operation zu bewältigen. Ent-
zeigen, dass Mentales Training ergänzend zu prak- sprechend einem vordefinierten Skript wurde eine
tischem Training einen positiven Effekt auf die realistische OP-Situation mit reellen Darstellern
Lernleistung ausübt. Sie untersuchten den Effekt (Anästhesist, OP-Schwester etc.) simuliert, in der
von Mentalem Training in der Ausbildung von sich eine spezifische Krisensituation ereignete. Die
Chirurgen. Ziel war der Vergleich von Mentalem Probanden, die diese Situation vorher mental
Training und praktischem Training ergänzend zu durchgespielt hatten, schnitten nach Expertenra-
einem Einführungskurs. Es erfolgte eine randomi- ting besser ab, als die der Kontrollgruppe.
sierte Zuteilung von 106 Chirurgen in der Ausbil-
dung entsprechend dem nachfolgend beschriebe- Tipp I I
nen Studiendesign. Acht Teilnehmer wurden im Wie im Leistungssport sollte auch in der Chirurgie
Laufe der Studie wegen technischer Probleme aus- praktisches Training nicht durch Mentales Training
geschlossen. Die verbliebenen Teilnehmer durch- ersetzt werden. Auch hier sollte die Kombination
liefen folgenden Interventionsplan: von beiden Verfahren das Mittel der Wahl sein.
1. Teilnahme an einem viertägigen Einführungs-
kurs zur Durchführung einer Laparoskopie. Im
Rahmen dieses Kurses erhielten die Teilnehmer
auch Informationen über den Ablauf der Studie. 10.2.2 Mentales Training in der
2. Zuweisung der Kursteilnehmer zu einer der Zahnmedizin
drei unterschiedlichen Interventionsvarianten:
a. zusätzliches praktisches Training (Dauer: Die für die Chirurgie aufgezeigten Einsatzmöglich-
90 Minuten, n = 31), keiten des Mentalen Trainings lassen sich ohne Wei-
b. zusätzliches Mentales Training (Dauer: teres auf die Zahnmedizin übertragen. Dies erscheint
90 Minuten, n = 32) mit vorheriger Grund- auch deshalb naheliegend, weil einige Studien (Feil,
lagenschulung für Mentales Training, 1989, 1992) den Transfer von sportwissenschaftli-
c. Kontrollgruppe ohne zusätzliches Training chen Ansätzen in die Zahnmedizin bereits themati-
(n = 35). siert haben und die Sinnhaftigkeit dieser Vorgehens-
3. Durchführung einer laparoskopischen Chole- weise bestätigen (Immenroth, 2003).
zystektomie. Die mental Trainierenden füllten Auch in der Zahnmedizin bestehen hohe
zusätzlich einen Fragebogen zur Qualität des Anforderungen an die Sach-, Sozial- und Selbst-
Mentalen Trainings aus. kompetenz des behandelnden Arztes. Diese
Kompetenzen sollten durch angemessene Trai-
Es kam zu einer bedeutenden Verbesserung der ningsprogramme gefestigt und ausgebaut werden,
mental trainierenden gegenüber der praktisch trai- auch wenn im Vergleich zum chirurgischen Ope-
nierenden Gruppe in der Selbstbewertung der rieren die Relevanz für das Leben und Überleben
Operationsqualität. Anhand der Ratings durch die des Patienten meist geringer ist, sodass mit we-
Experten konnten keine signifikanten Differenzen niger Stresspotenzial zu rechnen ist (Immenroth,
festgestellt werden. 2003).
In aktuelleren Studien konnten die positiven Auch in der Ausbildung angehender Zahnme-
Effekte des Mentalen Trainings bestätigt werden. diziner kann das Streben nach höchster Perfek-
So zeigen Arora et al. (2011) in einer randomisier- tion bei komplizierten Bewegungen unter allen
ten Kontrollgruppenstudie beim Expertenrating denkbaren Bedingungen als übergeordnetes Ziel
190 Kapitel 10 · Mentales Training im Bereich Arbeit und Wirtschaft

angesehen werden. In der Ausbildung erlernt der (. Abb. 10.4). Es stellt sich auch hier die Frage, ob
Zahnmediziner die Operations- und Präparations- das Mentale Training die Lernleistung der ange-
technik durch praktisches Üben am Phantomkopf henden Zahnmediziner optimieren kann.

Ablaufschema
Der Ablauf des Mentalen Training in der Zahnme-
dizin richtet sich nach derselben Heuristik wie das
Mentale Training in der Chirurgie (7 Kap. 10.2.1).

Studien zur Wirksamkeit


In ersten wissenschaftlichen Untersuchungen (Im-
menroth, 2003; Welk et al., 2003) konnte die Wirk-
samkeit des Verfahrens auch in der Zahnmedizin
nachgewiesen werden.
Immenroth (2003) untersuchte die Effekte des
Mentalen Trainings am Beispiel der Präparation am
. Abb. 10.4 Ausbildung von Zahnmedizinern am Phantom-
Zahn 36 zur Aufnahme einer Krone (. Abb. 10.5).
kopf (mit freundlicher Genehmigung: Prodents.de, Kathrin Zwei Gruppen wurden gebildet: Eine (konventionell)
Kutschenreiter, Hannover) praktisch trainierende Gruppe sowie eine Gruppe,

10

. Abb. 10.5 Mentales Training in der Zahnmedizin (Ausschnitt aus der Instruktionsfibel; aus Immenroth, 2003, S. 86; mit
freundlicher Genehmigung des Verlags Dr. Kovač)
10.3 · Luftfahrt
191 10
die entsprechend dem in 7 Kap. 10.2.1 dargestellten 4 Sachkompetenz (Umgang mit dem Flugzeug,
Ablaufschema mental und praktisch trainierte. richtige Bedienung der Instrumente etc.),
Neben der Operationsqualität wurden auch der 4 Sozialkompetenz (Umgang mit Kopilot oder
Präparationsprozess, das Präparationswissen und Team und Besatzung) und
die Einstellung zum Mentalen Training erhoben. Es 4 Selbstkompetenz (optimale Handlungssteue-
zeigten sich unmittelbar nach dem Training bedeut- rung, insbesondere in Stresssituationen)
same Unterschiede in fast allen abhängigen Varia- herzustellen und aufeinander abzustimmen.
blen (außer der Präparationsdauer) zugunsten der Zur Optimierung dieser Komponenten werden
mental trainierenden Gruppe. Auch die Einstellung im Rahmen von Trainings-, Ausbildungs-, Quali-
zum Verfahren wird als sehr positiv beschrieben, tätssicherungs- und Qualitätskontrollprogrammen
außerdem hatten die Teilnehmer keinerlei Schwie- üblicherweise Simulationsmöglichkeiten genutzt.
rigkeiten bei der Durchführung des Trainings. Das sind zum einen die bekannten und technisch
In einer weiteren Studie an Studierenden der sehr aufwendigen Flugsimulatoren, zum anderen
Zahnmedizin (Welk et al., 2003) konnte in ei- computergestützte Trainingsprogramme bzw. -ge-
nem vergleichbaren Design gezeigt werden, dass räte wie z. B. das PCATD (Personal Computer
hinsichtlich Präparationsprozess und Präpara- Aviation Training Device; Taylor et al., 1999).
tionswissen bedeutende Unterschiede zugunsten In den Flugsimulatoren, die in der kommer-
der mental trainierenden Gruppe erreicht werden ziellen und militärischen Ausbildung von Piloten
konnten. Dieser Effekt war auch acht Monate spä- zum Einsatz kommen, werden Bewegungsabläufe
ter noch nachweisbar. so lange trainiert, bis sie in allen denkbaren Si-
tuationen nahezu perfekt ablaufen. Das Simu-
Zusammenfassung latortraining wird in der Praxis durch mentale
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Men- Trainingsformen ergänzt und als Mentale Simu-
tales Training ein effektives und sehr effizientes lation bezeichnet. Hierbei werden insbesondere
Verfahren in der Medizinerausbildung zu sein Lösungspläne für bereits aufgetretene kritische
scheint. Neben dem Einsatz in Chirurgie und Situationen trainiert, aber auch Krisenpläne für
Zahnmedizin, liegen auch positive Ergebnisse Situationen, die tatsächlich noch gar nicht aufge-
aus den Bereichen Gynäkologie und Urologie vor treten sind, entworfen und mental durchgespielt
(Cocks et al., 2014). Ein erwünschter Nebeneffekt (Immenroth et al., 2008). Ergänzt werden die Si-
des Mentalen Trainings ist zudem die beachtliche mulationsprogramme durch Trainingsprogramme
Kostenersparnis gegenüber praktischen Trainings- zur Stressregulation, z. B. das Selbstregulations-
methoden (z. B. Operationssimulator). training von Prinzel et al. (2002). Ziel ist es, die
Insbesondere die Wirksamkeit im Hinblick auf
eine optimierte Handlungsregulation in Stress-
oder Notfallsituationen erscheint relevant (vgl.
Arora et al., 2011; Louridas et al., 2015).

10.3 Luftfahrt

Von Piloten wird erwartet, dass sie in kurzer Zeit


unzählige Entscheidungen richtig und zielführend
treffen (Krumm, 2007; . Abb. 10.6). In diese Ent-
scheidungen fließen beispielsweise Wetterbeobach-
tungen, Informationen zum Flugverkehr, geografi-
sche Aspekte, die Anzeigen der Instrumente oder
auch Hinweise und Informationen aus dem Funk- . Abb. 10.6 Mentales Training: Anwendungsfeld Luftfahrt,
verkehr ein. Auch hier gilt es, die Komponenten © Brian Erickson/fotolia.com
192 Kapitel 10 · Mentales Training im Bereich Arbeit und Wirtschaft

Piloten auf diese Weise auch für sehr selten auftre- rumenten und dem Verhalten anderer Menschen
tende Not- oder Gefahrensituationen zu trainieren (z. B. des Kopiloten) repräsentiert sein.
(7 Beispiel 10.2). Bereits im Anwendungsfeld Sport wurde auf
das Potenzial des Mentalen Trainings für die Lern-
Beispiel 10.2: Triebwerksausfall optimierung bei Handlungen in vergleichbar kom-
Ein Flugkapitän schildert, wie er eine kritische Flug- plexen Handlungsfeldern hingewiesen. Entspre-
situation durch mentale Vorbereitung erfolgreich chend lässt sich das Mentale Training auf die An-
meistern konnte (aus: Eberspächer, 2004, S. 37f.): wendungssituation Pilotenausbildung transferieren
»Ich möchte an dieser Stelle noch mal ganz (Mogford, 1997).
konkret auf eine fliegerische Situation eingehen, die
> Das Mentale Training kann im Rahmen der
ich vor einiger Zeit erlebt habe, um die Hilfestellung
Pilotenausbildung genutzt werden, um
und den Nutzen mentaler Vorbereitung verdeutli-
Alltagsroutinen zu trainieren und zu auto-
chen zu können: Ein Start in München, voll belade-
matisieren und um seltener vorkommende
nes Flugzeug Richtung Palma de Mallorca. Wenige
Flugmanöver (z. B. in Not- und Stresssitua-
Minuten nach dem Abheben ist ein Triebwerk
tionen) vorzubereiten.
aufgrund von Ölverlust ausgefallen. In einer Flieger-
karriere tritt ein Triebwerksausfall, obwohl er sehr Eine Studie mit französischen Piloten konnte zei-
gut und häufig trainiert wird, extrem selten auf. Ich gen, dass erfahrene Piloten deutlich mehr Entschei-
bin über 30 Jahre in der Fliegerei und habe es zum dungen treffen als Fluganfänger. Reichmann (nach
ersten Mal konkret erlebt. Im Moment, in dem man Krumm, 2007) ist in einem Doppelsitzer mitgeflo-
feststellt, dass ein Motor ausgefallen ist, werden die gen und hat sich berichten lassen, welche Entschei-
normalen Stressreaktionen freigesetzt, das heißt, dungen die Piloten treffen: »Dabei hat er einen
man erlebt ganz bewusst, dass der Pulsschlag steigt, französischen Meister mit Mittelklassepiloten ver-
10 man hat kurz das Gefühl, dass einem die Luft weg- glichen. Er kam zu einem Gesamtentscheidungs-
bleibt. Jetzt muss man sich verlassen und zurück- verhältnis von 1 : 15, d. h., der französische Profipi-
greifen können auf das, was man vorher trainiert lot hat 15-mal mehr Entscheidungen getroffen als
hat. Nun werden die Arbeitsschritte, die in vielen Se- sein normaler Kollege« (Krumm, 2007, S. 51).
quenzen im Simulator und bei vielmaligem Training Krumm (2007) berichtet weiter, dass sehr viele
im Gehirn verankert wurden, aktiviert, und man Piloten, insbesondere die sehr guten, ihre Entschei-
kann sich selbst reden hören und stellt fest, dass, dungen nicht bewusst treffen. Um die Entschei-
obwohl die Stressbelastung sehr hoch ist, die vor- dungskompetenz zu optimieren, muss diese unbe-
bereiteten Verhaltensmuster zügig und konsequent wusste Entscheidungskompetenz bewusst gemacht
umgesetzt werden und dass der Arbeitsfortschritt in werden. Nur so können (unbewusste) Entschei-
seinem Funktionieren auch für einen gewissen Grad dungsfehler korrigiert werden (Krumm, 2007).
der Entspannung und für ein gewisses Herunterfah-
> Eines der primären Ziele des Mentalen Trai-
ren der Stressreaktion mitverantwortlich ist.«
nings in der Pilotenausbildung ist die Verbes-
serung der Entscheidungsqualität.
10.3.1 Einsatz des Mentalen
Trainings im Rahmen Ablaufschema
der Pilotenausbildung Das Mentale Training für Piloten wird von Krumm
(2007) nach dem sprachlich-symbolischen An-
Wichtige Voraussetzung für das richtige und ziel- satz aufgebaut (Stufenmodell nach Eberspächer;
führende Verhalten in entscheidenden Situationen 7 Kap. 4.1.1). Dabei ist die schriftliche Aufzeich-
sind entsprechend differenzierte Bewegungs- und nung des Handlungsablaufs – hier Drehbuch ge-
Handlungsvorstellungen. Die eigene Handlung nannt – das zentrale Element der Vorgehensweise.
muss in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation, Krumm (2007) unterscheidet zwei Arten von
dem Flugraum, den involvierten technischen Inst- Drehbüchern:
10.3 · Luftfahrt
193 10
4 das bewegungssteuernde und Umgebung. Landbares Gelände ist nicht mehr er-
4 das flugplanerische Drehbuch. reichbar. Nach erfolgloser Thermiksuche entscheide
ich mich für eine sichere Landung in einem See.
Das bewegungssteuernde Drehbuch beinhaltet Meine Höhe beträgt 300 m über Grund.
Bewegungen, die nötig sind, um das Flugzeug Drehbuch: Ich entspanne und konzentriere mich.
zu steuern, beispielsweise die Koordination von Meinem Teampartner gebe ich meine Situation und
Handbewegung (Höhenruder und Querruder) den exakten Standort durch. Mit einem kurzen Blick
und Fußbewegung (Seitenruder) bei der Landung erfasse ich Windrichtung und Windstärke am Rech-
mit Seitenwind. Auch Krumm (2007) weist darauf ner. Aufmerksam suche ich den See, vor allem unter
hin, dass der Vorteil der schriftlichen Erarbeitung der Wasseroberfläche, nach Felsbrocken und sonsti-
eines bewegungssteuernden Drehbuchs darin liegt, gen Hindernissen ab. Ich plane den Anflug wie bei ei-
dass viel leichter Fehler erkannt und Korrekturen ner ganz normalen Außenlandung. Die Landung soll
angebracht werden können und somit das Dreh- parallel zum Ufer erfolgen. Ich befinde mich am Posi-
buch schneller differenziert ausgearbeitet ist. tionspunkt und führe meinen Landecheck durch:
Beim flugplanerischen Drehbuch geht es um die 4 Gurte anziehen,
mentale Auseinandersetzung mit der Vorbereitung 4 Fahrwerk ausfahren,
und dem Verlauf des Fluges. Beim Flugschüler wird 4 Wassertank schließen,
der Verlauf der Platzrunde und die Manöver, die 4 Lüftung schließen,
dabei fliegerisch zu beachten sind, mental trainiert, 4 Elektronik ausschalten.
beim Segelflieger ist es z. B. das optimale »Kurbeln«,
um die vorhandene Thermik optimal auszunutzen. Ich atme tief durch und setze den Anflug fort. Ich
Analog zum Leistungssport sieht Krumm plane einen langen, möglichst flachen Endanflug,
(2007) auch bei Piloten die Vorerfahrung als zen- damit ich exakt mit Mindestfahrt in Zweipunktlage
trale Informationsquelle für das Erstellen eines aufsetze. Im Queranflug kontrolliere ich Höhe und
Drehbuchs und damit als wichtige Voraussetzung Fahrt. Ich atme ruhig und tief, die Situation ist mir
für den Erfolg des Mentalen Trainings an. Da- im Prinzip bekannt.
bei nimmt die Bedeutung akustischer und taktiler Ich drehe ein in den Endanflug und orientiere
Wahrnehmungen zu, je kleiner die geflogene Ma- mich parallel zum Ufer. Ich schätze meine Höhe,
schine ist. Dies trifft in noch stärkerem Maße für nähere mich der Wasseroberfläche, die Fahrtmes-
unmotorisiertes Fliegen wie Gleitschirm- oder Se- sernadel ist knapp über dem gelben Dreieck für die
gelfliegen zu. Interessant ist auch die Feststellung, Mindestanfluggeschwindigkeit. Ich spüre, wie das
dass viele dieser relevanten Informationen wäh- Rad die Wasseroberfläche berührt. Ganz leicht ziehe
rend der Ausbildung noch vom Ausbilder über- ich am Knüppel und fahre gleichzeitig vorsichtig
mittelt werden (Krumm, 2007). Ein Flugschüler die Bremsklappen wieder ein. Das Flugzeug wird
muss also lernen, diese Informationen zunehmend abrupt abgebremst, und das Wasser schlägt über
selbst zu sammeln, um das Zwiegespräch mit dem die Haube. Es ist still, alles ist gut gegangen, mein
Trainer mehr und mehr durch seine eigene Wahr- Flugzeug schwimmt auf dem Wasser. Ich atme tief
nehmung zu ersetzen. Das Erstellen von Drehbü- durch und checke meinen Ausstieg:
chern während der Ausbildung kann diesen Pro- 4 Gurtschloss öffnen,
zess unterstützen (7 Beispiel 10.3). 4 Fallschirm ablegen,
4 Haube öffnen,
Beispiel 10.3: Mentales Training einer Wasser- 4 auf den Rumpfrücken setzen,
landung für Segelflieger 4 Kleidung ablegen,
Das folgende Drehbuch wurde von Gerd Peter Lauer 4 kürzesten Weg zum Ufer checken,
und Reiner Rose erstellt und uns freundlicherweise 4 Flugzeug am Tau ans Ufer ziehen,
zur Verfügung gestellt. 4 Sicherheitspaket aus dem Cockpit holen,
Situation: Nach langem Gleitflug bin ich über 4 Kontakt zu anderen Flugzeugen bzw. zum
unlandbarem Gelände, nur Wald und Seen in der Rückholer aufnehmen.
194 Kapitel 10 · Mentales Training im Bereich Arbeit und Wirtschaft

Krumm (2007, S. 65) beschreibt die Bedeutung der des Mentalen Trainings bei erfahrenen und neu
Drehbücher am Beispiel einer Äußerung eines Mit- ausgebildeten Kampfpiloten aus Japan. Die Auto-
glieds der Segelflugnationalmannschaft: Ein Dreh- ren berichten, dass viele Piloten angaben, sich im
buch zu erstellen heißt, Verlauf ihrer Karriere durch Mentales Training
verbessert zu haben, aber es war nicht klar, ob es
»eine Situation einfach mal aufschreiben. Bei- auch einen Unterschied in der Qualität des Men-
spielsweise wird eine Außenlandung ganz genau talen Trainings bei erfahrenen im Vergleich zu
schriftlich festgehalten. Man spricht dann den unerfahrenen Piloten gibt. Die Annahme, dass
Aufsatz genau durch, damit die Reihenfolge der eine kortikale Aktivierung der motorischen Are-
einzelnen Maßnahmen sinnvoll ist. Hat man sich ale beim Mentalen Training eher bei erfahrenen
dieses Drehbuch verinnerlicht, braucht man es im Piloten zu beobachten sein würde, war der Anlass
Fall der Fälle quasi nur noch aus dem Gedächtnis für die Untersuchung. Flugmanöver wie Seit-
abzurufen. Das Unglaubliche dabei ist, dass selbst wärtsrolle oder Seitwärtsschwenk wurden auf
bei alten Hasen der Puls schnell schlägt, da ja alles Knotenpunkte reduziert und mental trainiert. Die
bereits vorgedacht wurde, z. B., wie man sich beim Erfassung der Trainingseffekte erfolgte mithilfe
speziellen Fall ‚Außenlandung‘ verhalten soll. Ich entsprechender EEG-Parameter. Ergänzend dazu
wende dieses Drehbuch inzwischen ganz automa- wurden auch Selbstberichtsskalen (Scale for Men-
tisch […] an.« tal Imagery Shortform – SMI-S) eingesetzt. Die
Selbstberichtsskalen erfassten die Inhalte und die
Studien zur Wirksamkeit Lebhaftigkeit der vorgestellten Flugmanöver.
Prather (1973) untersuchte die Wirkung eines Es konnte gezeigt werden, dass die zuneh-
Mentalen Trainings zum Erlernen des Landean- mende Flugerfahrung ein bedeutender Faktor bei
flugs und der Landung bei Flugschülern. Dazu der Entstehung von ereignisevozierten Potenzia-
10 wurden 23 Flugschüler zwei Gruppen zugelost: ei- len beim Mentalen Training ist. In den Gesamt-
ner Experimentalgruppe, die ein mentales Trai- Scores der SMI-S zeigten sich keine signifikanten
ningsprogramm erhielt, und einer Kontrollgruppe Unterschiede, dafür jedoch bei der berichteten
ohne Trainingsprogramm. Die Flugschüler befan- Lebhaftigkeit. Erfahrene Piloten gestalteten das
den sich, was das Landen eines einmotorigen Mentale Training deutlich lebhafter als unerfah-
Sportflugzeugs betraf, auf einem in etwa gleichen rene Piloten. Interessant zu erwähnen ist noch,
Fertigkeitsniveau. Die Flugschüler wurden von ih- dass sich neuere Studien mit der Frage des Einsat-
rem Fluglehrer hinsichtlich der Fertigkeit, das zes des Mentalen Trainings bei Astronauten be-
Flugzeug zu landen (Kriterium 1: Wissen; Krite- schäftigen (Grabherr & Mast, 2010; Hohmann et
rium 2: Umsetzung), beurteilt. Die Experimental- al., u.R.). Es wird sich zeigen, ob hier ein weiteres
gruppe schnitt in beiden Kriterien bedeutend bes- Anwendungsfeld für das Mentale Training entste-
ser ab als die Kontrollgruppe. hen wird.
Auch Kemmler (1979) hat das Mentale Trai-
ning bereits frühzeitig vom Leistungssport in die Zusammenfassung
Luftfahrt transferiert. Trotz der eigentlich großen Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Men-
Relevanz dieser Trainingsmethode für die Piloten- tales Training im Anwendungsfeld Luftfahrt ein
ausbildung wurden nach Immenroth et al. (2008) etabliertes und auch in der Praxis verbreitetes Ver-
bisher nur wenige Versuche einer empirischen fahren zu sein scheint. Mentales Training wird in
Fundierung der positiven Wirkung des Mentalen der Luftfahrt zur Optimierung von Lernprozes-
Trainings auf die Flugleistung unternommen. sen, zum Training von Alltagsroutinen und auch
Tokumaru et al. (2003) konnten zumindest zur Vorbereitung auf Not- und Stresssituationen
einen Zusammenhang zwischen der Flugerfah- eingesetzt. Die wissenschaftliche Befundlage ist al-
rung von Piloten und der Genauigkeit bzw. Leb- lerdings noch sehr begrenzt, auch wenn die bereits
haftigkeit von mentalem Flugtraining nachwei- vorliegenden Studien die Wirksamkeit des Menta-
sen. Sie untersuchten die EEG-Aktivität während len Trainings bestätigen.
10.4 · Musik
195 10
10.4 Musik

Musiker müssen koordinativ anspruchsvolle Be-


wegungen durchführen, die auch in potenziell
stressreichen Situationen – nämlich beim Auftritt
vor einem mehr oder weniger großen und an-
spruchsvollen Publikum – abrufbar sein müssen
(. Abb. 10.7). Insofern kann man auch bei Mu-
sikern davon ausgehen, dass bei gleichem Talent
letztlich mentale Fertigkeiten für eine bessere Per-
formance entscheidend sind.
Daher liegt die Annahme nahe, dass Kon-
zepte der Sportpsychologie wie das Mentale Trai-
ning auch im musikalischen Bereich angewandt
werden können. Bereits 1964 beschrieb der Pia-
nist Walter Gieseking den Einsatz des Mentalen
Trainings als Ergänzung zum Üben am Klavier
(7 Beispiel 10.4).

Beispiel 10.4: Der Konzertpianist


Der Pianist Walter Gieseking (1964, S. 94f.) schrieb
über den Nutzen des Mentalen Trainings beim Erler-
nen komplizierter Werke:
»Jedes komplizierte Werk lerne ich aber nicht
am Instrument, sondern nur lesend. Ebenso re-
petiere ich länger nicht gespielte Werke, indem . Abb. 10.7 Mentales Training: Anwendungsfeld Musik,
ich diese, mit dem Notenbuch in greifbarer Nähe, © Dmitry Nikolaev/fotolia.com
im Gedächtnis ablaufen lasse, wobei zur Erleich-
terung der Kontrolle die Finger, die jeweils zu
spielen hätten, andeutungsweise bewegt werden Komponenten, da sich die notwendigen Bewegun-
können. Hierdurch werden die vom Kopf (von der gen nur noch durch Nuancen unterscheiden.
musikalischen Vorstellung) ausgehenden Impulse Dabei geht es – ähnlich wie bei Sportarten mit
sozusagen durchprobiert, um festzustellen, ob die artistischen Elementen wie Turnen, Eiskunstlauf,
Übertragung in die Finger einwandfrei funktioniert. Tanz – bei der musikalischen Darbietung nicht um
Wenn diese Übertragung ohne Störung verläuft, die Bewegungsausführung an sich, sondern aus
ist kein Üben am Klavier mehr nötig. Dieses Ler- Sicht der Experten bzw. des Publikums um den
nen durch Lesen ist nicht nur die sicherste Art des daraus resultierenden Klang.
Auswendiglernens, sondern auch eine praktische
Verwendung der Zeit, die die Eisenbahnfahrten in Klang
Anspruch nehmen.« Die Vorstellung eines Klangs hat nur dann Auswir-
kungen auf die Ausführung einer Bewegung, wenn
Die Bewegungsausführung beim Musizieren wird der Ausführende die Bewegung bereits beherrscht
von den Komponenten Noten und Klang beein- (Klöppel, 2007). Eine differenzierte Bewegungs-
flusst. Dementsprechend existieren neben der Be- vorstellung ist daher eine wesentliche Vorausset-
wegungsvorstellung auch eine Noten- und eine zung für die optimale musikalische Darbietung.
Klangvorstellung (Keller 2012). Je weniger sich Aufbauend auf der Bewegungsvorstellung sollte
Tonfolgen unterscheiden, umso wichtiger ist eine eine differenzierte Klangvorstellung erarbeitet
möglichst hohe Differenzierung der einzelnen werden.
196 Kapitel 10 · Mentales Training im Bereich Arbeit und Wirtschaft

Tipp I I lungsaufbau weitestgehend am Stufenmodell von


Eberspächer (2001; 7 Kasten).
Bei Mentalem Training mit Musikern sollte er-
In weiteren praktischen Hinweisen wird das
gänzend zur Bewegungsvorstellung auch die
Mentale Training an bestimmte Lernziele ange-
Klangvorstellung einbezogen werden.
passt. So finden sich bei Langeheine (2004) Varia-
tionen des Mentalen Trainings, z. B.
4 zum Lernen eines Musikstücks,
Inhalte der Klangvorstellung (nach Klöppel, 4 zum Training von Musikstücken mit Noten,
2007) 4 zur Absicherung des Auswendiggelernten,
Rhythmus: Diese Vorstellungskomponente 4 zum Erlernen des schnellen Spiels,
stellt für routinierte Musiker in aller Regel die 4 zur Verhinderung bzw. zum Abbau von Angst-
einfachste dar. Für Anfänger bzw. bei kompli- stellen.
zierter Rhythmisierung empfiehlt es sich, ein
Stück in Abschnitte zu zerlegen und die schwie-
rigen Passagen erst nach sicherer Beherrschung Mentales Training für Musiker: 8-Schritte-
in den Notenkontext zu integrieren. Eine wei- Modell nach Langeheine (2004, S. 33f.)
tere Erleichterung zum Einstieg ist das Vorstel- 1. Wählen Sie einen Bewegungsablauf, den Sie
len in verlangsamtem Tempo, um zunächst eine mental trainieren wollen.
Grundsicherheit und Konstanz aufzubauen. 2. Schreiben Sie den gesamten Bewegungsab-
Sobald diese vorhanden sind, kann das Tempo lauf und was zur Ausführung seiner Technik
gesteigert werden. notwendig ist, möglichst konkret und de-
Tonhöhe: Die Vorstellung der Tonhöhe wird tailliert auf. Stellen Sie auch Ihre (inneren)
sinnvollerweise erst integriert, wenn der Rhyth- Empfindungen mit dar.
10 mus allein keine Probleme mehr bereitet. Auch 3. Lesen Sie jeden Tag mehrmals laut den Be-
hier empfiehlt sich im Zweifelsfall zum Einstieg wegungsablauf vor. Versuchen Sie sich den
wieder die Unterteilung in Abschnitte oder Bewegungsablauf so intensiv einzuprägen,
sogar in einzelne Töne. Danach werden die Ein- dass Sie meinen, die Bewegung aktiv auszu-
zelteile wieder zusammengefügt. führen. Dies ist Ihr »innerer Film«. Schauen
Gegebenenfalls mehrstimmige Vorstel- Sie sich Ihren »inneren Film« (Zeitlupe) an
lung: Diese Komponente kann insbesondere mehreren Tagen nach einer Entspannungs-
für Tasten- und Melodieinstrumente relevant phase jeweils 5 Minuten intensiv an!
sein. Polyphones Hören und Denken bedarf 4. Wenn der innere Zeitlupenfilm problemlos
jedoch eines kontinuierlichen Trainings, um läuft, suchen Sie die entscheidenden fünf
einen dauerhaften Erfolg zu gewährleis- oder sechs Stellen (Knotenpunkte) heraus,
ten. Der Übergang vom einstimmigen zum von denen Sie meinen, dass sie die Schlüs-
mehrstimmigen Hören bzw. Vorstellen sollte selstellen der korrekten Ausführung sind.
erst erfolgen, wenn die eigene Stimme bzw. Springen Sie nun in Gedanken von Kno-
Erststimme bereits sicher beherrscht wird und tenpunkt zu Knotenpunkt, sodass die Vor-
keiner besonderen Aufmerksamkeit mehr stellung der Technik/Technikkombination
bedarf. Zum Üben eignen sich insbesondere eine ähnlich lange Zeitspanne in Anspruch
Tasten- und Zupfinstrumente sowie Xylophone nimmt wie die praktische Ausführung.
oder Ähnliches. 5. Bezeichnen Sie die Knotenpunkte mit
Kurzwörtern […]! Unterstützt durch diese
Kurzwörter, bringen Sie nun die Bewegung
Ablaufschema in einen Rhythmus. Üben Sie den Umgang
Für den Einsatz des Mentalen Trainings im mu- mit diesem Film so oft, bis er exakt die glei-
sikalischen Bereich orientiert sich Langeheine 6
(2004) bei ihrem 8-Schritte-Modell zum Vorstel-
10.4 · Musik
197 10
4 Verhindern von Belastungsschäden am Bewe-
che Zeitspanne in Anspruch nimmt wie die gungsapparat,
praktische Ausführung! 4 Verminderung von Ängsten bei Konzerten
6. Üben Sie auf diesem Niveau weitere zwei und Prüfungen,
bis drei mentale Trainingseinheiten! Sollten 4 Steigerung des Lerntempos und Intensivierung
Schwierigkeiten bei der Vorstellung auf- des Lernerfolgs.
treten, so gehen Sie nochmals kurz zum 2.
bzw. 3. Schritt zurück!
7. Kombinieren Sie das Mentale Training mit Mentales Training in der musikalischen
praktischem Training (beispielsweise kön- Ausbildung (MTMA) nach Orloff-Tschekorsky
nen auf zwei mentale Durchgänge fünf bis (Klöppel, 2007)
zehn praktische folgen). 1. Entspannung: Ein Musiker sollte sich von
8. Trainieren Sie konsequent mental beim einem Augenblick zum anderen in einen
Üben, in Pausen oder kürzeren Unterbre- entspannten Zustand versetzen können.
chungen des Übens/Spielens. Daher ist es empfehlenswert, eine Entspan-
nungstechnik zu erlernen.
2. Vorstellung: Im entspannten Zustand stellt
Mit der Ende der 1980er-Jahre von der Pianistin der Musiker sich die Bewegung beim Mu-
Orloff-Tschekorsky in Zusammenarbeit mit Psy- sizieren und den Klang der zu spielenden
chologen entwickelten Methode soll noch eine Noten vor. Dies geschieht anhand der No-
weitere Variante zur Durchführung des Mentalen ten, also mit offenen Augen. Voraussetzung
Trainings vorgestellt werden. Bei der Erarbeitung für Klang- und Bewegungsvorstellung sind
dieser Methode wurde deutlich, dass sich das Men- Vorkenntnisse und Vorerfahrungen, die es
tale Training für Musiker in einigen Punkten von erlauben, sich Einzelheiten einer Bewegung
Mentalem Training für Sportler unterscheidet: sowie den hervorgebrachten Klang ins Be-
4 Musiker können häufig nicht mit geschlossenen wusstsein zu rufen.
Augen trainieren. Das Schließen der Augen 3. Spielen: Anschließend wird das Stück so-
würde voraussetzen, dass sie das zu übende fort ein- oder zweimal gespielt, und zwar
Stück bereits auswendig beherrschen und nicht genau im vorgestellten Tempo.
mehr am Notenblatt mitverfolgen müssen.
4 Wie oben bereits erwähnt, steht das Ergebnis Anmerkungen: Beim Trainieren nach der
– der Klang – im Vordergrund und nicht die Methode von Orloff-Tschekorsky empfiehlt es
Bewegung selbst. sich, ein Stück in kleine Abschnitte zu untertei-
4 Ein letzter wichtiger Unterschied ist, dass len. Die Länge der Abschnitte richtet sich nach
bei Musikern besonders die Feinmotorik der dem Niveau und der Vorstellungsfähigkeit des
Hände intensiv gefordert wird, was bei Sport- Musikers, nach seinem momentanen Konzen-
lern in dieser Ausprägung in der Regel nicht trationsvermögen sowie nach dem Schwierig-
der Fall ist. keitsgrad des Stücks.
Auch die Frage, in welchem Tempo man
Die von Orloff-Tschekorsky entwickelte Methode beginnt und wie schnell man beschleunigt,
wird als Mentales Training in der musikalischen richtet sich nach der individuellen Erfahrung
Ausbildung (MTMA) bezeichnet und verfolgt vor mit Mentalem Training sowie nach dem Schwie-
allen Dingen folgende Ziele (Klöppel, 2007): rigkeitsgrad des Stücks. Grundsätzlich werden
4 Verbesserung der technischen Sicherheit, komplizierte Bewegungen und Stücke zunächst
4 Verbesserung der Klangvorstellung und Ver- langsamer vorgestellt, eine Temposteigerung
feinerung der Tongebung, im Vorstellungstraining erfolgt dann vorsichtig
4 Verbesserung der Realisation der angestrebten und unter Zuhilfenahme eines Metronoms.
musikalischen Interpretation,
198 Kapitel 10 · Mentales Training im Bereich Arbeit und Wirtschaft

Durch die Anwendung von Mentalem Training Die Probanden, die zusätzlich zum Mentalen Trai-
kann nach der Erfahrung von Klöppel (2007) und ning die Bewegung simulieren sollten, wurden auf-
Langeheine (2004) das praktische Üben stark re- gefordert, die Posaune wie üblich anzusetzen und
duziert werden. Darüber hinaus wird das Mentale die entsprechenden Bewegungen mit dem Zug
Training auch in der Musik zur Bewältigung von durchzuführen. Das jeweilige Training wurde drei-
Aufregung oder Angst (in der Vorbereitung auf mal durchgeführt.
Konzerte) eingesetzt (Klöppel, 2007; Langeheine, Es konnte gezeigt werden, dass die Gruppe
2004). mit dem kombinierten Training (praktischen und
mental) die besten Resultate zeigte (25 % Leis-
Studien zur Wirksamkeit tungssteigerung), gefolgt von der praktischen trai-
Einige Untersuchungen zeigen, dass die Wirk- nierenden Gruppe (17 %), der mental trainieren-
samkeit des Mentalen Trainings auch im Anwen- den Trainingsgruppe mit Bewegungssimulation
dungsfeld Musik nachweisbar ist. (11 %), der mental trainierenden Gruppe ohne
Als Ursprung der wissenschaftlichen Unter- Bewegungssimulation (8 %) und der Kontroll-
suchungen zum Thema »Mentales Training für gruppe, die mit 2 % Leistungssteigerung die ge-
Musiker« werden häufig die Arbeiten von Rubin- ringste Verbesserung zeigte. Ross (1985) schluss-
Rabson genannt. Rubin-Rabson (1941) beschäf- folgerte, dass die Kombination aus Mentalem
tigte sich mit Fragestellungen des Lernens und Training und praktischem Üben das wirksamste
Behaltens der Performance beim Musizieren und Verfahren für die Verbesserung des Posaunen-
stellte fest, dass das Speichern von Informationen spiels zu sein scheint.
auf verschiedene Arten möglich ist, z. B. durch Coffman (1990) untersuchte die Wirksamkeit
geeignete Vorstellungen. In ihrer Studie stellte sie des Mentalen Trainings bei Pianisten. 40 Pianisten
u. a. fest, dass erwachsene Klavierschüler kurzfris- wurden drei Trainingsformen (praktisches Üben,
10 tig gelernte Stücke besser behielten, wenn sie sie Mentales Training, praktisches Üben und Men-
auch mental trainiert hatten. tales Training im Wechsel) und einer Kontroll-
In einer Studie von Ross (1985) wurde die Wirk- gruppe (kein Üben) zugeteilt. Diese vier Gruppen
samkeit des Mentalen Trainings bei der Verbesse- wurden mit der Bedingung Ergebnisrückmeldung
rung des Posaunenspiels untersucht. 30 Musiker (ja oder nein) kombiniert. Auch hier wurde festge-
wurden zufällig fünf Gruppen zugeteilt: Die erste stellt, dass praktisches Üben wirksamer ist als allei-
Gruppe übte praktisch, die zweite trainierte mental, niges Mentales Training. Die mental trainierende
die dritte kombinierte praktisches Üben mit Menta- Gruppe war aber der Kontrollgruppe überlegen,
lem Training, die vierte erhielt ein Mentales Trai- und die Kombination aus praktischem Üben und
ning mit simulierter Bewegung, und die fünfte trai- Mentalem Training erwies sich als genauso erfolg-
nierte nicht (Kontrollgruppe). Das Mentale Train- reich wie praktisches Üben allein (bei insgesamt
ing wurde mit folgender Instruktion vermittelt: gleich hohem Zeitaufwand). Eine neuere Studie an
Klavierspielern (Bernardi et al., 2013), bei der die
»Relax. Put your trombone down and try to feel com- von Klöppel (2007) beschriebene Methode zum
fortable in your chair. You are to mentally play the ex- Mentalen Training durchgeführt wurde, konnte
cerpt. Do not make any physical movements. Tempo: zeigen, dass das Mentale Training sich insbeson-
Use any tempo you wish but try to keep it steady to the dere positiv auf die Bewegungsantizipation der
end. Do not stop or go back to repeat any notes. Pitch: Musiker auswirkt.
Try to ‘hear’ each pitch but do not vocalize. Embou-
chure: Try to ‘feel’ the movements of your embouchure Zusammenfassung
but do not buzz your lips. Slide: Try to ‘feel’ the move- Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Men-
ments of your slide for each shift to a new position. It is tales Training im Anwendungsfeld Musik ein eta-
important that you concentrate. When you have fin- bliertes Verfahren zu sein scheint. Es existieren
ished mentally practicing the music, please turn it over mehrere Durchführungsanleitungen zum Menta-
so that we know you are done.« (Ross, 1985, S. 224) len Training. Musiker setzen es zur Verbesserung
10.5 · Produktion/Fertigung
199 10
ihrer Performance, zur Optimierung der Lernleis-
tung und zur Vermeidung bzw. Bewältigung von
Aufregung oder Angst ein.
Einige wissenschaftliche Untersuchungen be-
stätigen die Wirksamkeit des Mentalen Trainings
(insbesondere zur Performance-Verbesserung) im
Anwendungsfeld Musik.

10.5 Produktion/Fertigung

Die technologische Entwicklung in der Indust-


rie hat in den vergangenen Jahrzehnten zu einer
. Abb. 10.8 Mentales Training: Anwendungsfeld Produktion/
wachsenden Automatisierung geführt. Die Maschi- Fertigung, © David Mathieu / fotolia.com
nen und Fertigungsanlagen sind immer komplexer
geworden. Parallel zu dieser Entwicklung ist die
Bedeutung kognitiver Leistungen bei der Bewälti-
gung produktionsbezogener Aufgaben gestiegen. Vergleich /
Soll-Wert Ist-Wert
Evaluation
In mehreren empirischen Untersuchungen
(Sonntag & Schaper, 1988) konnte eine Erhöhung

bei Diskrepanz
der kognitiven Anforderungen der Tätigkeit fest-
gestellt werden, und zwar bei
4 Bedienpersonal an Leitständen, Handlung
4 Mitarbeitern in flexiblen Fertigungssystemen
mit gruppenorientierter Arbeitsorganisation,
4 Bedienern in Produktionssystemen mit Indus-
Analyse von
trierobotereinsatz, Handlungsalternativen
4 Anlagenführern an flexiblen Transferstraßen. (Wert × Erwartung)

Der Ansatz des kognitiven Trainings besteht in . Abb. 10.9 Regelkreis der Handlungsregulation (nach Schu-
diesem Anwendungsgebiet (. Abb. 10.8) nicht in ler, 2007; mit freundlicher Genehmigung von Hogrefe, Verlag
der Optimierung der Bewegungsausführung bei Hans Huber)
Routinehandlungen, sondern
4 in der Verbesserung der Lernleistung in Bezug form ist das – dem Mentalen Training verwandte
auf die Steuerung von Fertigungsanlagen, – Training mit heuristischen Regeln.
4 in der Optimierung der Entscheidungsqualität Wie viele andere tätigkeitsbezogene Modelle
beim Auftreten von Fehlern oder Problemen, im Kontext der Arbeits- und Organisationspsycho-
4 in der Effektivierung des Handelns bei der logie basiert auch die Anwendung heuristischer
Fehlerbehebung und Problembeseitigung. Regeln auf der handlungsregulationstheoretischen
Sichtweise einer Tätigkeit. Dabei wird Handeln als
Der Lernende soll durch kognitives Training in die zielgerichtetes Verhalten definiert. Grundlage für
Lage versetzt werden, »komplexe Arbeitstätigkei- die Regulation einer Handlung ist die Annahme
ten zu bewältigen, die eine intellektuelle Durch- eines Regelkreises, der kontinuierlich den Zustand
dringung des Arbeitsprozesses erfordern und der Umwelt mit den eigenen Zielvorstellungen ab-
Funktionen höherer psychologischer Regulations- gleicht (Hacker, 1998). Daraus ergibt sich bei je-
ebenen, wie die des Denkens, Planens und Ent- dem Durchlauf eine mehr oder weniger große Dif-
scheidens, mit einbeziehen« (Sonntag & Schaper, ferenz, die mit geeigneten Problemlösestrategien
1988, S. 129). Eine hierfür entwickelte Trainings- überwunden werden muss (. Abb. 10.9).
200 Kapitel 10 · Mentales Training im Bereich Arbeit und Wirtschaft

Heuristische Regeln können grundsätzlich als Beispiel 10.5: Aufbau einer Schaltanlage (nach
Hilfen bei der Planung, Realisierung und Kontrolle Sonntag & Schaper, 1988, S. 130ff.)
komplexer Arbeitstätigkeiten, also als allgemeine Basis für die Formulierung heuristischer Regeln
Vorgehensschemata, definiert werden. Sie leiten ist zunächst eine Aufgabenanalyse. Folgende leis-
durch die Vermittlung von Verfahrenskenntnissen tungsbestimmende Teiltätigkeiten wurden heraus-
und den erforderlichen geistigen Operationen zur gearbeitet:
Problemlösung an. Knappe und eindeutige For- 4 Systematische und vollständige Erfassung
mulierungen sollen gewährleisten, dass das Den- der Aufgabe und der Lösungsbedingungen.
ken und Handeln auf bestimmte Aufgabenanfor- 4 Schaltplanentwurf inklusive des damit ver-
derungen ausgerichtet wird. Heuristische Regeln bundenen Problemlöseprozesses.
beinhalten Anleitungen zum Vollzug erforderli- 4 Systematische und umfassende Planung des
cher geistiger Operationen. Im Gegensatz zu algo- Arbeitshandelns.
rithmischen Regeln legen heuristische Regeln die 4 Systematische begleitende Kontrolle des
Durchführung nicht vollständig fest, sondern wei- Arbeitshandelns.
sen eher auf Lösungsstrategien hin und erhöhen 4 Systematische Funktionsüberprüfung der
somit die Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Schaltung.
Problemlösung (Sonntag & Schaper, 1988; Schaper 4 Zielgerichtete, hypothesenbildende und
& Sonntag, 1997). -überprüfende Fehlersuche.

Ablaufschema Am Beispiel des Schaltplanentwurfs auf erster


Sonntag und Schaper (1988) haben ein Training Ebene wird die Teiltätigkeit weiter differenziert. Es
mit heuristischen Regeln entwickelt, das weitge- werden folgende störanfällige Teiltätigkeiten ausfin-
hend mit dem Mentalen Training vergleichbar ist dig gemacht:
10 und die Grundlage der folgenden Ausführungen 4 Zergliedern der Schaltungsaufgabe in über-
bildet. schaubare und sinnvolle Einheiten.
Nach Höpfner und Skell (1983; nach Sonntag 4 Einbeziehen von Randbedingungen in die
& Schaper, 1988) können drei verschiedene For- Lösungsüberlegungen.
men heuristischer Regeln unterschieden werden, 4 Überprüfung der Durchführungsbedingungen
die je nach aktueller Anforderung im Lösungspro- und ggf. der Nebenwirkungen einer Maß-
zess indiziert sind: nahme.
1. Hinweise auf Prinzipien und Strategien der 4 Neuorientierung/-ansatz bei Lösungsbarrieren.
Lösung (z. B.: »Denke daran, Teilziele abzulei-
ten!«), In einem dritten Schritt werden heuristische Regeln
2. Erinnerungen zur Aktivierung von Gedächt- zum Entwurf eines Schaltplans entwickelt:
nisinhalten (z. B.: »Beachte, dass bestimmte 4 Machen Sie sich gedanklich ein Bild von der
Abfolgen nicht erlaubt sind!«), Schaltung.
3. (allgemein aktivierende) Impulse (z. B.: 4 Entwerfen Sie eine Grobskizze von der Schal-
»Überlege bei jedem Lösungsschritt!«). tung.
4 Zeichnen Sie erst danach die Details!
Um heuristische Regeln formulieren zu können, 4 Gehen Sie bei der Lösung Schritt für Schritt vor!
muss zunächst mithilfe einer Aufgabenanalyse 4 Überprüfen Sie Ihren Entwurf durch eine syste-
eine Basis geschaffen werden, die definiert, wel- matische Signalverfolgung.
ches die wichtigsten leistungsdeterminierenden
Teiltätigkeiten sind und welche Vorgehensweise Formulierungshinweise. Wie oben bereits er-
für die Bewältigung einer Aufgabe optimal ist. Das wähnt, ist es sinnvoll, heuristische Regeln eher
Ergebnis kann in Form eines Prozess- bzw. Ablauf- allgemein zu formulieren, da eine vollständige und
schemas dargestellt werden (Sonntag & Schaper, eindeutige Determination der Tätigkeit an kom-
1988; 7 Beispiel 10.5). plexen Anlagen nicht möglich bzw. tendenziell
10.5 · Produktion/Fertigung
201 10

Aufgabe

Erfassen der Aufgabenstellung

Ja Schaltplan Nein
vorhanden?

Schaltplan erfassen Schaltplan entwerfen

Aufbau vorbereiten

Aufbau durchführen und kontrollieren

Funktion überprüfen

Ja Fehler Nein
Ende
vorhanden?

Störungen erfassen Störungen analysieren,


Prüfhandlungen einleiten

. Abb. 10.10 Beispiel für einen


Fehler
Ablaufplan zur Aufgabenbewäl-
beheben
tigung bei pneumatischen Steu-
Problem erfassen erschaltungen (modifiziert, nach
Lösungsmöglichkeiten Sonntag & Schaper, 1988, S. 130;
erarbeiten mit freundlicher Genehmigung
Störungsursachen erkennen
von Hogrefe)

kontraproduktiv ist. Die besondere Herausforde- Lösungsprozess) ist eher eine spezifische (z. B.
rung bei der Formulierung heuristischer Regeln »Entwerfen Sie ein Weg-Zeit-Diagramm!«)
besteht nach Sonntag und Schaper (1988) darin, oder eine allgemein gehaltene Anweisung
die Aktivierung von passenden Gedächtnisinhal- (»Machen Sie sich ein Bild von der Schal-
ten auf der einen Seite und die Gewährung von tung!«) angezeigt.
ausreichendem Gestaltungsfreiraum auf der ande- 4 Zielgruppenspezifität: Wichtig ist auch die
ren Seite auszugleichen. Anpassung der Formulierung an die Voraus-
Nur als sinnvoll erkannte heuristische Regeln setzungen der Lernenden auf sprachlicher,
werden auch tatsächlich angewendet. Deshalb intellektueller und fachlicher Ebene. Ebenso
müssen bereits bei der Formulierung einige Ge- wie bekannte Vorgehens- und Strategiedefizite
sichtspunkte beachtet werden (Sonntag, 1996): der Lernenden sollten handlungsbegleitende
4 Allgemeinheitsgrad: Je nach Aufgabenanfor- Motivationen und Emotionen miteinbezogen
derungen (bzw. je nach aktuellem Stand im werden.
202 Kapitel 10 · Mentales Training im Bereich Arbeit und Wirtschaft

4 Aufforderungs- und Bewältigungscharakter: schrittweises Verkürzungen der Regeln bis hin zum
Heuristische Regeln sollten einerseits Hilfe bei lautlosen, rein innerlichen »Sprechen« angestrebt,
Misserfolgen leisten (»Bleiben Sie ruhig, wenn wobei darauf geachtet werden muss, dass nicht nur
es nicht gleich funktioniert!«), andererseits ein sinnloses Nachsprechen ohne eigentliche kog-
auch als positive Verstärker bei erreichten nitive Durchdringung stattfindet (Friedrich &
(Teil-)Zielen dienen (»Gut gemacht!«). Mandl, 1992).
Um zu erreichen, dass die Anwender regelmä-
Tipp I I ßig trainieren, ist es sinnvoll, sie in einem ersten
Heuristische Regeln sind nicht mit starren Al- Schritt für den Umgang mit den Strategien zu
gorithmen gleichzusetzen. Sie sollten deshalb sensibilisieren, indem der Sinn und Zweck die-
immer eher allgemein formuliert werden und ser Regeln erläutert wird. Danach wird zunächst
dadurch dem Trainierenden ausreichende Ge- eine exemplarische Demonstration des erwünsch-
staltungsfreiräume gewähren. ten Vorgehens an einem Modell vorgeführt (Ge-
winn deklarativen Wissens über die Strategie). Im
Anschluss daran sollen die Lernenden mehrmals
Wirkungen. Die Wirkweisen der heuristischen eigenständige Übungen durchführen, um das not-
Regeln sind vielfältiger Art. Zum einen wird wendige prozedurale Wissen zu erlangen. Hierfür
durch sie teilweise eine Suchraumeinschränkung hat sich eine Vorgehensweise in Gruppen mit je
erreicht, wenn der Lernende aufgefordert wird, zwei Partnern (einer führt die Arbeit aus, während
Teilziele auszubilden. Andererseits kann in eini- der andere ihm Rückmeldung in Form heuristi-
gen Fällen durch die Aufforderung, Analogien zu scher Regeln gibt), als besonders effektiv heraus-
bereits gemeisterten Situationen und den damals gestellt.
erfolgreichen Vorgehensweisen zu bilden, ebenso Zu betonen ist die Wichtigkeit der wiederhol-
10 eine wünschenswerte Suchraumerweiterung erzielt ten Übungsanwendung. Nur diese Wiederholung
werden. gewährleistet ein erfolgreiches Lernen der heuris-
Außerdem können durch heuristische Regeln tischen Regeln und somit eine Feinabstimmung
generell eine präzisere Situationsanalyse, eine ver- (»Tuning«) und Routinisierung in der Regelan-
besserte technische Strukturierung der einzelnen wendung.
Arbeitsschritte sowie ein höheres Maß an Selbst- In der betrieblichen Praxis finden derartige
steuerung und Gewichtung der gegebenen Infor- mentale Trainingsformen, wie z. B. die Trainings-
mationen bewirkt werden. Weiterhin erweisen sie form der heuristischen Regeln nach Sonntag
sich als Hilfen bei Unschlüssigkeit, aber auch bei (1993), bisher eher selten Anwendung, was auf
voreiligem Handeln (z. B. »Denken Sie erst mal in einige – scheinbare – Nachteile zurückzuführen
Ruhe nach!« oder »Fassen Sie noch mal alle bis- ist. So bringen sie meist einen erheblichen Mehr-
herigen Ideen zusammen!«) (Sonntag & Schaper, aufwand an Zeit und Kosten (für Ausbilder und
1988). Auszubildende) mit sich. Diese Kosten erhöhen
Für eine erfolgreiche Aufnahme und Verinner- sich durch die Zusammenarbeit mit einem dafür
lichung der Regeln ist eine einfache schriftliche ausgebildeten Arbeitspsychologen weiter, was in
Darstellung und kurze Erläuterung derselben nicht der Regel aber unvermeidbar ist, da den betriebli-
ausreichend. Deshalb wird bei der Vermittlung chen Ausbildern (meist) die entsprechende Schu-
der  Regeln auf das »Interiorisationsmodell« von lung und Erfahrung mit diesen Techniken fehlen
Galperin (1967, nach Sonntag & Shaper, 1988) zu- (Sonntag & Schaper, 1988).
rückgegriffen. Das Interiorisationsmodell beruht Sonntag und Schaper (1988) bemerken zudem,
auf der etappenweisen Ausbildung geistiger Hand- dass gerade von den betrieblichen Ausbildern, die
lungen über die Sprache und ist grundsätzlich mit aufgrund ihrer Expertise in das Training einbe-
dem mental-sprachlichen Training zu vergleichen zogen werden müssen und die später möglicher-
(7 Kap. 4). Hier wird eine sukzessive Verinnerli- weise weitere Trainings im Betrieb selbstständig
chung durch zunächst lautes Aussprechen, dann durchführen sollen, eine hohe Umlern- und Um-
10.5 · Produktion/Fertigung
203 10
stellungsbereitschaft gefordert ist. Meist besteht je- Nach dem Training zeigte sich ein gesteigertes
doch bei den betrieblichen Ausbildern ein starkes Orientierungs- und Planungsverhalten vor der ei-
Vertrauen in die »traditionellen« Aus- und Wei- gentlichen Handlung bei derjenigen Gruppe, die
terbildungsmethoden sowie häufig eine generelle mit den heuristischen Regeln trainiert hatte. Da-
Unwilligkeit, eine Kooperation mit »praxisfernen« rüber hinaus konnte bei der Trainingsgruppe im
Wissenschaftlern einzugehen. Vergleich zur praktisch übenden Gruppe im Post-
Trotz der genannten starken Vorbehalte der Test effektiveres und weniger fehlerhaftes Han-
betrieblichen Praktiker lässt sich zeigen, dass diese deln nachgewiesen werden. Schließlich sind auch
kognitiven Trainingsformen letztendlich doch ren- Tendenzen erkennbar, die zeigen, dass die sorg-
tabel für die Betriebe sind, da sich der anfangs fältige Vorbereitung und Planung vorab zu einer
erforderliche Mehraufwand an Zeit und Kosten vermehrten Nutzung von Planungs- und Orien-
durch die Vermeidung von Fehlern und Störungen tierungshilfen bei den Arbeitshandlungen führt.
– bzw. deren schnellere und effektivere Behebung So nutzen die Anwender der heuristischen Regeln
– bald auszahlt (Sonntag & Schaper, 1988). öfter den angefertigten Schaltplan zum Aufbau der
Schaltung.
Studien zur Wirksamkeit In einer weiteren Studie (Schaper & Sonntag,
Sonntag und Schaper (1988) konnten die Wirk- 1997) an Industriemechanikern, bei der der Um-
samkeit des Trainings mit heuristischen Regeln gang mit speicherprogrammierten Steuerungen
an Auszubildenden eines Automobilkonzerns (SPS-Technik) vermittelt wurde, konnte gezeigt
zeigen. Im Rahmen eines betriebsinternen Lehr- werden, dass das Training mit heuristischen Re-
gangs über pneumatische Steuerungstechnik er- geln im Vergleich zur herkömmlichen Methode zu
probten sie ein kognitives Training mit heuristi- einer bedeutsamen Reduktion irrelevanter Prüf-
schen Regeln als Ergänzung zur herkömmlichen schritte und der Anzahl der Prüfhandlungen an
Unterweisung. sich führte.
Die 22 Versuchspersonen wurden zwei Grup-
pen zugeteilt (Trainingsgruppe und Kontroll- Zusammenfassung
gruppe) und vor und nach der Intervention bei der Im Anwendungsfeld Produktion und Fertigung
Bewältigung einer praktischen steuerungstechni- wurde der Ansatz der heuristischen Regeln be-
schen Aufgabenstellung beobachtet. Die Trainings- schrieben, der eine dem Mentalen Training ver-
gruppe begann nach der Hälfte des Lehrgangs mit wandte kognitive Trainingsmethode darstellt.
dem Training mit heuristischen Regeln. Insgesamt Heuristische Regeln werden zur Optimierung der
wurden drei Trainingseinheiten mit unterschiedli- Entscheidungsqualität beim Auftreten von Fehlern
cher Schwerpunktsetzung durchgeführt: oder Problemen und zur Effektivierung des Han-
delns in der Fehlerbehebung und Problembeseiti-
»In der ersten Trainingseinheit wurden die Regeln gung eingesetzt. Erste wissenschaftliche Untersu-
angewandt bei Aufgaben mit vorgegebenem Schalt- chungen belegen die Effektivität dieses Trainings,
plan. Die Regeln zur Bewältigung von Textaufgaben wenn auch von betrieblichen Umsetzungen noch
ohne Schaltplan und zur Fehlersuche und -behe- recht wenig berichtet wird.
bung blieben dabei unberücksichtigt. Die wissenschaftliche Befundlage lässt zum
In der zweiten Trainingseinheit wurden die Regeln gegenwärtigen Zeitpunkt noch sehr zu wünschen
zur Bewältigung von Textaufgaben ohne Schaltplan übrig. Bislang sind nur in wenigen Anwendungs-
erarbeitet und ein Vorgehen danach anhand prakti- bereichen umfangreiche und methodisch auf-
scher Aufgabenstellungen eingeübt. wendige Untersuchungen durchgeführt worden.
In der dritten Trainingseinheit wurden die Regeln Dennoch zeigen die diversen Beispiele, dass das
zur Fehlersuche und -behebung eingeführt und ein Mentale Training auch hier vielfach einsetzbar
Vorgehen danach anhand praktisch realisierter Feh- ist, um eine Lern- und Leistungsoptimierung zu
lersuchaufgaben wiederum eingeübt.« (Sonntag & erreichen.
Schaper, 1988, S. 135)
11

Grundlagen und Materialien

11.1 Neurophysiologische Grundlagen des Mentalen Trainings – 206


11.1.1 Das sensomotorische System – 206
11.1.2 Motorischer Kortex – 208

11.2 Methoden und Verfahren zur Darstellung mentaler


Aktivitäten – 210
11.2.1 Positronenemissionstomografie (PET) – 210
11.2.2 Funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) – 211
11.2.3 Transkranielle Magnetstimulation (TMS) – 211

11.3 Praktische Anleitung zur Progressiven Muskelrelaxation (PMR)


nach Jacobson – 211
11.3.1 Praxis der PMR – 212

11.4 Fragebogen zur Erfassung der Vorstellungsfähigkeit – 213


11.4.1 MIQ (Deutsch) – 213

J. Mayer, H.-D. Hermann, Mentales Training, DOI 10.1007/978-3-662-46819-7_11,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
206 Kapitel 11 · Grundlagen und Materialien

11.1 Neurophysiologische Grund- statt. Zunächst wird die Existenz eines Reizes über-
lagen des Mentalen Trainings prüft, dann erfolgen in weiteren Schritten die Ana-
lyse der Reizintensität und -qualität, die Erfassung
11.1.1 Das sensomotorische System der räumlich-zeitlichen Reizverteilung sowie das
Herausarbeiten von bedeutsamen Eigenschaften
Motorische Aktivität wie Ziel- und Stützmotorik und Mustern (. Abb. 11.1). Dabei werden Sinnes-
kann immer nur dann sinnvoll erfolgen, wenn meldungen mit gleichem Informationsgehalt von
dabei wichtige Informationen aus der Umwelt be- nahe beieinander liegenden Neuronenpopulatio-
achtet und kontinuierlich verarbeitet werden (Sil- nen verarbeitet, die zusammengefasst als »rezepti-
bernagl & Despopoulos, 2001). Durch sensorische ves Feld« bezeichnet werden (Reichert, 2000).
Systeme erhält der Organismus Informationen Wichtig zur Kontrolle des sensorischen Infor-
über funktional relevante Aspekte seiner Umwelt, mationsflusses ist die Tatsache, dass das Gehirn
die es ihm erst ermöglichen, Bewegungen auszu- nicht passiver Empfänger sensorischer Informa-
führen und somit das eigene Verhalten zu steuern tion ist, sondern die Aufnahme dieser Information
(Mausfeld, 2001). beträchtlich beeinflusst: Die Empfindlichkeit eines
Die Informationsaufnahme im sensorischen Sinnessystems kann durch das zentrale Nerven-
System erfolgt über spezielle Zellen, sogenannte system (ZNS) erhöht oder erniedrigt werden (Rei-
Rezeptor- oder Sinneszellen, in Form von physi- chert, 2000). Außerdem ist das Gehirn aktiv an
kalischer Reizenergie. Diese Reizenergie wird in der Selektion relevanter Informationen beteiligt
elektrochemische Energie umgewandelt, wobei die (7 Kap. 3).
Rezeptorzellen jeweils auf eine bestimmte Art des
> Das ZNS ist nicht nur passiver Empfänger für
Reizes spezialisiert sind (z. B. Mechano-, Thermo-,
die sensorische Information, sondern kann
Fotorezeptoren) und somit für diese Reize eine
die Empfindlichkeit eines Sinnessystems und
dementsprechend höhere Sensibilität aufweisen
die Selektion relevanter Information beein-
(Reichert, 2000). Die stattfindenden Umwand-
flussen.
11 lungsprozesse kodieren äußere physikalische Reize
in Aktionspotenziale, die auf neuronalen Bahnen Nach Reichert (2000) wird auf jeder Reizverarbei-
an das Gehirn weitergeleitet werden (Mausfeld, tungsebene eine räumlich geordnete Repräsenta-
2001). tion der Körperoberfläche beibehalten. Eine sehr
Noch bevor die gewaltige Menge an sensori- eindrucksvolle schematische Darstellung dieser
schen Informationen aus der Peripherie zur weite- geordneten Repräsentation der Körperoberfläche
ren Verarbeitung in zentralnervöse Regionen zieht, auf kortikaler Ebene stellt der somatosensorische
findet in den Sinnesorganen die erste Aufarbeitung »Homunkulus« dar (. Abb. 11.2).

Objektive Sinnesphysiologie Wahrnehmungspsychologie

Erregung in Integration im Sinnes-


Phänomene
Sinnesreize sensorischen Zentralnerven- eindrücke, Wahrnehmung
der Umwelt
Nerven system Empf indungen

Abbildung
(Repräsentation)
Geeignete ZNS mit
Interaktion Erregung
Sensoren, Erfahrung, Bewusstseins-
mit sensorischer
überschwelliges Gedächtnis und bildung
Sinnesorganen Gehirnzentren
Sensorpotenzial Emotion

Abbildungsbedingungen

. Abb. 11.1 Reizverarbeitung und Abbildungsverhältnisse in der Sinnesphysiologie (nach Birbaumer & Schmidt, 2003)
11.1 · Neurophysiologische Grundlagen des Mentalen Trainings
207 11
Für alle sensiblen (und motorischen) Bahnen Bevor jedoch nun im Folgenden konkret auf
gibt es eine direkte Zuordnung zwischen Körper- die motorischen Komponenten Bezug genommen
peripherie und Gehirn, man spricht auch von Pro- wird, soll an dieser Stelle betont werden, dass we-
jektionen vom Körper auf das Gehirn. Die Größe der das sensorische noch das motorische System
des Zellgebiets auf der Großhirnrinde entspricht isolierte neuronale Strukturen mit voneinander
allerdings nicht dem Ausmaß des entsprechenden unabhängigen Mechanismen darstellen, sondern
Körperareals. Für besonders feinsensible oder fein- für die Verhaltenssteuerung beide Systeme eng
motorische Körperabschnitte (z. B. Finger) stehen miteinander verknüpft sind (Mausfeld, 2001).
recht große Areale zur Verfügung. Entsprechend
> Wegen ihrer Bedeutung für die Verhaltens-
müssen für Muskelgruppen, durch deren koordi-
steuerung sind sensorische Systeme eng mit
niertes Zusammenwirken besonders feine Bewe-
den motorischen Systemen verknüpft.
gungen entstehen, größere Areale angelegt sein.
Andere Körperteile, die keine fein abgestimmten Innerhalb des motorischen Systems findet ein Um-
Bewegungen ausführen und die nicht so empfind- wandlungsprozess statt, der dem im sensorischen
lich sind (z. B. Bauch und Rücken), sind nur durch System ähnlich, aber entgegengesetzt ist. Im Mit-
relativ kleine Areale repräsentiert. Der »Homun- telpunkt dieses Prozesses steht hierbei die »Über-
kulus«, der durch die symbolische Nachzeichnung setzung neuronaler Aktivität in mechanische Ener-
der mit den Kortexarealen assoziierten Körperteile gie, indem […] in präziser Weise die Aktivierung
entsteht, ist folglich gegenüber der tatsächlichen von Muskeln kontrolliert wird […]. Neuromusku-
Körpergestalt stark verzerrt (Reichert, 2000; Sil- läre Kontrolle manifestiert sich als Veränderung
bernagl & Despopoulos, 2001). von Muskelkontraktion, aber sie bedarf dazu eines
Das motorische System ermöglicht die Pla- kontinuierlichen sensorischen Informationsflus-
nung, Durchführung und Kontrolle von Bewe- ses« (Reichert, 2000, S. 121).
gungen, d. h., es wird willkürliches Verhalten Die Besonderheit des motorischen Kontroll-
erzeugt (Blickhan, 2001). Alle sensorischen In- netzwerks besteht in einer starken Zusammenfüh-
formationen nehmen nach entsprechender Verar- rung zahlreicher efferenter (absteigender) Signale,
beitung in den dafür vorgesehenen Zentren ihren die sich auf ihrem Weg vom Kortex über das Rü-
Weg über das motorische System zurück in die ckenmark zur Skelettmuskulatur befinden.
Peripherie, wo sie in Muskelkontraktionen und Für die Durchführung von zielgerichteten
Bewegung bzw. in bestimmte Verhaltensweisen willkürlichen Bewegungen sind höhere motori-
umgesetzt werden. sche Zentren verantwortlich, die dabei durch die
unmittelbar benachbarten somatosensorischen
Areale unterstützt werden (Blickhan, 2001). Ins-
besondere Felder des Frontallappens sind an der
Schu
Arm ogen

Bewegungsplanung und der Bewegungskontrolle


Elle gelen
Ha

Rumpf
nd
nb

beteiligt (Kandel, 1996). Ihre bewegungsrelevanten


lter
Ha

D Hüfte Informationen bezüglich Umwelt und Motivation


nd

Fi aum
Ha nge en
k

Br ls r
Knie beziehen sie dabei aus dem primär-somatosensori-
Au aue Fußgelenk schen Kortex, der wiederum Eingänge vom Klein-
G e ge
sic hirn, den Basalganglien und anderen kortikalen
ht
Zehen
Bereichen erhält.
Lipp
en Zusammenfassend kann gesagt werden, dass
Kiefer beim Zusammenspiel zwischen sensorischem und
motorischem System sensorische Informationen
Zunge zentral verarbeitet werden und über Zentren der
Schlucken Bewegungsplanung und der Bewegungsausfüh-
motorischer Kortex
rung eine motorische Antwort erhalten. Zentraler
. Abb. 11.2 Sensorischer und motorischer »Homunkulus« Ursprung ist dabei der motorische Kortex.
208 Kapitel 11 · Grundlagen und Materialien

11.1.2 Motorischer Kortex Die Tatsache, dass Flexion und Extension des
Handgelenks mit der Aktivität verschiedener korti-
Zu den motorischen Hauptarealen des Frontal- kaler Neuronenpopulationen einhergehen, stimmt
lappens, die ganz besonders an der Umsetzung zwar mit der Vorstellung einer Muskelkarte im
von Handlungsplänen beteiligt sind, zählen der M-I (motorischer Homunkulus; . Abb. 11.2) über-
primär-motorische Kortex, das prämotorische und ein (Ghez & Gordon, 1996a, 1996b). Allerdings ist
das supplementär-motorische Areal (. Abb. 11.3). hier nicht ein bestimmtes Areal der Funktion eines
einzelnen Muskels zugeordnet, vielmehr repräsen-
Primär-motorischer Kortex (M-I) tieren die Areale bestimmte Bewegungsmuster. So
Aus zahlreichen Untersuchungen an Primaten geht zeigt sich z. B. bei der Stimulation des Handa-
hervor, dass eine wesentliche Funktion des primär- reals eines Primaten keine direkt entsprechende
motorischen Kortex in der Kodierung globaler Be- Repräsentation der Handmuskeln, sondern es er-
wegungsparameter besteht (Konczak, 2002). Neu- folgt eine scheinbar zusammenhanglose und zer-
ronen im primär-motorischen Kortex kodieren splitterte Aktivierung in Form einer frakturierten
Kraft und Richtung von Willkürbewegungen und Karte (Schieber, 1999).
ändern ihre Aktivität bei der Vorbereitung von Umgekehrt deutet die wiederholte Reizung
Bewegungen (Ghez & Gordon, 1996a). Affenexpe- eines Neurons des M-I bei verschiedenen Bewe-
rimente aus den 1960er-Jahren zeigen, dass Erre- gungsaufgaben nicht gezwungenermaßen auf die
gungsableitungen von einzelnen Neuronen in dem Aktivierung der jeweils gleichen Muskelfasergrup-
für das Handgelenk zuständigen Areal des M-I pen hin (Konczak, 2002). Dies bedeutet wiederum,
von der Bewegung abhängig sind. Je nachdem, dass ein M-I-Neuron nicht auf eine bestimmte
ob eine Flexion oder Extension erfolgte, wurden Muskulatur spezialisiert ist, sondern gleich auf
unterschiedliche Neuronenpopulationen aktiviert. mehrere Muskeln Einfluss nimmt (Ghez & Gor-
Diese Aktivität setzte ein, noch bevor es zu der don, 1996a, 1996b).
entsprechenden Muskelkontraktion kam. Folglich
> Ein M-I-Neuron kann auf mehrere Muskeln
11 müssen Impulse, die zur direkten Bewegungsaus-
Einfluss nehmen. Es repräsentiert kein topo-
führung beitragen, unmittelbar aus dem M-I kom-
grafisches Abbild der Muskulatur, sondern
men (Ghez & Gordon, 1996a, 1996b).
vielmehr Bewegungsmuster.

In diesem Zusammenhang taucht u. a. die Frage


M-I auf, wie eine Kodierung der Richtung durch kor-
SMA tikale Neuronen möglich ist, wenn es sich um eine
PM komplexe, mehrgelenkige Bewegung handelt, an
der mehrere Muskeln im Zusammenspiel beteiligt
sind. An Affen konnte gezeigt werden, dass bei auf
verschiedene Ziele gerichteten Armbewegungen
Cerebrum bestimmte kortikale Neuronen einen sehr brei-
ten Empfindlichkeitsbereich bezüglich der Bewe-
gungsrichtung besitzen, d. h., es »verändert sich
jeweils die Aktivität einer Population von mehre-
ren hundert Neuronen im Armareal von M-I etwa
100–200 ms vor Bewegungsbeginn« (Konczak,
2002, S. 878). Die Richtungskodierung findet also
Cerebellum deutlich vor Bewegungsbeginn im M-I statt.

> Die Richtungskodierung bei komplexen,


. Abb. 11.3 Überblick über die motorischen Zentren (aus mehrgelenkigen Bewegungen findet deutlich
Karnath & Thier, 2006) vor dem Bewegungsbeginn im M-I statt.
11.1 · Neurophysiologische Grundlagen des Mentalen Trainings
209 11
Ebenso konnte man aus derartigen Versuchen auf Ausrichtung und Haltungskontrolle des Körpers
das Bewegungsmerkmal schließen, das durch die bei (Blickhan, 2001; Übersicht im 7 Kasten).
Impulsfrequenz eines aktiven Neurons bestimmt
wird. Es handelt sich dabei um die Kraftkompo-
nente, d. h., Neuronen des M-I bestimmen den Wichtige Aufgaben des supplementär-
Krafteinsatz, der von den innervierten Muskeln motorischen Areals (SMA)
für eine bestimmte Aktion aufgebracht werden 4 Bewegungsplanung
muss (Ghez & Gordon, 1996b). 4 Programmierung von Bewegungsfolgen
4 Koordination von bilateralen Bewegungen
> Die Impulsfrequenz eines Neurons ent-
4 Haltungskontrolle
scheidet über den Krafteinsatz bei einer
bestimmten Bewegung.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Das prämotorische Areal (PMA) ist vorrangig an
der primär-motorische Kortex insbesondere im der Bewegungseinleitung und konkreten Ausfüh-
Dienste der Ausführung einfacher Willkürbewe- rung beteiligt (Trepel, 2004). Eine wesentliche Auf-
gungen steht. Er unterstützt die Feinmotorik durch gabe besteht folglich in der Abstimmung und kor-
eine sehr präzise Ansteuerung der Muskulatur, die rekten Aneinanderreihung von Bewegungskom-
noch vor dem Bewegungsimpuls bezüglich des er- ponenten sowie in der Planung, wie bestimmte
forderlichen Krafteinsatzes und der antizipierten Teile eines Muskels, Muskeln und Muskelgruppen
Richtung kodiert wird (Blickhan, 2001). Während eingesetzt werden sollen, um eine bestimmte Auf-
der Bewegungsdurchführung empfängt der M-I gabe optimal erfüllen zu können. Das PMA erhält
ständige Rückmeldungen aus rezeptiven Feldern von verschiedenen sensiblen Kortexarealen soma-
der Peripherie, die ihn über wesentliche Kompo- tosensorische Informationen über die Stellung des
nenten der Bewegung (z. B. Lage, Geschwindigkeit Körpers im Raum (räumliche Orientierung). Au-
etc.) informieren. Diese sensorischen Meldungen ßerdem erfolgt die Integration verschiedener sen-
sind propriozeptiver und taktiler Art. sorischer, besonders visueller Impulse (Blickhan,
2001; Übersicht im 7 Kasten).
Prämotorische kortikale Areale
Während dem primär-motorischen Kortex die
Aufgabe der Bewegungsinitiation und -steuerung Wichtige Aufgaben des prämotorischen
zukommt, sind die prämotorischen Felder für den Areals (PMA)
motorischen Bewegungsentwurf verantwortlich 4 Bewegungseinleitung und -ausführung
und unterstützen die Vorbereitung motorischer 4 Abstimmung und Verkettung von Bewe-
Aktivität. Somit sind sie hauptsächlich an der Pla- gungskomponenten
nung und Entstehung von Willkürbewegungen be- 4 Planung der Verwendung der Muskulatur
teiligt. Es handelt sich konkret um das supplemen- 4 Koordination im Raum
tär-motorische Areal (SMA) und das prämotorische
Areal (PMA), die zusammen auch als prämotori-
scher Kortex bezeichnet werden. Sie grenzen direkt Die wesentlichsten Aspekte zusammenfassend, kann
an den M-I, mit dem sie wechselseitig in Verbin- festgehalten werden, dass der gesamte motorische
dung stehen (. Abb. 11.3). Kortex eine besondere Rolle beim Auslösen von
Das supplementär-motorische Areal (SMA) pro- Befehlen und der Spezifizierung räumlicher Details
grammiert Bewegungsfolgen und koordiniert bila- der Bewegung spielt. Der primär-motorische Kortex
terale Bewegungen (Bewegungen, bei denen beide ist der Knotenpunkt, der den Einfluss höherer sen-
Körperseiten gleichzeitig aktiviert werden), d. h., sorischer Systeme auf Bewegung vermittelt. Er ist
es spielt eine wichtige Rolle bei komplexen, koor- unabdingbar für die Organisation von Bewegungen,
dinativ anspruchsvollen Bewegungsmustern – z. B. bei denen somatosensorischer Input eine Kontroll-
mehrerer Finger oder Extremitäten – und trägt zur funktion erfüllt (Ghez & Gordon, 1996b).
210 Kapitel 11 · Grundlagen und Materialien

Kleinhirn und Basalganglien 11.2 Methoden und Verfahren


Neben den Arealen des motorischen Kortex tragen zur Darstellung mentaler
das Kleinhirn und die Basalganglien (subkortikal Aktivitäten
gelegene, beidseits angelegte Kerngebiete) auf di-
rektem oder indirektem Wege zur Motorik bei. Sie Aufgrund des enormen Aufschwungs und dra-
leisten einen wichtigen Beitrag zur Sicherstellung matischer Entwicklungen in den kognitiven Neu-
von Präzision und Koordination der Bewegung rowissenschaften finden vermehrt bildgebende
(Übersicht im 7 Kasten). Verfahren in der Hirnforschung Anwendung, die
auf nichtinvasive Weise Einblicke in die Arbeit
des menschlichen Gehirns bzw. eine genauere Be-
Wichtige Aufgaben von Kleinhirn und trachtung funktioneller und molekularer Aspekte
Basalganglien ermöglichen. Einige dieser modernen Methoden
4 Das Kleinhirn (Zerebellum) ist die höchste der Bildgebung, die in Zusammenhang mit kog-
Kontrollinstanz für die Koordination und nitiven Leistungen des Gehirns und damit auch in
Feinabstimmung von Bewegungsabläufen, Zusammenhang mit Bewegungsvorstellungen oder
genauer: Mentalem Training stehen, sollen im Folgenden
– der stützmotorischen Anteile von kurz dargestellt werden. Zu den bekanntesten und
Haltung und Bewegung, in der Forschung am häufigsten angewandten Me-
– der Blickmotorik im Sinne einer Stabili- thoden zählen die Positronenemissionstomografie,
sierung des Blicks auf ein Blickziel, die funktionelle Kernspin- bzw. Magnetresonanz-
– der im Großhirn entworfenen Ziel- tomografie sowie die transkranielle Magnetstimu-
motorik (Trepel, 2004). lation (Braus, 2004; Birbaumer & Schmidt, 2003).
4 Die Basalganglien bewirken eine feine
Abstimmung aller Bewegungsimpulse,
die in höheren motorischen Zentren (As- 11.2.1 Positronenemissionstomografie
11 soziationskortex) entworfen wurden. Die (PET)
Basalganglien sind damit vor allem an
der Bewegungskoordination beteiligt. Sie Die PET ist ein Verfahren aus der Nuklearmedi-
projizieren überwiegend auf die Groß- zin, bei dem radioaktive Substanzen zusammen
hirnrinde zurück und haben selbst keinen mit anderen am Stoffwechsel beteiligten Substan-
direkten Zugriff auf die Motoneurone zen intravenös oder inhalativ verabreicht werden.
( Trepel, 2004). Aufgrund des radioaktiven Zerfalls der instabilen
Isotope entstehen sogenannte Positronen. Stoßen
diese im Gewebe auf Elektronen, wird eine re-
Alle dargestellten Komponenten des motorischen gistrierbare spezifische γ-Strahlung erzeugt. Die
Systems und das sensorische System wirken selbst Strahlendichte ist z. B. ein Indikator für die Stärke
bei den einfachsten willkürlichen Bewegungen zu- der Durchblutung und somit auch für die neuro-
sammen. Es handelt sich also um ein komplexes nale Aktivität, die mit der Durchblutungssituation
sensomotorisches Netzwerk, das hinsichtlich sei- korreliert. Neben lokalen Perfusionsveränderun-
ner Funktion weder typisch sensorisch noch ty- gen geben auch die Glukoseverwertung und eine
pisch motorisch ist, sondern beiden Aspekten ge- spezifische Rezeptorbindung Hinweise darauf, wie
recht wird, indem es entsprechende Informationen stark eine Gehirnregion in neuronale energieab-
integriert und koordiniert. Eine wichtige Aufgabe hängige Arbeitsprozesse einbezogen ist.
besteht also darin, sensorische Zuflüsse des Kortex Mittels der PET gelingt es also, neurovaskuläre
mit motorischen Impulsen zu kombinieren, d. h., Phänomene oder spezifische Rezeptorfunktionen
sensorische Informationen sind wesentlich an der mess- und sichtbar zu machen. Da die γ-Strahlung
Steuerung und Modifizierung motorischer Aktivi- in ein 3-D-Aktivitätsbild umgerechnet wird, kön-
tät beteiligt (Reichert, 2000). nen Regionen lokalisiert werden, die in ihrer Ak-
11.3 · Praktische Anleitung zur Progressiven Muskelrelaxation (PMR) nach Jacobson
211 11
tivitätsverteilung von der Umgebung abweichen das Gehirn aufgrund neuronaler Aktivität Energie
(Braus, 2004; Birbaumer & Schmidt, 2003). verbraucht (Braus, 2004; Birbaumer & Schmidt,
2003).

11.2.2 Funktionelle Magnet-


resonanztomografie (fMRT) 11.2.3 Transkranielle
Magnetstimulation (TMS)
Dieses Verfahren zur funktionellen Abbildung und
Charakterisierung von Aspekten wie Hirnmetabo- Das Prinzip der transkraniellen Magnetstimulation
lismus, Konnektivität, Funktionalität und Plastizi- beruht auf einer Reizung des motorischen Kortex
tät des Gehirns leitet sich ab aus der in den 1970er- durch einen kurzen Magnetimpuls. Durch diesen
Jahren entwickelten Kernspintomografie (NMR- Impuls, der über die Schädeldecke erfolgt, werden
Tomografie). Diese beruht auf der Tatsache, dass elektrische Ströme im Kortex induziert, die zu ei-
sich die Magnetachsen von – sich in einem starken ner Erregung der Axone und in der Peripherie zu
Magnetfeld befindenden – Atomen parallel zu den Muskelkontraktionen führen, deren sogenanntes
Feldlinien ausrichten und aufgrund dieser Störung elektrisches Summenpotenzial als motorisch evo-
Hochfrequenzsignale entsendet werden, die über ziertes Potenzial (MEP) abgeleitet werden kann.
Lage und Position des Kerns sowie über andere Das gemessene MEP gibt Auskunft über die moto-
Umweltbedingungen Auskunft geben. rische Schwelle, die Größe des Areals, aus dem die
Bei der funktionellen Kernspintomografie ist Ableitung erfolgt, und die Höhe der Amplitude.
der Fokus wie bei der PET auf hämodynamische Auf dieser Basis kann dann der jeweilige Schwer-
Signale gerichtet, die allerdings aus den verschie- punkt des erregbaren Areals errechnet werden.
denen Zuständen des Hämoglobins und nicht aus Wesentlicher Vorteil dieser Methode ist die
der Verabreichung radioaktiver Substanzen resul- Unabhängigkeit der Messung von der Leistung des
tieren. Durch die in den Gefäßen vorhandene Mi- Probanden. Ein Nachteil besteht darin, dass sub-
schung aus oxygeniertem und desoxygeniertem kortikale Strukturen (z. B. Basalganglien, Thala-
Blut entstehen deutliche Kontraste, die je nach leis- mus) auf diese Weise nicht erfasst werden können
tungsabhängiger Stoffwechselaktivität zu gewissen (Birbaumer & Schmidt, 2003).
erfassbaren Schwankungen führen.
Sobald es zur Neuronenaktivität kommt, stellen
sich zwei wesentliche Änderungen ein, die sich die 11.3 Praktische Anleitung zur
fMRT zunutze macht: Die Neuronen verbrauchen Progressiven Muskelrelaxation
Sauerstoff, d. h., es kommt lokal zu einem Kon- (PMR) nach Jacobson
zentrationsanstieg von desoxygeniertem Hämo-
globin, aber der Blutfluss ist erheblich gesteigert, Im Folgenden soll eine praktische Anleitung zur
sodass die Netto-Desoxyhämoglobinkonzentration Durchführung der Progressiven Muskelrelaxation
sinkt und das Magnetfeld inhomogener wird. Da nach Jacobson vorgestellt werden (nach Hermann
das Desoxyhämoglobin paramagnetisch ist, kann & Eberspächer, 1994).
der Abfall der entsprechenden Konzentration per Unter der Vielzahl der Muskelentspannungs-
Kernspintomographie erfasst und das allerdings techniken sind Formen der fortschreitenden Ent-
sehr schwache Signal millimetergenau lokalisiert spannung (engl.: »progressive relaxation«) am wei-
werden (sog. BOLD-Effekt bzw. Blood Oxygen testen entwickelt und wissenschaftlich am besten
Level-Dependent Contract). fundiert. Sie gehen auf Jacobson zurück, der 1938
Durch den innerhalb weniger Sekunden zu- ein System progressiver Relaxation für die Will-
nehmenden Blutfluss an dieser Stelle und einen kürmuskulatur vorstellte.
Überschuss an oxygeniertem Hämoglobin homo- Das Prinzip der Übungen besteht darin, das
genisiert sich das Magnetfeld wieder, und das Si- Gefühl der Muskelentspannung durch die voraus-
gnal kann verstärkt dort gemessen werden, wo gehende Anspannung einzelner Muskelgruppen zu
212 Kapitel 11 · Grundlagen und Materialien

verstärken und dabei die Übertragung der Ände- 1966 von Wolpe und Lazarus entwickelte Vorge-
rung des Muskeltonus von einer Muskelgruppe hensweise als eine der effektivsten herausgestellt.
auf die nächste auszunutzen. Die schrittweise Ent- Sie ist in der dargestellten Form auch heute noch
spannung einzelner Muskelgruppen führt letztlich eine der gängigsten Methoden. Dabei werden von
zu einer ganzkörperlichen Entspannung. Beginn des Trainings an fünf relativ große Körper-
Die Erfahrungen beim Einsatz der PMR im bereiche sukzessiv angesprochen:
Sport sind positiv. Ob zur Einleitung von Erho- 4 Arme und Hände,
lungs- und Regenerationsprozessen, zur Psycho- 4 Gesicht, Nacken, Schultern und oberer
regulation bei inadäquater Aktivierung vor einem Rücken,
Wettkampf oder zur Unterstützung des Mentalen 4 Brust, Bauch und unterer Rücken,
Trainings: Das Verfahren wird von Sportlern akzep- 4 Lenden, Schenkel, Waden,
tiert und gern eingesetzt. Dies mag vor allem daran 4 der gesamte Körper.
liegen, dass PMR zunächst recht mechanisch wirkt.
Durch die willkürliche, praktische Anspannung ein- Der folgende vierstufige Ablauf muss bei jeder an-
zelner Muskelgruppen haben die Übenden das Ge- gesprochenen Muskelgruppe eingehalten werden:
fühl, aktiv an der Entspannung mitzuarbeiten, also 1. Konzentration auf die jeweilige Muskelgruppe.
einen ähnlichen Prozess zu absolvieren, wie sie ihn 2. Anspannen der Muskelgruppe, Halten der
vom sportlichen Training her kennen. Bestimmte Spannung für 5–7 Sekunden.
Vorstellungsinhalte wie Wärme oder Schwere – wie 3. Spannung lösen.
beispielsweise beim Autogenen Training – werden 4. Empfinden der Entspannung.
nicht benötigt, sodass eventuelle Vorurteile gegen
psychologische Techniken nicht greifen. Wer keinerlei Erfahrung mit Entspannungstechni-
Die ersten Übungseffekte über die Trainings- ken hat, sollte zunächst im Liegen üben und nach
zeit hinaus sind erfahrungsgemäß nach drei bis einigen Einheiten in eine bequeme Sitzposition
sechs 15-minütigen Sitzungen zu verzeichnen. Bei wechseln. Störungen sollten in der Übungszeit
11 täglichem Training werden nach ca. vier Wochen vermieden werden. Möchte man nicht an einem
recht deutliche Effekte bemerkt. Mit größeren zeit- Gruppenkurs teilnehmen, kann man die Instruk-
lichen Abständen (ein- bis zweimal pro Woche tionen entweder von einer CD oder einem ande-
sowie bei Bedarf) sollte dann kontinuierlich wei- ren Tonträger abspielen, oder man übt allein mit
tertrainiert werden. einer geschulten Fachkraft, die den Text mit neu-
Als besonders effektiv hat es sich erwiesen, die traler Stimmlage vorliest (Sonnenschein, 1985).
Übung mit steigendem Fertigkeitsgrad auch unter Im Folgenden wird der Ablauf der PMR ex-
Störbedingungen durchzuführen. Mit zunehmen- emplarisch am Körperbereich Arme und Hände
dem Training kann das Verfahren verkürzt werden, vorgestellt (7 Beispiel 11.1).
indem auf die bewusste Anspannung verzichtet
wird. Durch die mittlerweile erworbene Sensibili- Tipp I I
tät für den Tonus einzelner Muskelgruppen kann Linkshänder beginnen nicht, wie im Beispiel
die Entspannung unmittelbar eingeleitet werden. vorgegeben, mit dem rechten, sondern mit
Um das Verfahren noch weiter zu verkürzen, kön- dem linken Arm (maßgeblich ist immer die
nen nach und nach verschiedene Körperbereiche dominante Seite).
und Muskelgruppen zusammengefasst werden.

Beispiel 11.1: Entspannung der Arme und Hände


11.3.1 Praxis der PMR (ca. 4–5 Minuten)
Setzen/legen Sie sich so bequem wie möglich hin.
Unter den zahlreichen Versuchen, die ursprüngli- Entspannen Sie sich, so gut es geht.
che Form der Progressiven Relaxation zu variieren Nachdem Sie sich entspannt haben, ballen Sie
und ökonomischer zu gestalten, hat sich die bereits die rechte Faust, ballen Sie sie fester und fester, und
11.4 · Fragebogen zur Erfassung der Vorstellungsfähigkeit
213 11
beobachten Sie dabei die Spannung. Halten Sie die Und nun wieder entspannen. Arme wieder be-
Faust geballt, und fühlen Sie die Spannung in der quem hinlegen. Lassen Sie die Entspannung sich
rechten Faust, im Unterarm … weiter ausbreiten. Die Arme fühlen sich angenehm
Und nun entspannen Sie. Lassen Sie die Finger schwer an, während Sie sich entspannen.
der rechten Hand locker werden, und spüren Sie den Noch einmal die Arme strecken und auf die Unter-
Unterschied. Lassen Sie völlig los, und versuchen Sie, lage drücken, sodass Sie die Spannung in den Trizep-
den ganzen Körper zu entspannen. smuskeln fühlen; drücken Sie ganz fest. Fühlen Sie die
Noch einmal: Die rechte Faust ganz fest anspan- Spannung …
nen, sie gespannt halten und die Spannung wieder Und nun entspannen Sie die Arme. Konzentrieren
beobachten … Sie sich auf reine Entspannung in den Armen. Es gibt
Nun lassen Sie los, entspannen Sie sich; Ihre Fin- keinerlei Spannung mehr. Legen Sie die Arme ganz
ger strecken sich wieder, und Sie spüren den Unter- bequem hin, und entspannen Sie weiter und weiter,
schied. weiter und weiter. Selbst wenn Sie glauben, Ihre Arme
Machen Sie das Gleiche mit der linken Faust. Bal- seien nun völlig entspannt, versuchen Sie, noch ein
len Sie die linke Faust, während der restliche Körper wenig weiterzugehen; versuchen Sie, ein immer tiefe-
sich entspannt; ballen Sie die Faust fester, und fühlen res Gefühl der Entspannung zu erreichen.
Sie die Spannung …
Und nun entspannen Sie, genießen Sie wieder
den Unterschied … 11.4 Fragebogen zur Erfassung
Wiederholen Sie noch einmal: Spannen Sie die der Vorstellungsfähigkeit
linke Faust ganz stark an …
Entspannen Sie, und fühlen Sie den Unterschied. Zur Erfassung der Vorstellungsfähigkeit hat sich
Überlassen Sie sich einige Zeit dieser Entspannung … im englischsprachigen Raum der MIQ nach Hall
Ballen Sie beide Fäuste fester und fester, beide (Hall & Pongrac, 1983) durchgesetzt. Eine deut-
Fäuste ganz fest, die Unterarme ganz gespannt, und sche Version des MIQ wurde von Ziemainz et al.
beobachten Sie Ihre Empfindungen … (2003) vorgestellt, die Übersetzung besorgte 1995
Und nun entspannen Sie; strecken Sie die Finger, Hermann Müller.
und fühlen Sie die Entspannung. Fahren Sie fort, die
Hände und Unterarme zu entspannen, entspannen
Sie immer mehr … 11.4.1 MIQ (Deutsch)
Beugen Sie beide Ellbogen, und spannen Sie die
Bizepsmuskeln. Fester und fester spannen und die Liebe Sportlerin, lieber Sportler,
Spannungsgefühle beobachten. für das Ausfüllen dieses Fragebogens benötigst du
Die Arme wieder strecken, entspannen und auf etwa 15–20 Minuten. Wir bitten dich, diesen Fra-
den Unterschied achten. Nun breitet sich die Entspan- gebogen zügig auszufüllen. Die Ergebnisse werden
nung aus … von uns anonym behandelt und nicht an Dritte
Noch einmal: Spannen Sie die Bizepsmuskeln an; weitergegeben.
halten Sie die Spannung, und achten Sie genau auf Dieser Fragebogen befasst sich mit zwei Ar-
Ihre Empfindungen … ten, Bewegungen mental auszuführen, von denen
Strecken Sie die Arme aus, und entspannen Sie; manche Leute mehr als andere Gebrauch machen
entspannen Sie, so gut Sie können … Achten Sie je- und die auch in Abhängigkeit vom Bewegungstyp
des Mal genau auf Ihre Empfindungen, einmal, wenn unterschiedlich gut anwendbar sind. Die erste Auf-
Sie anspannen, und dann, wenn Sie entspannen. gabe betrifft die Bildung eines mentalen (visuellen)
Nun strecken Sie die Arme aus, drücken Sie sie so Eindrucks oder eines »Bildes« der Bewegung. Bei
fest auf die Unterlage, dass Sie eine große Spannung der zweiten Art ist man bestrebt, zu spüren, wie
in den Trizepsmuskeln an der Rückseite der Oberarme sich der Bewegungsvollzug anfühlt, ohne die Be-
spüren; strecken Sie die Arme, und fühlen Sie die wegung tatsächlich auszuführen. In diesem Frage-
Spannung … bogen wird von dir verlangt, diese beiden Vorstel-
214 Kapitel 11 · Grundlagen und Materialien

lungsaufgaben für eine Vielzahl von Bewegungen 4 du versuchst ein möglichst klares und leb-
auszuführen und anschließend zu bewerten, wie haftes Vorstellungsbild von der Bewegung
schwer/leicht dir diese Aufgabe gefallen ist. Deine zu erzeugen, die du gerade ausgeführt hast,
Einschätzungen sollen nicht dazu verwendet wer- oder
den, zu erfassen, wie gut oder wie schlecht du diese 4 du versuchst wirklich zu fühlen, wie du die
mentalen Aufgaben ausgeführt hast. Vielmehr sollst Bewegung ausführst, ohne dies aber tatsäch-
du Auskunft geben über dein Vermögen, diese lich zu tun.
Aufgaben bei verschiedenartigen Bewegungstypen
auszuführen. Es gibt keine Antworten, die »richtig« Nachdem du die mentale Aufgabe beendet hast,
oder »falsch« bzw. besser als andere sind. beurteile bitte die Leichtigkeit bzw. Schwierigkeit,
Jeder der folgenden Abschnitte beschreibt eine mit der du die Aufgabe durchführen konntest.
spezifische Bewegung. Lies jede Beschreibung Orientiere dich in deiner Bewertung an der nach-
sorgfältig, und führe anschließend die Bewegung stehenden Skala (bei jeder Aufgabe jeweils mit
wie beschrieben aus. Führe die Bewegung aber nur angegeben). Sei dabei so genau wie möglich, und
ein einziges Mal aus. nimm dir jedes Mal so lange Zeit, wie du für nötig
Zur Durchführung der mentalen Aufgabe hältst, um zu einer angemessenen Einschätzung zu
nimm dann bitte wieder die Ausgangsposition ein, gelangen. Du kannst dabei jeden Wert für so viele
so, als ob du die Bewegung ein zweites Mal aus- mentale Aufgaben vergeben, wie du willst. Es ist
führen wolltest. Führe nun die dann geforderte nicht erforderlich, dass du das gesamte Spektrum
mentale Aufgabe aus, d. h. entweder der Beurteilungsskala ausnutzt.

11 1. Ausgangsposition: Mentale Aufgabe: Nimm die Ausgangsstel-


Mach eine Faust mit deiner dominanten Hand lung ein (genau wie oben beschrieben). Rufe in
(die Hand, mit der du schreibst), und bringe diese deiner Vorstellung ein möglichst klares und leb-
Hand zur gleichseitigen Schulter (z. B. rechte Hand haftes Vorstellungsbild von der Bewegung hervor,
zur rechten Schulter), sodass dein Ellbogen direkt die du gerade ausgeführt hast. Führe die Bewegung
nach vorne zeigt. aber nicht mehr physisch aus! Bewerte nun die
Aktion: Strecke deinen Arm im Ellbogenge- Leichtigkeit bzw. Schwierigkeit, mit der du diese
lenk, sodass deine Hand die Schulter verlässt und mentale Aufgabe ausführen konntest.
sich nun waagerecht vor dir befindet. Deine Hand
ist weiterhin zur Faust geballt. Führe diese Bewe-
gung langsam aus.

Q Q Q Q Q Q Q

sehr leicht eher weder leicht eher schwierig sehr


leicht vorzustellen leicht noch schwierig vorzustellen schwierig
vorzustellen vorzustellen schwierig vorzustellen vorzustellen
11.4 · Fragebogen zur Erfassung der Vorstellungsfähigkeit
215 11
2. Ausgangsposition: Mentale Aufgabe: Nimm die Ausgangsstel-
Steh aufrecht, geschlossene Fußstellung. Die Arme lung ein. Versuche zu fühlen, wie du die soeben
liegen seitlich am Körper an. vollzogene Bewegung ausführst (ohne dies jetzt
Aktion: Hebe dein rechtes Knie so hoch wie tatsächlich zu tun)! Bewerte nun die Leichtigkeit
möglich, sodass du nun auf dem linken Bein stehst, bzw. Schwierigkeit, mit der du diese mentale Auf-
das rechte Bein im Kniegelenk gebeugt. Nun senke gabe ausführen konntest.
dein rechtes Bein, sodass du dann wieder auf beiden
Füßen stehst. Führe diese Bewegung langsam aus.

Q Q Q Q Q Q Q

sehr leicht eher weder leicht eher schwierig sehr


leicht zu fühlen leicht noch schwierig zu fühlen schwierig
zu fühlen zu fühlen schwierig zu fühlen zu fühlen

3. Ausgangsposition: Mentale Aufgabe: Nimm die Ausgangsstel-


Stehe aufrecht, hüftbreite Fußstellung. Die Arme lung ein (genau wie oben beschrieben). Ruf in dei-
liegen seitlich am Körper an. ner Vorstellung ein möglichst klares und lebhaftes
Aktion: Gehe tief in die Hocke, und springe Vorstellungsbild von der Bewegung hervor, die du
dann so hoch wie möglich gerade nach oben, gerade ausgeführt hast. Bewerte nun die Leichtig-
die Arme über den Kopf nach oben ausgestreckt. keit bzw. Schwierigkeit, mit der du diese mentale
Lande in hüftbreiter Fußstellung und senke die Aufgabe ausführen konntest.
Arme wieder an deine Seiten.

Q Q Q Q Q Q Q

sehr leicht eher weder leicht eher schwierig sehr


leicht vorzustellen leicht noch schwierig vorzustellen schwierig
vorzustellen vorzustellen schwierig vorzustellen vorzustellen

4. Ausgangsposition: Mentale Aufgabe: Nimm die Ausgangsstel-


Stehe aufrecht, hüftbreite Fußstellung. Die Arme lung ein. Versuche in deiner Vorstellung zu fühlen,
liegen seitlich am Körper an. wie du die Bewegung ausführst (ohne dass du
Aktion: Spring hoch und dreh dich in der die Bewegung tatsächlich physisch ausführst)! Be-
Luft links herum, sodass du wieder genau in der werte nun die Leichtigkeit bzw. Schwierigkeit, mit
Ausgangsstellung landest, d. h., du vollführst eine der du diese mentale Aufgabe ausführen konntest.
Linksdrehung um 360°.

Q Q Q Q Q Q Q

sehr leicht eher weder leicht eher schwierig sehr


leicht zu fühlen leicht noch schwierig zu fühlen schwierig
zu fühlen zu fühlen schwierig zu fühlen zu fühlen
216 Kapitel 11 · Grundlagen und Materialien

5. Ausgangsposition: Mentale Aufgabe: Nimm die Ausgangsstel-


Strecke den Arm deiner nicht dominanten Hand lung ein (genau wie oben beschrieben). Rufe in
waagerecht zur Seite aus, die Handfläche nach deiner Vorstellung ein möglichst klares und leb-
unten. haftes Vorstellungsbild von der Bewegung hervor,
Aktion: Bewege den Arm vorwärts, bis er sich die du gerade ausgeführt hast. Bewerte nun die
direkt vor dir befindet (dabei immer noch waa- Leichtigkeit bzw. Schwierigkeit, mit der du diese
gerecht). Lass deinen Arm während der gesam- mentale Aufgabe ausführen konntest.
ten Bewegung gestreckt, und führe die Bewegung
langsam aus.

Q Q Q Q Q Q Q

sehr leicht eher weder leicht eher schwierig sehr


leicht vorzustellen leicht noch schwierig vorzustellen schwierig
vorzustellen vorzustellen schwierig vorzustellen vorzustellen

6. Ausgangsposition: Mentale Aufgabe: Nimm die Ausgangsstel-


Stehe aufrecht, die Hände liegen seitlich am Körper lung ein. Versuche in deiner Vorstellung zu fühlen,
an. wie du die Bewegung ausführst (ohne dass du
Aktion: Hebe das gestreckte linke Bein so hoch die Bewegung tatsächlich physisch ausführst)! Be-
wie möglich (du darfst das linke Knie nicht beugen). werte nun die Leichtigkeit bzw. Schwierigkeit, mit
Lass auch das Standbein (rechtes Bein) gestreckt. der du diese mentale Aufgabe ausführen konntest.
Senke nun das linke Bein, bis du wieder auf beiden
Beinen stehst. Führe diese Bewegung langsam aus.
11
Q Q Q Q Q Q Q

sehr leicht eher weder leicht eher schwierig sehr


leicht zu fühlen leicht noch schwierig zu fühlen schwierig
zu fühlen zu fühlen schwierig zu fühlen zu fühlen

7. Ausgangsposition: Mentale Aufgabe: Nimm wieder die Aus-


Stehe aufrecht, hüftbreite Fußstellung. Die Arme gangsstellung ein (genau wie oben beschrieben).
sind vollständig über dem Kopf ausgestreckt. Rufe in deiner Vorstellung ein möglichst klares
Aktion: Beuge dich langsam im Hüftgelenk und lebhaftes Vorstellungsbild von der Bewegung
nach vorne ab und versuche, mit den Fingerspit- hervor, die du gerade ausgeführt hast. Bewerte
zen deine Zehen zu berühren (oder, falls möglich, nun die Leichtigkeit bzw. Schwierigkeit, mit der du
den Boden). Kehre nun in die Ausgangsposition diese mentale Aufgabe ausführen konntest.
zurück, d. h. aufrechter Stand mit über dem Kopf
emporgestreckten Armen.

Q Q Q Q Q Q Q

sehr leicht eher weder leicht eher schwierig sehr


leicht vorzustellen leicht noch schwierig vorzustellen schwierig
vorzustellen vorzustellen schwierig vorzustellen vorzustellen
11.4 · Fragebogen zur Erfassung der Vorstellungsfähigkeit
217 11
8. Ausgangsposition: Mentale Aufgabe: Nimm die Ausgangsstel-
Mach eine Faust mit deiner nicht dominanten lung ein. Versuche in deiner Vorstellung zu fühlen,
Hand. Streck deinen Arm mit geballter Faust über wie du die Bewegung ausführst (ohne dass du
dem Kopf. Lass den anderen Arm an deiner Seite. die Bewegung tatsächlich physisch ausführst)! Be-
Aktion: Schwinge den emporgestreckten Arm so werte nun die Leichtigkeit bzw. Schwierigkeit, mit
schnell wie möglich abwärts, sodass auch er seit- der du diese mentale Aufgabe ausführen konntest.
lich am Körper anliegt. Lass während der Bewe-
gung den Arm gestreckt und die Faust geballt.

Q Q Q Q Q Q Q

sehr leicht eher weder leicht eher schwierig sehr


leicht zu fühlen leicht noch schwierig zu fühlen schwierig
zu fühlen zu fühlen schwierig zu fühlen zu fühlen

9. Ausgangsposition: Mentale Aufgabe: Nimm die Ausgangsstel-


Stell dich vor die Gymnastikmatte, geschlossene lung ein. Versuche in deiner Vorstellung zu fühlen,
Fußstellung. Die Arme liegen seitlich am Körper an. wie du die Bewegung ausführst (ohne dass du
Aktion: Führe eine Rolle vorwärts auf der die Bewegung tatsächlich physisch ausführst)! Be-
Matte aus (du darfst dabei die Hände benutzen) werte nun die Leichtigkeit bzw. Schwierigkeit, mit
und beende die Bewegung dann wieder in einer der du diese mentale Aufgabe ausführen konntest.
stehenden Position.

Q Q Q Q Q Q Q

sehr leicht eher weder leicht eher schwierig sehr


leicht zu fühlen leicht noch schwierig zu fühlen schwierig
zu fühlen zu fühlen schwierig zu fühlen zu fühlen

10. Ausgangsposition: ausgestreckt befindet. Die Hand ist weiterhin zur


Mach eine Faust mit deiner dominanten Hand Faust geballt. Führe die Bewegung langsam aus.
(die Hand, mit der Du schreibst) und bringe diese Mentale Aufgabe: Nimm die Ausgangsstel-
Hand zur gleichseitigen Schulter (z. B. rechte Hand lung ein. Versuche in deiner Vorstellung zu fühlen,
auf rechte Schulter), sodass dein Ellbogen gerade- wie du die Bewegung ausführst (ohne dass du
wegs von dir wegzeigt. die Bewegung tatsächlich physisch ausführst)! Be-
Aktion: Strecke deinen Arm im Ellbogen- werte nun die Leichtigkeit bzw. Schwierigkeit, mit
gelenk, sodass deine Hand die Schulter verlässt der du diese mentale Aufgabe ausführen konntest.
und sich nun gerade, parallel zum Boden, vor dir

Q Q Q Q Q Q Q

sehr leicht eher weder leicht eher schwierig sehr


leicht zu fühlen leicht noch schwierig zu fühlen schwierig
zu fühlen zu fühlen schwierig zu fühlen zu fühlen
218 Kapitel 11 · Grundlagen und Materialien

11. Ausgangsposition: Mentale Aufgabe: Nimm wieder die Aus-


Stehe aufrecht, geschlossene Fußstellung. Die Arme gangsstellung ein (genau wie oben beschrieben).
liegen seitlich am Körper an. Rufe dir in deiner Vorstellung ein möglichst klares
Aktion: Hebe dein rechtes Knie so hoch wie und lebhaftes Vorstellungsbild von der Bewegung
möglich, sodass du nun auf dem linken Bein hervor, die du gerade ausgeführt hast. Bewerte
stehst, das rechte Bein im Kniegelenk gebeugt. nun die Leichtigkeit bzw. Schwierigkeit, mit der du
Nun senke dein rechtes Bein, sodass Du dann diese mentale Aufgabe ausführen konntest.
wieder auf beiden Füßen stehst. Führe diese Be-
wegung langsam aus.

Q Q Q Q Q Q Q

sehr leicht eher weder leicht eher schwierig sehr


leicht vorzustellen leicht noch schwierig vorzustellen schwierig
vorzustellen vorzustellen schwierig vorzustellen vorzustellen

12. Ausgangsposition: Mentale Aufgabe: Nimm die Ausgangsstel-


Stehe aufrecht, hüftbreite Fußstellung. Die Arme lung ein. Versuche in deiner Vorstellung zu fühlen,
liegen seitlich am Körper an. wie du die Bewegung ausführst (ohne dass du
Aktion: Gehe tief in die Hocke und springe die Bewegung tatsächlich physisch ausführst)! Be-
dann so hoch wie möglich gerade nach oben, werte nun die Leichtigkeit bzw. Schwierigkeit, mit
die Arme über den Kopf nach oben ausgestreckt. der du diese mentale Aufgabe ausführen konntest.
Lande mit hüftbreiter Fußstellung, und senke die
11 Arme wieder an deine Seiten.

Q Q Q Q Q Q Q

sehr leicht eher weder leicht eher schwierig sehr


leicht zu fühlen leicht noch schwierig zu fühlen schwierig
zu fühlen zu fühlen schwierig zu fühlen zu fühlen

13. Ausgangsposition: Mentale Aufgabe: Nimm wieder die Aus-


Stehe aufrecht, die Füße sind leicht geöffnet. Die gangsstellung ein (genau wie oben beschrieben).
Arme liegen seitlich am Körper an. Rufe in deiner Vorstellung ein möglichst klares
Aktion: Spring hoch und dreh dich in der und lebhaftes Vorstellungsbild von der Bewegung
Luft links herum, sodass du wieder genau in der hervor, die du gerade ausgeführt hast. Bewerte
Ausgangsstellung landest, d. h., du vollführst eine nun die Leichtigkeit bzw. Schwierigkeit, mit der du
vollständige Linksdrehung um 360°. diese mentale Aufgabe ausführen konntest.

Q Q Q Q Q Q Q

sehr leicht eher weder leicht eher schwierig sehr


leicht vorzustellen leicht noch schwierig vorzustellen schwierig
vorzustellen vorzustellen schwierig vorzustellen vorzustellen
11.4 · Fragebogen zur Erfassung der Vorstellungsfähigkeit
219 11
14. Ausgangsposition: Mentale Aufgabe: Nimm die Ausgangsstel-
Strecke den Arm deiner nicht dominanten Hand lung ein. Versuche in deiner Vorstellung zu fühlen,
waagerecht zur Seite aus, die Handfläche zeigt wie du die Bewegung ausführst (ohne dass du
nach unten. die Bewegung tatsächlich physisch ausführst)! Be-
Aktion: Bewege den Arm vorwärts, bis er sich werte nun die Leichtigkeit bzw. Schwierigkeit, mit
direkt vor dir befindet (immer noch waagerecht). der du diese mentale Aufgabe ausführen konntest.
Lass deinen Arm während der gesamten Bewegung
gestreckt, und führe die Bewegung langsam aus.

Q Q Q Q Q Q Q

sehr leicht eher weder leicht eher schwierig sehr


leicht zu fühlen leicht noch schwierig zu fühlen schwierig
zu fühlen zu fühlen schwierig zu fühlen zu fühlen

15. Ausgangsposition: Mentale Aufgabe: Nimm wieder die Aus-


Stehe aufrecht, die Hände liegen seitlich am Kör- gangsstellung ein (genau wie oben beschrieben).
per an. Rufe in deiner Vorstellung ein möglichst klares
Aktion: Hebe das gestreckte linke Bein so hoch und lebhaftes Vorstellungsbild von der Bewegung
wie möglich (du darfst das linke Knie nicht beugen). hervor, die du gerade ausgeführt hast. Bewerte
Lass auch das Standbein (rechtes Bein) gestreckt. nun die Leichtigkeit bzw. Schwierigkeit, mit der du
Senke nun das linke Bein, bis du wieder auf beiden diese mentale Aufgabe ausführen konntest.
Beinen stehst. Führe diese Bewegung langsam aus.

Q Q Q Q Q Q Q

sehr leicht eher weder leicht eher schwierig sehr


leicht vorzustellen leicht noch schwierig vorzustellen schwierig
vorzustellen vorzustellen schwierig vorzustellen vorzustellen

16. Ausgangsposition: Mentale Aufgabe: Nimm die Ausgangsstel-


Stehe aufrecht, hüftbreite Fußstellung. Die Arme lung ein. Versuche in deiner Vorstellung zu fühlen,
sind vollständig über dem Kopf ausgestreckt. wie du die Bewegung ausführst (ohne dass du
Aktion: Beuge dich langsam im Hüftgelenk die Bewegung tatsächlich physisch ausführst)! Be-
nach vorne ab und versuche, mit den Fingerspit- werte nun die Leichtigkeit bzw. Schwierigkeit, mit
zen deine Zehen zu berühren (oder, falls möglich, der du diese mentale Aufgabe ausführen konntest.
den Boden). Kehre nun in die Ausgangsposition
zurück, d. h. aufrechter Stand mit über dem Kopf
emporgestreckten Armen.

Q Q Q Q Q Q Q

sehr leicht eher weder leicht eher schwierig sehr


leicht zu fühlen leicht noch schwierig zu fühlen schwierig
zu fühlen zu fühlen schwierig zu fühlen zu fühlen
220 Kapitel 11 · Grundlagen und Materialien

17. Ausgangsposition: Mentale Aufgabe: Nimm wieder die Aus-


Mach eine Faust mit deiner nicht dominanten gangsstellung ein (genau wie oben beschrieben).
Hand. Strecke deinen Arm mit geballter Faust über Ruf in deiner Vorstellung ein möglichst klares
dem Kopf. Lass den anderen Arm an deiner Seite. und lebhaftes Vorstellungsbild von der Bewegung
Aktion: Schwinge den emporgereckten Arm hervor, die du gerade ausgeführt hast. Bewerte
so schnell wie möglich abwärts, sodass auch er nun die Leichtigkeit bzw. Schwierigkeit, mit der du
seitlich am Körper anliegt. Lass während der Be- diese mentale Aufgabe ausführen konntest.
wegung den Arm gestreckt und die Faust geballt.

Q Q Q Q Q Q Q

sehr leicht eher weder leicht eher schwierig sehr


leicht vorzustellen leicht noch schwierig vorzustellen schwierig
vorzustellen vorzustellen schwierig vorzustellen vorzustellen

18. Ausgangsposition: Mentale Aufgabe: Nimm wieder die Aus-


Stelle dich vor die Gymnastikmatte, geschlossene gangsstellung ein (genau wie oben beschrieben).
Fußstellung. Die Hände liegen seitlich am Körper Rufe in deiner Vorstellung ein möglichst klares
an. und lebhaftes Vorstellungsbild von der Bewegung
Aktion: Führe eine Rolle vorwärts auf der hervor, die du gerade ausgeführt hast. Bewerte
Matte aus (du darfst dabei die Hände benutzen), nun die Leichtigkeit bzw. Schwierigkeit, mit der du
und beende die Bewegung dann wieder in einer diese mentale Aufgabe ausführen konntest.
stehenden Position.

11
Q Q Q Q Q Q Q

sehr leicht eher weder leicht eher schwierig sehr


leicht vorzustellen leicht noch schwierig vorzustellen schwierig
vorzustellen vorzustellen schwierig vorzustellen vorzustellen

Vielen Dank für deine Mitarbeit! 4 bildliche Vorstellung (Items 1, 3, 5, 7, 11, 13,
15, 17, 18) und
Auswertung des Fragebogens 4 kinästhetische Vorstellung (Items 2, 4, 6, 8, 9,
Den Antwortgaben werden folgende numerische 10, 12, 14, 16).
Werte zugeordnet:
4 sehr leicht vorzustellen – 7 Dabei ergeben sich für die beiden Skalen Wer-
4 leicht vorzustellen – 6 tebereiche zwischen 63 (sehr gute bildliche bzw.
4 eher leicht vorzustellen – 5 kinästhetische Bewegungsvorstellungsfähigkeit)
4 weder leicht noch schwierig – 4 und 9 (sehr schlechte bildliche bzw. kinästhetische
4 eher schwierig vorzustellen – 3 Bewegungsvorstellungsfähigkeit).
4 schwierig vorzustellen – 2 Nähere Angaben zu den Gütekriterien des
4 sehr schwierig vorzustellen – 1 MIQ finden sich bei Hall & Martin (1997), Atienza
et al. (1994), Morris et al. (2005) und Monsma et
Durch Addieren der den Antwortvorgaben zuge- al. (2009).
ordneten numerischen Werte entsteht ein Score
für die beiden Skalen
Anhang

Literatur – 223

Quellenverzeichnis – 241

Stichwortverzeichnis – 245

J. Mayer, H.-D. Hermann, Mentales Training, DOI 10.1007/978-3-662-46819-7,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
Literatur

J. Mayer, H.-D. Hermann, Mentales Training, DOI 10.1007/978-3-662-46819-7,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
224 Literatur

Abend, M.G. (2005). Leben heißt Loslassen. Alles, was wir Beilock, S., Alfremow, J., Rabe, A. & Carr, T. (2001). ‘Don’t miss!’
festhalten, hält auch uns fest. Petersberg: Via Nova. The debilitating effects of suppressive imagery on golf
Adams, J.A. (1971). A closed-loop theory of motor learning. putting performance. Journal of Sport and Exercise
Journal of Motor Behavior, 3, 111–150. Psychology, 23, 200–221.
Adler, R.H. (1996). Rehabilitation aus biopsychosozialer Sicht. Bell, K.F. (1983). Championship thinking: The athlete’s guide
In R.H. Adler, J.M. Herrmann, K. Köhle, O.W. Schonecke, to winning performance in all sports. Englewood Cliffs,
T. von Uexküll & W. Wesiack (Hrsg.), Psychosomatische NJ: Prentice-Hall.
Medizin (S. 483–489). München: Urban & Schwarzenberg. Bell, R.J. (2006). ‘Pick it up, it’s good’: Utilizing solution-
Antonovsky, A. (1997). Salutogenese: Zur Entmystifizierung focused guided imagery with golfers experiencing the
der Gesundheit. Tübingen: DGVT. yips. a single-subject research design. Dissertation Abs-
Arora, S., Aggarwal, R., Sevdalis, N., Moran, A., Sirimanna, tracts International, 67 (4-A), 1266.
P., Kneebone, R. & Darzi, A., (2010). Development and Bell, R.J. & Thompson, C.L. (2007). Solution-focused guided
validation of mental practice as a training strategy for imagery for a golfer experiencing the yips: a case study.
laparoscopic surgery, Surgical Endoscopy and other Athletic Insight, 9 (1), 52–66.
Interventional Techniques, 24, 179–187. Berg, van den, F. (2003). Angewandte Physiologie, Bd. 1.
Arora, S., Aggarwal, R., Sirimanna, P., Moran, A., Grantcharov, Stuttgart: Thieme.
T., Kneebone, R., Sevdalis, N. & Darzi, A. (2011). Mental Berlit, P. (Hrsg.). (2005). Klinische Neurologie (2. Aufl.). Berlin,
practice enhances surgical technical skills: A randomized Heidelberg, New York: Springer.
controlled study. Annals of Surgery, 253(2), 265–70. Bernardi, N.F., De Buglio, M., Trimarchi, P.D., Chielli, A. &
Arora, S., Aggarwal, R., Moran, A., Sirimanna, P., Crochet, P., Bricolo, E. (2013). Mental practice promotes motor
Darzi, A., Kneebone, R. & Sevdalis, N. (2011). Mental anticipation: Evidence from skilled music performance.
practice: Effective stress management training for novice Frontiers in Human Neuroscience, 7, 451.
surgeons. Journal of the American College of Surgeons Bernier, M. & Fournier, J.F. (2010). Functions of mental
2011; 212: 225–233. imagery in expert golfers. Psychology of Sport and
Atienza, F., Balaguer, I. & Garcia-Merita, M. (1998). Video mo- Exercise, 11, 444–452.
deling and imagery training on performance of tennis Berthoz, A. (1996). The role of inhibition in the hierarchical
service of 9- to 12-year-old children. Perceptual and gating of executed and imagined movements. Cognitive
Motor Skills, 87, 519–529. Brain Research, 3, 101–113.
Avikainen, S., Forss, N. & Hari, R. (2002). Modulated activation Bertollo, M., Saltarelli, B. & Robazza, C. (2009). Mental prepara-
of the human SI and SII cortices during observation of tion strategies of elite modern pentathletes. Psychology
hand actions. Neuroimage, 15, 640–646. of Sport and Exercise, 10, 244–254.
Bakker, F.C., Boschker, M.S.J. & Chung, T. (1996). Changes in Bhambri, E., Dhillon, P. & Sahni, S. (2005). Effect of psychologi-
muscular activity while imagining weight lifting using cal interventions in enhancing mental toughness dimen-
stimulus or response propositions. Journal of Sport and sions of sports persons. Journal of the Indian Academy of
Exercise Psychology, 18 (3), 313–324. Applied Psychology, 31, 63–68.
Balgo, R. (1998). Bewegung und Wahrnehmung als System. Birbaumer, N. & Schmidt, R.F. (2003). Biologische Psychologie
Schorndorf: Hofmann. (5. Aufl.). Berlin, Heidelberg, New York: Springer.
Bandura, A. (1977). Self-efficacy: Toward a unifying theory of Bird, E.I. (1984). EMG quantification of mental rehearsal.
behavioral change. Psychological Review, 84, 191–215. Perceptual and Motor Skills, 59, 899–906.
Bar-Eli, M. & Blumenstein, B. (2004). Performance enhancement Blair, A., Hall, C. & Leyshon, G. (1993). Imagery effects on the
in swimming: the effect of mental training with biofeed- performance of skilled and novice soccer players. Journal
back. Journal of Science and Medicine in Sport, 7, 454–464. of Sports Sciences, 11, 95–101.
Bar-Eli, M., Dreshman, R., Blumenstein, B. & Weinstein, Y. Blickhan, R. (2001). Motorische Systeme bei Vertebraten. In
(2002). The effect of mental training with biofeedback on J. Dudel, R. Menzel & R.F. Schmidt (Hrsg.), Neurowissen-
the performance of young swimmers. Applied Psycho- schaft – Vom Molekül zur Kognition (S. 191–213). Berlin,
logy: An International Review, 51, 567–581. Heidelberg, New York: Springer.
Bauer, J. (2006). Warum ich fühle, was du fühlst. München: Blumentritt, S. (1997). Ganganalyse in der Orthopädie. In
Heyne. Hans-Ruland-Stiftung für Rehabilitationsforschung
Beauchamp, P.H. (1999). Peak putting performance : psycho- (Hrsg.), Die Ganganalyse in der interdisziplinären Rehabi-
logical skills and strategies utilized by PGA tour golfers. litation (S. 72–91). Bad Herrenalb: Hans-Ruland-Stiftung
In M.R. Farally & A.J. Cochran (Eds.), Science and golf: für Rehabilitationsforschung.
III. Proceedings of the World Scientific Congress of Golf. Borgstein, J. & Grootendorst, C. (2002). Half a brain. The
Champaign, IL: Human Kinetics, 181–189. Lancet, 359, 473.
Beckers, D. & Deckers, J. (1997). Ganganalyse und Gangschu- Bortz, J. & Döring, N. (1995). Forschungsmethoden und Evalu-
lung. Berlin, Heidelberg, New York: Springer. ation. Berlin, Heidelberg, New York: Springer.
Beecher, H.K. (1955). The powerful placebo. Journal of the Braun, S., Kleynen, M., Schols, J., Schack, T., Beurskens, A.
American Medical Association, 159, 1602–1606. & Wade, D. (2008). Using mental practice in stroke
225
Literatur

rehabilitation: a framework. Clinical Rehabilitation, Callow, N. & Waters, A. (2005). The effect of kinesthetic
22, 579–591. imagery on the sport confidence of flat-race horse jo-
Braun, S.M., Beurskens, A.J., Brom, P.J., Schaack, T. & Wade, D.T. ckeys [Elektronische Version]. Psychology of Sport and
(2006). The effects of mental practice in stroke rehabilita- Exercise, 6, 443–459.
tion: a systematic review. Archives of Physical Medicine Callow, N., Roberts, R., Hardy, L., Jiang, D., & Edwards, M.G.
and Rehabilitation, 87, 842–852. (2013). Performance improvements from imagery: Evi-
Braun, S.M., Beurskens, A.J., Kleynen, M., Schols J.M. & Wade, dence that internal visual imagery is superior to external
D.T. (2011). Rehabilitation with mental practice has simi- visual imagery for slalom performance. Frontiers in
lar effects on mobility as rehabilitation with relaxation Human Neuroscience, 7, 697.
in people with Parkinson's disease: A multicentre rando- Calmels, C. & Fournier, J.F. (2001). Duration of physical and
mised trial. Journal of Physiotherapy, 57, 27–34. mental execution of gymnastic routines. The Sport
Braun, S., Kleynen, M., van Heel, T., Kruithof, N., Wade, D., Psychologist, 15, 142–150.
& Beurskens, A. (2013). The effects of mental practice in Candia, V., Wienbruch, C., Elbert, T., Rockstroh, B. & Ray, W.
neurological rehabilitation: A systematic review (2003). Effective behavioral treatment of focal hand dys-
and meta-analysis. Frontiers in Human Neuroscience, tonia in musicians alters somatosensory cortical organi-
7, 390. zation. Proceedings of the National Academy of Sciences
Braus, D.F. (2004). EinBlick ins Gehirn: Moderne Bildgebung in of the United States of America, 100, 7942–7946.
der Psychiatrie. Stuttgart, New York: Thieme. Cerritelli, B., Maruff, P., Wilson, P. & Currie, J. (2000). The effect
Brewer, B.W., Lindner, D.E. & Phelps, C.M. (1995). Situational of an external load on the force and timing components
correlates of emotional adjustment to athletic injury. of mentally represented actions. Behavioral Brain Re-
Clinical Journal of Sport Medicine, 5, 241–245. search, 108, 91–96.
Brewer, B.W., van Raalte, J.L. & Lindner, D.E. (1991). Role of the Cha, Y.J., Yoo, E.Y., Jung, M.Y., Park, S.H. & Park, J.H.(2012).
sport psychologist in treating injured athletes: A survey Effects of functional task training with mental practice in
of sports medicine providers. Journal of Applied Sport stroke: A meta analysis. Neurorehabilitation 30, 239–246.
Psychology, 3, 183–190. Cho, H.Y., Kim, J.S. & Lee, G. C. (2013). Effects of motor
Bronner, O. (1992). Die untere Extremität. München: Pflaum. imagery training on balance and gait abilities in post-
Brooks, R.W. (1995). Mental practice and the musician: A stroke patients: A randomized controlled trial. Clinical
practical approach to practice. Update: Applications of Rehabilitation, 27, 675–680.
Research in Music Education, 13, 4–8. Christakou, A., Zervas, Y. & Lavallee, D. (2007). The adjunc-
Brouziyne, M. & Molinaro, C. (2005). Mental imagery com- tive role of imagery on the functional rehabilitation of
bined with physical practice of approach shots for golf grade II ankle sprain. Human Movement Science, 26,
beginners. Perceptual and Motor Skills, 101, 203–211. 141–154.
Bruckner, J. (1988). People walking: Pathological patterns and Classen, J., Liepert, J., Wise, S.P., Hallett, M. & Cohen, L.G.
normal changes over the life span. Thorofare: Slack. (1998). Rapid plasticity of human cortical movement
Brück, W. (2002). Pathologie und Pathophysiologie. In representation induced by practice. Journal of Neuro-
M. Schmidt & F. Hoffmann (Hrsg.). Multiple Sklerose physiology, 79, 1117–1123.
(S. 26–34). München: Urban & Fischer. Cluitmans, J. & Pons, C. (1997). Vorwort. In D. Beckers & J.
Brückner, J.-P. & Wegner, M. (2001). Zur Leistungsstruktur der Deckers, Ganganalyse und Gangschulung. Berlin, Heidel-
Deutschen Triathlonmeisterschaften der Jugend und berg, New York: Springer.
Junioren 2000. Leistungssport, 31, 34–41. Cocks, M., Moulton, C.-A., Luu, S. & Cil, T. (2014). What sur-
Bussmann, G. & Alfermann, D. (1990). Aufhören oder weiter- geons can learn from athletes: Mental practice in sports
machen? Sportpsychologie, 4, 20–26. and surgery. Journal of Surgical Education, 71, 262–269.
Caeyenberghs, K., Tsoupas, J., Wilson, P.H. & Smitts-Engels- Coffman, D.D. (1990). Effects of mental practice, physical
man, B.C.M. (2009). Motor imagery development in practice, and knowledge of results on piano performance.
primary school children. Developmental Neuropsycho- Journal of Research in Music Education, 38, 187–196.
logy, 34 (1), 103–121. Cogan, K. & Petrie, T. (1995). Sport consultation: an evaluation
Calabrese, P., Messonnier, L., Bijaoui, E., Eberhard, A. & Ben- of a season-long intervention with female collegiate
chetrit, G. (2004). Cardioventilatory changes induced by gymnasts. The Sport Psychologist, 9, 282–296.
mentally imaged rowing. European Journal of Applied Cohn, P.J. (1991). An exploratory study on peak performance
Physiology, 91, 160–166. in golf. The Sport Psychologist, 5, 1–14.
Callow, N. & Hardy, L. (1997). Kinesthetic imagery and its Cooke, L., Munroe-Chandler, K., Hall, C., Tobin, D. & Guerrero,
interaction with visual imagery perspectives during the M. (2014). Development of the children’s active play
acquisition of a short gymnastic sequence. Journal of imagery questionnaire. Journal of Sports Sciences, 32,
Sports Sciences, 15, 75. 860–869.
Callow, N., Roberts, R. (2010). Imagery research: An investi- Corbin, C.B. (1972). Mental practice. In W.P. Morgan (Hrsg.),
gation of three issues. Psychology of Sport and Exercise, Ergogenic aids and muscular performance. New York:
11, 325–329. Academic Press.
226 Literatur

Coué, E. (1993). Die Selbtbemeisterung durch bewußte Auto- Debrunner, A.M. (1994). Orthopädie, orthopädische Chirurgie:
suggestion. Basel: Schwabe & Co. die Störungen des Bewegungsapparates in Klinik und
Crosbie, J.H., McDonough, S.M., Gilmore, D.H. & Wiggam, Praxis. Bern: Huber.
M.I. (2004). The adjunctive role of mental practice in the Decety, J. & Boisson, D. (1990). Effect of brain and spinal cord
rehabilitation of the upper limb after hemiplegic stroke. injuries on motor imagery. European Archives in Psychia-
Clinical Rehabilitation, 18, 60–68. try and Clinical Neuroscience, 240, 39–43.
Crossman, J. & Jamieson, J. (1985). Differences in perception Decety, J. & Jeannerod, M. (1996). Mentally simulated mo-
of seriousness and disrupting effects of athletic injury vements in virtual reality: Does Fitt`s law hold in motor
as viewed by athletes and their trainer. Perceptual and imagery? Behavioral Brain Research, 72, 127–134.
Motor Skills, 61, 1131–1134. Decety, J., Jeannerod, M., Germain, M. & Pastene, J. (1991).
Csikszentmihalyi, M. (1991). Flow. The psychology of optimal Vegetative response during imagined movement is
experience. SOS Free Stock. proportional to mental effort. Behavioral Brain Research,
Cumming, J., Hall, C. & Shambrook, C. (2004). The influ- 42, 1–5.
ence of an imagery workshop on athletes’ use of Decety, J., Jeannerod, M. & Prablanc, C. (1989). The timing of
imagery. Athletic Insight: Online Journal of Sport mentally represented actions. Behavioral Brain Research,
Psychology, 6, 1. 34, 35–42.
Cumming, J., Nordin, S., Horton, R. & Reynolds, S. (2006). Decety, J. & Michel, F. (1989). Comparative analysis of actual
Examining the direction of imagery and self-talk on dart and mental movement times in two graphic tasks. Brain
throwing performance and self efficacy. The Sport Psy- and Cognition, 11, 87–97.
chologist, 20, 257–274. Deconinck, F.J.A., Spitaels, L., Fias, W. & Lenoir, M. (2009). Is
Cumming, J. & Ste-Marie, D. (2001). The cognitive and moti- developmental coordination disorder a motor imagery
vational effects of imagery training: a matter of perspec- deficit? Journal of clinical and experimental neuropsy-
tive. The Sport Psychologist, 15, 276–288. chology, 31 (6), 720–730.
Cunnington, R., Egan, G.F., O’Sullivan, J.D., Hughes, A.J., DeFrancesco, C. & Burke, K. (1997). Performance enhance-
Bradshaw, J.L. & Colebatch, J.G. (2001). Motor imagery ment strategies used in a professional tennis tourna-
in Parkinson’s disease. Movement Disorders, 16, ment. International Journal of Sport Psychology, 28,
849–857. 185–195.
Cupal, D.D. & Brewer, B.W. (2001). Effects of relaxation and Deschaumes-Molinaro, C., Dittmar, A. & Vernet-Maury, E (1991).
guided imagery on knee strength, reinjury anxiety, and Relationship between mental imagery and sporting per-
pain following anterior cruciate ligament reconstruction. formance. Behavioural Brain Research, 45, 29–36.
Rehabilitation Psychology, 46, 28–43. Devonport, T. J. (2006). Perceptions of the contribution of
Daly, J.M., Brewer, B.W., Van Raalte, J.L., Petitpas, A.J. & Sklar, psychology to succeed in elite kickboxing. Journal of
J.H. (1995). Cognitive appraisal, emotional adjustment Sport Science and Medicine, CSSI, 99–107.
and adherence to rehabilitation following knee surgery. Di Monaco, M., Lero, F., Di Monaco, R., Mautino, F. & Cavanna,
Journal of Sport Rehabilitation, 4, 22–30. A. (2003). Functional recovery after concomitant fractu-
Daugs, R. (1994). Motorische Kontrolle als Informationsver- res of both hip and upper limb in elderly people. Journal
arbeitung: Vom Auf- und Niedergang eines Paradigmas. of Rehabilitation Medicine, 35, 195–197.
In P. Blaser, K. Witte & C. Stucke (Hrsg.), Steuer- und Dickstein R. & Deutsch J.E. (2007). Motor imagery in physical
Regelvorgänge der menschlichen Motorik (S. 13–37). St. therapist practice. Physical Therapy, 87, 942–953.
Augustin: Academia. Dickstein, R., Dunsky, A. & Marcovitz, E. (2004). Motor imagery
Daugs, R. & Blischke, K. (1996). Sportliche Bewegung zwi- for gait rehabilitation in post-stroke hemiparesis. Physical
schen Kognition und Motorik. In R. Daugs, K. Blischke, Therapy, 84, 1167–1177.
F. Marschall & H. Müller (Hrsg.), Kognition und Motorik Die Zeit. Einschnitte ins Leben. Verfügbar unter: www.zeit.
(S. 13–35). Hamburg: Czwalina. de/1999/28/199928.hirnamputiert_.xml [19.07.2010].
De Vries, S. & Mulder, T. (2007) Motor imagery and stroke re- Diener, H.-C., Hacke, W. & Forsting, M. (2004). Der Schlaganfall.
habilitation: A critical discussion. Journal of Rehabiltation Stuttgart: Thieme.
Medicine 39, 5–13 Dijkerman, H.C., Letswaart, M., Johnston, M. & MacWalter,
De Vries, S., Tepper, M., Otten, B. & Mulder, Th. (2011). Reco- R.S. (2004). Does motor imagery training improve hand
very of motor imagery ability in stroke patients. Rehabili- function in chronic stroke patients? Clinical Rehabilita-
tation Research and Practice, Article ID 283840 tion, 18, 538–549.
De Witt, D. (1980). Cognitive and biofeedback training for Dominey, P., Decety, J., Broussolle, E., Chazot, G. & Jeannerod,
stress reduction with university athletes. Journal of Sport M. (1995). Motor imagery of a lateralized sequential task
Psychology, 2, 288–294. is asymmetrically slowed in hemi-Parkinson’s patients.
Debarnot, U., Creveaux, T., Collet, C., Gemignani, A., Massarelli, Neuropsychologia, 33, 727–741.
R., Doyon, J. & Guillot, A. (2009). Sleep-related improve- Driskell, J., Copper, C. & Moran, A. (1994). Does mental prac-
ments in motor learning following mental practice. Brain tice enhance performance? Journal of Applied Psycho-
and Cognition, 69, 398–405. logy, 79, 481–492.
227
Literatur

Eberspächer, H. (1998). Ressource Ich: Der ökonomische Fairweather, M.M. & Sidaway, B. (1993). Ideokinetic imagery as
Umgang mit Streß. München: Hanser. a postural development technique. Research Quarterly
Eberspächer, H. (2001). Mentales Training. Das Handbuch für for Exercises and Sport, 64, 385–392.
Trainer und Sportler. München: Copress. Farah, M.J. (1984). The neurological basis of mental imagery:
Eberspächer, H. (2004). Gut sein, wenn’s drauf ankommt. A componential analysis. Cognition, 18, 245–272.
München: Hanser. Feil, P.H. (1989). A theory of motor performance and its appli-
Eberspächer, H. & Immenroth, M. (1998). Kognitives Fertig- cations to preclinical dental skill acquisition. Journal of
keitstraining im Mannschaftssport – Praxisbericht Dental Education, 53, 226–232.
über den Einsatz im Fußball. Psychologie und Sport, Feil, P.H. (1992). An assessment of the application of psy-
5, 16–27. chomotor learning theory constructs in preclinical
Eberspächer, H. & Immenroth, M. (1999). Mentales Training – laboratory instruction. Journal of Dental Education, 56,
hilft es auch dem modernen Chirurgen? Zentralblatt für 628–633.
Chirurgie, 124, 895–901. Feltz, D.L. & Landers, D.M. (1983). The effects of mental prac-
Eberspächer, H., Immenroth, M. & Mayer, J. (2002). Sportpsy- tice on motor skill learning and performance: A meta-
chologie – ein zentraler Baustein im modernen Leis- analysis. Journal of Sport Psychology, 5, 25–57.
tungssport. Leistungssport, 32, 5–10. Feltz, D.L., Landers, D.M. & Becker, B.J. (1988). A revised meta-
Eberspächer, H. & Mayer, J. (2003). Mentales Training im Judo. analysis of the mental practice literature on motor skill
In U. Mosebach (Hrsg.), Judo in Bewegung. (S. 247–265). learning. In D. Druckmann & J.A. Swets (Eds.), Enhancing
Bonn: Dieter Born. human performance: Issues, theories, and techniques
Eberspächer, H., Mayer, J., Hermann, H.-D. & Kuhn, G. (2005). (pp. 61–101, Appendix B). Washington, DC.: National
Olympiasonderförderung Sportpsychologie. Leistungs- Academy Press.
sport, 35 (1), 38–41. Fenker Jr., R. & Lambiotte, J. (1987). A performance enhan-
Eckardt, A. & Betz, U. (1996). Standardisierte Nachbehandlung cement program for a college football team: One in-
von Hüftendoprothesen im Rahmen der Qualitätssi- credible season. The Sport Psychologist, 1, 224–236.
cherung. In J. Jerosch, H. Effenberger & S. Fuchs (Hrsg.), Féry, Y. (2003). Differentiating visual and kinesthetic imagery
Hüftendoprothetik (S. 78–79). Stuttgart: Thieme. in mental practice. Canadian Journal of Experimental
Ehrsson, H.H., Geyer, S. & Naito, E. (2003). Imagery of volun- Psychology, 57, 1–10.
tary movement of fingers, toes, and tongue activates Féry, Y. & Morizot, P. (2000). Kinesthetic and visual image in
corresponding body-part-specific motor representations. modeling closed motor skills: The example of the tennis
Journal of Neurophysiology, 90, 3304–3316. serve. Perceptual and Motor Skills, 90, 707–722.
Einsiedel, T., Becker, C., Däxle, M., Lechner, F., Kinzl, L. & Gebhard, Flachenecker, P. & Zettl, U.K. (2002). Epidemiologie. In
F. (2003). Einschränkung der Alltagsbewältigung geriatri- M. Schmidt & F. Hoffmann (Hrsg.), Multiple Sklerose
scher Patienten nach knöchernen Verletzungen der oberen (S. 4–11). München: Urban & Fischer.
Extremität – ein unterschätztes Problem? 67. Jahrestagung Foerster, H. von (1993). KybernEthik. Berlin: Merve.
der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, Berlin. Foerster, H. von & Pörksen, B. (2006). Wahrheit ist die Erfin-
Elbert, T., Pantev, C., Wienbruch, C., Rockstroh, B. & Taub, E. dung eines Lügners. Gespräche für Skeptiker. Heidel-
(1995). Increased cortical representation of fingers of the berg: Auer.
left hand in string players. Science, 270, 305–307. Fourkas, A.D., Bonavolonta, V., Avenanti, A. & Aglioti, S.M.
Elbert, T. & Rockstroh, B. (2003). Kortikale Reorganisation, (2008). Kinesthetic imagery and tool-specific modulation
Kapitel XV (60). In Karnath, H.-O. & Thier, P. (Hrsg.), Neu- of corticospinal representations in expert tennis players.
ropsychologie (S. 685–700). Berlin, Heidelberg, New York: Cerebral Cortex 18, 2382–2390.
Springer. Fournier, J., Calmels, C., Durand-Bush, N. & Salmela, J. (2005).
Emrich, E. (2003). Leistungssport. In P. Röthig & R. Prohl Effects of a season-long PST program on gymnastic
(2003). Sportwissenschaftliches Lexikon (7. Aufl., S. 343– performance and on psychologcial skill development.
344). Schorndorf: Hofmann. International Journal of Sport and Exercise Psychology,
Engel, G.L. (1977). The need for a new model: A challenge for 3, 59–77.
biomedicine. Science, 196, 129–136. Frank, A. (1993). Regular review: low back pain. British Medi-
Engelkamp, J. & Pechmann, T. (1993). Kritische Anmerkungen cal Journal, 306, 901–909.
zum Begriff der mentalen Repräsentation. In J. Engel- Frank, C., Land, W.M., Popp, C. & Schack, Th. (2014). Mental
kamp & T. Pechmann (Hrsg.), Mentale Repräsentation. representation and mental practice: Experimental inves-
Bern: Huber. tigation on the functional links between motor memory
Erdfelder, E. (2003). Das Gedächtnis des Augenzeugen. Aktu- and motor imagery. Plos one, 9, e95175.
elle Hypothesen und Befunde zur Genese fehlerhafter Frenkel, M.O., Maltese, S. & Schankin, A. (2012). Befunde aus
Aussagen. Report Psychologie, 28, 434–445. EEG-Untersuchungen zum Mentalen Training: Ein Über-
Evans, L., Hare, R. & Mullen, R. (2006). Imagery use during sichtsartikel. Zeitschrift für Sportpsychologie, 19, 16–25.
rehabilitation from Injury. Journal of Imagery Research in Frenkel, M.O., Herzig, D.S., Gebhard, F., Mayer, J., Becker, C. &
Sport and Physical Activity, 1 (1), Art. 1. Einsiedel, Th. (2014). Mental practice maintains range of
228 Literatur

motion despite forearm immobilization: A pilot study in positron emission tomography, 2. Observation compa-
healthy persons. Journal of Rehabilitation Medicine, 46, red with imagination. Experimental Brain Research, 112,
225–232. 103–111.
Friedrich, H.F. & Mandl, H. (1992). Lern- und Denkstrategien. Grafton, S.T., Mazziotta, J.C., Presty, S., Friston, K.J., Fracko-
Ein Problemaufriss. In H. Mandl & H.F. Friedrich (Hrsg.), wiak, R.S. & Phelps, M.E. (1992). Functional anatomy of
Lern- und Denkstrategien. Analyse und Intervention human procedural learning determined with regional
(S. 3–53). Göttingen: Hogrefe. cerebral blood flow and PET. Journal of Neuroscience, 12,
Frieling, E. & Sonntag, K. (1999). Lehrbuch Arbeitspsycholo- 2542–2548.
gie. Bern: Huber. Gray, J.J., Haring, M.J. & Banks, N.M. (1984). Mental rehearsal
Friston, K.J., Frith, C.D., Passingham, R.E., Liddle, P.F. & Fracko- for sport performance: Exploring the relaxation-imagery
wiak, R.S. (1992). Motor practice and neurophysiological paradigm. Journal of Sport Behavior, 7, 68–78.
adaption in the cerebellum: A positron tomography study. Greendale, G.A., Barrett-Connor, E., Ingles, S. & Haile, R. (1995).
Proceedings: Biological Sciences, 248 (1323), 223–228. Late physical and functional effects of osteoporotic
Fuchs, G.A. (2002). Die Parkinsonsche Krankheit. Ursachen fracture in women: The Rancho Bernardo Study. Journal
und Behandlungsformen. München: C.H. Beck of the American Geriatrics Society, 43, 955–961.
Fukumura, K., Sugawara, K., Tanabe, S., Ushiba, J. & Tomita, Gregg, M. & Hall, C. (2006). The relationship of skill level and
Y. (2007). Influence of mirror therapy on human motor age to the use of imagery by golfers. Journal of Applied
cortex. International Journal of Neuroscience, 117, Sport Psychology, 18, 363–375.
1039–1048. Grimbergen, K.A. (1997). Minimally invasive surgery. Human-
Gabbard, C. (2009). Studying action representation in child- machine aspects and engineering approaches. In T.B.
ren via motor imagery. Brain and Cognition, 71, 234–239. Sheridan & T. van Lunteren (Eds.), Perspectives on the
Gaggioli, A., Morganti, F., Walker, R., Meneghini, A., Alcaniz, human controller (pp. 223–231). Mahwah, NJ: Lawrence
M., Lozano, J.A., Montesa, J., Gil, J.A. & Riva, G. (2004). Erlbaum.
Training with computer-supported motor imagery in Grouios, G. (1992a). Mental practice: A review. Journal of
post-stroke rehabilitation. Cyberpsychology & Behavior, Sport Behaviour, 15, 42–59.
7, 327–332. Grouios, G. (1992b). The effect of mental practice on diving
Garza, D. & Feltz, D. (1998). Effects of selected mental practice performance. International Journal of Sport Psychology,
techniques on performance ratings, self-efficacy, and 23, 60–69.
state anxiety of competitive figure skaters. The Sport Grove, J., Norton, P., Van Raalte, J. & Brewer, B. (1999). Stages
Psychologist, 12, 1–15. of change as an outcome measure in the evaluation of
Gassner, K., Einsiedel, T., Linke, M., Görlich, P. & Mayer, J. mental skills training programs. The Sport Psychologist,
(2007). Verbessert Mentales Training des Erlernen der 13, 107–116.
Gehbewegung mit Oberschenkelprothese? Der Ortho- Gruner, A., Hockertz, T. & Reilmann, H. (2004). Die periprothe-
päde, 36, 673–678. tische Fraktur. Unfallchirurg, 107, 35–49.
Geue, B. (1990). Therapieziel: Gesundheit. Berlin, Heidelberg, Guillot, A. & Collet, Ch. (2005). Contribution from neurophy-
New York: Springer. siological and psychological methods to the study of
Ghez, C. & Gordon, J. (1996a). Einführung in die Motorik, motor imagery. Brain Research Reviews, 50, 387–397.
Kapitel VII (26). In E.R. Kandel, J.H. Schwartz, T.M. Jessell Guillot, A., Collet, Ch., Nguyen, V.A., Malouin, F., Richards, C.
(Hrsg.), Neurowissenschaften – Eine Einführung (S. 499– & Doyon, J. (2009). Brain activity during visual versus
513). Heidelberg, Berlin, Oxford: Spektrum Akademischer kinesthetic imagery: an fMRI study. Human Brain Map-
Verlag. ping, 30, 2157–2172.
Ghez, C. & Gordon, J. (1996b).Willkürmotorik, Kapitel VII (29). Guillot, A., Nadrowska, E. & Collet, C. (2009). Using motor
In E.R. Kandel, J.H. Schwartz, T.M. Jessell (Hrsg.). Neuro- imagery to learn tactical movements in basketball. Jour-
wissenschaften – Eine Einführung (S. 541–563). Heidel- nal of sport behavior, 32 (2), 189–206.
berg, Berlin, Oxford: Spektrum Akademischer Verlag. Guillot, A., Genevois, C., Desliens, S., Saieb, S. & Rogowski,
Gieseking, W. (1963). So wurde ich Pianist. Leipzig: Brockhaus. I. (2012). Motor imagery and ‘placebo-racket effects’
Gieseking, W. (1964). So wurde ich Pianist. Wiesbaden: Brock- in tennis serve performance. Psychology of Sport and
haus. Exercise, 13, 533–540.
Gough, M.H (1994). How should surgical trainees be selec- Guillot, A., Moschberger, K. & Collet, Ch. (2013). Coupling
ted? In P.J. Morris & R.A. Malt (Eds.), Oxford textbook of movement with imagery as a new perspective for motor
surgery, Vol. 2 (pp. 2751–2754). New York, Oxford, Tokyo: imagery practice. Behavioral and Brain Functions 9, 8.
Oxford University Press. Guttmann, A., Burstin, A., Brown, R., Bril, S. & Dickstein, R.
Grabherr, L. & Mast, F.W. (2010). Effects of microgravity on (2012). Motor imagery practice for improving sit to stand
cognition: The case of mental imagery. Journal of Vesti- and reaching to grasp in individuals with poststroke
bular Research, 20, 53–60. hemiparesis. Topics in Stroke Rehabilitation, 19, 306–319.
Grafton, S.T., Arbib, M.A., Fadiga, L. & Rizzolatti, G. (1996). Göbel, H. (2001). Epidemiologie und Kosten chronischer
Localization of grasp representations in humans by Schmerzen. Schmerz, 15, 92–98.
229
Literatur

Hacker, W. (1998). Allgemeine Arbeitspsychologie. Bern: Huber. Hellström, J. (2009). Psychological hallmarks of skilled golfers.
Hale, B.D. (1982). The effects of internal and external imagery Sports Medicine, 39 (10), 845–855.
on muscular and ocular concomitants. Journal of Sport Herbert, D., Dean, C. & Gandevia, S.C. (1998). Effects of real
Psychology, 4, 379–387. and imagined training on voluntary muscle activation
Hall, C.R., Buckolz, E. & Fishburne, G.J. (1992). Imagery and during maximal isometric contractions. Acta Physiolo-
the acquisition of motor skills. Canadian Journal of Sport gica Scandinavica, 163, 361–369.
Sciences, 17, 19–27. Heremans, E., Nieuwboer, A., Spildooren, J., De Bondt, S.,
Hall, C.R. & Martin, K.A. (1997). Measuring movement imagery D’hooge, A.M., Helsen, W. & Feys, P. (2012). Cued motor
abilities: A revision of the Movement Imagery Questi- imagery in patients with multiple sclerosis. Neuro-
onnaire. Journal of Mental Imagery, 21, 143–154. science, 206, 115-21.
Hall, C.R. & Pongrac, J. (1983). Movement Imagery Questi- Hermann, H.-D. (2001). Mediatoren und Modifikatoren der
onnaire. London, ON: University of Western Ontario. Belastungsreaktionen nach Sportverletzungen. Beiträge
Hall, E. & Erffmeyer, E. (1983). The effect of visuo-motor beha- zu einem interdisziplinären Modell. Hamburg: Kovač.
vior rehearsal with videotaped modeling on free throw Hermann, H.-D. & Eberspächer, H. (1994). Psychologisches
accuracy of intercollegiate female basketball players. Aufbautraining nach Sportverletzungen. München:
Journal of Sport Psychology, 5, 343–346. BLV.
Hall, J.C. (2002). Imagery practice and the development of Hermann, H.-D. & Mayer, J. (2003). Psychologische Aspekte in
surgical skills. The American Journal of Surgery 184, der orthopädisch-traumatologischen Rehabilitation nach
465–470. Sportverletzungen. DVS-Informationen, 18, 8–12.
Hallman, T.A.D. & Munroe-Chandler, K.J. (2009). An examina- Heuer, H. (1985). Wie wirkt mentale Übung? Psychologische
tion of ice hockey players’ imagery use and movement Rundschau, 36, 191–200.
imagery ability. Journal of Imagery Research in Sport and Highlen, P.S. & Bennett, B.B. (1983). Elite divers and wrestlers:
Physical Activity, 4 (1), Art. 3. A comparison between open- and closed-skill athletes.
Hanakawa, T. Immisch, I., Toma, K., Dimyan, A., Van Gelderen, Journal of Sport Psychology, 5, 390–409.
P. & Hallett, M. (2003). Functional properties of brain Hinshaw, K.E. (1991). The effects of mental practice on motor
areas associated with motor execution and imagery. skill performance: Critical evaluation and meta-analysis.
Journal of Neurophysiology, 89, 989–1002. Imagination, Cognition and Personality, 11, 3–35.
Hanton, S. & Jones, G. (1999). The effects of a multimodal Hinterwimmer, S., Engelschalk, M., Sauerland, S., Eitel, F. &
intervention program on performers: II. Training the Mutschler, W. (2003). Operative vs. konservative Thera-
butterflies to fly in formation. The Sport Psychologist, pie der vorderen Kreuzbandruptur: eine systematische
13, 22–41. Literaturübersicht. Unfallchirurg, 106, 374–379.
Hardy, J., Hall, C. & Carron, A. (2003). Perceptions of team co- Hoffmann, F. (2002). Symptomatische Therapie. In M. Schmidt
hesion and athletes’ use of imagery. International Journal & F. Hoffmann (Hrsg.), Multiple Sklerose (S. 182–236).
of Sport Psychology, 34, 151–167. München: Urban & Fischer.
Hardy, L. & Callow, N. (1999). Efficacy of external and internal Hohmann, T., Schott, N., Abeln, V., Chukèr, A., Matzel, S. &
visual imagery perspectives for the enhancement of per- Schneider, S. (u. R.). Motor imagery during parabolic
formance on tasks in which form is important. Journal of flights.
Sport & Exercise Psychology, 21, 95–112. Holmes, P.S. & Collins, D.J. (2001). The PETTLEP approach to
Harrington, A. (1999). The placebo effect: An interdisciplinary motor imagery: A functional equivalence model for sport
exploration. Harvard: University Press. psychologists. Journal of Applied Sport Psychology, 13
Harris, D.V. & Robinson, W.J. (1986). The effects of skill level (1), 60–83.
on EMG activity during internal and external imagery. Horstmann, T., Mayer, F., Heitkamp, H.C. & Dickhuth, H.-H.
Journal of Sport Psychology, 8, 105–111. (1998). Biokinetische Messungen bei Arthrosepatienten.
Hartl, M.K. (2007). Ergebnisse operativer Behandlung von Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 49, 187–191.
periprothetischen Femurfrakturen. Halle-Wittenberg: Hoyek, N., Champely, S., Collet, Ch., Fargier, P. & Guillot, A.
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. (2009). Age and gender-related differences in the tem-
Head, H. (1926). Aphasia and kindred disorders of speech, Vol. poral congruence development between motor imagery
1. Cambridge: Cambridge University Press. and motor performance. Learning and Individual Diffe-
Heckhausen, H. (1980). Motivation und Handeln. Berlin, rences, 19, 555–560.
Heidelberg, New York: Springer. Hummelsheim, H. & Hauptmann, B. (1998). Neurologische
Hefti, F. (2006). Kinderorthopädie (Abb. 4.66). Berlin, Heidel- Rehabilitation. Berlin, Heidelberg, New York: Springer.
berg, New York: Springer. Hund-Georgiadis, M. & von Cramon, D.Y. (1999). Motor-
Heil, J. (1993). Psychology of sport injury. Champaign: Human learning-related changes in piano players and non-musi-
Kinetics Publishers. cians revealed by functional magnetic-resonance signals.
Hellstedt, J. (1987). Sport psychology at a ski academy: Experimental Brain Research, 125, 417–425.
Teaching mental skills to young athletes. The Sport Hwang, S., Jeon, H.S., Yi, C., Kwon, O.Y., Cho, S.H. & You, S.H.
Psychologist, 1, 56–68. (2010). Locomotor imagery training improves gait per-
230 Literatur

formance in people with chronic hemiparetic stroke: Jeannerod, M. (1994). The representing brain: Neural correla-
A controlled clinical trial. Clinical rehabilitation, 24, tes of motor intention and imagery. Behavioral and Brain
514–522. Sciences, 17, 187–245.
Hymann, W.A. (1994). Errors in the use of medical equipment. Jeannerod, M. (1995). Mental imagery in the motor context.
In M.S. Bogner (Ed.), Human error in medicine (pp. 327– Neuropsychologia, 33, 1419–1432.
347). Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum. Jenkins, W.M., Merzenich, M.M., Ochs, M.T., Allard, T., Guic-
Höpfner, H.-D. & Skell, W. (1983). Zur Systematisierung von Robles, E. (1990a). Functional reorganization of primary
Formen der Übung kognitiver Prozesse – Klassifikations- somatosensory cortex in adult owl monkeys after beha-
gesichtspunkte und Darstellung entscheidender Varia- viorally controlled tactile stimulation. Journal of Neuro-
blen. Forschung der sozialistischen Berufsbildung, 17, physiology, 63, 82–104.
161–166. Jenkins, W.M., Merzenich, M.M. & Recanzone, G. (1990b).
Iacoboni, M., Woods, R., Brass, M., Bekkering, H., Mazziotta, Neocortical representational dynamics in adult primates:
J.C. & Rizzolatti, G. (1999). Cortical mechanism of human Implications for neuropsychology. Neuropsychologia, 28,
imitation. Science, 286, 2526–2528. 573–584.
Ievleva, L. & Orlick, T. (1991). Mental links to enhanced he- Jerosch, J. & Heisel, J. (1996). Endoprothesenschule. Rehabili-
aling: An exploratory study. The Sport Psychologist, 5, tations- und Betreuungskonzepte für die ärztliche Praxis.
25–40. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag.
Ievleva, L. & Orlick, T. (1993). Mental paths to enhanced reco- Jiang, Y. (2004). Resolving dual-task interference: an fMRI
very from a sports injury. In D. Pargman (Ed.), Psycholo- study. NeuroImage, 22, 748–754.
gical bases of sport injuries (pp. 219–245). Morgantown: Johnson, S.H. (2000). Imagining the impossible: intact mo-
Fitness Information Technology. tor representations in hemiplegics. Neuroreport, 11,
Immenroth, M. (2002). Die Restriktions-Hypothese. Ein Erklä- 729–732.
rungsansatz für die Lern- und Leistungssteigerung durch Johnson, S.H., Sprehn, G. & Saykin, A.J. (2002). Intact motor
Mentales Training. In B. Strauß, M. Tietjens, N. Hagemann imagery in chronic upper limb hemiplegics: evidence for
& A. Stachelhaus (Hrsg.). Expertise im Sport (S. 111–112). activity-independent action representations. Journal of
Köln: bps. Cognitive Neuroscience, 14, 841–852.
Immenroth, M. (2003). Mentales Training in der Medizin. Johnson-Frey, S.H. (2004). Stimulation through simulation?
Anwendung in der Chirurgie und Zahnmedizin. Ham- Motor imagery and functional reorganization in hemi-
burg: Kovač. plegic stroke patients. Brain and Cognition, 55, 328–331.
Immenroth, M., Bürger, T., Brenner, J., Nagelschmidt, M., Eber- Johnston, L.H. & Carroll, D. (1998). The context of emotional
spächer, H. & Troidl, H. (2007). Mental training in surgical responses to athletic injury: a qualitative analysis. Jour-
education – a randomized controlled trial. Annals of nal of Sport Rehabilitation, 7, 206–220.
Surgery, 245 (3), 385–391. Jones, J. (1965). Motor learning without demonstration of
Immenroth, M., Eberspächer, H. & Hermann, H.-D. (2008). physical practice, under two conditions of mental prac-
Training kognitiver Fertigkeiten. Enzyklopädie der Psy- tice. The Research Quarterly, 36, 270–276.
chologie. Göttingen: Hogrefe. Jugenheimer, M. (2006). Operationsfibel: Laparoskopische Cho-
Immenroth, M., Haasis, M., Mayer, J. & Eberspächer, H. lezystektomie. Haslemere: Euromed Communications.
(2003). Mentales Training im Lebenslauf (I) – Kinder. In J. Jürgens, C. (2000). Ruptur des vorderen Kreuzbands. Naht?
Munzert, S. Künzell, H. Maurer, M. Reiser, N. Schott & K. Augmentation? Plastik? Trauma Berufskrankheit, 2,
Zentgraft (Hrsg.), Psychomotorische Entwicklung – Suppl. 2, 140–144.
Sport und Bewegung im Lebenslauf (S. 65). Gießen: Kaminski, G. (1988). Psychological perspectives of childrens’
35. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Sport- and youths’ toplevel sports. Paper presented at the
psychologie. ‚Koreanisch-Deutsches Seminar‘, Yousei University,
Isaac, A. (1992). Mental practice – does it work in the field? Seoul.
The Sport Psychologist, 6, 192–198. Kandel, E. (1995). Essentials of neural science and behavior.
Jackson, P.L., Doyon, J., Richards, C.L. & Malouin, F. (2004). The New York: McGraw-Hill.
efficacy of combined physical and mental practice in the Kandel, E. (1996). Gehirn und Verhalten, Kapitel I (1). In E.R.
learning of a foot-sequence task after stroke. Neuroreha- Kandel, J.H. Schwartz & T.M. Jessell (Hrsg.), Neurowissen-
bilitation & Neural Repair, 18, 106–111. schaften – Eine Einführung (S. 5–21). Heidelberg, Berlin,
Jacobson, E. (1930). Electrical measurements of neuromus- Oxford: Spektrum Akademischer Verlag.
cular state during mental activities. II. Imagination and Kandel, E. & Kupfermann, I. (1996). Von den Nervenzellen zur
recollection of various muscular acts. American Journal Kognition, Kapitel V (18). In E.R. Kandel, J.H. Schwartz &
of Physiology, 94, 22–34. T.M. Jessell (Hrsg.), Neurowissenschaften – Eine Einfüh-
Jacobson, E. (1932). Electrophysiology of mental activities. rung (S. 327–353). Heidelberg, Berlin, Oxford: Spektrum
American Journal of Physiology, 44, 677–694. Akademischer Verlag.
Jastrow, J.A. (1892). Study of involuntary movements. Ameri- Karnath, H.-O. & Thier, P. (Hrsg.). (2003). Neuropsychologie.
can Journal of Psychology, 4, 398–407. Berlin, Heidelberg, New York: Springer.
231
Literatur

Karni, A., Meyer, G., Jezzard, P., Adams, M.M., Turner, R. & Lafleur, M.F., Jackson, P.L., Malouin, F., Richards, C.L., Evans,
Ungerleider, L.G. (1995). Functional MRI evidence for A.C. & Doyon, J. (2002). Motor learning produces parallel
adult motor cortex plasticity during motor skill learning. dynamic functional changes during the execution and
Nature, 377, 155–158. imagination of sequential foot movements. NeuroImage,
Kassat, G. (1998). Ereignis Bewegungslernen. Rödinghausen: 16, 142–157.
Fitness Contur. Lamirand, M. & Rainey, D. (1994). Mental imagery, relaxation,
Kawashima, R.P., Roland, E. & O’Sullivan, B.T. (1994). Fields in and accuracy of basketball foul shooting. Perceptual and
human motor areas involved in preparation for reaching, Motor Skills, 78, 1229–1300.
actual reaching, and visuomotor learning: a positron Landa, J. (2004). Risk and injuries in contact fighting. Journal
emission tomography study. Journal of Neuroscience, 14, of Combative Sport, 4.
3462–3474. Lane, A. M. (2006). Reflections of professional boxing consul-
Keller, P.E. (2012). Mental imagery in music performance: tancy: A response to Schinke (2004). Athletic Insight, 8.
underlying mechanisms and potential benefits. Annals of Langeheine, L. (2004). Üben mit Köpfchen. Mentales Training
the New York Academy of Sciences, 1252, 206–213. für Musiker. Frankfurt a.M.: Zimmermann.
Kemmler, R. (1979). Mentales Training beim Piloten. In G. Lazarus, R.S. & Folkman, S. (1984). Stress, appraisal, and co-
Bäumler, E. Hahn & J. Nitsch (Hrsg.). Aktuelle Probleme der ping. Berlin, Heidelberg, New York: Springer.
Sportpsychologie (S. 166–171). Schorndorf: Hofmann. Leddy, M.H., Lambert, M.J. & Ogles, B.M. (1996). Psychologi-
Kendall, G., Hrycaiko, D., Martin, G. & Kendall, T. (1990). The cal consequences of athletic injury among high-level
effects of an imagery rehearsal, relaxation, and self-talk competitors. Research Quarterly for Exercise and Sport,
package on basketball game performance. Journal of 4, 347–354.
Sport and Exercise Psychology, 12, 157–166. Leigh, H. & Reiser, M.F. (1980). The patient. Biological, psycho-
Kenitzer, R. & Briddell, W. (1991). Effect of mental imagery logical, and social dimensions of medical practice. New
strategies on swimming performance. Applied Research York: Plenum Medical Book Company.
in Coaching and Athletics Annual, 6, 259–273. Lejeune, M., Decker, C. & Sanchez, X. (1994). Mental rehearsal
Kerr, G., & Minden, H. (1988). Psychological factors related in table tennis performance. Perceptual and Motor Skills,
to the occurrence of athletic injuries. Journal of Sport & 79, 627–641.
Exercise Psychology, 10, 167–173. Leonardo, M., Fieldman, J., Sadato, N., Campbell, G., Ibanez,
Kirkby, R. (1991). Use of sport psychology techniques by pro- Y., Cohen, L., Deiber, M.P., Jezzard, P., Pons, T., Turner, R.,
fessional Australian Football League players. Perceptual Le Bihan, D. & Hallett, M. (1995). A functional resonance
and Motor Skills, 73, 1224. imaging study of cortical regions associated with motor
Klein, S. (2006). Zeit. Der Stoff, aus dem das Leben ist. Eine task execution and motor ideation in humans. Human
Gebrauchsanleitung. Frankfurt a.M.: Fischer. Brain Mapping, 3, 83–92.
Klöppel, R. (2007). Mentales Training für Musiker. Kassel: Levy, A.R., Nicholls, A.R. & Polman, R.C.J. (2011). Pre-compe-
Gustav Bosse. titive confidence, coping, and subjective performance
Knobl, P.E. (2009). An evaluation of motor imagery and exer- in sport. Scandinavian Journal of Medicine & Science in
cise interventions in Parkinson's Disease. Honours Ba- Sports, 21, 721–729.
chelor of Science in Kinesiology and Physical Education. Lim, S. & Lippman, L.G. (1986). Mental practice and memo-
Brantfort: Wilfrid Laurier University. rization of piano music. The Journal of General Psycho-
Kohlmann, T. & Schmidt, C.O. (2005). Rückenschmerzen in logy, 118, 21–30.
Deutschland – eine epidemiologische Bestandsauf- Liu, K.P., Chan, C.C., Lee, T.M. & Hui-Chan, C.W. (2004). Men-
nahme. Orthopädie & Rheuma, 5, 38–41. tal imagery for promoting relearning for people after
Konczak, J. (2002). Motorische Kontrolle. In J. Müsseler & W. stroke. Archives of Physical Medicine & Rehabilitation, 85,
Prinz (Hrsg.), Allgemeine Psychologie (S. 865–888). Hei- 1403–1408.
delberg, Berlin: Spektrum Akademischer Verlag. Liu, H., Song, L. & Zhang, T. (2014). Changes in brain activa-
Konczak, J. (2003). Motorisches Lernen, Kapitel XV (58). tion in stroke patients after mental practice and physical
In H.-O. Karnath & P. Thier (Hrsg.), Neuropsychologie exercise: A functional MRI study. Neural Regeneration
(S. 669–677). Berlin, Heidelberg, New York: Springer. Research, 9; 1474–1484.
Kosslyn, S.M., Margolis, J.A., Barrett, A.M., Goldknopf, E.J. & Li-Wei, Z., Qi-Wei, M., Orlick, T. & Zitzelsberger, L. (1992).
Daly, P.F. (1990). Age differences in imagery abilities. The effect of mental-imagery training on performance
Child Development, 61, 995–1010. enhancement with 7–10-year-old children. The Sport
Krumm, R. (2007). Mentales Training für Piloten. Stuttgart: Psychologist, 6, 230–241.
Motor Buch. Loftus, E.F. (1975). Leading questions and the eyewitness
Kuhl, J. (1995). Handlungs- und Lageorientierung. In W. Sar- report. Cognitive Psychology, 7, 560–572.
ges (Hrsg.), Managementdiagnostik (S. 303–316). Göttin- Loftus, E.F. & Palmer, J.C. (1974). Reconstruction of automo-
gen: Hogrefe. bile destruction: An example of the interaction between
Kuhl, J. (2001). Motivation und Persönlichkeit. Interaktionen language and memory. Journal of Verbal Learning and
psychischer Systeme. Göttingen: Hogrefe. Verbal Behavior, 13, 585–589.
232 Literatur

Lorey, B., Pilgramm, S., Bischoff, M., Stark, R., Vaitl, D., Kinder- self-confidence, and tennis performance. Journal of
mann, S., Munzert, J. & Zentgraf, K. (2011). Activation of Applied Sport Psychology, 16, 118–137.
the parieto-premotor network is associated with vivid Marcolli, C. (2001). Die psychologische Rehabilitation nach
motor imagery–a parametric fMRI study. PLoS ONE Sportverletzungen. Entwicklung des Interventionspro-
6:e20368. gramms ‚Comeback‘ und Evaluation von dessen Auswir-
Lotze, M., Montoya, P., Erb, M., Hülsmann, E., Flor, H., Klose, U., kungen. Zürich: Gesellschaft zur Förderung der Sportwis-
Birbaumer, N. & Grodd, W. (1999). Activation of cortical senschaften an der ETH Zürich.
and cerebellar motor areas during executed and imagi- Marcolli, C. (2002). Die psychologische Betreuung nach Sport-
ned hand movements: An fMRI study. Journal of Cogni- verletzungen – eine retrospektive Befragung der Teilneh-
tive Neuroscience, 11, 491–501. mer am Projekt ‚Comeback‘. Schweizerische Zeitschrift für
Lotze, R.H. (1852). Medicinische Psychologie oder Physiologie Sportmedizin und Sporttraumatologie, 50, 71–76.
der Seele. Leipzig: Weidmann’sche Buchhandlung. Marmor, G.S. (1975). Development of kinetic images: When
Louis, M., Collet, C., Champely, S. & Guillot, A. (2012). Dif- does the child first represent movement in mental ima-
ferences in motor imagery time when predicting task ges? Cognitive Psychology, 7, 548–559.
duration in alpine skiers and equestrian riders. Research Maruff, P., Wilson, P. H., De Fazio, J., Cerritelli, B., Hedt, A. &
Quarterly for Exercise and Sport, 83, 86–93. Currie, J. (1999). Asymmetries between dominant and
Louis, M., Collet, Ch. & Guillot, A. (2011). Differences in motor non-dominant hands in real and imagined motor task
imagery times during aroused and relaxed conditions. performance. Neuropsychologia, 37, 379–384.
Journal of Cognitive Psychology, 23, 3, 374–382. Maturana, H.R. (1982). Erkennen. Die Organisation und Ver-
Louridas, M., Bonrath, E.M., Sinclair, N.J., Dedy, N.J. & Grant- körperung von Wirklichkeit. Ausgewählte Arbeiten zur
charov, T.P. (2015). Randomized clinical trail to evaluate biologischen Epistemologie. Braunschweig: Vieweg.
mental practice in enhancing advanced laparoscopic Maturana, H.R. & Varela, F.J. (1987). Der Baum der Erkenntnis.
surgical performance. British Journal of Surgery, 102, München: Scherz.
37–44. Mausfeld, R. (2001). Allgemeine Sinnesphysiologie. In J.
Luft, A.R., Skalej, M., Stefanou, A., Klose, U. & Voigt, K. (1998). Dudel, R. Menzel & R.F. Schmidt (Hrsg.), Neurowissen-
Comparing motion- and imagery-related activation in schaft – Vom Molekül zur Kognition (S. 279–292). Berlin,
the human cerebellum: A functional MRI study. Human Heidelberg, New York: Springer.
Brain Mapping, 6, 105–113. Mayer, J. (2001). Mentales Training, ein salutogenes Therapie-
MacDermid, J.C., Richards, R.S. & Roth, J.H. (2001). Distal verfahren zur Bewegungsoptimierung. Hamburg: Kovač.
radius fracture: a prospective outcome study of 275 Mayer, J., Bohn, J., Görlich, P. & Eberspächer, H. (2005). Menta-
patients. Journal of Hand Therapy, 14, 154–169. les Gehtraining – Wirksamkeit eines Therapieverfahrens
MacIntyre, T., Moran, A. & Jennings, D.J. (2002). Are mental in der Rehabilitation nach Hüftendoprothetik. Zeitschrift
imagery abilities related to canoe-slalom performance? für Orthopädie, 143, 419–423.
Perceptual and Motor Skills, 94, 1245–1250. Mayer, J., Hermann, H.-D. (2014). Sportpsychologie im Nach-
MacIntyre, T.E. & Moran, A.P. (2007). A qualitative investiga- wuchsfußball. Mentale Fertigkeiten entwickeln und
tion of imagery use and meta-imagery processes among trainieren. Münster: Philippka.
elite canoe-slalom competitors. Journal of Imagery Mayer, J., Görlich, P. & Eberspächer, H. (2003). Mentales Geh-
Research in Sport and Physical Activity, 2 (1), Art. 3. training – ein salutogenes Therapieverfahren für die
Madigan, R., Frey, R. & Matlock, T. (1992). Cognitive strategies Rehabilitation. Berlin, Heidelberg, New York: Springer.
of university athletes. Canadian Journal of Applied Sport Mayer, J., Memmert, D. & Schäfer, J. (2006). Hilft mentales
Sciences, 17, 135–140. Training beim taktischen Umlernen? In B. Halberschmidt
Mahoney, M.J. & Avener, M. (1977). Psychology of the elite & B. Strauß (Hrsg.), Elf Freunde sollt ihr sein!? (S. 102).
athlete: An exploratory study. Cognitive Therapy and Hamburg: Czwalina.
Research, 1, 135–141. McCaffrey, N. & Orlick, T. (1989). Mental factors related to
Malouin, F., Richards, C.L., Desrosiers, J. & Doyon, J. (2004a). excellence among top professional golfers. International
Bilateral slowing of mentally simulated actions after Journal of Sport Psychology, 20, 256–278.
stroke. Neuroreport, 15, 1349–1353. McEwen, S.E., Huijbregts, M.P.J., Ryan, J.D. & Polatajko, H.J.
Malouin, F., Richards, C.L., Doyon, J., Desrosiers, J. & Belleville, (2009). Cognitive strategy use to enhance motor skill
S. (2004b). Training mobility tasks after stroke with com- acquisition post-stroke: A critical review. Brain Injury, 23
bined mental and physical practice: a feasibility study. (4), 263–277.
Neurorehabilitation & Neural Repair, 18, 66–75. McKenzie, A. & Howe, B. (1991). The effect of imagery on tack-
Malouin F., Jackson, P.L. & Richards, C.L. (2013). Towards the ling performance in rugby. Journal of Human Movement
integration of mental practice in rehabilitation programs. Studies, 20, 163–176.
A critical review. Frontiers in Human Neuroscience 2013, McLennan, N.L., Georgiou, N.L., Mattingley, J.L., Bradshaw, J.L.
7, 576. & Chiu, E. (2000). Motor imagery in Huntington’s disease.
Mamassis, G. & Doganis, G. (2004). The effects of a mental Journal of Clinical & Experimental Neuropsychology, 22,
training program on juniors pre-competitive anxiety, 379–390.
233
Literatur

Mehrtens, G., Valentin, H. & Schönberger, A. (1993). Arbeits- Morganti, F., Gaggioli, A., Castelnuovo, G., Bulla, D., Vettorello,
unfall und Berufskrankheit. Berlin: Schmidt. M. & Riva, G. (2003). The use of technology-supported
Meichenbaum, D. (1985). Stress inoculation training. New mental imagery in neurological rehabilitation. Cyberpsy-
York: Pergamon. chology & Behavior, 6, 421–427.
Meijer, O.G. & Roth, K. (Eds.). (1988). Complex movement Morris, T., Spittle, M. & Watt, A. (2005). Imagery in sport.
behavior: The motor-action controversy. Amsterdam: Champaign, Ill.: Human Kinetics.
Elsevier Science Publisher. Moseley, G.L. (2004). Graded motor imagery is effective for
Meinel, K. & Schnabel, G. (1987). Bewegungslehre – Sportmo- long-standing complex regional pain syndrome: a rando-
torik. Berlin: Volk und Wissen. mised controlled trial. Pain, 108, 192–198.
Memmert, D., Schäfer, J. & Mayer, J. (2009). Does mental Moseley, G.L. (2005). Is successful rehabilitation of complex
practice help in tactical relearning? Journal of Mental regional pain syndrome due to sustained attention to
Imagery, 33 (1 & 2), 117–134. the affected limb? Pain, 114, 54–61.
Mendoza, D. & Wichmann, H. (1978). ‘Inner’ darts: Effects Mouret, P. & Zichner, L. (1992). Postoperative Behandlung,
of mental practice on performance of dart throwing. Rehabilitation und gutachterliche Beurteilung von Endo-
Perceptual and Motor Skills, 47, 1195–1199. prothesenträgern des Hüftgelenks. Versicherungsmedi-
Menzel, R. (2001). Neuronale Plastizität, Lernen und Gedächt- zin, 44, 7–10.
nis. In J. Dudel, R. Menzel & R.F. Schmidt (Hrsg.), Neuro- Mouret, P. (1997). Postoperative Nachbehandlung, Rehabi-
wissenschaft – Vom Molekül zur Kognition (S. 487–525). litation und gutachterliche Aspekte bei Patienten nach
Berlin, Heidelberg, New York: Springer. Hüftgelenkendoprothesen. In L. Zichner, M. Engelhardt &
Mereles, D., Ehlken, N., Kreuscher, S., Ghofrani, S., Hoeper, J. Freiwald (Hrsg.). Sport bei Arthrose und nach endopro-
M.M., Halank, M., Meyer, F.J., Karger, G., Buss, J., Juenger, thetischem Einsatz (S. 83–89). Wehr: Ciba-Geigy.
J., Holzapfel, N., Opitz, C., Winkler, J., Herth, F.F., Wilkens, Muellbacher, W. (2001). Die Rolle des Motorkortex beim Mo-
H., Katus, H.A., Olschewski, H., Grünig, E. (2006). Exercise torischen Lernen. Journal für Neurologie, Neurochirurgie
and respiratory training improve exercise capacity and und Psychiatrie, 3, 20–25.
quality of life in patients with severe chronic pulmonary Mulder, T. (2007). Das adaptive Gehirn. Stuttgart: Thieme.
hypertension. Circulation, 114, 14, 1482–1489. Mulder, T., De Vries, S. & Zijlstra, S. (2005). Observation, ima-
Merzenich, M.M., Nelson, R.J., Stryker, M.P., Cynader, M.S., gination and execution of an effortful movement: more
Schoppmann, A. & Zook, J.M. (1984). Somatosensory evidence for a central explanation of motor imagery.
cortical map changes following digit amputation in adult Experimental Brain Research, 163, 344–351.
monkeys. The Journal of Comparative Neurology, 224, Mulder, T., Zijlstra, S., Zijlstra, W. & Hochstenbach, J. (2004).
591–605. The role of motor imagery in learning a totally novel
Meyers, A., Schleser, R. & Okwamabua, T. (1982). A cognitive- movement. Experimental Brain Research, 154, 211–217.
behavioral intervention for improving basketball per- Munroe, K.J., Giacobbi, P.R, Hall, C. & Weinberg, R. (2000). The
formance. Research Quarterly for Exercise and Sport, 13, four Ws of imagery use: where, when, why and what. The
344–347. Sport Psychologist, 14, 119–137.
Millard, M., Mahoney, C. & Wardrop, J. (2001). A preliminary Munroe-Chandler, K.J., Hall, C.R., Fishburne, G.J., Murphy, L. &
study of mental and physical practice on the kayak wet Hall, N.D. (2012). Effects of a cognitive specific imagery
exit skill. Perceptual and Motor Skills, 92, 977–984. intervention on the soccer skill performance of young
Miller, G.A., Galanter, E. & Pribram, K.H. (1960). Plans and the athletes: Age group comparisons. Psychology of Sport
structure of behavior. New York: Holt, Rinehart & Winston. and Exercise, 13, 324–331.
Miltner, R., Netz, J. & Hömberg, V. (2000). Kognitive Therapie Munzert, J. (1992). Motorik-Repräsentation, Bewegungswissen
sensomotorischer Störungen. Zeitschrift für Physiothera- und Bewegungshandeln. Sportwissenschaft, 22, 344–356.
pie, 52, 954–964. Munzert, J. (2001). Bewegungsvorstellungen – Bewegungs-
Miltner, R., Simon, U., Netz, J. & Hömberg, V. (1999). Bewe- handlungsvorstellungen. In D. Hackfort (Hrsg.). Hand-
gungsvorstellung in der Therapie von Patienten mit lungspsychologische Forschung für die Theorie und
Hirninfarkt. Neurologie & Rehabilitation, 5, 66–72. Praxis der Sportpsychologie (S. 49–63). Köln: bps.
Mogford, R.H. (1997). Mental models and situation awareness Munzert, J., Dültgen, K. & Möllmann, H. (2000). Individuelle
in air traffic control. International Journal of Aviation Merkmale von Bewegungsvorstellungen. Eine explo-
Psychology, 7 (4), 331–341. rative Untersuchung im Badminton. psychologie und
Monsma, E., Mensch, J. & Farroll, J. (2009). Keeping your head sport, 7, 15–25.
in the game: Sport-specific imagery and anxiety among Munzert, J. & Hackfort, D. (1999). Individual preconditions for
injured athletes. Journal of Athletic Training, 44 (4), mental training. International Journal of Sport Psycho-
410–417. logy, 30, 41–62.
Monsma, E.V., Short, S.E., Hall, C.R., Gregg, M. & Sullivan, P. Munzert, J., Lorey, B. & Zentgraf, K. (2009). Cognitive motor
(2009). Psychometric properties of the revised Move- processes: The role of motor imagery in the study of
ment Imagery Questionnaire (MIQ-R). Journal of Imagery motor representation. Brain Research Reviews, 60,
Research in Sport and Physical Activity, 4 (1), Art. 9. 306–326.
234 Literatur

Munzert, J. & Möllmann, H. (1997). Zeitliche Dauer mental Page, S.J., Levine, P., Sisto, S. & Johnston, M.V. (2001b). A
simulierter Bewegungshandlungen im Badminton. randomized efficacy and feasibility study of imagery in
Psychologie und Sport, 4, 102–113. acute stroke. Clinical Rehabilitation, 15, 233–240.
Murphy, S. M. (1994). Imagery interventions in sport. Page, S.J., Sime, W. & Nordell, K. (1999). The effects of imagery
Medicine and Science in Sports and Exercise, 26, on female college swimmers’ perception of anxiety. The
486–494. Sport Psychologist, 13, 458–469.
Myers, D.G. (2005). Psychologie. Berlin, Heidelberg, New York: Page, S.J., Szaflarski, J.P., Eliassen, J.C., Pan, H. & Cramer, S.C.
Springer. (2009). Cortical plasticity following motor skill learning
Müller, K., Bütefisch, C.M., Seitz, R.J. & Hömberg, V. (2007). during mental practice in stroke. Neurorehabilitation and
Mental practice improves hand function after hemipare- Neural Repair, 23 (4), 382–388.
tic stroke. Restorative Neurology and Neuroscience, 25, Page, S.J., Dunning, K., Hermann, V., Leonard, A. & Levine, P.
501–511. (2011). Longer versus shorter mental practice sessions
Müller, W.K., Ziegler, R., Bauer, A. & Soldner, E.H. (1995). Virtual for affected upper extremity movement after stroke.
reality in surgical arthroscopic training. Journal of Image A randomized controlled trial. Clinical Rehabilitation, 25,
Guided Surgery, 1, 288–294. 627–637.
Nachemson, A.L. (1992). Newest knowledge of low back Paivio, A. (1985). Cognitive and motivational functions of
pain: a critical look. Clinical Orthopaedics and Related imagery in human performance. Canadian Journal of
Research, 279, 8–20. Applied Sports Science, 10, 22–28.
Naito, E., Kochiyama, T., Kitada, R., Nakamura, S., Matsumura, Palágyi, M. (1924). Naturphilosophische Vorlesungen. Über
M., Yonekura, Y. & Sadato, N. (2002). Internally simulated die Grundprobleme des Bewußtseins und des Lebens.
movement sensations during motor imagery activate Leipzig: Barth.
cortical motor areas and the cerebellum. The Journal of Palmer, S. (1992). A comparison of mental practice tech-
Neuroscience, 22, 3683–3691. niques as applied to the developing competitive figure
Nakata, H., Yoshie, M., Miura, A. & Kudo, K. (2010). Characte- skater. The Sport Psychologist, 6, 148–155.
ristics of the athletes’ brain: Evidence from neurophy- Papaxanthis, C., Schieppati, M., Gentili, R. & Pozzo, T. (2002a).
siology and neuroimaging. Brain Research Reviews, 62, Imagined and actual arm movements have similar du-
197–211. rations when performed under different conditions of
Neuhauser, H., Ellert, U. & Ziese, T. (2005). Chronische direction and mass. Experimental Brain Research, 143,
Rückenschmerzen in der Allgemeinbevölkerung in 447–452.
Deutschland 2002/2003: Prävalenz der besonders Papaxanthis, C., Pozzo, T., Skoura, X. & Schieppati, M. (2002b).
betroffenen Bevölkerungsgruppen. Das Gesundheits- Does order and timing in performance of imagined and
wesen, 67, 685–693. actual movements affect the motor imagery process?
Newson, J., Knight, P. & Balnave, R. (2003). Use of mental The duration of walking and writing task. Behavioural
imagery to limit strength loss after immobilization. Sport Brain Research, 134, 209–215.
Rehabilitation, 12, 249–258. Pascual-Leone, A., Dang, N., Cohen, L.G., Brasil-Neto, J.P., Cam-
Nicholls, A., Polmann, R. & Holt, N. (2005). The effects of indi- marota, A. & Hallett, M. (1995). Modulation of muscle
vidualized imagery interventions on golf performance responses evoked by transcranial magnetic stimulation
and flow states. Athletic Insight: Online Journal of Sport during the acquisition of new fine motor skills. Journal of
Psychology, 7, 1. Neurophysiology, 74, 1037–1045.
Nico, D., Daprati, E., Rigal, F., Parsons, L. & Sirigu, A. (2004). Pascual-Leone, A., Grafman, J. & Hallett, M. (1994). Modu-
Left and right hand recognition in upper limb amputees. lation of cortical motor output maps during develop-
Brain, 127, 120–132. ment of implicit and explicit knowledge. Science, 263,
Niethard, F.U. & Pfeil, J. (1997). Orthopädie. Stuttgart: Hippo- 1287–1289.
krates. Pearson, L. & Jones, G. (1992). Emotional effects of sports
Nordin, S.M., & Cumming, J. (2005). Professional dancers injuries: Implication for physiotherapists. Physiotherapy,
describe their imagery: Where, when, what, why, and 78, 762–770.
how. The Sport Psychologist, 19, 395–416. Perry, J. (1992). Gait analysis. Thorofare: Slack.
Olsson, C.–J. & Nyberg, L. (2010). Motor imagery: If you can’t Phipps, S. & Morehouse, C. (1969). Effects of mental practice
do it, you won’t think it. Scandinavian Journal of Medi- on the acquisition of motor skills of varied difficulty.
cine & Science in Sports, 20, 711–715. Research Quarterly, 40, 773–778.
Page, S.J. (2000). Imagery improves upper extremity motor Pickel, K.L. (2004). When a lie becomes truth: The effects of
function in chronic stroke patients. Occupational The- self-generated misinformation on eyewitness memory.
rapy Journal of Research, 20, 200–215. Memory, 12, 14–26.
Page, S.J., Levine, P., Sisto, S.A. & Johnston, M.V. (2001a). Men- Pithan, J.M. & Stoll, O. (2012). Technische Lösung zur Erwei-
tal practice combined with physical practice for upper- terung des videogestützten Techniktrainings im Wasser-
limb motor deficit in subacute stroke. Physical Therapy, springen um die interne Perspektive. Leistungssport, 42,
81, 1455–1462. 20–24.
235
Literatur

Porro, C.A., Francescato, M.P., Cettolo, V., Diamond, M.E., gining of complex human movements. Neurology, 43,
Baraldi, P., Zuiani, C., Bazzocchi, M. & di Prampero, P.E. 2311–2318.
(1996). Primary motor and sensory cortex activation Reed, C.L. (2002). Chronometric comparisons of imagery to
during motor performance and motor imagery: A func- action: Visualizing versus physically performing spring-
tional magnetic resonance imaging study. The Journal of board dives. Memory and Cognition, 30, 1169–1178.
Neuroscience, 16, 7688–7698. Reichert, H. (2000). Neurobiologie. Stuttgart, New York:
Porro, C.A., Cettolo, V., Francescato, M.P., & Baraldi, P. (2000). Thieme.
Ipsilateral involvement of primary motor cortex during Reidick, C. (2007). Mentales Training im Kinder- und Jugend-
motor imagery. European Journal of Neuroscience. 12, hochleistungssport – unter Berücksichtigung des 100m-
3059–3063. Hürdenlaufs. Heidelberg: Universität Heidelberg.
Post, P.G., Wrisberg, C.A. & Mullins, S. (2010). A field test of Reidick, C. & Mayer, J. (2007). Mentales Training im Kinder-
the influence of pre-game imagery on basketball free und Jugendhochleistungssport. Technikerwerb 100 m
throw shooting. Journal of imagery research in sport and Hürden. In F. Ehrenspiel, J. Beckmann, S. Maier, Ch. Heiss
physical activity, 5 (1), Art. 2. & D. Waldenmayer (Hrsg.), Diagnostik und Intervention.
Prather, D.C. (1973). Prompted mental practice as a flight Bridging the gap (S. 112). Hamburg: Czwalina.
simulator. Journal of Applied Psychology, 57, 353–355. Reif, A.E. (1986). Risks und gains. In P.F. Vinger (Ed.), Sports
Predebon, J. & Docker, S. (1992). Free-throw shooting perfor- injuries (pp. 48–57). Littleton, MA: PSG Publishing Com-
mance as a function of preshot routines. Perceptual and pany.
Motor Skills, 75, 167–171. Reiser, M. (2005). Kraftgewinne durch Vorstellung maximaler
Prinzel, L.J., Pope, A. & Freeman, F.G. (2002). Physiological self- Muskelkontraktionen. Zeitschrift für Sportpsychologie,
regulation and adaptive automation. The International 12, 11–21.
Journal of Aviation Psychology, 12, 179–196. Reiser, M., Büsch, D. & Munzert, J. (2011). Strength gains by
Prystowsky, J.B., Regehr, G., Rogers, D.A., Loan, J.P., Hiemenz, motor imagery with different ratios of physical to mental
L.L. & Smith, K.M. (1999). A virtual reality module for practice. Frontiers in Psychology, 2, 194.
intravenous catheter placement. The American Journal Rheinberg, F. (2000). Motivation. Stuttgart: Kohlhammer.
of Surgery, 177, 171–175. Riccio, I., Iolascon, G., Barillari, M.R., Gimigliano, R. & Gimi-
Puni, A.Z. (1961). Abriß der Sportpsychologie. Berlin: Sport- gliano, F. (2010). Mental practice is effective in upper
verlag. limb recovery after stroke: A randomized single-blind
Quinn, A.M. & Fallon, B.J. (1999). The changes in psychological cross-over study. European Journal of Physical and Reha-
characteristics and reactions of elite athletes from injury bilitation Medicine, 46, 19–25.
onset until full recovery. Journal of Applied Sport Psy- Richardson, A. (1967). Mental practice: A review and discus-
chology, 11, 210–229. sion (Part I & II). Research Quarterly, 38, 95–107, 263–273.
Raab, M. (2003). Implicit and explicit learning of decision Rieble, R., Seemann-Mostert, N. & Volkert, R. (1986). Rehabi-
making in sports is effected by complexity of situation. litation prothetisch versorgter Arm- und Beinamputier-
International Journal of Sport Psychology, 34, 273–288. ter. In A. von Mülmann (Hrsg.), Krankengymnastik bei
Radulescu, P.V., Adam, J.J. & Fischer, M.H. (2010). Fitt’s Law viola- Verletzungsfolgen am Bewegungsapparat (S. 245–296).
tion and motor imagery: are imagined movements truth- München: Pflaum.
ful or lawful? Experimental Brain Research, 201, 607–611. Rizzolatti, G., Fadiga, L., Gallese, V. & Fogassi, L. (1996). Premo-
Ram, N., Riggs, S.M., Skailing, S., Landers, D.M. & McCullagh, tor cortex and the recognition of motor actions. Cogni-
P. (2007). A comparison of modelling and imagery in tive Brain Research, 3, 131–141.
the acquistion and retention of motor skills. Journal of Robazza, C. & Bortoli, L. (1998). Mental preparation strategies
Sports Sciences, 25 (5), 587–597. of olympic archers during competition: an exploratory
Ramachandran, V.S. & Blakeslee, S. (2002). Die blinde Frau, die investigation. High Ability Studies, 9, 219–235.
sehen kann. Rätselhafte Phänomene unseres Bewusst- Ross, J.S., Tkach, J., Ruggieri, P.M., Lieber, M. & Lapresto, E.
seins. Reinbek: Rowohlt. (2003). The mind’s eye: Functional MR imaging evalua-
Ranganathan, V.K., Kuykendall, T., Siemionow, V. & Yue, G.H. tion of golf motor imagery. American Journal of Neurora-
(2002). Level of mental effort determines training- diology, 24, 1036–1044.
induced strength increases. Society for Neuroscience, Ross, M.J. & Berger, R.S. (1996). Effects of stress inoculation
Abstracts, 32, 768.3. training on athletes’ postsurgical pain and rehabilitation
Ranganathan, V.K., Siemionow, V., Liu, J.Z., Sahgal, V. & Yue, after orthopedic injury. Journal of Consulting and Clini-
G.H. (2004). From mental power to muscle power – gai- cal Psychology, 64, 406–410.
ning strength by using the mind. Neuropsychologia, 42, Ross, S.L. (1985). The effectiveness of mental practice in
944–956. improving the performance of college trombonists.
Rao, S.M., Binder, J.R., Bandettini, P.A., Hammeke, T.A., Yetkin, Journal of Research in Music and in Music Education, 33,
F.Z., Jesmanowicz, A., Lisk, L.M., Morris, G.L., Mueller, 221–230.
W.M., Estkowski, L.D., Wong, E.C., Haughton, V.M. & Rotella, R., Gansneder, B., Ojala, D. & Billing, J. (1980). Cogni-
Hyde, J.S. (1993). Functional magnetic resonance ima- tions and coping strategies of elite skiers: an exploratory
236 Literatur

study of young developing athletes. Journal of Sport management und Diagnosekompetenz (S. 193–210).
Psychology, 2, 350–354. Zürich: Verein der Fachverlage.
Roth, G. & Menzel, R. (2001). Neuronale Grundlagen kogni- Scheier, M.F. & Carver, C.S. (1985). Optimism, coping, and
tiver Leistungen. In J. Dudel, R. Menzel & R.F. Schmidt health: Assessment and implications of generalized out-
(Hrsg.), Neurowissenschaft – Vom Molekül zur Kognition come expectancies. Health Psychology, 4, 219–247.
(S. 543–562). Berlin, Heidelberg, New York: Springer. Schieber, M.H. (1999). Somatotopic gradients in the distri-
Roth, M., Decety, J., Raybaudi, M., Massarelli, R., Delon-Martin, buted organization of the human primary motor cortex
C., Segebarth, C., Morand, S., Gemignani, A., Décorps, M. hand area: Evidence from small infarcts. Experimental
& Jeannerod, M. (1996). Possible involvement of primary Brain Research, 128, 139–148.
motor cortex in mentally simulated movement: A func- Schlicht, W. (1992). Mentales Training: Lern- und Leistungs-
tional magnetic resonance imaging study. NeuroReport, gewinne durch Imagination? Sportpsychologie, 2,
7, 1280–1284. 24–29.
Rotter, J.B. (1971). Generalized expectancies for interpersonal Schmidt, R.A. (1975). A schema theory of discrete motor skill
trust. American Psychologist, 26, 443–452. learning. Psychological Review, 82, 225–260.
Roure, R., Collet, C., Deschaumes-Molinaro, C., Dittmar, A., Rada, Schmidt, R.M. & Hoffmann, F. (2002). Klinik. In. M. Schmidt & F.
H., Delhomme, G. & Vernet-Maury, E. (1998). Autonomic Hoffmann (Hrsg.), Multiple Sklerose (S. 44–49). München:
nervous system responses correlate with mental rehearsal Urban & Fischer.
in volleyball training. European Journal of Applied Physio- Schmidt, U. & Schleiffenbaum, E. (2000). Sportpsychologi-
logy and Occupational Physiology, 78, 99–108. sche Beratung und Betreuung der Volleyball Damen-
Rubin-Rabson, G. (1941). Studies in the psychology of me- nationalmannschaft in der Vorbereitungsphase auf
morizing piano music. VI: A comparison of two forms of eine Europameisterschaft. Psychologie und Sport, 2,
mental rehearsal and keyboard overlearning. Journal of 42–50.
Educational Psychology, 32, 593–602. Schneider, M.O. (2006). Mentales Training in der Rehabilita-
Rubinstein, J.S., Meyer, D.E. & Evans, J.E. (2001). Executive tion nach distaler Radiusfraktur. Heidelberg: Universität
control of cognitive processes in task switching. Journal Heidelberg.
of Experimental Psychology – Human Perception and Schott, U. (1996). Streß und Stressverarbeitungsmechanismen
Performance, 27, 763–797. in der Rehabilitation nach Sportverletzungen. Unveröff.
Ryska, T. (1998). Cognitive-behavioral strategies and precom- Diplomarbeit, Frankfurt a.M.: Johann-Wolfgang-Goethe-
petitive anxiety among recreational athletes. Psychologi- Universität.
cal Record, 48, 697–708. Schott, N. (2012). Age-related differences in motor imagery:
Sabate, M., Gonzalez, B. & Rodriguez, M. (2004) Brain laterali- Working memory as a mediator. Experimental Aging
zation of motor imagery: Motor planning asymmetry as Research, 38: 559–583.
a cause of movement lateralization. Neuropsychologia, Schott, N. (2013). Test zur Kontrollierbarkeit der Bewegungs-
42, 1041–1049. vorstellungsfähigkeit (TKBV) bei älteren Erwachsenen.
Sadeghi, H., Omar-Fauzee, M.S., Jamalis, M., Ab-Latif, R. & Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 46, 663–672.
Cheric, M.C. (2010). The mental skills training of univer- Schott, N. & Korbus, H. (2014). Preventing functional loss
sity soccer players. International Education Studies, 3 during immobilization after osteoporotic wrist fractu-
(82), 81–90. res in elderly patients: A randomized clinical trial. BMC
Saimpont, A., Malouin, F., Tousignant, B. & Jackson, Ph.L. Musculoskeletal Disorders, 15, 287.
(2013). Motor imagery and aging. Journal of Motor Schott, N., Frenkel, M.-O., Korbus H. & Francis, K.L. (2013).
Behavior, 45, 21–28. Mental practice in orthopedic rehabilitation: Where,
Salmon, J., Hall, C. & Haslam, I. (1994). The use of imagery by what, and how? A case report. Movement & Sport Scien-
soccer players. Journal of Applied Sport Psychology, 6, ces, 82, 93–103.
116–133. Schuler, H. (2007). Organisationspsychologie. Bern: Huber.
Savoy, C. (1993). A yearly mental training program for a college Schüle, K. (1997). Sport in der Rehabilitation von Patienten
basketball player. The Sport Psychologist, 7, 173–190. mit künstlichen Hüftgelenken – Sozialmedizinische und
Savoy, C. (1997). Two individualized mental training programs pädagogische Aspekte. In L. Zichner, M. Engelhardt & J.
for a team sport. International Journal of Sport Psycho- Freiwald (Hrsg.). Sport bei Arthrose und nach endopro-
logy, 28, 259–270. thetischem Einsatz (S. 113–122). Wehr: Ciba-Geigy.
Savoy, C. & Beitel, P. (1996). Mental imagery for basketball. Schüle, K. & Schnieders, S. (2000). Anhang. In K. Schüle & G.
International Journal of Sport Psychology, 27, 454–462. Huber (Hrsg.). Grundlagen der Sporttherapie (S. 263–
Schack, T. (2007). Repräsentation und Bewegungssteuerung 287). München: Urban & Fischer.
– die kognitiv-perzeptuelle Perspektive. Zeitschrift für Schuster, C., Hilfiker, R., Amft, O., Scheidhauer, A., Andrews, B.,
Sportpsychologie, 14, 104–113. Butler, J., Kischka, U. & Ettlin, Th. (2011). Best practice for
Schaper, N. & Sonntag, K. (1997). Kognitive Trainingsmetho- motor imagery: A systematic literature review on motor
den zur Förderung diagnostischer Problemlösefähig- imagery training elements in five different disciplines.
keiten. In K. Sonntag & N. Schaper (Hrsg.), Störungs- BMC Medicine, 9, 75.
237
Literatur

Schuster, C., Glässel, A., Scheidhauer, A., Ettlin, Th. & Butler, Smith, A.M., Young, M.L. & Scott, S.G. (1988). The emotional
J. (2012). Motor imagery experiences and use: Asking responses of athletes to injury. Canadian Journal of Sport
patients after stroke where, when, what, why, and how Sciences, 13, 84–85.
they use imagery. A qualitative investigation. Stroke Smith, D., Collins, D. & Holmes, P. (2003). Impact and
Research and Treatment, Article ID 503190. mechanism of mental practice effects on strength.
Schwab Reese, L.M., Pittsinger, R. & Yang, J. (2012). Effective- International Journal of Sport and Exercise Psychology,
ness of psychological intervention following sport injury. 1, 293–306.
Journal of Sport and Health Science, 1, 71–79. Smith, D. & Holmes, P. (2004). The effect of imagery modality
Schwartz, G.E., Brown, S. L. & Ahern, S.L. (1980). Facial muscle on golf putting performance. Journal of Sport and Exer-
patterning and subjective experience during affective cise Psychology, 26, 385–395.
imagery: Sex differences. Psychophysiology, 17, 75–82. Smith, D., Holmes, P., Whitemore, L., Collins, D. & Devonport,
Schwarzer, A., Glaudo, S., Zenz, M. & Maier, C. (2007). Spiegel- D. (2001). The effect of theoretically based imagery
therapie – ein neues Verfahren in der Therapie neuro- scripts on field hockey performance. Journal of Sport
pathischer Schmerzen. Deutsche Medizinische Wochen- Behavior, 24, 408–419.
schrift, 132, 2159–2162. Smith, D., Wright, C.J. & Cantwell, C. (2008). Beating the bun-
Schwarzer, R. (1996). Psychologie des Gesundheitsverhaltens. ker: The effect of PETTLEP imagery on golf bunker shot
Göttingen: Hogrefe. performance. Research Quarterly for Exercise and Sport,
Seabourne, T., Weinberg, R. & Jackson, A. (1984). Effect of indi- 79 (3), 1–7.
vidualized practice and training of visuo-motor behavior Sonnenschein, I. (1985). Progressive Relaxation. In H. Gabler,
rehearsal in enhancing karate performance. Journal of H. Haase, O. Hug & H. Steiner (Hrsg.), Psychologische
Sport Behavior, 7, 58–67. Diagnostik und Beratung im Leistungssport. Orien-
Selye, H. (1953). Einführung in die Lehre vom Adaptationssyn- tierungshilfen für die Praxis des Trainers (S. 183–198).
drom. Stuttgart, New York: Thieme. Frankfurt a.M.: Deutscher Sportbund.
Shackell, E. M. & Standing, L.G. (2007). Mind over matter: Sonntag, K. (1993). Kognitive Trainingsverfahren. In C.K.
Mental training increases physical strength. North Ameri- Friede & K. Sonntag (Hrsg.). Berufliche Kompetenz durch
can Journal of Psychology, 9 (1), 189–200. Training (S. 47–70). Heidelberg: Sauer.
Shadmer, R. & Holcomb, H.H. (1997). Neural correlates of Sonntag, K. (1996). Lernen im Unternehmen. München: C.H.
motor memory consolidation. Science, 277, 821–825. Beck.
Sharma, N. & Baron, J.-C. (2013). Does motor imagery share Sonntag, K. & Schaper, N. (1988). Kognitives Training zur Be-
neural networks with executed movement: A multivariate wältigung steuerungstechnischer Aufgabenstellungen.
fMRI analysis. Frontiers in Human neuroscience, 7, 564. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 32,
Shearer, D., Mellalieu, S., Shearer, C. & Roderique-Davies, G. 128–138.
(2009). The effects of a video-aided imagery intervention Speed, C. (2004). Low back pain. British Medical Journal, 328,
upon collective efficacy in an international paralympic 1119–1121.
wheelchair basketball team. Journal of imagery research Spitzer, M. (1996). Geist im Netz. Heidelberg: Spektrum.
in sport and physical activity, 4(1), Art. 2. Spitzer, M. (2002). Lernen. Gehirnforschung und die Schule
Sherrington, C.S. (1906). The integrative action of the nervous des Lebens. Heidelberg: Spektrum.
system. New York: C. Scribner’s Sons. Spitzer, M. (2003). Selbstbestimmen. Gehirnforschung und
Shick, J. (1970). Effects of mental practice on selected vol- die Frage. Was sollen wir tun? Heidelberg: Spektrum
leyball skills for college women. Research Quarterly, 41, Akademischer Verlag.
88–94. Steenbergen, B., Crajé, C., Nilsen, D.M. & Gordon, A.M.
Short, E.S., Tentute, A. & Feltz, D.L. (2005). Imagery use in (2009). Motor imagery training in hemiplegic cerebral
sport: Mediational effects for efficacy. Journal of Sports palsy: a potentially useful therapeutic tool for rehabi-
Sciences, 23, 951–960. litation. Developmental Medicine & Child Neurology,
Silbernagl, S. & Despopoulos, A. (2001). Taschenatlas der 51, 690–696.
Physiologie. Stuttgart: Thieme Steinbrück, K. (1999). Epidemiologie von Sportverletzungen
Silva, J. (1982). Competitive sport environment: Performance – 25-Jahres-Analyse einer sportorthopädisch-trauma-
enhancement through cognitive intervention. Behavior tologischen Ambulanz. Sportverletzung, Sportschaden,
Modification, 6, 443–463. 13, 38–52.
Simonton, O.C., Simonton, S.M. & Creighton, J. (1996). Wieder Steininger, K. (1982). Luftfahrtpsychologie in Deutschland.
gesund werden. Reinbek: Rowohlt. Psychologische Rundschau, 33, 265–288.
Sirigu, A., Duhamel, J.R., Cohen, L., Pillon, B., Dubois, B. & Agid, Sterr, A., Müller, M.M., Elbert, T., Rockstroh, B., Pantev, C. &
Y. (1996). The mental representation of hand movements Taub, E. (1998). Changed perceptions in Braille readers.
after parietal cortex damage. Science, 273, 1564–1568. Nature, 391, 134–135.
Smith, A.M., Scott, S.G., O’Fallon, W. & Young, M.L. (1990). The Stevens, J.A. & Stoykov, M.E. (2003). Using motor imagery in
emotional responses of athletes to injury. Mayo Clinic the rehabilitation of hemiparesis. Archives of Physical
Proceedings, 65, 38–50. Medicine & Rehabilitation, 84, 1090–1092.
238 Literatur

Stinear, C.M., Byblow, W.D., Steyvers, M., Levin, O. & Swinnen, Timmermans, A.A., Verbunt, J.A., van Woerden, R., Moen-
S.P. (2006). Kinesthetic, but not visual, motor imagery nekens, M., Pernot, D.H. & Seelen, H.A. (2013). Effect of
modulates corticomotor excitability. Experimental Brain mental practice on the improvement of function and
Research, 168, 157–164. daily avtivity performance of the upper extremity in
Suedfeld, P., Collier, D. & Hartnett, B. (1993). Enhancing patients with subacute stroke: A randomized clinical trial.
perceptual-motor accuracy through flotation REST. The Journal of The American Medical Directors Association,
Sport Psychologist, 7, 151–159. 14, 204–212.
Suinn, R. M. (1972). Removing emotional obstacles to lear- Tobin, D., Nadalin, E. J., Munroe-Chandler, K. J. & Hall, C.R.
ning and performance by visuo-motor behavior rehear- (2013). Children’s active play imagery. Psychology of
sal. Behavior Therapy, 3, 308–310. Sport and Exercise 14, 371–378.
Sulser, C. (1985). Eine schwere Knieverletzung aus der Sicht Tokumaru, O., Mizumotoa, C., Takadaa, Y., Ashida, H. (2003).
des Fußballers. Schweizer Zeitschrift für Sportmedizin, EEG activity of aviators during imagery flight training.
4, 143–146. Clinical Neurophysiology, 114, 1926–1935.
Surburg, P. (1968). Audio, visual, and audio-visual instruction Tomasino, B., Rumiati, R.I. & Umilta, C.A. (2003). Selective defi-
with mental practice in developing the forehand tennis cit of motor imagery as tapped by a left-right decision of
drive. Research Quarterly, 39, 728–734. visually presented hands. Brain & Cognition, 53, 376–380.
Sweigard, L.E. (1974). Human movement potential: its ideoki- Trepel, M. (2004). Neuroanatomie: Struktur und Funktion.
netic facilitation. New York: Dodd, Mead. München: Urban & Fischer.
Sweller, J. (1988). Cognitive load during problem-solving: Troidl, H. (1995). Fehleranalyse – Methode zur Vermeidung
Effects on learning. Cognitive Science, 12, 257–285. von Fehlern/Komplikationen in der Chirurgie. In K. Kre-
Sweller, J. & Sweller, S. (2006). Natural information processing mer, W. Platzer & H.W. Schreiber (Hrsg.), Chirurgische
systems. Ecological Psychology, 4, 434–458. Operationslehre, Bd. 7, Teil 2: Minimal-invasive Chirurgie
Szameitat, A., Shen, S. & Sterr, A. (2006). Motor imagery of (S. 315–323). Stuttgart: Thieme.
complex everyday movements. An fMRI study. NeuroI- Troidl, H. (1996). Technologie: Trainingszentren – Eine neue
mage, 34, 702–713. Form des Operierenlernens in der Viszeralchirurgie.
Tamir, R., Dickstein, R. & Hubermann, M. (2007). Integration of Langenbecks Archiv für Chirurgie (Supplement II, Kon-
motor imagery and physical practice in group treamtent gressband), 113, 727–741.
applied to subjects with Parkinson’s disease. Neuroreha- Udry, E., Gould, D., Bridges, D. & Beck, L. (1997). Down but not
bilitation and Neural Repair, 21 (1), 68–75. out: Athletes responses to season-ending injuries. Jour-
Taylor, H., Lintern, G., Hulin, C.L., Talleur, D.A., Emanuel, T.W. & nal of Sport & Exercise Psychology, 19, 229–248.
Phillips, S.I. (1999). Transfer of training effectiveness of a Ueblacker, P., Gebauer, M., Ziegler, M., Braumann, K.-M. &
personal computer aviation training device. The Inter- Rueger, J.M. (2005). Verletzungen und Fehlbelastungsfol-
national Journal of Aviation Psychology, 9, 319–335. gen im Sport. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsfor-
Taylor, J. & Shaw, D. (2002). The effects of outcome imagery schung – Gesundheitsschutz, 48, 927–938.
on golf-putting performance. Journal of Sports Sciences, Uexküll, T. von, Fuchs, M., Müller-Braunschweig, H.M. &
20, 607–613. Johnen, R. (1994). Subjektive Anatomie. Stuttgart:
Thelwell, R. & Greenlees, I. (2003). Developing competitive Schattauer.
endurance performance using mental skills training. The Ulich, E. (2005). Arbeitspsychologie. Stuttgart: Schäfer-
Sport Psychologist, 17, 318–337. Poeschel.
Thelwell, R., Greenlees, I. & Weston, N. (2006). Using psycholo- Ungerleider, S. & Golding, J. (1991). Mental practice among
gical skills training to develop soccer performance [Elek- Olympic athletes. Perceptual and Motor Skills, 72,
tronische Version]. Journal of Applied Sport Psychology, 1007–1017.
18, 254–270. Ungerleider, S., Golding, J., Porter, K. & Foster, J. (1989). An
Thelwell, R. & Maynard, I. (2003). The effects of a mental skills exploratory examination of cognitive strategies used by
package on ‘repeatable good performance’ in cricketers. masters track and field athletes. The Sport Psychologist,
Psychology of Sport and Exercise, 4, 377–396. 3, 245–253.
Thill, E.E., Bryche, D., Poumarat, G. & Rigoulet, N. (1997). Task- Van Gyn, G., Wenger, H. & Gaul, C. (1990). Imagery as a
involvement and ego-involvement goals during actual method of enhancing transfer from training to perfor-
and imagined movements: Their effects on cognitions mance. Journal of Sport and Exercise Psychology, 12,
and vegetative responses. Behavioral Brain Research, 82, 243–250/366–375.
159–167. Vandell, R., Davis, R. & Clugston, H. (1943). The function of
Thomas, P. & Fogarty, G. (1997). Psychological skills training in mental practice in the acquisition of motor skills. Journal
golf: the role of individual differences in cognitive prefe- of General Psychology, 29, 243–250.
rences. The Sport Psychologist, 11, 86–106. Velentzas, K., Heinen, T., & Schack, T. (2011). Routine integra-
Thomas, P. & Over, R. (1994). Psychological and psychomotor tion strategies and their effects on volleyball serve per-
skills associated with performance in golf. The Sport formance and players' movement mental representation.
Psychologist, 8, 73–86. Journal of Applied Sport Psychology, 23, 209–222.
Literatur
239 11
Veraksa, A.N. & Gorovaya, A.E. (2011). Effects of imagination White, A. & Hardy, L. (1998). An in-depth analysis of the uses
on sport achievements of novice soccer players. Psycho- of imagery by high level slalom canoeists and artistic
logy in Russia: State of the Art, 4, 495–504. gymnasts. The Sport Psychologist, 12, 387–403.
Visser, J. (2003). Developmental coordination disorder: A re- White, T.W., Holmes, D.S. & Bennett, D.H. (1977). Effects of ins-
view of research on subtypes and comorbidities. Human tructions, biofeedback, and cognitive activities on heart
Movement Science, 22, 479–493. rate control. Journal of Experimental Psychology: Human
Voisina, J.I.A., Merciera, C., Jackson, Ph.L., Richards, C.L. & Learning & Memory, 3 (4), 477–484.
Malouin, F. (2011). Is somatosensory excitability more Whiteley, G. (1966). The effect of mental rehearsal in associ-
affected by the perspective or modality content of motor ation with physical practice in the acquisition of simple
imagery? Neuroscience Letters, 493, 33–37. gymnastic techniques. Research Papers in Physical Edu-
Vroom, V.H. (1964). Work and motivation. New York: Wiley. cation, 3, 29–41.
Wagaman, J., Barabasz, A. & Barabasz, M. (1991). Flotation Wiemeyer, J. (1994). Interne Bewegungsrepräsentationen.
REST and imagery in the improvement of collegiate Sportwissenschaft, 24, 233–235.
basketball performance. Perceptual and Motor Skills, 79, Wiemeyer, J. (1996). »Je mehr ich denke, desto schlechter
119–122. werde ich!« Psychologie und Sport, 3, 92–108.
Wang, Y. & Morgan, W.P. (1992). The effect of imagery per- Wilson, P.H. (2005). Approaches to assessment and treatment
spectives on the psychophysiological responses to of children with DCD: An evaluative review. Journal of
imagined exercise. Behavioural Brain Research, 52, Child Psychology and Psychiatry, 46, 806–823.
167–174. Wilson, P.H., Maruff, P., Butson, M., Williams, J., Lum, J. & Thomas,
Wasner, G., Schattenschneider, J., Binder, A., Siebrecht, D., P. (2004). Impairments in the internal representation of
Maier, C. & Baron, R. (2003). Das komplexe regionale movement in children with developmental coordination
Schmerzsyndrom. Neue Erkenntnisse. Der Anaesthesist, disorder (DCD): evidence from a mental rotation task. De-
52, 883–894. velopmental Medicine and Child Neurology, 46, 754–759.
Watson, M.E. & Rubin, D.C. (1996). Spatial imagery preserves Wilson, P.H., Maruff, P., Ives, S. & Currie, J. (2001). Abnorma-
temporal order. Memory, 4, 515–534. lities of motor and praxis imagery in children with de-
Watzlawick, P. (1998). Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Mün- velopmental coordination disorder. Human Movement
chen: Piper. Science, 20, 135–159.
Watzlawick, P. & Kreuzer, F. (1998). Die Unsicherheit unserer Wilson, P.H., Thomas, P. & Maruff, P. (2002). Motor imagery
Wirklichkeit. München: Piper. training ameliorates motor clumsiness in children. Child
Wei, G. & Luo, J. (2009). Sport expert’s motor imagery: Func- Neurology, 17, 491–498.
tional imaging of professional motor skills and simple Wolframm, I.A. & Micklewright, D. (2011). The effect of a men-
motor skills. Brain Research (in press, corrected proof ). tal training program on state anxiety and competitive
Weinberg, R. (2008). Does Imagery Work? Effects on perfor- dressage performance. Journal of Veterinary Behavior 6,
mance and mental skills. Journal of Imagery Research in 267–275.
Sport and Physical Activity, 3 (1), Art. 2. Wolpe, J. (1977). Praxis der Verhaltenstherapie. Bern: Huber.
Weinberg, R., Seabourne, T. & Jackson, A. (1981). Effects Wolpe, J. & Lazarus, A.A. (1966). Behaviour therapy tech-
of visuo-motor behavioral rehearsal, relaxation, and niques. Elmsford, NY: Pergamon Press.
imagery on karate performance. Journal of Sport Psycho- Woody, R.H. (2006). Musicians’ cognitive processing of
logy, 3, 228–238. imagery-based instructions for expressive performance.
Weinberg, R.S. (1981). The relationship between mental Journal of Research in Music Education, 52, 125–137.
preparation strategies and motor performance: A review Wriessnegger, S.C., Steyerl, D., Koschutnig, K. & Müller-Putz,
and critique. Quest, 33, 195–213. G.R. (2014). Short time sports exercise boosts motor
Weinberg, R.S. & Gould, D. (2007). Foundations of sport and imagery patterns: Implications of mental practice in
exercise psychology. Champaign, IL: Human Kinetics. rehabilitation programs. Frontiers in Human Neuro-
Weineck, J. (2002). Optimales Training. Leistungsphysiologi- science, 8, 469.
sche Trainingslehre unter besonderer Berücksichtigung Wrisberg, C. & Anshel, M. (1989). The effect of cognitive stra-
des Kinder- und Jugendtrainings. Balingen: Spitta. tegies on the free throw shooting performance of young
Weiss, M.R. & Troxel, R.K. (1986). Psychology of the injured athletes. The Sport Psychologist, 3, 95–104.
athlete. Athletic Training, 21, 104–109. Yaguez, L., Canavan, A.G., Lange, H.W. & Homberg, V. (1999).
Welk, A., Immenroth, M., Eberspächer, H. & Meyer, G. (2003). Motor learning by imagery is differentially affected in
Mental training in dental education. European Journal of Parkinson’s and Huntington’s diseases. Behavioural Brain
Dental Education, 7, 96. Research, 102, 115–127.
Wengler, A., Nimptsch, U. & Mansky, Th. (2014). Hüft- und Yerkes, R.M. & Dodson, J.D. (1908). The relation of strength of
Kniegelenkersatz in Deutschland und den USA: Auswer- stimulus to rapidity of habit-formation. Journal of Com-
tung deutscher und US-amerikanischer Krankenhaus- parative Neurology and Psychology, 18, 459–482.
einzelfalldaten von 2005 bis 2011. Deutsches Ärzteblatt, Yoo, E., Park, E. & Chung, B. (2001). Mental practice effect
111, 407–416. on line-tracing accuracy in persons with hemiparetic
240 Kapitel 11 · Literatur

stroke. Archives of Physical Medicine & Rehabilitation, 82,


1213–1218.
Yue, G. & Cole, K. (1992). Strength increases from the motor
programm: Comparison of training with maximal vo-
luntary and imagined muscle contractions. Journal of
Neurophysiology, 67, 1114–1123.
Zervas, Y. & Kakkos, V. (1991). Visuomotor behavior rehearsal
in archery shooting performance. Perceptual and Motor
Skills, 73, 1183–1190.
Zhang, H., Xu, L., Wang, S., Xie, B., Guo, J., Long, Z. & Yao, L.
(2011). Behavioral improvements and brain functional
alterations by motor imagery training. Brain Research,
1407, 17, 38–46.
Zichner, L. (1997). Der endoprothetische Gelenkersatz – eine
Standortbestimmung. In L. Zichner, M. Engelhardt & J.
Freiwald (Hrsg.), Sport bei Arthrose und nach endopro-
thetischem Einsatz (S. 63–69). Wehr: Ciba-Geigy.
Ziegler, S. (1987). Comparison of imagery styles and past
experiences in skills performance. Perceptual and Motor
Skills, 64, 579–586.
Ziemainz, H. (2002). Der Blitzwechsel. Mentales Training im
Triathlon: Eine Möglichkeit zur Optimierung der vierten
Disziplin. Triathlon und Duathlon, 6, 12–15.
Ziemainz, H., Stoll, O. & Küster, C. (2003). Evaluation psycholo-
gischen Trainings im triathlonspezifischen Disziplinwech-
sel. Unveröffentlichter Forschungsbericht. Köln: BISP
(Fördernummer: VF 0407/10/08/2001–2002).
Ziemainz, H., Stoll, O., Küster, C. & Adler, K. (2003). Evaluation
Mentalen Trainings im triathlonspezifischen Disziplin-
wechsel im Jugend- und Juniorenbereich. Leistungs-
sport, 33, 20–22.
Zijdewind, I., Toering, S.T., Bessem, B., van der Laan, O. &
Diercks, R.L. (2003). Effects of imagery motor training on
torque production of ankle plantar flexor muscles. Mu-
scle Nerve, 28, 168–173.
Zitterbarth, W. (1995). Gesundheit als gesellschaftliches
Konstrukt. In R. Lutz & N. Mark (Hrsg.), Wie gesund sind
Kranke? (S. 27–40). Göttingen: Hogrefe.
Quellenverzeichnis

J. Mayer, H.-D. Hermann, Mentales Training, DOI 10.1007/978-3-662-46819-7,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
242 Quellenverzeichnis

Abb. Seite Quelle


2.1 8 © Sascha Hördt
3.1 18 © Urbanhearts – Fotolia.com
3.2 19 Boring, E. (1930). A new ambiguous figure. American Journal of Psychology, 42
3.3 20 Boring, E. (1930). A new ambiguous figure. American Journal of Psychology, 42
4.1 29 © Peter Dick
7.1 57 Kandel, E. (1995). Essentials of neural science and behavior. New York: McGraw-Hill
7.2, 7.3 58, 59 Merzenich, M.M., Nelson, R.J., Stryker, M.P., Cynader, M.S., Schoppmann, A. & Zook, J.M. (1984). Soma-
tosensory cortical map changes following digit amputation in adult monkeys. The Journal of Compara-
tive Neurology, 224, 591–605. Reprinted with permission of Wiley-Liss, Inc., a subsidiary of John Wiley &
Sons, Inc.
7.4a-c 59 Spitzer, M. (2003). Selbstbestimmen. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag GmbH. Spektrum Aka-
demischer Verlag ist ein Imprint von Springer SBM
7.5 63 Hanakawa, T. Immisch, I., Toma, K., Dimyan, A., Van Gelderen, P. & Hallett, M. (2003). Functional properties
of brain areas associated with motor execution and imagery. Journal of Neurophysiology, 89, 989–1002.
Used with permission of The American Physiological Society
8.4 81 © Toutenphoton/Fotolia.com
8.6a, b 84 Reidick, C. (2007). Mentales Training im Kinder- und Jugendhochleistungssport – unter Berücksichtigung
des 100-m-Hürdenlaufs. Heidelberg: Universität Heidelberg
8.7 91 © spuno – Fotolia.com
8.8a, b 94 © Lovrencg – Fotolia.com
8.11 100 © David Möller
8.12 102 © Walter Luger – Fotolia.com
8.14 105 © Galina Barskaya – Fotolia.com
8.16 111 © alice rawson – Fotolia.com
8.18 113 © Vadim Blagodarnyi – Fotolia.com
8.19 117 © Matthias Nast – Fotolia.com
8.20 124 Eberspächer, H. & Immenroth, M. (1998). Kognitives Fertigkeitstraining im Mannschaftssport – Praxis-
bericht über den Einsatz im Fußball. Psychologie und Sport, 5, 16–27
9.1 138 Hermann, H.-D. & Eberspächer, H. (1994). Psychologisches Aufbautraining nach Sportverletzungen.
München: BLV
9.2 139 Hermann, H.-D. & Eberspächer, H. (1994). Psychologisches Aufbautraining nach Sportverletzungen.
München: BLV
9.3 142 Hermann, H.-D. & Eberspächer, H. (1994). Psychologisches Aufbautraining nach Sportverletzungen.
München: BLV
9.4 143 Hermann, H.-D. & Eberspächer, H. (1994). Psychologisches Aufbautraining nach Sportverletzungen.
München: BLV
9.5 145 Hermann, H.-D. & Eberspächer, H. (1994). Psychologisches Aufbautraining nach Sportverletzungen.
München: BLV
9.6a, b 146 Mit freundlicher Genehmigung: Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil,
Abteilung für Schmerztherapie
9.7 148 Hermann, H.-D. & Eberspächer, H. (1994). Psychologisches Aufbautraining nach Sportverletzungen.
München: BLV
9.8 153 Heckhausen, H. (1980). Motivation und Handeln. Berlin, Heidelberg, New York: Springer
9.9 167 Mayer, J. (2001). Mentales Training, ein salutogenes Therapieverfahren zur Bewegungsoptimierung.
Hamburg: Kovač
9.10b 167 Mayer, J. (2001). Mentales Training, ein salutogenes Therapieverfahren zur Bewegungsoptimierung.
Hamburg: Kovač
9.11a, b 169 Mayer, J., Görlich, P. & Eberspächer, H. (2003). Mentales Gehtraining – ein salutogenes Therapieverfahren
für die Rehabilitation. Berlin, Heidelberg, New York: Springer
9.12a-d 177 Gassner, K., Einsiedel, T., Linke, M., Görlich, P. & Mayer, J. (2007). Verbessert Mentales Training des Erlernen
der Gehbewegung mit Oberschenkelprothese. Der Orthopäde, 36, 673–678
9.13a-c 178 Hefti, F. (2006). Kinderorthopädie (Abb. 4.66). Berlin, Heidelberg, New York: Springer
10.1 184 © Christian Delbert – Fotolia.com
10.2a, b 185 Mit freundlicher Genehmigung: Klinik für Gynäkologie, Universitätsspital Zürich, Schweiz, und NCCR
Co-Me, Schweiz, 2007
10.3 188 Immenroth, M. (2003). Mentales Training in der Medizin. Anwendung in der Chirurgie und Zahnmedizin.
Hamburg: Kovač
243
Quellenverzeichnis

10.4 190 Mit freundlicher Genehmigung: Prodents.de, Kathrin Kutschenreiter, Hannover


10.5 190 Immenroth, M. (2003). Mentales Training in der Medizin. Anwendung in der Chirurgie und Zahnmedizin.
Hamburg: Kovač
10.6 191 © Brian Erickson – Fotolia.com
10.7 195 © Dmitry Nikolaev – Fotolia.com
10.8 199 © David Mathieu – Fotolia.com
10.9 199 Schuler et al., Lehrbuch Organisationspsychologie, ISBN 978-3-456-84458-9, Verlag Hans Huber 2007.
Copyright by Hogrefe, Verlag Hans Huber 2008
10.10 201 Sonntag, K. & Schaper, N. (1988). Kognitives Training zur Bewältigung steuerungstechnischer Aufgaben-
stellungen. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 32, 128–138
11.1 206 Birbaumer, N. & Schmidt, R.F. (2003). Biologische Psychologie (5. Aufl.). Berlin, Heidelberg, New York:
Springer, S. 304
11.3 208 Karnath, H.-O. & Thier, P. (Hrsg.). (2003). Neuropsychologie. Berlin, Heidelberg, New York: Springer

Tabelle
9.1 136 Hermann, H.-D. & Mayer, J. (2003). Psychologische Aspekte in der orthopädisch-traumatologischen
Rehabilitation nach Sportverletzungen. DVS-Informationen, 18, 8–12
9.2 157 Forschungsgebiete und -ziele bei der Anwendung von Mentalem Training bei Schlaganfallpatienten
Stichwortverzeichnis

J. Mayer, H.-D. Hermann, Mentales Training, DOI 10.1007/978-3-662-46819-7,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
246 Stichwortverzeichnis

fokussieren 12
A C Fragebogen zur Erfassung der
Vorstellungsfähigkeit 213
Action Approach (Ansatz des Carpenter-Effekt 44 funktionale Äquivalenz 61
ökologischen Realismus) 23 Cellospieler 58 funktionelle Magnetresonanzto-
Aktivationsregulation 13 Chirurgenausbildung 185 mografie 61, 211
American Football 122 Chirurgie 184 Fußball 123
Amputation 175 − minimalinvasive 184 − Eckstoßvariante 123
Arbeitsleben 182 − Trainingsprinzipien 188 − Mentales Mannschaftstraining
Aufmerksamkeit 9, 11, 75 − Wirksamkeit des Mentalen Trai- 123
Auswahlmannschaften 128 nings 189 − positionsspezifische Leistung
Chorea Huntington 163 125
Cricket 112 − Spielzug 123
CRPS 161, 162
B
Bandscheibenvorfall 169, 171
G
Basalganglien 210
D
Basketball 118 Gedächtnisspuren 20, 59
− Freiwurfleistung 118 Darts 85, 86 Gegnerverhalten 106, 107, 114,
Beanspruchung 182, 183 DCD 160, 161 117, 121
Beinlängenverkürzung 171 distale Radiusfraktur 172, 173 Golf 91, 92
Belastung 182, 183 − Abschlag 91, 93
Berufsalltag 183 − Yips 92
Bewegung 21, 23
Bewegungsbeschreibung 26,
E
71, 148
− Videoaufzeichnungen 148 Eishockey 120
H
Bewegungsdauer 47 − Spielsystem 120
− Überschätzung 48 − Spieltaktik 121 Handlungsorientierung 10
− Unterschätzung 47 Eishockeyspieler 76 Handlungsvorstellung 13
− zeitliche Äquivalenz 47 Eiskunstlauf 98 Hemiparetiker 157
Bewegungsrepräsentation 20 − Synchroneiskunstlauf 102 heuristische Regeln 199, 200,
Bewegungsvorstellung 8, 12, 14, EMG-Aktivität 44, 45 201, 202
16, 21, 23, 28, 32, 53, 62, 71, 73, Endoprothesenversorgung 165 Hüfttotalendoprothese 169
169, 171 − Mentales Gehtraining 166
− Ansätze 26 Ergebnis-Folge-Erwartung 153
− Aufbau von 26 Erkenntnis 17
− kindgerechter Aufbau 82 Erkenntnistheorie 17
I
Bewegung und Wahrnehmung
21 Immobilisation 172
− System 21 Informationsverarbeitung 17
bio-psycho-soziales System 9
F Informationsverarbeitungsansatz
Boxen 115 17
− individuelle Kampfkonzeption Feldhockey 121 Inspektion 16
115 − Siebenmeter 122 Interiorisationsmodell 202
Flow-Zustand 92 interne Bewegung 22
Fokus 11
Stichwortverzeichnis
247 A–M
− Effektstärken 37, 39
J L − Einzeltechniken 147, 149
− im Leistungssport 73, 77
Judo 116 Lageorientierung 10 − kardiovaskuläre Begleiterschei-
laparoskopische Cholezystektomie nungen 48, 49, 50
186 − komplexe Bewegungsfolgen
Leichtathletik 80 149
K − Diskuswurf 81 − Metaanalysen 37, 41
− Hürdenlauf 82 − mit Kindern 40, 74, 82, 107
Kanu 93 − Sprint 82 − Neurophysiologische Grund-
− Unterwasserausstieg 94 Leistungsschwimmer 39 lagen 206
− Wildwasserrennsport 94 Leistungssport 73, 77 − neurophysiologische Studien
Karate 114 − Anwendungsvielfalt des 64
kinästhetische Ansätze 29 Mentalen Trainings 77 − periphere Begleiterscheinungen
Klangvorstellung 196 − Einsatzmöglichkeiten des 44
Kleinhirn 62, 210 Mentalen Trainings 73 − Sinnesmodalitäten 12
Knotenpunkte 27, 72, 168 Luftfahrt 191 − Spielzüge 110
− Reduzierung 72 − Drehbücher 192 − Standardsituationen 110
− Rhythmisierung 27, 72 − kritische Flugsituation 192 − Vorbedingungen 30
− Schlagwörter 72 − Pilotenausbildung 192 − vor dem Einschlafen 73, 81
− symbolische Markierung 27 − Wasserlandung Segelflieger − Wirkmechanismen 50, 51
Kohärenzsinn 152 193 − Wirksamkeit 36, 37, 61
− Bedeutsamkeit 152, 154 − Wirkung des Mentalen Trainings − Wirksamkeit nach Sportverlet-
− Handhabbarkeit 152, 153, 154 194 zungen 150
− Verstehbarkeit 152, 153, 154 − Wirksamkeitsnachweise 41
Komplexität der Sportarten 78 Mentales Training aus der Beob-
Komplexitätsstufen 78 achterperspektive 31
− 7. Komplexitätsstufe 117
M mental-sprachliches Training 31
− Beschreibung 78 MIQ 213
− Komplexitätsstufe 1 80, 90 Medizinerausbildung 185 Morbus Parkinson 162, 163
− Komplexitätsstufe 2 90, 101 Meniskusläsion 174 Motivationsmodells 152
− Komplexitätsstufe 3 101 Mensch-Computer-Analogie 18 Motor Approach (Informationsver-
− Komplexitätsstufe 4 105, 109 mentale Landkarten 183 arbeitungsansatz) 22
− Komplexitätsstufe 5 110, 113 mentale Modelle 183 Motorikforschung 22
− Komplexitätsstufe 6 113, 116 Mentales Gehtraining 166, 178 motorische Fertigkeiten 74
− Komplexitätsstufe 7 125 − individuelle Bewegungsanwei- − Erlernen 74
Konstruktivismus 17 sung 168 − Stabilisierung 74
Kontralaterales Training 146 Mentales Mannschaftstraining − Trainieren 74
Konzentration 9 123 motorischer Kortex 208
Konzertpianist 195 Mentales Training 8, 12, 73 motorisches Lernen 60
Körperschema 23 − aus der Beobachterperspektive motorisches System 207
kortikale Reorganisation 57 31, 32, 50 motorisches Training 64, 65
Kraftzuwachs 38 − aus der Innenperspektive 31, Movement Imagery Questionnaire
Kreuzbandruptur 174 32, 50 (MIQ) 33
− beeinflussende Variablen 39 Multiple Sklerose 164, 165
− Beeinflussende Variablen 40 Multitasking 10
− Bewegungsinformationen 12 Musik 195
− Definition 12 − 8-Schritte-Modell 196
248 Stichwortverzeichnis

− Klangvorstellung 195 Progressive Muskelrelaxation 212 Schlaganfall 155


− Mentales Training in der musika- − Instruktionen 212 − Anwendung von Mentalem
lischen Ausbildung 197 Progressive Muskelrelaxation Training 157
− Wirksamkeit des Mentalen Trai- (PMR) 211 − Gehfähigkeit 159
nings 198 Propriozeption 23 − Greifbewegungen 159
Muskelentspannung 211 Prothesentraining 176, 178 Schmerzerleben 139
Schwimmen 88
− 50 m Freistil 88
− 100 m Delphin 89
N R Selbstgesprächsregulation 13
Selbstwirksamkeitserwartung 76
neurologische Rehabilitation Rasmussen-Syndrom 56 sensomotorisches System 206
151, 155 räumlich-bildhafte Ansätze 28 Sinnesmodalitäten 12, 13
neuronale Plastizität 56, 60 Reflexdystrophie 30 Sinnestäuschungen 19
Rehabilitation 144 Situations-Ergebnis-Erwartung
− Hauptziele des Mentalen Trai- 153
nings 144 Skifahrer 12, 75
O − neurologische 155, 165 Skisport 96
− orthopädische 165, 172 − alpiner Skirennsport 96
objektive Wirklichkeit 17 − Phasen 141 − Carvingschwung 96
Operation − psychische 135 − Slalom 97
− Deskription 186 − Spiegeltherapie 145 Skispringer 134
− Instruktion 186 − von Nichtsportlern 151 Solipsismus 18
Operationen 184 − Wirksamkeit des Mentalen Trai- somatosensorischer Kortex 57,
orthopädische Rehabilitation 151 nings 150 58
Reiten 103 Spiegelneurone 28
− Oxer 103 Spiegelneuronen 28
− Rennreiten 103 Spiegeltherapie 145
P − Springreiten 103 Sportartunspezifische Bewe-
Rennrodeln 99 gungen
Package Approach 129 − Rodelbahn 100 − Knotenpunkte 146
Pilotenausbildung 192, 194 Rhythmische Sportgymnastik 103 − Mentales Training 146
− bewegungssteuerndes Dreh- − Synchronizität 104 − Rhythmisierung 146
buch 193 Rückenschmerzen 169, 170 sportartunspezifische Übungen
− flugplanerisches Drehbuch 193 − Therapiemaßnahmen 170 144
− Mentale Simulation 191 Rückschlagspiel 110 − Aufbau einer Bewegungsvor-
Posaunen 198 Rückschlagspiele 106, 108 stellung 145
Positronenemissionstomografie Ruderrennen 49 Sportpsychologische Trainingsver-
210 Rugby 125 fahren 8, 13
prämotorischer Kortex 209 Sportverletzungen 133
prämotorisches Areal 61, 209 − Akutphase 141
primär-motorischer Kortex 61, − Alter 141
208, 209
S − Belastungsreaktionen 135, 137
Produktion/Fertigung 199 − erfolgreiche Rehabilitanden
− Steuerung von Fertigungsan- Salutogenesemodell 152 142
lagen 199 Schießen 86 − ganzheitliche Sichtweise 135
− Training mit heuristischen − Bogenschießen 87 − Individueller Stellenwert 140
Regeln 199, 200, 202 − Wurfscheibenschießen 86 − Persönlichkeitsmerkmale 139
Stichwortverzeichnis
249 M–Z
− Rehabilitationsvorbereitung und − Dual-code-Theorie 50
-findung 142 U − funktionale Äquivalenz 51
− Saisonzeitpunkt 141 − Gross Framework or Insight
− Schmerz 138, 139 Umgang mit Verletzungen 76 Theory 51
− Schwere der Verletzung 137 Umkehrplastik 178 − ideomotorische Hypothese 52
− soziales Umfeld 137 − kognitive Hypothese 52
− Sportart 141 − motivationale Ansätze 51
− sportliche Rehabilitation 142 − Programmierungshypothese
− Status 140
V 52, 64
− Ursachen der Verletzung 138 − psychoneuromuskuläre Theorie
− Verletzungsvorerfahrungen Videoaufzeichnungen 29, 71, 84, 50
141 108, 116, 146, 148 − Restriktionshypothese 53
− Vorbereitung auf den Wett- Violinspieler 58 − Selbstwirksamkeit/Selbstbe-
kampfalltag 142 VMBR-Methode 114, 118 wusstsein 51
sprachlich-symbolische Ansätze Volleyball 110, 111, 112 − Theorie des symbolischen
26 − Spielzüge 111 Lernens 50
Stress 183, 184 Vorstartzustand 183 − Triple-Code-Theorie 51
supplementär-motorisches Areal Vorstellungen 16 Wirksamkeitserwartung 33
61, 209 Vorstellungsentwicklung 70 Wirtschaftsleben 182
systematische Desensibilisierung Vorstellungsfähigkeit 32, 33, 39 Wissen 22
140 − Messinstrumente 33
Vorstellungsinhalte 40
− kinästhetische 32
Vorstellungstraining 31
Z
T
Zahnmedizin 189
taktische Handlungsabläufe 74 − Effekte des Mentalen Trainings
− Erlernen 74
W 190
− Stabilisierung 74 zeitliche Äquivalenz 46, 47, 72
− trainieren 74 Wahrnehmung 19, 21 zeitliche Übereinstimmung 72
taktisches Umlernen 126, 128 − als konstruktiver Prozess 17
Teammitglieder, Abstimmung − als selektiver Prozess 19
der 110 − repräsentationistisch 19
Tennis 106 − Sinnestäuschung 19
− Aufschlag 106 − solipsistisch 18
− taktisches Konzept 107 Wahrnehmungen 16, 20
− Vorhand-Drive 106 wettkampfähnliche Situation 182
Tennisspieler 12, 63, 76 Wettkampfangst 89, 95, 107, 114
Tischtennis 108, 109 Wettkampfnachbereitung 76
transkranielle Magnetstimulation Wettkampfsituation 8, 9, 11, 14,
211 75
Triathlon 98 Wettkampfvorbereitung 75
− Disziplinwechsel 98 Wiedereingliederung 133
Triebwerksausfall 192 Wiederholung, Bedeutung der 59
Turnen 94 Wirkmechanismen 50, 51
− Geräteturnen 95, 96 − Attention-Arousal Set Theory
− Trampolin 95 51
− Bioinformational Theory 50

Das könnte Ihnen auch gefallen