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Etwas anders sieht dies bei der Vorstellung von einer ethnisch homogenen Volksgemeinschaft
aus, in der die Ablehnung des Fremden oder des als fremd Erklärten die Hauptrolle spielte - in
die also rassistische Ideen in einer weniger aggressiven Form eingegangen sind. Viele
Untersuchungen sprechen dafür, dass sich die Idee der Volksgemeinschaft vor allem in der
unteren Mittelschicht großer Beliebtheit erfreute und durch sie eine latente Bereitschaft zum
Ausschluss der Juden aus der deutschen Gesellschaft transportiert wurde. Sicherlich gibt es
keinen direkten Weg, der von der Vorstellung der Volksgemeinschaft zu den Krematorien von
Auschwitz und Maidanek führt, aber die Akzeptanz einer Politik, die auf das Verschwinden der
Juden angelegt war, hat sie deutlich befördert - verbunden mit großer Gleichgültigkeit
gegenüber dem Schicksal derer, die eben noch dazugehört hatten und nun nicht mehr da
waren. Was die Rassevorstellung in offen aggressiver Form war, stellte die Idee der
Volksgemeinschaft in abgeschwächter Gestalt dar, und zwar so, dass die dieser Idee
Anhängenden sich oftmals nicht bewusst waren, worauf sie sich eingelassen hatten und was
deren Konsequenzen waren. So konnten sie hinterher sagen, sie hätten von dem Mord an den
Juden nichts gewusst und hätten ihn auch nie befürwortet. Und dabei hatten sie nicht das
Gefühl, schamlos zu lügen.
Das Bedürfnis nach Gemeinschaft verweist auf die Schwierigkeiten, die viele Menschen mit
dem Eintritt in die Moderne hatten. Der Soziologe Ferdinand Tönnies hat Gemeinschaft und
Gesellschaft als zwei von Grund auf unterschiedliche Formen sozialen Zusammenlebens
beschrieben. Die Gemeinschaft hatte dabei den Vorteil, romantisierbar zu sein, sodass Zwang
und Kontrolle, Elemente einer jeden Gemeinschaft, als Geborgenheit erschienen, während die
Gesellschaft als kalte, mechanische Organisation von nur auf ihren Vorteil bedachten
Einzelnen erschien. Hinzu kam die verbreitete Vorstellung von den ungeordneten Massen in
den Großstädten; gegen sie wurde die Idee einer geordneten, harmonischen Gemeinschaft
gestellt - oder auch die der formierten Massen, wie sie auf den Nürnberger Parteitagen in
Erscheinung traten. Romantische Sehnsüchte und Disziplinierungsbedürfnis verbanden sich
damit auf eine verhängnisvolle Weise, denn diese Verbindung machte die Juden zum
Fremdkörper.
Das ist keine Entschuldigung der Deutschen, sondern zeigt, dass kontingente Entwicklungen
Einstellungen wirksam machen können, die man zuvor für randständig gehalten hat. Sie
führten zu den Pogromen vom 9. November 1938. Und diese waren ein Schritt in Richtung
Holocaust. Doch für die entscheidenden Schritte war eine Gruppe von bürokratischen
Organisatoren verantwortlich, die eine diffuse Aggressivität gegen Juden in deren
systematische Ermordung transformierten.
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