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Halbjahresbericht
Kälteschutzperiode
01.11.2013 - 31.03.2014
Seite 2 Schiller 25—Migrationsberatung Wohnungsloser
Kurt Marti
Seite 3
Vorwort, Seite 4
Allgemeines, Seite 5
Grundsatz, Seite 6
Internationale Ausgangslage, Seite 7
Team, Haupt– und Ehrenamtlich, Seite 8
Klientenbestand, Seite 9 bis 11
Einweisungen, Seite 12
Spezielles Angebot: Tagesbetreuung für Frauen mit Kindern, Seite 13
Problembereiche, Einkommenssituation, Seite 14
Klientenbezogene Tätigkeiten, Seite 15
Zusammenarbeit, Seite 16
Auszug aus der Presse, Seite 17
Ein Blick hinter die Kulissen an einem gewöhnlichen Kälteschutztag,
Seite 18-19
„Es tut mir Leid“, Seite 20-21
Streetwork, ganz konkret, Seite 22-23
Steckbrief, Seite 24
Auszug aus der Presse, Seite 25
Mein Praktikum in Schiller 25, Seite 26
Aus der Perspektivlosigkeit in ein Land, wo Milch und Honig fließen,
Seite 27
Danksagung, Seite 28
Seite 4 Schiller 25—Migrationsberatung Wohnungsloser
Nun ist unser Team bereit, diese Energie weiterzutragen, um unsere Zielgruppe so gut
wie möglich in allen Belangen zu unterstützen.
An dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich bei der Landeshauptstadt München be-
danken. Das Sozialreferat, insbesondere das Amt für Wohnen und Migration ging weit
über seine Pflichten hinaus und zeigte stets ein offenes Ohr für die Probleme der Men-
schen, die seit der EU-Osterweiterung diese neue Hilfe in Anspruch nehmen dürfen.
Denn seit der Eröffnung von Schiller 25 zählten wir alleine im vergangenen Winter
2.300 Hilfe- und Ratsuchende, die wir dank unseres starken Partners, der Landes-
hauptstadt München, unterstützen und fördern konnten.
Beschluss des
Sozial-
Zur Sicherung dieser tung in das vorhan- Ansprüche auf Un-
auf der Straße le- dene soziale Netz terbringung und oh- ausschusses
benden Menschen wird das Evangeli- ne Perspektiven auf
vom
soll während der Käl- sche Hilfswerk Mün- Wohnungs- und Ar-
teperiode ein zentra- chen beauftragt. beitsmarkt aufhält.“ 08.11.2012
ler Kälteschutzraum Ganzjährig wird ein
(…) geschaffen wer- Beratungsdienst für
den. Mit dessen Be- den Personenkreis
triebsführung mit geschaffen, der sich
dem Ziel der Einbet- in München ohne
Seite 6 Schiller 25—Migrationsberatung Wohnungsloser
Sozial-
ausschusses
vom
19.09.2013
„Die Beratung für von anspruchsbe- ordnung in Verbin-
Zuwanderinnen und rechtigten Personen dung mit den Arti-
Zuwanderer, die kei- hingegen ist in den keln 6 ff. des Lan-
nen Anspruch auf §§ 67 ff. SGB XII ge- desstraf- und Verord-
Sozialleistungen ha- regelt. Die gesetzli- n u n g s g e s e t z e s
ben, ist eine freiwilli- che Grundlage für (LStVG).“
ge Leistung der Lan- Maßnahmen zum
deshauptstadt Mün- Kälteschutz ist der §
chen. Die Beratung 57 der Gemeinde-
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Cemil Inangil
Eine große Leistung 22.00 Uhr geöffnet. oft erfuhren sie erst
Yvonne erbrachte unser Ge- Auch sonntags, an vormittags um zehn
Smolen samtteam bereits Weihnachten und Uhr, dass am selben
während der ersten Silvester standen wir Tag ab 14 Uhr auf-
Andreea Kälteschutzperiode. durchgehend unse- grund der Wetterlage
Untaru Schiller 25 hatte im rer Klientel zur Verfü- die Kälteschutzräu-
Zeitraum vom gung. Besonders me geöffnet wurden
01.11.2013 bis hervorzuheben war und somit ihr Einsatz
31.03.2014 jeden auch die Flexibilität notwendig war.
Tag von 14.00 bis der Hilfskräfte. Sehr
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671 Personen und damit knapp 30 % der Hilfesuchenden kamen aus Rumänien. An
zweiter Stelle waren die bulgarischen Staatsangehörigen: 551 Personen und somit
knapp 24 %. Eine deutsche Staatsangehörigkeit konnten 243 Personen nachweisen
(10,5 %). Es folgen Italiener (128 Personen, 5,5 %), Polen (114 Personen, 5 %) und
Ungarn (75 Personen, 3 %).
689 Personen (29 %) waren zwischen 30‒39 Jahre alt. 606 Personen (26 %) waren
zwischen 40‒49 Jahre alt. Die drittgrößte Gruppe war zwischen 20‒29 Jahre alt. Hier-
zu gehörten 578 Personen und somit 25 % der gesamten Hilfesuchenden. 310 Perso-
nen waren zwischen 50‒59 Jahre alt. Nur 5 % der Klienten waren über 60 Jahre alt. 2
% der Klientel waren zwischen 18‒20 Jahre alt. Der größte Anteil der Hilfesuchenden
war somit im erwerbsfähigen Alter.
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2.225 Hilfesuchende und somit 97 % waren alleinstehende Personen oder Paare ohne
Kinder. 3 % (73 Frauen) waren Mütter oder werdende Mütter. Die Schwangerschaft
wurde durch ärztliche Atteste bestätigt, häufig durch die Malteser Migranten Medizin
oder Open Med. 38 % der Mütter oder der Schwangeren (28 Frauen) hatten rumäni-
sche Staatsangehörigkeit. 18 Frauen waren schwanger
(weniger als 1 % der Gesamtklientel); zwei von ihnen wa-
ren minderjährig. 55 Frauen (2,4 %) waren mit ihren Kin-
dern da. Insgesamt hatten wir 75 Kinder gezählt. Die
o.g. Unterteilung hat folgenden Grund: Im Rahmen des
Kälteschutzes wurden Mütter mit Kindern und werdende
Mütter in einer Pension untergebracht. Alleinstehende
und Paare ohne Kinder wurden in der Bayernkaserne,
jedoch nach Geschlecht getrennt, untergebracht.
Ca. 50 % der Kinder (38 Kinder) waren zwischen 0‒5 Jahre alt. 13 Kinder (17 %) wa-
ren zwischen 6‒9 Jahre und 10 Kinder (13 %) waren zwischen 10‒13 Jahre alt. 14
Kinder (18 %) waren zwischen 14‒18 Jahre alt.
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Frauen mit Kindern und werdende Mütter: Anzahl der Übernachtungen im Kälteschutz
Seit 11.01.2014 kann Schiller 25, dank der Finanzierung über das Stadtjugendamt,
eine Tagesbetreuung für Frauen bzw. Haushalte mit Kindern anbieten. Wir konnten je-
den Tag (auch am Wochenende) die Betreuung zwischen 10.00 und 16.00 Uhr sowie
kostenlose Verpflegung bereithalten. Gleichzeitig konnten die Eltern und die Kinder mit
unserem Personal die deutsche Sprache üben.
Problembereiche
Bei ca. 600 von insgesamt 2.300 Personen wurden die Problembereiche dokumen-
tiert. Ursache hierfür ist, dass die Hilfskräfte nur einen begrenzten Zugang zum inter-
nen Dokumentationssystem hatten. Aufgrund des sehr großen Ansturms während der
Öffnungszeiten (ca. 250 Hilfesuchende pro Tag) war eine komplexere Dokumentation
nicht möglich.
Von den dokumentierten Fällen waren ca. 70 % und somit 420 Personen arbeitssu-
chend. All diese Personen erkundigten sich ausdrücklich im Rahmen der Beratung
nach Arbeitsplätzen, Arbeitsmöglichkeiten bzw. Chancen auf dem deutschen Arbeits-
markt. Die Mehrheit der Hilfesuchenden gehörte zu der so genannten Kategorie der
„Tagelöhner“ oder hatte Gelegenheitsjobs.
Ca. 35 % der Klienten verfügten über keine oder nur sehr geringe Deutschkenntnisse.
Ein weiteres, sehr häufiges Problem waren die prekären Wohnverhältnisse. Viele der
Klienten hatten keine bzw. nur mündliche Mietverträge.
Einkomenssituation
Das Dokumentationssystem ließ bisher noch nicht die Erhebung der Einkommenssitu-
ation der Klientel zu.
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Klientenbezogene Tätigkeiten
Unterbringungen
Am Ende des Kälteschutzes wurden über das Wohnungsamt neun Haushalte mit Kin-
dern untergebracht.
Über unseren Clearingauftrag konnten wir eine Reihe von anspruchsberechtigten Per-
sonen identifizieren und sie dabei unterstützen, im regulären System der Wohnungs-
losenhilfe einen Platz zu finden.
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Mit folgenden Einrichtungen, Behörden und Diensten wurde in erster Linie zusammen-
gearbeitet:
Landeshauptstadt München (Amt für Wohnen und Migration, Leitstelle des
Jugendamtes, Sozialbürgerhäuser)
Rumänisches Konsulat
Jobcenter
Deutscher Gewerkschaftsbund
Bahnhofsmission München
Frauenobdach KARLA 51
Heilsarmee
Pensionen
und vielen weiteren Kolleginnen und Kollegen, die unsere Arbeit unterstützt haben.
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Auf der Suche nach Arbeit gestrandet in München. Tagelöhner aus Südosteuropa suchen ihr Glück in Deutschland, stoßen aber
auf viele Schwierigkeiten, Sie werden mit Niedrigstlöhnen ausgebeutet, kämpfen mit Obdachlosigkeit und haben häufig noch
nicht einmal einen Anspruch auf medizinische Versorgung. Doch es gibt Anlaufstellen und kostenlose Hilfen in München.
Chancen unter null
Im Sommer schlagen sich viele Wanderarbeiter ohne feste Bleibe in München durch—im frostigen Winter wird das
lebensgefährlich. 520 Kälteschutz-Notplätze kann die Stadt München anbieten, eine neue Beratungsstelle in Hauptbahnhofnähe
vergibt diese Nachtlager
Sozialarbeiterin aus ganzen Kontaktdaten ferraum. Die werden- „Wir hatten heute
dem Drucker heraus- und hier hast du die de Mutter schließt ihre eigentlich nur
geholt hat; sein Bruder Einweisung für die warme Winterjacke 195 Einweisun-
schüttet ganz viel Zu- heutige Übernachtung und bedankt sich gen – ich verste-
cker in seinen Teebe- in der Pension. Unsere nochmal. „Also, hier he nicht, warum
cher und singt ganz Kollegin fährt euch seid ihr heute Nacht ich so müde bin.
leise. Die Sozialarbei- gleich dorthin.“ Sie untergebracht. Wir Vorgestern hat-
terin schaut sich die dreht sich zu dem be- treffen uns morgen ten wir über 250
Lohnabrechnungen nachbarten Beratungs- um 8.15 Uhr vor der Menschen da.
Vielleicht liegt’s
und Schulbestätigun- platz und fragt: „Steht Behörde, die Adresse
nur daran, dass
gen an. Eine ungari- unser Auto hinten? … hast du auf dem
heute Sonntag
sche Kollegin hat den Oh, super! Nun warte Schreiben. Und ver-
ist…“
Empfang verlassen, noch kurz“ sagt sie der giss die Papiere bitte
um am Beratungsplatz werdenden Mutter; nicht, sonst können (Andreea Untaru)
zu übersetzen. Nach- „wir müssen für euch wir deinen Arbeitneh-
dem die Sozialarbeite- beide eine Winterjacke merstatus nicht nach-
rin lange zuhört und in unserer Kleiderkam- weisen!“
sich einige Notizen mer finden!“
macht, wählt sie eine 22.10 Uhr in der Kü-
Telefonnummer. Sie 15.45 Uhr vor einer che der Beratungsstel-
Pension in München le Schiller 25
redet laut, um mit ih-
rer Stimme den Lärm Die hochschwangere In dem kleinen Büro
im Raum zu übertö- Frau steigt mit ihren mit Küchenzeile ste-
nen. zwei Kindern aus dem hen die sieben Kolle-
dunkelroten Auto mit ginnen und Kollegen,
„Ich bitte um Verzei- dem Logo des Evange- die einen weiteren Käl-
hung, bei uns ist es lischen Hilfswerks aus. teschutztag hinter sich
ziemlich laut im Hin-
Die Ungarische Kolle- haben. Dieses Mal
tergrund. Nein, wir
gin holt das wenige hört man nur noch ei-
sind nicht am Bahn-
Gepäck aus dem Kof- ne Sprache.
hof, ich rufe Sie von
Schiller 25 – Migrati-
onsberatung Woh-
nungsloser an. Es geht
um Frau…“
Das Telefonat dauert
lange. Nachdem sie
den Hörer ablegt, at-
met sie tief aus und
lächelt beruhigend:
„Wir haben einen Ter-
min bekommen! Mor-
gen um 8.30 Uhr müs-
sen wir bei der Behör-
de sein. Hier sind die
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irgendeinen Job auf- tig; oft freuen sich alle „Es tut mir leid, dass
weisen können, auf- in der Beratungsstelle ich Ihnen nicht mehr
stockende Leistungen Versammelten mit, helfen kann!“ und den-
beziehen, in einem wenn jemand jubelnd noch denke ich, viele
Arbeiterwohnheim le- durchs Büro hüpft, kleine Schritte ma-
ben (da normale Woh- weil ein Pensionsplatz chen irgendwann ei-
nungen zu finden, uto- gefunden ist. Umar- nen großen aus.
pisch ist), da setzen mungen sind nicht sel-
andere Einrichtungen ten, auch Gefühlsaus- (Franziska Liegl)
oftmals erst an. Wir brüche nicht ‒ im Posi-
feiern es als Erfolg, tiven wie im Negati-
dass ein Klient nicht ven. Ich habe gelernt,
mehr auf der Straße auf Wesentliches zu
schläft und seinen achten, wenn meine
Schlafplatz selbst fi- Klienten kein Deutsch
nanziert, meist jedoch sprechen und auch
mit finanzieller Hilfe, kein Englisch, dann ‒
da der Verdienst für und dies klappt nach
die geleistete Arbeit einiger Übung ganz gut
zum Leben nicht – verstehe ich durch
reicht. Anspruch auf Körpersprache, durch
geförderte Maßnah- Mimik und Gestik. Ich
men, Plätze in Wohn- lerne einzelne Wörter
heimen der Woh- und verstehe dadurch
nungslosenhilfe haben oft schon die Situati-
sie meist nicht. Umso on. Kommunikation
mehr freuen wir uns, hat ‒ und das wird ei-
wenn der Klient ein nem ganz deutlich be-
kleines Ziel erreicht wusst – nicht nur mit
und es halten kann. der gesprochenen
Denn oft genug kehrt Sprache zu tun. Den-
er in seine Ausgangsi- noch ist die Arbeit bei
tuation, vielleicht so- komplexen Beratun-
gar mehrmals, zurück. gen nur mit Dolmet-
Ich freue mich über scherInnen möglich.
Kleinigkeiten. Die Ar- Oft sind wir die einzige
beit in Schiller 25 Stelle, bei der der Kli-
macht bescheiden; sie ent seine Sorgen mit-
zeigt mir, was ich teilen kann. Wir versu-
selbst habe. Dafür bin chen zuzuhören, aus-
ich dankbar. Doch die- zuhalten, mitzugehen.
se kleinen Erfolge sind Wir machen kleine
manchmal ganz wich- Schritte, wir sagen:
Seite 22 Schiller 25—Migrationsberatung Wohnungsloser
Wie war deine Kind- sität nicht leisten. ters waren die Gründe,
heit in Nigeria? warum mein Mann
Dann hat mein Vater
und ich nach Italien
Ich hatte eine schöne aber wieder geheiratet
gegangen sind.
Kindheit. Ich habe in und mit dieser ande-
einer Stadt gewohnt ren Frau habe ich Du hast erst in Italien
und mit meinen Eltern mich nicht verstanden. gelebt, bevor du nach
und meinen drei Brü- 2009 habe ich meinen München gekommen
dern und zwei Schwes- Mann geheiratet, der bist. Warum bist du
tern zusammen ge- auch der Vater meines nach Deutschland ge-
lebt. Ich bin dort zur Sohnes ist. Die kommen?
Schule gegangen. Lei- schlechten Chancen Ich bin nach Deutsch-
der konnten meine auf Arbeit und die land gekommen, weil
Eltern sich die Univer- neue Frau meines Va- ich gehört habe, dass
mein Mann und der gegangen, um zu ar- Ich singe sehr gut und
Name: Beauty U. Vater meines Sohnes beiten. Mein letztes mein größter Traum
Alter: 34 nach München gegan- Geld habe ich dann war schon immer,
gen ist, um zu arbei- genommen, um ihn dass ich in diesem Be-
Kinder: Prince ten. Er hat mich und hier in München zu reich etwas erreiche.
Abraham unseren gemeinsa- suchen. Jetzt möchte Das wichtigste ist aber
Nationalitäten: men Sohn mitten in ich aber auf jeden Fall für mich, dass es mei-
Nigerianisch, der Nacht verlassen. Arbeit finden und für nem Sohn Prince gut
Italienisch Nach 20 gemeinsa- Prince einen Krippen- geht. Ich würde mir
men Jahren. Ich bin platz suchen. Aber ich
In München seit: wünschen, dass er zur
ihm hinterhergereist, brauche erst einmal
März 2014 Schule geht und viel-
doch ich kann ihn hier eine Arbeitserlaubnis,
leicht sogar einmal
nicht finden. die 100 Euro kostet.
eine Universität be-
Wir sind beide mit 20 Was ist dein Wunsch sucht. Aber das Wich-
Jahren zusammen aus für deine Zukunft und tigste ist, dass er
Nigeria nach Italien die deines Sohnes? glücklich und gut ver-
sorgt ist. In der Schule
war ich immer gut in
Mathe, auch eine Ar-
beit im Bereich Marke-
ting wäre toll. Aber bis
dahin würde ich jeden
Job annehmen. Ich
möchte unbedingt ar-
beiten.
(Interviewerin:
Felicitas Sailer)
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Seite 26 Schiller 25—Migrationsberatung Wohnungsloser
Hallo, mein Name ist Felicitas Sailer und ich war die erste Praktikan-
tin in Schiller 25. Mein Praktikum ging von Januar bis April. Abschied
gefeiert habe ich nicht, da ich ehrenamtlich weiterhin dort tätig sein
werde. Und ehrlich gesagt (und das meine ich wirklich ganz ernst)
möchte ich auch gar nicht weg!!! Abgesehen von den lieben Kolleginnen
und Kollegen habe ich auch wahnsinnig viel gelernt. Nach dem Abitur
an der Fachoberschule für Sozialwesen war ich mir bereits sehr sicher,
dass ich Soziale Arbeit studieren will. Durch die tolle Förderung und
die vielen Möglichkeiten, die mir in meinem ersten Praktikum beim
Frauenobdach KARLA 51 und in meinem zweiten Praktikum in Schil-
ler 25 geboten wurden, bin ich mir nun absolut sicher, dass das der Be-
ruf ist, den ich später einmal ausüben werde. Zu Anfang war ich mit-
ten in der Kälteschutzzeit dort. Ganz in Ruhe haben mir meine Anlei-
terin Franziska Liegl und unsere Chefin Andreea Untaru alles erklärt
und mir Fragen beantwortet. Ich habe mich sehr gefreut, gleich ein
paar „nette Obdachlose“ kennen zu lernen und war von Anfang an
hoch motiviert, das Team zu entlasten. Bis 14.00 Uhr habe ich dann die
anderen Kollegen, die Aushilfen und den Sicherheitsdienst begrüßt. Als
dann aber die Türen geöffnet wurden, stand ich auf einmal zwischen
Kolleginnen und Kollegen, die hin und her liefen und dabei genau
wussten, was sie tun, zwischen verzweifelten, verfrorenen und dem
Wetter nicht entsprechend gekleideten Menschen, die zum ersten Mal
da waren. Wenn ich ehrlich bin, war es mir am Anfang viel zu hek-
tisch, zu voll und zu laut. Die ersten zwei bis drei Wochen bin ich,
nachdem ich aus der Arbeit heim gekommen bin, sofort ins Bett, weil
jeder Tag sehr anstrengend und voller neuer Erlebnisse und Eindrücke
für mich war. Mit der Zeit habe ich die Klienten, die Kollegen und die
Arbeit besser kennen gelernt und es hat immer mehr Spaß gemacht,
auch wenn es oft erfolglos oder frustrierend sein konnte. Leider kann
ich das Studium nicht überspringen und mir das nötige Wissen nicht
einfach so aneignen, aber ich werde mich jeden Winter neu bewerben,
weil es mir beim Evangelischen Hilfswerk so gut gefällt.
Felicitas Sailer
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Unter welchen Vorausset- was ich hinter mir ließ: noch hatte ich mich für die sah aber anders aus: un-
zungen würden Sie aus- meine Familie, die mich Selbstständigkeit ent- endlich viele Feierabende,
wandern? sehr vermisste und die schieden. Als ich hier an- die ich in Einsamkeit ver-
jederzeit bereit gewesen kam, war alles bereits vor- brachte, und die immer
Ich persönlich habe vor
wäre, mich wieder aufzu- handen: Durch den Trans- kürzer werdenden Telefo-
zwölf Jahren eine lange
nehmen, mir ein Dach fer meines Arbeitsvertra- nate mit meiner Familie, in
Liste mit Pro’s und
über den Kopf anzubieten, ges von Bukarest nach denen ich versuchte, mei-
Contra’s geschrieben. Es
sich bedingungslos zu ver- München hatte ich eine ne neue, karge Realität
folgten schlaflose Nächte,
schulden, damit ich mir Vollzeitstelle, eine Kran- blumig erscheinen zu las-
zahlreiche Pläne und Über-
mein Studium an einer kenversicherung und ein sen: Natürlich geht’s mir
lebensstrategien. Erst als
privaten Uni in Bukarest möbliertes Zimmer. Die gut. Ja, diese Stadt ist so
ich im Bus nach Deutsch-
finanzieren könnte. Den- Kehrseite der Medaille schön. Mitten im August
land saß, wurde mir klar,
war die Stadt nichts Ande-
res als kalt und fremd.
Erst später war ich in der
Lage, das neue Leben mit
anderen, zuversichtliche-
ren Augen zu betrachten.
„Bei uns in der Gemeinde Haus, das ist nicht nicht die Ärmsten. Aber
ist die Landwirtschaft aus- schlimm. Aber die Tatsa- trotzdem reicht das nicht weiß, nirgendwo fließt
gestorben“, sagt sie. „Es che, dass ich meinen Kin- aus. Viele aus meiner Ge- buchstäblich Milch und
begann kurz nach der Zeit dern oft nichts zu essen meinde haben ihr Glück in Honig, aber in Rumänien
Ceausescus. Wie lange geben kann, das ist Italien oder Spanien ge- ist es alles andere als gut.
bist du schon weg, dass schlimm. Die Preise stei- sucht. So wie es scheint, Denn dort herrscht nur
du das nicht mehr weißt? gen stets an. Mein Mann haben sie das Glück dort noch Armut und Korrupti-
Klar haben wir ein Haus, arbeitet in der Stadt und auch gefunden, weil sie on.“
so wie alle, die auf dem pendelt daher immer hin regelmäßig Geld zu ihren
Land leben, ein ganz und her. Er verdient ca. Familien schicken können. Mirabela ist 29 Jahre alt.
„normales“ Zuhause, ohne 100 Euro im Monat. Hinzu Einige von ihnen sind hier Sie verließ Rumänien aus
Dusche und mit einer Toi- kommt noch das Kinder- in München und ihnen Perspektivlosigkeit und sie
lette im Garten. Aber wir geld, also insgesamt 150 geht es gut. Sie haben mir kam ins Ungewisse, ob-
sind gerne in unserem Euro. Es gibt Menschen, erzählt, dass man rasch wohl fünf Kinder gerade
Haus. Alle in meinem Dorf die nicht einmal dieses Arbeit findet. Aus diesem ihre Mutter vermissen.
haben ein solch einfaches Geld haben. Wir sind also Grund bin ich hier. Ich (Andreea Untaru)
weiß
Eine herzliche Danksagung an:
unsere Ehrenamtlichen
Frau Eva Götz (Leitstelle Jugendamt) & Team, vor allem im Namen
der Kinder, die sich über die Weihnachtsgeschenke sehr gefreut haben
Herausgeber:
Schiller 25 - Migrationsberatung Wohnungsloser
Schillerstraße 25, 80336 München
Tel.: 089 / 54 59 41 40
E:mail: schiller-25@hilfswerk-muenchen.de
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Öffnungszeiten:
01. November - 31. März:
jeden Tag zwischen 14.00 - 22.00 Uhr