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Stand: 17.01.2020 20:15 Uhr

Wie konnte der Holocaust passieren?


von Herfried Münkler

Die Juden als Fremdkörper

Die NS-Zeit: Krieg und Terror


1933 wird der Nationalsozialist Adolf Hitler zum Reichskanzler
ernannt. Fortan setzt das NS-Regime seinen absoluten
Führungsanspruch durch - mithilfe von Terror und Propaganda.

Etwas anders sieht dies bei der Vorstellung von einer ethnisch homogenen Volksgemeinschaft
aus, in der die Ablehnung des Fremden oder des als fremd Erklärten die Hauptrolle spielte - in
die also rassistische Ideen in einer weniger aggressiven Form eingegangen sind. Viele
Untersuchungen sprechen dafür, dass sich die Idee der Volksgemeinschaft vor allem in der
unteren Mittelschicht großer Beliebtheit erfreute und durch sie eine latente Bereitschaft zum
Ausschluss der Juden aus der deutschen Gesellschaft transportiert wurde. Sicherlich gibt es
keinen direkten Weg, der von der Vorstellung der Volksgemeinschaft zu den Krematorien von
Auschwitz und Maidanek führt, aber die Akzeptanz einer Politik, die auf das Verschwinden der
Juden angelegt war, hat sie deutlich befördert - verbunden mit großer Gleichgültigkeit
gegenüber dem Schicksal derer, die eben noch dazugehört hatten und nun nicht mehr da
waren. Was die Rassevorstellung in offen aggressiver Form war, stellte die Idee der
Volksgemeinschaft in abgeschwächter Gestalt dar, und zwar so, dass die dieser Idee
Anhängenden sich oftmals nicht bewusst waren, worauf sie sich eingelassen hatten und was
deren Konsequenzen waren. So konnten sie hinterher sagen, sie hätten von dem Mord an den
Juden nichts gewusst und hätten ihn auch nie befürwortet. Und dabei hatten sie nicht das
Gefühl, schamlos zu lügen.

Das Bedürfnis nach Gemeinschaft verweist auf die Schwierigkeiten, die viele Menschen mit
dem Eintritt in die Moderne hatten. Der Soziologe Ferdinand Tönnies hat Gemeinschaft und
Gesellschaft als zwei von Grund auf unterschiedliche Formen sozialen Zusammenlebens
beschrieben. Die Gemeinschaft hatte dabei den Vorteil, romantisierbar zu sein, sodass Zwang
und Kontrolle, Elemente einer jeden Gemeinschaft, als Geborgenheit erschienen, während die
Gesellschaft als kalte, mechanische Organisation von nur auf ihren Vorteil bedachten
Einzelnen erschien. Hinzu kam die verbreitete Vorstellung von den ungeordneten Massen in
den Großstädten; gegen sie wurde die Idee einer geordneten, harmonischen Gemeinschaft
gestellt - oder auch die der formierten Massen, wie sie auf den Nürnberger Parteitagen in
Erscheinung traten. Romantische Sehnsüchte und Disziplinierungsbedürfnis verbanden sich
damit auf eine verhängnisvolle Weise, denn diese Verbindung machte die Juden zum
Fremdkörper.

Von diffuser Aggressivität zu systematischer Ermordung

Gedanken zur Zeit


Radio-Essays für neugierige Hörer: Immer sonntags diskutierten
namhafte Autoren unsere Weltbilder. Die Reihe endete am 8. Juli
2023.

Im Antisemitismus, dem Menschen jüdischen Glaubens gegenwärtig wieder in verstärkter


Form begegnen, haben sich unterschiedliche Motivstränge gebündelt, und je nach der
Zusammensetzung dieser Stränge erlangt dieser Antisemitismus eine unterschiedliche
Ausprägung. Dass er in Deutschland, wo sich die Juden als ausgesprochen assimilationsoffen
gezeigt hatten, zum Antriebsmoment des Massenmords an den europäischen Juden werden
würde, hätte zu Beginn des 20. Jahrhunderts wohl kaum einer erwartet. In einer Reihe anderer
Länder war der Antisemitismus damals sehr viel virulenter und aggressiver. Der verlorene
Krieg und die Inflation mitsamt Entwertung der Vermögen, dazu der Verlust der gewohnten
gesellschaftlichen Stabilität und die panische Angst der Mittelschicht vor der politischen
Linken, schließlich die Wirtschaftskrise von 1929 und die anschließende
Massenarbeitslosigkeit haben die aggressiven, auf Vertreibung, wenn nicht Vernichtung
ausgerichteten Stränge des Antisemitismus in Deutschland gestärkt und ihnen den Einfluss
verschafft, der zum Massenmord geführt hat.

Das ist keine Entschuldigung der Deutschen, sondern zeigt, dass kontingente Entwicklungen
Einstellungen wirksam machen können, die man zuvor für randständig gehalten hat. Sie
führten zu den Pogromen vom 9. November 1938. Und diese waren ein Schritt in Richtung
Holocaust. Doch für die entscheidenden Schritte war eine Gruppe von bürokratischen
Organisatoren verantwortlich, die eine diffuse Aggressivität gegen Juden in deren
systematische Ermordung transformierten.

Auschwitz: "Das Schrecklichste, was ich je sah"


Am 27. Januar 1945 wurde das KZ befreit. Über eine Million Menschen
starben dort. Seit 1996 wird am Tag der Befreiung der NS-Opfer
gedacht.

Konzentrationslager:"Alltag" in der Hölle
Das Leben im KZ war ein Martyrium für die Gefangenen. Der Willkür
der SS vollkommen ausgeliefert endete es oft mit dem Tod.

Holocaust - Das beispiellose Verbrechen


Mehr als sechs Millionen Juden wurden während der NS-Zeit
ermordet. Daran erinnert jedes Jahr am 27. Januar ein Gedenktag.

 1 2

Teil 1: Die systematische Entrechtung der Juden


Teil 2: Die Juden als Fremdkörper

Dieses Thema im Programm:


NDR Kultur | Gedanken zur Zeit | 19.01.2020 | 19:00 Uhr

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