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Über die Beziehungen zu Personen und Sachen

Hat der Mensch eine unterschiedliche Beziehung zu einem andern als zu Etwas? Die Frage scheint
banal und wird intuitiv mit ja beantwortet. Doch wo genau der Unterschied liegt, zeigt Karl Löwith
in seiner Habilitationsschrift „Das Individuum in der Rolle seiner Mitmenschen“ aus dem Jahre
1928. Die Anderen sind die Mitmenschen und Etwas sind Sachen1, die weder leben noch denken2.
Darunter fallen, meiner Interpretation nach, sowohl menschengemachte Gegenstände wie ein Stuhl,
als auch in der Natur vorkommende Dinge, wie Steine und Nicht-Greifbares wie der Himmel.

Um sich der oben gestellte Frage zu nähern, werden zunächst die Mitmenschen außer Acht
gelassen und es wird sich auf den Zusammenhang von Etwas und einem anderem Etwas, also zwei
beliebigen Sachen, beschränkt. Löwith kategorisiert zum einen den „sachhaltig unbegründete(n)“ 3
oder zufälligen Zusammenhang, wie zum Beispiel ein, ohne Hintergrundgedanke, um einen Pfosten
gewickeltes Seil. Nimmt man diese Seil und bindet es an einen zweiten Pfosten, um Wäsche daran
trocknen zu können, so wäre das ein „sachhaltig begründete(r)“ 4 Zusammenhang. Hier bezieht „sich
etwas auf etwas anderes“5 und es besteht eine sogenannte Relation. Dabei ist es nicht entscheidend,
ob der Zweck erfüllt wird, sondern allein, dass ein Zweck für das Handeln, hier das Trocknen der
Wäsche, vorhanden. Ob das Seil letztendlich dazu geeignet ist, die Wäsche zu trocknen ist also
nicht entscheidend. Eine von Löwith unbeantwortete Frage bleibt, ob zufällige Zusammenhänge nur
zwischen Sachen oder auch bei Menschen vorkommen können.
Bei dem sachhaltig begründeten Zusammenhang wird zwischen der ein- und zweiseitigen
Beziehung unterschieden. Letztere beruht auf Gegenseitigkeit 6 und wird auch als Korrelation
bezeichnet. Ein Beispiel ist die Deckenlampe und ihr dazugehöriger Lichtschalter, denn beides wäre
ohne das jeweilig andere sinnlos. Die einseitige Beziehung wird anhand einem Bettgestell und der
darauf liegenden Matratze deutlich. Die Matratze würde auch ohne das Gestell ihren Zweck, die
Liegemöglichkeit, erfüllen, andersherum jedoch wäre das nicht der Fall.
Die verschieden Beziehungen der Sachen untereinander bilden nun die Grundlage, um die Frage
aus der Einleitung zu beantworten. Zuerst wird der Unterschied zwischen den anderen und etwas
deutlich gemacht. Die anderen sind zugleich meinesgleichen, i.d.S., dass Sie mir selbstverständlich
als Lebewesen „von derselben Seinsart“ 7, also als Mitmenschen, begegnen. Dennoch wird es als

1 §12 S. 149
2 §14 Vgl. S.154
3 §12 S.148
4 §12 S.148
5 §12 Vgl S. 148
6 §13 Vgl. S.151
7 §10 S.138

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selbstverständlich angesehen, dass man selbst einzigartig ist, womit einher geht, dass die anderen
anders sein müssen. Das verdeutlicht Löwith am Beispiel des Doppelgängers. 8 Begegnet man einem
solchen, löst das große Befremdlichkeit aus, denn die eigene Einzigartigkeit ist angegriffen. Also
sind die anderen zugleich meinesgleichen und anders.
Etwas dahingegen hat nicht die gleiche Seinsart wie man selbst und schon allein bei Betrachtung
des Sprachgebrauchs wird die Andersartigkeit deutlich. Während das meinesgleichen zu einem
andern so selbstverständlich und ursprünglich ist, dass man ihn ausdrücklich als anderen
bezeichnen muss, ist bei Etwas von vornherein selbstverständlich, dass es anderes. 9 Zudem „lebt
und denkt“ eine Sache nicht oder in anderen Worten: Etwas hat kein Bewusstsein und keine eigene
Handlungsfähigkeit.
Zuerst wird die Beziehung zwischen Einem zu Etwas geklärt. Da eine Sache kein Bewusstsein
hat, kann es sich nicht zu einer Person verhalten. Ich kann auf einem Trampolin hüpfen, es kann
mich aber nicht von sich aus in die Luft befördern. Nicht weil das Trampolin nicht möchte, sondern
weil ihm dazu die Fähigkeit fehlt. Hier liegt also eine einseitige Beziehung vor und lediglich Einer
verhält sich zu Etwas und nicht umgekehrt oder beidseitig.
In einem sogenannten, auf Wechselseitigkeit beruhenden, Verhältnis kann nur Einer zu einem
andern stehen. Da nur Menschen handeln können, haben auch nur sie die Möglichkeit sich
zueinander zu verhalten und in einer gegenseitigen Beziehung zu stehen. In dieser gegenseitigen
Beziehung ist auch ein einseitiges Verhältnis möglich. Der Andere zeichnet sich also dadurch ab,
dass er auf mich reagieren kann. Die vorher beschriebene wechselseitige Beziehung zwischen
Lampe und Lichtschalter, ist also kein Verhältnis. Beiden Sachen fehlt die Fähigkeit sich zueinander
zu verhalten.

Der Unterschied von einer Beziehung zu einem andern und zu Etwas ist deutlich geworden. Doch
bei der Beantwortung dieser Frage, sind weitere Fragen aufgekommen. Zunächst lässt Löwith in
seiner Darstellung von „Verbindungen“ die Tierwelt außen vor. Tiere passen weder zu den Anderen,
da sie nicht als meinesgleichen gesehen werden noch zu Etwas, da sie keine Sachen sind. Für
manche Menschen ist ihr Haustier das wichtigste Lebewesen in ihrem Leben. Eine interessante
Fragestellung wäre beispielsweise: „In welcher Verbindung zu mir steht ein Hund, der eine tiefe
Verbindung zu seiner Besitzerin aufgebaut hat?“
Zu dem einseitigen Verhältnis innerhalb des „immer schon als gegenseitig beanspruchten
Verhältnisses“10 von einem zu einem anderen erläutert Löwith auch nicht weiter und stellt sich die
8 §10 S.139
9 §12 S.150
10 §13 S.151

2
Frage, was genau damit gemeint ist. Denkt man an einen Menschen der minutenlang auf einen
anderen Menschen mit Kopfhörern einredet, ohne dass dieser ihn wahrnimmt, lässt sich kritisch
hinterfragen, ob das noch als Verhältnis betrachtet werden kann.
Generell wurde meiner Meinung nach der Fokus zu sehr und ausschließlich auf zwei zueinander in
Beziehung stehenden Gegenständen und Personen gelegt. Lässt sich das Dargestellte einfach auf
eine größere Anzahl an Personen oder Gegenstände erweitern, wie zum Beispiel eine
Dreiecksbeziehung, oder entstehen neue Modelle und Regeln?
Insgesamt gelingt es Löwith viele Zusammenhänge klar darzustellen, doch er präzisiert an den
genannten Stellen zu wenig und lässt einige weitere Fragen unbeantwortet.

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