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der 44.

Jahrgang
1 | 2011
Heft Nr. 346

lichtblick

Vollzugs-Visionen
Blick in die Zukunft

Gefangen in Freiheit
Keine Gitter, keine Mauern,
kein Stacheldraht

Fundgrube
Kleinanzeigen auf 6 Seiten !

Brand in Tegel
Noch mal gutgegangen

Tegeler
Rahmenkonzept
Die Fortsetzung
INHALT Ausgabe Nr. 346
1 | 2011

29

40
10 34

4 Tegel Intern 26 plus & minus 40 Kunstwettbewerb


Neues Rahmenkonzept Engagiertes Miteinander Von Licht und Dunkel
Andreas Werner Timo Funken Verein Art and Prison

10 VollzugsVisionen 27 p
lus & minus 42 Recht
Blick in die Zukunft ! Geschäfte mit Knackis aktuell
Andreas Werner Timo Funken Stephan Welk

18 Recht 29 Feature 44 Tegel Intern


lichtblick Beschlagnahme Flügeltürer Brand in der TA V
Stephan Welk Timo Funken Andreas Werner

20 Strafvollzug 34 Kultur 46 Geisterwelt 


Gefangen in Freiheit Sucht Zwischen Ferdinand und Einstein
Nicola Abé Timo Funken Andreas Werner

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Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser!
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„Guten Morgen, liebe Sorgen, seid ihr auch schon alle da ?“ *

Hört man hinter die Mauern der JVA Tegel, dann ist die Antwort darauf
laut und deutlich: Ja, die lieben Sorgen sind auch schon alle da.

Seit Anfang des Jahres findet das neue Rahmenkonzept in der JVA Te-
gel Anwendung. Das Konzept führt in vielen Bereichen der Anstalt zu
ganz erheblichen Veränderungen und Umstellungen. Da in so einer An-
stalt alle Abteilungen und auch alle Zeitabläufe untereinander verzahnt
sind und voneinander abhängen, hat die Anstalt einen außerordentlichen
Kraftakt zu unternehmen, alle Abläufe und Veränderungen reibungslos

Konzept 21: aufeinander abzustimmen und alles am Laufen zu halten. Die ganz er-
heblichen Anstrengungen auf der einen, der Anstalts-Seite, stoßen auf
der andern Seite, bei den Inhaftierten, auf großen Unmut und Unver-
Sackgasse ständnis.

Sieht man sich jedoch den Aufwand und den daraus resultierenden Nut-
4 zen an, dann bleibt die berechtigte Frage: War dieser ganze Aufwand
notwendig ? Dem Rahmenkonzept schenken wir deshalb auch in dieser
Ausgabe wieder vorrangige, insbesondere kritische Aufmerksamkeit.
Lesen Sie dazu unseren Artikel ab Seite 4.
................................................................................
Vor exakt zwei Jahren hatten wir in der Ausgabe 1 / 2009 mit unserer
Serie „VollzugsVisionen“ begonnen. Die Thematik forderte uns weitaus
mehr an Einarbeitungszeit und auch einschlägigem Fachwissen ab, als
wir anfangs dachten. Mit dem 8. Teil unserer Serie sind wir nun bei dem
wohl interessantesten Themenbereich angelangt:
51 Kleinanzeigen 
Fisch sucht Fahrrad & Allerlei Wie kann ein besserer Strafvollzug in der Zukunft aussehen ?
LeserInnen
Ich würde mir wünschen, dass der Senat für Justiz die von mir vorge-
stellte VollzugsVision genauso zügig und ebenso „alternativlos“ wie das
Rahmenkonzept in Angriff nimmt und umsetzt.
55 Impressum & Diese Maßnahme könnte dem Staat viel Geld ersparen und Deutschland
Bildnachweis eine wesentlich geringere Gefangenenzahl pro Einwohner, eine gerin-
Redaktion gere Rückfallquote und eine rückläufige Straftatstatistik bescheren.
Die ganze Gesellschaft hätte davon einen positiven Nutzen.

Eine derartige Vision wird bei einigen sicherlich Widerspruch hervorru-


59 Knackis Adressbuch fen. Andere haben vielleicht noch viel mutigere Ideen oder ganz andere
Adressen und Informationen Ansatzpunkte. Gerne nehmen wir auch Anregungen von unseren Lesern
Redaktion entgegen.
Leserbriefe, Fremdbeiträge, Essays und wissenschaftliche Aufsätze zu
unserer Reihe „VollzugsVisionen” sind ausdrücklich erwünscht.
Wir würden unsere Serie „VollzugsVisionen“ gerne mit Ihren Beiträgen
ergänzen. Schreiben Sie uns !
Und auch kritische Meinungen sind uns willkommen.

Andreas Werner

* aus dem gleichnamigen Lied von Jürgen von der Lippe

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Konzept 21:
Sackgasse
2. Teil
4
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JVA Tegel
Das neue Rahmenkonzept

Das Konzept verbessert


– aber es verbessert bestenfalls
die Vollzugsorganisation der Anstalt.

Es verbessert nicht die Möglichkeiten des Inhaftierten,


sein Vollzugsziel zu erreichen,
künftig in sozialer Verantwortung
ein Leben ohne Straftaten zu führen.
von Andreas Werner

In dem Rundschreiben „An alle Gefangenen der JVA Tegel“ vom 05.11.2010 informiert der Anstaltsleiter der Justizvollzugsanstalt
Tegel, Herr Adam, die Inhaftierten über organisatorische Veränderungen beim „Tagesablauf“, der „Anstaltsverpflegung“,
bei den „Freistunden“ und „Besuchen“ in der JVA Tegel ab dem 01.01.2011. Sein Schreiben endet mit den Sätzen.
„… Für die Teilanstalten V und VI, deren Tagesablauf bislang durch großzügige Aufschlusszeiten und Freistunden gekenn-
zeichnet waren, werden sich, gemessen an den gegenwärtigen Verhältnissen, Verschlechterungen ergeben. Ich bin jedoch der
festen Auffassung, dass die Maßnahmen insgesamt, aber auch jede für sich genommen, ausgewogen, angemessen und zumut-
bar sind. Sie dienen nicht nur einer Behandlungs- und Belegungsgerechtigkeit. Sie sind darüber hinaus unter den bestehenden
personellen, finanziellen und räumlichen Bedingungen auch unabweisbar notwendig und alternativlos.“

alternativlos = Unwort der Jahres 2010

dpa/dapd: Das Adjektiv „alternativlos“ wurde am vorgetragenen Adjektiven: … unabweisbar, notwendig und
Dienstag (den 18.01.2011) zum Unwort des Jahres 2010 ge- alternativlos, scheint das Konzept wie in Stein gemeißelt.
kürt. Eine sechsköpfige Jury unter Leitung des Germanisten Was der Senat beschlossen hat, wird durchgezogen. Die
Horst Dieter Schlosser gab die Entscheidung bekannt. Und Inhaftierten haben es hinzunehmen.
woher stammt dieser sperrige Begriff? Natürlich aus der In der lichtblick-Ausgabe vom Dezember 2010 haben wir
Politik. „Das Wort suggeriert sachlich unangemessen, dass vor den Verschlechterungen des Konzepts, das von der Justiz
es bei einem Entscheidungsprozess von vornherein keine als so „unabweisbar, notwendig und alternativlos“ angeprie-
Alternative gebe und damit auch keine Notwendigkeit der sen wird, gewarnt. Am 1.1.2011 wurde es eingeführt. Und in
Diskussion und Argumentation“, erklärte Schlosser. der Praxis zeigt es nun seine Fehler in aller Deutlichkeit.
Dass die Alternative fehlt, war im letzten Jahr häufiger
zu hören. Kanzlerin Angela Merkel sah den Entschluss zur Beginnen wir mit den positiven Veränderungen.
Griechenlandhilfe zur Rettung und Stabilisierung des Euros
als „alternativlos“ an. Auch andere Politiker benutzten das Auch die gibt es: Die vermehrten Angebote behandlungsori-
Unwort, um ein Vorhaben zu begründen, so in Bezug auf entierter Gruppen.
„Stuttgart 21“ oder die Gesundheitsreform. Bislang gibt es für die Tegeler Inhaftierten diverse
Ein solches Wort drohe die Politverdrossenheit der Bürger Gruppenangebote wie Schachgruppen, Bastel- und
noch zu verstärken, warnte Schlosser. Malgruppen sowie Sportangebote, die überwiegend der
Freizeitgestaltung dienen. Zusätzlich werden aber auch
In einem Gefängnis führen alternativlose Konzepte zu Gruppen angeboten, die resozialisierend wirken sollen.
Verdrossenheit, ein Synonym für Missstimmung und Zu diesen Gruppen zählen u. a. Gesprächsgruppen für
Frustration. Die anfängliche Aufgeregtheit und Abneigung Alkoholabhängige und Alkoholgefährdete, Anti-Gewalt-
– die auch in unserem Artikel im vorangegangenen Heft und Suchttherapie-Gruppen. Die Inhaftierten gewan-
4-2010, S. 22ff. zum Ausdruck kam – ist einem frustrie- nen jedoch den Eindruck, dass die Teilnahme an jeglicher
renden Ohnmachtsgefühl gewichen. Es kann schimpfen wer Gruppe nur der Freizeitgestaltung diente und in keinem
will, Beamte oder Inhaftierte, mit den vom Anstaltsleiter Fall Vergünstigungen im Vollzug nach sich zog, oder gar

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zu einer vorzeitigen Entlassung führte. Inhaftierte und auch noch ein paar Veränderungen dazu: Das Mittagessen wurde
die Gruppentrainer konnten nicht feststellen, dass sich die in die Betriebe verlegt und zu einer Kaltverpflegung umfunk-
Anstalt ernsthaft für ihre Gruppenarbeit interessiert hätten, tioniert. Folglich erfolgt mittags auch kein Einrücken mehr
Resozialisierungserfolge wurden seitens der Anstalt nicht in die Häuser. Dieser Punkt des Rahmenkonzepts zieht einen
hinterfragt. Wenn die Anstalt Interesse bekundete, dann aus ganzen Rattenschwanz negativer Folgen nach sich.
abrechnungstechnischen Gründen – und dafür reichte ein
Häkchen auf der Teilnahmeliste. a) Der Inhaftierte ist nun von 06.55 bis 14.49 Uhr unun-
terbrochen an seinem Arbeitsplatz. Da es mittags nur noch
1. Die verstärkte Einbindung freier Träger in die eine Kaltverpflegung gibt, wurde die Warmverpflegung auf
Ausgestaltung behandlungsorientierter Gruppen führt – 15.00 Uhr verlegt.
neben den vom Sozialdienst bereits angebotenen Maßnahmen Das wiederum hat zur Folge, dass:
– zu weiteren Behandlungsangeboten. Entgegen der bishe- 1. der Inhaftierte während der halbstündigen Aufschlusszeit
rigen Praxis hat die Anstalt den Veranstaltern/ freien Trägern zur Mittagszeit in seinem Haus nicht mehr seine Zeitung
nun weitreichende Qualitätsvorgaben gemacht und verpflich- und Post abholen kann. Das verschiebt sich auf die Zeit
tet diese, über die Erfolge und Misserfolge der teilnehmenden nach der Arbeit. Erstmals in all den Haftjahren konnte ich
Inhaftierten der Anstalt Bericht zu erstatten. So gibt es nach nach der Zählung, gegen 15.45 Uhr, die Bildung ganzer
Auskunft der Sozialpädagogischen Abteilung der JVA Tegel Warteschlangen vor den Stationszimmern beobachten mit
seit Anfang des Jahres neue Angebote in den Bereichen: der damit verbundenen Unruhe und Hektik.
a) Entlassungstraining
b) Soziales Kompetenztraining 2. der Inhaftierte keine Möglichkeit mehr hat, bei kleineren
c) Gruppenangebot Sucht – Schwerpunkt Alkohol Problemen seinen Gruppenleiter in der Mittagspause an-
d) Anti-Gewalt zusprechen. Früher hat ein Inhaftierter fast immer in der
Eine gute Sache, denn Inhaftierte werden nun ganz gezielt Mittagspause seinen Gruppenleiter antreffen können.
nach Bedarf von ihren Gruppenleitern in diese Gruppen ge-
schickt. Es wird sehr intensiv mit dem Inhaftierten gearbeitet 3. durch den bedingten Wegfall der fast 50-minütigen ar-
und es soll auch eine Rückkopplung mit der Anstalt erfolgen. beitsplatzfernen Ruhepause (inkl. der ca. 20-minütigen
Diese Angebote sind eine sinnvolle Ergänzung zu den bishe- Einschlusszeit zur Zählung), die Inhaftierten sich in ihrem
rigen Gruppenangeboten. Haus nicht mehr frisch machen und die eigene Toilette be-
Das sind übrigens Gruppenangebote, die der Resozialisierung nutzen können. Sie können sich auch nicht mehr umziehen,
dienen und bereits im Strafvollzugs-Gesetz von 1976 vorge- wenn sie nach hartem Arbeitseinsatz z. B. im Baubereich
sehen sind. Wir freuen uns, dass nun – nach 35 Jahren – diese völlig verstaubt und durchgeschwitzt sind. Viele haben
Angebote vermehrt stattfinden. diese 50-minütige Pause gebraucht und bräuchten sie
Eines neuen Rahmenkonzepts hätte diese Maßnahme jedoch auch heute noch, um über den ganzen Tag hinweg mit den
nicht bedurft. Arbeitskollegen am Arbeitsplatz auf engstem Raum stress-
frei klarzukommen.
(2.) Die Aufzählung positiver Aspekte des Rahmen-
konzepts ist mit dem ersten Punkt auch schon erschöpft. 4. auch die Werksmeister in den Betrieben keine stressfreie
Weitere positive Veränderungen konnten die Tegeler Mittagspause wie früher haben. Auch für die Bediensteten
Inhaftierten nicht ausmachen. war die 50-minütige Ruhe vor den Inhaftierten eine wich-
tige Regenerationszeit, um nicht ab und an die Nerven zu
verlieren.
Und nun die Verschlechterungen
5. bei allen Terminvorgaben, – z. B. einem Arzttermin,
1. Aufgrund gesetzlicher Vorgaben musste die JVA Tegel Besuch, Geldabhebung bei der Zahlstelle, einer
die wöchentliche Arbeitszeit auf 37 Stunden anheben. Paketabholung, einem Termin beim Urkundenbeamten
Bisher war die uns zugewiesene Arbeitszeit pro Woche um oder in der Hauskammer – der Inhaftierte nun im Haus
rd. 70 Minuten zu gering. Um diese 70 Minuten im Zeitplan bleiben muss, nicht zur Arbeit ausrücken darf und vor und
zu gewinnen, wurde ein neuer Tagesablauf festgelegt. In nach dem Termin unter Verschluss genommen wird. Das
diesem neuen Tagesablaufplan beginnt die Arbeit rd. 10 gilt auch für die 13-Uhr-Freigänger. Alle verlieren nun ei-
Minuten früher, wodurch in der 5-tägigen Arbeitswoche 50 nen ganzen Arbeitstag, früher maximal einen halben Tag,
Minuten zusätzlich gewonnen werden. Die noch fehlenden denn mit der Mittagslaufzeit konnte er in sein Haus gehen
20 Minuten wurden dadurch gewonnen, dass freitags nicht bzw. wieder zur Arbeit ausrücken.
mehr früher Feierabend gemacht wird, sondern wie auch
wochentags um 14:49 Uhr. Somit ist die gesetzliche Vorgabe b) Die Verlegung der Warmverpflegung auf 15.00
für eine 37-Stundenwoche vollumfänglich erfüllt. Uhr hat darüber hinaus einen ganz frappierenden
Systemfehler offenbart. Das Essen reicht nicht mehr, die
Aber statt einfach 10 Minuten früher die Arbeit zu beginnen Inhaftierten werden nicht mehr satt und sind im höchsten
und am Freitag 20 Minuten länger zu arbeiten, gab es gleich Maße unzufrieden.

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Der Grund: Bisher hatten die Inhaftierten die Möglichkeit Und die Anstalt hat auch noch für alle Inhaftierten zum
morgens zu frühstücken (Marmelade und Brot), mittags gab Transport der Mittagsmahlzeit durchsichtige Transportboxen
es warmes Mittagsessen und zum Abendbrot gab es wieder mit 2,6 Liter Fassungsvermögen angeschafft. Die bedeuten
Brot mit einem Käse- oder Wurst-Belag und ab und an ein nicht nur einen weiteren finanziellen Zusatz-Aufwand, son-
Stück Obst. dern auch ein Abweichen von bisherigen Sicherheitsstandards.
Der Inhaftierte war auf drei Mahlzeiten eingestellt, die er
auch zu allgemein gängigen Zeiten einnahm: morgens, mit- e) Die Mitnahme von Lebensmitteln in die Betriebe sah
tags und abends. die Anstalt bisher als gravierendes Sicherheitsrisiko und
sie war strengstens verboten. Oft wurden Gefangene frü-
Seit 1. Januar 2011 kann er wie bisher frühstücken, mittags her am Ausrücken zur Arbeit gehindert und zurück auf den
seine Kaltverpflegung (Brot mit einem Käse- oder Wurst- Haftraum geschickt, wenn sie versuchten, Lebensmittel oder
Belag, also das ursprüngliche Abendessen) als Mittagessen Getränke mit zur Arbeit zu nehmen. Begründet wurde das re-
einnehmen, dann erhält er um 15.00 Uhr – drei Stunden spä- gelmäßig mit der Gefährdung der Sicherheit und Ordnung.
ter – seine Warmverpflegung als dritte Mahlzeit und dann Jetzt laufen alle ganz offiziell mit ihren Kunststoffbehältern he-
– dann hat der Gefangene abends gegen 20.00 Uhr wieder rum. Auf einmal ist das Sicherheitsrisiko hinnehmbar. Einmal
Hunger, so wie jeder andere Mensch in Freiheit auch. Aber mehr wird deutlich: Die Vollzugsanstalt stellt ihre Regeln auf,
er hat seine drei Mahlzeiten bereits ausgehändigt bekommen wie sie es gerade brauchen. Hilft die Mitnahme von Essen heu-
und aufgegessen. Denn was würde eine Warmverpflegung te der Anstaltsorganisation, dann ist die Essensmitnahme gut –
um 15.00 Uhr für einen Sinn machen, wenn der Inhaftierte sie diente sie früher nur dem Wohlbefinden des Inhaftierten, wur-
bis abends in seinem Haftraum stehen und kalt werden lässt. de sie mit dem Hinweis auf die Gefährdung der Sicherheit und
Also verzehrt der Inhaftierte abends die Lebensmittel (Brot Ordnung einfach versagt. An solchen kleinen Regeländerungen
und den Käse- oder Wurst-Belag), die bereits vorab für die lässt sich beispielhaft ein Strafvollzug entblößen, der per-
Mittagsverpflegung des nächsten Tages ausgegeben wurden. manent in den kleinen Dingen des Lebens eine zusätzliche
Auf einmal gibt es systembedingt (also durch das Bestrafung ausübt – eine Strafe zusätzlich zu der eigentlichen
Rahmenkonzept verursacht) einen Bedarf nach einer 4., zu- Strafe, die da heißt: Freiheitsentzug, und das immer begründet
sätzlichen Mahlzeit. Die Anstalt hat bereits reagiert und gibt mit dem fiktiven Gefahrenpotenzial und der Notwendigkeit,
nun ca. 2 Scheiben mehr Belag und mehr Brot aus. Eine gut Sicherheit und Ordnung nicht zu gefährden.
gemeinte Geste, mit der aber der Hunger der Inhaftierten auf
die eigentliche Abendbrotmahlzeit – die vierte, zusätzliche Fazit 1:
Mahlzeit – nicht abgestellt wird. Die Warmverpflegung zur Mittagszeit in den Häusern, ver-
Will er abends nicht hungrig zu Bett gehen, dann isst bunden mit der ca. 50-minütigen Pause, war eine gute Lösung
er sowohl seine spärliche Abendbrotration als auch sei- und bedurfte keiner Veränderung. Die zusätzlichen 70 Minuten
ne Kaltverpflegung auf, die eigentlich als Mittagsessen des Arbeitszeit werden mit dem früheren Arbeitsbeginn und ei-
nächsten Tages gedacht war. Folglich hat er dann tags drauf ner Arbeitszeit, die an allen Wochentagen gleich ist, erreicht.
keine Kaltverpflegung zum Mittagsessen. Ein Systemfehler,
der der Anstalt die Ausgabe zusätzlicher Lebensmittel abver- Die Inhaftierten wünschen sich,
langt und der somit einen zusätzlichen finanziellen und or- ihre Mittagsmahlzeit wieder zur Mittagszeit
ganisatorischen Aufwand bedeutet. Andernfalls riskierte die in den Häusern einnehmen zu dürfen.
Anstalt eine permanent unterschwellige Unzufriedenheit bei
den Inhaftierten. Hunger macht böse.

c) Da es arbeitsrechtlich unzulässig ist, direkt am 2. Die Besuchszeitregelung: Die Besuchspraxis in der JVA
Arbeitsplatz essen zu müssen, hat die Anstalt separate Tegel war bis zur Einführung des neuen Rahmenkonzepts
Pausenräume hergerichtet, in denen die Inhaftierten nun von den Inhaftierten akzeptiert und sowohl besucher- als
mittags ihre Kaltverpflegung zu sich nehmen sollen. Beim auch gefangenenfreundlich.
Gebrauch der Räume klagen Inhaftierte über die unzu- Einzig die neuen Vormelder zum Anmelden eines Besuchs
mutbaren Zustände, denn bedingt durch Maschinenlärm und auch die Vereinheitlichung von Regel- und Sondersprecher
oder Geruchsbelästigungen sind in manchen Betrieben die sind eine gute Lösung.
Pausenräume zum Essen ungeeignet.
So müssen in manchen Betrieben die Inhaftierten notge- Aber als ausgesprochen kontraproduktiv haben sich folgende
drungen doch an ihrem Arbeitsplatz essen. Änderungen erwiesen:
a) Arbeiter dürfen ihren Besuchstermin nur noch au-
d) Diese Verlegung der Mittagsmahlzeit in die Betriebe ßerhalb ihrer Arbeitszeit legen. Nichtarbeiter sind bei ihrer
brachte zusätzlich noch einen erheblichen finanziellen Terminwahl jedoch nicht beschränkt. 60 % der Inhaftierten
Mehraufwand, denn es mussten für alle Betriebe Kühlschränke sind Arbeiter, ihnen stehen 12 Besuchstermine im Wochenplan
für die Kühlung der mitgebrachten Lebensmittel angeschafft zur Auswahl. Den ca. 40 % Nichtarbeitern stehen dagegen 22
werden. Die baulichen Maßnahmen für die Pausenräume wa- Besuchstermine im Wochenplan zur Auswahl. Was hat solch
ren auch nicht umsonst und haben zusätzlich Geld gekostet. ein Konzept mit Gerechtigkeit oder besserer Effizienz zu tun?

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Bisher konnten Arbeiter, wenn der Betriebsleiter keine d) Auch war es nicht nötig, die Einlass-Modalitäten für
Einwände hatte, ihren Besuch auch während der Arbeitszeit die Besucher zu verändern. Seit Januar muss der Besucher
legen. Sie verloren dann zwar einen ½ Arbeitstag, aber das spätestens 15 Minuten vor dem Besuchstermin in der Anstalt
wurde von allen Seiten akzeptiert. Durch diese ehemalige sein, sonst wird er nicht mehr eingelassen. Die Regelung führte
Flexibilität bei der Terminwahl konnte der Inhaftierte den bei den „verspäteten“ Besuchern anfänglich zu viel Verdruss
Terminwünschen seines Besuchs entsprechen. Mütter konn- und sogar zu Aufruhr. Bei den pünktlichen Besuchern soll di-
ten z. B. auch ihre arbeitenden Männer vormittags besuchen, ese Regelung zu zusätzlichen Wartezeiten von mindesten 15
wenn die Kinder im Kindergarten oder in der Schule waren Minuten geführt haben, berichten Inhaftierte, denn in der Praxis
oder wenn sie selbst abends arbeiten mussten. sollen Inhaftierte erst zu dem genehmigten Besuchstermin ins
Besucher und Inhaftierte konnten aber auch ganz bewusst Besuchszentrum gebracht worden sein. Früher wurde der Besuch
einen Vormittagstermin wählen, weil vormittags nur wenige auch ins Sprechzentrum eingelassen, wenn er weit vor der ge-
Besucher Zeit haben und die Besuchsräume folglich sehr leer nehmigten Zeit eintraf und Platz im Sprechzentrum frei war. All
und auch sehr ruhig sind. Diese entspannten Besuchszeiten diese Neuregelungen waren nicht nötig. Nichts geht schneller,
nutzten oft auch die Mütter, die ihr Kind mit zum Besuch die Wartezeiten sind jetzt länger und der Unmut größer.
nahmen, weil sich die Väter dann besser mit den Kindern be-
schäftigen konnten. Das hat früher zu einer relativ ausgegli- e) Die Neuregelung bei der Vergabe der Besuchstermine
chenen Verteilung der Besucher im Rahmen der angebotenen führt – für alle sichtbar – zu fast leeren Besucherräumen
Besuchszeiten geführt. in den Vormittagsstunden, überfüllten in den Abendstunden
und erheblichen Engpässen an den Wochenenden.
Diese Praxis wurde unterbunden und muss dringendst wie-
der eingeführt werden. Die Besuchsmöglichkeiten sind für Fazit 2:
Inhaftierte außerordentlich wichtig und sollten gefördert und Die alte Regelung war gut und hat in der Praxis jahrelang funk-
allen Beteiligten erleichtert und nicht erschwert werden. Das tioniert. Man muss nicht reparieren, was nicht kaputt ist. Durch
neue Rahmenkonzept ist diesbezüglich ein Rückschritt. Und die Veränderungen in der Besuchspraxis haben sich ausschließ-
das Argument, andernfalls wäre die Sicherheit und Ordnung lich Verschlechterungen eingestellt, lauter Umstände, die der-
gefährdet, wirft die Frage auf: Wo liegt die Gefährdung ? jenige am Schreibtisch wohl nicht bedacht hat. Auch diese
Dient nicht auch diese Veränderung wieder nur einem Neuregelungen kann die Anstalt demnächst zurücknehmen.
am Schreibtisch ausgedachten Aktionismus und nicht der
Besserung des Inhaftierten. 3. Die Langzeitsprecher wurden auf drei Stunden redu-
ziert, mit dem Hinweis auf mehr Gerechtigkeit, da nun alle
b) Neu ist auch das Verbot, zwei Besuchstermine zu Gefangenen Langzeitsprecher beantragen könnten.
einem doppelt so langen Termin zusammenzuziehen. Das
wurde gerne genutzt, wenn der Besuch von weit her ange- a) Uns erreichen zurzeit nur die Aussagen aufge-
reist kam, z. B. aus einem anderen Bundesland oder dem brachter Inhaftierter, die für Langzeitsprecher nicht zuge-
Ausland. Dieses Verbot könnte man schon als reine Schikane lassen werden, da sie die persönlichen Voraussetzungen an-
ansehen. Den Sinn dieses Verbots konnte bisher niemand von geblich nicht erfüllten.
der Anstalt nachvollziehbar erklären. Außer, dass sich das je-
mand am Schreibtisch ausgedacht hat, einer da ganz oben. Ein b) Andere beklagen die erschwerte Vergabepraxis bei
Aktionismus, der nicht mal mehr mit dem Totschlagargument den Langzeitterminen. Früher konnte der Stationsbeamte den
der Sicherheit und Ordnung erklärt werden kann. „Da kön- gewünschten Termin im Computer reservieren lassen und vor-
nen wir nichts gegen machen“, erklärte mir ein Beamter her prüfen, welche Termine noch frei sind. Das ist nun erheb-
achselzuckend. lich erschwert. Viele Beamte kommen mit dem neuen System
Doch, dagegen kann man was machen. Ich kann darüber nicht klar. Im Fall einer Ablehnung beantragt der Inhaftierte
schreiben. Und die Anstaltsleitung kann das Verbot auch wie- immer wieder einen neuen Termin, so oft, bis er – rein zufällig –
der aufheben. mal einen noch nicht besetzten 3-Stunden-Langzeitsprecher-
Block getroffen hat und genehmigt bekommt.
c) Besuchsdauer: Der anfängliche sture Abbruch der
Besuchszeit nach gut 30 Minuten ist zwischenzeitlich von c) Und weiteren Unmut verursacht die Reduzierung der
der Anstaltsleitung revidiert worden. Wie früher prakti- Besuchszeit von 5 auf 3 Stunden. Der anfänglich in Aussicht
ziert, bricht das Besuchszentrum nun Besuche nicht sofort gestellte zweite Langzeit-Sprechraum zur Aufrechterhaltung
nach Ablauf von 30 Minuten ab und lässt die Besucher wie- der 5 Stunden Besuchszeit soll zwischenzeitlich – als nicht re-
der etwas länger am Tisch sitzen, wenn genügend Plätze im alisierbar – von der Anstalt zu den Akten gelegt worden sein.
Sprechzentrum frei sind und wenig Andrang herrscht. Dafür
will ich an dieser Stelle der Anstalt keinen Dank aussprechen, Fazit 3:
sonst bürgert es sich ein, uns permanent etwas zu entziehen, Drei Stunden mögen einigen wenigen vielleicht ausreichen, nach
um sich dann eine Danksagung abzuholen, wenn das Versagte dem Motto: besser als gar nichts, aber das Gros der Gefangenen
uns Wochen später von der Anstalt wieder zuerkannt wird. möchte wieder längere Langzeitsprecher genehmigt wissen, um
Das ganze Ummodeln der Besuchspraxis war nicht nötig. die sozialen Kontakte besser aufrecht erhalten zu können.

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4. Wegfall des Wohngruppenvollzugs Die Justizsenatorin, 5. Innere Unruhe, Unzufriedenheit, fast täglich Haus-
Gisela von der Aue, äußert in einem Schreiben vom 27.10.10, oder Anstaltsalarm. Die Inhaftierten äußern vermehrt, dass
an den Vorsitzenden des Ausschusses für Verfassungs- und sie seit Beginn des Jahres eine zunehmende Unruhe, eine ge-
Rechtsangelegenheiten, auszugsweise u.a. wie folgt: „Meine wisse Unzufriedenheit unter den Inhaftierten und auch bei
Zielsetzung ist es, jedem Gefangenen die behandlerischen sich selbst verspüren. Keiner weiß so recht, was es ist, woran
Maßnahmen zugute kommen zu lassen, die notwendig sind, es liegen mag.
damit ein möglichst großer Resozialisierungserfolg erreicht Einige Gefangene meinen, das Miteinander wäre gereizter
werden kann.“ geworden, weil die Unruhe in den einzelnen Häusern oft
schon ab 5.30 Uhr in der Früh beginnt, keiner mehr mittags
Der Wohngruppenvollzug gilt unbestritten als eine aner- zur Ruhe kommt und nach der Arbeit, ab 15.00 Uhr, sich eine
kannte, effektive behandlerische Maßnahme, die in der noch nie da gewesene Hektik auf den Fluren verbreitet. Alle
JVA Tegel bis zur Einführung des neuen Rahmenkonzepts wollen möglichst schnell ihr Essen einsammeln und Heiß-
– insbesondere für Langstrafer, Lebenslängliche und Wasser besorgen, was bis zur Zählung um 15.25 Uhr regel-
Sicherungsverwahrte – erfolgreich praktiziert wurde. Dem mäßig nicht zu schaffen ist. Die Stationsbeamten kommen
Inhaftierten wurde ein Quäntchen mehr an Vertrauen ent- nach dem Einrücken der Arbeiter in der Regel erst wieder mit
gegengebracht, die Hafträume waren bis auf die Zählungen der 15.25-Uhr-Zählung auf die Station, um dann um so hek-
und den Nachtverschluss überwiegend geöffnet, Inhaftierte tischer die Inhaftierten wegzuschließen. Nach dem Aufschluss
konnten sich den ganzen Tag über relativ frei im ganzen gehen die Stationsbeamten in ihre Stationszimmer und es
Haus bewegen. Vor jedem Meeting, Besuchs- und bilden sich sofort Warteschlangen vor deren Zimmern. Die
Langzeitsprechertermin war der Inhaftierte nicht wegge- Inhaftierten hoffen, ihre Zeitung und die Post ausgehändigt
sperrt, konnte daher vorher duschen und für seinen Besuch zu bekommen und ihre Vormelder los zu werden. Nach der
etwas kochen oder backen. Zu allen wichtigen Terminen und Verteilung sind die Beamten dann des Öfteren wieder weg,
Veranstaltungen konnte der jeweilige Inhaftierte über die um ehrenamtliche Helfer oder Gruppenleiter von der Pforte
Gegensprechanlage ausgerufen werden und selbstständig die abzuholen, bzw. wieder zum Tor zurück zu begleiten, oder
für ihn vorgesehenen Aktivitäten aufsuchen, und im Sommer sie müssen Inhaftierte in andere Bereiche / Häuser schließen
gab es zusätzliche Sommerfreistunden. oder haben Dienst auf einem der Wachtürme. Gleichzeitig ist
Wohngruppenvollzug wurde effizient praktiziert. Im man als Inhaftierter bemüht, an der Freistunde teilzunehmen,
Wohngruppenvollzug gab es die geringsten Vorkommnisse man muss aber auch noch duschen und sein Abendbrot in der
und die geringsten Konflikte. Wohngruppenvollzug be- Stationsküche vorbereiten. In der Dusche und in der Küche
deutete ein sehr ruhiges und friedliches Miteinander. Dies kommt es nun vermehrt zu Engpässen und Reibereien, weil
war resozialisierend, förderte Gemeinwesen, minderte ja die Nichtarbeiter, die zuvor weggeschlossen waren, nun
Haftdeprivationen und Isolationstendenzen. zur gleichen Zeit wie die Arbeiter duschen und kochen wol-
len. Und einige von ihnen, die Gruppe-B-Gefangenen (ge-
Der Wohngruppenvollzug wurde mit dem neuen nannt: die Schlechten), die schon um 19.30 Uhr weggesperrt
Rahmenkonzept mit all seinen positiven Komponenten ab- werden, verfallen nun so richtig in Hektik, weil ihnen noch
geschafft. Der Ein- und Aufschluss der Gefangenen aus viel weniger Zeit verbleibt.
dem Wohngruppenvollzug erfolgt nun wie bei allen andern
Gefangenen. Nun müssen die Langstrafer wieder für sich Fazit 5:
ganz alleine gegen Haftdeprivationen, Isolationstendenzen, und einhellige Meinung der Inhaftierten:
Vertrauensentzug und vermehrtem Stress auf ihren
Stationen ankämpfen. Für die Beamten bedeutet das mehr Das neue Rahmenkonzept ist ein
Schließaufwand, mehr Arbeit, mehr unzufriedene Gefangene, Ärgernis, gar ein Desaster !
mehr Stress, mehr Konflikte.
Die einzige bisher erkennbar gute Veränderung ist die ver-
Fazit 4: stärkte Einbindung freier Träger für die Ausgestaltung be-
Die in dem vorgenannten Schreiben erklärten Zielsetzungen handlungsorientierter Gruppen – und das Formular für die
der Senatorin erweisen sich als schöne Worte. Die Genehmigung eines Besuchstermins. Für beides hätte es das
Abschaffung des Wohngruppenvollzuges, der „… unter Rahmenkonzept nicht gebraucht.
den bestehenden personellen, finanziellen und räumlichen
Bedingungen auch unabweisbar notwendig und alternativ- Vielleicht hilft das Rahmenkonzept der Anstalt, Personal und
los“ ist, hat mit der Zielsetzung, dass „… ein möglichst gro- Ressourcen einzusparen, es hilft aber keinem Inhaftierten,
ßer Resozialisierungserfolg erreicht werden kann,“ für diese durch derartige Haftbedingungen künftig in sozialer
Gefangenengruppe aber auch gar nichts mehr gemein. Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.
Ein Hilferuf an alle, die sich damals für die Einführung des
Wohngruppenvollzugs einsetzten. Was war noch mal die Aufgabe des Vollzugs?

Der Wohngruppenvollzug muss schnellstmöglich Wegsperren und Vergeltung oder


wieder eingeführt werden. die Resozialisierung und Besserung des Delinquenten ? ■

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Strafvollzug > Schulden
VollzugsVisionen > Blick
und in
Inhaftierung
die Zukunft| |Timo
Andreas
Funken
Werner

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VollzugsVisionen > Blick in die Zukunft | Andreas Werner

Wie kann ein besserer Strafvollzug


in der Zukunft aussehen ?
Teil VIII

von Andreas Werner

In den zurückliegenden Ausgaben haben wir uns mit der Einsperren – Wegsperren – eine nützliche Erziehungs-
Vergangenheit – „Der Geschichte des Strafens“ – und zuletzt maßnahme ?
mit dem „Strafvollzug heute“ beschäftigt. Die Geschichte des Der Mensch ist das einzige Wesen auf Erden, das seines-
Strafens ist Geschichte. gleichen bei Regelverstößen und Gesetzesbrüchen einsperrt.
Früher – und sicher auch hier und dort noch heute – sperrten
Wagen wir nun einen Blick in die Zukunft. Viele kluge Köpfe Eltern ihre Kinder bei Regelverstößen und Ungehorsam in
haben schon seit Langem erkannt, dass unser Strafvollzug ihrem Kinderzimmer oder gar in der Besenkammer ein. Und
nicht mehr zeitgemäß ist und dringend einer grundlegenden genau da möchte ich bereits ansetzen. Wer glaubt denn heute
Überarbeitung, wenn nicht gar einer völligen Neuorientierung noch ernsthaft, dass Kinder nach diesem Eingesperrtsein ein-
bedarf. In der Fachpresse wird das Thema wissenschaftlich, sichtig und gebessert sind ? Die meisten Eltern werden wohl
analytisch und differenziert diskutiert und unter den verschie- entsetzt reagieren, wenn sie von solchen Erziehungs- und
densten Gesichtspunkten – volkswirtschaftlichen, ökono- Bestrafungsmethoden erführen und würden sich protestie-
mischen, therapeutischen, psychologischen und politischen – rend äußern: „Als Strafe hast du dein Kind weggesperrt, bist
abgehandelt, denn eines ist Konsens: Der Erfolg aller bishe- du denn wahnsinnig, das macht man doch heute nicht mehr.“
rigen Maßnahmen ist unbefriedigend.
Das heutige Strafvollzugssystem erreicht die gesetz- Sind die Kinder groß und aus dem Haus und begehen dann
lich vorgeschriebenen Ziele nicht. Zudem wird das unmiss- Regelverstöße und Gesetzesbrüche, dann ist niemand ent-
verständliche Ziel des Strafvollzugsgesetzes von 1976, aus setzt, wenn die Delinquenten in kleine Räume eingesperrt
Straftätern den von allen akzeptierten Nachbarn zu machen, werden. Das erscheint allen als normal und gerecht. Warum
der gebessert ein Leben ohne Straftaten führen kann, von den geht, an diesem Punkt angelangt, das bessere Wissen auf ein-
Justizbehörden und Politikern permanent infrage gestellt. mal verloren ? Weil es nicht die eigenen Kinder sind, die es
Mal aus Profilierungssucht, mal aus wahltaktischem Kalkül, da trifft ? Weil es fremde Menschen sind, die man nicht kennt,
mal medienträchtig zur Auflagenerhöhung und nicht selten mit denen man nichts zu tun haben will, mit denen man nie in
völlig unfachlich in Stammtischmanier wird über den Zweck Berührung kommen möchte ?
des Strafvollzuges – Vergeltung und Generalprävention oder
Besserung des Delinquenten – ein Konflikt geschürt, der das Was du nicht willst, das man dir tu’,
ganze System, die gesamte Zielerfüllung lähmt, gar boy-
kottiert. Und das alles wird auf dem Rücken des Straftäters das füg’ auch keinem anderen zu.
ausgetragen.
All das Herumdoktern und Herumexperimentieren an den Diesen Satz haben Sie sicherlich schon einmal gehört; ein
Rahmenbedingungen des Strafvollzugs erweist sich als an- leicht dahingesagtes Sprichwort, dessen tieferer Sinn kaum
dauernder Sterbeaufschub eines schon längst totgesagten mehr wahrgenommen wird. Aber er ist ein Grundsatz unserer
Strafvollzuges. Der Zustand des Straftäters ist bei seiner Ethik und das seit über 2.500 Jahren. Er gilt als „Goldene
Entlassung in der Regel desolater als bei seiner Inhaftierung. Regel“ unseres Zusammenlebens. Dieser Leitgedanke ist in
Das ist nicht das Ziel, das darf so nicht weitergeführt werden. allen Religionen und Kulturen integriert und bestand schon,
bevor die 10 Gebote in Stein gemeißelt wurden, vor jeglicher
Meine nun folgende Sichtweise ist nicht wissenschaftlich. Festschreibung von Gesetzen und daraus folgenden Strafen.
Ich will Ihnen einen besseren Strafvollzug, ein besseres In unseren Gesetzen und dem dazugehörigen Strafsystem
Strafsystem aus der Sicht eines Betroffenen, eines Experten, wurde dieser ethische Grundsatz offensichtlich vernachlässigt.
eines Menschen, der das Strafsystem von der U-Haft bis zur Ich möchte ihn wieder eingeführt wissen.
Strafhaft am eigenen Leibe erfahren hat, nahelegen. Es ist
meine Version eines Erfolg versprechenden Strafvollzugs, Ich höre den Aufschrei, ich höre den unbescholtenen Leser –
geprägt von der eigenen Erfahrung mit dem bestehenden völlig zu Recht – sagen: „Hätte sich mal der Straftäter daran
Strafsystem. gehalten, dann gäbe es keine Straftat und niemand bräuchte

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sich mit ihm herumzuquälen. Diesen Satz sollte sich wohl zu- Unverstandensein, Sich-nicht-zu-Hause-fühlen, Nicht-
allererst der Delinquent selber zu eigen machen.“ angenommen-fühlen, das sind vielfach Gründe, warum sich
Jugendliche langweilen, nicht angebunden sind, warum sie
Hat er aber nicht ! Er hat diesen Satz vielleicht noch nie anfangen, sich die blödsinnigsten und schlussendlich kri-
gehört oder gar seine Bedeutung ergründet – weder vor minellen Handlungen einfallen zu lassen. Den Anfängen
seiner Straftat noch später im Knast. Auch von Ethik, wehren bedeutet auch: Die Verantwortung innerhalb der
Sittenlehre und Moral hat er vermutlich noch nie etwas Gesellschaft erkennen und übernehmen – hinsehen, sich
gehört. Und die 10 Gebote – wie viele Gebote wird er aus drum kümmern. Es genügt nicht, diese Verantwortung
dem Stehgreif zusammenbekommen ? Und selbst wenn er sie an Schulen, Sportvereine, Freizeitclubs auszuglieder. Wir
kennen würde: Es gibt viele Ursachen, die einen Menschen müssen schon bei den Kindern anfangen, sie in unsere
veranlassen können, gegen diesen Grundsatz zu handeln. Gesellschaft, in unsere Mitte viel besser aufzunehmen.

Aber wo steht geschrieben, dass, wenn der Gesetzesbrecher, Dieser Weg kann sicher nicht alle kriminellen Karrieren
der Betrüger, Dieb, Gangster, Verbrecher, der Mörder, verhindern helfen, aber zurzeit werden 3 von 4 entlassenen
Kinderschänder, Vergewaltiger die Regeln unserer Gesell- Jugendlichen wieder rückfällig. Da kann Vorsorge aber
schaft aufs Gröbste missachtet hat, die unbescholtenen Bürger, Erfolg versprechend ansetzen.
Ermittler, Richter, Vollstrecker diese Goldene Regel, – den „Was Du nicht willst, das man dir tu’, das füg’ auch kei-
Grundsatz menschlicher Sittenlehre – dem Delinquenten ge- nem anderen zu“, gilt nicht nur für das einzelne Individuum,
genüber vernachlässigen sollen ? Sollten nicht gerade die- sondern auch für die gesamte Gesellschaft.
jenigen, die fähig sind, nach diesem Grundsatz zu handeln, Wie also können Sie persönlich, Ihre Freunde, ihre
ihn auch sinnwahrend anwenden, verbreiten und mit gutem Nachbarn, einen positiven Einsatz für die Gesellschaft lei-
Beispiel voranstehen – auch gegenüber den Delinquenten ? sten, damit andere nicht in Versuchung geraten, weder aus
Langeweile, Dummheit, falsch gelebten Rollenmustern,
Und so beginnt meine Vision von einem besseren Strafsystem, entarteten Neigungen oder gar aus einer Not heraus, zu
von einem besseren Strafvollzug mit der Vorgabe dieser so- Gesetzesbrechern zu werden. Nach der Goldenen Regel han-
genannten Goldenen Regel: deln z. B. Ehrenamtliche und bewirken damit viel Gutes –
Gutes, was Behörden oder Institutionen oft nicht zu leisten
vermögen.

Tu anderen nicht an, was du nicht möchtest,


A 2. Im Falle einer Straftat: Kommt es trotz
Vorsorge zu einer Straftat, hat jemand gegen das Gesetz ver-
stoßen, dann muss dies auch weiterhin geahndet werden.
dass es dir angetan werde. Gesetze und Strafe sollen natürlich nicht abgeschafft werden,
Ein ganz einfaches Prinzip, das von jedermann, der ein- aber – angefangen von der Strafverfolgung bis hin zur
schreitenden Polizei, dem Staatsanwalt, dem Richter, Verurteilung hat der ethische Grundsatz, die Goldene Regel
dem Vollstrecker und dem Täter selbst und der ganzen Anwendung zu finden.
Bevölkerung akzeptiert und auf alles angewendet werden
kann. Es ist so einfach. Wie sieht die Situation heute aus: Beginnen wir bei
der Verhaftung: Nicht nur im Fernsehkrimi werden
Delinquenten übermäßig grob oder brutal behandelt, auch
im wahren Leben dominieren körperliche und verbale
Gewalt, werden die Festzunehmenden zum Abschaum der

B Gesellschaft degradiert.
Sitzt man dann in Untersuchungshaft, lernt man die ganze
Wucht der Erniedrigung kennen. Von den Betroffenen wird
Haft vermeiden sie als so menschenunwürdig angesehen, dass viele an Suizid
1. Die Vorsorge: Dazu zählt, den Anfängen wehren. denken und regelmäßig einige auch den Mut dazu aufbrin-
Es mag banal klingen, aber doch ist es eine Grundvoraus- gen. Auch noch Jahre nach der Haft empfinden ehemalige
setzung für eine Gesellschaft, in der alle Menschen fried- Straftäter die Zeit in der Untersuchungshaft als traumatisie-
lich und respektvoll miteinander umgehen: Die Kinder zu rend und können über das Widerfahrene nicht einmal reden.
mündigen, selbstbewussten Menschen zu erziehen. Dies be-
deutet insbesondere, ihre individuellen Stärken zu erken- Von den Justizbediensteten bewusst und spürbar als
nen und sie darin zu bestärken. Das heißt auch, sie nicht – Abschaum der Gesellschaft bezeichnet und behandelt,
unbewusst – zu Außenseitern zu erziehen, weil die Eltern, erfolgt die erste Erniedrigung bei der Hafteinweisung
Lehrer, Erziehungsberechtigten sie nicht verstehen, weil durch das Nacktausziehen, den Blick zwischen die
sie anders sein sollen, als sie sind, weil sie so sein sollen, Arschbacken auf den Anus – und zwar nicht durch einen
wie die Eltern, Lehrer, Erziehungsberechtigte es wollen. Arzt, sondern durch einen Justizbeamten in Uniform mit

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Gummihandschuhen an beiden Händen – und zwar in jedem über die gesamte Nachtzeit eingesperrt werden; wollen beim
Fall, bei jedem Delikt – immer. Die nächste Erniedrigung Verhör nicht mit Drohungen seitens der Behörde gegen die
folgt auf dem Fuße durch das Einsperren auf kleinstem Kinder oder Ehefrau konfrontiert werden; wollen nicht in ei-
Raum, in einer als Besenkammer empfundenen Zelle. Aber ner kleinen versifften 6-9 qm großen Zelle mit bekrakeltem
dann beginnt das Martyrium erst richtig. Ich selbst erfuhr Spint, tiefbraun verschmutzem Klo und schimmelumrande-
am eigenen Leibe Dreck und Schmutz in bis dahin nicht ten Handwaschbecken über Monate hinweg fast über den
vorstellbarem Umfang. Ein vollgeschissenes, tiefbraunes ganzen Tag eingesperrt sein.
Klo, bespuckte und bekrakelte Wände mit Schimmel
am völlig versifften und vergilbten Handwaschbecken, Was du nicht willst, das man dir tu’,
das einen Geruch von vergorenem Urin verbreitete, da-
runter abgefallener Putz, ein sandender unansehnlicher das füg’ auch keinem anderen zu.
Betonfußboden mit abblätternder Farbe, toten Spinnen un-
term Bett, toten Käfern im Bettkasten, völlig verdrecktem Straffällig gewordene Menschen werden aus ihrem bishe-
Spint, einem unbeschreiblichen Bettgestell mit vergilbter, rigen Umfeld, insbesondere aus dem Familienkreis der-
löchriger Schaumstoffmatratze, einem kleinen Stahlfenster art herausgerissen, dass sie durch die Haft alles verlieren;
mit Einfachverglasung unter der Decke, ohne Dichtung, erst ihren Arbeitsplatz, dann können sie ihre Wohnung
spätestens im Winter krankmachend. Den Himmel sah ich nicht mehr bezahlen, und bei einem Besuchsrecht von nur
nur, wenn ich mich auf Zehenspitzen auf meinen Stuhl vorm 2 x 30 Minuten im Monat lassen sich auch die meisten
Fenster stellte. Eine verdreckte Wandlampe mit 40 Watt Freundschaften nicht aufrechterhalten, nicht selten gehen
Birne und Stahlblechabdeckung und das Ganze geschwän- in kürzester Zeit auch die Ehen kaputt. Wenn die Wohnung
gert von einem kalten Nikotingestank, der sich in den zu- dann noch vom Gerichtsvollzieher geräumt wurde, bleibt
rückliegenden 110 Jahren in der Zelle eingenistet hat. Noch dem Inhaftierten oft nicht einmal ein Familienalbum, kein
nie in meinem Leben geraucht, lebte ich fort an gefühlt in einziges Erinnerungsstück an sein früheres Leben.
einem überfüllten Aschbecher. Jetzt müssen Wortfetzen
ausreichen: anfänglich ohne Arbeit, 23 Stunden unter Ist es heute schon für einen unbescholtenen Bürger schwer,
Verschluss, kein Tier darf so gehalten werden, duschen ein einen Arbeitsplatz zu bekommen, um wie viel aussichtsloser
Mal wöchentlich, die Woche drauf zwei Mal, zur Dusche ist dann die Arbeitsplatzsuche mit dem Makel einer abgeses-
getrieben wie Schlachtvieh zum Abdecker, Essen fassen senen Haftstrafe, und noch erschwerend mit der Aussicht auf
wie ein Hund im Zwinger, Fressschüssel ohne Schwamm eine anstehende Gehaltspfändung. Nach einer Haftstrafe kann
mit den Händen auswaschen, Klopapier abgezählt, hal- er sich fühlen wie ein Geächteter. Eine Inhaftierung bringt für
be Stunde Besuch im Beisein eines Beamten. Die einzige den Delinquenten und für die Gesellschaft nur Nachteile und
Informationsquelle – wo bekomme ich Briefpapier, wer verursacht unverhältnismäßig hohe Kosten.
kann mir meine Haare schneiden, wie komme ich zu einem
Arzttermin, wann bekomme ich frische Socken oder eine
neue Unterhose – ist mein Zellennachbar. Das Grundgesetz, 3. Unterbringung während der
das eigentlich für alle Bürger und an jedem Ort gilt, wird für Ermittlungen: Einsichtig ist eine Untersuchungs-
Inhaftierte hinter diesen Mauern zur reinen Farce. Haftzeit von bis zu einem ½ Jahr, damit die Behörden ihre
Ich bin dankbar, in der Nebenzelle einen alteingesessen Ermittlungen unbehindert durchführen können. Dies muss
Knacki mit Hafterfahrung kennengelernt zu haben, der mir aber unter beispielhaft menschenwürdigen Verhältnissen er-
zeigte, wie ich zwischen diesen Mauern überleben kann. folgen, in Wohnräumen, die unseren menschenüblichen
Und auch ich hätte mich zu diesem Zeitpunkt lieber „weg- Behausungen gleichkommen. Für diese Zeit, die ein halbes
gemacht“, als mir diesen menschenunwürdigen, menschen- Jahr nicht überschreiten darf, werden die Verdächtigen in spe-
verachtenden Umgang längere Zeit antun zu lassen. Und ziell dafür gebaute 1-Zimmerappartments mit Duschbad und
nicht weniger schlimm erging es meiner Frau und unseren Kochgelegenheit untergebracht. Der Besuch und Umgang mit
Kindern, meiner eigenen Mutter – wie Aussätzige wurden der Familie, Kindern und Lebenspartnern – sofern es von bei-
sie fortan behandelt. Es gibt sie noch immer, die Sippenhaft. den Seiten gewünscht – wird täglich und über Stunden er-
möglicht. Auch der Kontakt mit anderen Inhaftierten, mit
Mit diesem menschenunwürdigen Start in unser Strafsystem Leidensgenossen ist über den ganzen Tag hinweg möglich.
werden die dann folgenden Versuche einer einsichtigen Dem Inhaftierten wird eine Verhaltensfibel / ein Wegweiser
Verhaltensbesserung, sowie jegliches Vertrauen in unsere in seiner Muttersprache ausgehändigt, als Hilfe, alle vorstell-
Gesellschaft und somit eine Wiedereingliederung in sie wei- baren Situationen in der Haft zu bewältigen. Darin findet er un-
testgehend zunichte gemacht. ter den jeweiligen Stichworten – angefangen bei Arztterminen,
Besuchsmöglichkeiten, Mobbing, Religionsausübung, bis
Im Falle eines Falles wollen auch Sie, lieber Leser, nicht über- hin zum Urkundenbeamten oder Beschwerdemöglichkeiten
mäßig grob verhaftet werden; wollen auf dem Polizeirevier – alles Erdenkliche erläutert.
nicht auf einer Betonpritsche, in einem Raum ohne Fenster,
gefliest wie in einem Schlachthof, ohne Toilette und ohne Das Vertrauen auf gerechte, faire und menschenwürdige
Handwaschbecken, mit permanenter Deckenbeleuchtung Behandlung geht auch bei noch so schlimmen Straftaten an

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keinem Punkt verloren. Der Mensch wird weiterhin als Mensch 1. Dazu dienen Maßnahmen,
behandelt – mit einer Vergangenheit und einer zuversichtlichen 1.1. die dem Delinquenten Lebenszeit kosten, wie:
Zukunft – und er wird nicht nur auf seine Straftat reduziert. – Gemeinnützige Arbeitseinsätze,
– Katastrophenschutzdienst,
In den Augen des Inhaftierten ist die heute praktizierte – wahlweise, freiwilliger Militärdienst,
Untersuchungshaft wie Geiselhaft. Die absolute Isolation – Altenpflege, Seniorenbetreuung.
wird als besonders quälend empfunden. Wenn Piraten „Schwitzen statt sitzen“ wird bereits erfolgreich praktiziert,
Geiseln in Somalia nehmen und z. B. Ehepartner getrennt und „Schwitzen“ bedeutet richtig hart arbeiten.
ohne gegenseitigen Kontakt halten, wird das als extremer
Leidensdruck, als unmenschlich empfunden und bedarf oft 1.2. finanzielle Aufwendungen, wie:
jahrelanger psychologischer Betreuung. Und nein, ich ver- – Konfiszierung des Vermögens (Hab und Gut),
wechsle hier nicht Täter mit Opfern, ich maße mir nicht an, ganz oder teilweise,
sie gar gleichzusetzen. Natürlich ist die Untersuchungs- und – ein erhöhter Steuersatz oder Steueraufschlag für
Strafhaft für Straftäter gedacht, dennoch: Der Leidensdruck Straftäter,
und die psychischen Folgeschäden für den Einzelnen sind ver- – Sonderabgaben, Spendenzwang,
gleichbar: menschenunwürdig. Derart praktiziert, wird der – Direkte Opferentschädigung – Wiedergutmachung,
mutmaßliche Täter zum Opfer, so fühlt er sich schlussendlich – Zuwendungen an Hilfsvereine,
– von der Gesellschaft, vom Strafvollzug kaputt gemacht. Zeitlich begrenzt oder unbegrenzt – je nach Schwere der Schuld.

Auch im Prozess wird die Haftvermeidung höchste Priorität ha- 1.3. Teilnahmepflicht an Therapieangeboten mit
ben. Ausschließlich diejenigen Täter, die eine echte Gefährdung  Überprüfung auf Erfolge, wie:
des Lebens oder der Gesundheit anderer darstellen, müssen in – Antigewalt-Seminare,
einer geschlossenen Anstalt zum Schutz der Gesellschaft un- – Seminare gegen Alkoholmissbrauch,
tergebracht werden – und das sind die wenigsten. – Seminare gegen Suchtprobleme,
Haftvermeidung ist das vorrangigste Ziel. – Schulung sozialer Kompetenzen,
– Problembewältigungs- und Kriseninterventions-
Seminare,
– Sitten- und Wertevermittlung, ethische Grund-

C

unterweisung,
– Tataufarbeitung /Analyse der Umstände und Folgen.

Die Strafmethoden 1.4. Überprüfung und Überwachung der Lebensführung:


Im heutigen Strafvollzug sind Diebe neben Sexualstraftätern – Teilnahmepflicht an Schul- und Berufsausbildungen
und Steuerbetrüger neben Mördern – Zelle neben Zelle – im – Arbeitszuweisung und Arbeitspflicht
selben geschlossenen Vollzug eingesperrt, die einen vielleicht – Pflege und Unterhalt des eigenen Wohnraums
2 Jahre, andere bis zu lebenslang. Die Delikte unterscheiden – Einhaltung finanzieller Verpflichtungen
sich nur in der Länge der für sie als angemessen gehaltenen – Geordnete Familienstrukturen oder die Pflege
Haftstrafen. Die Länge der Haftstrafe wird proportional der sozialer Netze / Ansprechpartner
vom Gericht erkannten Schwere der Schuld verhängt. – Geordnetes Gemeinschaftsleben
Um Gesetzesbrecher menschenwürdig und im Sinne der
„Goldenen Regel“ zu verurteilen, bedarf es individueller 1.5. Überwachung der Einhaltung der auferlegten
Maßnahmen. Nur so kann ein Gesetzesbrecher zu der nach- Bestrafungsmaßnahmen:
haltigen Einsicht gebracht werden, künftig keine Gesetzesver- – Überprüfung des Rückfallrisikos,
stöße mehr zu begehen, bei einem gleichzeitigen Nutzen für die – Festlegung weiterführender Maßnahmen, falls
Gesellschaft. Der geschlossene Vollzug kostet die Gesellschaft erforderlich.
viel Geld – pro Person 80-100 € täglich. Der Schaden, den ein
Delinquent durch seine Straftat angestellt hat, sollte sich nicht 2. Oberstes Ziel aller Strafmaßnahmen ist die Veränderung
noch durch Haftkosten und anschließenden Folgekosten eines des Verhaltens des Delinquenten,
in Haft lebensuntüchtig Gewordenen, multiplizieren. indem er

Der Wegfall des geschlossenen Vollzugs für den Großteil der 2.1.  zu der Einsicht kommt, dass er sich falsch verhalten hat,
Täter bedeutet aber nicht, dass sie sich selbst überlassen sind; 2.2. einsieht, welches Verhalten richtig / angemessen ge-
und auch nicht, dass die Täter einerseits und die Gesellschaft wesen wäre,
anderseits sich gegenseitig ausgeliefert sind. Das Gegenteil 2.3. erkennt, dass die Gesellschaft / die Allgemeinheit
wird angestrebt: Mit den Delinquenten wird gezielt und Fehlverhalten nicht toleriert,
effektiv gearbeitet, um einerseits die persönlichen Defizite zu 2.4.  die über ihn verhängte Strafe einsieht und annimmt mit
erkennen und zu beheben, und andererseits auch den materi-   dem Ziel der Besserung und Wiedergutmachung ge-
ellen Schaden auszugleichen bzw. in Grenzen zu halten.   genüber der Gesellschaft.

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Bei all diesen Maßnahmen kann der Delinquent in seiner Ein wesentlicher Teil der Strafe – im Sinne erziehender und
gewohnten Umgebung verbleiben (falls nicht gerade diese Einsicht bringender Maßnahmen – wird auf den Schultern exter-
zu Straftaten geführt hat). ner Helfer, der Familienangehörigen, des Arbeitgebers und an-
Er kann nicht nur, er soll seinen Wohnraum behalten derer der Sache zweckdienlicher Personen erfolgen. Schon heute
und somit auch die Chance haben, seine persönliche Habe engagieren sich große Firmen in gemeinnützigen Projekten,
über die Strafzeit nicht zu verlieren (mit Ausnahme von schon heute gibt es Firmen, die ihre Mitarbeiter anhalten,
Konfiszierungsmaßnahmen). Ehrenämter zu übernehmen und sich z. B. als Schöffen, ehren-
Er kann nicht nur, er soll seinen Ausbildungs- bzw. amtliche Richter und Beisitzer zur Verfügung zu stellen. Die
Arbeitsplatz behalten. Er soll für sich und seine Familie Gesellschaft wird bei dieser Aufgabenstellung aktiv eingebun-
aufkommen. den. Staatliche Stellen, die mit der praktischen Durchführung
Er kann nicht nur, er soll in seinem Familienverbund, derartiger Strafmethoden betraut sind, werden durch diesen vor-
bei den Kindern und dem Lebens-/Ehepartner bleiben, um genannten Personenkreis aktiv unterstützt. Damit ist eine flä-
gerade die daraus positiv wirkenden Lebensbedingungen un- chendeckende und intensive Betreuung des Delinquenten jen-
terstützend für die maßgeblichen Strafmaßnahmen zu nutzen. seits der Verwahrung im geschlossenen Vollzug sichergestellt.

2.5. Der Delinquent wird erfolgsorientiert und stufenweise Die festgelegten Strafmaßnahmen setzen sofort nach der
an das im Urteil vorgegebene Ziel herangeführt. Verurteilung ein, sie werden intensiv durchgeführt, um
2.6. Höchstmöglicher Nutzen für die Allgemeinheit / für die 1. nachhaltige Effekte zu erzielen und 2. sie baldmöglichst been-
Gesellschaft ist anzustreben; bzw.: Der Schaden für den und die Regelementierungen und die Überwachung wieder
die Gesellschaft ist so gering wie möglich zu halten. ausschleichen lassen zu können. Und bei all diesen Maßnhmen
2.7. Der Delinquent soll Vertrauen zu der bestrafenden befindet sich der Delinquent nicht mehr in einer Justiz-Anstalt.
Instanz aufbauen können und das Vertrauen zu der
  Gesellschaft an keinem Punkt auf dem Weg zu sei-
 nem Ziel verlieren.

E
Ausnahmen
D 1. Schutz der Gesellschaft: Die Gesellschaft
muss vor Menschen, die eine potenzielle Gefahr für andere
Die Festlegung des Strafmaßes darstellen, geschützt werden. Straftaten wie Mord, schwere
Jeder Delinquent erhält eine individuell an seiner Person, sei- Körperverletzung, Vergewaltigung, sexuelle Gewalt und se-
nem Delikt und den Tathintergründen festgelegte Bestrafung. xueller Missbrauch haben weiterhin die Unterbringung der
Die verurteilenden Richter werden in ihrer Entscheidung Delinquenten im geschlossenen Vollzug zur Folge.
durch ein Kollektiv aus Personen aus dem Umfeld des
Delinquenten unterstützt. Laut der Tabelle des Statistischen Bundesamts (Destatis),
„Anzahl ausgewählter Gewaltdelikte in Deutschland in den
Im bisherigen, alten Strafvollzug wird regelmäßig da- Jahren 2007 bis 2009“, betrug der Anteil der
von ausgegangen, dass der Delinquent nicht soziali- „Straftaten gegen das Leben“ 0,1 % und
siert ist und unfähig, ein straffreies Leben in sozialer „Sexualdelikte“ 0,8 % am Anteil aller Straftaten.
Eigenverantwortung zu führen. Reduziert auf seine Straftat,
ohne Berücksichtigung seines vielleicht makellosen Lebens
vor der Straftat, ohne das Ausloten derjenigen Defizite, die
ursächlich straftatrelevant waren, laufen alle pauschal an-
gewendeten (Re-)Sozialisierungsbemühungen – die wie mit
einer Gießkanne über alle Gefangenen ausgeschüttet wer-
den – bei den meisten Inhaftierten wegen ihrer Sinnlosigkeit
ins Leere. Für den einen mag eine Auszeit im Gefängnis
sinnvoll sein, dem anderen kann sie schaden. Für einige mö-
gen Antigewalt-Kurse Sinn machen, andere müssten viel-
leicht eher zur Paarberatung. Diese Differenzierung kann
das bisherige Strafsystem nicht leisten, weil es darauf nicht
ausgelegt ist. Aber nur solch eine individuelle Betrachtung
des Delinquenten und die dann differenziert angewende-
ten Strafmaßnahmen vermögen dem straffällig gewor-
denen Menschen nachhaltig zu helfen und ihn zu bessern.
Strafvollzug darf einen geschädigten Delinquenten nicht
noch zusätzlich schädigen.

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Schaut man auf eine andere Statistik: „Die Deliktstruktur der in Haft Der geschlossene Vollzug unterscheidet sich nur we-
befindlichen Straftäter“, dann lag im Bundesländervergleich 2008 der nig von meiner Vision der Untersuchungshaft, wie
Anteil der „Tötungsdelikte“ bei rd. 7,3 %, der Anteil der „Sexualdelikte“ ich sie unter Punkt B, 3. ausgeführt habe. Auch der
bei rd. 8 % und der Anteil der Körperverletzungsdelikte bei rd. 11,9 % geschlossene Vollzug erfolgt unter beispielhaft men-
der Inhaftierten. (Quelle: Forum Strafvollzug FS 1/2010, S. 26, Abb.6.) schenwürdigen Verhältnissen, in Wohnräumen, ähn-
lich einem 1-Zimmerappartment mit Duschbad und
Eine tatsächliche Bedrohung für die Bürger / Gesellschaft entsteht also Kochgelegenheit. Der Besuch und Umgang mit der
bei nur 0,9 % aller begangenen Straftaten, bzw. bei weniger als 30 % der Familie, Kindern und Lebenspartnern wird täglich über
bereits Inhaftierten. Nur Straftäter dieser Deliktarten: „Straftaten gegen Stunden, beispielhaft großzügig ermöglicht. Auch der
das Leben“ und „Sexualdelikte“ rechtfertigen die Unterbringung eines Kontakt mit anderen Inhaftierten, mit Leidensgenossen,
Delinquenten im geschlossenen Vollzug. Die Ängste der Bevölkerung, wird über den ganzen Tag hinweg möglich sein. Der
Opfer eines Einbruchs oder eines Betruges zu werden, verbunden mit Einschluss erfolgt nur über die Nachtzeit, also während
dem Wunsch, auch Täter dieser Deliktgruppen möglichst lange durch der Ruhephasen. Gebrauchsgegenstände des täglichen
eine Inhaftierung aus dem Verkehr zu ziehen, sind mit entsprechender Lebens, vom Computer, Handy, Wasserkocher, bis hin
Aufklärung und vorbeugenden Sicherungsmaßnahmen zu minimie- zu einem Fön oder Aquarium darf der Inhaftierte wie
ren. Sichere Schlösser und geschützte Kontozugangsberechtigungen selbstverständlich in seinem Haftbereich besitzen.
kosten weniger Geld als eine Unterbringung im Knast. Die Sicherheit und Ordnung einer geschlossenen
Anstalt wird durch derartige großzügig anmutende
Der geschlossene Vollzug sollte aber nur solange Anwendung Umgangsformen nicht überstrapaziert, denn z. B. we-
finden, bis eine Gefährdung für die Gesellschaft oder von gen Rauschgiftdelikte verurteilte Straftäter kämen
Einzelpersonen weitestgehend ausgeschlossen werden kann. Dafür ja gar nicht in den geschlossenen Vollzug, sondern
werden entsprechende Gutachter und Sachverständige schon vor würden draußen deliktabhängig und angemessen be-
einer Verurteilung, also während des Ermittlungsverfahrens, den handelt oder wären in einer besonders gesicherten
Delinquenten beobachten, begleiten und betreuen. Entzugseinrichtung untergebracht.
Die Haftsituation ist so gestaltet, dass Haftschäden ver-
Um auch diese Klientel wieder schnellstmöglich in die mieden werden. Und wie schon im Strafvollzugsgesetz
Gesellschaft eingliedern zu können, werden die oben aufgeführten von 1976 niedergeschrieben: Das Leben in Haft ist „den
Behandlungsmaßnahmen frühstmöglich begonnen. Auch für dieses allgemeinen Lebensbedingungen so weit wie möglich“ an-
Klientel gilt uneingeschränkt die Goldene Grundsatzregel. Die zupassen. Das gehört nach 35 Jahren nun endlich realisiert.
Unterbringung und die Lebensführung erfolgen, wie unter dem
noch folgenden Punkt E, 3. beschrieben. Oberstes Gebot ist auch hier: Vertrauen fassen, Einsicht
bewirken und dadurch den Delinquenten dahin zu bewe-
2. Wiederholungstäter: Bei Wiederholungstätern – egal, gen, dass er tatsächlich „befähigt wird, künftig in sozialer
welchen Delikts – wird man nicht umhin kommen, sie wie die wegen Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.“.
Mord, schwerer Körperverletzung, Vergewaltigung und sexueller Gewalt Auch der Wiederholungstäter wird die unter Punkt C, 1.3.
oder sexuellem Missbrauch Verurteilten, erst einmal im geschlossenen genannten Reintegrationsmaßnahmen nochmals durch-
Vollzug unterzubringen. Auch hier nicht, um sie wegzusperren und laufen müssen, anschließend zur weiteren Bewährung
sie ihrem Schicksal zu überlassen. Vielmehr wird die Ursache für die in einen „Offenen Vollzug“ kommen, bevor seine
fehlende Einsicht, die wiederholte Straffälligkeit erforscht. Vielleicht Behandlung in Freiheit endgültig fortgeführt wird.
sind psychische Defizite und Gründe gegeben, die eine ganz andere,
eine psychologisch orientierte Reintegrationsmethode erforderlich
machen. Umstände, die heutzutage eher selten zu einer psychologischen
Behandlung führen, weil die Kosten eines solchen Patienten höher sind als
die Kosten, die ein Strafgefangener im geschlossenen Vollzug verursacht. F
3. Geschlossener Vollzug: Die Unterbringung im künf-
Die Praxis
tigen geschlossenen Vollzug hat mit den heutigen Verhältnissen im 1. Der heutige Strafvollzug: Viele werden
geschlossenen Vollzug nichts mehr gemein. jetzt sagen, das ist ja alles nichts Neues, das machen
wir doch alles schon. Ja und nein !
Das Einsperren von Menschen in 6-10 qm kleinen Hafträumen, mit Ja, es gibt den geschlossenen Vollzug, den offenen Vollzug,
Einschlusszeiten von täglich bis zu 23 Stunden mit nur wenigen die Ersatzfreiheitsstrafe, Resozialisierungsmaßnahmen,
Unterbrechungen für die Essensversorgung und überwachtem Übergangsmanagement usw.
Besuch, extrem kurzen Besuchszeiten von gesetzlich vorge- Aber nein: Die Reihenfolge der Anwendung will ich
schriebenen zwei Mal einer halben Stunde im Monat, abstoßend auf den Kopf gestellt wissen ! Und somit eine andere
wirkenden und verschmutzten Räumlichkeiten, Essensverteilung Sichtweise auf Täter. Heute kommen die meisten Straftäter
wie in einem Hundezwinger – all das gehört der Vergangenheit erst in den geschlossenen Vollzug, sitzen dort völlig sinnlos
an. Mit solchen Maßnahmen bessert man keinen Menschen. Jahre ihres Lebens ab, und kurz vor dem Entlassungstermin
Das ist Vergeltung und Rache. entsteht dann reger Aktivismus seitens der Anstalt.

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VollzugsVisionen > Blick in die Zukunft | Andreas Werner

Durch die Teilnahme an ein paar ausge-


suchten Gruppenangeboten, wie die soziale
Kompetenzengruppe, Antigewalt- oder Sucht-
G
problematik - Gruppen werden Resozialisierungs- Fazit
maßnahmen – wohl gemerkt zum Ende der Haftzeit – Das Rad ist damit nicht neu erfunden, bedarf es aber auch gar nicht. Das
dem Inhaftierten aufgezwungen, damit man ihn in Handwerkszeug zur Durchführung dieses Gedankengutes ist in unserer
den offenen Vollzug überstellen kann. Gesellschaft ja grundsätzlich vorhanden. Dies alles erfordert Mut zu mehr
Eine Tataufarbeitung erfolgt derart spät zum Ende Ehrlichkeit bezüglich bestehender Zustände und noch mehr Mut, eingefahrene
der Haftzeit, dass der Inhaftierte selbst in seine Akte Gleise zu verlassen. Es geht nicht um neue Werkzeuge im Strafvollzug, son-
schauen muss, um sich erinnern zu können, was da dern, wie im Rahmen der Goldenen Regel mit Straftätern umgegangen wird.
draußen vor Jahren passiert ist. Der aktuell prakti- In jeder Gesellschaft wird es immer Menschen geben, die Gesetze brechen.
zierte Vollzug zieht einen ganzen Rattenschwanz von Aber auch diese Menschen sind ein Teil unserer Gesellschaft, ihre Probleme
extremen Nachteilen sowohl für den Delinquenten sind aus der Mitte unserer Gesellschaft entstanden und deshalb gehören sie
als auch für die Gesellschaft nach sich. auch weiterhin in den Verantwortungsbereich unserer Gesellschaft.
Nein – nicht „lang und schmutzig“ sollte die Das Wegsperren, Ächten und Verbannen des straffällig gewordenen
Devise sein, sondern „kurz und heftig“ ! Anteils der Gesellschaft hilft nicht, sich des Problems zu entledigen, son-
dern verschlimmert die Situation sowohl des Delinquenten als auch die
der Gesellschaft. Nicht absondern, sondern schnellstmöglich integrie-
2. Folgen des heutigen Strafvollzuges: ren, ist die Lösung. Wir müssen Straftäter in unsere Mitte aufnehmen.
Die Menschen werden in schlechterer Verfassung
entlassen, als sie es bei ihrer Straftat waren. Fälle, Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu.
in denen Inhaftierte nach Verbüßung ihrer Haft Die Einhaltung der Goldenen Regel, dem höchsten ethischen Grundsatz,
mit dem blauen Müllsack, gefüllt mit ihrer letzten würde mit absoluter Sicherheit weitaus bessere Strafmethoden, einen bes-
Habe, vorm Anstaltstor ausgesetzt werden, sind seren Strafvollzug und schlussendlich besser reintegrierte und häufiger
Realität. Vertrauen in unseren Rechtsstaat und die bekehrte – im Sinne von vom Gesetzbrechen geheilte – Delinquenten zur
Gesellschaft wird durch das alte Strafsystem und Folge haben. Der persönliche Aufwand eines jeden, solch ein Strafsystem
den derzeit praktizierten Vollzug der Strafe nicht und solche Methoden zu fördern, Delinquenten tatkräftig zu unterstützen
gefördert. Als gerecht wird es vom Verurteilten und situationsbedingt zu begleiten, wäre überschaubar und der gesamten
schon nach wenigen Jahren Haft nicht empfun- Bevölkerung dienlich und auch zumutbar. Die Kosten wären weitaus ge-
den. Im Gegenteil, die Einsitzenden sprechen von ringer als beim alten, herkömmlichen Wegsperr-Vollzug.
menschenunwürdigen Zuständen, von erniedri-
genden Haftbedingungen. Und die Gesellschaft In den letzten 40 Jahren sind Rechtsgelehrte, Wissenschaftler,
hat den Delinquenten mit seiner Verurteilung Politiker und im Bereich des Strafvollzugs arbeitende Fachleute zu der
und dem Wissen, dass er für Jahre hinter dicken, Überzeugung gelangt, dass unser heutiges Strafvollzugssystem den
Stacheldraht bewehrten Mauern weggesperrt ist, Ansprüchen unserer Gesellschaft in keinster Art und Weise mehr ge-
völlig aus den Augen verloren. Der Schreck und die recht wird, das System völlig veraltet und überholt ist und dringend ei-
Angst sind dann riesengroß, wenn nach verbüßter ner grundlegenden Reform bedarf.
Haft ein ehemaliger Häftling zum Nachbarn wird, Ganz offensichtlich kommen die größten Widerstände aus der
– schon beginnend, wenn er sich als Exhäftling Bevölkerung selbst – zu tief verwurzelt ist die Vorstellung von Rache
beim Vermieter um eine Wohnung bewirbt; und Vergeltung. „Der Übeltäter soll leiden“, und nur zu gern will man
– schon beginnend, wenn er sich als Exhäftling um ihn für immer weggesperrt wissen, „Schlüssel wegwerfen und gut ist’s“.
einen Arbeitsplatz bemüht und erst recht, wenn er Zu sehr wird die Angst noch immer von den Medien und Politikern – nur
ihnen im Hausflur begegnet. Die Boulevard-Presse für sie selbst gewinnbringend – geschürt.
macht regelmäßig Hetzjagd auf Ex-Häftlinge,
die ihre Strafe verbüßt haben und die nun in al- Bevor man beginnt, einem Delinquenten diese Goldene Regel für sein
ler Öffentlichkeit wiederholt als im höchsten Maß künftiges, straffreies Leben zu verinnerlichen, wird man wohl oder übel
gefährlich betitelt werden. Erneut werden sie an auch der Bevölkerung diese Goldene Regel nahebringen müssen.
den Pranger gestellt. Das Martyrium nimmt kein Handelten alle nach dem Prinzip, wäre unsere Gesellschaft um einiges
Ende. Keinem, weder dem Delinquenten noch der friedlicher, und es würde zu weitaus weniger Straftaten und zu nur ganz
Bevölkerung, ist damit geholfen. Da läuft was falsch! geringen Rückfällen kommen. Andere Länder, wie z. B. Norwegen,
praktizieren ihre Strafsysteme schon ganz nahe an dieser Vision. Lesen
Künftig wird gefeiert, mit all den Personen und Sie dazu auch unseren Beitrag „Gefangen in Freiheit“ auf S. 20.
Angehörigen, die einen Straftäter wieder zurück Wir können das auch. Wir könnten es sogar noch besser.
in die Freiheit, wieder auf die richtige, rechtschaf-
fene Bahn gebracht haben, wenn der Delinquent
es dann tatsächlich geschafft hat. Er wird gefeiert, Was du nicht willst, das man dir tu’,
auch wenn solch ein Ereignis heute noch keiner in das füg’ auch keinem anderen zu.
der Presse lesen möchte.  ■

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Recht > lichtblick Beschlagnahme | Stephan Welk

R e c h t
KURZ gesprochen
Beschlagnahme oder Weiterhin trug die Anstalt Bedenken hier aber nicht, dass der Gefangene
Sicherstellung des in Bezug auf Sicherheit und Ordnung nur durch die Anstalt vermittelte
vor. Die Kontrolle des Inhalts jeder Zeitschriften erhalten kann. Im Um-
„Lichtblicks“ verboten ! einzelnen Zeitschrift sei durch die Be- kehrschluss bedeutet dies, dass der

§ § § § § §
StVollzG §§ 33 Abs. 1 u. Abs. 2 und
68 Abs. 1 u. Abs. 2; GG Art. 5
LG Stendal, Beschl. v. 28.10.2010 -
508 StVK 915/10, auch unter Verweis
auf LG Stendal, Beschl. v. 19.10.2010
- 508 StVK 789/10,
Landgericht Magdeburg, Beschl. v.
diensteten nicht zu leisten.

Das Landgericht stellte hierzu fest,


dass die Sicherstellung der Zeitschrift
rechtswidrig war und dass der Antrag-
steller einen Anspruch auf ermessens-
fehlerfreie Neubescheidung hat. Bei
der Neubescheidung sei der Rechtsauf-
Gefangene auch solche Zeitschriften,
die nicht durch die Anstalt vermittelt
worden sind, empfangen kann.
Eine Beschneidung der Informa-
tionsrechte des Gefangenen würde
gegen das Grundgesetz (Art. 5 GG)
verstoßen. Das Gericht stellt in die-
sem Zusammenhang auch fest, dass es
21.11.2005 - 50 StVK 397/05 fassung des Gerichts zu folgen. Mit an- egal ist, ob die Zeitschrift durch Ver-
deren Worten: „Bescheidet nun so, dass mittlung der Anstalt oder per Post oder
Das Landgericht Stendal hat einem Klä- der Insasse seine Zeitschrift bekommt !“

§ § § § §
wie auch immer in die JVA gelangte.
ger Recht gegeben, der die Herausgabe Im Strafvollzugsgesetz ist der Be- Der Weg der Zustellung jedenfalls
der Gefangenenzeitung „der lichtblick“ zug von Zeitschriften in § 68 geregelt. könne eine Sicherstellung nicht recht-
für sich beanspruchte. Die Zeitung wur- Bei der Zeitung „der lichtblick“ han- fertigen.Es sei vielmehr im Einzelfall
de zuvor von der JVA Burg, in der der delt es sich um eine in der JVA Tegel zu prüfen, ob der Text der Zeitschrift
Inhaftierte untergebracht war, sicher- verfasste und allgemein zugängliche oder Zeitung dem Vollzugsziel des Ge-
gestellt. Die Anstalt begründete die Si- Zeitschrift. Auch ist im § 68 Abs. 1 fangenen entgegenwirkt, oder ob kon-
cherstellung damit, dass der Antragstel- StVollzG geregelt, dass ein Gefangener kret die Sicherheit und Ordnung der
ler sich die Zusendung der Zeitschrift in angemessenem Umfang und durch Anstalt gefährdet ist. Das im Grund-
hat nicht genehmigen lassen. Der An- Vermittlung der Anstalt Zeitschriften gesetz geregelte Recht auf Informati-
tragsteller hatte dies wohl unterlassen. beziehen darf. Das „darf“ bedeutet onsfreiheit ist im besonderen Maße zu

§ § § § § §
berücksichtigen. Eine Gefährdung der
Anzeige Sicherheit und Ordnung muss genau
begründet werden und muss auch vom
anwaltskanzlei Gericht nachvollziehbar sein. Zwar ist
in solchen Fällen das Ermessen nicht
dr. olaf heischel & jan oelbermann generell auf Null gesetzt, aber den-
noch sehr eingeschränkt.
Wir sind eine Anwaltskanzlei
Der tapfere Leser hat sich hier nicht
mit den Tätigkeitsschwerpunkten in den Bereichen unterkriegen lassen, hat geklagt und
des Strafvollzugs, der Strafvollstreckung, gewonnen. Beachtlich ! Das Urteil gibt

§ § § § §
der Strafverteidigung (auch Pflichtverteidigungen) auch all denen Mut sich zu wehren,
die unsere Zeitschrift gerne beziehen
und des Maßregelvollzugs. würden, der Bezug aber durch die An-
stalt erschwert oder verhindert wird.
hauptstraße 19
10827 berlin
In einer ähnlichen Sache stellte das
tel.: 030 - 782 30 71
Landgericht Magdeburg (Az.: 50
fax: 030 - 781 30 86
StVK 397/05) bereits die Rechtswid-
kanzlei@heischel-oelbermann.de
rigkeit der Beschlagnahme der Zeit-
www.heischel-oelbermann.de
schrift „der lichtblick“ fest. Auch hier

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Recht > lichtblick Beschlagnahme | Stephan Welk

R e c h t
KURZ gesprochen
hatte die Kammer auf Grund der groß- Aber generell ist nicht der Gegenstand Sicherlich geht es auch um die Frage
en Bedeutung des Informationsrechts gefährlich, sondern die Art und Weise unangenehmer Artikel und das Auf-
(Art. 5 GG) den Kontrollaufwand der wie, der Gegenstand benutzt wird. Das kommen von Diskussionen, die den
Anstalt als zumutbar angesehen. wiederum hängt maßgeblich von der „Vollzugsfrieden“ stören könnten.

§ § § § § §
Gerade das Recht auf Information
stellt eine wesentliche Säule der de-
mokratischen Grundrechte dar.

Im Kommentar zum § 68 StVollzG


heißt es, dass die Auswahl unter den
Zeitungen und Zeitschriften dem Ge-
Person und der Persönlichkeit eines je-
den Einzelnen ab.
Eine Pauschalierung ist genauso ver-
boten und nicht angezeigt, wie das Ver-
bot der Kollektivbestrafung. Einer baut
Sch…., alle müssen darunter leiden.
So legen die Entscheidungen der
Landgerichte in diesem Fall nicht nur
Aber auch hier muss eine kritische Be-
trachtung erlaubt sein. Gerade solche
Anmerkungen helfen doch, über ver-
meintliche Missstände nachzudenken
und ggf. präventiv zu handeln. Somit
hilft es auch der jeweiligen Anstalt,
frühzeitig zu reagieren. Die Entscheider
von Reglementierungen sollten daran
fangenen frei steht, soweit deren Ver- die Erlaubnis des Bezugs eines Licht- öfter denken und dies, gerade in solch
breitung nicht mit Strafe oder Geldbu- blickheftes klar, sondern regen zur wichtigen Fällen wie der Informations-
ße bedroht ist. Vorsicht mit der pauschalen Ablehnung freiheit, nicht leichtfertig vergessen.

§ § § § §
Leider macht es im Vollzug oftmals
den Anschein, dass vieles mit der Be-
gründung „Sicherheit und Ordnung“
verboten wird. Der bloße Hinweis,
dass dieses oder jenes gegen die Sicher-
heit und Ordnung verstoßen würde,
ohne eine auf den Einzelfall gerichtete
mit der Begründung von Sicherheit und
Ordnung an.

Nun kann man noch über die Frage phi-


losophieren, warum jemand überhaupt
auf die Idee kommt, den Lichtblick
einem Gefangenen vorzuenthalten. Der
Die Grundrechte stellen die Basis. Die
Informationsfreiheit ist eines dieser
Grundrechte und das haben die Land-
gerichte auch deutlich erkannt und die
Anstalten in die Schranken gewiesen.
Es bleibt zu hoffen, dass sich auch
die Anstalten daran halten und dass
Begründung zu liefern, reicht gerade Versuch, Informationen vorzuenthalten, nicht der lichtblick-Empfang / die
nicht aus, um ein Verbot oder eine Be- mit dem Ziel, dadurch eine Unwissenheit Aushändigung von jedem Einzelnen
schlagnahme zu verwirklichen. zu schaffen, schlägt in jedem Fall fehl. eingeklagt werden muss.  ■

§ § § § § §
Wenn sich ein Gefangener als zuverläs-
sig erweist, insbesondere dann, wenn
er sich stets an Anweisungen und die
Hausordnung hält, ist eine Versagung
von üblichen Gegenständen, gar der
Bezug von Zeitungen und Zeitschrift,
schwer durchzusetzen. Gleiches gilt
Rechtsanwalt
Wahl- und Pflichtverteidigung
bundesweit
Anzeige

für alle übrigen, im Vollzug oftmals


nicht erlaubten Gegenstände. Stets Spichernstraße 15
handelt es sich um eine Einzelfal-
10777 Berlin

§ § § § §
lenscheidung. Die Anstalt kann eben
nicht einfach sagen: „Wir verbieten,
weil es gefährlich ist,“ sondern sie  (030) 218 11 96
muss die besondere Gefährlichkeit
zum einen begründen und zusätzlich
 (0163) 718 25 73
Ulli H.
noch schlüssig darlegen, warum ge- rechtsanwalt-boldt@gmx.de
rade dieser Gegenstand bei dem spe-
ziellen Gefangenen gefährlich ist.
www.anwalt.de/ra-boldt Boldt
Natürlich gibt es im Vollzug Dinge,
die nicht erlaubt und gefährlich sind.

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Strafvollzug > Gefangen in Freiheit | Nicola Abé

Gefangen in
Freiheit
von Nicola Abé

Keine Gitter, keine Mauern, kein Stacheldraht:


Die Strafanstalt auf der norwegischen Insel Bastøy
setzt auf Selbstkontrolle anstatt auf Gefängnisdisziplin.
Für manchen Häftling ist das Leben dort zu hart,
um es zu ertragen.

Am anderen Ufer lockt die Freiheit. Eine einzige Pistole gibt es auf
Wenn es dunkel wird, glitzern die Bastøy, sie steht im Büro des Direktors
Lichter jenseits des Meeres wie Strass. und ist eine Skulptur aus Bronze.
Kaum zwei Seemeilen sind es zum Arne Nilsen heißt der Direktor, ein
Festland, nur zehn Minuten auf einem schmaler Mann Anfang sechzig, sei-
taumelnden Schiff. ne Autorität braucht keine Uniform.
Der Junge weint nicht, die Tränen Woher die Pistole kommt, weiß er nicht,
unter seinem Auge sind tätowiert. Er die Pistole war schon immer da.
steht im Schnee, groß und breit, er Der Direktor ist ein Händler, er han-
weiß nicht, wohin er zuerst gehen soll. delt mit Freiheit. Der Direktor ist ein
Wachleute haben ihn aus seiner Zelle Visionär, er will, dass die Männer le-
geholt, auf die Fähre gebracht, auf diese ben wie in einer Dorfgemeinschaft,
Insel, ohne Handschellen. Sie haben ihn dass sie Kartoffeln anbauen und ihren
sich selbst überlassen inmitten roter und Müll kompostieren, dass Wachen und
gelber Holzhäuser, ein Kirchturm über- Häftlinge einander respektieren. Eine
ragt die Baumwipfel. Und das hier soll Kamera im Supermarkt will er nicht,
ein Gefängnis sein. keine Gitter und Mauern, keine ver-
Er hat Gutscheine bekommen für schlossenen Türen.
500 Kronen, damit er einkaufen kann Sie haben Mörder, Räuber,
im kleinen Supermarkt. Auf dem Drogendealer, Betrüger, Schläger,
Weg dorthin begegnen ihm Männer. kleine Diebe. „Wir picken uns nicht die
Die Männer grüßen. Raymond Olsen einfachen Fälle heraus“, sagt Nilsen.
senkt den Blick. Siebenmal war er Manche verbüßen ihre gesamte Strafe
im Knast; im Knast grüßt man nicht. auf der Insel. Mörder können sich erst
Raymond kauft Tabak und eine bewerben, wenn sie zwei Drittel ihrer
Telefonkarte, tritt in eines der roten Zeit anderswo abgesessen haben. 115
Telefonhäuschen, ruft einen Freund Gefangene leben auf Bastøy, und wer
an, einfach so. bleiben will, muss arbeiten und sich
„Ich bin jetzt auf Bastøy. Ich kann in eine Wohngemeinschaft einfügen.
so viel telefonieren, wie ich will. Was Wer Alkohol trinkt oder prügelt, fliegt
macht ihr ?“ raus.
„Wir saufen uns warm für die Party.“ Die Fähre verkehrt regelmäßig, im
Raymond will fort. Er hat keine Sommer könnte man durchs Meer
Lust auf den liberalsten Knast der schwimmen oder ein Boot organisieren,
Welt, auf dieses norwegische Eiland im Winter friert das Meer oft zu. Die
im Oslofjord, das so klein ist, dass Idee ist, dass die Gefangenen trotzdem
man keine Stunde braucht, es zu bleiben. Dass sie noch da sind, wenn
umrunden. gezählt wird, viermal am Tag.

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Strafvollzug > Gefangen in Freiheit | Nicola Abé

Im Speisesaal sitzt Jorgen Eilertsen,


ehemals Drogendealer. „Der Fisch
ist gut“, sagt Jorgen und zerlegt ein
Saiblingsfilet. Jorgen findet alles gut
auf Bastøy, denn er weiß, einer wie er
kriegt nicht mehr viele Chancen im
Leben.
Einmal am Tag gibt es ein gemein-
sames Essen, dann sitzen sie hier, der
Typ mit dem iPod, der zwei Munch-
Gemälde aus dem Museum stahl, den
„Schrei“ und die „Madonna“, oder der
Junge mit den Dreadlocks, der zwei
Frauen vergewaltigt hat.
Jorgen überragt sie alle. Messer und
Gabel sind Puppenbesteck in seinen
Händen. Er kaut und starrt aus dem
Fenster. Am Tisch sitzt er allein, er
will es so, denn Verbrechen ist infekti-
ös und seine Vergangenheit eine offene
Wunde.
Wenn Jorgen früher zu Bett ging, legte
er seine Waffe auf das Nachtkästchen.
Die Gang war seine Familie, und für
die Familie hätte er getötet. Er ver-
kaufte Drogen, zog sich Koks rein,
Speed, schluckte Pillen, ging feiern auf
Technopartys, löste sich auf in Beats
Gefängnis auf der Insel Bastøy / Ilja C. Hendel und im Lichtergewirr. Kunden, die nicht
zahlten, verprügelte Jorgen, so schärft
man seinen Ruf in der Szene. Jorgen
ist jetzt 41. Mehr als ein Drittel seines
Lebens hat er im Gefängnis verbracht.
Jetzt hat Jorgen einen Traum. Der
Traum ist rein wie ein Glas Milch. Er
hat eine Freundin, sie kommt dreimal
die Woche, zusammen mit den anderen
Frauen. Ein gutes Mädchen, keine aus
der Szene. Sie bringt Schokolade, trägt
Stiefel bis übers Knie und das blonde
Haar frisch gewaschen.
Vier Kinder wollen sie, da sind sie
sich einig.
Sie treffen sich im Haus für Besucher,
Raum Nummer 6. Alle Zimmer sind
gleich, eines liegt neben dem anderen
wie die Kammern in einer Wabe: ein
paar Quadratmeter, eine Couch, eine
Matratze mit Plastikbezug, daneben ein
Kleenex-Spender. Dort lieben sie sich.
Raymond, der Junge mit den täto-
wierten Tränen, hat keine Freundin, die
ihn besuchen wird. „Nicoletta„ steht
auf seinem Arm, aber das ist lange her.
Häftling Olsen im geschlossenem Vollzug: Jetzt ist er 28, ein Ladendieb, Schläger,
Wer auf die Insel will, muss lernen, Räuber. Er steht im Kuhstall, rundes
wie man sich selbst bewacht / Ilja C. Hendel Kindergesicht, roter Schneeanzug, wie
ein Astronaut ohne Helm.

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Strafvollzug > Gefangen in Freiheit | Nicola Abé

begriffen, dass es nichts


bringt, nur dazusitzen
und die Wachen zu has-
sen und die Pädophilen.
Dass es nur zwei
Möglichkeiten gibt in
der Welt der Dealer.
Entweder du stirbst,
oder du bringst einen
um. Er machte eine
Therapie, versuchte zu
verstehen, was ihn daran
reizte, Regeln zu bre-
chen. Er hatte es genos-
sen, wenn sie ihn jagten.
Jorgen fand einen Job
im Callcenter und hielt
ihn nicht lange durch.
Wie ein Fremdkörper
fühlte er sich in diesem
Büro. Bald lebte er von
Sozialhilfe, das Geld
war knapp, der Kick
Gefangener Olsen im Kuhstall von Basøy: fehlte. Und dann waren
Die Tiere beruhigen ihn / Ilja C. Hendel da die alten Kumpels,
die Partywelt. Und in
In der Kälte dampft der Mist, und die waschen, er weiß nicht, wie er das den Clubs waren die Frauen, die ihn be-
Luft riecht nach Heu. Die Tiere beru- schaffen soll. gehrten, gerade weil er ein böser Junge
higen ihn. Er füttert sie mit Kartoffeln, Er wird sich ansehen, wie die ande- war. Die Clubs waren teuer. So fing
dass sie ganz nah kommen mit ih- ren das machen, Jorgen zum Beispiel. Jorgen an, seinen Freunden doch hin
ren feuchten Mäulern, dass sie ihn Jorgen, der versagt hat auf Bastøy, als und wieder einen Gefallen zu tun.
berühren. er vor 20 Jahren das erste Mal da war. Als sie ihn erwischten, fuhr er ohne
An der Wand hängt ein Stück Nach zwei Monaten musste er zur gültigen Führerschein und hatte ein
Schwemmholz. Jemand hat einen Kontrolle, „abpissen“, jemand von den Kilo Marihuana dabei.
Fisch daraufgemalt, ein Segelboot, Wachen sah zu. Sie fanden Spuren von „Ich bin nicht stolz“, sagt Jorgen und
eine Möwe und geschrieben „Bastøy – Drogen in seinem Urin. Am anderen hämmert weiter am Dach der Hütte.
Gangster’s Paradise“. Morgen brachten sie ihn zurück in ei- Er bewarb sich für Bastøy, und seit
Das Paradies existiert seit 20 nen Hochsicherheitsknast. Jorgen war ein paar Monaten ist er da. Diesmal,
Jahren und hat einen Direktor, der die das egal. „Ich wollte mich nicht auf die meint er, sei er besser vorbereitet auf
Statistik liebt, denn die Statistik gibt Leute hier einlassen“, sagt er, „mein die Freiheit. Auf Bastøy hat Jorgen das
ihm recht. Weil nur 16 Prozent der Grundgefühl war Hass.“ Zimmern gelernt, wie man mit Holz
Gefangenen rückfällig werden, in den Jorgen kniet auf dem Dach einer umgeht und kleine Einfamilienhäuser
ersten zwei Jahren nach Bastøy, weil Holzhütte. Das ist seine Aufgabe hier, er baut. Er schläft jetzt besser als früher.
es in Norwegen insgesamt 20 Prozent baut Häuser. Er ist beschäftigt. Er denkt Er hat schon einen Job, wenn er hier
sind und in Deutschland, wo man nicht mehr so oft an seine Geschichte, rauskommt, auf dem Bau.
die Rückfälligkeit innerhalb von drei an jenes Pärchen zum Beispiel, das er Es ist früher Nachmittag, die Kühe
Jahren misst, fast 50 Prozent. Weil es verprügelt hat, bloß weil sie da waren, sind versorgt, Raymond, der Neue, hat
noch nie einen Mord gegeben hat auf wo er war. seine Arbeit getan. Jetzt will er, dass
der Insel und auch keinen Selbstmord. „Ich bin zu alt für den Scheiß“, ihm jemand sagt, was er zu tun hat. Ihm
Und im letzten Winter war das Meer sagt er. fehlt seine Zelle, ihm fehlt das Warten
zugefroren, aber gegangen sind nur die Er weiß, wie es sich anfühlt, wenn auf irgendwas, auf eine Mahlzeit, einen
Füchse. man am Tag der Entlassung vor dem Anruf, auf die Stunde im Hof.
Raymond, der Neue, soll arbeiten, Knast-tor steht, gute Vorsätze im Kopf Das Warten füllt den Tag, im echten
50 Kronen am Tag wird er dafür be- und eine Plastiktüte in der Hand, da- Knast. Auf der Insel gefriert die Zeit.
kommen, ausbezahlt einmal im rin ein Rasierwasser und ein paar In sein Zimmer will er nicht, da ist
Monat. Das Geld für Lebensmittel soll Klamotten. dieser Neue aus Polen. Er läuft durch
er sich selbst einteilen, jeden Morgen Sehr gute Vorsätze hatte er beim letz- das Dorf, vorbei an der Schule, an der
soll er aufstehen, er soll kochen und ten Mal, in der Haft hatte er irgendwann Bibliothek und den Feldern bis hinunter

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Strafvollzug > Gefangen in Freiheit | Nicola Abé

zum Ufer, wo die kleine Fähre anlegt. rauskommt. Es sei schlecht gemacht. aber er muss auch etwas für die
Noch 90 Minuten bis zur Zählung. Den Schädel hat er kahlrasiert, nur vom Gemeinschaft tun. Jeden Tag fegt er die
Wenn die Freiheit vor dir liegt und du Kinn steht das rote Haar. WG, wischt den Staub vom Boden und
greifst nicht nach ihr, so denkt er, dann Er hat einen schwarzen Jungen um- von den Regalen. Dann geht er zurück
haben sie dich gebrochen. gebracht. „Die Hautfarbe war nicht der in sein Zimmer.
Raymond schiebt den Ärmel sei- Grund“, sagt Thorstein, „wir wollten Er lese so viel wie möglich, vom
nes Anoraks nach oben, entblößt die nur unser Eigentum verteidigen.“ Sturm auf die Bastille bis zum „Dritten
Enden einer Tätowierung, die sich dick „Ich habe nicht zugestochen, nur der Reich“. Thorstein will immer noch
und schwarz um seinen Arm schlingt. andere“, sagt Thorstein. Der Junge habe kämpfen, gegen die Globalisierung, für
Mit 16 raubte er das Lager eines noch geatmet, als sie gingen. die Trennung der Völker und Kulturen,
Elektromarktes aus, da ließ er sich ste- Sie hätten sich mit White-Power- für diese wirre Idee, die er einen „ganz-
chen und dann jedes Mal wieder, wenn Musik in Stimmung gebracht, schrieben heitlichen Faschismus“ nennt. Er sagt,
er etwas Böses getan hatte, zuletzt nach die Zeitungen. Sie hätten ein Opfer ge- er wolle jetzt nur noch mit Worten
dem Raubüberfall auf einen Kiosk. sucht und gefunden im Parkhaus eines kämpfen.
Nun wuchern schwarze Ranken bis Einkaufszentrums. Benjamin H., 15-jäh- Wärme strömt aus dem Ofen und der
zu seinem Hinterkopf. Raymond sieht rig, Sohn eines Ghanaers, getötet durch Duft frischen Brotes. Thorstein hat ge-
auf das Meer und denkt an Flucht, an die Messerstiche zweier verschiedener backen. Vollkornmehl muss es sein,
den Freund, der ein Boot besitzt. Klingen. Der Mord war geplant, feige dazu Sonnenblumenkerne und Hefe.
Die Dunkelheit kommt früh und der und brutal, sagte das Gericht. 18 Jahre Er greift nach einem schweren Messer,
Wind von allen Seiten. Krähen schre- bekam Thorstein, damals war er 22. schneidet zwei fingerdicke Scheiben
cken auf, fliegen in den Indigo-Himmel, Sein Zimmer ist aufgeräumt. herunter. „Ich mag keine Messer“, sagt
ihr Krächzen sticht in den Ohren. Geblümte Laken, ein Bett, ein er.
Auf dem Platz vor der Polizeiwache Schreibtisch, ein Fenster mit bun- Die anderen in der WG haben Eier ge-
stehen 115 Gefangene. Schilder hän- ten Vorhängen, wie bei den anderen. braten und Lachs aus dem Supermarkt.
gen dort, für jedes Haus eines. Dahinter Aber Familienfotos hängen hier nicht, Thorstein isst auf seinem Zimmer.
sammeln sie sich in Reihen, lachen und und auf dem Nachtkästchen liegen „Ich bin von einer Zelle in die ande-
schubsen sich. keine Herrenmagazine. Nur Bücher. re gezogen“, sagt er, 90 Prozent seiner
Einer ist hier, mit dem machst du kei- Thor-stein studiert Geschichte und Zeit verbringe er allein. Neun Jahre lang
ne Scherze, den schaust du nicht schief Philosophie an der Universität von saß er im Hochsicherheitsgefängnis, ein
an, da hältst du Abstand, so sagen sie Oslo. Seine Prüfungen macht er über Jahr davon in Isolation. Sein Blick ver-
es jedem Neuen. Thorstein Hanssen das Internet. schwimmt, wenn er davon spricht. Eine
(Name geändert), 31, steht breitbeinig, Thorstein darf studieren auf Bastøy, Therapie macht er nicht. „Ich hatte eine
verlagert sein Gewicht
von einem Fuß auf
den anderen. Er trägt
graue Jogginghosen,
auf seinen schma-
len Hüften sitzt ein
Gewichthebergürtel.
Ein Hochgewach-
sener in Uniform ruft
die Gefangenen beim
Namen.
„Jorgen ?Muhammad ?
Peter ?“ „Leider“, ant-
wortet einer.
Thorstein sagt: „Jeder
weiß, wer ich bin.“
Sie nannten ihn
den Militär, er war ei-
ner ihrer Anführer, der
beste Kämpfer von
„Blood and Honour“
in Norwegen. Auf
Thorsteins Händen steht
das Wort Skinhead,
er will es entfernen Fitnessraum in Basøy: Nicht rauchen, nicht
lassen, wenn er hier trinken, den Körper kontrollieren / Ilja C. Hendel

23
www.lichtblick-zeitung.de d     e     r        l     i     c     h     t     b     l     i     c     k  1 | 2011
Strafvollzug > Gefangen in Freiheit | Nicola Abé

glückliche Kindheit“, sagt er und grinst. Nachtkontrolle in den Zimmern, kommt seziert keine Vergangenheiten. Seine
Thorsteins Vater war ein erfolg- Thorstein hierher und trainiert. Er gönnt Mission ist die Zukunft.
reicher Spediteur, seine Mutter sich keine Pause, nur manchmal sieht er Was bringt Strafe, wenn Rache nicht
Sozialarbeiterin. Seine Eltern sind ver- in den Spiegel, drückt seine Schultern satt macht und Gefängnisse Täter
heiratet, glücklich, sagt er. Noch immer nach hinten und die Brust nach vorn. Er züchten ?
lieben sie ihren Sohn, aber verstanden trinkt nicht, raucht nicht, nimmt keine Der Direktor ist kein Idealist, er ist
haben sie ihn noch nie. Drogen. Der Körper ist das Terrain, das Pragmatiker. „Ich bin kein Gutmensch“,
Als Kind wollte Thorstein zum er kontrollieren kann. sagt Arne Nilsen und fixiert sein
Militär, für sein Land in den Krieg zie- Dann ist es Nacht, und die Wachen Gegenüber aus blaugrauen Augen, „ich
hen, mit anderen verschmelzen zum sind nur noch zu fünft auf der Insel. Am bin bloß ein Egoist, der seinem Leben
Kollektiv. Mit 17 Jahren ging er zur anderen Ufer glitzern die Lichter der einen Sinn geben will.“
Musterung, wollte Berufssoldat werden. Stadt Horten. Die Leute sagen: Bastøy, Er sieht Täter nicht als Opfer, aber
Er sprach von seinen rechten Visionen, das ist doch ein Ferienclub. Aber es als Bürger, die eines Tages in die
man stufte ihn als Sicherheitsrisiko ein. klingt nicht, als würde sie das stören. Gesellschaft zurückkehren werden.
Nun lebt er auf Bastøy, zusammen Der Direktor will keine Prognose ab- „Auf Bastøy muss jeder lernen, mit sei-
mit Menschen aus 20 verschiedenen geben über Jorgen, über Raymond, über ner Freiheit umzugehen und sich eigene
Nationen, mit Pakistanern, Äthiopiern, Thorstein. Er sagt, sein Konzept funk- Grenzen zu setzen“, sagt Nilsen, „das
Indern und Iranern. „Wir kommen tioniere nicht für jeden. Manche seien muss er draußen auch.“
klar“, sagt Thorstein, „wir respektieren seelisch zu krank. Manche seien zu fest Sogar die Matrosen auf der kleinen
uns.“ Viermal hat er sich beworben für entschlossen, dass sich nichts an ihrer Fähre sind Gefangene. Neunmal täg-
die Insel, er musste kämpfen, um hier- Weltsicht ändern darf. lich legen sie am Festland an, und noch
her zu dürfen. „Für mich ist es gut, dass Wegsperren bringt nichts, weil man nie ist einer geflohen. Jedes Mal, wenn
wir solche Gefängnisse haben“, sagt er. Menschen in einer liberalen Demokratie sie auf die Insel zurückkehren, begrüßt
Er profitiere davon, doch sein Weltbild nicht für immer wegsperren kann, des- sie ein Schild: „Bastøy, Übungsplatz für
habe sich nicht geändert. Eigentlich sei halb ist die Integration das Wichtigste Verantwortung„ steht darauf.
er für härtere Strafen, denn anders kön- und nicht die Strafe. Das ist seine Am anderen Morgen versteckt sich
ne eine Gesellschaft nicht funktionieren. Überzeugung. die Sonne noch hinter den Bäumen,
Wenn Thorstein entlassen wird, in ein Das ist langjährige Politik in doch die Fenster leuchten schon. Unter
paar Jahren, möchte er Sozialforscher Skandinavien, ein moderater den Laternen tanzen Flocken, verwan-
sein. Um seine Arbeit zu finanzie- Strafvollzug, der traditionell einher- deln Bastøy in die Welt unter einer
ren, will er auf einer Bohrinsel anheu- geht mit einem starken Sozialstaat. Der Schneekugel, eine Spielzeugwelt.
ern. Immer ein paar Monate hier, ein Norden hat niedrigere Gefangenenraten Jorgen sitzt auf seinem Bett, an der
paar Monate dort sein. Er glaubt an und mildere Haftbedingungen als Wand hängt ein Foto seiner Freundin,
die Einzigartigkeit seiner Perspektive. das übrige Europa. Es ist nicht wie in betörend schön im Bikini. Thorstein,
Seine Gedanken müssen etwas wert Deutschland, wo es zwar einen offenen nur ein paar Räume weiter, löffelt
sein. Noch immer hofft er, dass diese Vollzug gibt, gegen Ende der Haftzeit, Haferflocken.
Gesellschaft ihn braucht. aber keinen Rechtsanspruch darauf. Es Der Wachmann ist da, Morgenrunde
Er muss stark sein, daran liegt ihm ist eine Chance, die nur 17 Prozent der im Wohnzimmer. Eine Glühbirne muss
viel. Kein anderer auf Bastøy schafft Gefangenen bekommen. ausgewechselt werden im Flur. Und
die 140 Kilo im Fitnessraum. Thorstein In Norwegen sind rund ein Drittel die Wände sind ein wenig kahl. Die
liegt auf dem Rücken, stemmt mit bei- der Gefängnisse offen wie Bastøy, in Gefangenen wollen jetzt Zweige auf-
den Armen eine Hantel. Einmal, zwei- Zukunft sollen es noch mehr werden, hängen und Plakate besorgen.
mal, dreimal. Blut steigt in den Schädel, so hat es das Parlament beschlossen. Jorgen kommt aus einem der roten
Luft bricht durch die Lippen. Viermal, Die meisten Menschen halten das für Telefonhäuschen, er stampft über den
fünfmal. Adern wölben sich auf der eine gute Sache, vielleicht, meint der gefrorenen Boden, die Wolken sind
Stirn, der Kiefer zuckt. Direktor, muss man sagen: Noch halten dick wie Qualm. Er hat angerufen. Sie
Der Typ mit dem iPod, der sie es für eine gute Sache. kommt nicht. Sie ist krank, zum ersten
Kunsträuber, greift nach der Stange, Bei der letzten Parlamentswahl holte Mal in zwei Jahren. Er wird heute kein
zusammen führen sie das Gewicht zu- die Fortschrittspartei knapp 23 Prozent Thai-Huhn kochen, nicht rotwangig lä-
rück in die Halterung. Sie sind die der Stimmen, eine Partei, die sich für cheln und kein buntgestreiftes Poloshirt
Berühmtesten hier auf Bastøy, sie ver- härtere Strafen einsetzt. tragen.
stehen sich gut. Freunde sind sie nicht. Den Direktor beunruhigt die- Jorgen sagt, die große Welt interes-
Im Knast, sagen sie, hast du kei- se Entwicklung. „Es gibt keine ein- siere ihn nicht mehr. Wichtig sei nur
ne Freunde, nur Menschen, die dein fachen Antworten“, sagt er. Aber es noch die Familie.
Schicksal teilen. gibt Fragen, die falsch gestellt sind. Ob Würde jemand die Familie bedrohen,
Der Raum ist rot gestrichen, aus es im Gefängnis schön sein darf, ist so er könne für nichts garantieren. Denn
dem Radio plätschert Pop. Fast jeden eine Frage. ein Mann muss seine Familie beschüt-
Abend, nach der Zählung und vor der Der Direktor ist Psychologe, doch er zen. Wenn sie nachts kommen, muss er

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d     e     r        l     i     c     h     t     b     l     i     c     k  1 | 2011 www.lichtblick-zeitung.de
Strafvollzug > Gefangen in Freiheit | Nicola Abé

Straftäter Eilertsen am Telefon : Sie kommt nicht,


er wird kein Thai-Huhn kochen / Ilja C. Hendel

vorbereitet sein. Jorgen denkt, er wird sicher. Aber vielleicht findet er es doch und zu Abend essen. Er wird sich ame-
sich eine Waffe anschaffen müssen. gut. „Ich werde nie wieder rückfällig“, rikanische Krimiserien ansehen, die er
Eine Pferdekutsche rollt vom Ufer ins sagt er. schon kennt.
Dorf. Pappeln säumen den Weg, recken Wenn er hier rauskommt, will er end- Vielleicht wird er einen Brief an seine
ihre klumpigen Äste ins Nebelgrau. lich etwas erleben. In seinem Zimmer Mutter schreiben.
Wenn das Eis auf dem Wasser dick hängt eine Weltkarte, nach Athen will er Eine Stunde am Tag wird er im Hof
genug ist, wollen sie ein Loch hinein- reisen, nach Italien und an tausend an- auf und ab gehen. In ein paar Wochen
schlagen, Thorstein, Jorgen und die an- dere Orte. wird er drei Stunden täglich die Schule
deren. Thorstein wird darin schwim- Wenn er hier rauskommt, will er besuchen, in Trakt B.
men, zum ersten Mal seit neun Jahren. nicht mehr in einer Großstadt leben. Wenn er zur Toilette will, wird er
Sein weißhäutiger Körper wird in das Weil die Menschen in der Großstadt klingeln müssen. Sie werden ihn dort-
Wasser gleiten, der Herzschlag schnel- keine Verbindung haben zueinander. Er hin begleiten und zurück in seine Zelle.
ler, die Atmung kürzer als sonst. möchte in einem Dorf wohnen, wie auf Die schwere Eisentür werden sie hin-
„Alles völlig surreal“, sagt Thorstein Bastøy. ter ihm zuschließen. Raymond wird auf
und blinzelt mit hellen Wimpern. Raymond sitzt auf einem Baumstumpf sein Bett fallen und erleichtert sein. Er
Vor kurzem erst jährte sich sein Mord vor der Wache und lächelt. Er hat einen wird sich frei fühlen.
zum zehnten Mal. Da bildeten die Leute Antrag ausgefüllt, gestern Abend noch. Sie werden ihn bewachen. Er muss
auf dem Festland wieder Lichterketten, Bald werden sie ihn holen. Sie werden nicht selbst sein Wächter sein.
demonstrierten gegen Rassismus, wie ihn auf die kleine Fähre bringen und Drei Tage hat er durchgehalten im li-
damals nach jenem blutigen Wintertag, mit dem Wagen in das Gefängnis von beralsten Knast der Welt.  ■
der sich einbohrte wie ein Widerhaken Tønsberg fahren. Ein Zaun wird ihn be-
in die Seele der Nation. grüßen, darauf Stacheldraht. Das metal-
Einmal hatte Thorstein Freigang und lene Gittertor wird sich für ihn öffnen.
fuhr in einem Bus. Er hatte sich gefragt, Sie werden ihn in Trakt A bringen. 23 Quelle: Der Spiegel, Ausgabe 6 / 2011
ob sie ihn bemerken würden, ob sie mit Stunden am Tag wird er in seiner Zelle Nachdruck mit freundlicher
dem Finger auf ihn zeigen würden oder verbringen, vor dem Fenster Gitterstäbe Genehmigung des Spiegel-Verlages.
schnell wegsehen. „Niemand hat mich und Plexiglas. Fotos: Ilja C. Hendel / Der Spiegel,
erkannt“, sagt er. Und er ist sich nicht Dort wird er frühstücken, zu Mittag alle Rechte vorbehalten.

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plus & minus > plus: couragiertes und engagiertes Miteinander | Timo Funken

Ein ungewöhnlicher Leider sind auch die Köpfe und Herzen


nicht weniger Insassen ebenso vermauert –

Leserbrief erreichte die


verschlossen und voreingenommen. Vorur-
teile sind stereotype Überzeugungen, die zu
Intoleranz und Diskriminierung führen kön-
lichtblick-Redaktion. nen. Welcher Gefangene hat nicht – leider
viel zu oft ! – das Feindbild Schließer vor

Besonders ist nicht nur Augen ? Und welcher Justizvollzugsbedien-


stete argwöhnt beim Betrüger nicht gleich
auch den Betrug ? In den Köpfen – und so-
der Absender, son- mit auch im Handeln – sitzen die Vorurteile
tief und beeinflussen nicht nur den Umgang
dern auch der Inhalt miteinander, sondern das Ergebnis, das
Strafvollzugsziel „Resozialisierung“.

des Briefes, der Hoff-


„Lernen“ – ein trefflicher Aufruf für die
Mitarbeiter und die Insassen des Gefängnisses. Von- und mit-
einander lernen – und leben; und die Hoffnung auf´s Gute
nung macht. bewahren und sich tatkräftig dafür engagieren.  ■

von Timo Funken

Der Philosoph Kierkegaard hat den


Sinnspruch formuliert: „Hoffen heißt,
die Möglichkeit des Guten zu er-
warten.“ Das, was uns der kalte und
schneereiche Januar in die lichtblick-
Redaktion geweht hat, haben wir –
bei aller Hoffnung – nicht erwartet.
Etwas Gutes, gar Vorbildliches, er-
reichte uns: Zeilen, die Vorurteile ab-
bauen können, in denen konstruktive
(Selbst-)Kritik geübt wird und die das
Miteinander in der „totalen Instituti-
on“ Gefängnis begünstigen.

Den Brief sandte uns ein Leser. Ein bay-


erischer Justizvollzugsbediensteter,
der mit einfühlsamen Worten sich, die

+
Gefangenen und den Knast beschreibt.
Der Justizhauptsekretär, den wir ano-
nymisiert haben, um ihn zu schützen,
eröffnet seinen Brief mit einer ein-
drucksvollen Zustandsbeschreibung
des Knastes: „(...), dass Sie mir Ihre
Zeitschrift bitte an meine Privatadres-
se schicken, da ich nicht weiß, wie
unsere Anstaltsleitung darüber urteilt,
wenn ich mich für Ihre Zeitschrift in-
teressiere.“
Gefängnismitarbeiter, die Repres-
salien fürchten, wenn sie sich für Ge-
fangene interessieren – dies verhöhnt
nicht nur den Geist des Strafvollzugs-
gesetzes, sondern auch das Gesetz
selbst; und macht betroffen.

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d     e     r        l     i     c     h     t     b     l     i     c     k  1 | 2011 www.lichtblick-zeitung.de
plus & minus > minus: Geschäfte mit Knackis | Timo Funken

Geschäfte mit Ge- Den Auftakt unserer Reihe „Geschäfte mit Gefangenen“
macht ein kleiner Fisch: Ein Aboservice, der Gefangenen Zeit-

fangenen:
schriften-Abonnements andreht. Andreht ? Andreht ! – denn
was der Aboservice vollmundig anpreist, ist kein guter Deal.

Kapitalistische Wollen Gefangene Zeitungen und Zeitschriften beziehen,


sind sie gemäß §68 StVollzG beim Bezug auf die Vermittlung

Marktwirtschaft der Anstalt angewiesen. Von Knast zu Knast wird dieser Be-
zug ganz unterschiedlich gehandhabt; die Verwaltungsvor-
schiften zu §68 konkretisieren den Bezug dahin-
im Gefängnis –
Abo S
gehend, dass die Presseerzeugnisse
durch die Anstalt, den Gefangenen
da wo es keinen oder einen Dritten bestellt werden
können und in der Regel nur über Uns
Markt gibt, bleibt nur
den Postzeitungsdienst – Streifband
– oder im Abo bezogen werden dür-
fen. In manchen Anstalten verkauft
der Kapitalismus.
B
auch der Anstaltskaufmann Zeitungen 3
und Zeitschriften.
Inhaftierte können nicht ihre Geld-
Folge 1: börse aus der Tasche ziehen und beim
nächsten Kiosk ’ne Zeitung kaufen –
Zeitschriften-Abonnements ein Abo abzuschließen, ist für sie oft die
einzige Möglichkeit, ihre Wunschzeit-
schrift zu erhalten. r Bestse
ller
• De gig
von Timo Funken int 14 - tä g
• Ersche ng auf Rechnun
h lu
Für jeden Verlag ist der Vertrieb seiner • Beza

Erzeugnisse mittels Abonnements sehr


chein:
Als Markwirtschaft wird eine arbeitsteilig organisierte Wirt- attraktiv, da diese einen kontinuierlichen Bestells
iermi
schaftsordnung, in der die Koordination von Produktion und Umsatz garantieren. Abos werden dem Kon- be stelle h
x Ja, ich
Konsum über das Zusammentreffen von Angebot und Nach- sumenten daher als überlegendes Produkt ie (alle 3 Mo
nate € 11,4
0)
TV-Mov
frage auf Märkten erfolgt, bezeichnet. Elementar für eine ent- angepriesen (kostensparend, komfortabel, ie mit D
VD (alle
TV-Mov
wickelte Marktwirtschaft ist ein funktionierendes Tauschmit- prämienbehaftet). Jeder kennt die Angebote lle 3 Monate
€ )
7,80
TV 14 (a
tel, also Geld, welches den indirekten Austausch von Waren der Verlage: „Leser werben Leser“, bei denen lfilm (alle
3 Monate
TV-Spie
und Dienstleistungen erst ermöglicht. Prämien ausgelobt werden. Bis zu 200,- € pro Zeitu g n
andere
Die heutige kapitalistische Marktwirtschaft entstand im Abo erhält ein Werber. ue 12-Mon
Auf jedes ne
ausgehenden Mittelalter – jedoch ist der Begriff der Markt- bitte
wirtschaft kaum vom Kapitalismus abzugrenzen. Werber sind nicht nur andere Leser, sondern Coupon
In der Bundesrepublik Deutschland wird die sogenannte auch spezielle Vertriebsfirmen, die für jedes ge-
Soziale Marktwirtschaft als Leitidee des ökonomischen Han- worbene Zeitschriften-Abonnement Provisionen
delns proklamiert: Grundlage dieser Wirtschaftsordnung ist in Höhe von 25,- bis zu 200,- € erhalten. Nicht wenige Bürger

-
der Leistungswettbewerb und die Mono- sind an der Haustür schon von Drückerko-
polkontrolle. lonnen zum Abschluss irgendeines Abos
gedrängt worden. Zwar wird kein Knacki
Von Monopolkontrolle jedoch merken an seiner Zellentüre von Drückern zum
deutsche Gefängnisinsassen überwiegend Abschluss eines Abos überredet – manche
wenig – im Gegenteil: Die Betreiber von Vertriebsfirmen jedoch versuchen, mit ver-
Telefonapparaten, die den Einkauf durch- meintlichen Lockangeboten Gefangenen
führenden Lebensmittelhändler, die die Abos schmackhaft zu machen.
Fernsehprogramme bereitstellenden Fir-
men – ihnen allen wurde vom Staat ein
Monopol eingeräumt. Häufig führt dies Unser Rat:
bei den Insassen zu Unmut. Zu recht Wer beabsichtigt, eine Zeitschrift zu abon-
werden Monopole im Allgemeinen als nieren, sollte dies direkt beim Verlag tun –
schädlich erachtet, da ein Monopol in viele Verlage übersenden nämlich dem neuen
den meisten Fällen wohlfahrtsmindernde Leser wertvolle Prämien. Verschenkt dieses
Wirkungen hat. Geld nicht an dubiose Abo-Werber !  ■

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Feature
Feature >> Hurtigruten
Flügeltürer | Timo Funken

Oh lord won´t you


buy me a Mercedes-
Benz
von Timo Funken

Wenn Janis Joplin diesen Mercedes-Benz sehen könnte – sie würde ihren Herrn
nicht nur bitten, sondern anflehen, ihr dieses geile Geschoss, den neuen Flügel-
türer, zu kaufen. Der SLS AMG ist ein Supersportwagen mit den Genen des legen-
dären Mercedes-Benz 300 SL aus den 50er Jahren; nur fast noch famoser.

Janis Joplin, die amerikanische Sängerin, die sich 1970 in ihrem Song „Mercedes Benz“ nach einem Fahrzeug der Stuttgarter
Marke verzehrte, fuhr privat ’nen bunten Porsche (356 SC Cabriolet). War Sie also zwischen den Autos der beiden deutschen
Automobilbauern hin und her gerissen ? Sicher ist, dass Janis Joplin die jüngste Schöpfung von Mercedes-Benz und AMG –
den SLS – geliebt hätte. Symbolisiert er doch vortrefflich die Maxime, nach der Joplin, Jim Morrison und Jimi Hendrix gelebt
haben: „Live fast. Love hard. Die young.“ (dt.: „lebe schnell, liebe heftig, stirb jung“).

Auch wenn die umfangreiche Sicherheitsausstattung des SLS, der Mercedes und AMG besondere Aufmerksamkeit gewidmet
haben – die besten und modernsten Materialien, Konstruktionen und Systeme wurden verbaut –, Unfallrisiken vermindert –
hervorstechend beim SLS sind die atemberaubende Karosserie und die Fahrleistungen auf Rennsportniveau. Die 571 Pferde
unter der langgezogenen Haube machen richtig Dampf und beschleunigen den Supersportwagen in 3,8 Sekunden von Null auf
100 km / h; der Vortrieb wird erst bei 317 km / h elektronisch begrenzt. Die Aluminium-Spaceframe-Karosserie mit dem tiefen
Schwerpunkt sorgt zusammen mit dem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe in Transaxle-Anordnung mit Torque Tube und
dem kurzen Heck für überragende Fahrdynamik.
Auch wenn man den SLS
auf der Autobahn nur von
hinten sehen wird, oder
den bulligen Stern, der,
von den beiden Bi-Xenon-Scheinwerfen eingerahmt wird, plötzlich
im Rückspiegel auftaucht – am Design kann man sich nicht satt-
sehen: Bullig und filigran zugleich macht der SLS stets eine gute
Figur. Die vielleicht nur durch die der Beifah-
rerin getoppt wird.

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Feature > Flügeltürer | Timo Funken

SLS AMG E-CELL – so heizt man


morgen über die Straßen!

Die Studie SLS AMG E-Cell ist das sportlichste


Elektro-Automobil aller Zeiten. Mit fast 400 kW
und einem Drehmo-
ment von 880
Newtonmetern
prescht der
gelbe Flitzer
fast geräusch-
los und (lokal)
emissionsfrei
vorwärts. Die vier
kompakten Synchron-Elektromotoren erreichen
eine Maximaldrehzahl von 12.000/min und sind
radnah angeordnet; damit werden die ungefederten
Massen erheblich reduziert. Nur vier Sekunden ver-
gehen von Null auf 100 km / h – besonders das agile
Ansprechverhalten und die lineare Leistungsabgabe
sorgen für Begeisterung. Vortrieb ohne Ende, wie
vom Gummiband nach vorne geschleudert, – das
sind die Charakteristika eines Elektromotors. Der
Momentaufbau erfolgt verzögerungsfrei, das ma-
ximale Drehmoment steht praktisch aus dem Stand
bereit. Vier Motoren, vier Räder – der intelligente
und permanente Allradantrieb des Elektro-SLS
garantiert Fahrdynamik auf höchstem Niveau bei
gleichzeitig bestmöglicher aktiver Sicherheit.

Dieser Flügeltürer elektrisiert im wahrsten Sinn des


Wortes !  ■

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Friedrichsfelde

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Kultur > Sucht | Timo Funken

Fjodor Dostojewski: Der Spieler

„Wie gewonnen, so zerronnen“ – dieses Sprichwort ver-


dichtet treffend den herausragenden Roman des weltbe-
rühmten russischen Schriftstellers Fjodor Dostojewski,
der im 19. Jahrhundert lebte. Dostojewskis Romane hat-
ten großen Einfluss auf die Literatur des 20. Jahrhunderts;
sie gelten als Weltliteratur. Dostojewski wurde zum Tode
verurteilt, zu sibirischem Arbeitslager begnadigt, litt an
Epilepsie und Spielsucht.
Die Protagonisten seines großen Romans „Der Spieler“
scheitern kläglich: Ein spielsüchtigen General, der auf den
Tod seiner Tante hofft, um ihr Erbe antreten zu können
(das diese innerhalb weniger Tage verspielt), ebenso, wie
sein Hauslehrer Aleksej, der unsterblich verliebt ist – und
für seine Angebetete, deren Schulden er tilgen will, zum
Spieler wird.
Am Roulette-Tisch und beim Kartenspiel, dem „Trente
et quarante“, ruinieren Menschen nicht nur sich, sondern
auch ihre Lieben; hoffnunglos endet der Roman ...

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Kultur > Sucht | Timo Funken

Getrieben von
süchtigem
Verlangen
von Timo Funken

„Getrieben von süchtigem Verlangen“ – der Pleonasmus,


die eigentlich überflüssige Häufung sinngleicher Aus­
drücke, macht hier Sinn: Eine Sucht ist nicht einfach nur
eine Neigung oder Leidenschaft, sie drängt und dräut,
übermächtig ist sie, Nachgeben und Erfüllen fordert sie
mit Vehemenz ... und – ach ! – ich kapituliere so gerne:
Sucht – erfülle und befriedige mich ! Aber für einen
Moment nur – bis Du, erbarmungslose Sucht, erneut
pochst, und Deinen Tribut forderst.

Der Tribut, das große Opfer, ist es, dass die Sucht ge­
fährlich macht. Die Risiken und Nebenwirkungen
von Glücksspielsucht, Alkoholabhängigkeit und
Drogenkonsum wiegen schwer. Der Lustgewinn verkehrt
sich schnell ins Gegenteil – die Befriedigung verfliegt,
aber die Nachteile, die bleiben.

„Abhängigkeitssyndrom“ nennen Mediziner und Psy­


chologen die verhaltensbezogenen, kognitiven und
körperlichen Phänomene, die sich nach wiederholter
Einnahme von psychotropen Substanzen einstellen. Aber
auch die nicht stoffgebundenen Süchte, die sogenannten
„Verhaltenssüchte“, zu denen unter anderem Kaufsucht,
pathologisches Spielen, Internetabhängigkeit und Sex­
sucht zählen, zeigen ähnliche Phänomene: das oft un­
überwindbare Verlangen, der dauerhafte Konsum – der
sich kaum kontrollieren lässt – und die Vernachlässigung
anderer Verpflichtungen oder Aktivitäten. Alles dreht sich
nur noch um den »Stoff«.

So auch in den Büchern und Filmen, die wir Ihnen auf


den folgenden Seiten vorstellen und die besonders den
faden, bitteren, zerstörenden Beigeschmack der Süchte
fokussieren.

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Kultur > Sucht | Timo Funken

Malcolm Lowry: Unter dem Vulkan

Unter dem Vulkan lebt – besser: torkelt – ein Konsul;


irgendwo im nirgendwo, in einer fiktiven Kleinstadt
in Zentralmexiko in den dreißiger Jahren des 20.
Jahrhunderts, befindet sich ein trinkender und torkelnder
Konsul im letzten Stadium des Alkoholismus.
Zu tun hat er nix – außer in seinem verwilderten
Garten herumzuirren und aus hinter jedem Busch ver-
steckten Schnapsflaschen ’nen Schluck zu nehmen,
eine hoffnungslose – aber liebende und geliebte ! –
Ehe mit seiner Frau zu retten zu versuchen, auf dem
Rummelplatz der Stadt die ganze Nacht im Riesenrad
zu fahren, sich im dunklen Wald zu verirren – und
am Ende erschossen zu werden.
Der Roman ist aus Sichtweise des Konsuls ge-
schrieben, d.h. er ist über weite Strecken geschrieben
wie ein Betrunkener denkt: voller Wiederholungen
und überraschender Diskontinuitäten. Oder um-
gangssprachlich: Der Konsul ist „durch“. Kein
Wunder, lebt er doch in einem archaischen Land,
das sich mit Wut und Lethargie dahinschleppt.
Lowry, der Autor, zählt zu den bedeutensten
Schriftstellern des 20. Jahrhunderts; in seinen
Werken liebkost er oft die große Passion seines
Lebens: den Alkohol.

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Kultur > Sucht | Timo Funken

Jason Reitman: Thank you for Smoking

Rauchen ist ungesund – „Ach was, wirklich ?“, wür-


de Nick Naylor, Lobbyist der Tabakindustrie in der
Filmsatire „Thank you for Smoking“, entgegnen und mit
geschickten Manipulationen und schurkischem Betrug
versuchen, uns vom Gegenteil zu überreden; überzeu-
gen aber kann er nicht, auch wenn seine brillant präsen-
tierten Taschenspielertricks blendend wirken.
Naylor arbeitet für ein „Forschungszentrum“, das von
der Tabakindustrie finanziert und dominiert wird. Er tritt
in Talkshows auf und spielt die gesundheitlichen Risiken
des Rauchens herunter.
Der Film zeigt eindrucksvoll, wie hinter den Kulissen
das Volk verarscht wird und multinationale Konzerne
sich zu Lasten des einfachen Bürgers die Taschen voll
machen und nicht nur über Leichen gehen, sondern sie
produzieren – Verderben und Tod. Durchschnittlich
stirbt jeder vierte Raucher an den Folgen seiner Sucht !
Jede einzelne Zigarette verkürzt das Leben um etwa 5
Minuten !
Der Film wurde für zwei Golden Globes nominiert
und gewann den Independent Spirit Award für das be-
ste Drehbuch. Empfehlung: Gucken – und sofort das
Rauchen einstellen.

Mike Figgis: Leaving Las Vegas

Ben Sanderson, der Protagonist des preisgekrönten


Filmdramas „Leaving Las Vegas“, ist ’ne Flasche: Der
Alkoholkranke Drehbuchautor Ben ist privat und beruf-
lich gescheitert und beschließt, nach Las Vegas zu rei-
sen, um sich dort zu Tode zu trinken. In Las Vegas ein-
getroffen, beginnt er schnurstracks, sein Vorhaben in
die Tat umzusetzen. Dabei lernt er die Prostituierte Sera
kennen – und lieben.
Die beiden schweben nicht auf Wolke Sieben, es ist
nicht die romantische, glückserfüllende Liebe, die die
beiden miteinander teilen, sondern eine besondere Form
tiefer und intensiver Zuneigung mit speziellen Regeln:
Sera darf nicht versuchen, Ben von seinem Vorhaben,
sich zu Tode zu saufen, abzubringen; im Gegenzug soll
Seras Broterwerb, das Anschaffen-Gehen, zwischen den
beiden kein Thema sein.
Die Liebe besiegt den Tod nicht – der Film verspricht
keine Rettung ... sein poetischer Realismus aber gibt
Hoffnung.
Der Film gilt als beeindruckendes Psychodrama –
Nicolas Cage, der den alkoholkranken Ben verkörpert,
hat für seine beklemmend realistische Darstellung den
Oscar als Bester Hauptdarsteller erhalten. Auch in wei-
teren Kategorien wurde der Film nominiert.
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Kultur > Sucht | Timo Funken

Kai Hermann und Horst Rieck: Wir Kinder vom


Bahnhof Zoo

„Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ ist ein 1978 vom Magazin
STERN herausgebrachtes biografisches Buch, in welchem
die Situation drogenabhängiger Kinder und Jugendlicher
am Beispiel der damals 14-jährigen Christiane
Felscherinow aus der Gropiusstadt im Berliner Bezirk
Neukölln geschildert wird.
Minutiös und deutlich berichtet Christiane von
ihrem Leben als heroinsüchtiges Kind, von ihrem
Teufelskreis aus persönlichen und sozialen Problemen,
Drogenabhängigkeit, Verrohung, Kriminalisierung und
Prostitution. Sie geht anschaffen, um ihre Drogensucht
zu finanzieren; sie entzieht und wird wieder rückfäl-
lig; sie dealt, bläst und spritzt – ein Selbstmordversuch
schlägt fehl.
In dem wahren und schmerzlichen Buch kommen
auch Christiane’s Familie, Personen ihres Umfelds,
sowie Sozialarbeiter, Polizisten und Therapeuten zu
Wort.
Zwar schaffte sie damals den Ausstieg – in den
letzten 20 Jahren wurde sie jedoch mehrmals rück-
fällig und 2008 nahm das Jugendamt ihren Sohn in Obhut.

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Kultur > Sucht | Timo Funken

Ted Demme: Blow

In dem Film „Blow“ spielt Johnny Depp die Hauptrolle des


seinerzeit größten Drogendealers der USA – in der Realität
lebte George Jacob Jung dieses Leben: Handelte er anfangs
– in den 70er Jahren – in Kalifornien und an der Ostküste
mit Marihuana, stieg er später zum größten Kokaindealer
auf.
Der Einstieg ins Geschäft fiel George Jung ganz leicht:
Zur Hippiezeit bediente er am Pazifikstrand in
Kioskbetreiber-Mentalität den steigenden Bedarf. Mit
Hilfe seiner damaligen Freundin, einer Stewardess, ver-
sorgte er bald darauf Chicago. Nachschub organisierte er
aus Mexiko selbst: Mit einem geklauten Flugzeug schmug-
gelte er große Mengen Marihuana in die USA.
Jung, den Depp als durchaus sympathischen, infantilen
Menschen darstellt, wird 1972 mit 300 kg Marihuana er-
wischt – entzieht sich nach seiner Haftverschonung
auf Kaution aber dem Verfahren und dealt weiter. Die
Handschellen schnappen zwei Jahre später zu.
Nach dem Knast dreht Jung richtig auf: Während der
Haftzeit aufgebaute Kontakte verhelfen ihm zu einem neu-
en Lieferanten. El Patrón, Pablo Escobar. In der Folge ver-
dient Jung Millionen mit dem Kokainvertrieb – und zer-
bricht selbst fast an seiner Sucht. Trotz – oder wegen ! – der
Berge an Drogen und Geld scheitert Jung.
Halb zog sie ihn, halb sank er hin ... nach einem wei-
teren Gefängnisaufenthalt von mehreren Jahren will Jung
das letzte große Ding drehen, um mit seiner zwischenzeit-
lich 9-jährigen Tochter ein neues Leben beginnen zu kön-
nen: das alte aber lässt ihn nicht los – er wird mit einer
viertel Tonne Kokain erwischt und zu einer 60-jährigen
Freiheitsstrafe, von der er 20 Jahre absitzen muss, verur-
teilt. Im November 2014 – 69 Jahre wird er dann alt
sein – wird Jung entlassen werden.

Auf ganzer Linie:


Kokain – von der Plantage bis in die Nase.

„Erythroxylum coca“, der Kokastrauch, ist eine Pflanzenart, die zur Familie der Rotholzgewächse gehört. Der Strauch
wird etwa mannshoch und seine Heimat liegt vorwiegend an den Osthängen der Anden. Größter Produzent ist Kolumbien
mit einer Anbaufläche von etwa 70.000 Hektar, gefolgt von Peru und Bolivien (ca. 60.000 bzw. 30.000 Hektar).
Ungefähr 1 Kilo Kokablätter ergeben 1,6 Gramm Kokapaste. Nach weiteren Verarbeitungsschritten erhält man Kokain –
das in den Erzeugerländern einen Wert von ca. 1,30 € pro Gramm bei einer Reinheit von etwa 90 % hat.
Beim Weg nach Europa – dem Schmuggel – vervielfacht sich der Preis: Die Schmuggler erhalten in Europa etwa 25,- €
pro Gramm – dies entspricht einer Rendite von über 1500 Prozent. Das Kokain wird nun mit Milchzucker, Süßstoff,
Traubenzucker, Paracetamol, etc. gestreckt – seine Reinheit beträgt anschließend etwa 50-70 %.
Weitere Dealer strecken und verpacken das „weiße Gold“ erneut, so dass der Endverbraucher ca. 50-70 Euro für ein
Gramm Kokain mit einem Reinheitsgrad von etwa 30-40 Prozent erhält. In Russland beträgt der Endverbraucherpreis ca.
150,- USD, in Saudi-Arabien bis zu 200,- USD.
Den Hauptprofit beim Vertrieb der Droge machen die Dealer, die das Kokain an den Kunden verkaufen – weltweit haben
sie im vergangenen Jahr etwa 25 Milliarden US-Dollar verdient. In Deutschland haben bis zu 4 Millionen Menschen im
vergangenen Jahr konsumiert.  ■

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Kunstwettbewerb > Von Licht und Dunkel | Verein Art and Prison

PATRONAT www.artandprison.org
Donata Freifrau von Schenck zu Schweinsberg
Vizepräsidentin des Deutschen Roten Kreuzes

Michael Mendl, Schauspieler


Michael Triegel, Maler
Peter Bruns, Musiker

V on L ich t
u n d D u n kel
Thema des 2. Internationalen Kunstwettbewerbs 2011 für
inhaftierte Frauen, Männer und Jugendliche
(Zeichnungen, Malereien und Grafiken, maximal 60 cm x 80 cm)

Einsendeschluss 31.07.2011

© B i l d : Co r n el i a H ar m el · G r afik -D esi g n : B et t i n a G r ü n er t

Kooperationspartner:
Informationen/Einsendungen: Preise:
Verein Art and Prison e.V. PAX-Bank
1. Preis € 1000
als gemeinnützig anerkannt
Invalidenstrasse 2 2. Preis € 500
10115 Berlin-Mitte 3. Preis € 300
contact@artandprison.org 4.-10. Preis € 100
www.artandprison.org
Jury: Renate Christin, Künstlerin, Regensburg, 2002-2009 Vorsitzende der IGBK . Professor Dr. Dr. Ulrich Hemel, Laichingen, Direktor des Instituts für
Sozialstrategie . Prof. Dr. Sylvia Vandermeer, Künstlerin, Rügen . Birgitta Winberg, ehem. Präsidentin IPCA World, Stockholm . Daniel Hauben, Künstler, New York .
Prof. Dr. Tamara Kudrjawzewa, Institut für Weltliteratur, Moskau . Dr. Damase Masabo, Mercedarierorden - Rom und Burundi. Kani Alavi, Künstler, Berlin .
Andreas Weische, Künstler, Haus Ruhreck in Hagen . Peter Lodermeyer, Kunstkritiker, Bonn - Kuratorin des Wettbewerbs CORNELIA HARMEL - Berlin

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Kunstwettbewerb > Von Licht und Dunkel | Verein Art and Prison

www.artandprison.org

V on L ic h t
und D u n ke l
Thema des 2. Internationalen Kuns
twettbewerbs 2011 für
inhaftierte Frauen, Männer und
(Zeichnungen, Maler Jugendliche
eien und Grafiken, maximal 60
cm x 80 cm)
DE LUZ Y OSCURIDAD Of Light and Darkness
OMBRE ET LUMIÈRE Φως και σκοτάδι
О свете и тьме O svetlu i mraku
光と闇をともに Világosságról és sötétségről
Зі світла і темряви della luce e delle tenebre
ZE TMY DO SVĔTLA 光明与黒暗

Von
Entsprechend seiner Satzung verfo
lgt der
Verein „Art and Prison e.V.“ auss Kennzeichnung der Werke
chließlich
gemeinnützige Zwecke. Mit Teiln · Name des/r Teilnehmers/in
ahme am
Kunstwettbewerb gehen die Einse · Nationalität
ndungen
in das Eigentum des Vereins „Art · Land und Adresse
and
Prison e.V.“ über. Mit der Einsendun · Name der Haftanstalt
g wird
also eine Werkspende gemacht, · Titel des Werks
die im
Verkaufsfall satzungsgemäß einem · Signatur
sozialen Zweck zugute kommt. Unte

Licht
rstützt · Größenangabe
werden Resozialisierungsprojekte · Technik
,
vorzugsweise für Frauen und Kinde · Datierung der Einsendung
r, sowie
kulturelle Veranstaltungen, die dem (bitte deutlich in Druckbuchstaben)
Resozialisierungsauftrag und der
Opferhilfe
dienen. Die Entscheidung der Jury Kosten
ist
bindend. Der Rechtsweg ist Es wird keine Teilnahmegebühr
ausgeschlossen. erhoben.
Transport- und Portokosten werd
en
nicht übernommen.
Informationen/Einsendungen
Einsendeschluss:
Verein Art and Prison e.V.
Gemeinnütziger Verein 31. Juli 2011
Invalidenstraße 2
10115 Berlin-Mitte Prämierung der ausgezeichneten
contact@artandprison.org Werke und Ausstellungseröffnun www.arta
g: ndprison
www.artandprison.org .org
28. Oktober 2011

"Von Lich
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Recht > aktuell | Stephan Welk

R e c h t
KURZ gesprochen
(2/3 oder Halbstrafe). Dabei ist die angeführt werden. Insofern hat der
Reststrafenaussetzung Frage, ob eine Ver-fahrensdauer noch Antragsteller – auch bei Ablehnung
und angemessen ist, nach den besonde- – einen wertvollen Hinweis und eine
Beschleunigungsgebot ren Umständen des einzelnen Falles zu Hilfe, was bis zur Stellung des näch-

§ § § § § §
StPO §§ 121, 122
OLG Nürnberg, Beschl. v.
26.08.2010 - 1 Ws 462/10
StPO §454, StGB §57, GG Art. 2
Abs. 2 S. 2, Art. 20 Abs. 3, Art. 104
Abs. 1 S. 1
BVerfG, 3. Kammer des 2. Senats,
beurteilen.
Dies gilt auch, wenn das Gericht zur
Entscheidungsfindung einen Gutachter
beauftragt. Die Überwachung, dass
dieser auch zügig arbeitet, obliegt
ebenfalls dem Gericht und muss – bei
Verzögerung – gerügt werden.
Gleiches gilt dafür, dass das Gericht
sten Antrags zu tun ist. Kann er die
Ablehnungsgründe allesamt oder
zum größten Teil beseitigen, hat er
große Chancen auf eine positive
Bescheidung seines Antrags.

der lichtblick-Kommentar
Sowohl das Gericht, als auch die
Beschl. v. 13.09.2010 - 2 BvR 449/10 auch darauf achten muss, dass die JVA Anstalt können sich nicht ewig
und deren Fachdienste ihre Berichte mit der Bearbeitung Zeit las-
Nach dem Rechtsstaatsprinzip müs- unverzüglich dem Gericht vorlegen,

§ § § § §
sen. Gut, dass nun auch seitens
sen alle Haftsachen mit einer ange- damit dieses zu einer Entscheidung der Vollstreckungskammern da-
messenen Beschleunigung bearbei- kommen kann. rauf geachtet werden muss, dem
tet werden. Dies gilt auch bei einem Je früher man einen Antrag stellt, „Amtsschimmel“ die Sporen zu geben.
Antrag auf Reststrafenaussetzung umso eher hat man die Gewissheit über Haftsachen sind Eilsachen ! Die
die Ablehnungs- Freiheit ist eines der höchsten Güter,
Anzeige gründe. Stellt und es muss darauf geachtet wer-
man nun zum den, dass dieses Gut für jedermann
H a l b ­s t r a f e n ­ gewahrt wird. Erst recht, wenn ein
zeitpunkt ei- Strafgefangener für seine Fehler ge-
nen Antrag auf büßt hat und der Freiheitsanspruch von

§ § § § § §
Aussetzung Gesetzes wegen geprüft werden muss.
und wird die-
ser abgehlehnt,
hat man bis zur
2/3-Prüfung Zeit, Verdeckte Ermittlungen
die Negativ- nach der sog.
merkmale zu be-
seitigen. Neue „Cold-Case-Technik“
Gründe für die
Ablehnung, so- StPO § 101
fern keine neu- OLG Zweibrücken, Beschl. v.

§ § § § §
en Straftaten 26.05.2010 - 1 Ws 241/09
oder schwer-
wiegende Dis- Verdeckte Ermittlungen nach der
z i p l i n a r ­ „Cold-Case-Technik“, bei der dem
maßnahmen Beschuldigten die Beteiligung an ei-
bzw. -verstö- ner kriminellen Organisation vorge-
ße während des spiegelt wird, sind nicht grundsätzlich
Vollzugs auf- zu beanstanden.
getreten sind, Die Vortäuschung der Begehung
können nicht von Straftaten ist – anders als deren

42
d     e     r        l     i     c     h     t     b     l     i     c     k  1 | 2011 www.lichtblick-zeitung.de
Recht > aktuell | Stephan Welk

R e c h t
KURZ gesprochen
Begehung – dem verdeckten Ermittler sein Schweigerecht berufen hat, der lichtblick-Kommentar
gestattet. durch Anbahnung eines Vertrauens- Sauerei ! Mit Lug und Betrug versu-
In dem vorliegenden Sachverhalt verhältnisses dazu veranlasst wer- chen hier die Ermittlungsbehörden den
hatte sich ein verdeckter Ermittler den darf, von sich aus Informationen Gesetzgeber zu hintergehen, indem sie

§ § § § § §
während eines Transports als
Häftling einschleusen lassen. Dabei
erschlich er sich das Vertrauen der
Zielperson und verbrachte einige Zeit
auf Transport mit ihm. In der Folge
besuchte der verdeckte Ermittler die
Zielperson auch in der Anstalt und
baute so das weitere Vertrauen auf.
preiszugeben. Einwirkungen, die sich das Aussageverweigerungsrecht eines
als funktionales Äquivalent einer jeden Menschen mit Füßen treten. In
Vernehmung darstellen, sind jedoch Wildwest-Manier werden hier die nie-
nach der Rechtsprechung des derträchtigsten Methoden angewandt,
Bundesgerichtshofs und des Euro- um am Ende zweifelhafte Erfolge
päischen Gerichtshofs für Menschen- herbeizuführen. Keiner weiß, ob der
rechte unzulässig.
Maßgeblich sind die Christophmeintlichen
Umstände des
Beschuldigte, nur um seinen ver-
Clanget Freund nicht zu verlie-
Als die Zielperson aus der Haft ent- Einzelfalles, etwa, dass gezielte und be- ren, die Beteiligung an einer Straftat
lassen wurde, „half“ der verdeckte
FacHanwalt Für StraFrEcHt
harrliche Fragen gestellt wurden, durch zugegeben hat, obwohl er es tatsäch-
Ermittler auch weiterhin und spielte strafverteidigung
die der Beschuldigte zu Angaben mas- lich nicht war. Schande ! Schande über

§ § § § §
ihm die Aufnahme in eine kriminelle
Vereinigung vor.
Der verdeckte Ermittler wurde ein-
gesetzt, weil gegen die Zielperson
wegen des Verdachts der schweren
Brandstiftung ermittelt wurde. Die
Zielperson hatte aber die Aussage
siv gedrängt wurde.
Der ausgeübte Druck Strafverteidigung

an der „Organisation“ Français


haben zu dür-
fen, und war
nicht allzu
nicht länger
English spoken
teil-
die Verantwortlichen einer solchen
deutschlandweit
im vorliegen- Ermittlung !
in der Drohung, diese gewissenlose
den Fall bestand hier Vertretungsberechtigt
Inhaftierten.
parlé couramment
Zum Fremdschämen ist
an allen GerichtenAusnutzung eines

Anzeige

bei der Polizei verweigert und so von erheblich. Christoph Clanget


seinem Aussageverweigerungsrecht Soweit der
Gebrauch gemacht. In Haft befand verdeckte FacHanwalt Für StraFrEcHt

§ § § § § § strafverteidigung
sich der Verdächtige in anderer Sache. Ermittler den
Der verdeckte Ermittler täuschte Ve r u r t e i l t e n
nun seinerseits Straftaten vor und mo- unter dem Strafverteidigung deutschlandweit
tivierte die Zielperson, bei einer ver- Vorwand, man Vertretungsberechtigt an allen Gerichten
meintlichen kriminellen Bande mitzu- müsse sich in-
Français parlé couramment
machen. Voraussetzung, so der ver- nerhalb der
deckte Ermittler der Zielperson ge- Organisation English spoken
genüber, sei allerdings, dass man sich uneinge-
innerhalb der Bande die Wahrheit sage, schränkt ver-
also auch zu begangenen Straftaten trauen, ge-
wahrheitsgemäße Äußerungen ma- zielt auf die

§ § § § §
chen müsse. Zunächst bestritt die Brandstiftung
Kanzlei SaarbrücKen Kanzlei München
Zielperson die Beteiligung an der ansprach, han- Ismaninger Straße 98
Haldystraße 8
schweren Brandstiftung. Als der ver- delte es sich 66123 Saarbrücken 81675 München
deckte Ermittler allerdings den Druck um unzuläs- Fon 0681 - 950 89 30 Fon 089 - 97 60 60 06
Fax 0681 - 950 89 33 Fax 089 - 97 60 60 07
erhöhte und mit Rauswurf aus der kri- sige verneh- Mobil 0163 - 252 64 38 Mobil 0163 - 252 64 38
minellen Vereinigung drohte, knickte mungsähnliche
die Zielperson ein und gestand die Situationen.
schwere Brandstiftung.
Hierzu stellte das Gericht fest, info@clanget.de
dass ein Beschuldigter, der sich auf www.clanget.de r E c H t S a n w ä lt E

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Tegel Intern > Brand in der TA V | Andreas Werner

Brand in der JVA Tegel


von Andreas Werner

Mittwoch, der 02.02.2011: wohin wir gehen sollen und auch keine ein Feuerwehrschlauch unter dem Druck
Ein direkt betroffener Augenzeuge Durchsage über die Sprechanlage be- des einschießenden Wassers. Ich sah die
berichtet, dass er am Mittwoch, züglich eines Brandes erfolgte. Zuerst Lichter eines Feuerwehrautos und davor,
der 02.02.2011 um 17.35 Uhr, ei- sollten wir in den Pavillon der TA V, als am Ende des Flurs, eine Menschentraube
nen starken Brandgeruch und Rauch der aber überfüllt war, brachte man uns aus Gefangenen aller Etagen. Auch die
wahrnahm. Er stand gerade unter der in das Nachbarhaus. Gegen 20.30 Uhr Inhaftierten, die mit mir auf der 5. Etage,
Dusche – ausgerechnet in der Dusche wurden diejenigen Gefangenen, deren auf der Station 9, also auf der Etage über
direkt neben der Zelle, die in der 4. Stationen vom Brand nicht direkt beein- dem Brandherd, festgehalten wurden,
Etage auf der Station 8 ausbrannte. Er trächtigt waren, auf ihre Station zurück- schlossen sich nun den anderen an.
zog sich hastig an, verließ die Dusche geführt. Der Anstaltsalarm wurde in der Wir wurden in den Pavillon der TA V
und stolperte noch über einen lee- Folge aufgehoben und bis zur regulären bugsiert. Da war aber nicht für alle
ren Feuerlöscher vor der Zellentür. Einschlusszeit, um 21.30 Uhr, durften Platz. Die einen drängten rein, die an-
Wie ihm herumstehende Mithäftlinge sie sich wieder auf ihrer Etage bewegen. deren wieder hinaus. Ein heilloses
schilderten, hatte eine Beamtin zwi- Gedränge entstand. Und genau über
schenzeitlich ein Feuer in der Zelle 2. Augenzeugenbericht – zur gleichen dem Dach dieses Pavillons brannte die
mithilfe des Feuerlöschers gelöscht. Zeit: Auf der Etage direkt über dem Zelle mit gewaltiger Rauchentwicklung
Fast zeitgleich traf der Bewohner der Brandherd laufen zwei Beamte von aus. Jetzt befanden wir uns direkt unter
betroffenen Zelle ein. Zum Zeitpunkt Zelle zu Zelle, öffnen die Zellentüren dem Brandherd.
des Brandes war er beim Sport gewesen. und fordern die Insassen auf – ohne Wir wurden wiederum aufgefordert,
Unverzüglich wollte er die verkokelten Nennung eines Grundes –, ihre die Örtlichkeiten zu verlassen und uns
Sachen aus seiner Zelle nehmen, wurde Hafträume zu verlassen und sich un- ins Nachbarhaus, in den Pavillon der TA
aber von einem Beamten aufgefordert, verzüglich auf dem gegenüberlie- VI zu begeben. Aber auch da war nicht
die Zelle sofort zu verlassen. Er leiste- genden Flur der Station 9 einzufinden. genug Platz für uns alle.
te den Anweisungen des Beamten Folge Sicherlich wieder so eine etagenmä- Mittendrin zwei oder drei Beamte,
und der Beamte verschloss die Zelle. ßige Haftraumkontrolle, denken einige die völlig chancenlos versuchten, die
Insassen. Von einem Brand haben viele Inhaftierten nach ihren Stationen zu
Wenig später vernahm unser noch gar nichts mitbekommen. sortieren oder gar zu zählen. Erst als die
Augenzeuge, nachdem er auf seine Zeitgleich werden die Inhaftierten Inhaftierten stationsweise aufgerufen
Station 1/2 zurückgekehrt war, auch der direkt unter dem Brandherd lie- und einzeln durch eine Tür wieder
auf seiner Station einen zunehmenden genden Etage zu uns hinauf evakuiert – ins Freie gelotst wurden, ließ sich
Brandgeruch. Kurz darauf, gegen 17.50 also auf die Etage über den Brandherd. feststellen, ob einer fehlte. Zu dem
Uhr, wurde Anstaltsalarm ausgelöst. Erst jetzt mutmaßen die dicht ge- Zeitpunkt der Zählung war das Feuer
Die Stockwerkstüren wurden verschlos- drängten Inhaftierten einen Brand im schon gelöscht und die Feuerwehrleute
sen. Der Brandgeruch verstärkte sich, Haus. Einige sagen, eine Etage tiefer begannen, zwischen uns Draußen-
und unter den Inhaftierten breitete sich würde es brennen, und schließlich kön- Stehenden, mit Aufräumarbeiten. Die
Unruhe aus. Das Gerücht ging um, dass nen alle den Brandgeruch wahrnehmen. Inhaftierten der Stationen 7, 8, 9 +
sich in der Zelle, in der zuvor der Brand Ein Beamter spricht in die laut debat- 10, die vom Brand und dem Qualm
gelöscht worden war, das Feuer erneut tierende Menge, und somit auch von besonders stark beeinträchtigt waren,
entzündet haben soll. nicht allen hörbar, dass er die Tür zum wurden – so leicht bekleidet, wie sie ca.
Es dauerte 20 Minuten, bis schließlich Treppenhaus neben dem Stationsbüro 2 Stunden zuvor in Freizeitgarderobe
der Stationsbeamte kam und verkünde- aufgeschlossen habe und wir über die ihre Zellen verlassen hatten – zum
te, er habe die Tür zum Treppenhaus Treppe hinunter gehen sollen. Haus I hinübergebracht. Die vom Brand
neben dem Stationsbüro aufgeschlossen Einige trotteten zum Treppenhaus, nicht in Mitleidenschaft gezogenen
und im Notfall könnten die Inhaftierten andere debattierten auf dem Flur weiter Gefangenen wurden auf ihre jeweilige
über diese Treppe nach unten gelangen. – über das wieso oder weshalb und was Stationen zurück ins Haus V gebracht.
Anfänglich standen alle etwas ratlos he- denn überhaupt los sei. Noch mal alles gut gegangen !
rum. Aber dann kamen weitere Beamte Ich jedenfalls ging die Treppe hinun-
und wiesen die Inhaftierten unmissver- ter und war währenddessen allein im Die ins Haus I verbrachten Inhaftierten
ständlich an, die Station sofort über die Treppenhaus. Weil ich die Treppe noch erlebten dann aber einen Flashback: einen
Treppe zu verlassen. Die Evakuierung nie benutzt hatte, fand ich mehr zufällig blauen Müllsack in die Hand gedrückt,
verlief diszipliniert und gesittet, obwohl den Ausgang in der Erdgeschoss-Etage. der gefüllt war mit der für den Haftantritt
es keine konkreten Informationen gab, Am Boden vor der Zentrale wand sich üblichen Erstausstattung, anschließend

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noch eine abgegriffene Matratze unter geöffnet, 6 oder 7 Beamte standen vor Uhr werden unsere Zellen erneut auf-
den Arm geklemmt, wurde jeder einzel- meinem Haftraum, ein beeindruckendes geschlossen und wir können auf den
ne von uns in eine der seit Monaten im Aufgebot. Einer fragte mich nach Stationsflur treten. Wir sehen alle
Haus I freistehenden Zellen gesperrt. meinem Namen und der Station, auf der ziemlich bedeppert und mitgenom-
Tür auf, Häftling rein, Tür zu. Einige ich im Haus V liege. Der Beamte notierte men aus. Der Beamte will die Station
Sekunden war es dunkel in der Zelle. Es beides in einer Liste. Aus der Gruppe schnell wieder verlassen. Er kommt
dauerte seine Zeit, bis die Sparlampe auf- winkte mir ein Beamter grinsend zu nicht weit, die Inhaftierten bilden eine
flackerte. Nun stand ich – wie schon ein- und ich hörte ihn noch sagen, „Ach, Sie Menschentraube um ihn herum. Sie
mal vor 10 Jahren – in einer völlig ver- auch hier“, und so schnell, wie die Tür wollen Informationen, wollen wissen,
dreckten kleinen Zelle. aufgerissen wurde, war sie auch schon was los ist, und sie wollen Zahnpasta,
Ich war eingesperrt auf kleinstem wieder zu. Beeindruckender Moment. Zahnbürsten, sich duschen, wollen an
Raum, einer als Besenkammer emp- Kurz drauf gingen die Zellentüren noch- ihren Tabak, wollen zur Arbeit.
fundenen Zelle. Dreck und Schmutz, mals auf, wir bekamen alle einen Liter Der Beamte ist hilflos, muss sich erst
wo ich auch hinschaute: ein vollge- Milch, Pappbecher und Kunststoff- erkundigen, hat gerade seinen Dienst
schissenes, tiefbraunes Klo neben der Besteck, einen Margarine- und einen angetreten, weiß gar nicht, was über-
Zellentür, bekrakelte Wände, ein ver- Marmeladenbecher und Brotscheiben. haupt los ist. Dann erscheinen nach-
sifftes Handwaschbecken mit Schimmel Alle müssen sich damit abfinden, dass einander der evangelische und der ka-
an der Wand, tote Spinnen unterm Bett, wir für diesen Abend weggesperrt blei- tholische Anstaltspfarrer und versor-
tote Käfer unterm Fenster. Der gan- ben, wir die Nacht in den verdreckten gen die Inhaftierten mit etwas Tabak und
ze Raum nach Pisse und Nikotin stin- Zellen zubringen werden, wir uns kein Schokolade. 10.30 Uhr, wieder kommt
kend. Kein Putzlappen oder Besen zum Heißwasser holen können, die Raucher ein Aufgebot von Beamten. Diesmal for-
Saubermachen – und ich hatte Durst. ohne Tabak auskommen müssen und dern sie die Inhaftierten der nur leicht ver-
Aber aus dem Wasserhahn kam braunes, wir keine weiteren Informationen be- qualmten Stationen auf, alles stehen und lie-
stinkendes Brackwasser. kommen werden. Am nächsten Morgen, gen zu lassen und mitzukommen. Für diese
Die Inhaftierten hämmerten gegen die 06.00 Uhr Aufschluss, Lebendkontrolle, Inhaftierten geht es zurück ins Haus V.
Türen, riefen, brüllten, sie wollten et- kein weiteres Wort, die Zellentür fliegt
was zu trinken, wollten etwas zu essen. sofort wieder zu. Die Inhaftierten der direkt vom Brand
Wir waren weggesperrt, es gab kei- Wieder hämmern die Inhaftierten betroffenen Station müssen im Haus I
ne Information. Nach etwa ½ Stunde gegen die Türen, rufen und brüllen. bleiben und werden später ins Haus II
wurden die Zellentüren nochmals Nichts tut sich. Erst kurz nach 07.00 und VI verlegt.

Fazit : Das Feuer hätte sich rasend schnell aus- Wenn es auf einem Schiff brennt, dann
Den Inhaftierten muss man ein großes breiten können. Viel hat dazu nicht ge- weiß die diensthabende Mannschaft,
Lob aussprechen. Zu keinem Zeitpunkt fehlt. Zum Glück haben alle Inhaftierten wie die Passagiere im Brandfall mög-
kam es zu einer Panik, zu Reibereien die betroffenen Etagen verlassen, als lichst schnell und sicher zu evakuieren
oder gar zu Übergriffen. Alle hielten man ihnen das erlaubte und keiner ist sind. In der JVA Tegel sollte man im
sich an die Anweisungen, wenn es denn zurückgeblieben. Brandfall schneller die Feuerwehr rufen
welche gab. Alle waren kooperativ. und die Inhaftierten schneller in sichere
Die Inhaftierten, die vorübergehend im Die hier in der JVA Tegel für die Bereiche evakuieren und die Beamten
Haus I untergebracht waren, teilten un- Brandbekämpfung Verantwortlichen sollten besser eingewiesen werden, wie
tereinander alles, was es auch nur auf- sollten sich aber ernsthaft Gedanken ma- sie im Brandfall handeln müssen.
zuteilen gab. Die Stimmung unter den chen, wieso Inhaftierte anfänglich eine
Inhaftierten war gut. Etage höher – also über den Brandherd – Diesmal ist es noch mal gut gegangen.
Nach meiner persönlichen Ein- evakuiert werden und kurz darauf genau Wenn die Beamten regelmäßig Zeit ha-
schätzung hatten alle Beteiligten großes unter den Brandherd. Ob es angebracht ben, unsere Hafträume zu filzen, dann
Glück. Es hätte auch ein ganz anderes ist, Gefangene während eines Feuers auf sollte ab und an auch mal Zeit für eine
Ende nehmen können – ein schlimmes, einem Flur einzusperren. Und der Umgang gemeinschaftliche Brandschutzübung
mit Toten und vielen Verletzten. mit einem Brandherd sollte geprüft werden. vorhanden sein.
Zum Glück war der Gerüstaufbau für Nach der ersten Löschung wurde die Zelle 
die Fassadensanierung noch nicht bis zu ohne Brandwache verschlossen. Nach dem Die Inhaftierten, die ins Haus I ver-
der ausgebrannten Zelle fortgeschritten. zweiten Ausbruch des Feuers wurde die bracht wurden, empfanden den an-
Zum Glück klebten in diesem Tür des Haftraums erneut geöffnet und die schließenden Umgang menschenun-
Bereich noch keine Dämmplatten an der Feuerschutztür blieb dann offen stehen, so- würdig. Sie fühlten sich wie ein lästiges
Fassade und zum Glück lagerten keine dass das Feuer und der Qualm auch auf Ärgernis – wie Knackis eben. Als wol-
Dämmplatten in Reichweite des Feuers. den Flur gelangen konnten. Sie sollten prü- le man sie nur möglichst schnell weg-
Zum Glück entzündete das Feuer fen, ob für den Fall eines Brandes die rich- schließen, aus dem Weg haben.  ■
nicht die darüberliegende Zelle. tigen Verhaltensanweisungen existieren ?

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Geisterwelt > Zwischen Ferdinand und Einstein | Andreas Werner

X. und letzter Teil

„Geschlossene Gesellschaft“
Berichte aus der Geisterwelt
von Andreas Werner

Zwischen Ferdinand und Einstein


oder der Versuch,
die Grenzen des Wahnsinns literarisch zu ertasten

Ich kannte ihn als brillanten Um diese Uhrzeit, kurz vor 11.00, gab es immer eine
Unternehmer, als einen Visionär. Parkmöglichkeit direkt vor seinem Haus. Eine ausge-
Während andere immer nur ein sprochen gepflegte Anlage war das. Der weitläufige
Haus planten, es dann bauten Park erinnerte mich ein wenig an den alten Botanischen
und anschließend erst das näch- Garten in Berlin. Nur gab es hier weniger Besucher.
ste Objekt in Angriff nahmen,
plante er ganze Wohnsiedlungen mit Mit meiner Aktentasche in der Hand passierte ich die
gleich mehreren hundert Wohnungen, Tiefgaragen, Pförtnerloge. Im Vorbeigehen zeigte ich meinen Ausweis
Einkaufszentren, inklusive Ärztehaus und Kinderkrippe. und meine Besucher-Erlaubniskarte, die aus dem gelben
unansehnlichen Pappkarton. Der Pförtner kannte mich
Während seine Konkurrenz ihre Hausprojekte auf einem schon von früheren Besuchen. Mit einem freundlichen
Farbkopierer vervielfältigte, sie dann an die Schaufenster Lächeln im Gesicht winkte er mich durch.
beim Zeitungsladen oder Drogisten klebten, präsentierte
er seine Wohnanlagen in Hochglanz-Prospekten. Und Ferdinand von Schwehlen hatte sein Appartement im
seine Wohnungen, die im Prospekt schon zu Residenzen zweiten Stock. Ich entschloss mich, den Aufzug zu neh-
aufgestiegen waren, wurden von eigens dafür geschul- men. Während ich vor der Aufzugstür wartete, musste
ten Anlagen-Beratern dem Interessenten zu Hause an- ich an Ferdinand denken, wie tücksch er immer wurde,
geboten – natürlich ausschließlich in einem persönlichen wenn einer in seiner Nähe vom Fahrstuhl sprach und er
Beratungsgespräch. ihn dann verbesserte: Das ist doch kein Fahrstuhl, das
heißt Aufzug. „Mit ’nem Fahrstuhl komm ’se von Tür
Alles, was er anfasste, hatte Stil, war nobel, war unüber- zu Tür, aber nicht von Etage zu Etage.“ Und er sagte das
troffen, war wie er. Ja ich kannte keinen, der nicht mit immer mit einer Arroganz und Verachtung, dass ein je-
Hochachtung und Ehrfurcht von ihm sprach. der, derart angesprochen, sich für die nicht fachgerechte
Wortwahl abgrundtief schämte.
Seine Bauwerke waren teuer, aber auch gut und immer Also fuhr ich – mir ein Grinsen nicht verkneifen könnend
luxuriös – von Fachleuten gebaut, genehmigt, geprüft – mit dem Aufzug, und nicht mit dem Fahrstuhl. Im
und bis ins letzte Detail durchdacht. Sogar die Skizzen zweiten Stock angekommen, wendete ich mich nach
fürs Gartentor trugen seine Handschrift. links und blieb vor seiner Tür – tief Luft holend –
stehen. Ich konzentrierte mich, wollte mich auf die nun
Ich fuhr mit meinem Wagen auf das parkähnlich ange- kommende Situation einstellen – zwei drei Mal tief
legte Gelände. Den genauen Weg und die Auffahrt zu einatmen, langsam ausatmen, Energie sammeln – und
seinem Appartment kannte ich noch vom letzten Besuch. dann mein Klopfen an der Tür.

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„Herein, wir haben schon begonnen“, hörte ich eine feste und der Insolvenzverwalter sein Büro übernommen hatte
tonangebende Stimme von der anderen Türseite rufen. – gleichsam eingefroren zu sein. Auf seiner Zeitschiene
Ich trat ein. Ferdinand drehte sich mir zu und mit einem war er abrupt zum Stehen gekommen. Ab dem Tag nahm
großen Schritt war er bei mir, reichte mir freudig seine er die Wirklichkeit um sich herum nicht mehr wahr, und
Hand, begrüßte mich überschwänglich. Ich schaute mich auch in diesem Sanatorium würde man seinen Geist nicht
kurz um, weitere Personen sah ich nicht. mehr von der eingefrorenen Zeitschiene frei bekommen,
„Es wird auch Zeit, dass du kommst, Andreas, Zeit ihm nicht helfen können und vielleicht war das auch gut
ist Geld. Schau aus dem Fenster. Da oben rechts, für ihn. Hier konnte er planen, befehlen und herrschen,
gleich hinter dem Parkplatz, ist das Terrain für den er- hier war alles schön – hier war er unter seinesgleichen.
sten Bauabschnitt. Ich erwarte, dass deine Bagger Dieser Ort war gedacht als Ort der Besinnung und inne-
den Oberboden bis Mittwoch abgetragen haben. ren Ruhe, dank der Schwester, der Spritze und den klei-
Der Landmesser ist für Donnerstag bestellt, um die nen bunten Pillen und dem amtlichen Papier, mit dem er
Schnurböcke für die Baugrube einzumessen. Freitag hier Aufnahme fand. Hier konnte er glücklich und zu-
früh will ich deine Leute beim Aushub sehen.“ Er griff frieden sein.
nach meinem Arm und zog mich vom Fenster weg, hin
zu seinem Arbeitstisch, der wohl früher als Esstisch Vor einiger Zeit hatte ich in meinem Appartement –
diente, und zeigte auf eine Kellergeschoss-Zeichnung hier auch „Schöner Wohnen“ genannt – Besuch von
mit exakt vermaßter Baugrube. einigen Kumpels und meinem etwas seltsam anmu-
tenden Leidensgenossen. Wir philosophierten über die
Mit seinem Finger tippte er auf einen Punkt am unteren Bürde des Lebens hier an diesem Ort. Mein seltsamer
Ende seiner Zeichnung, schaute mich dabei ernst an und Bekannter vertrat die Ansicht, ein jeder von uns möge,
erklärte: „Hier, Andreas, ist die Baustellenzufahrt, die wenn es einem mal besonders schlecht ginge, sich an ei-
wird ab Mittwoch abgebohlt sein. Das übernimmt die nen imaginären Ort versetzt denken. Einen Ort, an dem
polnische Baustelleneinrichtungs-Firma Pillawa, die wir Frieden finden, wo alles schön ist, wo wir innerlich
waren diesmal die Preiswertesten. Und wehe dir, wenn zur Ruhe kommen können. Dann würde es uns gleich
deine Lkws hier irgendwo quer durch den Park fahren.“ viel besser gehen und dann wäre hier vieles auch leichter
zu ertragen. Und anschließend fragte er jeden in unserer
Ich nickte mit dem Kopf und bestätigte ihm. „Wird schon Runde, ob er so einen Ort hätte.
alles klappen, so wie immer.“
Mein Gesicht war ausdruckslos, vielleicht wirkte ich Ich war der Einzige, der so einen Ort nicht hatte. Noch
auch etwas angespannt und genervt. In dem Moment nie hatte ich mich in Gedanken woanders hin, in eine
klopfte es an der Tür und im selben Augenblick stand Scheinwelt versetzt – um an solch einem Zufluchtsort in-
eine der freundlichen Schwestern neben Ferdinand. neren Frieden zu finden.
„Herr von Schwehlen – ihre Spritze“, hörte ich, obwohl „Nein, so einen Ort habe ich nicht“, sagte ich ganz klein-
sie es nur ganz leise zu ihm sagte. Ferdinand, das Ritual laut – fast schon beschämt, als hätte ich Fundamentales
kennend, krempelte den Ärmel seines Oberhemds hoch, im Leben versäumt. Und musste plötzlich an Ferdinand
erhielt seine Spritze und oben drauf ein winzig kleines von Schwehlen denken. Die anderen plapperten eu-
Pflaster, und ich glaube, abschließend noch ein Lächeln phorisch drauf los und schwärmten von ihren gei-
der Schwester erkannt zu haben, das sie sicherlich nicht stigen Zufluchtsorten, dem Platz an Mutters Herd, dem
jedem schenkte – dieser Schwerenöter. Blockhaus im einsamen Wald, der Hütte am menschen-
leeren Strand, und empfahlen mir, auch so einen Ort im
Während er seinen Hemdsärmel richtete, konnte ich end- Geiste auszumachen.
lich mein Anliegen vortragen. Eigentlich wollte ich von Widersprechen hätte ich sollen, hätte sagen sollen, was
ihm nur erfahren, wie der neue, vom Amtsgericht für ihn ich davon halte. Flucht vor der Realität. Lebensuntüchtig.
eingesetzte gesetzliche Betreuer heißt. Zwei Mal schon Die Augen vor der Wahrheit verschließen – alles nicht
hatte der Insolvenzverwalter gewechselt und der neue mein Ding. Hätte ich sagen sollen.
schien auch nicht in der Lage, das Geflecht von Firmen
und den Verbleib der Anlagen- und Vermögenswerte Aber ich, ich dachte: Es sollte nicht schwer sein, mir vor
zu durchschauen. Ferdinands Verstand schien – an meinem geistigen Auge solch einen Ort zu schaffen. Mit
dem Tag, als seine Konten eingefroren worden waren, etwas Fantasie sollte das wohl gelingen.
all’ seine Baustellen zum Erliegen gekommen waren Und ich tat es !

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Es gibt keinen besseren Ort, um zur Besinnung und in- So gibt es einen Abteilungsleiter-Mönch für die
neren Ruhe zu kommen, als ein buddhistisches Kloster, Lebensmittel-Versorgung, einen Quartiermeister-
war mein Gedanke. Nur mein Problem war, ich hatte Mönch, sogar weibliche Klosterschwestern für die
noch nie ein Kloster von innen gesehen und ich kannte Buchführung und das Bestell- und Rechnungswesen,
auch kein Buch, das so bildreich mir eine Vorstellung den Gruppenleitermönch fürs Gebäudemanagement
liefern könnte. und noch viele mehr – alles zusammen genommen
eine ganze Mönchs-Hierarchie, vom verantwortlichen
Es reizte mich aber schon, das Kloster nicht zu ver- Abteilungsleiter-Mönch bis hin zum Raumpflege-Mönch.
werfen. Der Schachspieler aus Stefan Zweigs Novelle Und all diese leitenden Mönche brauchen ein eigenes
sollte mir Vorbild sein, denn ich könnte mir ja eines im Büro, einen zentralen Schreibdienst mit Poststelle,
Geiste bauen. Das wäre halt ein wirklich erdachter Ort, einen großen Konferenzraum, also ein ziemlich großes
dagegen spräche nichts. Nichts anderes tat ich bei jedem Verwaltungsgebäude. Bei all dem half mir mein Wissen
Bauvorhaben früher gegen Geld, es mir im Geiste vor- über die hiesige Verwaltungsstruktur, von der ich einiges
zustellen, bevor ich es auf Papier brachte. zum Nutzen meiner Klosterorganisation abkupfern
konnte.
Und so entstand vor meinem geistigen Auge eine
Klosteranlage von beispielhafter Funktionalität. Der laufende Betrieb kostet auch Geld. So habe ich meinen
Ich begann mit dem Eingangsportal und dem Ort der Besinnung und des Friedens unter wirtschaftlichen
Verwaltungsgebäude, denn ein Kloster muss verwaltet Gesichtspunkten erstmal mit ein paar lukrativen Betrieben
werden. Zur Rechten folgten die Speisesäle, anschlie- ausgestattet und große Teile der Freiflächen zu einem
ßend die Unterkünfte der Mönche, Atriumhäuser mit familienfreundlichen Freizeitpark gestaltet. Der absolute
Werkstätten. Und dann machte ich in Gedanken erst Wahnsinn. Das Ding gefällt mir richtig gut. Anschließend
mal eine bauliche Pause, denn das alles muss ja be- musste ich das Verwaltungsgebäude sogar aufstocken
zahlt werden und soll sich später auch wirtschaftlich und das Kloster für die vielen Besucher mit einem
tragen. Ich bin ja kein Spinner oder Hochstapler, natür- riesigen Fress-Tempel im chinesischen Architekturstil
lich habe ich kein Geld, um solch eine Klosteranlage erweitern. Seitdem stimmen auch die Einnahmen. Die
aus dem Boden zu stampfen. Also musste ich die Anlage rechnet sich, zumal ich nun auch noch vom Land,
Gelder über Spenden einsammeln, anders geht das also genau genommen von den Job-Zentren, Zuschüsse
nicht. Dazu bedurfte es in jeder größeren Stadt klei- für die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen in
ner buddhistischer Vereine, deren Mitglieder – wenn Anspruch nehmen kann. Dafür habe ich noch einen
möglich Asiaten – der guten Sache wegen sammeln separaten gemeinnützigen Verein gegründet und – weil
gehen. Das bedarf wiederum Prospektmaterialien, im Hauptverwaltungsgebäude kein Büro mehr frei war
Flyern und möglichst noch eines buddhistischen – noch ein zweites Verwaltungsgebäude im Norden der
Buchs, persönlich von mir als Klostervorstand ge- Klosteranlage errichtet.
schrieben, um auch die betuchten Geschäftsleute einer
Stadt zu einer Spende zum Bau eines neuen Klosters Besonders stolz bin ich auf meine sehr funktionellen und
zu bewegen. Schon die Organisation dieser Vereine selbst entworfenen Uniformen, die alle Klostermitarbeiter
verlangte mir einiges ab. In meiner Zelle stapeln sich tragen müssen – so wie die Mitarbeiter bei Mac Donald‘s.
noch heute die Gesetzes- und Verordnungsblätter zur Meine orangegelbe Klostertracht habe ich vom Dalai
Vereinsgründung. Ein Haufen Unterlagen, dessen Lama abgeschaut, und die sieht richtig schick aus.
schiere Unübersichtlichkeit bei so manchem Beamten
bei jeder Haftraumkontrolle sicherlich Unmut weckt. Um nochmals auf meinen Geschäftsfreund von damals
Das buddhistische Buch habe ich auch schon an- zurückzukommen: Ferdinand von Schwehle starb 7
gefangen, aber da ich zurzeit haftbedingt über kei- Jahre später in demselben Sanatorium. Man erzählt, er
ne Sekretärin verfügen kann, komme ich mit der erlitt einen Herzinfarkt, als man ihn zwangsweise in ein
Arbeit einfach nicht hinterher. Es schleift ein we- anderes Zimmer mit anderer Aussicht verlegen wollte.
nig. Und da ich nicht alles auf einmal machen kann, Eigentlich wollte man vermeiden, dass er sich noch nach
habe ich für die Klosterorganisation schon einzelne Jahren immer wieder aufs Äußerste echauffierte, weil mit
Personalspalten, sprich Abteilungen eingerichtet, um den Baumaßnahmen vor seinem Appartmenthaus nicht
die anfallende Arbeit vor Ort den Mönchen im Kloster begonnen worden war und die Subunternehmer nicht zu
auferlegen zu können. seinen angesetzten Besprechungsterminen erschienen.

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Geisterwelt > Zwischen Ferdinand und Einstein | Andreas Werner

Nie wieder fand er aus seinem letzten Projekt heraus in Ach das hatte ich beinah vergessen zu erwähnen, habe
die Realität. Nie konnte er es fertigstellen. ich doch einen größeren Gebäudekomplex für eine
Internet-Online-Computerfirma freigeräumt, um die
Das kann mir nicht passieren. Mein Projekt funktioniert Klosteranlage virtuell online im Internet präsentieren
ja schon und wirft bereits Gewinn ab. So kann ich mich zu können. Jeder, der jetzt Geld für mein Kloster spen-
zurzeit um Details, um die Feinheiten kümmern. So det, kann im Internet verfolgen, für welchen Bauabschnitt
überlege ich gerade, ob die Notausgangsbeleuchtungen seine Spende verwendet wird und wie der Klosterbau
an den jeweiligen Türen – immerhin 78 Stück, für voranschreitet. Seitdem spenden die Leute viel häufiger
die ich einen Zentralschlüssel besitze – nicht besser und auch größere Summen, damit das Kloster schneller
aus LED-Lämpchen bestehen sollten, anstatt aus wächst. Sie wollen es möglichst jeden Abend auf ihrem
Leuchtstofflampen. Dann fiel mir gerade auf, als ich in Monitor verfolgen können, wie das Kloster immer größer
Gedanken aus dem Heizraum kam und mein Blick auf wird, Stein für Stein. Und für einen Euro gibt es halt nur
den Feuerlöscher neben der Tür fiel, dass Feuerlöscher ja einen Stein. Für hundert Euro eine ganze Schicht, rund 25
alle zwei Jahre mit einer gültigen Prüfplakette versehen laufende Meter. Die Leute wollen für ihr Geld was sehen.
werden müssen. Jetzt habe ich einen Brandbeauftragten-
Mönch abgestellt, der sich um die Feuerlöscher kümmern Hätte ich ihn vorangegangene Seite nicht schon sterben
muss. Abgelaufene Feuerlöscher-Plaketten bereiten mir lassen, Ferdinand von Schwehlen würde sich in meiner
jetzt auch keine Kopfschmerzen mehr. Senioren-Residenz – unter der Obhut meiner Kloster-
Schwestern – sicherlich heute noch unter den Lebenden
Eine Geschichte muss ich noch erzählen, denn auch in so befinden. Vielleicht hätte ich ihm die Direktion meiner
einem imaginären Kloster kommen Dinge vor, die glaubt tongebrannten Souvenir-Buddhas übertragen können.
einem keiner. War doch letzte Nacht in der gerade fertig- Aber das ist absurd – auch ich muss die Realität akzep-
gestellten Büro-Toilette des Wachdienstes – ja den habe tieren, will ich nicht gerade Geschriebenes gleich wieder
ich zwischenzeitlich auch, weil betrunkene Jugendliche verwerfen.
erst kürzlich die Nachtruhe störten und Buddha-Figuren
besprayten – eine der Toiletten verstopft. Das schmut- Diese Computerfirma lasse ich natürlich nicht nur die
zige Abwasser schwappte schon über den Rand des Klos Kloster-Vision erstellen, zwischenzeitlich lasse ich die
und mein Sanitär-Notdienst, der Gas-Wasser-Scheiße- auch Computer-Spiele als Browser-Spiel programmieren
Mönch – wie sie ihn hier nennen – aus der Abteilung und vertreiben. Das bringt gutes Geld und ich konnte
Gebäudemanagement stand völlig ratlos vor dem Klo und denen die Miete ordentlich erhöhen, was dem Vermieter,
rief mich per Handy um Hilfe. Er bekam das Rohr nicht also meiner Kloster-Immobilien-Abteilung, wieder zu-
frei. Als ich vor Ort eintraf und die Anweisung gab, man gute kommt. Dort bin ich Game- und Level-Designer,
möge das Klo doch von der Wand abschrauben, sonst also unter anderem für die Ausgestaltung der Figuren und
würden wir nicht weiter kommen, mussten wir feststellen, der virtuellen Umwelt zuständig. Das macht echt Spaß.
dass der Abfluss vom Klo gar nicht angeschlossen war. Auf Ein Bordell gleich neben der Computerfirma hatte ich
beiden Rohrenden steckten noch die Schutzkappen. Das mir auch mal vorgestellt. Sex sells. Aber die schon mal
hätte ich mir nicht träumen lassen. Pfusch am Bau, aus- versuchsweise angedachte Geschäftsführung und das
gerechnet in meinem Kloster – einem imaginären. Krass. Personalmanagement kosteten überproportional viel
Energie. Allein die Vorstellungsgespräche haben mir
Wenn ich ehrlich bin, hatte ich bis jetzt noch kei- Nächte geraubt. Einen Alkoholiker sollte man keinen
ne Gelegenheit, mich mal auf einer der vielen Bänke Schnapsladen führen lassen.
in meinem Klostergarten auszuruhen, zur Besinnung
zu kommen, oder einfach mal friedlich zu meditieren. Außerdem bin ich auch viel lieber in meiner virtuellen
Immer ist irgendwo ein Problem zu lösen, sind die Räder Computer-Firma und denke mit, wie man einzelne
zum Laufen zu bringen. Szenen für das Science-Fiction-Spiel X 5 spannender
gestalten kann, als irgendwo auf einer Bank zu
Und nun beschäftigt mich der denkbare Fall einer meditieren. Dabei fällt mir ein: Der Katastrophen-
Naturkatastrophe, eines Hochwassers, eines Tsunamis Notplan aus dem X 5 -Spiel für Raumstationen im Orbit,
oder eines Brandes. So ein Ereignis habe ich für mein den ich bereits hab’ programmieren lassen, ließe sich mit
Kloster noch nie durchgespielt. Das sollte ich nicht aus ein paar Änderungen auch für das Kloster anwenden.
den Augen verlieren. Katastrophen ähneln sich.

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Geisterwelt > Zwischen Ferdinand und Einstein | Andreas Werner

Ich muss wieder an Ferdinand von Schwehlen denken. Raffgier und Profitsucht, so wie bei Ferdinand, ist es auch
Der ist echt irre geworden. Kam er doch mit der Realität, nicht, denn mein Kloster dient auch dem Gemeinwohl.
das, was mit ihm und seinem Lebenstraum passier- Immerhin würden alle Tegeler Insassen in meinem
te, von einer Minute zur anderen nicht mehr klar. Sein Kloster einen Platz und natürlich innere Ruhe finden –
Gehirn wollte es wohl einfach nicht wahrhaben. zumindest einmal im Jahr, am Tag der offenen Tür.
Das kann mir nicht passieren, gerade dafür sollte ich mir Ich stehe in meinem Appartement, schaue abwech-
ja einen Ort der Besinnung erdenken, einen Ort, der für selnd aus dem Fenster und dann wieder auf den fünften
Glück und Zufriedenheit steht. Schlüssel am Bund. Es ist kein Deut anders als damals in
dem Zimmer des Ferdinand von Schwehlen, als er noch
Mein Blick fällt auf meinen Schlüsselbund am Rand seiner Firma vorstand und im Geiste die Fäden zog. Was
meines Tisches. Ein fünfter Schlüssel, vermutlich stimmte damals nicht ? Was hat er gedacht, als nach
von einer Zentralschließanlage, prangt seit geraumer meinem Besuch, am Mittwoch drauf, keine Bagger das
Zeit an ihm. Trotz unzähliger Versuche habe ich nicht Gelände planierten, keine Firma die Baustellenzufahrt
herausfinden können, zu welchem Schloss dieser fünfte abbohlte ?
Schlüssel passen könnte. Hier in Tegel habe ich keine
Verwendung für ihn, doch ihn einfach wegzuschmeißen, Nein, ich bin kein Erdbau-Unternehmer – ich schreibe
traue ich mich nicht, weil – ich denke, vielleicht würde Geschichten und baue Klöster.
ich mich dadurch aus irgend einem Bereich meines Ich hätte widersprechen sollen.
Klosters aussperren.
Heute hat mir der Pfarrer der hiesigen Anstalt einen
Als mir beim fortgeschrittenen Klosterbau Ferdinand Jahreskalender mit Weisheitssprüchen geschenkt. Der
von Schwehlens Ende nochmals ins Gedächtnis kam, Spruch des Tages ist von Albert Einstein und lautet:
habe ich all meine Skizzen und Zeichnungen vorsorg-
lich weggeworfen. Kein einziges Dokument verrät die Wir sind die Schöpfer der Wirklichkeit.
Existenz meines Klosters. Mit niemandem rede ich über
diesen Ort. Das hätte Ferdinand mit seinem Projekt auch Wieder schaue ich aus meinem Appartementfenster,
machen sollen. schaue durch die Gitterstäbe. Jahrelang schrieb ich,
Monat für Monat, Artikel aus dieser „Geschlossenen
Ich habe nun alle Grundrisse, die Ansichten, Schnitte Gesellschaft“, gleich einem Chronisten, dabei immer die
und Detailzeichnungen im Kopf. Das geht – wie bei dem Erzählungen hinter vorgehaltener Hand meines seltsam
Schachspieler, der im Geiste gegen imaginäre Gegner anmutenden Mithäftlings in den Ohren, der sich – völlig
Schach spielte, ohne Brett, ohne Figuren, ohne Blatt und unvorbereitet – aus seiner heilen Welt in diese, wie er
Bleistift. Dieses zu können, hat mich schon immer faszi- sagt, absurde Anderwelt, eine Parallelwelt, eine Welt,
niert. Wahnsinn dachte ich damals, als ich das gelesen hatte. die nur noch von geisterhaften Wesen verwaltet und
Warum ist in den Worten Wahnsinn oder Irrsinn noch bevölkert wird, katapultiert glaubt.
der Begriff „Sinn“ enthalten. Ich glaub’, ich weiß jetzt, was er mir die ganzen Jahre
Die Tür zur Kloster-Rezeption ist nach außen öffnend, über beweisen wollte. Jetzt verstehe ich seine Sichtweise
Anschlag DIN links, pulverbeschichtet im Farbton RAL der Dinge. Ich werde ihm von meinem Kloster erzählen,
6005 – für den Laien: Moosgrün. Schwachsinn ist an- von dem verstopften Klo und von den Klosterschwestern
ders. Das Gegenteil von Schwachsinn ist es auch nicht. für die Buchführung.
Es ist nichts mit Sinn. Und vielleicht kann ich ihn ja für einen Job im Kloster
begeistern.  ■

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Prison«; Seite 42-43: Recht-Hintergrundbild: »Copyright © 2003 der Telefon (0 30) 90 147 -  23 29
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der lichtblick erscheint vier bis sechs
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Fachanwalt f. Strafrecht teilweise) nur mit schriftlicher Erlaubnis der
Sexualstrafverfahren Redaktion und gegen Zusendung eines Beleg-
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können wir nicht bestätigen. Bei eingesandten
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Grundes zurückzusenden.  

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meinsam an der Studie teil – mit beiden
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Bitte kontaktiert uns für ein erstes Gespräch!


Per Telefon: (0355) 3554654 (AB - wir rufen zurück)
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Abgeordnetenhaus von Berlin Evelyn Ascher Vors. AB JVA für Frauen
Karl Mollenhauer Vors. AB JVA Düppel
Niederkirchner Str. 5 • 10117 Berlin  030/2325-0
Paul-Gerhard Fränkle  Vors. AB JVA Tegel
Amnesty International
Hartmut Kieburg Vors. AB JVA Moabit
Heerstr. 178 • 53111 Bonn  0228/9837-0
Margret Breiholz-König AB Hakenfelde
Arbeitskreis kritischer Strafvollzug (AkS) e. V.
Ronald Schirocki Vors. AB JVA Plötzensee
Prof. Dr. H. Koch, Postfach 1268 • 48002 Münster
Jörg Oehme Vors. AB JVK (Justizvollzugskrankenhaus)
Ärztekammer Berlin, Beauftragte für Menschenrechte
Vita Flohr Vors. AB Jugend – Arrestanstalt
Friedrichstr. 16 • 10969 Berlin  030/40806-0
Monika Marcks Landesschulamt
Ausländerbehörde
Dr. Florian Knauer Humboldt-Universität
Friedrich-Krause-Ufer 24 • 13353 Berlin  030/90269-0
Heike Weineck DBB
Ausländerbeauftragte des Senats
Christoph Neumann Unternehmerverb. Bln.-Brandenburg
Potsdamer Str. 65 • 10785 Berlin  030/26542351
Thuy Nonnemann Abgesandte des Ausländerbeauftragten
Datenschutz und Informationsfreiheit
Dr. Wera Barth Freie Hilfe Berlin e. V.
An der Urania 4–10 • 10787 Berlin  030/13889-0
Axel Barckhausen RBB
Bundesgerichtshof
Elfriede Krutsch Berliner Ärztekammer
Karl-Heine-Str. 12 • 04229 Leipzig  0341/48737-0
Bundesministerium der Justiz
Öffnungszeiten in der JVA-Tegel
Mohrenstr. 37 • 10117 Berlin  01888/580-0
Bundesverfassungsgericht
Schloßbezirk 3 • 76131 Karlsruhe  0721/9101-0 Sprechzentrum-Öffnungszeiten
Deutscher Bundestag – Petitionsausschuss, Bundeshaus Mo. + Di. 12.00 Uhr bis 19.00 Uhr
Platz der Republik 1 • 11011 Berlin Mi. 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte/Europarat Do. 07.00 Uhr bis 15.00 Uhr
F - 67075 Strasbourg Cedex Fr. keine Besuchszeiten
Freiabonnements für Gefangene e. V. Sa. + So. 09.00 Uhr bis 15.00 Uhr
Köpenicker Str. 175 • 10997 Berlin  030/6112189  90 147-1560
Humanistische Union e. V. – Haus der Demokratie
Greifswalder Str. 4 • 10405 Berlin  030/20450256 Haus 38 / Wäscheannahme-Öffnungszeiten
Kammergericht Mo. + Di. 12.15 Uhr bis 17.45 Uhr
Elßholzstr. 30–33 • 10781 Berlin  030/9015-0 Mi.  + Do. 07.00 Uhr bis 14.30 Uhr
Komitee für Grundrechte und Demokratie e. V. Fr., Sa. + So. keine Annahme
Aquinostraße 7–11 • 50670 Köln  0221/9726930  90 147-1534
Landgericht Berlin, Strafvollstreckungskammer
Briefamt / Paketabgabezeiten
Turmstr. 91 • 10548 Berlin  030/9014-0
Petitionsausschuss Abgeordnetenhaus  030/232514 -70
Mo. - Do. 08.00 Uhr bis 14.00 Uhr
Rechtsanwaltskammer Berlin  030/306931- 0
Fr. 08.00 Uhr bis 10.00 Uhr
Littenstr. 9 • 10179 Berlin  90 147-1530
Schufa Holding AG Bankverbindung für Überweisungen
Postfach 10 34 41 • 50474 Köln  01805/724832 an Gefangene der JVA-Tegel
Senatsverwaltung für Justiz
Salzburger Str. 21–25 • 10825 Berlin  030/9013-0 Zahlstelle der JVA-Tegel Postbank Berlin
Soziale Dienste der Justiz – Gerichts- und Bewährungshilfe BLZ 100 100 10 Konto 115 28-100
Salzburger Str. 21–25 • 10825 Berlin  030/9013-0 Immer die Buch-Nr. des Inhaftierten angeben !
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