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Politikinstrumente für ein

klimaneutrales Deutschland
50 Empfehlungen für die 20. Legislaturperiode (2021–2025)

IMPULS
IMPRESSUM

IMPULS AUTORINNEN UND AUTOREN:


Politikinstrumente für ein Rainer Baake, Benjamin Fischer, Dr. Patrick
klimaneutrales Deutschland. Graichen, Christian Hochfeld, Anne Klein-Hitpaß,
50 Empfehlungen für die Philipp Kosok, Dr. Urs Maier, Dr. Julia Metz, ­Kerstin
20. Legislaturperiode (2021–2025) Meyer, Simon Müller, Dr. Barbara Saerbeck, Frank
Steffe, Janek Steitz, M
­ artin Weiß

ERSTELLT VON
Stiftung Klimaneutralität DANKSAGUNG
www.stiftung-klima.de | info@stiftung-klima.de Wir bedanken uns bei allen Autorinnen und
Friedrichstr. 140 | 10117 Berlin ­Autoren der zahlreichen Studien und Gutachten,
T +49 (0)30 62939 4639 auf denen diese Publikation gestützt ist. Für
die tatkräftige Unterstützung bei der ­Erstellung
Agora Energiewende dieser Publikation bedanken möchten wir uns bei
www.agora-energiewende.de unseren Kolleginnen und Kollegen, insbesonde-
info@agora-energiewende.de re bei Wolfgang ­Aichinger, D
­ aniel Fürstenwerth,
Philipp D. Hauser, Dr. Günter ­Hörmandinger, Mara
Agora Verkehrswende Marthe Kleiner, A ­ lexandra Langenheld, Thorsten
www.agora-verkehrswende.de Lenck, Philipp Litz, Frank Peter, Dr. Philipp Prein,
info@agora-verkehrswende.de Gerd Rosenkranz, Ada Rühring, Fanny Tausend-
teufel, Georg ­Thomaßen, Wido Witecka, Nina
Anna-Louisa-Karsch-Straße 2 | 10178 Berlin Zetsche.
T +49 (0)30 700 14 35-000

PROJEKTLEITUNG
Unter diesem QR-Code steht
Dr. Julia Metz
diese Publikation als PDF zum
julia.metz@stiftung-klima.de
Download zur Verfügung.
Frank Steffe
frank.steffe@agora-energiewende.de
Benjamin Fischer
benjamin.fischer@agora-verkehrswende.de

Satz: Juliane Franz


Korrektorat: infotext Bitte zitieren als:
Titelbild: Tarnero | AdobeStock Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende,
Agora Verkehrswende (2021): Politikinstrumente
219/10-I-2021/DE | 60-2021-DE für ein klimaneutrales Deutschland. 50
Version: 1.0, Juni 2021 Empfehlungen für die 20. Legislaturperiode
(2021–2025)
Vorwort: Der globale Wettlauf hat begonnen

Liebe Leserin, lieber Leser,

der menschengemachte Klimawandel ist eine Bedro­ Als größter Mitgliedsstaat und als mit weitem
hung für Menschheit und Natur. Trotz aller Fort­ Abstand größter Verursacher von Treibhausgasen
schritte basieren unsere Volkswirtschaften größten­ (THG) innerhalb der EU kommt Deutschland eine
teils weiterhin auf Öl, Kohle und Erdgas. Ein schnelles besondere Verantwortung zu. Europa kann beim
und entschlossenes Umsteuern hin zur Klimaneutra­ Klimaschutz nur erfolgreich sein, wenn Deutschland
lität ist dringend notwendig. Andernfalls sind die erfolgreich ist.
Verpflichtungen und Ziele des Pariser Klimaabkom­
mens –eine Begrenzung der Erderwärmung auf Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende und
deutlich unter 2 Grad, möglichst 1,5 Grad gegenüber Agora Verkehrswende wollen mit diesem Papier
dem vorindustriellen Niveau – nicht erreichbar. Empfehlungen für eine zielorientierte Klimaschutz­
politik in der Legislaturperiode 2021–2025 unter­
Klimaschutz erfordert globales Handeln. Die drei breiten.
großen Wirtschaftsräume der Welt China, USA und
Europa haben Klimaneutralität bis Mitte des Wir wünschen eine angenehme Lektüre!
21. Jahrhunderts als Ziel beschlossen. Wir stehen am
Beginn eines internationalen Wettbewerbs um die Rainer Baake
beste Strategie; dabei geht es auch um den Erfolg auf Direktor, Stiftung Klimaneutralität
den Märkten von morgen.
Dr. Patrick Graichen
Direktor, Agora Energiewende

Christian Hochfeld
Direktor, Agora Verkehrswende

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Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Die sieben größten Treibhausgasemittenten weltweit (2018, in Mrd. t CO2-Äq) Abbildung 1

12 11,71
Treibhausgasemissionen 2018 [Mrd. t CO2-Äq]

10

6 5,79

4
3,35 3,33

1,99
2 1,42
1,15

0
China USA Indien EU 27 Russland Brasilien Japan

Climate Watch 2021

Die sieben größten Treibhausgasemittenten in der EU (2018, in Mio. t CO2-Äq) Abbildung 2

1.000

900 858
Treibhausgasemissionen 2018 [Mio. t CO2-Äq]

800

700

600

500
445 428 413
400
334
300

188
200
128
100

0
Deutschland Frankreich Italien Polen Spanien Niederlande Tschechien

EEA 2021

4
Inhalt

Vorwort: Der globale Wettlauf hat begonnen 3

1 Langfristige Strategie mit Zielen und Zwischenzielen 7

2 Instrumentenvorschläge 11

3 Begründung 19

5
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IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

1 Langfristige Strategie mit Zielen


und Zwischenzielen

Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden und Bundesregierung aus dem Urteil des Bundesverfas­
als Zwischenschritt bis 2030 seine Treibhausgas­ sungsgerichts vom April 2021 zum Klimaschutzgesetz
emissionen um mindestens 65 Prozent unter das gezogen, die entsprechende Novelle des Klimaschutz­
Niveau von 1990 reduzieren. Diese Konsequenz hat die gesetzes wird noch im Sommer 2021 vom Bundestag

Maßnahmen für eine Treibhausgas-Minderung um 65 Prozent bis 2030


(Treibhausgas-Emissionen in Mio. t CO2-Äq) Abbildung 3

Energiewirtschaft
Kohleausstieg 2030, etwa 70 % EE-Stromerzeugung,
Dekarbonisierung Fernwärme, Einsatz H₂


Industrie
Einführung DRI, Kohleausstieg,
H₂-Einsatz für Dampf

Verkehr
14 Mio. E-Pkw, Lkw fahren zu 30 % elektrisch, mehr
ÖPNV sowie Rad-, Fuß- und Schienenverkehr

Gebäude
Sanierungsrate 1,6 % pro Jahr, 6 Mio.
Wärmepumpen, starker Wärmenetzausbau

Landwirtschaft
Reduktion Düngemittel, Reduktion Tier-
bestände, Wirtschaftsdüngervergärung
810
Abfall
Ausweitung
Deponiebelüftung
-160
-64
-75 438
-58 -10 -4

-65 %

2019 2030

Prognos, Öko-Institut, Wuppertal Institut (2021): Klimaneutrales Deutschland 2045


Hinweis: H2= Wasserstoff; EE = Erneuerbare Energien; 65 % Treibhausgas-Minderung gegenüber 1990

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beschlossen werden. Das neue deutsche 2030-Klima­ tung Klimaneutralität gelingen. Manche der Vor­
ziel korrespondiert auch mit dem deutschen Beitrag schläge muten radikal an, und natürlich sind sie nicht
zum neuen EU-Klimaschutzziel für 2030, wonach die alternativlos. Wer einzelne Instrumente weicher
Treibhausgasemissionen in Europa um 55 Prozent ausgestalten will, muss an anderer Stelle entspre­
unter das Niveau von 1990 sinken sollen. chend stärkere Maßnahmen vorschlagen. Denn seit
dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eines
Wir haben in den vergangenen Monaten Prognos, das nicht mehr möglich: die notwendigen Emissionsre­
Öko-Institut und das Wuppertal Institut damit beauf­ duktionen der nächsten Generation zu überlassen.
tragt, in zwei Szenarien machbare Wege für ein Klimaschutz ist die Aufgabe unserer Generation –
klimaneutrales Deutschland zu entwickeln – mit und die kommende Legislaturperiode entscheidet
Wirtschaftlichkeit, Wahrung der Investitionszyklen maßgeblich über Erfolg oder Misserfolg beim Errei­
und Akzeptanz als Kernkriterien. Die zweite, am chen der 2030-Klimaziele.
26. April 2021 veröffentlichte Studie beschreibt
genau den Pfad, den jetzt auch das Klimaschutzgesetz
weist: minus 65 Prozent Treibhausgase bis 2030,
Klimaneutralität bis 2045.

Diese höhere Ambition ist umsetzbar, erfordert aber


eine komplett neue Qualität und ein deutlich höheres
Tempo in der Klimapolitik. Die von uns vorgestellte
Studie Klimaneutrales Deutschland 2045 zeigt ein in
sich konsistentes Szenario auf und benennt die
technologischen Pfade, die es einzuschlagen gilt, um
die Ziele in den jeweiligen Sektoren zu erreichen.

Auf den folgenden Seiten gehen wir einen Schritt


weiter und unterbreiten konkrete Vorschläge hin­
sichtlich der Instrumente, die es in der kommenden
Legislaturperiode zu beschließen gilt, um das für
2030 angehobene Zwischenziel zu erreichen.
Denn eines ist klar: Auch wenn die EU-Kommission
im Juli 2021 unter dem Titel „Fit for 55“ ein umfang­
reiches Gesetzespaket vorlegen wird, kann dies kein
Ersatz für ein entschiedenes Handeln der nächsten
Bundesregierung sein. Europäische Maßnahmen sind
für die Zielerreichung notwendig, aber nicht hinrei­
chend – viele klimapolitische Kompetenzen liegen
nun mal auf nationalstaatlicher Ebene.

Unser Ansatz basiert auf einem Instrumentenmix:


Mithilfe von CO2-Bepreisung, Ordnungsrecht,
Fördermaßnahmen und steuerlichen Anreizen kann
eine innovative und zugleich sozial ausgewogene
Transformation der deutschen Wirtschaft in Rich­

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IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Übersicht sektorale Maßnahmen und Minderungsziele bis 2030


(Treibhausgas-Emissionen in Mio. t CO2-Äq) Tabelle 1

Sektorziel 2030
laut N
­ ovelle des
­Erforderliche Bundes-Klima-
Emissionen ­Minderung schutzgesetzes
Sektor/Maßnahmen 2019 2019–2030* Sektorziel 2030* (2021)**
Energiewirtschaft 258 160 98 108
→ Nationaler Mindestpreis
im ETS
→ Ausbau EE-Stromerzeugung
auf 70 %
→ Grüne Fernwärme steigt
um 50 %
→ Wasserstoff in Strom und
­Fernwärme
Industrie 187 64 123 118
→ Einführung Direkt­reduktion
bei Stahlerzeugung
→ Beendigung Kohle­nutzung
→ Wasserstoff in Dampf­
erzeugung
Verkehr 164 75 89 85
→ 14 Mio. E-PKW
→ LKW fahren zu 30 % ­elektrisch
→ Mehr ÖPNV, Rad und Schiene
Gebäude 123 58 65 67
→ Sanierungsrate 1,6 %
→ 6 Mio. Wärmepumpen
→ Starker Ausbau Wärmenetze
Landwirtschaft 68 10 58 56
→ Verringerung Tierbestände
→ Reduktion Düngemittel
→ Vergärung Wirtschafts­dünger
Sonstige 9 4 5 4
Gesamt 810 372 438 438
Minderung gegenüber 1990 -35 % -65 % -65%

* entsprechend Prognos, Öko-Institut, Wuppertal Institut (2021): Klimaneutrales Deutschland 2045


** entsprechend dem Kabinettbeschluss der Bundesregierung vom 12.05.2021

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IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

2 Instrumentenvorschläge

Übergreifendes 3 Fehlinvestitionen vermeiden


Mit dem Ziel, Fehlinvestitionen und Entschädigungs­
1 Bundes-Klimaschutzgesetz wirksamer ansprüche von Privaten gegen die Gemeinschaft der
gestalten Steuerzahlenden zu vermeiden, wird die Verwendung
Im Bundes-Klimaschutzgesetz wird ein automati­ von fossilen Energieträgern in allen Bereichen der
scher Nachsteuerungsmechanismus (Erhöhung des Volkswirtschaft auf den 1. Januar 2045 gesetzlich
CO2-Preises oder vergleichbar wirksame Maßnah­ beschränkt. Ein entsprechendes Gesetz wird 2022
men) im Falle einer Verfehlung der Sektorziele verabschiedet, um allen Beteiligten 22 Jahre Zeit für
eingeführt, um entsprechend dem Urteil des Bundes­ Anpassungen zu geben.
verfassungsgerichts die Erreichung der Klimaziele
nicht auf spätere Generationen zu verschieben. Für 4 Markthochlauf von Wasserstoff
die öffentliche Verwaltung wird ein CO2-Schatten­ ­beschleunigen
preis in Höhe der CO2-Schadenskosten von 195 Euro Die Wasserstoffstrategie wird 2022 fortgeschrieben.
pro Tonne CO2 eingeführt, der bei allen staatlichen Ziel ist ein schneller Markthochlauf. Erste Priorität
Planungen und Wirtschaftlichkeitsberechnungen hat die einheimische Erzeugung auf Basis von Erneu­
angewendet wird. erbaren Energien, zweite Priorität kommt dem Import
aus dem benachbarten europäischen Ausland zu.
2 Steuern, Abgaben, Umlagen und Dazu bedarf es der schnellen Realisierung von
CO2-Bepreisung reformieren Wasserstoffpipelines (Startnetz) und Speicherkapazi­
Das bisherige System der Steuern, Abgaben, Umlagen täten sowie eines robusten Zertifizierungssystems.
und CO2-Bepreisung wird grundlegend reformiert, Bei der Fortschreibung wird berücksichtigt, dass
sodass es marktwirtschaftliche Anreize zum Umstieg Wasserstoff auf absehbare Zeit nur in begrenzten
auf klimafreundliche Technologien bietet. Die Mengen verfügbar und deutlich teurer als fossile
EEG-Umlage wird schnellstmöglich, frühestens zum Energieträger sein wird. Staatliche Mittel werden
1. Januar 2023 und spätestens zum 1. Januar 2025, daher für einen schnellen Markthochlauf in der
abgeschafft, die EEG-Kosten werden vollständig aus Stahl- und Chemieindustrie, bei Hochtemperatur­
dem Energie- und Klimafonds finanziert. Zur Gegen­ prozessen und in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen
finanzierung dienen die Einnahmen aus dem als Ersatz für Erdgas eingesetzt.
EU-Emissionshandel und dem nationalen Brennstoff­
emissionshandelssystem. Die CO2-Festpreise im 5 Öffentliche Investitionen in den K ­ limaschutz
Brennstoffemissionshandelsgesetz werden hierzu erhöhen und umweltschädliche ­Subventionen
zum 1. Januar 2023 auf 60 Euro angehoben, der abbauen
Handel mit Preiskorridor wird auf 2024 vorgezogen Der finanzpolitische Rahmen wird so fortentwickelt,
und auf 60 bis 80 Euro festgelegt. Ab dem Jahr 2025 dass Klimaschutzinvestitionen im notwendigen
wird ein Mindestpreis von 80 Euro festgelegt; zur Umfang getätigt werden können. Die Mittel für
Vermeidung sozialer Verwerfungen beträgt der öffentliche Investitionen in den Klimaschutz werden
Maximalpreis 100 Euro und steigt in den Folgejahren in den nächsten Jahren deutlich erhöht. Umwelt­
um 10 Euro pro Jahr. schädliche Subventionen werden schrittweise
abgebaut und die frei werdenden Mittel für die
ökologische Modernisierung verwendet.

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6 Öffentliche Finanzen nachhaltig gestalten den Konzentrationszonen im Baugesetzbuch mit dem


Öffentliche Finanzierungs- und Investitionsentschei­ Ziel konkretisiert, der Windenergie ausreichend
dungen werden an der EU-Taxonomie für nachhaltige Raum zu geben.
Finanzen ausgerichtet. Die Außenwirtschaftsförde­
rung wird so fortentwickelt, dass sie mit dem Ziel 11 Artenschutz und Klimaschutz in Einklang
einer globalen Klimaneutralität im Einklang steht. bringen
Zur Auflösung des Zielkonflikts zwischen Klimaschutz
7 Nachhaltigkeitsberichtspflichten ­ausweiten und Artenschutz beim Ausbau der Windenergie
Große Unternehmen und Finanzmarktakteure werden im Bundesnaturschutzgesetz Schutzabstände
werden im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichts­ zu Brutplätzen für alle relevanten Vogelarten festge­
pflichten verpflichtet, über Klimarisiken und Risiken legt; diese definieren abschließend, wo Anlagen
aus einem CO2-intensiven Geschäftsmodell entspre­ zulässig, wo sie mit Maßnahmen zulässig und wo sie
chend dem Rahmenwerk der Task Force on Climate-­ unzulässig sind. Die Schutzabstände stellen sicher,
Related Financial Disclosures zu berichten. Hierfür dass es beim Ausbau der Windenergie zu keinen
sind Szenarien mit CO2-Schadenskosten in Höhe von Gefährdungen der Populationen kommt. Da der
195 Euro pro Tonne zu erstellen. Erhaltungszustand vieler Vogelarten durch eine
Vielzahl anderer Faktoren unter Druck steht, legen
Bund und Länder ein Programm im Rahmen der
Energiewirtschaft Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruk-
tur und des Küstenschutzes (GAK) mit einem jährlichen
8 Ausbauziele für Erneuerbare Energien Volumen von mindestens 100 Millionen Euro auf.
­anheben
Der Anteil Erneuerbarer Energien an der Strom­ 12 Genehmigungsverfahren beschleunigen,
erzeugung wird bis zum Jahr 2030 auf mindestens maximale Mindestabstände festlegen und
70 Prozent angehoben. Dies erfordert einen Ausbau Repowering vereinfachen
auf 80 GW Onshore-Windenergie, 25 GW Offshore-­ Die Genehmigungsverfahren werden in einem
Windenergie und 150 GW Photovoltaik (PV). Windenergie-an-Land-Gesetz neu geregelt. Die
maximale Verfahrensdauer nach Feststellung der
9 CO2-Mindestpreis im Stromsektor einführen Vollständigkeit eines Antrags wird auf 10 Wochen
Mit dem Ziel, für alle Beteiligten Planungssicherheit ohne und auf 22 Wochen mit Öffentlichkeitsbeteili­
für die notwendige Reduzierung der fossilen Energie­ gung beschränkt. Ergeht innerhalb der Frist kein
erzeugung zu schaffen, wird ein nationaler CO2-Min­ Bescheid, gilt der Antrag als genehmigt. Unter Beibe­
destpreis für den Stromsektor eingeführt. Dieser haltung der Umweltstandards wird die Schwelle für
sichert den CO2-Preis im Rahmen des europäischen formale Umweltverträglichkeitsprüfungen bei Wind­
Emissionshandels nach unten ab; er startet im Jahr parks von drei auf sieben Anlagen erhöht. Die maxi­
2025 bei 50 Euro und steigt bis 2030 auf mindestens malen Mindestabstände von Windenergieanlagen zur
65 Euro. Damit wird die Kohleverstromung bis 2030 Wohnbebauung (§ 249 Baugesetzbuch, BauGB) werden
beendet und der Förderbedarf im EEG (Erneuerbare-­ für alle Bundesländer einheitlich auf das Dreifache der
Energien-Gesetz) auf ein Minimum reduziert. Anlagenhöhe (3H) festgesetzt; bei der erneuten
Nutzung vorhandener Standorte (Repowering) auf 2H.
10 Flächen für Windenergie bereitstellen
Für den Ausbau der Windenergie an Land werden in 13 Windenergie auf See voranbringen
allen Ländern durchschnittlich zwei Prozent der Die Raumordnungspläne für die deutsche aus­
Fläche bereitgestellt. Dazu werden die Regelungen zu schließliche Wirtschaftszone (AWZ) und die Fläche­

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IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

nentwicklungspläne für Windenergie auf See werden sene Haushalte gesteigert. Durch den verstärkten
an die neuen, langfristigen Ausbauziele (2030: Einsatz von Großwärmepumpen, Solarthermie,
25 GW, 2035: 40 GW, 2040: 60 GW, 2045: 70 GW) zur Geothermie, industrieller Abwärme und grünem
Erreichung der Klimaneutralität angepasst. Im Falle Wasserstoff wird der Anteil klimafreundlicher
von Flächenkonkurrenzen wird der Windenergie Wärmeerzeugung verdoppelt. Der Ausbau der
Vorrang eingeräumt, da sie eine unverzichtbare Fernwärme und ihre Dekarbonisierung wird mit
Voraussetzung für Klimaneutralität ist. 1,5 Milliarden Euro jährlich gefördert. Aufgrund der
Monopolstellung von Fernwärmenetzbetreibern wird
14 PV-Freiflächenanlagen ausweiten eine Preisregulierung eingeführt.
Über die Standorte für geförderte und nicht geför­
derte PV-Freiflächenanlagen entscheiden in Zukunft 20 Versorgungssicherheit gewährleisten
ausschließlich die Kommunen mit ihren Bebauungs­ Die Versorgungssicherheit wird durch das beste­
plänen; alle Regelungen zur Flächenkulisse im EEG hende Strommarktdesign, die Reserven und das
werden abgeschafft; auch Größenbegrenzungen kontinuierliche Monitoring der Bundesnetzagentur
entfallen. Analog zur Windenergie werden auch für gewährleistet. Alle neuen Gaskraftwerke müssen
Freiflächen-PV-Anlagen Zahlungen an die Standort­ wasserstoffready sein, sodass der Brennstoff
kommunen eingeführt. Die Agrar-PV wird gestärkt. zukünftig von Erdgas auf Wasserstoff umgestellt
werden kann.
15 Prosumer stärken
Die Regeln für Prosumer (zum Beispiel Gebäude mit
PV-Anlage, Wärmepumpe, E-Pkw und Speicher) Industrie
werden radikal vereinfacht. Die Regelungen für den
Netzanschluss werden bundesweit einheitlich 21 Klimaschutzverträge (Carbon Contracts for
gestaltet. Difference) einführen
Zur Finanzierung von klimaneutralen Technologien in
16 PV-Pflicht einführen der Grundstoffindustrie werden Klimaschutzverträge
Für Neubauten und Dachsanierungen wird eine in Form von Carbon Contracts for Difference (CCfD)
Pflicht zur Errichtung von Solaranlagen eingeführt. gesetzlich eingeführt. Diese finanzieren die Diffe­
renzkosten zwischen der klimaneutralen Technologie
17 Netzausbau an Klimaziele anpassen und den am Markt erzielbaren Erlösen. Die Refinan­
Die Planung der Übertragungsnetze wird kurzfristig zierung der Klimaschutzverträge wird durch ein
an die neuen Klimaziele angepasst. geeignetes Instrument dauerhaft sichergestellt.

18 Energierechtliche Klageverfahren 22 Investitionen durch beschleunigte


­beschleunigen ­Abschreibungen fördern
Zur Verfahrensbeschleunigung bei der Anlagener­ Investitionen in Klimaschutz- und Hocheffizienz­
richtung und dem Leitungsbau werden beim Bundes­ technologien in der Industrie werden durch Investiti­
verwaltungsgericht zwei Senate eingerichtet, die sich onszuschüsse und beschleunigte Abschreibungen
ausschließlich mit energierechtlichen Entscheidun­ gefördert.
gen befassen.
23 Netzentgelte reformieren
19 Fernwärme dekarbonisieren Die Stromnetzentgelte werden so reformiert, dass sie
Die Nutzung der Fern- und Nahwärme wird bis 2030 der Industrie Anreize für Großwärmepumpen,
um 50 Prozent auf über acht Millionen angeschlos­ Power-to-Heat und flexibles Lastmanagement geben.

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24 Circular-Economy-Strategie entwickeln Verkehr


Es wird eine Circular-Economy-Strategie (Kreislauf­
wirtschaftsstrategie) entwickelt, die die CO2-inten­ 29 Bestand an Elektro-Pkw erhöhen
sive Primärproduktion von Grundstoffen sowie die Es werden die erforderlichen Instrumente geschaffen,
Abfallverbrennung reduziert und Ressourcen- und um den Bestand an Elektro-Pkw bis 2030 auf
Kohlenstoffkreisläufe schließt. mindestens 14 Millionen zu steigern. Die Kfz-Steuer
wird für neu zugelassene Fahrzeuge so umgestaltet,
25 Produktspezifische Nachhaltigkeits­kriterien dass sie durch ein sichtbares Preissignal beim
einführen Fahrzeugkauf eine deutliche Lenkungswirkung in
Durch die Einführung von produktspezifischen Richtung Elektro-Pkw entfaltet. Zudem werden im
Nachhaltigkeitskriterien sowie Anforderungen an Rahmen der Dienstwagenbesteuerung anfallende
Produktdesign und Recyclingfähigkeit werden das klimaschädliche Subventionswirkungen bei Ver­
Downcycling von Produkten und Treibhausgasemissi­ brennerfahrzeugen beseitigt. Auf europäischer Ebene
onen reduziert. Über eine digitale Kennzeichnung von setzt sich die Bundesregierung für deutlich ambitio­
Materialien und Produkten werden Nachhaltigkeitsei­ niertere CO2-Flottengrenzwerte ein.
genschaften vergleichbar und transparent gemacht.
30 Lkw-Fahrleistung elektrifizieren
26 Leitmärkte für grüne Materialien schaffen Mit dem Ziel, die Lkw-Fahrleistung bis 2030 zu einem
Zur Schaffung von Leitmärkten für grüne Materialien Drittel CO2-frei zu erbringen, wird die Elektrifizierung
und Produkte insbesondere in der Bauindustrie wird von Lkw beschleunigt. Dies wird über Entlastungen
die Beschaffung der öffentlichen Hand konsequent von emissionsfreien Fahrzeugen bei der Lkw-Maut,
auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit ausgerichtet. durch eine Verschärfung der CO2-Flotten­grenzwerte
Quoten für klimaneutrale Materialien und andere der EU sowie durch Innovationskorridore für Lkw der
nachfrageseitige Instrumente können dies ergänzen. Zukunft erreicht. Die Lkw-Maut wird auf alle Straßen
ausgedehnt.
27 CCS-Strategie erarbeiten
Es wird eine Strategie für CO2-Abscheidung und 31 Bedarfsgerechten Ausbau der
Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) Ladeinfrastruktur langfristig sichern
erarbeitet, die in Zusammenarbeit mit anderen Der Masterplan Ladeinfrastruktur wird weiterentwi­
Ländern Europas ab 2030 für die nicht vermeidbaren ckelt. Dieser enthält ein Zielbild für den Ausbau der
Restemissionen (maximal 5 Prozent) einen Ausgleich Ladeinfrastruktur und ein Instrumentenpaket, das
schafft und den Weg für Negativemissionen ebnet, geeignet ist, die Ziele zu erreichen. Zum Zielbild
damit 2045 Klimaneutralität erreicht werden kann. gehört der schrittweise Ausbau von Vehicle-to-Grid,
also der Fähigkeit des bidirektionalen Ladens.
28 Biomasse-Strategie entwickeln
Es wird eine Biomasse-Strategie erarbeitet, die sich 32 Eisenbahnnetz ausbauen
auf eine Analyse des nachhaltigen Biomassepotenzi­ Das Eisenbahnnetz wird mit dem Ziel einer Verdopp­
als in Deutschland stützt, konkurrierende Nutzungs­ lung der Fahrgastzahlen und eines Anteils von
alternativen berücksichtigt und damit auch den 25 Prozent am Güterverkehr ausgebaut. Technologien
Einsatz von Bioenergienutzung mit CCS (BECCS) in zur Digitalisierung, Automatisierung und Elektrifi­
der Industrie regelt. zierung des Schienenverkehrs werden gefördert und
für den Gütertransport werden zusätzliche Be- und
Entlademöglichkeiten in der Fläche geschaffen.

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IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

33 Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) den Gesundheitsschutz, die Sicherheit aller Verkehr­


stärken steilnehmenden und die Unterstützung einer nachhal­
Der öffentliche Personennahverkehr wird gestärkt tigen städtebaulichen Entwicklung ein. Die Hand­
mit dem Ziel, die Fahrgastzahlen bis spätestens 2035 lungsmöglichkeiten der Kommunen werden gestärkt.
zu verdoppeln. Dazu bedarf es einer gemeinsamen Sie erhalten verbesserte Möglichkeiten, den Verkehr
Anstrengung von Bund, Ländern und Kommunen, die nach eigenen Zielvorstellungen zu steuern, den
für den Nahverkehr zuständig sind. Ziele sind eine öffentlichen Raum neu aufzuteilen und den schwä­
Attraktivitätssteigerung vor allem durch schnelle und cheren Verkehrsteilnehmenden Vorrang einzuräumen.
aufeinander abgestimmte Verbindungen sowie der
Umstieg auf Busse und Bahnen mit emissionsfreien 37 Flächendeckende Höchstgeschwindig­keiten
Antrieben. einführen
Die Höchstgeschwindigkeit auf Bundesautobahnen
34 Verkehrsinfrastruktur am Klimaschutz wird auf 130 km/h, innerorts auf 30 km/h festgesetzt.
­ausrichten Kommunen können von dieser Regel abweichend in
Der Bundesverkehrswegeplan wird an die Erforder­ Ausnahmefällen Tempo 50 innerorts anordnen.
nisse eines klimaneutralen Deutschlands im Jahr
2045 angepasst. Die im Dezember 2021 anstehende
Bedarfsplanüberprüfung wird für eine Neuausrich­ Gebäude
tung genutzt. Priorität hat die Substanzerhaltung der
Verkehrsinfrastruktur. Die verfügbaren Haushalts­ 38 Klimaneutralität im Gebäudesektor
mittel werden schwerpunktmäßig für den Ausbau des ­verankern
Schienennetzes eingesetzt. Die Überprüfung des Alle Förderprogramme, das Gebäudeenergierecht und
Bedarfsplans wird 2023 abgeschlossen. Im Jahr 2024 das Immobilienmanagement für bundeseigene
werden die Ausbaugesetze für die verschiedenen Gebäude werden konsequent auf das Ziel der Klima­
Verkehrsträger angepasst. neutralität bis 2045 ausgerichtet. Dies gilt auch für
die Bund-Länder-Verwaltungsvereinbarungen zur
35 Klimaschädliche Privilegien des Städtebauförderung und zum sozialen Wohnungsbau.
Luftverkehrs abschaffen
Finanzielle Privilegien des Luftverkehrs werden 39 Energetische Standards für Neu- und A ­ ltbau
beseitigt. Die Sätze der Luftverkehrsteuer werden auf anheben
das Niveau des Mehrwertsteuersatzes von 19 Prozent Im Gebäudeenergiegesetz (GEG) wird als energetische
angehoben. Im EU-Ministerrat wird sich die Bundes­ Anforderung für Neubauten ab 2024 das Niveau
regierung für eine Besteuerung von Kerosin im „Effizienzhaus 40“ festgeschrieben. Ab diesem Jahr
Rahmen der EU-Energiesteuerrichtlinie einsetzen ist der Einbau von mit fossilen Brennstoffen betrie­
sowie für eine Aufhebung der kostenlosen Zuteilung benen Heizungen nicht mehr zulässig. Für wesentli­
von Zertifikaten für den innereuropäischen Luftver­ che Umbauten von Bestandsgebäuden werden im
kehr im EU-Emissionshandel (EU-ETS). GEG erhöhte energetische Anforderungen festgelegt;
auszutauschende Bauteile sollen dem Zielniveau des
36 Kommunen bei der Mobilitätswende in den „Effizienzhauses 70“ entsprechen. Bei Ein- und
Städten unterstützen Zweifamilienhäusern ist der Einbau von mit fossilen
Mit einem Sofortprogramm werden erste Änderungen Brennstoffen betriebenen Heizungen ebenfalls ab
am Straßenverkehrsrecht vorgenommen. Der Rege­ 2024 nicht mehr zulässig. In Sonderfällen werden
lungszweck des Straßenverkehrsrechts wird erweitert Ausnahmen zugelassen.
und schließt zukünftig den Klima- und Umweltschutz,

15
Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

40 Gebäudeförderung ausweiten und die begrenzten Potenziale von Biomasse und grünem
­weiterentwickeln Wasserstoff sind in die Planungen einzubeziehen.
Für die Förderung von klimaneutralem Neubau und
klimaneutraler Gebäudesanierung werden jährlich 45 Serielle Sanierung fördern
zwölf Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Die Mit einem einmaligen 10-Milliarden-Euro-Förder­
Einhaltung von gesetzlichen Anforderungen ist programm findet die Markteinführung der industriel­
zukünftig ausdrücklich Teil der Förderkulisse. len energetischen Sanierung statt (Energiesprong). Um
dem Handwerkermangel zu begegnen, werden neue
41 Sanierungsfahrpläne zur Pflicht machen Ausbildungsberufe an der Schnittstelle zwischen
Der gebäudeindividuelle Sanierungsfahrplan wird als Gewerk, Planenden und Architektinnen und Archi­
Beratungsinstrument gestärkt. Die Aufstellung von tekten eingeführt und Umschulungen erleichtert.
Sanierungsfahrplänen wird verpflichtend, wenn die
Eigentümerin oder der Eigentümer des Gebäudes 46 Anreize für Wärmepumpen erhöhen
wechselt oder wenn neu vermietet wird. Damit die Wärmepumpen sind eine Schlüsseltechnologie für die
energetisch schlechtesten Bestandsgebäude unter Wärmewende. Förderung und Neuordnung der
den Gewerbeimmobilien zeitnah saniert werden, Abgaben, Umlagen und Entgelte auf Strom machen
wird ein Mindestenergiestandard eingeführt. Diese Einbau und Betrieb einer Wärmepumpe so günstig
Sanierungen werden gesondert gefördert. wie heute eine Öl- oder Gasheizung. Im Neubau und
bei Ein- und Zweifamilienhäusern auch im Gebäude­
42 Mietende vom CO2-Preis entlasten bestand werden sie so zu kostengünstigen und
Die durch die CO2-Bepreisung nach dem Brennstof­ effizienten Standardlösungen, wenn der Einbau von
femissionshandelsgesetz (BEHG) veranlassten Kosten neuen, fossil betriebenen Heizungssystemen ab 2024
dürfen ab 2023 nicht mehr auf Mieterinnen und nur noch in Ausnahmefällen zulässig sein wird.
Mieter umgelegt werden, damit Vermietende einen
Anreiz zur energetischen Sanierung und Umstellung
auf CO2-freie Heizsysteme haben. Es werden gesetz­ Landwirtschaft
liche Voraussetzungen für eine schrittweise Auswei­
tung von Warmmieten für neue und bestehende 47 Nährstoffbilanzierung einführen
Mietverhältnisse geschaffen, um diesen Anreiz Auf einzelbetrieblicher Ebene wird eine Nährstoffbi­
weiter zu stärken. lanzierung eingeführt, um Bilanzüberschüsse zu
begrenzen. Zur Unterstützung wird mineralischer
43 Modernisierungsumlage absenken Stickstoff zukünftig besteuert.
Die Modernisierungsumlage bei energetischer
Sanierung wird auf 1,5 Prozent abgesenkt. Fördermit­ 48 Umsatzsteuer auf tierische Produkte
tel müssen zukünftig nicht mehr von den umlagefä­ ­anheben
higen Kosten abgezogen werden und verbleiben so Die Privilegierung tierischer Produkte bei der
beim Gebäudeeigentümer (Drittelmodell). Umsatzsteuer wird beendet. Für tierische Produkte
ist zukünftig der Regelsatz von 19 Prozent zu zahlen.
44 Kommunale Wärmeplanung verbindlich­ Die Mehreinnahmen werden zugunsten einer
­einführen klimaschonenden Landwirtschaft verwendet.
Dem Beispiel von Baden-Württemberg folgend
werden alle Länder verpflichtet, für alle größeren
Kommunen eine verbindliche kommunale Wärme­
planung einzuführen; saisonale Wärmespeicher und

16
IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

49 Zukunftsperspektive für die N ­ utztierhaltung


erarbeiten
Gemeinsam mit Tierhaltenden, Handel und Verbrau­
cherverbänden wird eine langfristig tragfähige
Perspektive für die Nutztierhaltung entwickelt.
Zukünftig soll gelten: weniger Tiere, mehr Tierwohl,
stabile Einkommen, gute Ernährung.

50 Moorschutzstrategie entwickeln
Da landwirtschaftlich genutzte Moore für einen
Großteil der Treibhausgasemissionen der Landwirt­
schaft verantwortlich sind, wird eine Moorschutz­
strategie entwickelt. Diese verfolgt das Ziel der
weitgehenden Wiedervernässung bis 2045 und der
klimaschonenden, wirtschaftlichen Nutzung der
wiedervernässten Moore.

17
Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

18
IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

3 Begründung

1 Bundes-Klimaschutzgesetz Nachsteuerungsmechanismus eingeführt: Erreichen


wirksamer gestalten Gebäude und Verkehr gemeinsam ihre Sektorziele
nicht, erhöht sich automatisch der CO2-Mindestpreis
Im Bundes-Klimaschutzgesetz wird ein automati­ im Brennstoffemissionshandelsgesetz (vgl. Ziffer 2)
scher Nachsteuerungsmechanismus (Erhöhung des zu Beginn des darauffolgenden Jahres um 15 Euro.
CO2-Preises oder vergleichbar wirksame Maßnah­ Gleiches gilt für den CO2-Mindestpreis im Strom­
men) im Falle einer Verfehlung der Sektorziele sektor bei einer Verfehlung des Energiewirtschaft-­
eingeführt, um entsprechend dem Urteil des Bundes­ Sektorziels. Die Bundesregierung kann diesen
verfassungsgerichts die Erreichung der Klimaziele Automatismus außer Kraft setzen, indem sie dem
nicht auf spätere Generationen zu verschieben. Für Bundestag andere wirksame Maßnahmen zur
die öffentliche Verwaltung wird ein CO2-Schatten­ Schließung der Klimalücke vorlegt.
preis in Höhe der CO2-Schadenskosten von 195 Euro
pro Tonne CO2 eingeführt, der bei allen staatlichen Für die öffentliche Hand wird zudem ein CO2-Schat­
Planungen und Wirtschaftlichkeitsberechnungen tenpreis in Höhe der CO2-Schadenskosten von
angewendet wird. 195 Euro pro Tonne festgelegt. Dieser Preis wird bei
allen Wirtschaftlichkeitsberechnungen angewandt,
Hintergrund: etwa bei der öffentlichen Beschaffung oder der
Die Novelle des Klimaschutzgesetzes infolge des Quantifizierung der Klimawirkungen geplanter
Urteils des Bundesverfassungsgerichts sieht eine Investitionen.
Minderung der Treibhausgasemissionen um mindes­
tens 65 Prozent bis 2030 und Klimaneutralität im Begründung:
Jahr 2045 vor. Es fehlen jedoch jährliche Sektorziele Unsere Studie Klimaneutrales Deutschland 2045 hat
für die Energiewirtschaft bis 2030 und ein wirksa­ ein in sich konsistentes Szenario für die Erreichung
mer Nachsteuerungsmechanismus, falls die jährli­ des Zwischenziels von mindestens minus 65 Prozent
chen Ziele nicht erreicht werden. Die Vorgabe des bis 2030 aufgezeigt, aus dem die jährlichen Sektor­
Bundesverfassungsgerichts, die Emissionsminde­ ziele auch für die Energiewirtschaft bis 2030 ent­
rungslasten nicht über Gebühr auf die jüngere nommen werden können.
Generation zu verschieben, ist dadurch gefährdet.
Der Vorschlag stützt sich unter anderem auf:
Die gegenwärtigen CO2-Preise sind noch weit davon
entfernt, die tatsächlich verursachten Kosten wider­ Agora Energiewende (2021): Sechs Eckpunkte für
zuspiegeln. Viele Unternehmen sind daher schon dazu eine Reform des Klimaschutzgesetzes
übergegangen, in ihren internen Wirtschaftlichkeits­
berechnungen mit CO2-Schattenpreisen zu arbeiten. Prognos/Öko-Institut/Wuppertal Institut (2021):
Das Umweltbundesamt (UBA) hat Schadens­kosten in Klimaneutrales Deutschland 2045. Studie im Auftrag
Höhe von 195 Euro pro Tonne CO2 ermittelt. von Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende
und Agora Verkehrswende
Regelungsvorschlag:
Im Klimaschutzgesetz werden für den Zeitraum bis
2030 auch für den Sektor Energiewirtschaft jährliche
Sektorziele formuliert. Zudem wird ein automatischer

19
Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

2  teuern, Abgaben, Umlagen und


S für eine CO2-Bepreisung im Bereich der Energiewirt­
CO2-Bepreisung reformieren schaft und weiter Teile der Industrie. Für die Jahre
2021 bis 2025 gilt im BEHG ein Festpreis, der Anfang
Das bisherige System der Steuern, Abgaben, Umlagen 2022 auf 30 Euro und bis 2025 auf 55 Euro je Tonne
und CO2-Bepreisung wird grundlegend reformiert, ansteigt. Ab 2026 können die Zertifikate gehandelt
sodass es marktwirtschaftliche Anreize zum Umstieg werden, der Preis bildet sich dann in einem Preiskor­
auf klimafreundliche Technologien bietet. Die ridor zwischen 55 Euro und 65 Euro, ab 2027 soll über
EEG-­Umlage wird schnellstmöglich, frühestens zum einen freien Handel entschieden werden. Die Ein­
1. Januar 2023 und spätestens zum 1. Januar 2025 nahmen fließen in den Energie- und Klimafonds und
abgeschafft, die EEG-Kosten werden vollständig aus sorgen derzeit dafür, die EEG-Umlage zu stabilisieren
dem Energie- und Klimafonds finanziert. Zur Gegen­ beziehungsweise moderat zu senken; ab 2024 tragen
finanzierung dienen die Einnahmen aus dem sie außerdem zur Gegenfinanzierung der höheren
EU-Emissionshandel und dem nationalen Brennstof­ Entfernungspauschale bei.
femissionshandelssystem. Die CO2-Festpreise im
Brennstoffemissionshandelsgesetz werden hierzu Die Bepreisung von CO2 ist ein wichtiges Instrument,
zum 1. Januar 2023 auf 60 Euro angehoben, der um die nationalen und internationalen Klimaziele zu
Handel mit Preiskorridor wird auf 2024 vorgezogen erreichen. Die aktuelle Höhe im BEHG ist allerdings
und auf 60 bis 80 Euro festgelegt. Ab dem Jahr 2025 unzureichend, um die erforderliche Anreizwirkung
wird ein Mindestpreis von 80 Euro festgelegt; zur zu entfalten. Daher muss das Preisniveau zügig
Vermeidung sozialer Verwerfungen beträgt der angehoben werden.
Maximalpreis 100 Euro und steigt in den Folgejahren
um 10 Euro pro Jahr. Regelungsvorschlag:
Die EEG-Umlage wird schnellstmöglich, frühestens
Hintergrund: zum 1. Januar 2023 und spätestens zum 1. Januar
Die Umlagefinanzierung des EEG hat mehr als zwei 2025, abgeschafft, die EEG-Kosten werden vollstän­
Jahrzehnte lang einen stabilen Rahmen für den dig aus dem Energie- und Klimafonds finanziert.
Ausbau der Erneuerbaren Energien garantiert. Auf
dem Weg zur Klimaneutralität wird eine weitgehende Mit einer Novelle des BEHG wird der CO2-Preis
Elektrifizierung der anderen volkswirtschaftlichen schrittweise erhöht. Die Größenordnung orientiert
Sektoren unabdingbar. Die EEG-Umlage steht dieser sich an der klimapolitisch notwendigen Anreizwir­
Entwicklung im Wege, weil sie den Einsatz von Strom kung, berücksichtigt aber auch soziale Aspekte und
verteuert. Daher bedarf es einer grundlegenden eine zielgerichtete Verwendung der Einnahmen.
Reform des Systems der Steuern, Abgaben, Umlagen Konkret heißt dies:
und CO2-Bepreisung. Die Nutzung von Strom muss
preisgünstiger, die Nutzung fossiler Energien teurer Die CO2-Festpreise im Brennstoffemissionshandels­
werden. Das EEG sollte daher zukünftig aus dem gesetz werden zum 1. Januar 2023 auf 60 Euro
Bundeshaushalt (Energie- und Klimafonds, EKF) angehoben, der Handel mit Preiskorridor wird auf
finanziert werden. 2024 vorgezogen und auf 60 bis 80 Euro festgelegt.
Ab dem Jahr 2025 wird ein Mindestpreis von 80 Euro
Mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) festgelegt; zur Vermeidung sozialer Verwerfungen
wurde in Deutschland zum 1. Januar 2021 ein CO2- beträgt der Maximalpreis 100 Euro und steigt in den
Preis in Höhe von 25 Euro pro Tonne auch für die Folgejahren um 10 Euro pro Jahr.
Bereiche Verkehr und Wärme eingeführt. Das
EU-Emissionshandelssystem sorgt bereits seit 2005

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IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Um etwaige Mehrbelastungen der unteren Einkom­ Verkehr und Wärme oder der Etablierung eines
mensschichten zu verhindern, wird das Klimawohn­ separaten Handelssystems für diese Sektoren. Ein
geld entsprechend dem steigenden CO2-Preis erhöht. solches System, wenn es denn von der Kommission
Zudem wird ein gesonderter Transformationsfonds vorgeschlagen wird, würde vermutlich frühestens
für Haushalte mit niedrigen Einkommen eingerich­ 2025 an den Start gehen können. Zumindest bis zu
tet, der diesen den Umstieg auf Wärmepumpen und diesem Zeitpunkt werden daher weiterhin nationale
Elektromobilität anhand erhöhter Fördersätze Maßnahmen und damit eine Weiterentwicklung des
ermöglicht. BEHG erforderlich sein.

Begründung: Der Vorschlag stützt sich auf:


Mit der Reform wird Strom preisgünstiger und fossile
Energien werden verteuert. Die Marktkräfte wirken Agora Energiewende (2018): Eine Neuordnung der
in die richtige Richtung. Abgaben und Umlagen auf Strom, Wärme, Verkehr.
Optionen für eine aufkommensneutrale CO2-Beprei-
Von der Senkung der EEG-Umlage profitiert jede sung von Energieerzeugung und Energieverbrauch
Bürgerin und jeder Bürger. Sie ist zudem sozial
progressiv, das heißt, untere Einkommensgruppen Agora Verkehrswende/Agora Energiewende (2019):
profitieren mehr als höhere Einkommensgruppen. Klimaschutz auf Kurs bringen: Wie eine CO2-­
Zugleich wird die Anwendung strombasierter Techno­ Bepreisung sozial ausgewogen wirkt
logien in Verkehr, Gebäuden und Industrie wirtschaft­
lich attraktiver. Die zunehmende Anwendung dieser Matthes, Felix Chr./Schumacher, Katja et al. (2021):
Technologien ist unverzichtbar für das Erreichen des CO2-Bepreisung und die Reform der Steuern und Umla-
Klimaneutralitätsziels. Ein steigender CO2-Preis sorgt gen auf Strom: Die Umfinanzierung der Umlage des
dafür, dass der Staat nicht länger mit knappen Steuer­ Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Studie des Öko-­
geldern gegen verzerrte Marktkräfte „anfördern“ muss. Instituts im Auftrag der Stiftung Klimaneutralität
Mit dem Klimawohngeld und dem Transformations­
fonds werden besondere soziale Belastungen kompen­
siert; die Förderung von klimafreundlichen Ersatz­ 3 Fehlinvestitionen vermeiden
beschaffungen sorgt dafür, dass diese Haushalte vom
günstigen Strompreis profitieren. Mit dem Ziel, Fehlinvestitionen und Entschädigungs­
ansprüche von Privaten gegen die Gemeinschaft der
Der höhere CO2-Preis verstärkt die klimapolitisch Steuerzahlenden zu vermeiden, wird die Verwendung
gewollte Anreizwirkung und setzt ein klares Signal von fossilen Energieträgern in allen Bereichen der
für Investitionen in klimaneutrale Technologien Volkswirtschaft auf den Zeitraum bis zum 1. Januar
sowie für klimaschonendes Konsumverhalten. Die 2045 gesetzlich beschränkt. Ein entsprechendes
frühzeitige Beschlussfassung schafft Klarheit und Gesetz wird 2022 verabschiedet, um allen Beteiligten
Planungssicherheit für die Wirtschaft. 22 Jahre Zeit für Anpassungen zu geben.

Beachtet werden muss die Weiterentwicklung von Hintergrund:


Maßnahmen im Rahmen des europäischen Green In Deutschland basieren 80 Prozent des Primären­
Deals. Die EU-Kommission erarbeitet derzeit ein ergieverbrauchs nach wie vor auf den fossilen Ener­
Maßnahmenpaket mit dem Titel Fit für 55. Diskutiert gieträgern Erdöl, Kohle und Erdgas. Das Ziel der
wird eine Weiterentwicklung des EU-ETS mit einer Klimaneutralität bis 2045 beinhaltet, dass Deutschland
möglichen Einbeziehung weiterer Sektoren wie in diesem Zeitraum die Nutzung fossiler Energie­träger

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Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

beenden muss. Da viele Anlagen Abschreibungszeit­ chen mit langlebigen Investitionsgütern, um Fehlin­
räume von 20 Jahren oder mehr haben, muss unver­ vestitionen auf dem Weg hin zu einer klimaneutralen
züglich ein Enddatum für den Einsatz fossiler Energie­ Wirtschaft zu vermeiden. Eine gesetzliche Festschrei­
träger rechtlich verankert werden, um rechtzeitig bung sollte noch im Jahr 2022 erfolgen, denn aus
Fehlinvestitionen und Entschädigungsansprüche von ökonomischer und juristischer Perspektive ist es
Unternehmen und Privatpersonen gegenüber dem entscheidend, dass der Übergangszeitraum zwischen
Staat zu vermeiden. Dies betrifft vor allem den Einsatz dem Zeitpunkt der gesetzlichen Festlegung des Ziels
fossiler Energieträger in der Stromerzeugung, in einerseits und dem Zeitpunkt der Zielerreichung
Industrieanlagen, im Verkehr und in Heizungsanlagen. andererseits möglichst groß ist. Dadurch wird Unter­
nehmen und Bürgerinnen und Bürgern ausreichend
Regelungsvorschlag: Zeit für eine Umstellung gegeben. Eine gesetzliche
Der Einsatz fossiler Brennstoffe zur Stromerzeugung Befristung des Einsatzes fossiler Energieträger schafft
und in Industrieanlagen ist ab dem 1. Januar 2045 Planungssicherheit und Rechtssicherheit für die
nicht mehr zulässig. Eine Ausnahme bildet der betroffenen Unternehmen, damit sie ihre Investitio­
Einsatz von CCS/CCU (Carbon Capture and Storage, nen rechtzeitig in klimaneutrale Technologien lenken.
Carbon Capture and Utilization), sofern seitens der
Betreiber gewährleistet ist, dass die bei der Nutzung Der Vorschlag stützt sich auf:
frei werdenden Treibhausgase komplett abgeschieden
und dauerhaft eingelagert werden. Auch der Einsatz Becker Büttner Held (2021): Fehlinvestitionen
fossiler Brennstoffe im Verkehr und in Heizungsan­ vermeiden – Eine Untersuchung zu den rechtlichen
lagen ist ab dem 1. Januar 2045 nicht mehr zulässig. Möglichkeiten und Grenzen zur Defossilisierung der
deutschen Volkswirtschaft bis 2045. Rechtsgutachten
In Gasnetzen darf ab dem 1. Januar 2045 kein Erdgas im Auftrag der Stiftung Klimaneutralität
mehr transportiert werden. Die Abschreibungszeit­
räume im Rahmen der Gasnetzregulierung sind
entsprechend anzupassen. Eine Ausnahme besteht 4  arkthochlauf von Wasserstoff
M
für die Belieferung von Anlagen, bei denen die bei der beschleunigen
Nutzung mit Erdgas frei werdenden Treibhausgase
vollständig abgeschieden und dauerhaft eingelagert Die Wasserstoffstrategie wird 2022 fortgeschrieben.
werden. Ziel ist ein schneller Markthochlauf. Erste Priorität hat
die einheimische Erzeugung auf Basis von Erneuerba­
Die vorgenannten Fristen werden in den relevanten ren Energien, zweite Priorität kommt dem Import aus
Gesetzen verankert. dem benachbarten europäischen Ausland zu. Dazu
bedarf es der schnellen Realisierung von Wasserstoff­
Begründung: pipelines (Startnetz) und Speicherkapazitäten sowie
Klimaneutralität bedeutet, dass Deutschland bis 2045 eines robusten Zertifizierungssystems. Bei der
die Nutzung fossiler Energieträger Kohle, Erdgas und Fortschreibung wird berücksichtigt, dass Wasserstoff
Erdöl komplett beenden muss. Fehlinvestitionen in auf absehbare Zeit nur in begrenzten Mengen verfüg­
fossil betriebene Anlagen, die über mehrere Jahr­ bar und deutlich teurer als fossile Energieträger sein
zehnte laufen und zu einem teuren Lock-in führen wird. Staatliche Mittel werden daher für einen
könnten, sind daher zu vermeiden. schnellen Markthochlauf in der Stahl- und Chemiein­
dustrie, bei Hochtemperaturprozessen und in Gas­
Es bedarf eines eindeutigen und langfristig angelegten kraftwerken als Ersatz für Erdgas eingesetzt.
ordnungsrechtlichen Rahmens gerade in den Berei­

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IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Hintergrund: 3. Umgestaltung des Kraft-Wärme-Kopplungs­


Für Klimaneutralität ist Wasserstoff eine Schlüssel­ gesetzes (KWKG) in ein Markthochlaufinstrument
technologie. Aus Kosten- und Effizienzgründen sollte für Wasserstoff in KWK-Anlagen
er primär dort eingesetzt werden, wo eine direkte 4. Einführung einer PtL-Quote (PtL – Power-to-­
Stromnutzung technisch nicht möglich ist. Er kommt Liquid) im Luftverkehr
zum Einsatz bei Produktionsprozessen der Stahl- und
Chemieindustrie, bei der Strom- und Fernwärmeer­ Begründung:
zeugung, wenn Erneuerbare Energien den Bedarf Um der Industrie die Transformation in Richtung
nicht decken können oder im Schiffs-, Luft- und Klimaneutralität zu ermöglichen, werden schnell
Schwerlastverkehr über weite Strecken. Im Jahr 2030 große Mengen an Wasserstoff benötigt. Bei der
werden hierfür circa 60 TWh Wasserstoff benötigt. Eisen- und Stahlproduktion geht es jetzt darum,
Bis 2030 sind 10 GW Elektrolyseure sowie verlässli­ Reinvestitionen von der emissionsintensiven, auf
che Importinfrastrukturen zu errichten und interna­ Kohlekoks basierenden Hochofenroute hin zu wasser­
tionale H2-Lieferungen anzureizen. stoffbetriebenen Direktreduktionsanlagen (DRI-­
Anlagen) zu lenken. In der Grundstoffindustrie stehen
Regelungsvorschlag: in den kommenden zehn Jahren etwa die Hälfte aller
Eine Wasserstoffstrategie 2.0 setzt auf die beste­ Industrieanlagen zur Reinvestition an. Hier gilt es, auf
hende Wasserstoffstrategie der Bundesregierung auf, fossilen Energieträgern basierende Produktionspro­
sie ergänzt und fokussiert die dort aufgeführten zesse wie die Dampferzeugung auf Erneuerbare
Maßnahmen. Energien und Wasserstoff umzustellen.

Eckpunkte bei der Erzeugung sind: Erneuerbarer Wasserstoff kostet in der Herstellung
gegenwärtig jedoch zwei- bis dreimal so viel wie
1. Erhöhung des Elektrolyseziels auf 10 GW im Jahr fossil erzeugter Wasserstoff. Die Erhöhung des
2030, verbunden mit Förderprogrammen (Investi­ CO2-Preises im BEHG und eine Reform der Abgaben
tionszuschüsse Elektrolyseure, Programm Onsite-­ und Umlagen auf Strom sind wichtige Hebel, um diese
Erzeugung) Kostendifferenz ein Stück weit zu senken. Insbeson­
2. Aufbau eines Wasserstoff-Startnetzes zur Schwer­ dere in der Markthochlaufphase werden zudem
punktbelieferung von Industriezentren Förderinstrumente benötigt, um die Kostendifferenz
3. Einrichtung eines Forums der Wasserstoffnach­ von Erdgas und erneuerbar erzeugtem Wasserstoff zu
barn als Koordinationsformat zu Fragestellungen senken. In der Eisen- und Stahlproduktion, der
bezüglich Aufkommen (insbes. Nordsee) und Grundstoffchemie sowie der Strom- beziehungs­
Infrastruktur weise Fernwärmeerzeugung müssen auch nachfra­
4. Sektorspezifische Lieferverträge zur Förderung geseitig Förderinstrumente zum Einsatz kommen,
von heimischem und importiertem Wasserstoff im damit Wasserstoff fossile Energieträger verdrängt.
Wettbewerb
Die Förderung von Wasserstoff wird auf die Bereiche
Eckpunkte bei der Nachfrage sind: Stahl- und Chemieindustrie, Strom- und Fernwärme­
erzeugung sowie Schiffs-, Luft- und Schwerlastver­
1. Aufbau eines robusten Zertifizierungssystems kehr über weite Strecken fokussiert. In anderen
2. Einsatz von Wasserstoff in der Stahl- und Chemie­ Bereichen wie im Heizungsbereich oder im Pkw-Ver­
produktion durch Klimaschutzverträge (Carbon kehr gibt es deutlich effizientere Alternativen zum
Contracts for Difference) Einsatz von Wasserstoff. Der Einsatz von syntheti­
schem Methan im Gasbrennwertkessel erfordert etwa

23
Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

die sechsfache Menge an erneuerbarem Strom gegen­ werden. Die durch die Schuldenbremse vorgesehene
über einer Elektrowärmepumpe. Um ein mit syntheti­ Rückzahlung der zur Begrenzung der Corona-Pande­
schen Kraftstoffen betriebenes Verbrennungsfahrzeug mie neu aufgenommenen Staatsschulden sowie
zu betreiben, benötigt man etwa die fünffache Menge staatliche Investitionsbedarfe in andere Zukunftsfel­
an EE-Strom, der für den Einsatz im einem E-Pkw der (zum Beispiel Digitalisierung) dürfen unter keinen
erforderlich ist. Knappe staatliche Ressourcen sollten Umständen den Klimaschutz bremsen.
daher dorthin fließen, wo Wasserstoff alternativlos ist.
Ein wichtiger Schritt zur Einkommenssicherung in
Der Vorschlag stützt sich auf: diesem Zusammenhang ist der überfällige Abbau
klimaschädlicher Subventionen, der zudem Impulse
Agora Energiewende/AFRY Management Consulting für eine beschleunigte Klimaneutralität gibt. Soll die
(2021): No-regret hydrogen: Charting early steps for Transformation daneben nicht über neue oder
H₂ infrastructure in Europe höhere Steuern finanziert werden, muss weiterer
Spielraum durch eine Reform der Schuldenregeln
Guidehouse (2021, i. E.): A regulatory architecture for und/oder die Bildung von Investitionshaushalten
hydrogen. Study on behalf of Agora Energiewende geschaffen werden.

Matthes, Felix Chr./Braungardt, Sibylle et al. (2021): Regelungsvorschlag:


Die Wasserstoffstrategie 2.0 für Deutschland. Unter­ Die Bundesregierung legt ein umfassendes Konzept
suchung des Öko-Instituts im Auftrag der Stiftung vor, das ausreichend Mittel für staatliche Investitio­
Klimaneutralität nen zur Transformation der deutschen Wirtschaft
und Klimaneutralität bis 2045 vorsieht und auf einer
unabhängigen Quantifizierung des gesamtwirt­
5  ffentliche Investitionen in
Ö schaftlichen Investitionsbedarfs fußt. Hierzu wird
den Klimaschutz erhöhen und auch die Möglichkeit rechtlich eigenständiger
­umweltschädliche Subventionen Investitionshaushalte genutzt. Zur Umsetzung
notwendige Änderungen der deutschen Fiskalrege­
­abbauen
lungen werden schnellstmöglich durchgeführt.
Der finanzpolitische Rahmen wird so fortentwickelt,
dass Klimaschutzinvestitionen im notwendigen Klimaschädliche Subventionen werden schrittweise
Umfang getätigt werden können. Die Mittel für abgeschafft:
öffentliche Investitionen in den Klimaschutz werden
in den nächsten Jahren deutlich erhöht. Umwelt­ → Die Entfernungspauschale wird zunächst reduziert
schädliche Subventionen werden schrittweise und dann in einen je Entfernungskilometer
abgebaut und die frei werdenden Mittel für die einheitlichen Entlastungsbetrag von der Einkom­
ökologische Modernisierung verwendet. mensteuerschuld umgewandelt („Mobilitätsgeld“).
→ Die Besteuerung von privat genutzten Dienst- und
Hintergrund: Firmenwagen wird ökologisch reformiert (siehe
Die Transformation der deutschen Wirtschaft Ziffer 29).
erfordert jährliche öffentliche Investitionen im → Die Energiesteuervergünstigung für Diesel (Diesel­
mittleren zweistelligen Milliardenbereich, die in der privileg) wird innerhalb der Legislaturperiode
Finanzplanung momentan nicht hinreichend berück­ stufenweise abgebaut.
sichtigt sind. Um die Transformation zu beschleuni­ → Die Energiesteuerbefreiung von Kerosin wird im
gen, müssen fiskalische Spielräume ausgeweitet europäischen Kontext in der EU-Energiesteuer­

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IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

richtlinie abgeschafft. Die Bundesregierung wird zu 100 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr zu
sich im Rahmen der aktuellen Reform dafür reduzieren. Durch den Abbau der genannten Subven­
einsetzen. (siehe Ziffer 35) tionen werden zusätzliche Mittel für die ökologische
→ Die Mehrwertsteuerbefreiung für grenzüber­ Transformation frei.
schreitende Flüge wird durch eine entsprechende
Erhöhung der Luftverkehrsteuer kompensiert Der Vorschlag stützt sich unter anderem auf:
(siehe Ziffer 35).
→ Klimaschädliche Agrarsubventionen (zum Beispiel Agora Verkehrswende und Agora Energiewende
reduzierter Steuersatz auf tierische Produkte und (2019): Klimaschutz auf Kurs bringen: Wie eine
Steuerbegünstigung von Agrardiesel) werden CO2-Bepreisung sozial ausgewogen wirkt
abgeschafft (siehe Ziffer 48).
Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e. V.
(2020): Zehn klimaschädliche Subventionen im Fokus.
Begründung: Wie ein Subventionsabbau den Klimaschutz voran-
Im Zuge der Corona-Pandemie sind die Staatsschul­ bringt und den Bundeshaushalt entlastet
den kurzfristig stark gestiegen. Dies ist bei momentan
negativen Zinsen auf Bundeswertpapiere und relativ Global Climate Forum (2021, i. E.): Wie finanziert man
niedriger Zinslast grundsätzlich kein Problem, jedoch die notwendigen Klima-Investitionen? Die Rolle der
drohen die Tilgungsverpflichtungen dieser Schulden außerbilanziellen Finanzierung in der deutschen
im Rahmen der Schuldenbremse finanzielle Spiel­ Klimapolitik. Studie im Auftrag von Agora Energie­
räume für notwendige Investitionen schon ab 2023 wende
stark zu beschneiden.

Zentrales Anliegen der nächsten Bundesregierung 6  ffentliche Finanzen nachhaltig


Ö
muss es sein, schnellstmöglich ein Finanzierungs­ ­gestalten
konzept vorzulegen, das die Transformation der
deutschen Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität Öffentliche Finanzierungs- und Investitionsentschei­
ermöglicht. Eine Option in diesem Zusammenhang ist dungen werden an der EU-Taxonomie für nachhaltige
die Aufstellung rechtlich eigenständiger Investiti­ Finanzen ausgerichtet. Die Außenwirtschaftsförde­
onshaushalte, über die öffentliche Mittel für Klima­ rung wird so fortentwickelt, dass sie mit dem Ziel
schutzinvestitionen bereitgestellt werden. Auch eine einer globalen Klimaneutralität im Einklang steht.
grundsätzliche Reform der nationalen Schuldenregeln
ist denkbar. Die Argumentation, dass zusätzliche UND
Schulden nicht mit dem Prinzip der Generationenge­
rechtigkeit vereinbar seien, trägt nicht, da unterlas­
sener Klimaschutz – verglichen mit Schuldrückzah­ 7 Nachhaltigkeitsberichtspflichten
lungsverpflichtungen – eine wesentlich größere ­ausweiten
Belastung für zukünftige Generationen darstellt.
Große Unternehmen und Finanzmarktakteure
Klimaschädliche Subventionen konterkarieren werden im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichts­
Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele. pflichten verpflichtet, über Klimarisiken und
Heute subventioniert Deutschland klimaschädliche Risiken aus einem CO2-intensiven Geschäftsmodell
Aktivitäten mit mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr. entsprechend dem Rahmenwerk der Task Force on
Ihr Abbau trägt dazu bei, Emissionen in Höhe von bis Climate Related Financial Disclosure zu berichten.

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Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Hierfür sind Szenarien mit CO2-Schadenskosten in Der Aktionsplan stützt sich auf die Empfehlungen des
Höhe von 195 Euro pro Tonne zu erstellen. Sustainable-Finance-Beirats.

Hintergrund: Die auf europäischer Ebene kontinuierlich weiterzu­


Dem Finanzsektor kommt bei der Befähigung und entwickelnde EU-Taxonomie wird als Screening-­
Beschleunigung des Übergangs hin zur Klimaneutra­ Instrument (Mindeststandard) für öffentliche Inves­
lität eine entscheidende Rolle zu: Bisher werden titions- und Förderprogramme angewendet. Eine
Klimarisiken bei Investitions- und Finanzierungs­ Erweiterung der Taxonomie auf die Anforderungen
entscheidungen privater und staatlicher Akteurinnen der gesamtwirtschaftlichen Transformation wird in
und Akteure kaum berücksichtigt. Dadurch werden Deutschland schnellstmöglich entwickelt und in die
Mittel fehlgeleitet, mittelfristig drohen Investitions­ europäische Diskussion eingebracht. Es wird eine
ruinen in Milliardenhöhe. Klimaberichtspflicht für öffentliche Ausgaben
aufbauend auf der EU-Taxonomie eingeführt.
Auf europäischer Ebene nimmt der Aufbau einer Sämtliche Aktivitäten von öffentlich-rechtlichen
nachhaltigen Finanzwirtschaft langsam Fahrt auf. Ein Finanzinstituten wie der Kreditanstalt für Wieder­
zentrales Instrument ist die Mitte 2020 beschlossene aufbau (KfW) werden an den Pariser Klimazielen
EU-Taxonomie für nachhaltige Finanzen. Die im sowie den Sustainable Development Goals (SDGs)
April 2021 vorgelegte Verordnung für die klimabezo­ ausgerichtet; das Mandat der KfW als „Transformati­
genen Aspekte der Taxonomie ist jedoch noch nicht onsbank“ wird entsprechend angepasst. Die Anlage­
für alle Sektoren mit den Pariser Klimazielen verein­ politik der Sondervermögen des Bundes sowie die
bar. Gemeinsam mit der Taxonomie-Verordnung hat Außenwirtschaftsförderung werden mit den Pariser
die EU-Kommission einen Revisionsvorschlag der Klimazielen in Übereinstimmung gebracht.
Richtlinie über die nicht finanzielle Berichterstattung
veröffentlicht. Nachhaltigkeitsberichtspflichten von Die Nachhaltigkeitsberichtspflichten von Unterneh­
Unternehmen sollen erheblich ausgeweitet und men werden ausgeweitet. Der Geltungsbereich wird
prüfungspflichtig gemacht werden. auf alle Unternehmen mit relevantem Risiko- und
Auswirkungsbezug ausgeweitet. Eine zukunftsorien­
Auch in Deutschland soll der Umbau des Finanzsek­ tierte Klimaberichtspflicht entlang der Empfehlungen
tors beschleunigt werden: Der von der Bundesregie­ der Task Force on Climate-related Financial Disclosu-
rung ins Leben gerufene Sustainable-Finance-Beirat res (TCFD) wird ab dem Berichtsjahr 2022 eingeführt.
hat in einem im Februar 2021 vorgelegten Abschluss­ Nachhaltigkeitsberichtspflichten werden prüfungs­
bericht weitreichende Maßnahmen vorgeschlagen, pflichtig und in den geplanten European Single Access
um den deutschen Finanzsektor mit den Pariser Point (ESAP) integriert. Um Transformationsrisiken
Klima- und anderen Nachhaltigkeitszielen in Ein­ und -chancen vergleichbar machen zu können,
klang zu bringen. Nur einige der Empfehlungen werden Unternehmen mit relevantem Risiko- und
finden sich jedoch in der im Mai 2021 vorgelegten Auswirkungsbezug sowie große Finanzmarktakteure
Sustainable-Finance-Strategie des Bundesfinanzmi­ verpflichtet, bei Stresstests einen CO2-Schattenpreis
nisteriums wieder. von 195 Euro anzuwenden.

Regelungsvorschlag: Begründung:
Die Bundesregierung legt schnellstmöglich einen Die öffentliche Hand hat in ihrem Investitions- und
ambitionierten Aktionsplan für die Stärkung nach­ Anlageverhalten eine Vorreiter- und Signalfunktion.
haltiger Finanzaktivitäten in Deutschland vor. Entsprechend müssen Vorsorge- und Sondervermö­
gen umgeschichtet werden und dürfen Steuermittel

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IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

keine Investitionen im In- und Ausland subventio­ Hintergrund:


nieren, die nicht mit den Zielen des Pariser Abkom­ Ausreichende Strommengen aus Erneuerbaren
mens im Einklang stehen. Energien sind eine unverzichtbare Voraussetzung für
Klimaneutralität. Über die traditionelle Stromanwen­
Die EU-Taxonomie-Verordnung ist ein wichtiger dung hinaus erfordert die Umstellung der Sektoren
Schritt, der jedoch in der jetzigen Form noch nicht mit Industrie, Gebäude und Verkehr große Mengen
den Pariser Klimazielen vereinbar ist. Die zugrunde erneuerbaren Stroms.
liegenden Schwellenwerte für emissionsintensive
Transformationssektoren stehen nicht überall mit Bis 2030 sind 80 GW Onshore-Windenergie, 25 GW
dem Ziel einer klimaneutralen EU im Jahr 2050 im Offshore-Windenergie und 150 GW PV erforderlich,
Einklang. Auch werden mit dem ersten delegierten die insgesamt 435 TWh Strom erzeugen. Die derzeit
Rechtsakt nur circa 80 Prozent der Emissionen in im EEG hinterlegten Ausbauziele von 100 GW PV und
Europa erfasst. Ziel muss sein, dass die EU-Taxono­ 71 GW Onshore-Windenergie und das im Windener­
mie für alle Sektoren mit den europäischen Klima­ gie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) hinterlegte Ziel von
zielen vereinbarte Schwellenwerte vorgibt und um 20 GW sind unzureichend und müssen angehoben
sektorale Transformationspfade sowie weitere werden. Gleiches gilt für den Strommengenpfad im
Nachhaltigkeitskriterien (zum Beispiel Kreislauf­ EEG, der aktuell für 2030 kein Ziel und für 2029
wirtschaft und Biodiversität) ergänzt wird. Nur so 376 TWh ausweist.
können Finanzströme nachhaltig umgelenkt werden.
Regelungsvorschlag:
Um die Transformationschancen und -risiken Im EEG wird für 2030 ein Anteil von mindestens
einzelner Unternehmen und Wirtschaftsaktivitäten 70 Prozent Erneuerbare Energien am Bruttostrom­
transparent zu machen, sollte ein Szenario „Klimaneu­ verbrauch festgelegt (statt bisher 65 %).
tralität“ Teil der zukunftsgerichteten Berichtspflichten
im Rahmen von Stresstests werden. Zu diesem Zweck Im EEG wird ein Ausbaupfad mit einem 2030-Ziel
sollte für Unternehmen im Geltungsbereich der von 80 GW Onshore-Windenergie und 150 GW PV
Non-Financial Reporting Directive (NFRD), zukünftig hinterlegt. Der Strommengenpfad wird angehoben
Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), und ein Ziel von 435 TWh im Jahr 2030 vorgegeben.
sowie im Rahmen von verpflichtenden Stresstests im Die jährlichen Zwischenziele werden entsprechend
Finanzsystem vereinfachend ein CO2-Schattenpreis angepasst. Im WindSeeG wird ein Ziel von 25 GW bis
von 195 Euro angewendet werden. 2030 und von 60 GW bis 2040 festgeschrieben.

Begründung:
8  usbauziele für Erneuerbare
A Die Maßnahmen passen die im EEG und WindSeeG
­Energien anheben hinterlegten Ziele bezüglich EE-Anteil, installierter
Leistung und erzeugter Strommenge dem Ziel der
Der Anteil Erneuerbarer Energien an der Strom­ Klimaneutralität bis 2045 und einer Treibhausgas­
erzeugung wird bis zum Jahr 2030 auf mindestens reduktion von mindestens 65 Prozent bis 2030 an.
70 Prozent angehoben. Dies erfordert einen Ausbau Die Zielanhebung ist zum einen aus Gründen der
auf 80 GW Onshore-Windenergie, 25 GW Offshore-­ Konsistenz mit anderen Maßnahmen (Hochlauf
Windenergie und 150 GW Photovoltaik. Wasserstoff, Kohleausstieg, Ausbau Elektromobilität
und Wärmepumpen) erforderlich. Zum anderen ist
eine klare Festsetzung von Ausbaumengen und
Stromerzeugungszielen unerlässlich, um für alle

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Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Beteiligten ausreichend Planungssicherheit zu hausgasminderung vor. Damit einher geht eine


schaffen. Aufgrund des besonders langen Planungs­ erhebliche Reduktion des 2030-Sektorziels der
vorlaufs im Bereich Offshore-Windenergie ist eine Energiewirtschaft. Dies bedeutet eine Beendigung der
Zielformulierung bis zum Jahr 2040 unerlässlich. Kohleverstromung bis zum Jahr 2030.

Der Vorschlag stützt sich auf: Die EU-Kommission hat angekündigt, im Juli dieses
Jahres einen Reformvorschlag für das EU-Emissions­
Agora Energiewende/Wattsight (2020): Die handelssystem (EU-ETS) vorzulegen, um es an die
Ökostromlücke, ihre Strommarkteffekte und wie die neuen Klimaziele der EU anzupassen. In der Folge ist
Lücke gestopft werden kann mit einem weiteren Anstieg der CO2-Preise zu
rechnen. Allerdings spielt die Verlässlichkeit und
Prognos/Öko-Institut/Wuppertal Institut (2021): Planbarkeit des CO2-Preissignals für die Dekarboni­
Klimaneutrales Deutschland 2045. Studie im Auftrag sierung des Stromsektors eine entscheidende Rolle.
von Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende Die Erfahrungen seit Einführung des Emissionshan­
und Agora Verkehrswende dels im Jahr 2005 zeigen, dass die Preisentwicklung
sehr ungleichmäßig und wenig vorhersehbar war.
Dies kann dazu führen, dass notwendige Investitio­
9  O2-Mindestpreis im Stromsektor
C nen in klimaschonende Technologien unterbleiben.
­einführen
Regelungsvorschlag:
Mit dem Ziel, für alle Beteiligten Planungssicherheit Es wird ein nationaler Mindestpreis für die Treib­
für die notwendige Reduzierung der fossilen Energie­ hausgasemissionen der Stromerzeugung eingeführt.
erzeugung zu schaffen, wird ein nationaler CO2-Min­ Dieser gilt ab dem 1. Januar 2025 und beträgt im
destpreis für den Stromsektor eingeführt. Dieser ersten Jahr 50 Euro pro Tonne CO2. Der Zielpfad für
sichert den CO2-Preis im Rahmen des europäischen den Mindestpreis erreicht ein Niveau von mindes­
Emissionshandels nach unten ab; er startet im Jahr tens 65 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2030. Der Min­
2025 bei 50 Euro und steigt bis 2030 auf mindestens destpreis wird über eine Anpassung der Energiebe­
65 Euro. Damit wird die Kohleverstromung bis 2030 steuerung (EnergieStG) eingeführt. Die Steuersätze
beendet und der Förderbedarf im EEG auf ein Mini­ für den Einsatz von Kohle, Erdgas und Erdöl zur
mum reduziert. Erzeugung von Strom werden im EnergieStG festge­
legt und gelten zusätzlich zum EU-ETS, wobei der
Hintergrund: jeweils aktuelle CO2-Preis im EU-ETS auf die Höhe
Die Energiewirtschaft ist auch heute noch der Sektor des Steuersatzes angerechnet wird. Die Regelung zur
mit den höchsten Treibhausgasemissionen in Strompreiskompensation für energieintensive
Deutschland. Hauptverursacher sind die Kohlekraft­ Unternehmen wird angepasst, um die durch den
werke. Mit dem Kohleverstromungs-beendigungsge­ Mindestpreis gegebenenfalls höheren CO2-Kosten zu
setz (KVBG) wurde das Ende der Kohleverstromung in berücksichtigen. Das finanzielle Aufkommen, das
Deutschland bis spätestens 2038 beschlossen. Für das gegebenenfalls entsteht, kommt dem Energie- und
Jahr 2030 orientiert sich der Stilllegungspfad am Klimafonds (EKF) zugute und wird zur Löschung von
überholten Sektorziel des Klimaschutzgesetzes von Zertifikaten im EU-ETS genutzt, soweit dies nicht
2019 für die Energiewirtschaft. Die aktuell im bereits durch die Marktstabilitätsreserve gewährleis­
Bundestag zur Beschlussfassung vorliegende Novelle tet wird. Mehremissionen an anderer Stelle werden
des Klimaschutzgesetzes sieht eine Anhebung des damit ausgeschlossen. Die Höhe des Zielpfades für
2030-Klimaziels auf mindestens 65 Prozent Treib­ den Mindestpreis wird regelmäßig auf seine Wirk­

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IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

samkeit in Hinblick auf die Erreichung der Klimaziele Studie des Öko-Instituts im Auftrag der Stiftung
im Stromsektor geprüft. Zudem wird eine Zusam­ Klimaneutralität
menarbeit mit den europäischen Nachbarstaaten bei
der Gestaltung des Mindestpreises angestrebt. Kahl, Hartmut (2021): Zur Umsetzbarkeit eines
nationalen CO2-Mindestpreises im Stromsektor.
Begründung: Rechtsgutachten der Stiftung Umweltenergierecht im
Für die Erreichung eines angehobenen Klimaziels für Auftrag der Stiftung Klimaneutralität
2030 kommt es entscheidend darauf an, dass alle
Sektoren ihre Minderungsbeiträge liefern. Allerdings Weyer, Hartmut (2018): Rechtliche Bewertung einer
liefe ohne eine konsequente Dekarbonisierung des CO2-orientierten Energie- und Strombesteuerung
Stromsektors die Elektrifizierung der anderen sowie einer Ausweitung der EEG-Umlage auf Verbrau-
Sektoren ins Leere, da „unter dem Strich“ keine cher im Wärme- und Verkehrssektor, Anhänge 6.3 und
Treibhausgasminderung stattfindet. Der Mindest­ 6.4; in: E-Bridge/ZEW/TU Clausthal, Neue Preismodelle
preis flankiert die durch Reformen auf europäischer für die Energiewirtschaft. Reform der Struktur von
Ebene erwarteten Emissionsminderungen im Netzentgelten und staatlich veranlasster Preisbestand-
Stromsektor. Er sichert einen ambitionierten Preis­ teile. Gutachten im Auftrag von Agora Energiewende
pfad ab und schafft so Planungssicherheit für die
notwendigen Investitionen im Strommarkt. Durch
eine Übergangsfrist von zwei Jahren werden gegebe­ 10 Flächen für Windenergie ­bereitstellen
nenfalls bereits getätigte Termingeschäfte berück­
sichtigt. Ein „Wasserbetteffekt“ wird durch die Für den Ausbau der Windenergie an Land werden in
vorgesehene Löschung von Zertifikaten vermieden. allen Ländern durchschnittlich zwei Prozent der
Das Vorgehen ist europarechtskonform und verfas­ Fläche bereitgestellt. Dazu werden die Regelungen zu
sungsrechtlich unbedenklich durch das Aufsetzen auf den Konzentrationszonen im Baugesetzbuch mit dem
die etablierte Energiesteuer. Im Ergebnis wird durch Ziel konkretisiert, der Windenergie ausreichend
die Zielanhebung auf europäischer Ebene und diesen Raum zu geben.
Vorschlag der Kohleausstieg in der Stromerzeugung
auf 2030 vorgezogen. Anders als bei einer Neufestle­ Hintergrund:
gung der konkreten Stilllegungsdaten einzelner Für die Erreichung der Klimaziele ist die Windenergie
Braunkohlekraftwerke ist eine Neuverhandlung des die wichtigste Energiequelle in Deutschland. Der
öffentlich-rechtlichen Vertrags mit den Braunkoh­ Bedarf an installierter Windenergieleistung an Land
leunternehmen durch die Einführung des Mindest­ steigt bis 2030 auf 80 GW und bis 2045 auf 145 GW.
preises nicht erforderlich. Die Ausschreibungsmengen für Windenergie müssen
auf 6,5 GW pro Jahr angehoben werden. Ende 2020
Der Vorschlag stützt sich auf: waren erst knapp 55 GW installiert. Der Ausbau der
Windenergie an Land ist in den letzten drei Jahren
Agora Energiewende (2018): Eine Neuordnung der massiv eingebrochen. Einer der wesentlichen Gründe
Abgaben und Umlagen auf Strom, Wärme, Verkehr. ist ein Mangel an verfügbaren Flächen.
Optionen für eine aufkommensneutrale CO2-Beprei-
sung von Energieerzeugung und Energieverbrauch Nach aktuellen Schätzungen wird für die Transfor­
mation zur Klimaneutralität ein Anteil der Landes-
Hermann, Hauke/Matthes, Felix Chr./Keimeyer, und Gemeindeflächen von durchschnittlich 2 Prozent
Friedhelm (2021): Konzept für die Einführung eines für die Windenergie benötigt. Hiervon sind wir mit
CO2-Mindestpreises im Stromsektor in Deutschland. bislang 0,9 Prozent noch weit entfernt. Die aktuelle

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Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Regelungsstruktur des Baugesetzbuches, deren solche Konzentrationszonenplanungen, deren


Anwendung in den Kommunen und die dazu ergan­ Gesamtflächen mindestens dem Windenergie-­
gene Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte haben Beitragswert entsprechen, entfalten eine Ausschluss­
nicht zu einer Bereitstellung von ausreichenden wirkung für Windenergieanlagen im übrigen Außen­
Flächen geführt. bereich. Hierdurch wird ein positiver Anreiz
geschaffen, der Erzeugung von Windenergie ausrei­
Regelungsvorschlag: chend Flächen zur Verfügung zu stellen.
Im Baugesetzbuch wird eine Neufassung der soge­
nannten Konzentrationszonenplanung festgeschrie­ Wer Konzentrationszonen plant, wird weiterhin vor
ben (§ 35 BauGB). Darin wird der erforderliche Ort entschieden. Dies könnten die Kommunen mit
Flächenbedarf für die Windenergienutzung in Flächennutzungsplänen sein, mehrere Kommunen
Deutschland bestimmt. Dies sind durchschnittlich gemeinsam oder die Länder mithilfe der Raumordnung.
zwei Prozent der Landes- und Gemeindeflächen, um
das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Der Der Vorschlag stützt sich auf:
Gesetzgeber wendet einheitliche Regeln an, mit denen
für jede Kommune und jedes Land ein Flächenanteil Agora Energiewende/Reiner Lemoine Institut
errechnet wird. Dies ist der Windenergie-Beitrags­ (2021): Der Windflächenrechner – ein Beitrag zur
wert. Er wird für alle Kommunen in der Maßeinheit Diskussion um die Ausweisung von Flächen für
km² in einer Anlage zum Gesetz bestimmt. Konzent­ Windenergieanlagen
rationszonenplanungen sollen in Zukunft nur noch
dann zulässig sein, wenn der Windenergie ausrei­ Kment, Martin (2020): Sachdienliche Änderungen
chend Raum verschafft wird. des Baugesetzbuchs zur Förderung von Flächenaus-
weisungen für Windenergieanlagen. Rechtswissen­
Begründung: schaftliches Gutachten im Auftrag der Stiftung
Diesem Vorschlag liegt die Annahme zugrunde, dass Klimaneutralität
alle Kommunen und alle Länder einen angemessenen
Beitrag zur Klimaneutralität leisten und sich niemand Stiftung Klimaneutralität (2021): Wie kann die
dem entziehen sollte. Mit der vorgeschlagenen Verfügbarkeit von Flächen für die Windenergie an
Regelung können Kommunen und Länder die Ansied­ Land schnell und rechtssicher erhöht werden?
lung von Windenergieanlagen räumlich steuern. Regelungsvorschlag
Dabei müssen sie der Windenergie ausreichend
Raum verschaffen. Um den Streit vor den Gerichten,
was „ausreichend“ bedeutet, zu beenden, wird 11 A
 rtenschutz und Klimaschutz
vorgeschlagen, dass der Bedarf durch den Bundes­ in Einklang bringen
gesetzgeber bestimmt wird. Die dafür erforderlichen
Flächen werden nach einem einheitlichen Verfahren Zur Auflösung des Zielkonflikts zwischen Klimaschutz
auf die Gebietskörperschaften verteilt. Für jede und Artenschutz beim Ausbau der Windenergie
Kommune wird ein Mindestanteil bestimmt, der vor werden im Bundesnaturschutzgesetz Schutzabstände
allem die Unterschiede in der Besiedlungsdichte und zu Brutplätzen für alle relevanten Vogelarten festgelegt;
der Windhöffigkeit berücksichtigt. diese definieren abschließend, wo Anlagen zulässig,
wo sie mit Maßnahmen zulässig und wo sie unzulässig
Es wird weder für die Kommunen noch für die Länder sind. Die Schutzabstände stellen sicher, dass es beim
eine Pflicht eingeführt, Konzentrationszonen für die Ausbau der Windenergie zu keinen Gefährdungen der
Windenergie zu planen und auszuweisen. Doch nur Populationen kommt. Da der Erhaltungszustand vieler

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IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Vogelarten durch eine Vielzahl anderer Faktoren unter Schutzabstand festgelegt, innerhalb dessen Windener­
Druck steht, legen Bund und Länder ein Programm im gieanlagen artenschutzrechtlich nicht zulässig sind.
Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Zusätzlich wird ein artspezifischer äußerer Schutzab­
Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) mit stand festgelegt. Im Gebiet zwischen innerem und
einem jährlichen Volumen von mindestens 100 äußerem Schutzabstand sind Windenergieanlagen
Millionen Euro auf. unter der Voraussetzung klar definierter Maßnahmen
(zum Beispiel Antikollisionssysteme) artenschutz­
Hintergrund: rechtlich zulässig. Außerhalb des äußeren Schutzab­
Der Ausbau der Windenergie an Land ist in den letzten stands sind Windenergieanlagen artenschutzrechtlich
drei Jahren massiv eingebrochen. Neben dem Mangel immer zulässig. Bund und Länder überprüfen in
an verfügbaren Flächen und überlangen Genehmi­ regelmäßigen Abständen den Erhaltungszustand der
gungsverfahren ist einer der wesentlichen Gründe für relevanten Vogelarten in Deutschland. Vor dem
diesen Einbruch der ungelöste Zielkonflikt mit dem Hintergrund, dass der Erhaltungszustand vieler
Artenschutz. Immer öfter landen Streitfragen vor den Vogelarten durch eine Vielzahl anderer Faktoren unter
Gerichten; bislang ist es nicht gelungen, Klimaschutz Druck steht, legen Bund und Länder ein Artenhilfspro­
und Artenschutz in Einklang zu bringen. Alle Mit­ gramm für windenergiesensible Vogelarten auf, etwa
gliedsstaaten der Europäischen Union sind an die im Rahmen der GAK, mit einem jährlichen Volumen
Vogelschutz-Richtlinie und das darin verankerte von mindestens 100 Millionen Euro.
Tötungsverbot gebunden. Die derzeitigen Vorschriften
schaffen jedoch nicht die erforderliche Rechtsklarheit Begründung:
für alle Beteiligten. Die Anforderungen des Arten­ Die derzeitigen Rechtsunsicherheiten und daraus
schutzes werden im Einzelfall geprüft, in den Bundes­ resultierenden Verzögerungen beim Ausbau der
ländern gibt es dazu eine Vielzahl umfangreicher Wind­energie können wir uns auf dem Weg zur
Leitfäden. Eine Vereinheitlichung der Standards ist Klimaneutralität nicht mehr leisten. Es wird eine
trotz jahrelanger Bemühungen im Rahmen der klare und abschließende gesetzliche Regelung
Umweltministerkonferenz bisher nicht gelungen. benötigt, die den Zielkonflikt zwischen Klimaschutz
und Artenschutz bei der Genehmigung von Wind­
Regelungsvorschlag: energieanlagen konstruktiv auflöst und beiden
Zur Vereinfachung und Beschleunigung der Zulassung Anliegen zur Geltung verhilft. Alle Beteiligten
von Windenergieanlagen wird für diese eine arten­ brauchen in Zukunft Klarheit, an welchen Standorten
schutzrechtliche Ausnahme gesetzlich geregelt, die die Windenergieanlagen artenschutzrechtlich entweder
Vorgaben des Artikels 9 der Vogelschutz-­Richtlinie zulässig, mit Maßnahmen zulässig oder unzulässig
beachtet. Diese Ausnahme wird zeitlich befristet bis sind. Dies wird zu einer wesentlichen Beschleuni­
zum Erreichen der Klimaneutralität. Sie wird begrün­ gung bei den Genehmigungsverfahren führen.
det mit der Bedeutung der Windenergie an Land für
den Klimaschutz, die Versorgungssicherheit und Die Regelung ist mit europäischem Recht vereinbar.
damit die öffentliche Sicherheit in Deutschland. Die Es wird durch geeignete Maßnahmen sichergestellt,
Ausnahme vom artenschutzrechtlichen Tötungsver­ dass die Zielsetzung der Vogelschutz-Richtlinie nicht
bot wird durch Schutzabstände um nachgewiesene infrage gestellt wird. Die Bundesgesetzgeberin ist
Nistplätze eindeutig begrenzt, sodass sie nicht zu nach den Vorschriften des Grundgesetzes zu einer
Bestandsrückgängen von Vogelarten führt. Regelung befugt, die in ganz Deutschland gilt. Für das
Artenschutzrecht gibt es im Grundgesetz keine
Im Bundesnaturschutzgesetz wird für kollisionsge­ Abweichungskompetenz der Länder.
fährdete Vogelarten ein artspezifischer innerer

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Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Der Vorschlag stützt sich auf: Hintergrund:


Der Ausbau der Windenergie an Land ist in den
Reichenbach, Marc/Aussieker, Tim (2021): Wind­ letzten drei Jahren massiv eingebrochen. Neben dem
energie und der Erhalt der Vogelbestände – Rege- Mangel an verfügbaren Flächen und dem ungelösten
lungsvorschläge im Kontext einer gesetzlichen Zielkonflikt mit dem Artenschutz sind die langen
Pauschalausnahme. Fachgutachten der Arbeitsgruppe Genehmigungsverfahren ein wesentlicher Grund für
für regionale Struktur- und Umweltforschung GmbH den Einbruch. Die Länge der Verfahren führt zudem
(ARSU) im Auftrag der Stiftung Klimaneutralität häufig dazu, dass auf bestimmte Anlagentypen
ausgelegte Anträge völlig neu gestellt werden müssen,
Scharfenstein, Clara/Bringewat, Jörn (2021): Welche wenn die beantragten Anlagen nicht mehr verfügbar
Möglichkeiten bietet das europäische Artenschutz- sind oder der Antragsteller auf modernere Anlagen
recht, das deutsche Artenschutzrecht zur Verbesserung umsteigen möchte. Zusätzlich behindern restriktive
der Zulassungsfähigkeit von Windenergieanlagen Abstandsregelungen zur Wohnbebauung in den
anzupassen? Rechtsgutachten der Rechtsanwalts­ Ländern die Flächenausweisung. Ohne eine grund­
kanzlei von Bredow Valentin Herz im Auftrag der Stif­ legende Reform des Zulassungsrechts mit einer
tung Klimaneutralität deutlichen Beschleunigung der Genehmigungsver­
fahren lassen sich weder die Ausbauziele für die
Stiftung Klimaneutralität (2021): Klimaschutz und Windenergie noch die Klimaziele erreichen.
Artenschutz – Wie der Zielkonflikt beim Ausbau der
Windenergie konstruktiv aufgelöst werden kann Regelungsvorschlag:
Die Genehmigungsverfahren werden aus dem Bun­
desimmissionsschutzgesetz herausgelöst und in ein
12 Genehmigungsverfahren technologiespezifisches Zulassungsregime überführt,
­beschleunigen, maximale das an die Besonderheiten der Windenergie an Land
­Mindestabstände festlegen angepasst ist (Windenergie-­an-Land-Gesetz). Über
Anträge ist zukünftig innerhalb einer Frist von zehn
und ­Repowering vereinfachen
Wochen ab Vollständigkeit der Unterlagen zu ent­
Die Genehmigungsverfahren werden in einem scheiden. Für Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung
Windenergie-an-Land-Gesetz neu geregelt. Die gilt eine Frist von 22 Wochen. Liegt bei Fristablauf
maximale Verfahrensdauer nach Feststellung der keine zustimmende oder ablehnende Entscheidung der
Vollständigkeit eines Antrags wird auf zehn Wochen Behörde vor, gilt der Antrag als genehmigt (Genehmi­
ohne und auf 22 Wochen mit Öffentlichkeitsbeteili­ gungsfiktion). Die Genehmigungsbehörden bestätigen
gung beschränkt. Ergeht innerhalb der Frist kein innerhalb einer Frist von sechs Wochen dem Antrag­
Bescheid, gilt der Antrag als genehmigt. Unter Beibe­ stellendem die Vollständigkeit der Unterlagen. Die
haltung der Umweltstandards wird die Schwelle für Genehmigungsverfahren einschließlich Öffentlich­
formale Umweltverträglichkeitsprüfungen bei keitsbeteiligung werden digital durchgeführt. Die
Windparks von drei auf sieben Anlagen erhöht. Die maximalen Mindestabstände von Windenergieanlagen
maximalen Mindestabstände von Windenergieanla­ zur Wohnbebauung (§ 249 BauGB) werden für alle
gen zur Wohnbebauung (§ 249 BauGB) werden für alle Bundesländer einheitlich auf das Dreifache der
Bundesländer einheitlich auf das Dreifache der Anlagenhöhe (3H) festgesetzt; bei der erneuten
Anlagenhöhe (3H) festgesetzt; bei der erneuten Nutzung vorhandener Standorte (Repowering) auf 2H.
Nutzung vorhandener Standorte (Repowering) auf 2H. Der Ersatz von Anlagen an bestehenden Standorten ist
artenschutzrechtlich immer genehmigungsfähig.

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IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Begründung: sehr langen Planungsvorläufe müssen diese rechtzei­


Durch ein speziell auf die Windenergie an Land tig identifiziert und entwickelt werden. Für das Ziel
zugeschnittenes Genehmigungsregime werden die der Klimaneutralität werden 2030 25 GW, 2035
Besonderheiten dieser Technologie angemessen 40 GW, 2040 60 GW und 2045 70 GW Windenergie
berücksichtigt. Die festgelegten Fristen führen zu auf See benötigt.
einer zeitlichen Straffung und mehr Rechts- und
Verfahrenssicherheit, ohne die materiellen Ansprü­ Regelungsvorschlag:
che des Immissionsschutzes oder sonstige öffentliche Im Raumordnungsgesetz wird die Nutzung der
Belange zu schmälern. Durch die Genehmigungsfik­ Windenergie auf See als Maßnahme zum Klimaschutz
tion wird die Dauer der Genehmigungsverfahren verankert. Bei der Aufstellung und Fortschreibung
wirksam begrenzt. Auch Repowering kann so deutlich der Raumordnungspläne für die AWZ wird die
erleichtert werden. Die Umstellung der Genehmi­ Windenergienutzung prioritär berücksichtigt. Es sind
gungsverfahren auf rein digitale Unterlagen und Vorrang- und Vorbehaltsgebiete auszuweisen, die
Workflows vereinfacht und beschleunigt sie und langfristig für 70 GW Offshore-Erzeugung ausrei­
verringert die Fehleranfälligkeit. chend sind. Bei der Fortschreibung der Flächenent­
wicklungspläne sind Flächen zeitlich und räumlich so
Der Vorschlag stützt sich auf: auszuweisen, dass Zwischenziele sicher erreicht und
notwendige Infrastrukturanbindungen rechtzeitig
Stiftung Klimaneutralität und Bringewat, Jörn/ möglich sind. Die gemeinsame Nutzung mit anderen
Scharfenstein, Clara (2021): Entwurf für ein Wind­ Interessensbereichen wird gestärkt (Ko-Nutzung).
energie-an-Land-Gesetz. Ein Vorschlag der Stiftung
Klimaneutralität, fachlich ausgearbeitet von der Begründung:
Rechtsanwaltskanzlei von Bredow Valentin Herz In den Raumordnungsplänen werden Ziele und
Grundsätze der Raumordnung für Gebiete in der AWZ
konkret festgelegt und entsprechende Vorrang- und
13 Windenergie auf See voranbringen Vorbehaltsgebiete ausgewiesen. Für den Flächenent­
wicklungsplan (FEP) gemäß dem Windener­
Die Raumordnungspläne für die deutsche aus­ gie-auf-See-Gesetz sind die im Raumordnungsplan
schließliche Wirtschaftszone (AWZ) und die Fläche­ für die AWZ festgelegten Ziele in der Regel bindend
nentwicklungspläne für Windenergie auf See werden und Grundsätze müssen in Abwägungen einbezogen
an die neuen, langfristigen Ausbauziele (2030: werden.
25 GW, 2035: 40 GW, 2040: 60 GW, 2045: 70 GW) zur
Erreichung der Klimaneutralität angepasst. Im Falle Die derzeit ausgewiesenen Vorrang- und Vorbehalts­
von Flächenkonkurrenzen wird der Windenergie gebiete reichen für die Zielerreichung nicht aus. Um
Vorrang eingeräumt, da sie eine unverzichtbare die für den Ausbau notwendigen Flächen verfügbar
Voraussetzung für Klimaneutralität ist. zu machen, müssen daher die Raumordnungspläne
für die deutsche AWZ entsprechend angepasst
Hintergrund: werden. Die FEPs müssen, darauf aufbauend, eine
Die Windenergie auf See zeichnet sich durch relativ zeitlich und räumlich ausreichende Festlegung für die
hohe öffentliche Akzeptanz und attraktive Stromkos­ Voruntersuchung von Flächen treffen, damit Aus­
ten aus. Schon heute ist sie zu einer wichtigen Säule schreibung, Bau und Anschluss von Erzeugungska­
der maritimen Wirtschaft in Deutschland und Europa pazitäten rechtzeitig erfolgen.
geworden. Ihr Ausbau benötigt ausreichend verfüg­
bare Flächen in der Nord- und Ostsee. Aufgrund der

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Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Der Vorschlag stützt sich auf: Es wird eine Sonderabgabe eingeführt, die von
Betreibenden der Freiflächen-PV-Anlagen
Prognos/Öko-Institut/Wuppertal Institut (2021): (FFPV-Anlagen) an die Standort-Kommune(n) zu
Klimaneutrales Deutschland 2045. Studie im Auftrag zahlen ist. Für Agrar-PV wird eine Ausschreibungs­
von Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende kategorie mit einem auf 400 MW im Jahr 2025
und Agora Verkehrswende ansteigenden Ausschreibungsvolumen geschaffen.
Regelungen zur Agrarförderung werden angepasst,
sodass eine landwirtschaftliche Nutzung in Kombi­
14 PV-Freiflächenanlagen ausweiten nation mit Agrar-PV nicht benachteiligt wird. Für
Moor-PV-Anlagen, die Moore schützen beziehungs­
Über die Standorte für geförderte und nicht geför­ weise wiedervernässen, wird eine gesonderte
derte PV-Freiflächenanlagen entscheiden in Zukunft Förderung eingeführt.
ausschließlich die Kommunen mit ihren Bebauungs­
plänen; alle Regelungen zur Flächenkulisse im EEG Begründung:
werden abgeschafft, auch Größenbegrenzungen Das EEG enthält eine Reihe von Regelungen, die den
entfallen. Analog zur Windenergie werden für Zahlungsanspruch für Freiflächen-Solaranlagen an
Freiflächen-PV-Anlagen Zahlungen an die Standort­ bestimmte Flächentypen knüpft, sowie eine Maxi­
kommunen eingeführt. Die Agrar-PV wird gestärkt. malgröße von 20 MW. Durch die empfohlene Neure­
gelung werden diese pauschalen Beschränkungen
Hintergrund: aufgehoben und ein beschleunigter Ausbau wird
Für das Erreichen der Klimaneutralität ist die Photo­ ermöglicht. Die Regelung stellt so FFPV-Anlagen im
voltaik, neben der Windenergie, die wichtigste EEG mit Anlagen über Power Purchase Agreements
Energiequelle. Der Bedarf an installierter Photovol­ gleich. Die Entscheidung über Standort und Größe
taikleistung steigt bis 2030 auf 150 GW und bis 2045 verbleibt über die Bauleitplanung vollständig in den
auf 385 GW. Um die Hälfte des notwendigen Brutto­ Händen der Kommunen. Die Länder können darüber
zubaus der Photovoltaik bis 2030 über Freiflä­ hinaus bei Bedarf über die Raumordnung die
chen-­PV im EEG zu erreichen, muss das Ausschrei­ Flächen­kulisse für den Ausbau steuern.
bungsvolumen auf mindestens 5 GW pro Jahr
angehoben werden. Der Freiflächen-PV kommt für Die Einführung einer kommunalen Sonderabgabe
die Zielerreichung eine hohe Bedeutung zu. Sie ist die stärkt dauerhaft die notwendige Akzeptanz vor Ort.
günstigste Form der PV-Erzeugung und kann schnell Agrar-PV erlaubt die Kombination von Landwirtschaft
hochgefahren werden. Die Erfahrungen mit der und Energiegewinnung. Dies stärkt die Akzeptanz und
Windenergie zeigen, dass eine vorausschauende kann langfristig kosteneffizient sein. Durch ein
Akzeptanzsicherung für die Erreichung stabil hoher eigenes Ausschreibungssegment kann die Technologie
Zubauraten unerlässlich ist. in der Praxis angewendet und Kostensenkungspoten­
ziale können gehoben werden. Um finanzielle Nach­
Regelungsvorschlag: teile zu vermeiden, ist eine Anpassung der Agrarförde­
Im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) werden die rung notwendig, damit eine Doppelnutzung nicht zu
Einschränkungen für den Flächenzugriff von Frei­ einem Verlust der Agrarförderung führt. Besonderes
flächen-PV und die Größenbegrenzungen gestrichen. Augenmerk soll in diesem Zusammenhang Moor-­PV-
Damit liegt die Entscheidung über Standort und Anlagen gelten, da hier ein doppelter Klimaschutzef­
Größe aller Solaranlagen ausschließlich bei den fekt eintritt: Das Schützen und Wiedervernässen von
Kommunen. Mooren speichert CO2 in den Böden, die Solaranlagen
erzeugen CO2-freien Strom.

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IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Der Vorschlag stützt sich unter anderem auf: Regelungsvorschlag:


Die Regeln für Prosumer werden radikal vereinfacht.
Agora Energiewende (2018): Wie weiter mit dem Die technischen Anschlussbestimmungen werden
Ausbau der Windenergie? Zwei Strategievorschläge bundesweit einheitlich geregelt und vereinfacht,
zur Sicherung der Standortakzeptanz von Onshore-­ wobei alle Regelungen kritisch auf ihre Eignung für
Windenergie den Bereich von relativ kleinen Photovoltaikanlagen
überprüft werden. Maßgabe dabei ist, dass der
Anschluss einer kleinen PV-Anlage nicht kompli­
15 Prosumer stärken zierter sein darf als der Anschluss einer Wärme­
pumpe. Zudem soll gelten, dass die Kosten für den
Die Regeln für Prosumer (zum Beispiel Gebäude mit Strombezug aus dem Netz und die Vergütung für die
PV-Anlage, Wärmepumpe, E-Pkw und Speicher) Netzeinspeisung unabhängig von der Verwendung
werden radikal vereinfacht. beziehungsweise der Quelle des Stroms sind. Die
aktuelle Förderung für eingespeisten Strom von
Hintergrund: PV-Dachanlagen wird überprüft und erfolgt zumin­
Die Hälfte des PV-Zubaus von rund 100 GW bis 2030 dest im Kleindachsegment perspektivisch als Investi­
kann über PV-Anlagen auf Dächern erzielt werden. tionszuschuss. Die Abgaben, Umlagen und Steuern
Insbesondere Wohngebäude bieten hier ein erhebli­ werden so geändert, dass Strom besonders günstig ist,
ches Potenzial – PV-Strom wird sowohl lokal direkt wenn hohe Mengen an EE-Strom lokal verfügbar
genutzt als auch ins Netz eingespeist (sogenanntes sind, und dass Engpässe im Verteilnetz sich in
Prosuming). Auch für die Zielerreichung in den Preisen niederschlagen. Die Bedingungen für Mieter­
Sektoren Wärme und Mobilität sind Wohngebäude strom werden so vereinfacht und neu geregelt, dass es
entscheidend: Die meisten Wärmepumpen versorgen attraktiv wird, die Dächer von Mietwohngebäuden
Wohngebäude. Ladepunkte für Elektrofahrzeuge in vollständig mit PV-Anlagen zu belegen.
und an Wohngebäuden sind unentbehrlich. Auch im
Gewerbesektor besteht großes Potenzial, gerade bei Begründung:
großflächigen Dachanlagen. Rahmenbedingungen für Prosumer müssen möglichst
einfach und auch für Laien verständlich sein. Es ist
Die aktuellen Rahmenbedingungen für Prosumer sind derzeit für Expertinnen und Experten sehr heraus­
hoch komplex und hemmen insgesamt den Ausbau. fordernd und für Laien praktisch aussichtslos, die
Eine hohe Belastung des Endkundenstrompreises mit Regelungen in ihrer Gesamtheit zu überblicken. Dies
zeitlich fixen Abgaben, Umlagen und Steuern macht führt bei Regelungsänderungen zu Problemen, da
den Eigenverbrauch überproportional attraktiv, Wechselwirkungen nicht gut erkennbar sind. Außer­
demgegenüber ist eine Einspeisung ins Netz durch dem finden Vorschriften bei kleinen Anlagen
niedrige EEG-Vergütungen unattraktiv. Hierdurch Anwendung, die ursprünglich für Großkraftwerke
werden Dachpotenziale nicht voll ausgeschöpft und und kommerzielle Stromlieferanten entwickelt
Batteriespeicher sind für Prosumer ökonomisch wurden. Punktuelle Änderungen von Rechtsnormen
attraktiver, als es ihrem systemischen Wert ent­ sind vor diesem Hintergrund nicht zielführend, eine
spricht. Die aktuellen Regelungen für Mieterstrom bundesweit einheitliche und einfache Regelung der
sind zudem sehr unattraktiv, die vorgesehenen Anschlussbestimmungen sowie der Prosumer- und
Ausbaumengen nicht zustande gekommen. Mieterstromregelungen ist erforderlich.

35
Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Ein Hauptgrund für die hohe Komplexität ist die Im Ergebnis werden weite Teile des PV-Potenzials auf
Privilegierung bestimmter Erzeugungs- und Ver­ Dächern nicht ausgeschöpft. Dies gefährdet die
brauchsformen. Die Maßgabe der einheitlichen Erreichung der Klimaschutzziele und ist eine ver­
Behandlung von Strommengen adressiert diesen passte Chance für die lokale Wertschöpfung.
Punkt. Da die Förderung pro Kilowattstunde ein
wesentlicher Grund für die Abgrenzung von Strom­ Regelungsvorschlag:
mengen ist, kann diese Maßgabe deutlich besser Zukünftig gilt für alle Neubauten und bei wesentli­
erreicht werden, wenn sie als Investitionszuschuss chen Umbauten des Daches die Pflicht zur Installa­
erfolgt. Die Möglichkeit einer kWh-Vergütung bei tion einer Photovoltaikanlage mit einer angemesse­
Volleinspeisung bleibt unberührt. Intelligente Steue­ nen Mindestgröße. Dies gilt sowohl für Wohngebäude
rung und dynamische Preissignale sind erforderlich, als auch für Gewerbeimmobilien.
um einen systemdienlichen und koordinierten
Betrieb der verschiedenen Komponenten (Speicher, Es wird sichergestellt, dass der Aufwand für die
E-Mobile, Wärmepumpen) zu erreichen, gerade auch Erfüllung der Pflicht begrenzt und die Wirtschaft­
um den nötigen Verteilnetzausbau auf ein effizientes lichkeit der Investition gewährleistet wird. Dazu
Maß zu begrenzen. Dies kann über eine entspre­ gehören eine Vereinfachung und Standardisierung
chende Reform der Abgaben, Umlagen, Entgelte und der Prozesse für den Netzanschluss, die Beseitigung
Steuern erreicht werden. von steuerlichen Einschränkungen bezüglich des
Betriebs von PV-Anlagen sowie möglichst geringe
administrative Anforderungen.
16 PV-Pflicht einführen
Begründung:
Für Neubauten und Dachsanierungen wird eine Auf Landesebene haben einige Bundesländer bereits
Pflicht zur Errichtung von Photovoltaikanlagen eine Photovoltaik-Pflicht erlassen oder streben diese
eingeführt. an (zum Beispiel Bayern, Baden-Württemberg, Berlin,
Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-­
Hintergrund: Holstein). Dies zeigt die grundsätzliche Verhältnis­
PV-Dachanlagen genießen eine sehr hohe Akzeptanz mäßigkeit des Instruments. Eine bundesweite
und sind bezüglich des Umwelt- und Naturschutzes Regelung vereinfacht die landesrechtliche Umset­
ausgesprochen konfliktarm. zung, schafft zusätzliche Klarheit und gleiche Bedin­
gungen im Bundesgebiet.
Gleichzeitig ist zu beobachten, dass auf vielen
Gebäuden noch keine PV-Anlagen installiert sind. Im Der Ausbau der PV sollte insbesondere auch deshalb
Neubausegment liegen für 2018 Erhebungen vor, auf Dächern erfolgen, da dort keine konkurrierenden
nach denen lediglich auf sieben Prozent der Neubau­ Nutzungskonzepte für die gleiche Fläche vorliegen.
ten PV-Anlagen errichtet wurden. Die freiwillige Gleichzeitig zeigt die Erfahrung der letzten Dekade,
Errichtung von PV-Anlagen bleibt damit im Wesent­ dass Photovoltaik lediglich auf einem sehr geringen
lichen auf die Initiative von Eigentümerinnen und Teil der Neubauten und Sanierungsprojekte installiert
Eigentümern beschränkt. Das Gebäudeenergiegesetz wird – obwohl dies wirtschaftlich ist. Daher ist eine
(GEG) enthält Regelungen, die auf die Versorgung von Solarpflicht ein geeignetes Instrument, um die sonst
Gebäuden mit Erneuerbarer Energie abzielen. Eine ungenutzten Flächen auf den Dächern für die
Erhöhung des Anteils Erneuerbarer Energien an der Energie­wende zu nutzen.
öffentlichen Stromversorgung gehört bisher aller­
dings nicht zu den Zielen des GEG.

36
IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

17 Netzausbau an Klimaziele anpassen inkrementellen Planungsänderung wirkt weder


akzeptanzfördernd noch kostensparend. Darüber
Die Planung der Übertragungsnetze wird kurzfristig hinaus ist die stärkere Koordinierung von Planungen
an die neuen Klimaziele angepasst. über Sektoren hinweg erforderlich, um eine insge­
samt bedarfsgerechte Infrastruktur zu ermöglichen.
Hintergrund:
Um Klimaneutralität zu erreichen, muss die Strom­ Auch kurzfristig ist Handeln nötig: Der heute schon
erzeugung bis spätestens 2045 vollständig auf Erneu­ absehbare weitere Bedarf an Nord-Süd-HGÜ-­
erbare Energien umgestellt werden. Die weitrei­ Verbindungen sollte nicht erst planmäßig im künfti­
chende Elektrifizierung führt dabei trotz erheblicher gen NEP-Prozess und mit der BBPIG-Novelle 2024
Effizienzsteigerungen zu einem rund doppelt so festgestellt werden, also genau dann, wenn die bereits
hohen Strombedarf. Gleichzeitig steigt der Anteil beschlossenen HGÜ-Vorhaben SuedLink (sowie
dezentraler Erzeugungstechnologien in den Verteil­ A-Nord und SuedOstLink) im Bau sind. Es ist not­
netzen und die Sektorkopplung verstärkt die Wech­ wendig, dass die Bundesnetzagentur im Rahmen der
selwirkung mit Wärme- und Wasserstoffnetzen. Koalitionsvereinbarung eine Prüfung der energie­
Diese zum Teil grundlegenden Veränderungen sind in wirtschaftlichen Notwendigkeit nach § 12e, Absatz 4
der bisherigen Netzplanung nicht ausreichend EnWG binnen drei Monaten sowie des vorrangigen
berücksichtigt. Die Planung eines langfristigen Bedarfs von SuedLink 3 und 4 veranlasst, um die
Zielnetzes für eine zu 100 Prozent erneuerbare Grundlage für den Ausbau der HGÜ-Vorhaben im
Stromversorgung fehlt ebenso wie eine konsistente Bundesbedarfsplanungsgesetz zu schaffen.
Verzahnung mit der Gasnetzplanung im Sinne eines
integrierten Systementwicklungsplans.
18 Energierechtliche Klageverfahren
Regelungsvorschlag: beschleunigen
Die Planung der Strom- und Gasnetze wird durch
einen neu zu schaffenden Systementwicklungsplan Zur Verfahrensbeschleunigung bei der Anlagen­
besser integriert. Die Stromnetzplanung ist unver­ errichtung und dem Leitungsbau werden beim
züglich auf das Ziel der Klimaneutralität 2045 und Bundesverwaltungsgericht zwei Senate eingerichtet,
einer vollständig erneuerbaren Stromversorgung die sich ausschließlich mit energierechtlichen
auszurichten. Als Sofortmaßnahme sind die für 2035 Klageverfahren befassen.
als notwendig erkannten Netze des aktuellen Netz­
entwicklungsplans (NEP) Strom kurzfristig in einer Hintergrund:
Novelle des Bundesbedarfsplangesetzes (BBPlG) Der Gesetzgeber hat erkannt, dass die Verfahren zur
festzuschreiben. Zur Vermeidung absehbarer kosten- Realisierung größerer Infrastrukturmaßnahmen
und zeitintensiver Aus- und Umbauarbeiten ist die zügiger abgewickelt werden müssen. In diesem
Erweiterung der aktuell geplanten Hochspan­ Zusammenhang sind vor allem das „Gesetz zur
nungs-Gleichstrom-Übertragungs-Vorhaben Beschleunigung von Investitionen“ vom 3. Dezember
(HGÜ-Vorhaben) rasch und einmalig zu beschließen. 2020 sowie das „Gesetz zur Änderung des Bundesbe­
darfsplangesetzes u. a. V.“ vom 25. Februar 2021 zu
Begründung: sehen. Während das erstgenannte Gesetz die erstins­
Eine an langfristigen Bedarfen ausgerichtete Netz­ tanzliche Zuständigkeit im Zusammenhang mit der
planung ist unerlässlich, um den erforderlichen Errichtung, dem Betrieb und der Änderung von
Ausbau kosteneffizient und rechtzeitig durchführen Windenergieanlagen auf die Oberverwaltungsge­
zu können. Die bisher verfolgte Strategie einer richte (OVG) übertragen und damit den Instanzentzug

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verkürzt hat, wurden mit dem „Gesetz zur Änderung 19 Fernwärme dekarbonisieren
des Bundesbedarfsplangesetzes“ 35 neue bundes­
weite Netzausbauvorhaben im Zusammenhang mit Die Nutzung der Fern- und Nahwärme wird bis 2030
der Energiewende in den Gesetzeskatalog aufgenom­ um 50 Prozent auf über acht Millionen angeschlos­
men. Gleichzeitig wurden dem Bundesverwaltungs­ sene Haushalte gesteigert; durch den verstärkten
gericht (BVerwG) neben der Vereinfachung der Einsatz von Großwärmepumpen, Solarthermie,
Planfeststellung sowohl die erst- als auch die letzt­ Geothermie, industrieller Abwärme und grünem
instanzliche Zuständigkeit übertragen. Das BVerwG Wasserstoff wird der Anteil klimafreundlicher
entscheidet in diesen Fällen endgültig, sodass ein Wärmeerzeugung verdoppelt. Der Ausbau der
langwieriger Rechtsweg nicht mehr gegeben ist und Fernwärme und ihre Dekarbonisierung wird mit
die Verfahren schneller erledigt werden. Die Ände­ 1,5 Milliarden Euro jährlich gefördert. Wegen der
rungen reduzieren die verwaltungsgerichtlichen Monopolstellung von Fernwärmenetzbetreibern wird
Instanzen, sie erhöhen aber die Arbeitsbelastung bei eine Preisregulierung eingeführt.
den OVG und insbesondere beim BVerwG erheblich.
Hintergrund
Regelungsvorschlag: Der Ausbau leitungsgebundener Wärmenetze ist ein
Um der Mehrbelastung der OVG und des BVerwG, das zentraler Baustein zur Reduzierung des Endenergie­
sowohl zweit- als auch erstinstanzlich tätig wird, verbrauchs im Gebäudebestand. Wärmenetze ermögli­
gerecht zu werden, werden zwei zusätzliche Senate chen den sozialverträglichen Transport von klima­
beim Bundesverwaltungsgericht geschaffen, die sich freundlich gewonnener Wärme in verdichtete
ausschließlich mit energierechtlichen Klageverfahren Ballungsräume, in denen CO2-freie Einzelheizungs­
befassen. Nur so kann auf dem Gebiet des Energier­ lösungen an ihre Grenzen stoßen. Zudem stellen sie
echts dem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung eines eine günstige Variante für die zeitliche Flexibilisierung
effektiven Rechtsschutzes (Art. 19, Abs. 4, S. 1 GG) in der Nutzung von Strom aus Erneuerbaren Energien dar
angemessener Weise Rechnung getragen werden. und erlauben es, Abwärme aus Industrie, Müllverbren­
nung und Geothermie nutzbar zu machen. Die „Verord­
Begründung: nung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung
Nach ständiger Rechtsprechung hat der Staat die mit Fernwärme“ (AVBFernwärmeV) wurde jedoch seit
Justiz so auszustatten, dass sie die anstehenden den 1980er Jahren kaum verändert. Vorgaben des
Verfahren ohne vermeidbare Verzögerungen, mit der Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und der Grund­
gebotenen Beschleunigung und in angemessener Zeit versorgungsverordnungen für Strom (StromGVV) und
bearbeiten und bescheiden kann. Die absehbar Gas (GasGVV) wurden nicht übernommen, weswegen
erhöhte Arbeitsbelastung bei den Oberverwaltungs­ Vorgaben zur Entwicklung und Beschaffenheit der
gerichten und beim Bundesverwaltungsgericht birgt Netze, zur Erzeugung der Wärme und zur Preisbildung
jedoch die Gefahr, dass das Bundesverwaltungsgericht fehlen. Diese gilt es zu formulieren, bevor der Fernwär­
angesichts der bereits bestehenden Belastung künftig meanteil am Endenergieverbrauch von Wohngebäu­
zum „Flaschenhals“ bei den Klageverfahren wird. Im den auf 16 Prozent bis 2030 (26 Prozent bis 2045) und
Hinblick auf die für die Energiewende erhöhten im Nichtwohngebäudebereich bis 2030 auf 14 Prozent
Anforderungen kann der durch das Grundgesetz (32 Prozent bis 2045) gesteigert werden kann.
geschützte Anspruch auf Gewährung eines effektiven
Rechtsschutzes nur durch zusätzliche, allein auf das Regelungsvorschlag
Energierecht fokussierte Senate erfüllt werden. Der Bund beschließt ein Ausbauziel für Fern- und
Nahwärme, wodurch der Anteil der mit Fernwärme
beheizten Wohnfläche bis 2030 um fast 50 Prozent

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IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

auf über acht Millionen Haushaltsanschlüsse und bis Aus- und Umbau der leitungsgebundenen Netzinfra­
2050 um fast 140 Prozent steigt. Mindestanteile für struktur bei gleichzeitiger Stärkung des Wettbewerbs.
Erneuerbare Energien und Abwärme in Wärmenetzen Das Herauslösen der Förderung aus dem KWKG
werden ordnungsrechtlich festgelegt, der Einsatz von verhindert eine deutliche Erhöhung des Strompreises.
Biomasse auf 20 Prozent begrenzt. Wärmeversorger Instrumente wie eine staatliche Preisregulierung und
werden zur Entwicklung und Umsetzung strategi­ Transparenzverpflichtungen der Fernwärmeversorger
scher Netztransformationspläne verpflichtet. Anfor­ (etwa zur ökologischen Qualität der Fernwärme)
derungen an die zu verwendende Methodik, an gewährleisten darüber hinaus die Akzeptanz der
Prüfung und Genehmigung der Pläne sowie zum Bevölkerung gegenüber dem Energieträger Fern­
Monitoring der Maßnahmen sind im Rahmen einer wärme, insbesondere wenn Gebäudeeigentümerinnen
Verordnung zu regeln. Die Trennung von Netz und und -eigentümer zur Abnahme verpflichtet werden.
Betrieb und die Öffnung der Netze trägt zur Erschlie­
ßung alternativer und erneuerbarer Wärmequellen Der Vorschlag stützt sich auf:
bei, insbesondere wenn Betreiber klimafreundlich
erzeugter Wärme einen Vorranganspruch auf den Agora Energiewende (2021): Ein Gebäudekonsens für
Netzanschluss sowie für die Abnahme und Vergütung Klimaneutralität. 10 Eckpunkte wie wir bezahlbaren
ihrer Wärme durch den Netzbetreiber erhalten. Wohnraum und Klimaneutralität 2045 zusammen
erreichen
Der Ausbau der Wärmenetze und ihre Dekarbonisie­
rung, insbesondere in Ballungsgebieten, wird mit Öko-Institut/Hamburg-Institut (2021): Agenda
1,5 Milliarden Euro jährlich gefördert. Ein wettbe­ Wärmewende 2021. Studie im Auftrag von Stiftung
werbliches Ausschreibungsmodell (Fördervolumen Klimaneutralität und Agora Energiewende
200 Millionen Euro pro Auktion) mit mehreren
Zieltranchen (zum Beispiel Netzverknüpfung) wird
eingeführt. Zur Vermeidung deutlicher Strompreiser­ 20 Versorgungssicherheit gewährleisten
höhungen erfolgt die Finanzierung außerhalb des
KWKG. Die fossile KWK-Vergütung wird in klima­ Die Versorgungssicherheit wird durch das bestehende
neutrale Brennstoffe umgelenkt. Zur Sicherstellung Strommarktdesign, die Reserven und das kontinuier­
einer sozialverträglichen Preisgestaltung werden eine liche Monitoring der Bundesnetzagentur gewährleis­
Missbrauchskontrolle und eine unabhängige Preis­ tet. Alle neuen Gaskraftwerke müssen wasserstoff­
aufsicht eingeführt. ready sein, sodass der Brennstoff zukünftig von
Erdgas auf Wasserstoff umgestellt werden kann.
Begründung
Nah- und Fernwärmenetze bieten großes Potenzial Hintergrund:
für die Dekarbonisierung des Gebäudebestands, wenn Im Zuge des Kohleausstiegs wird bis 2030 ein Zubau
die rechtlichen, institutionellen und administrativen von 20 GW Gaskapazitäten notwendig sein, um die
Voraussetzungen für eine effektive Kontrolle der Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Das aktuelle
Fernwärmenetzbetreiber geschaffen werden. Eine Strommarktdesign ist darauf ausgelegt, dass diese
ordnungsrechtliche Absicherung des Ausbaus neuen Kapazitäten am Markt zugebaut werden. Zur
Erneuerbarer Energien in der Fernwärme, vor allem Gewährleistung der Versorgungssicherheit stehen
durch einen Mindestanteil für Erneuerbare Energien darüber hinaus mehrere Reserven zur Verfügung,
und Abwärme, kombiniert mit auskömmlichen deren Größe durch ein kontinuierliches Monitoring
Fördersätzen zur Absicherung ihres zügigen Wachs­ der Bundesnetzagentur angepasst wird. Dies wird
tums unterstützt den sozial- und klimaverträglichen auch in Zukunft im Rahmen des europäischen

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Strombinnenmarktes gewährleistet sein, wie ein erneuerbarer Wasserstoff absehbar knapp und
Gutachten der Prognos AG herausgestellt hat, das den vergleichsweise teuer, sodass ein sofortiger Einstieg
Umbau der Stromerzeugung entsprechend dem in die Wasserstoffverstromung in allen neuen
Klimaziel von mindestens minus 65 Prozent Treib­ Kraftwerken weder praktisch umsetzbar noch
hausgasemissionen bis 2030 untersucht hat. ökonomisch effizient wäre. Die Vorgabe einer
Wasserstoffkompatibilität vermeidet somit mögliche
Regelungsvorschlag: Stranded Assets.
Aktuell besteht kein Veränderungsbedarf im Rahmen
des Strommarktdesigns: Stromversorger werden auch Der Vorschlag stützt sich auf:
in Zukunft nur Strommengen verkaufen dürfen, die sie
sicher auf den Strommärkten akquirieren können. Aus Prognos (2021): Klimaneutralität und Versorgungssi-
der Verpflichtung zur Bilanzkreistreue verbunden mit cherheit im Strommarkt: Bewertung der Versorgungs-
sehr hohen Pönalen entsteht ein wirksamer Anreiz, sicherheit bis zum Jahr 2030 der Szenarien KN2050
sich Kapazitäten zu sichern. Dadurch werden die und KN2045 aus der Studie „Klimaneutrales Deutsch-
erforderlichen Investitionen in neue Gaskraftwerke land. Studie im Auftrag von Stiftung Klimaneutralität
ausgelöst. Hinzu kommt der über das KWK-Gesetz
geförderte Ausbau neuer Gas-KWK-Anlagen.
21 Klimaschutzverträge (Carbon
Damit alle neuen Kraftwerke spätestens ab 2040 auf ­Contracts for Difference) einführen
der Basis von Wasserstoff Strom produzieren können,
werden die Regelungen im Bundesimmissionsschutz­ Zur Finanzierung von klimaneutralen Technologien in
gesetz und im KWK-Gesetz dahingehend reformiert, der Grundstoffindustrie werden Klimaschutzverträge
dass eine Förderung von KWK-Anlagen beziehungs­ in Form von Carbon Contracts for Difference (CCfDs)
weise eine Genehmigung neuer Kraftwerke nur noch gesetzlich eingeführt. Diese finanzieren die Diffe­
dann erfolgt, wenn die Anlage technisch auch Was­ renzkosten zwischen der klimaneutralen Technologie
serstoff als Brennstoff einsetzen kann. und den am Markt erzielbaren Erlösen. Die Refinan­
zierung der Klimaschutzverträge wird durch ein
Begründung: geeignetes Instrument dauerhaft sichergestellt.
Ein vorgezogener Kohleausstieg spätestens 2030
erzeugt insbesondere im Bereich der Kraft-Wärme-­ Hintergrund:
Kopplung für die Fernwärmeversorgung einen In der energieintensiven Industrie stehen bis 2030
beschleunigten Handlungsdruck. Die bestehenden massive Reinvestitionen an. Um die Klimaziele im
Instrumente zur Absicherung der Versorgung Industriesektor zu erreichen, müssen diese genutzt
schützen das System vor Erzeugungsengpässen. Das werden, um klimaneutrale Schlüsseltechnologien
Strommarktdesign vermittelt ökonomisch wirksame einzuführen und eine Verlängerung der Lebensdauer
Anreize für die Bilanzkreistreue, das heißt, dass von CO2-intensiven Großanlagen zu verhindern.
Lieferanten bei Unterdeckung sehr hohen Kosten Heute ist der Einsatz neuer Technologien aufgrund
ausgesetzt sind und daher eine hinreichend hohe hoher Anschaffungs- und Betriebskosten jedoch oft
Zahlungsbereitschaft auch für die Finanzierung von nicht wirtschaftlich, da ihre Produktionskosten
Neuinvestitionen haben. deutlich über denen der konventionellen Referenz­
anlagen liegen. Die CO2-Minderungskosten liegen
Allerdings besteht das Risiko von Fehlinvestitionen, für die meisten Technologien deutlich über 100 Euro
wenn neu gebaute Kraftwerke nicht mit vollständiger pro Tonne CO2 und damit weit über dem CO2-Preis
Klimaneutralität kompatibel sind. Gleichzeitig ist im EU-ETS.

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IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Dieses Dilemma kann durch die Einführung projekt­ Mechanism (CBAM), kompatibel sind. Die jährliche
spezifischer Klimaschutzverträge (Carbon Contracts Förderhöhe wird dynamisch angepasst, sodass auch
for Difference) aufgelöst werden. Klimaschutzverträge schwankende Betriebskosten und sinkende Techno­
sind projektbezogene Verträge zwischen einem logiekosten abgebildet werden können. Dabei ist
Unternehmen und der öffentlichen Hand, die dem insbesondere die Anreizwirkung der Klimaschutz­
Unternehmen eine Zahlung für erreichte Emissions­ verträge auf die Herstellung und Lieferung von
minderungen garantieren, um so Anschaffung und klimaneutralem Wasserstoff angemessen abzubilden.
Betrieb klimafreundlicher Schlüsseltechnologien zu Die Vereinbarkeit des gesetzlichen Rahmens mit dem
ermöglichen. Im Zuge der Nationalen Wasserstoff­ EU-­Beihilferecht wird sichergestellt.
strategie erarbeitet das Bundesumweltministerium
derzeit ein Pilotprojekt für Klimaschutzverträge. Die Refinanzierung der Klimaschutzverträge wird
Hierbei sind Klimaschutzverträge als Instrument zur dauerhaft gewährleistet. Optionen sind ein dritter
Deckung der betrieblichen Mehrkosten geplant, wobei Mehrwertsteuersatz auf die jeweiligen Endprodukte,
eine Kumulierung mit Programmen der Investitions­ eine Klima-Umlage auf den inländischen Verbrauch
förderung angestrebt wird. dieser Endprodukte oder eine rechtlich abgesicherte
Haushaltsfinanzierung.
Regelungsvorschlag:
Innerhalb der ersten Hälfte der nächsten Legislatur­ Begründung:
periode wird ein nationaler Gesetzesrahmen für die Über die Einführung von Klimaschutzverträgen wird
breite Anwendung von Klimaschutzverträgen die breite Anwendung von klimaneutralen Schlüssel­
geschaffen. Das derzeit entwickelte Pilotprogramm technologien in der Industrie ermöglicht, die im
des Bundesumweltministeriums wird in diesen heutigen Marktumfeld keinen Business Case haben.
neuen gesetzlichen Rahmen überführt. Die Vergabe Klimaschutzverträge ergänzen dabei existierende
von Klimaschutzverträgen wird sukzessive zu einem Förderinstrumente, insbesondere Förderprogramme
Modell der branchenübergreifenden Ausschreibun­ zur Finanzierung der Kapitalkosten klimaneutraler
gen entwickelt. Zunächst wird für jede Branche ein Technologien.
zweistufiges Vergabeverfahren mit wettbewerblichen
Elementen im Sinne einer Ausschreibung etabliert. Es kommen insbesondere zwei Ausgestaltungsvarian­
Mittelfristig wird angestrebt, die Vergabe von ten für CCfD in Frage: CCfD, die die Kostendifferenz auf
Klimaschutzverträgen über branchenübergreifende der Produktseite der transformativen Produktionsver­
Ausschreibungen zu organisieren und das Instrument fahren ausgleichen, und CCfD, die auf der Inputseite
in einen EU-weiten Mechanismus zu überführen. ansetzen. Letztere fokussieren auf die Betriebskosten
und gleichen die Kostendifferenz für den Einsatz von
Laufzeit und Ausgestaltung der Klimaschutzverträge klimaneutralem Wasserstoff im Vergleich zu den sonst
orientieren sich an der Wirtschaftlichkeit der verwendeten Einsatzmaterialien, wie Erdgas, aus. Die
jeweiligen Anlagen. Innerhalb des gesetzlichen Verfügbarkeit von Herkunfts­nachweisen bildet eine
Rahmens wird festgelegt, wie Kapitalkosten (CAPEX) zentrale Voraussetzung, damit die anzulegenden
und Betriebskosten (OPEX) jeweils effizient gefördert Referenzkosten transparent ermittelt werden können.
werden. Klimaschutzverträge werden so konzipiert, Ergänzt werden diese CCfD durch eine Investitions­
dass sie schnell im gegebenen regulatorischen förderung für Anlageninvestitionen in transformative
Rahmen eingesetzt werden können, gleichzeitig aber Technologien, etwa für Direktreduktionsanlagen in der
mit den zu erwartenden Reformen des EU-ETS, wie Stahlindustrie.
zum Beispiel einer Anpassung der freien Zuteilungen
oder der Einführung eines Carbon Border Adjustment

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Bei produktbezogenen CCfD sollte die grundsätzliche eine Klima-Umlage von 100 Euro pro Tonne Stahl das
Eignung einzelner Technologien für eine Förderung Endprodukt um 100 Euro (< 1 Prozent) verteuern.
durch Klimaschutzverträge von verschiedenen
Kriterien abhängig gemacht werden. Dazu gehören Der Vorschlag stützt sich auf:
Verfügbarkeit und Reifegrad der Technologie, Synergie
mit dem Aufbau notwendiger Infrastrukturen und der Agora Energiewende, FutureCamp, Wuppertal
Energiewende insgesamt, Höhe des CO2-Einsparungs­ Institut und Ecologic (2021, i. E.): Klimaschutzver-
potenzials und der CO2-Minderungskosten sowie träge für die Industrietransformation
technologiespezifische Wechselwirkungen mit
bestehenden Förderinstrumenten und Regulierungen. Matthes, Felix Chr./Braungardt, Sibylle et al. (2021):
Geeignet für eine Förderung durch Klimaschutzver­ Die Wasserstoffstrategie 2.0 für Deutschland. Unter­
träge sind unter anderem die Stahlerzeugung auf Basis suchung des Öko-Instituts im Auftrag der Stiftung
der Eisendirektreduktion mit erneuerbarem Wasser­ Klimaneutralität
stoff über einen Einstieg mit Erdgas und gegebenen­
falls CCS-basiertem Wasserstoff, der Einsatz von
erneuerbarem Wasserstoff zur Herstellung von 22 Investitionen durch beschleunigte
Ammoniak sowie der Einsatz von Zementprodukti­ Abschreibungen fördern
onsanlagen mit CO2-Abscheidung auf Basis des
Oxyfuel-Verfahrens. Neben den genannten Prozessen Investitionen in Klimaschutz- und Hocheffizienz­
der direkten CO2-Vermeidung können über Klima­ technologien in der Industrie werden durch Investiti­
schutzverträge aber auch die Elektrifizierung großer onszuschüsse und beschleunigte Abschreibungen
Industrieanlagen, wie zum Beispiel Steam­cracker, und gefördert.
andere Technologien gefördert werden.
Hintergrund:
In Bezug auf die Finanzierung der betrieblichen Eine deutlich verbesserte Energieeffizienz und der
Mehrkosten erfordert eine oft lange Laufzeit der Ersatz fossiler Energieträger durch erneuerbaren
Klimaschutzverträge finanzielle Planungssicherheit – Strom sind wesentliche Hebel zur Erreichung der
unabhängig von Konjunkturverläufen und Legisla­ Klimaziele im Industriesektor. Allerdings ist die
turperioden. Eine dauerhafte Sicherstellung der Bilanz der letzten Jahre wenig erfolgversprechend:
Refinanzierung der Klimaschutzverträge ist daher Der Energieverbrauch der Industrie ist seit dem Jahr
zentral. Neben einer Finanzierung über den allgemei­ 2000 um mehr als zehn Prozent gestiegen. Zudem
nen Staatshaushalt kommen insbesondere zwei wachsen die Bruttoanlageinvestitionen in Deutsch­
verursachergerechte Optionen in Betracht: Eine land seit Jahren deutlich langsamer als die gesamte
Klima-Umlage auf ausgewählte Materialien und Wirtschaftsleistung. Dadurch wird der Anlagenbe­
deren Produkte (Stahl, Plastik, Aluminium und stand in der Industrie immer älter. Es gilt daher,
Zement) oder ein dritter, höherer Mehrwertsteuersatz Investitionen in besonders effiziente und flexible
auf diese Produkte. Entscheidend ist dabei jeweils, Technologien zusätzlich anzureizen.
dass aus Wettbewerbsgründen der Verbrauch der
Materialien zur Refinanzierung herangezogen Regelungsvorschlag:
wird – unabhängig davon, ob die Produkte im Inland Die „Bundesförderung für Energieeffizienz in der
hergestellt oder importiert wurden. Die Mehrkosten Wirtschaft – Zuschuss und Kredit“ wird auf 500 Mil­
für den Endverbrauchenden wären im Vergleich zum lionen Euro jährlich erhöht und zeitlich verlängert.
Produkt gering: Bei einem kleinen Pkw mit einem Hocheffiziente Querschnittstechnologien erhalten
Anteil von einer Tonne Stahl würde beispielsweise gezielte Förderung. Die „Bundesförderung für Ener­

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gieeffizienz in der Wirtschaft – Förderwettbewerb“ Die heutige Gestaltung der Netzentgeltsystematik ist
wird verdreifacht. Die steuerlichen Abschreibungs­ jedoch maßgeblich auf unflexiblen Verbrauch
fristen auf klimaneutralitätsdienliche Effizienzin­ ausgerichtet: Konstanter Bandbezug wird belohnt,
vestitionen werden um fünf Jahre verkürzt, soweit Flexibilität bestraft. Die resultierenden Verzerrungen
diese den spezifischen CO2-Ausstoß um mehr als sind so erheblich, dass eine Verbrauchsorientierung
20 Prozent senken oder den spezifischen Energieein­ entlang der Großhandelsstrompreise – und damit dem
satz um 15 Prozent reduzieren. Die Verkürzung gilt EE-Angebot – nahezu vollständig entfällt. Diese
auch dann, wenn die Maßnahme fossile Brennstoffe Regelungen stehen Industrieunternehmen im Weg,
durch Strom oder Abwärme ersetzt oder wenn die die stärker auf Elektrifizierung setzen wollen.
Stromnachfrage systemdienlich flexibilisiert wird. Ähnliche Schwierigkeiten bestehen bezüglich des
privaten Aufbaus öffentlicher Ladeinfrastruktur.
Begründung: Durch geringe Auslastungen (insbesondere im
Bestehende Förderprogramme wie die „Bundesförde­ Hochlauf) entstehen durch hohe Ladeleistungen hohe
rung für Energieeffizienz in der Wirtschaft – Förder­ Netzentgelte, die jeden Business Case zerstören.
wettbewerb“ sind regelmäßig deutlich überzeichnet.
Eine Aufstockung der Programme ist daher notwendig. Regelungsvorschlag:
Insbesondere das Umrüsten auf hocheffiziente Die Netzentgelte werden grundlegend reformiert.
Querschnittstechnologien wie Pumpen, Ventilatoren Neben der Klärung der Grundsatzfrage, welche
und Kompressoren sowie der Wechsel auf erneuerbare Kundengruppe (auch innerhalb der industriellen
Prozesswärme stärken nachhaltig den Wirtschafts­ Verbraucher) welche Netzkosten zu tragen hat, muss
standort Deutschland. Beschleunigte Abschreibungen die Entgeltstruktur so umgestaltet werden, dass diese
sind ein bewährtes Mittel, um Investitionen zeitnah Anreize für ein flexibles, systemdienliches Verhalten
und effektiv anzureizen. Die Verknüpfung mit klaren schaffen: Netzentlastender Strombezug bei hoher
Kriterien und Vorgaben stellt dabei sicher, dass EE-Erzeugung muss dabei günstiger werden. Der
Mitnahmeeffekte minimiert werden und Investitionen Kostenbeitrag der Nutzenden an den Netzkosten wird
voll mit dem Ziel Klimaneutralität kompatibel sind. weniger durch Jahresleistungspreise und mehr durch
Arbeitspreise dargestellt, die eine zeitvariable
Auslastung des Verteilnetzes widerspiegeln. Energie­
23 Netzentgelte reformieren intensive Industrieunternehmen brauchen interna­
tional wettbewerbsfähige Strompreise.
Die Stromnetzentgelte werden so reformiert, dass sie
der Industrie Anreize für Großwärmepumpen, Begründung:
Power-to-Heat und flexibles Lastmanagement geben. Die Netzkosten werden heute über eine verbrauchsab­
hängige Komponente (Arbeitspreis) und entsprechend
Hintergrund: den jährlichen Verbrauchsspitzen (Jahresleistungs­
Eine Flexibilisierung der industriellen Stromnachfrage preis) erhoben. Je größer der Stromverbrauch ist, desto
ist ein entscheidender Beitrag für die Systemintegra­ dominierender sind die Leistungspreise. Unter
tion hoher Anteile von Windenergie und PV-Strom. Einbezug der Ausnahmeregelungen ist ein flexibler
Dies gilt insbesondere für die volkswirtschaftlich Betrieb (neuer) Verbrauchseinrichtungen in der
effiziente Nutzung von Erzeugungsspitzen, zum Industrie wirtschaftlich unattraktiv. Ob – und wenn ja,
Beispiel für die Wärmeerzeugung (Power-to-Heat). wo und in welchem Umfang – dadurch Netzengpässe
Strom muss dann genutzt werden, wenn es systemisch und Ausbaubedarf entstehen, ist von der Bepreisung
sinnvoll ist. Der Netzverfügbarkeit und den Netzent­ heute gänzlich losgelöst – das heißt, der Zusammen­
gelten kommt deshalb entsprechende Bedeutung zu. hang besteht nur über alle Netzkundinnen und -kun­

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den ohne Berücksichtigung der Örtlichkeit und zirkulären Wirtschaft möglichst geschlossen werden.
tatsächlichen zeitlichen Nutzung. Aktuell sind die In CO2-intensiven Grundstoffindustrien (Zement,
Regelungen so, dass es betriebswirtschaftlich von Stahl, Plastik und Aluminium) können Treibhausgas­
Nachteil sein kann, eine industrielle Anlagenkapazität emissionen so um schätzungsweise 40 Prozent
entsprechend den Stromgroßhandelspreisen auszu­ reduziert werden.
nutzen, obwohl dies im Sinne des Gesamtsystems
wäre. Ein besonderes Hindernis stellen dabei die Die Europäische Kommission unterstreicht die
Regelungen für die Netzentgelt-Ermäßigungen dar Bedeutung der Kreislaufwirtschaft im Rahmen des
(zum Beispiel 7.000-Stunden-Schwelle). Eine Reform European Green Deal und des neuen Aktionsplans
der Netzentgeltstruktur trägt entsprechend dazu bei, Circular Economy; noch in diesem Jahr soll der
die Hindernisse der flexiblen Stromnutzung abzu­ Geltungsbereich der Ökodesign-Richtlinie über
bauen und gleichzeitig die Integration der Erneuerba­ energieverbrauchsrelevante Produkte hinaus
ren Energien kosteneffizient zu unterstützen. ausgeweitet werden. In Deutschland gibt es seit 2012
das Kreislaufwirtschaftsgesetz, das erst Ende 2020
novelliert wurde. Jedoch regelt es in erster Linie die
24 C
 ircular-Economy-Strategie Entsorgung von Abfällen. Mit dem Deutschen
­entwickeln Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess) hat sich
Deutschland 2012 erstmals Leitlinien zum Schutz
Es wird eine nationale Circular-Economy-Strategie natürlicher Ressourcen gegeben. Die zweite Fort­
(Kreislaufwirtschaftsstrategie) entwickelt, die die schreibung dieses Programms, ProgRess III, wurde
CO2-intensive Primärproduktion von Grundstoffen 2020 vom Bundeskabinett verabschiedet, jedoch
sowie die Abfallverbrennung reduziert und Ressour­ bleibt der Maßnahmenkatalog an vielen Stellen vage.
cen- und Kohlenstoffkreisläufe schließt. Trotz wichtiger Fortschritte in den letzten Jahren
fehlen eine umfassende Strategie und konkrete
UND Maßnahmen zum Aufbau einer ressourceneffizienten
Kreislaufwirtschaft.

25 Produktspezifische Regelungsvorschlag:
­Nachhaltig­keitskriterien einführen Bis zum Jahr 2023 wird eine umfassende Circular-­
Economy-Strategie vorgelegt. Damit wird ein Hand­
Durch die Einführung von produktspezifischen lungsrahmen für den beschleunigten Aufbau einer
Nachhaltigkeitskriterien sowie Anforderungen an ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft geschaffen
Produktdesign und Recyclingfähigkeit werden das und es werden Prioritäten und Umsetzungsmaßnah­
Downcycling von Produkten und Treibhausgasemis­ men für die nächsten Jahre definiert.
sionen reduziert. Über eine digitale Kennzeichnung
werden Produkt- und Nachhaltigkeitseigenschaften Die Wieder- und Weiterverwendung von Grundstof­
vergleichbar und transparent gemacht. fen, zum Beispiel Stahl, Kunststoffe und Zement,
werden durch Recyclingvorschriften erleichtert. Der
Hintergrund: Geltungsbereich der Ökodesign-Richtlinie wird
Die Materialwirtschaft verursacht etwa 50 Prozent ausgeweitet und deckt künftig auch Erzeugnisse der
der globalen Treibhausgasemissionen. Ein wesentli­ CO2-intensiven Grundstoffindustrien ab. Anforde­
cher Teil dieser Emissionen und des Rohstoffbedarfs rungen an Produktdesign, Materialeffizienz und
kann vermieden werden, indem Materialien effizien­ Recyclingfähigkeit werden erhöht. Höhere Recy­
ter eingesetzt werden und Stoffströme im Sinne einer clingquoten von Grundstoffen werden durch die

44
IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

regulatorische Berücksichtigung von neuen Verfah­ 26 L eitmärkte für grüne Materialien


ren wie dem chemischen Recycling oder dem schaffen
Zementrecycling ermöglicht. Um die Kreislauffüh­
rung von Baumaterialien sowie Materialeffizienz Zur Schaffung von Leitmärkten für grüne Materialien
und -substitution zu erhöhen, werden Vorschriften und Produkte insbesondere in der Bauindustrie wird
und Normen grundlegend überarbeitet. Für die Beschaffung der öffentlichen Hand konsequent
bestimmte Materialströme werden Deponieverbote auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit ausgerichtet.
beziehungsweise Gebühren erhoben. Quoten für klimaneutrale Materialien und andere
nachfrageseitige Instrumente können dies ergänzen.
Ein digitaler Produktpass mit standardisierten
Produkt- und Nachhaltigkeitsinformationen für Hintergrund:
möglichst viele Produkte wird etabliert. Klimaneutrale Grundstoffe sind auf absehbare Zeit
teurer als konventionell produzierte Grundstoffe. Für
Begründung: diese Preisdifferenz gibt es heute auf internationalen
Beim Design von Produkten wird heute kaum Märkten noch keine Zahlungsbereitschaft – was auch
Rücksicht auf die Materialnutzung nach dem Pro­ an einer mangelnden Definition klimaneutraler
dukt-Lebensende genommen, was Recycling und Produkte und dem Fehlen eines entsprechenden
Wiederverwendung von Bauteilen stark einschränkt. transparenten Labellings liegt. Zwar kann die Politik
Produktspezifische Vorschriften für die Wieder- und einen Teil der Preisdifferenz kurz- bis mittelfristig
Weiterverwendungsfähigkeit von Materialien/ durch angebotsseitige Instrumente übernehmen und
Produkten sind deshalb notwendig. So können so die Produktion ankurbeln; langfristig müssen
Stoffkreisläufe geschlossen und die CO2-intensive jedoch Leitmärkte für grüne Materialien und Pro­
Primärproduktion kann reduziert werden. Eine der dukte etabliert werden. Durch den ergänzenden
größten Herausforderungen für die Kreislaufführung Einsatz von nachfrageseitigen Instrumenten können
ist die mangelnde Qualität und Verfügbarkeit von Leitmärkte aufgebaut, staatliche Ausgaben verringert
Produkt- und Nachhaltigkeitsdaten, zum Beispiel und die Einführung neuer Produktionsmethoden
hinsichtlich der Recyclingfähigkeit sowie CO2-Inten­ beschleunigt werden.
sität von Produktinputs. Ein digitaler Produktpass,
der Informationen über eingesetzte Materialien und Einen wesentlichen Beitrag dazu kann die öffentliche
Komponenten, Lebenszyklusemissionen, Reparier­ Beschaffung leisten. Deren Ausgabenvolumen beträgt
barkeit und Entsorgung in einem standardisierten etwa 500 Milliarden Euro pro Jahr. Teilweise müssen
und vergleichbaren Format zusammenfasst, kann es öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffung
Akteuren in Wertschöpfungs- und Lieferketten bestimmter Leistungen oder Produkte bereits
ermöglichen, gemeinsam auf eine Kreislaufwirtschaft Umweltanforderungen berücksichtigen, zum Beispiel
hinzuarbeiten. Digitale Produktpässe sollten daher sind bei der Beschaffung von Straßenfahrzeugen
auf europäischer Ebene zügig angegangen werden. Nachhaltigkeitskriterien zu berücksichtigen. Beste­
hende Vorgaben reichen jedoch bei Weitem nicht aus,
Der Vorschlag stützt sich auf: um bis zum Jahr 2030 eine klimaneutrale Bundesver­
waltung zu erreichen.
Agora Energiewende und Wuppertal Institut (2020):
Breakthrough Strategies for Climate-Neutral Industry Regelungsvorschlag:
in Europe In einem ersten Schritt werden Umweltdeklarationen
für ausgewählte Wertschöpfungsketten sowie ein
standardisiertes Bewertungssystem für den Vergleich

45
Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

des CO2-Gehalts von Basismaterialien verpflichtend untersuchungen durchzuführen und zu beurteilen,


gemacht, um Emissionsdaten von Materialien und welche Lieferanten die besten Nachhaltigkeitsleis­
Zwischenprodukten entlang der Wertschöpfungsket­ tungen erbringen. Die Schaffung eines entsprechen­
ten zu erhalten. Aufbauend auf diesen Daten können den transparenten Labellings ist daher ein wichtiger
freiwillige Leitmärkte für klimaneutrale Produkte erster Schritt, bevor in einem zweiten Schritt politi­
und Wertschöpfungsketten entstehen. In einem sche Instrumente die Wertschöpfungsketten insge­
zweiten Schritt werden politische Instrumente zur samt behandeln können. Beide Vorschläge sollten mit
Schaffung grüner Leitmärkte auf nationaler und der Einführung digitaler Produktpässe verknüpft
europäischer Ebene vorbereitet, geprüft und einge­ werden (vgl. Ziffer 25).
führt. Optionen sind Grenzwerte für die Lebenszyk­
lusemissionen materialintensiver Endprodukte, Verpflichtende Nachhaltigkeitskriterien innerhalb
Quoten für den Anteil klimaneutraler/recycelter der öffentlichen Beschaffung flankieren die Einfüh­
Materialien in Endprodukten sowie geänderte rung eines CO2-Schattenpreises für die öffentliche
Bau- und Produktnormen. Verwaltung. Denn selbst bei hohen Schattenpreisen
kann der Anteil der CO2-Kosten an den Gesamtpro­
Mit dem Ziel einer klimaneutralen öffentlichen jektkosten sehr niedrig sein. Deshalb sind verpflicht­
Verwaltung bis 2030 wird die Beschaffung der ende Kriterien für die öffentliche Auftragsvergabe
öffentlichen Hand schrittweise und über alle Berei­ erforderlich, um strukturelle Veränderungen voran­
che hinweg konsequent auf Nachhaltigkeit ausge­ zutreiben.
richtet; Nachhaltigkeitskriterien sind bei der
Zuschlagsvergabe verbindlich zu berücksichtigen. Der Vorschlag stützt sich unter anderem auf:
Die dafür relevanten Gesetze werden angepasst. Die
Bereiche Bau(-teile) und Transport werden zeitlich University of Cambridge Institute of Sustainability
priorisiert. Für Bau- und Infrastrukturvorhaben des Leadership (CISL) und Agora Energiewende (2021):
Bundes werden materialspezifische Kriterien für Tomorrow’s markets today: Scaling up demand for
Baumaterialien eingeführt, etwa steigende Mindest­ climate neutral basic materials and products
quoten für die Verwendung von klimaneutralen
beziehungsweise recycelten Materialien.
27 CCS-Strategie erarbeiten
Begründung:
Damit Maßnahmen zur beschleunigten Entwicklung Es wird eine Strategie für CO2-Abscheidung und
grüner Leitmärkte wirksam umgesetzt werden Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS)
können, müssen Emissionsdaten von Materialien und erarbeitet, die in Zusammenarbeit mit anderen
Zwischenprodukten entlang von Wertschöpfungs­ Ländern Europas ab 2030 für die nicht vermeidbaren
ketten verfügbar sein. Dies kann in einem ersten Restemissionen (maximal 5 Prozent) einen Ausgleich
Schritt über die verpflichtende Anwendung von schafft und den Weg für Negativemissionen ebnet,
Umweltdeklarationen für ausgewählte Wertschöp­ damit 2045 Klimaneutralität erreicht werden kann.
fungsketten sowie die Einführung eines standardi­
sierten Bewertungssystems für den Vergleich des Hintergrund:
CO2-Gehalts von Basismaterialien geschehen. Dies ist Klimaneutralität erfordert, dass nicht vermeidbare
besonders für kleine und mittlere Unternehmen Prozessemissionen, zum Beispiel in der Zementin­
(KMUs) von Bedeutung, die ohne ein zuverlässiges dustrie, abgeschieden und gespeichert werden; diese
und standardisiertes Label oder ein anderes Informa­ machen 2045 16 Millionen Tonnen CO2-Äq aus. Außer­
tionstool kaum in der Lage sind, detaillierte Markt­ dem müssen nicht vermeidbare Restemissionen, die

46
IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

sich nicht abscheiden lassen, kompensiert werden. zwischen der EU und Staaten wie Norwegen und
Diese Restemissionen betragen im Jahr 2045 63 Mil­ Großbritannien, die für die Speicherung von CO2
lionen Tonnen CO2-Äq – das entspricht fünf Prozent auch aus der EU infrage kommen. Hierfür sind eine
der Emissionen des Jahres 1990. Sie stammen enge europäische Zusammenarbeit und eine gesell­
überwiegend aus der Landwirtschaft (41 Mio. t CO2-Äq) schaftlich breit unterstützte, langfristige Strategie
und der Industrie (14 Mio. t CO2-Äq). erforderlich.

Der Ausgleich dieser Emissionen erfolgt über Tech­


nologien und Strategien zur Erzielung negativer 28 Biomasse-Strategie entwickeln
Emissionen: Dazu gehört die Bioenergienutzung mit
CO2-Abscheidung und Speicherung (BECCS), die Es wird eine Biomasse-Strategie erarbeitet, die sich
direkte CO2-Abscheidung aus der Umgebungsluft mit auf eine Analyse des nachhaltigen Biomassepotenzi­
anschließender Speicherung (DACCS) sowie die als in Deutschland stützt, konkurrierende Nutzungs­
Kohlenstoffspeicherung in langlebigen Produkten. alternativen berücksichtigt und damit auch den
Einsatz von Bioenergienutzung mit CCS (BECCS) in
Insgesamt entsteht ein jährlicher CO2-Einlagerungs­ der Industrie regelt.
bedarf von 73 Millionen Tonnen CO2-Äq. Um mit
diesen jährlichen Mengen verantwortungsbewusst Hintergrund:
und umweltverträglich umgehen zu können, ist ein Als vielfältig einsetzbarer Rohstoff und Energieträger
langfristig durchdachtes und europäisch abgestimm­ spielt Biomasse eine entscheidende Rolle für die
tes Vorgehen geboten. Erreichung des Ziels der Klimaneutralität. Beim
Anbau unterschiedlicher Formen von Biomasse wird
Regelungsvorschlag: der Atmosphäre CO2 entzogen, das anschließend in
Es wird eine CCS-Strategie erarbeitet, die in Zusam­ Pflanzen, Böden und langlebigen Produkten gespei­
menarbeit mit anderen Ländern Europas ab 2030 für chert werden kann. Zu den künftigen Einsatzmög­
die nicht vermeidbaren Restemissionen (maximal lichkeiten zählen die langfristige stoffliche Nutzung
5 Prozent) einen Ausgleich schafft. durch den Einsatz als Bau- und Dämmstoff und die
Herstellung von chemischen Produkten, die Verwen­
Mit dem Aufbau einer europäischen CO2-Infrastruk­ dung von Pflanzenkohle zur Bodenverbesserung in
tur wird zügig begonnen. Auf europäischer Ebene der Land- und Forstwirtschaft sowie die Verwen­
setzt sich Deutschland für die Einbeziehung von dung als Brennstoff mit anschließender CO2-Ab­
CO2-Lagerstätten in die TEN-E-Regulierung und die scheidung und Speicherung (BECCS). Die bisherige
rasche Entwicklung eines europäischen Rechtsrah­ Verwendung als Biokraftstoff wird in den kommen­
mens für die CO2-Speicherung ein. den Jahren sukzessive beendet, da der Verkehrssektor
vollständig auf Elektromobilität beziehungsweise in
Begründung: Schiffen und Flugzeugen auf Wasserstoff/Power-to-­
Um die Abscheidung, den Transport und die langfris­ Liquid setzen wird.
tige Lagerung der erwarteten Emissionsmengen zu
ermöglichen, bedarf es, neben den Abscheidetechno­ Doch es gibt vielfältige Herausforderungen: Das
logien an Industriestandorten selbst, einer grenz­ Angebot nachhaltiger Biomasse ist stark begrenzt.
überschreitenden CO2-Infrastruktur, geeigneter Auch wird die Senkenleistung der Waldfläche in
Lagerungskapazitäten und eines europäischen Deutschland in den 2020er-Jahren voraussichtlich
Rechtsrahmens. Insbesondere existieren bisher deutlich abnehmen, nicht zuletzt aufgrund des
keine Verträge zur Absicherung langfristiger Risiken fortschreitenden Klimawandels.

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Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Regelungsvorschlag: brennerfahrzeugen beseitigt. Auf europäischer Ebene


Es wird eine umfassende Strategie zur Erzeugung, setzt sich die Bundesregierung für deutlich ambitio­
Nutzung und Förderung nachhaltiger Biomasse niertere CO2-Flottengrenzwerte ein.
erarbeitet, die sich auf eine Analyse des nachhaltigen
Biomassepotenzials in Deutschland stützt, konkur­ Hintergrund:
rierende Nutzungsalternativen berücksichtigt und Der Pkw-Verkehr nimmt mit einem Anteil von rund
damit auch den Einsatz von Bioenergienutzung mit zwei Dritteln der THG-Emissionen eine Schlüsselrolle
CCS (BECCS) in der Industrie regelt. für die Erreichung der Minderungsziele im Verkehrs­
sektor ein. Um das Sektorziel im Verkehr bis 2030 zu
Begründung: erreichen, sind mindestens 14 Millionen Elektroautos
Die heutige Erzeugung und Nutzung von Biomasse ist im Fahrzeugbestand notwendig. Die aktuellen Instru­
nicht mit den Anforderungen der Klimaneutralität mente reichen nicht aus, um diese Zielmarke zu
vereinbar. Eine Strategie, die einen verbindlichen erreichen. Auf nationaler Ebene sind dies unter
Handlungsrahmen schafft und Maßnahmen identifi­ anderen die Kaufprämie für batterieelektrische
ziert, ist deshalb erforderlich. Diese Strategie muss Fahrzeuge und Steuerprivilegien für privat genutzte
sich auf eine Analyse des nachhaltigen Biomassepo­ Elektro-Dienstwagen. Die Kfz-Steuer wurde einer
tenzials in Deutschland stützen und konkurrierende kaum wirksamen CO2-orientierten Reform unterzo­
Nutzungsalternativen berücksichtigen. Dabei muss gen. Eine weitere Reform in Richtung einer stärkeren
insbesondere das Spannungsfeld zwischen der Differenzierung nach CO2 hat die Bundesregierung im
Schonung von Flächen und der energetischen und Rahmen ihres Klimapakts Deutschland angekündigt.
stofflichen Nutzung von Biomasse vor dem Hinter­
grund begrenzter Flächenverfügbarkeit adressiert Die europäischen Flottengrenzwerte sind das zentrale
werden. Bisherige energetische Biomassenutzungen angebotsseitige Instrument zur Minderung der
wie Biokraftstoffe und Biogas werden abgelöst durch durchschnittlichen CO2-Emissionen neuer Pkw und
Kurzumtriebsplantagen und den Einsatz von Biomas­ Nutzfahrzeuge. Das Minderungsziel für Pkw bezie­
se-CCS. Es müssen außerdem strenge Nachhaltig­ hungsweise leichte Nutzfahrzeuge liegt in der derzei­
keitskriterien für Biomasse allgemein definiert tigen Fassung bei 15 Prozent bis 2025 und 37,5 Prozent
werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass der beziehungsweise 31 Prozent bis 2030. Im Rahmen des
Einsatz großer Mengen an Biomasse nicht auf Kosten EU-Green-Deal hat die Europäische Kommission
von Natur und Artenvielfalt, auch im internationalen angekündigt, die für 2023 vorgesehene Überprüfung
Kontext, erfolgt. der Flottengrenzwerte vorzuziehen und bis Juni 2021
einen Vorschlag zur Überarbeitung vorzulegen. Bei den
sich anschließenden Verhandlungen im Rat der EU
29 Bestand an Elektro-Pkw erhöhen kommt der Bundesregierung eine Schlüsselrolle zu.

Es werden die erforderlichen Instrumente geschaffen, Regelungsvorschlag:


um den Bestand an Elektro-Pkw bis 2030 auf Die Kfz-Steuer wird für neu zugelassene Fahrzeuge
mindestens 14 Millionen zu steigern. Die Kfz-Steuer beginnend mit dem Jahr 2023 so umgestaltet, dass sie
wird für neu zugelassene Fahrzeuge so umgestaltet, ein deutliches und sichtbares Preissignal beim
dass sie durch ein sichtbares Preissignal beim Fahrzeugkauf setzt. Maßgeblich für die Höhe des
Fahrzeugkauf eine deutliche Lenkungswirkung in jährlichen Steuersatzes von Verbrenner-Pkw ist
Richtung Elektro-Pkw entfaltet. Zudem werden im zukünftig allein der spezifische CO2-Ausstoß
Rahmen der Dienstwagenbesteuerung anfallende (Hubraum entfällt). Rein batterieelektrische Fahr­
klimaschädliche Subventionswirkungen bei Ver­ zeuge mit einem Ausstoß von null Gramm CO2/km

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IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

bleiben von der Kfz-Steuer ausgenommen; die werden nicht auf die Flottengrenzwerte angerechnet
aktuelle Befristung der Steuerbefreiung auf den und die im offiziellen Testverfahren für CO₂-Emissi­
31. Dezember 2030 wird aufgehoben. In Kombination onen verwendeten Annahmen für elektrische
mit degressiv gestalteten Kaufprämien für Niedrig- Fahranteile bei Plug-in-Hybriden werden auf ein
und Nullemissionsfahrzeuge ergibt sich so ein realistisches Niveau gebracht.
wirkmächtiges Bonus-Malus-System, das ohne
zusätzliche Steuermittel auskommt. Die finanzielle Begründung:
Förderung des Kaufs von Plug-in-Hybrid-Fahrzeu­ Die jüngste Reform der Kraftfahrzeugsteuer für
gen wird beendet oder an den Nachweis der tatsäch­ Neuzulassungen ab 2021 kann bestenfalls als Einstieg
lich im Fahrbetrieb anfallenden Emissionen bezie­ in ein wirkungsvolles Bonus-Malus-System
hungsweise des elektrischen Fahranteils gebunden. betrachtet werden. Aufgrund der nur geringen
Steuererhöhung kann nicht davon ausgegangen
Die Besteuerung der privaten Nutzung von Dienst- werden, dass ein nennenswerter Einfluss auf die
und Firmenwagen wird ökologisch reformiert. Kaufentscheidung erreicht wird. Mit Blick auf die
Bestehende implizite Subventionswirkungen für notwendige Effizienzverbesserung und Elektrifizie­
Verbrenner-Pkw werden beseitigt. Die finanziellen rung der Pkw-Flotte zeigen Erfahrungen aus anderen
Anreize zur Wahl emissionsarmer Fahrzeuge und zur Ländern Europas, dass die Nachfrage nach elektri­
verbrauchsarmen Nutzung werden sowohl aufseiten schen und hocheffizienten Pkw durch beim Fahr­
der Betriebe als auch aufseiten der Privatnutzenden zeugkauf ansetzende finanzielle Anreize wirksam
gestärkt. stimuliert werden kann.

Perspektivisch wird eine distanzbasierte Straßen­ Eine deutliche Erhöhung der Kfz-Steuer für Neufahr­
nutzungsgebühr für Pkw auf allen Straßen eingeführt, zeuge, die sich an den CO2-Emissionen eines Fahr­
die die sinkenden Einnahmen aus der Energiesteuer zeugs orientiert, kann eine spürbare Lenkungswir­
im Straßenverkehr kompensiert und zusätzliche kung in Richtung des Erwerbs von E-Pkw entfalten.
Mittel für den Ausbau des Umweltverbunds schafft. Auch die Fahrzeugeffizienz von Pkw mit Verbren­
Gleichzeitig setzt die Straßennutzungsgebühr nungsmotor wird angereizt. Fahrzeughaltende, die
Impulse für den Umstieg auf emissionsarme Ver­ ihre Kaufentscheidung in der Vergangenheit getrof­
kehrsmittel. fen haben, sind nicht betroffen.

Die Bundesregierung setzt sich auf europäischer Die Anpassung der CO2-Grenzwerte für 2025 und
Ebene dafür ein, dass im Rahmen der Überarbeitung 2030 und ein Ausphasen von Verbrennern bis
der EU-Verordnung für die Festsetzung von spätestens 2032 sind erforderlich, um das erhöhte
CO2-Emissionsnormen für neue Pkw und leichte Klimaziel für 2030 und das Klimaneutralitätsziel für
Nutzfahrzeuge der CO2-Grenzwert für 2030 auf 2045 zu erreichen. Dies erfordert auch in den Jahren
einen Wert von bis zu minus 75 Prozent im Vergleich vor 2030 bereits erhebliche Anstrengungen, um
zu 2021 verschärft wird. Eine weitere Absenkung auf schnell steigende Anteile an Null- und Niedrigemis­
null, also ein Ausphasen von Verbrennungsmotoren, sionsfahrzeugen auf den Markt zu bringen. Die
erfolgt bis spätestens 2032. Der Grenzwert für 2025 Anrechnung von Kraftstoffen ohne oder mit geringen
wird im Hinblick auf den erhöhten Grenzwert für Treibhausgasemissionen bei Fahrzeugstandards
2030 angepasst. Ebenfalls wird darauf hingewirkt, könnte technische Fortschritte bei Fahrzeugen
dass für die Zeit nach 2025 jahresscharfe Redukti­ verhindern und zu einer Vermischung verschiedener
onspfade und Zusatzgrenzwerte für Verbrennerfahr­ gesetzlicher Regulierungsebenen (Fahrzeuge und
zeuge eingeführt werden. Synthetische Kraftstoffe Kraftstoffe) führen. Zudem werden kohlenstoffarme

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Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Kraftstoffe auf absehbare Zeit knapp bleiben. Sie erhöhen und die Anrechnung synthetischer Kraft­
sollten daher hauptsächlich in Sektoren eingesetzt stoffe abzulehnen. Eine Pfadentscheidung für den
werden, in denen keine Alternativen verfügbar sind. Aufbau von Oberleitungen, Schnellladepunkten und/
oder Wasserstofftankstellen für elektrische Last- und
Der Vorschlag stützt sich unter anderem auf: Sattelzüge lässt sich besser auf der Grundlage von
Praxiswissen treffen. Deshalb sollten Innovations­
Agora Verkehrswende (2021): Hinweise zur Überar- korridore für elektrische Lkw der Zukunft aufgebaut
beitung der EU-Verordnung für die Festsetzung von werden.
CO₂-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen
und für neue leichte Nutzfahrzeuge (Verordnung (EU) Regelungsvorschlag:
2019/631) Im Rahmen der deutschen Umsetzung der Eurovig­
netten-Richtlinie wird eine CO2-Komponente in
Becker Büttner Held (2021): Europa- und verfas- Höhe von rund 200 Euro/Tonne CO2 angestrebt.
sungsrechtliche Fragestellungen bzgl. ausgewählter Zusätzlich wird die Infrastrukturkomponente der
klimapolitischer Instrumente im Verkehrssektor. Maut für elektrische Lkw auf das in der Eurovignet­
Rechtsgutachten im Auftrag der Stiftung Klimaneut­ ten-Richtlinie vorgesehene minimale Maß abge­
ralität senkt. Die Mautbefreiung für Erdgasfahrzeuge wird
aufgehoben.

30 Lkw-Fahrleistung elektrifizieren Die Bundesregierung stimmt auf EU-Ebene für die


Erhöhung des CO2-Minderungsziels für schwere
Mit dem Ziel, die Lkw-Fahrleistung bis 2030 zu Nutzfahrzeuge und gegen die Anrechnung von
einem Drittel CO2-frei zu erbringen, wird die Elektri­ strombasierten synthetischen Kraftstoffen und
fizierung von Lkw beschleunigt. Dies wird erreicht Biokraftstoffen.
über Entlastungen von emissionsfreien Fahrzeugen
bei der Lkw-Maut, durch eine Verschärfung der 300 bis 500 Kilometer lange Innovationskorridore
CO2-Flottengrenzwerte der EU sowie Innovations­ für elektrische Lkw der Zukunft werden mit Oberlei­
korridore für Lkw der Zukunft. Die Lkw-Maut wird tungen, Schnellladepunkten und Wasserstofftank­
auf alle Straßen ausgedehnt. stellen ausgestattet und ihr Betrieb wird koordiniert.

Hintergrund: Begründung:
Im Lkw-Verkehr spielen die Betriebskosten eine Für den Lkw-Verkehr ist die Einführung einer
entscheidende Rolle für Investitionen. Elektrische CO2-Komponente in der Lkw-Maut die zentrale
Lkw sind heute bereits von der Maut befreit. Auch Stellschraube, um auch für Transitverkehre durch
unter der neuen Eurovignetten-Richtlinie sollten Deutschland einen CO2-Preis sicherzustellen. Um
einerseits emissionsfreie Fahrzeuge möglichst eine möglichst weitreichende Anreizwirkung für den
weitgehend entlastet und andererseits Lkw mit Technologiewechsel zu erzeugen, sollte für die
Verbrennungsmotor über eine neue CO2-Komponente deutsche Umsetzung der Eurovignetten-Richtlinie
stärker belastet werden. Während bei kleineren und eine CO2-Komponente in Höhe von rund 200 Euro/
mittleren Lkw eine schnelle Elektrifizierung zu Tonne CO2 angestrebt werden. Zusammen mit der
erwarten ist, sind insbesondere große Last- und Absenkung der Infrastrukturkomponente der Maut
Sattelzüge kaum als elektrische Variante erhältlich. für elektrische Lkw auf das in der Eurovignetten-­
Damit Hersteller sie früher anbieten, ist das Ambiti­ Richtlinie vorgesehene minimale Maß können
onsniveau bei den CO2-Flottengrenzwerten der EU zu

50
IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

zusätzliche Kostenanreize für die Nutzung elektri­ gehört der schrittweise Ausbau von Vehicle to Grid,
scher Lkw geschaffen werden. also der Fähigkeit des bidirektionalen Ladens.

Die CO2-Flottengrenzwerte für schwere Nutzfahr­ Hintergrund:


zeuge wurden nicht mit der Aussicht einer weitge­ Der Aufbau von Ladeinfrastruktur wurde in den
henden Elektrifizierung dieses Fahrzeugsegments vergangenen Jahren deutlich beschleunigt und mit
festgelegt. Absehbar ist, dass es bei kleinen und erheblich mehr finanziellen Mitteln ausgestattet. Er
mittleren Lkw sowie Bussen recht schnell zu einem verläuft aber immer noch zu langsam, um mit dem für
weitreichenden Umstieg auf elektrische Antriebe 2030 prognostizierten Anteil von Elektromobilität im
kommt. Dies schwächt die CO2-Minderung bei Fahrzeugbestand Schritt zu halten. Derzeit gibt es
Verbrennerfahrzeugen und die Elektrifizierung rund 40.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte. Dem
insbesondere im Segment der Last- und Sattelzüge. steht ein Bedarf an öffentlich zugänglicher Ladeinf­
Eine Anhebung des Ambitionsniveaus stellt die rastruktur von 440.000 bis 840.000 Ladepunkten im
Wirksamkeit der Verordnung sicher. Die beiden Ziele Jahr 2030 (je nach Ladeinfrastruktur-Aufbau-­
Elektrifizierung und Effizienzsteigerung bei Ver­ Szenario) gegenüber.
brennern würden durch die Anrechnung von beson­
ders stromintensiven synthetischen Kraftstoffen und Der Aufbau von Ladeinfrastruktur erfordert die
Biokraftstoffen geschwächt. Die Anrechnung ist koordinierte Zusammenarbeit von vielen Akteuren:
deshalb abzulehnen. Bund und Länder müssen an einem Strang ziehen,
verschiedene Bereiche in städtischen Verwaltungen
Jede der drei Optionen für die Energieversorgung müssen sich abstimmen, die Akteure der Energie­
elektrischer Last- und Sattelzüge bringt eigene wirtschaft müssen sich mit den Akteuren des
Herausforderungen und jeweils hohe Investitionsbe­ Verkehrssektors auf die passenden energiewirt­
darfe mit sich. Jetzt gilt es, praktische Erfahrungen zu schaftlichen Rahmenbedingungen für Ladestrom
sammeln und ein besseres Verständnis der techni­ einigen; die Planungsprozesse für Ladeinfrastruktur­
schen und organisatorischen Möglichkeiten zu aufbau sind kompliziert und dauern oft zu lange.
gewinnen, um dann möglichst rasch eine Pfadent­
scheidung treffen zu können. Die Gründung der Leitstelle Ladeinfrastruktur im Jahr
2020 war ein wichtiger Schritt, um die Rahmenbe­
Der Vorschlag stützt sich unter anderem auf: dingungen für und die Förderung von Ladeinfra­
struktur langfristig strategischer anzugehen. Den­
Agora Energiewende/Agora Verkehrswende (2020): noch sind viele Gesetze mit Bezug zu Elektromobilität
Der Doppelte Booster: Vorschlag für ein zielgerichte­ und Ladeinfrastruktur bislang nicht optimal aufein­
tes 100-Milliarden-Wachstums- und Investitions­ ander abgestimmt. Dadurch entstehen Rechtsunsi­
programm cherheiten und Hemmnisse, die den Aufbau von
Ladeinfrastruktur weiter erschweren und verzögern.
Der bisherige Masterplan Ladeinfrastruktur war ein
31 B
 edarfsgerechten Ausbau der guter erster Schritt, wurde aber noch nicht vollstän­
­Ladeinfrastruktur langfristig sichern dig umgesetzt.

Der Masterplan Ladeinfrastruktur wird weiterentwi­ Regelungsvorschlag:


ckelt. Dieser enthält ein Zielbild für den Ausbau der Der Masterplan Ladeinfrastruktur wird fortgeschrie­
Ladeinfrastruktur und ein Instrumentenpaket, das ben und weiterentwickelt – mit einem Leitbild für
geeignet ist, die Ziele zu erreichen. Zum Zielbild den Ausbau der Ladeinfrastruktur und einem

51
Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

umfangreichen Instrumentenpaket –, um die gesetz­ werden. Schnellladen, also das Laden mit hohen
ten Ziele zu erreichen. Unter anderem sollen folgende Leistungen, wird so für Anbieter gerade während
Elemente berücksichtigt werden: des Hochlaufs von Elektromobilität teuer und
unattraktiv. Darüber hinaus führen die zwischen
→ Unternehmen: Die energierechtliche Abgrenzung den über 800 Verteilnetzbetreibern sehr unter­
verschiedener Ladevorgänge an Unternehmens- schiedlichen Netzentgelte zu unterschiedlichen
und Wohnstandorten wird stark vereinfacht. Investitionsbedingungen für Schnellladeinfra­
→ Unternehmen: Unternehmen werden systematisch struktur in verschiedenen Regionen.
in Ladeinfrastruktur-Förderprogrammen berück­ → Smart Charging und Vehicle-to-Grid: Die mit dem
sichtigt. Entwurf für das Steuerbare-Verbrauchseinrich­
→ Leistungspreise: Die sehr unterschiedlichen und tungen-Gesetz (SteuVerG) ursprünglich ange­
für die Schnellladeinfrastruktur insgesamt hinder­ strebte Reform des § 14a Energiewirtschaftsgesetz
lichen Leistungspreise des Netzes werden durch (EnWG) wäre kontraproduktiv für Elektroautobe­
einen bundesweit einheitlichen durchschnittlichen sitzende gewesen, da sie unter Umständen von
Netz-Arbeitspreis ersetzt. einer verbindlichen Abregelung des Stroms
→ Smart Charging und Vehicle to Grid: In der Strom­ betroffen gewesen wären. Gleichzeitig ermöglicht
netzentgeltverordnung (StromNEV) und im Ener­ sie nicht die für die Sektorkopplung essenziellen
giewirtschaftsgesetz (EnWG) werden zeitvariable flexiblen Tarife beziehungsweise die Einführung
Netztarife für Endkundinnen und Endkunden von Smart Charging. Langfristig ist bidirektionales
eingeführt, um Smart Charging zu ermöglichen. Laden für die Sektorkopplung wichtig.
Zusätzlich werden die technischen Voraussetzun­ → Carsharing: In der Ladesäulenverordnung (LSV)
gen geschaffen, um bidirektionales Laden zügig zu und den Förderrichtlinien des Bundes gibt es keine
etablieren. Berücksichtigung für den Aufbau von Ladeinfra­
→ E-Carsharing: Die Förderrichtlinien des Bundes strukturen für stationsbasiertes Carsharing auf
werden überarbeitet, sodass sie eine Förderung der öffentlichem Grund. Auch werden die Stellplätze
E-Mobilität bei Carsharing-Stellplätzen im nach dem Carsharing-Gesetz und den Landes-­
öffentlichen Raum ermöglichen. Der Bund unter­ Carsharing-Gesetzen von den Gemeinden nur für
stützt die Kommunen außerdem bei der Erarbei­ maximal acht Jahre einem Carsharing-Anbieter
tung von Konzepten, die die weitere Elektrifizie­ zugeteilt. Die Verträge, die Gemeinden mit Betrei­
rung der Carsharingflotten erleichtern und bern von Ladeinfrastruktur abschließen, haben
finanziell fördern. teilweise Laufzeiten von bis zu 20 Jahren. Somit
besteht hier mangelnde Planungssicherheit und
Begründung: eine Hürde für den Aufbau und Betrieb von
→ Unternehmen: Die momentanen Regeln zur Ladeinfrastruktur für eine besonders sinnvolle Art
EEG-Abgrenzung erschweren den Aufbau von der Pkw-Nutzung.
Ladeinfrastruktur in Unternehmen, weil dadurch
für Unternehmen mit EEG-Privilegierung finanzi­ Der Vorschlag stützt sich unter anderem auf:
elle und rechtliche Unsicherheiten entstehen.
Unternehmen sind aber ein wichtiger Akteur beim Agora Verkehrswende (2021): Unternehmens-­
Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur. Ladesäulen für alle Fälle. Wie Bund und Länder den
→ Leistungspreise: Der Leistungspreis beim Netzent­ Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektromobilität an
gelt fällt für die im Jahr genutzte Höchstleistung Unternehmens- und Wohnstandorten voranbringen
(„Spitzenlast“) an – unabhängig davon, ob einmal können
ein Fahrzeug oder sehr viele Fahrzeuge oft geladen

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IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Regulatory Assistance Project/Agora Verkehr- Technologien zur Digitalisierung, Automatisierung


swende/Agora Energiewende (2021): Ladeblockade und Elektrifizierung des Schienenverkehrs werden
Netzentgelte. Wie Netzentgelte den Ausbau der verstärkt gefördert und vorangetrieben. Für den
Schnellladeinfrastruktur für Elektromobilität gefähr- Gütertransport werden zusätzliche Be- und Entlade­
den und was der Bund dagegen tun kann möglichkeiten in der Fläche geschaffen. Die hierfür
nötigen finanziellen Mittel des Bundes werden
Agora Verkehrswende/Agora Energiewende/ überjährig in ausreichender Höhe festgeschrieben.
Regulatory Assistance Project (2021): Stellungnahme
zum Entwurf des Steuerbare-Verbrauchseinrichtun- Die Trassenpreise für den Güterverkehr und Teile des
gen-Gesetz (SteuVerG) Personenverkehrs werden dauerhaft so abgesenkt,
dass sie die Fixkosten der Infrastruktur decken. Die
entstehende Lücke in der Infrastrukturfinanzierung
32 Eisenbahnnetz ausbauen schließt der Bund und erhält dafür bessere Möglich­
keiten der Qualitätskontrolle.
Das Eisenbahnnetz wird mit dem Ziel einer Verdopp­
lung der Fahrgastzahlen und eines Anteils von Begründung:
25 Prozent am Güterverkehr ausgebaut. Technologien Um eine massive Verlagerung in der Verkehrsnach­
zur Digitalisierung, Automatisierung und Elektrifi­ frage im Güter- und Personenverkehr zugunsten der
zierung des Schienenverkehrs werden gefördert; für Schiene zu erzielen, muss die Schiene in den Augen
den Gütertransport werden zusätzliche Be- und ihrer (potenziellen) Nutzerinnen und Nutzer eine
Entlademöglichkeiten in der Fläche geschaffen. attraktive Alternative zur Straße darstellen. Maßgeb­
lich sind sowohl im Personen- als auch im Güterver­
Hintergrund: kehr vor allem die Faktoren Preis, Verfügbarkeit,
Bis zum Jahr 2035 wird eine Verdopplung des Verlässlichkeit und Flexibilität.
öffentlichen Personenverkehrs gegenüber 2016
angestrebt. Für das Eisenbahnnetz bedeutet das bis Zentraler Baustein für die bis 2030 zu erfolgende
2030 eine Steigerung des Personenverkehrs um Verbesserung des Bahnverkehrs ist die schrittweise
70 Prozent und des Güterverkehrs um 50 Prozent. Umsetzung des Deutschlandtakts. Dabei werden
Neben einem stark beschleunigten Ausbau der Fern- und Nahverkehr so aufeinander abgestimmt,
Schieneninfrastruktur erfordert dies die Förderung dass ein Zugverkehr mit kurzen Umsteigezeiten
von Technologien zur Digitalisierung, Automatisie­ möglich wird. Dadurch werden Reisezeiten verkürzt
rung und Elektrifizierung sowie für Güter zusätzliche und den Fahrgästen wird der Zugang zur Schiene
Be- und Entlademöglichkeiten in der Fläche. beziehungsweise zum System des öffentlichen
Verkehrs erleichtert. Mit dem Aufbau von sogenann­
Regelungsvorschlag: ten Systemtrassen stärkt der Deutschlandtakt auch
Die deutliche Verlagerung von Verkehren auf die den Schienengüterverkehr.
Schiene gelingt mit der Ausrichtung der Infrastruktur
auf den Deutschlandtakt und die darin enthaltenen Die Leistungsfähigkeit der Schieneninfrastruktur
Systemtrassen für den Güterverkehr. Für den Neu- erhöht sich durch die schnellere Ausstattung von
und Ausbau von Schienen stellt der Bund jährlich Infrastruktur und Rollmaterial mit der digitalen
mindestens 3 Milliarden Euro zur Verfügung. Im Zugleittechnik ETCS sowie durch die Elektrifizierung
Rahmen des Bundesverkehrswegeplans wird eine von Strecken, auf denen bisher Diesellokomotiven
Priorisierung von Investitionen in die Schieneninf­ benötigt werden.
rastruktur vorgenommen (vgl. Ziffer 34).

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Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Zusätzliche Gleisanschlüsse in der Fläche, multimo­ der Coronapandemie, unter hohem Kostendruck.
dale Umschlaganlagen und Terminals des Kombinier­ Angebotserweiterungen werden dadurch erschwert.
ten Verkehrs sowie die zunehmende Elektrifizierung
von Güterwagen und deren Ausstattung mit automa­ Regelungsvorschlag:
tischen Kupplungen verkürzen die Lade-, Rangier- Der Bund beteiligt sich stärker an den Betriebskosten
und Transportzeiten des Schienengüterverkehrs. des ÖPNV. Dafür wird das Instrument der Regionali­
sierungsmittel genutzt, indem künftig auch Betriebs­
Der Vorschlag stützt sich unter anderem auf: kostenzuschüsse für Busse und Trams (mit Fokus auf
Regionalverkehren) möglich sind. Mit den zusätzli­
KCW GmbH (2019): Railmap 2030 – Bahnpolitische chen Fördertatbeständen müssen auch die Förder­
Weichenstellungen für die Verkehrswende (Langfas- mittel anwachsen.
sung). Studie im Auftrag von Agora Verkehrswende
Mit einer Überarbeitung des Gemeindeverkehrsfi­
nanzierungsgesetzes (GVFG) werden Investitionen in
33 Öffentlichen Personennahverkehr das Bahnhofsumfeld und die Businfrastruktur
(ÖPNV) stärken erleichtert. Dabei werden auch die Wege zu Bahn­
höfen angemessen berücksichtigt. Die Qualität gerade
Der öffentliche Personennahverkehr wird gestärkt von Regionalbahnhöfen und Straßenbahn-Endstati­
mit dem Ziel, die Fahrgastzahlen bis spätestens 2035 onen wird gesteigert, indem sie mit sicheren Fußwe­
zu verdoppeln. Dazu bedarf es einer gemeinsamen gen, Radwegen und Radabstellanlagen erschlossen
Anstrengung von Bund, Ländern und Kommunen, die werden. In Regionen, in denen eine Erschließung via
für den Nahverkehr zuständig sind. Ziele sind eine Schiene nicht absehbar ist, soll alternativ die Infra­
Attraktivitätssteigerung vor allem durch schnelle und struktur für hochwertige und schnelle Regionalbus-­
aufeinander abgestimmte Verbindungen sowie ein Angebote förderfähig sein. Damit die wachsenden
Umstieg auf Busse und Bahnen mit emissionsfreien Investitionsmöglichkeiten nicht zulasten bestehender
Antrieben. Projektplanungen gehen, wird die für 2025 verein­
barte Aufstockung der Finanzhilfen vorgezogen.
Hintergrund:
Die Klimaziele des Verkehrssektors und eine nachhal­ Begründung:
tige Verkehrswende erfordern es, einen steigenden Die unmittelbare Zuständigkeit für Angebotserweite­
Anteil der Verkehrsleistung mit Bussen und Bahnen rungen im ÖPNV liegt bei den Ländern und Kommu­
zu absolvieren. Dafür ist mittelfristig eine Verdopp­ nen. In der aktuellen Finanzierungssituation werden
lung der Fahrgastzahlen notwendig. Der öffentliche jedoch längst nicht alle Regionen eine ÖPNV-Offen­
Nahverkehr soll künftig einen erheblichen Teil des sive im notwendigen Tempo leisten können. Eine
Verkehrs abwickeln, der heute besonders in urbanen zusätzliche Unterstützung durch den Bund ist daher
Räumen und im Pendelverkehr noch mit dem Pkw notwendig.
stattfindet. Gerade ÖPNV-Strecken in den Innenstäd­
ten sind bereits heute mit dem bestehenden Fahrten­ Mit dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz für
angebot häufig überlastet. In ländlicheren Regionen den Infrastrukturausbau und dem Regionalisierungs­
muss sich der ÖPNV erst noch als Alternative zum gesetz für die Betriebskosten liegen bereits zwei
eigenen Auto im Zusammenspiel mit Carsharing und bewährte Instrumente vor, mit denen der Bund die
Pooling-Angeboten etablieren. Dabei stehen Regionen unterstützt. Die vorgeschlagene Ausweitung
ÖPNV-Unternehmen und deren Aufgabenträger, nicht der Fördertatbestände, bei entsprechender Aufsto­
zuletzt infolge des Einbruchs der Fahrgastzahlen in ckung der Mittel, bietet mehrere Vorteile: Das Tempo

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IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

beim Angebotsausbau wird erhöht. Das verbesserte 15 Jahren die Weichen für die mittel- und langfristige
Angebot kann finanziert werden, ohne die Tarife für Infrastrukturentwicklung.
Fahrgäste zu erhöhen. Der Fokus auf Schienenwege
wird aufgeweicht, ohne dass geplante Schienenpro­ Regelungsvorschlag:
jekte einen Nachteil erleiden. Die für die Akzeptanz Um den derzeit sehr stark auf den Ausbau der
und Reisegeschwindigkeit so wichtigen Anfahrts­ Straßen ausgerichteten Bundesverkehrswegeplan
wege zu Bahnhöfen erfahren mehr Berücksichtigung. klima- und umweltpolitischer zu gestalten, wird im
Mit schnellen Busangeboten und einer entsprechend Rahmen der im Dezember 2021 anstehenden
leistungsstarken Businfrastruktur können zeitnah Bedarfsplanüberprüfungen eine Neuausrichtung
Verbesserungen erreicht werden, wo absehbar keine durchgeführt. Die Bedarfspläne des aktuellen Bun­
Schienenstrecken bereitstehen. So können gerade desverkehrswegeplans werden vor dem Hintergrund
starke Pendlerströme zwischen Städten und ihrem der neuen Klimaschutzziele bewertet: Die Substanz­
ländlichen Umland besser bewältigt werden. erhaltung hat gegenüber dem Aus- und Neubau
Vorrang. Die verfügbaren Haushaltsmittel werden
schwerpunktmäßig für den Ausbau des Schienennet­
34 Verkehrsinfrastruktur am zes eingesetzt. Werden Engpässe im Straßennetz
­Klimaschutz ausrichten prognostiziert, wird auch der Ausbau paralleler
Schienenwege geprüft. Die Überprüfung wird bis zum
Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) wird an die Jahr 2023 abgeschlossen, sodass darauf aufbauend
Erfordernisse eines klimaneutralen Deutschlands im die Ausbaugesetze der verschiedenen Verkehrsträger
Jahr 2045 angepasst. Die im Dezember 2021 anste­ im Jahr 2024 angepasst werden.
hende Bedarfsplanüberprüfung wird für eine Neu­
ausrichtung genutzt. Priorität hat die Substanzerhal­ Begründung:
tung der Verkehrsinfrastruktur. Die verfügbaren Der an sich unverbindliche BVWP entfaltet über die
Haushaltsmittel werden schwerpunktmäßig für den auf ihm beruhenden Ausbaugesetze Bindungswir­
Ausbau des Schienennetzes eingesetzt. Die Überprü­ kung. Für eine Revision des BVWP bieten sich die
fung des Bedarfsplans wird 2023 abgeschlossen. Im anstehenden Bedarfsplanüberprüfungen an. Anhand
Jahr 2024 werden die Ausbaugesetze für die ver­ transparenter und verbindlicher Kriterien werden die
schiedenen Verkehrsträger angepasst. aktuellen Bedarfspläne im Rahmen der neuen Klima­
schutzziele bewertet und entsprechend angepasst.
Hintergrund:
Der Bundesverkehrswegeplan stellt ein wichtiges Der Vorschlag stützt sich auf:
Planungsinstrument für die Infrastruktur im Bereich
der Straße, der Schiene und des Wassers dar. Obgleich Becker Büttner Held (2021, i. E.): Der
der Verkehr ein großer Mitverursacher von Treib­ Bundesverkehrs­wegeplan. Status Quo, Reformbedarf
hausgasemissionen ist, ist der BVWP nicht an den und Änderungsmöglichkeiten. Rechtsgutachten im
gesetzlich vorgeschriebenen Klimaschutzzielen Auftrag von Stiftung Klimaneutralität und Agora Ver­
ausgerichtet, sondern schreibt das historische kehrswende
Verkehrsaufkommen ohne Differenzierung nach
Klimaschädlichkeit fort. Zudem handelt es sich bei
dem Bundesverkehrswegeplan um ein rechtlich
unverbindliches Instrument. Gleichwohl hat er große
faktische Wirkung und stellt mit einer Laufzeit von

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Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

35 K
 limaschädliche Privilegien des Regelungsvorschlag:
­Luftverkehrs abschaffen Um die entgangene Mehrwertsteuer auf internatio­
nale Flüge zu kompensieren, wird die Luftverkehr­
Finanzielle Privilegien des Luftverkehrs werden steuer in den bestehenden drei Distanzklassen
beseitigt. Die Steuersätze der Luftverkehrsteuer jeweils auf die Höhe des Mehrwertsteuersatzes von
(LuftVStG) werden auf das Niveau des Mehrwertsteu­ 19 Prozent des durchschnittlichen Ticketpreises
ersatzes von 19 Prozent angehoben. Im EU-­ gehoben und nach Economy- und Business-Class
Ministerrat wird sich die Bundesregierung für eine differenziert. Die Steuer wird auf ankommende Flüge
Besteuerung von Kerosin im Rahmen der EU-Ener­ ausgeweitet. Hierfür wird geprüft, wie die Luftver­
giesteuerrichtlinie sowie für eine Aufhebung der kehrsteuer mit bestehenden Ticketabgaben anderer
kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten für den Staaten verrechnet werden kann. Auch auf die
innereuropäischen Luftverkehr im EU-ETS einsetzen. Luftfracht wird die Luftverkehrsteuer ausgeweitet.
Hierfür wird geprüft, wie hoch die Steuersätze sein
Hintergrund: müssen, um die entgangene Mehrwertsteuer auf
Der Luftverkehr ist die klimaschädlichste Form der internationale Fracht zu kompensieren, und diese
Fortbewegung. In den vergangenen 20 Jahren sind die werden schrittweise eingeführt.
THG-Emissionen des Luftverkehrs stark angestiegen,
während die gesamten Treibhausgasemissionen in Auf europäischer Ebene wird im Rahmen der aktuel­
Deutschland zwischen 1990 und 2019 deutlich len Reform der EU-Energiesteuerrichtlinie darauf
gesunken sind. Im Widerspruch dazu steht, dass der hingewirkt, eine EU-weite Besteuerung von Kerosin
Luftverkehr im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern auf innereuropäische Flüge in Höhe des Mindest­
wie der Bahn oder dem Straßenverkehr und auch zu steuersatzes von 33 Cent/Liter einzuführen. Im
anderen Branchen die Befreiung zahlreicher Steuern Rahmen der anstehenden Revision der EU-ETS-­
und Abgaben genießt. Dem Staatshaushalt entgehen Richtlinie wird darauf hingewirkt, die kostenlose
damit Milliardenbeträge. Dies betrifft insbesondere Zuteilung von Zertifikaten zu beenden und alle
die folgenden Bereiche: 1. Während für andere Zertifikate zu auktionieren. Das Cap für den Luftver­
Verkehrsträger (zum Beispiel Straßen- und Bahnver­ kehr wird an das neue EU-Klimaziel für 2030
kehr) Energiesteuern erhoben werden, ist der Luft­ angepasst. Parallel wird der Einbezug von Nicht-­CO2-
verkehr von der Energiebesteuerung befreit. 2. Der­ Effekten durch ein konsequentes Monitoring ange­
zeit wird in Deutschland die Mehrwertsteuer in Höhe stoßen.
von 19 Prozent nur auf Inlandsflüge erhoben. Auf
grenzüberschreitenden Flügen zwischen zwei Begründung:
Ländern innerhalb der EU oder internationalen Um die bestehenden Privilegien des Luftverkehrs mit
Flügen in Nicht-EU-Staaten, die für circa 94 Prozent Blick auf energie- und klimabezogene Abgaben abzu­
der Emissionen aus dem Luftverkehr verantwortlich bauen, gibt es auf nationaler und europäischer Ebene
sind, fällt keine Mehrwertsteuer an. 3. Der EU-Emis­ verschiedene Handlungsoptionen, die jeweils
sionshandel umfasst nur die innereuropäischen unterschiedlich zielführend oder realistisch umsetz­
Flüge. Zudem werden 85 Prozent der Zertifikate bar sind. Eine Ausweitung der Mehrwertsteuer auf
kostenlos zugeteilt und nur 15 Prozent auktioniert. grenzüberschreitende Flüge ist technisch und
Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, sind politisch schwierig umzusetzen, da dies unter
diese Privilegierungen abzubauen. anderem eine Änderung der EU-Mehrwertsteuer­
system-Richtlinie und die Einstimmigkeit der
EU-Mitgliedsstaaten erfordern würde.

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IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Die entgangene Mehrwertsteuer auf den grenzüber­ Hintergrund:


schreitenden Luftverkehr durch eine Erhöhung der Das Straßenverkehrsrecht stellt bisher den motori­
Luftverkehrsteuer zu ersetzen, kann zügig und sierten Autoverkehr in den Mittelpunkt. Dies gilt
rechtssicher umgesetzt werden. Die Umsetzung sowohl für das Straßenverkehrsgesetz (StVG) und die
erfordert weder eine Rechtsänderung auf europäi­ Straßenverkehrsordnung (StVO), als auch für nachge­
scher Ebene noch im Rahmen bilateraler Luftver­ ordnete Regelwerke. Es handelt sich um ein sachlich
kehrsabkommen. Eine Erhöhung der Luftverkehr­ begrenztes Ordnungsrecht zur Gefahrenabwehr. Sein
steuer, die die Mehrwertsteuerbefreiung Zweck liegt nach der Rechtsprechung darin, die
kompensiert, generiert entgangene Haushaltseinnah­ „Sicherheit und Leichtigkeit“ des Verkehrs zu
men in erheblicher Höhe, die für die Transformation gewährleisten. Eine gesamthafte Regelung im Sinne
der Wirtschaft inklusive des Luftfahrtsektors in der Steuerung des Straßen­verkehrs ist dort nicht
Richtung Klimaneutralität benötigt werden. angelegt. Aspekte wie Umwelt-, Klima- und Gesund­
heitsschutz fehlen beziehungsweise gehören nicht zu
Parallel sind die laufenden Reformprozesse zur den zentralen Zwecken dieser Rechtswerke. Auch die
EU-Energiesteuerrichtlinie und zur EU-Emissions­ letzte StVO-Novelle 2020 stellt die Gesamtausrich­
handelsrichtlinie zu nutzen, um in diesem Rahmen tung des Straßenverkehrsrechts nicht infrage. Die
die bestehenden Privilegierungen bei der Energie­ notwendige Transformation des Verkehrssystems ist
steuer und der CO2-Bepreisung abzubauen. mit diesen Rechtsvorschriften nicht möglich.

Der Vorschlag stützt sich auf: Regelungsvorschlag:


Im Straßenverkehrsrecht wird der Regelungszweck
Siemons, Anne et al. (2021): Möglichkeiten zur erweitert und schließt künftig ein: 1. die Sicherheit
Regulierung der Klimawirkungen des Luftverkehrs. aller Verkehrsteilnehmenden; 2. den Klima-, Umwelt-
Studie des Öko-Instituts im Auftrag der Stiftung und Gesundheitsschutz sowie 3. die städtebauliche
Klimaneutralität Entwicklung. Der Handlungsspielraum der Kommu­
nen bei der Gestaltung der Mobilitätswende wird
erweitert. Durch eine Neufassung des § 45 StVO wird
36 K
 ommunen bei der Mobilitätswende es Kommunen künftig erleichtert, Maßnahmen zur
in den Städten unterstützen Neuaufteilung des öffentlichen Raums oder zur
Stärkung des Umweltverbundes (etwa die Auswei­
Mit einem Sofortprogramm werden erste Änderun­ sung von Fahrradstraßen) zu ergreifen.
gen am Straßenverkehrsrecht vorgenommen. Der
Regelungszweck des Straßenverkehrsrechts wird Begründung:
erweitert und schließt zukünftig den Klima- und Ein wichtiger Beitrag zur Verringerung der verkehr­
Umweltschutz, den Gesundheitsschutz, die Sicherheit lichen Treibhausgasemissionen gelingt nur, wenn
aller Verkehrsteilnehmenden und die Unterstützung sich auch das Mobilitätsverhalten verändert – in
einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung ein. Richtung Mobilitätsverbund (ÖPNV, Fuß- und
Die Handlungsmöglichkeiten der Kommunen werden Radverkehr, ergänzt durch Sharing-Angebote wie
gestärkt. Sie erhalten verbesserte Möglichkeiten, den Carsharing oder Ridepooling). Kommunen kommt
Verkehr nach eigenen Zielvorstellungen zu steuern, eine zentrale Rolle bei der Stärkung des Mobilitäts­
den öffentlichen Raum neu aufzuteilen und den verbundes zu, da viele planerische Entscheidungen
schwächeren Verkehrsteilnehmenden Vorrang nur vor Ort sinnvoll getroffen werden können.
einzuräumen.

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Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Insbesondere die Generalklausel des § 45 StVO schwindigkeit von 130 km/h. Deutschland ist
ermöglicht nach aktueller Rechtslage im Wesentli­ weltweit eines der wenigen Länder ohne eine
chen das Ergreifen von Maßnahmen nur dann, wenn generelle Geschwindigkeitsbeschränkung auf
sie der Flüssigkeit und Leichtigkeit des Verkehrs Autobahnen.
dienen. Hinzu kommt eine strukturelle Ausrichtung
des Straßenverkehrsrechts auf den Pkw-Verkehr. Regelungsvorschlag:
Eine gesamtheitliche Entscheidung auf Grundlage des Im Rahmen der Straßenverkehrsordnung wird eine
Klima- und Umweltschutzes, der nachhaltigen Höchstgeschwindigkeit auf allen Bundesautobahnen
städtebaulichen Entwicklung sowie der Berücksich­ von 130 km/h eingeführt. Innerorts wird die Höchst­
tigung besonders vulnerabler Gruppen ist gerade geschwindigkeit auf 30 km/h festgesetzt. In begrün­
nicht gewollt. deten Ausnahmefällen ist innerorts weiterhin eine
Anordnung von Tempo 50 möglich.
Um den Anforderungen einer klimafreundlichen
Stadtplanung und Verkehrsgestaltung sowie des Begründung:
Gesundheitsschutzes gerecht zu werden, bedarf es Der motorisierte Straßenverkehr ist für 94 Prozent
klarer und abschließender Regelungen im Straßen­ der Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors
verkehrsrecht auf Bundesebene. verantwortlich. Durch die Einführung einer generel­
len Höchstgeschwindigkeit für Pkw auf deutschen
Der Vorschlag stützt sich auf: Autobahnen werden die CO2-Emissionen des
Straßen­verkehrs kurzfristig und ohne nennenswerte
Becker Büttner Held (2021, i. E.): Sofortprogramm Mehrkosten reduziert. Die Gefahren schwerer Unfälle
Mobilitätswende. Stärkung kommunaler Handlungs- werden vermindert und das Sicherheitsempfinden
möglichkeiten im Straßenverkehrsrecht. Rechtsgut­ aller Verkehrsteilnehmenden wird erhöht.
achten im Auftrag von Stiftung Klimaneutralität und
Agora Verkehrswende Eine Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit
innerorts stärkt die Sicherheit von Fußgängerinnen
und Fußgängern sowie Radfahrenden, die durch zu
37 Flächendeckende schnellen Kfz-Verkehr besonders gefährdet sind. Die
Höchstgeschwindigkeiten einführen Regelumkehr bietet darüber hinaus auch die Chance,
den „Schilderwald“ zu reduzieren.
Die Höchstgeschwindigkeit auf Bundesautobahnen
wird auf 130 km/h, innerorts auf 30 km/h festgesetzt. Der Vorschlag stützt sich auf:
Kommunen können von dieser Regel abweichend in
Ausnahmefällen Tempo 50 innerorts anordnen. Becker Büttner Held (2021, i. E.): Sofortprogramm
Mobilitätswende. Stärkung kommunaler Handlungs-
Hintergrund: möglichkeiten im Straßenverkehrsrecht. Rechtsgut­
Die Straßenverkehrsordnung (StVO) regelt zulässige achten im Auftrag von Stiftung Klimaneutralität und
Höchstgeschwindigkeiten innerhalb und außerhalb Agora Verkehrswende
geschlossener Ortschaften. Abweichungen von
diesen Höchstgeschwindigkeiten können – örtlich
beschränkt – bislang nur mittels Verkehrszeichen
angeordnet werden. Eine Höchstgeschwindigkeit für
Autobahnen besteht hingegen nicht; diesbezüglich
existiert allein eine – nicht zwingende – Richtge­

58
IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

38 K
 limaneutralität im Gebäudesektor hinaus werden die Verwaltungsvereinbarungen zur
verankern sozialen Wohnraum- und Städtebauförderung klima­
freundlich ausgestaltet und darüber zügig Abstim­
Alle Förderprogramme, das Gebäudeenergierecht und mungsgespräche mit den Bundesländern initiiert.
das Immobilienmanagement für bundeseigene
Gebäude werden konsequent auf das Ziel der Klima­ Begründung:
neutralität bis 2045 ausgerichtet. Dies gilt auch für Um die Dekarbonisierung des Gebäudesektors bei
die Bund-Länder-Verwaltungsvereinbarungen zur gleichzeitiger Wahrung der Wirtschaftlichkeit des
Städtebauförderung und zum sozialen Wohnungsbau. Transformationsprozesses voranzutreiben, ist sicher­
zustellen, dass alle genannten Instrumente und
Hintergrund: Programme dem Ziel der Klimaneutralität verpflichtet
Dem Gebäudesektor kommt zusammen mit der sind. Das ist wichtig, da der Gebäudesektor aufgrund
Stadtentwicklung eine zentrale Rolle auf dem Weg zur langer Investitionszyklen sehr träge ist. Heizsysteme,
Klimaneutralität zu. Bis 2030 muss die Jahresemissi­ die heute installiert werden, werden in der Regel erst
onsmenge von heute rund 120 Millionen Tonnen in 20 oder mehr Jahren ausgetauscht. Werden diese
CO2-Äq auf 65 Millionen Tonnen CO2-Äq (Studie mit fossilen Brennstoffen betrieben, zementieren sie
Klimaneutrales Deutschland 2045) beziehungsweise nicht nur mittel- und langfristig klimaschädliche
67 Millionen Tonnen CO2 (Entwurf Klimaschutzgesetz Strukturen, sondern benötigen Infrastrukturen (zum
2021) sinken. Um das zu erreichen, muss bis 2030 Beispiel Gasleitungen), die es so in einer klimaneut­
unter anderem der Einsatz von Heizöl mindestens ralen Zukunft nicht mehr geben wird beziehungs­
halbiert, der Einsatz von Erdgas um mehr als 40 Pro­ weise aufgrund der geringer werdenden Nutzerzahl
zent reduziert und der Anteil erneuerbarer Wärme auf nur noch unwirtschaftlich zu betreiben sind. Es gilt,
mindestens 40 Prozent gesteigert werden. Die jährli­ kurzfristig Fehlanreize und damit Fehlinvestitionen
che Sanierungsrate muss auf 1,6 Prozent erhöht sowie Lock-in-Effekte zu vermeiden und die
werden. Bereits heute deutet sich allerdings an, dass Wärme­wende sozialverträglich auszugestalten. Im
ohne weitere Maßnahmen die bisher geltenden letzten Jahr unterstützte der Bund die Länder bei­
Sektorziele 2030 verfehlt werden – trotz der Einfüh­ spielsweise im Bereich des sozialen Wohnungsbaus
rung einer CO2-Bepreisung für fossile Brennstoffe und mit einer Milliarde Euro. Energie- und Klimaschutz­
der Verbesserung der Förderkonditionen für KfW-, kriterien hat er hier bisher aber nicht vorgegeben, bei
Marktanreiz- und Sanierungsprogramme. Für das jetzt der Städtebauförderung war dies nur unzureichend
geltende höhere Ambitionsniveau gilt dies umso mehr. der Fall. Der Bund sollte künftig bei der Vergabe von
Fördermitteln an die Länder bundeseinheitlich hohe
Regelungsvorschlag: Klimaschutzkriterien einfordern.
Das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 wird im
Gebäudeenergiegesetz (GEG) verankert. Alle Förder­ Der Vorschlag stützt sich auf:
programme, das Immobilienmanagement für bundes­
eigene Gebäude sowie die Bund-Länder-Verwaltungs­ Agora Energiewende (2021): Ein Gebäudekonsens für
vereinbarungen zur Städtebauförderung und zum Klimaneutralität. 10 Eckpunkte wie wir bezahlbaren
sozialen Wohnungsbau sind darauf auszurichten. Dazu Wohnraum und Klimaneutralität 2045 zusammen
werden unter anderem in der Bundesförderung für erreichen
effiziente Gebäude (BEG) die Zuschüsse für mit fossilen
Brennstoffen betriebene Heizsysteme, die nicht zu Öko-Institut/Hamburg-Institut (2021): Agenda
einem signifikanten Anteil auf Basis Erneuerbarer Wärmewende 2021. Studie im Auftrag von Stiftung
Energien betrieben werden, gestrichen. Darüber Klimaneutralität und Agora Energiewende

59
Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

39 E
 nergetische Standards für Neu- und nicht mehr zugelassen. Für Neubauten gilt ab 2024
Altbau anheben das Niveau „Effizienzhaus 40“, Sanierungen in und
von Altbauten orientieren sich am „Effizienzhaus­
Im Gebäudeenergiegesetz (GEG) wird als energetische standard 70“. Der Energieausweis wird rechtssicher
Anforderung für Neubauten ab 2024 das Niveau ausgestaltet.
„Effizienzhaus 40“ festgeschrieben. Ab diesem Jahr
ist der Einbau von mit fossilen Brennstoffen betrie­ Begründung:
benen Heizungen nicht mehr zulässig. Für wesentli­ Angesichts langer Investitionszyklen im Gebäude­
che Umbauten von Bestandsgebäuden werden im sektor müssen die Standards für energetische
GEG erhöhte energetische Anforderungen festgelegt; Sanierungen ambitionierter sein und der Austausch
auszutauschende Bauteile sollen dem Zielniveau des von Heizsystemen schneller erfolgen als bisher. Klare
„Effizienzhauses 70“ entsprechen. Bei Ein- und ordnungsrechtliche Vorgaben helfen dabei, das
Zweifamilienhäusern ist der Einbau von mit fossilen darüber hinaus notwendige Preisniveau im BEHG zu
Brennstoffen betriebenen Heizungen ebenfalls ab begrenzen, und leisten so einen wichtigen Beitrag zu
2024 nicht mehr zulässig. In Sonderfällen werden Sozialverträglichkeit und Akzeptanz. Mit Veranke­
Ausnahmen zugelassen. rung der Klimaneutralität muss das GEG im Instru­
mentenmix für die Dekarbonisierung des Gebäu­
Hintergrund: desektors eine stärkere Rolle spielen, als dies
Das GEG regelt die energetischen Mindestanforde­ gegenwärtig der Fall ist. Deswegen ist das GEG so
rungen an Neubauten und Bestandsgebäude. Aller­ weiterzuentwickeln, dass es mehr Sanierungsfälle
dings reichen die aktuellen Vorgaben des GEG nicht auslöst, sowohl für die Gebäudehülle als auch für die
aus, um die erforderlichen Reduktionziele im Gebäu­ Erneuerung der Heizungsanlagen, damit beispiels­
debestand zu erreichen. Während das Anforderungs­ weise fossile Heizanlagen, die heute noch den
niveau des GEG für neue Gebäude derzeit ungefähr Heizungsmarkt dominieren, zügig durch Wärme­
dem KfW-Standard „Effizienzhaus 70“ entspricht, pumpen beziehungsweise Nah- und Fernwärmean­
haben sich die Anforderungen für bestehende schlüsse ersetzt werden können. Dafür sind die
Gebäude in den letzten zehn Jahren kaum verändert. Sanierungsvorgaben mit Blick auf die Auslösetatbe­
Beispielsweise bezieht sich die sogenannte 140-Pro­ stände, das Anforderungsniveau und die Ausnahmen
zent-Regelung weiterhin auf das Neubauniveau der für bestehende Gebäude zu schärfen.
Energieeinsparverordnung (EnEV) 2009. Das führt
dazu, dass bei einer Vollsanierung die Anforderungen Der Vorschlag stützt sich auf:
des GEG bereits erreicht werden, wenn das Gebäude
einen Mindeststandard erreicht, der circa 85 Prozent Agora Energiewende (2021): Ein Gebäudekonsens für
schlechter ist als ein vergleichbarer Neubau. Weitere Klimaneutralität. 10 Eckpunkte wie wir bezahlbaren
Ausnahmeregelungen verhindern darüber hinaus das Wohnraum und Klimaneutralität 2045 zusammen
Auslösen von Sanierungsfällen, sowohl in Bezug auf erreichen
die Gebäudehülle als auch auf die Heizungsanlagen,
wodurch sich der Ausstieg aus der Wärmeversorgung Öko-Institut/Hamburg-Institut (2021): Agenda
mit fossilen Brennstoffen weiter verzögert. Wärmewende 2021. Studie im Auftrag von Stiftung
Klimaneutralität und Agora Energiewende
Regelungsvorschlag:
Das Ziel der Klimaneutralität wird im GEG verankert.
Der Einbau von mit fossilen Brennstoffen betriebe­
nen Heizungen wird im Neu- und Altbau ab 2024

60
IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

40 G
 ebäudeförderung ausweiten und Einhaltung von gesetzlichen Anforderungen ist
weiterentwickeln zukünftig ausdrücklich Teil der Förderkulisse, sodass
gesetzliche Standards in Höhe nachgewiesener
Für die Förderung von klimaneutralem Neubau und Deckungslücken zum Erreichen der Wirtschaftlich­
klimaneutraler Gebäudesanierung werden jährlich keit förderfähig sind. Im BEG wird darüber hinaus
zwölf Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Die eine differenzierte Förderung implementiert, die –
Einhaltung von gesetzlichen Anforderungen ist abhängig vom Mietniveau, vom Anteil einkommens­
zukünftig ausdrücklich Teil der Förderkulisse. schwacher Haushalte oder anderer definierter
Indikatoren – eine zusätzliche Förderung für Gebäude
Hintergrund: in schwierigen Lagen ermöglicht. Alle Förderungen
Zum Januar 2020 wurden die Förderkonditionen der konzentrieren sich allein auf Maßnahmen, die mit
Gebäude-Förderprogramme deutlich verbessert. Die dem Ziel der Klimaneutralität bis 2045 vereinbar sind.
Förderprogramme für Energieeffizienz und Erneuer­
bare Energien im Gebäudebereich wurden 2021 mit Begründung:
der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) Die Förderung von Energieeffizienz und Erneuerbaren
zudem neu strukturiert. Gerade wenn Ordnungsrecht Energien in Gebäuden kann bei einer entsprechenden
künftig konsequent auf Klimaneutralität ausgerichtet Ausgestaltung einen wichtigen Beitrag zur Dekarboni­
wird und eine Förderung künftig nur noch für sierung der Wärmeversorgung leisten. Die Neuaus­
zielkonforme Standards gewährt wird, dürfen richtung des Prinzips Fördern und Fordern, das im
Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer mit den Gebäudesektor bislang eher als Fördern oder Fordern
damit verbundenen (höheren) Kosten nicht allein interpretiert wurde, setzt wichtige Sanierungsanreize
gelassen werden. Die Förderpraxis sollte sich daher und erhöht die Akzeptanz schärferer Vorgaben im
zukünftig am ökonomisch Notwendigen und weniger Gebäudebestand. Es ermöglicht Gebäudeeigentü­
am Ordnungsrecht orientieren. Dadurch wären auch merinnen und -eigentümern die Finanzierung der
ordnungsrechtlich vorgeschriebene Maßnahmen durch das Ordnungsrecht ausgelösten Umbauarbeiten
förderfähig. Eine ähnliche Verbindung zwischen und setzt Anreize für die zielkonforme Sanierung. Aus
Ordnungsrecht und Förderung existiert schon im diesem Grund sollte das Wirtschaftlichkeitsgebot bei
Bereich der steuerlichen Abschreibung von Sanie­ Standards im Gebäudeenergiegesetz gesellschaftlich
rungsmaßnahmen an denkmalgeschützten Gebäuden. konzipiert und am Klimaneutralitätsziel sowie den
Die für den Denkmalschutz zuständigen Behörden realen Schadenskosten von 195 Euro/Tonne CO2
schreiben Hauseigentümerinnen und -eigentümern ausgerichtet werden. Mit Umstellung auf die BEG
vor, wie ein Gebäude zu sanieren ist beziehungsweise sowie der Aufstockung der Förderung im Bereich der
welche Maßnahmen nicht zulässig sind (zum Beispiel Nichtwohngebäude sowie im vermieteten Bestand
keine Außendämmung denkmalgeschützter Fassaden, gewinnt das Instrument weiter an Bedeutung, da die
dafür die wesentlich teurere Innenwanddämmung). Förderung nicht mehr allein auf selbstnutzende
Als Ausgleich für die damit verbundenen Einschrän­ Eigentümerinnen und Eigentümer begrenzt wird.
kungen (und Mehrkosten) können die betroffenen
Eigentümerinnen und Eigentümer die Kosten steuer­ Der Vorschlag stützt sich auf:
lich geltend machen.
Agora Energiewende (2021): Ein Gebäudekonsens für
Regelungsvorschlag: Klimaneutralität. 10 Eckpunkte wie wir bezahlbaren
Für die Förderung von klimaneutralem Neubau und Wohnraum und Klimaneutralität 2045 zusammen
klimaneutraler Gebäudesanierung werden jährlich erreichen
zwölf Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Die

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Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Öko-Institut/Hamburg-Institut (2021): Agenda dards (Minimum Energy Performance Standards,


Wärmewende 2021. Studie im Auftrag von Stiftung MEPS) für Bestandsgebäude zur Erhöhung der
Klimaneutralität und Agora Energiewende Sanierungsrate beitragen kann. Dort wurden Eigentü­
merinnen und Eigentümer zu einem bestimmten
Stichtag beziehungsweise Meilenstein wie zum
41 S
 anierungsfahrpläne zur Pflicht Beispiel dem Verkauf des Hauses oder dem Ersatz
machen eines fossil betriebenen Heizkessels verpflichtet,
Sanierungen durchzuführen.
Der gebäudeindividuelle Sanierungsfahrplan wird als
Beratungsinstrument gestärkt. Die Aufstellung von Regelungsvorschlag:
Sanierungsfahrplänen wird verpflichtend, wenn die Im Falle des Eigentumsübertrags (Verkauf oder Verer­
Eigentümerin oder der Eigentümer des Gebäudes bung) eines Gebäudes werden die Käuferinnen und
wechselt oder wenn neu vermietet wird. Damit die Käufer oder die Erbenden und damit neuen Eigentü­
energetisch schlechtesten Bestandsgebäude unter merinnen und Eigentümer verpflichtet, innerhalb
den Gewerbeimmobilien zeitnah saniert werden, einer festgelegten Frist einen gebäudeindividuellen
wird ein Mindestenergiestandard eingeführt. Diese Sanierungsfahrplan zu beantragen. Die Verpflichtung
Sanierungen werden gesondert gefördert. gilt nicht, wenn in einem Mehrfamilienhaus nur eine
Wohnung das Eigentum wechselt. Eine ähnliche
Hintergrund: Regelung gilt im Falle der Neuvermietung von
Auf dem Weg zur Klimaneutralität kommt es im Ein- und Zweifamilienhäusern. Hier wird der
Gebäudesektor entscheidend darauf an, die Sanie­ Vermietende verpflichtet, einen individuellen
rungsrate von derzeit etwa 1 Prozent auf 1,6 Prozent Sanierungsfahrplan zu beantragen. Die Durchführung
bis 2030 zu steigern und gleichzeitig dafür zu sorgen, der im gebäudeindividuellen Sanierungsfahrplan
dass die ausgeführten Sanierungen zielkonform vorgeschlagenen Maßnahmen ist freiwillig, wobei bei
erfolgen. Nicht jede Hauseigentümerin oder jeder größeren Umbauten die Sanierungspflichten gemäß
Hauseigentümer ist in der Lage, kurzfristig eine Gebäudeenergiegesetz gelten.
umfassende Sanierung des gesamten Gebäudes zu
stemmen. Häufig ist es sinnvoll, die Sanierung Damit die energetisch schlechtesten Bestandsge­
schrittweise zu gestalten. Mit dem gebäudeindividu­ bäude unter den Gewerbeimmobilien zeitnah saniert
ellen Sanierungsfahrplan wird der Gebäudeeigentü­ werden, wird darüber hinaus ein Mindestener­
merin oder dem Gebäudeeigentümer ein Beratungsin­ giestandard eingeführt. Diese Sanierungen werden
strument an die Hand gegeben, das für zielkonforme gesondert gefördert.
Sanierungen sorgt, die niemanden wirtschaftlich
überfordern. Pro Jahr wechseln in Deutschland rund Begründung:
280.000 Bestandsgebäude den Eigentümer. Zudem Gegenüber einem Energieausweis hat der individu­
werden pro Jahr rund 280.000 Gebäude vererbt. Im elle Sanierungsfahrplan den Mehrwert, dass er neben
Segment der Ein- und Zweifamilienhäuser kommt es der Aufnahme des Istzustands für das betreffende
pro Jahr zudem zu rund 250.000 Neuvermietungen. In Gebäude aufeinander abgestimmte Sanierungs­
den meisten der genannten Fälle werden Sanierungs­ schritte definiert, die am Ende auf ein energetisches
entscheidungen getroffen. Demnach sind der Eigen­ Niveau führen, das dem ambitionierten KfW-Effizi­
tumsübergang und die Neuvermietung geeignete enzhausstandard 70 entspricht. Die vorgeschlagene
Zeitpunkte für die Erstellung eines Sanierungsfahr­ Einführung der Verpflichtung würde die Nachfrage
plans. Am Beispiel der Niederlande zeigt sich darüber nach einem individuellen Sanierungsfahrplan pro
hinaus, dass die Einführung von Mindestenergiestan­ Jahr um rund 200.000 Fälle erhöhen. Dies entspricht

62
IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

mehr als einer Verzehnfachung der 2020 nachgefrag­ Hintergrund:


ten Sanierungsfahrpläne. Diese Beratung hätte große Die spezifischen Randbedingungen des Gebäudesek­
Effekte: Bei den aktuellen Vor-Ort-Beratungen tors wie lange Investitionszyklen, geringe Preiselas­
münden vier von fünf Beratungen in mindestens tizitäten und die Verteilung der Anreize zwischen
einer materiellen Sanierungsmaßnahme. Auch wenn Vermietenden und Mietenden führen dazu, dass sich
die Umsetzungsrate bei einer verpflichtenden wirksamer Klimaschutz im Gebäudesektor nur mit
Sanierungsberatung geringer ausfällt, würde die einem breiten Instrumentenmix realisieren lässt. Der
Maßnahme die Nachfrage nach Sanierungsmaßnah­ CO2-Preis ist dabei ein zentrales Instrument. Ein
men signifikant erhöhen. hoher CO2-Preis regt zu Investitionen in klimaneut­
rale Heizsysteme und anderen Maßnahmen zur
Die Einführung und schrittweise Umsetzung ver­ Gebäudesanierung an. In Deutschland wohnen jedoch
bindlicher Mindestenergiestandards im Gewerbeim­ über 40 Prozent der Bevölkerung zur Miete. Da die
mobilienbereich trägt durch die Festlegung eines Heizkosten nach den geltenden Regeln von den
Ziel- und Endpunktes, flankiert von Flexibilitätsopti­ Mietenden getragen werden, entsteht durch die
onen und sozialpolitisch abgefedert, zur Sanierung CO2-Bepreisung kein direkter Anreiz für Vermie­
von Gewerbeimmobilien und damit wesentlich zur tende, ihre Objekte zu sanieren. Mietende selbst
Erhöhung der Gesamtsanierungsrate bei. Da sich die können durch Anpassungen ihres Heizverhaltens
Einstufung von Gebäuden insbesondere am Energie­ aber nur begrenzt zur CO2-Minderung beitragen. Es
ausweis messen wird, muss dieser rechtssicher besteht die Gefahr, dass sich das Mieter-Vermieter-­
weiterentwickelt werden. Dilemma durch die CO2-Bepreisung vergrößert, da
die Mietenden dadurch zusätzlich belastet werden,
Der Vorschlag stützt sich auf: aber nur geringe Einsparmöglichkeiten haben. Dies
ist insbesondere für einkommensschwache Haus­
Agora Energiewende (2021): Ein Gebäudekonsens für halte problematisch.
Klimaneutralität. 10 Eckpunkte wie wir bezahlbaren
Wohnraum und Klimaneutralität 2045 zusammen Regelungsvorschlag:
erreichen Die durch die CO2-Bepreisung veranlassten Kosten
dürfen ab 2023 nicht mehr auf die Mietenden
Öko-Institut/Hamburg-Institut (2021): Agenda umgelegt werden. Bei dezentralen Heizanlagen wie
Wärmewende 2021. Studie im Auftrag von Stiftung Etagenheizungen oder in vermieteten Einzelhäusern
Klimaneutralität und Agora Energiewende wird ein entsprechender Rückerstattungsanspruch
der Mietenden gegenüber den Vermietenden einge­
führt. Es werden gesetzliche Voraussetzungen für
42 Mietende vom CO2-Preis entlasten eine rechtssichere Ausgestaltung und eine schritt­
weise Ausweitung von Warmmieten für neue und
Die durch die CO2-Bepreisung (BEHG) veranlassten bestehende Mietverhältnisse geschaffen. Dafür
Kosten dürfen ab 2023 nicht mehr auf Mietende müssen im Zuge einer Revision der EU-Energieeffi­
umgelegt werden, damit Vermietende einen Anreiz zienzrichtlinie pauschale Warmmieten mit der Option
zur energetischen Sanierung und Umstellung auf einer temperaturbasierten Abrechnung zugelassen
CO2-freie Heizsysteme haben. Es werden gesetzliche werden. Danach ist es möglich, die Heizkostenver­
Voraussetzungen für eine schrittweise Ausweitung ordnung so anzupassen, dass Warmmieten als
von Warmmieten für neue und bestehende Mietver­ Standard für neue Mietverträge gesetzt werden.
hältnisse geschaffen, um diesen Anreiz weiter zu
stärken.

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Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

Begründung: Agora Energiewende/Universität Kassel (2020): Wie


Die mit der Dekarbonisierung des Gebäudebestands passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?
verbundenen Kosten müssen sozialverträglich
verteilt werden. Mit der Begrenzung der Umlagefä­ Öko-Institut/Hamburg-Institut (2021): Agenda
higkeit der CO2-Bepreisung wird das Problem Wärmewende 2021. Studie im Auftrag von Stiftung
adressiert, dass die Entscheidung für die Umsetzung Klimaneutralität und Agora Energiewende
energetischer Modernisierungsmaßnahmen in der
Regel bei den Gebäudeeigentümerinnen und -eigen­
tümern liegt, während die durch die CO2-Bepreisung 43 Modernisierungsumlage absenken
veranlassten Kosten nach derzeitiger Rechtslage von
den Mietenden getragen werden. Damit Vermietende Die Modernisierungsumlage bei energetischer
einen Anreiz zur energetischen Sanierung und Sanierung wird auf 1,5 Prozent abgesenkt. Fördermit­
Umstellung auf CO2-freie Heizsysteme haben und die tel müssen zukünftig nicht mehr von den umlagefä­
CO2-Bepreisung als klimapolitisches Instrument in higen Kosten abgezogen werden und verbleiben so bei
vermieteten Gebäuden Lenkungswirkung entfaltet, den Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümern
sollten diese Kosten nicht mehr auf den Mietenden (Drittelmodell).
umgelegt werden können.
Hintergrund:
Die durch das Mieter-Vermieter-Dilemma entstehen­ Mit der derzeitigen Ausgestaltung der Modernisie­
den Ineffizienzen können mit der Einführung von rungsumlage nach BGB § 559 (1) können Vermietende
Warmmieten weiter aufgelöst werden. Temperaturin­ nach der Durchführung von unter § 555b beschriebe­
dexierte Warmmieten haben den Vorteil, dass Mie­ nen energetischen Modernisierungsmaßnahmen die
tende nur für eine bestimmte Temperatur in der jährliche Miete um acht Prozent der für die Wohnung
Wohnung bezahlen und damit einen Anreiz besitzen, aufgewendeten Kosten erhöhen. Die Höhe der
weniger zu verbrauchen. Sind die Heizkosten in den umlagefähigen Kosten wird somit ausschließlich
Mietkosten enthalten, werden Vermietende wiederum durch die Kosten der Maßnahme bedingt und ist
versuchen, ihre Heiz- und CO2-Kosten zu reduzieren, unabhängig von den durch die Maßnahme erzielten
da jede Kostenreduktion monatlich ein zusätzliches Energieeinsparungen. Weiterhin besteht für Vermie­
Einkommen generiert, das unter anderem zur Refi­ tende nur ein eingeschränkter Anreiz, Fördermittel in
nanzierung der Maßnahme genutzt werden kann. Anspruch zu nehmen, da der Förderbetrag bei der
Denn eine Anpassung der Warmmiete aufgrund Umlage auf den Mietenden abgezogen werden muss.
gestiegener Energie- beziehungsweise CO2-Preise Für Vermietende wird somit nur ein begrenzter
oder durchgeführter Modernisierungsmaßnahmen ist Anreiz geschaffen, in ambitionierte Sanierungsmaß­
dann nicht mehr möglich. Je höher die CO2-Preise nahmen zu investieren, zudem erfolgen die Moderni­
steigen, desto wirtschaftlicher werden die Maßnah­ sierungen häufig nicht warmmietenneutral.
men. Auf diese Weise kann die CO2-Bepreisung auch
auf dem Mietmarkt Dynamik entfalten. Regelungsvorschlag:
Die Neuregelung der Modernisierungsumlage
Der Vorschlag stützt sich auf: umfasst drei Bestandteile („Drittelmodell“): Zum
einen wird die Modernisierungsumlage auf 1,5 Pro­
Agora Energiewende (2021): Ein Gebäudekonsens für zent abgesenkt, wobei Fördermittel im Gegensatz zur
Klimaneutralität. 10 Eckpunkte wie wir bezahlbaren derzeitigen Regelung nicht von den umlagefähigen
Wohnraum und Klimaneutralität 2045 zusammen Kosten abgezogen werden müssen. Daneben werden
erreichen die Förderkonditionen für zielkonforme Fördermaß­

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IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

nahmen verbessert (Förderanteil für Effizienzhaus 44 K


 ommunale Wärmeplanung
(EH) 55 auf 40 Prozent und für Einzelmaßnahmen verbindlich einführen
auf 30 Prozent) bei gleichzeitiger Abschaffung nicht
zielkonformer Fördertatbestände (EH 85, 100, 115 Dem Beispiel von Baden-Württemberg folgend werden
sowie Förderung fossiler Kessel). Schließlich werden alle Länder verpflichtet, für alle größeren Kommunen
unzumutbare Härten durch Bereitstellung von eine verbindliche kommunale Wärmeplanung einzu­
öffentlichen Mitteln abgefedert, wenn etwa eine führen; saisonale Wärmespeicher und die begrenzten
energetische Modernisierung eine deutliche und Potenziale von Biomasse und grünem Wasserstoff sind
unzumutbare Erhöhung der Warmmieten für dabei in die Planungen einzubeziehen.
Mietende verursacht.
Hintergrund:
Begründung: Bei der Dekarbonisierung des Gebäudesektors
Die Absenkung der Modernisierungsumlage trägt nehmen die Kommunen und Städte eine entschei­
dazu bei, dass Mietende bei der Umsetzung von dende Rolle ein. Sie können mithilfe kommunaler
energetischen Modernisierungsumlagen entlastet Wärmepläne sicherstellen, dass sowohl Investitions­
werden. Gleichzeitig wird durch die deutliche entscheidungen an Gebäuden als auch Entscheidun­
Reduzierung der Refinanzierungsmöglichkeiten ein gen zur Infrastrukturentwicklung in Quartieren,
Anreiz für Vermietende geschaffen, Förderung in Stadtteilen und ganzen Ortschaften einer übergeord­
Anspruch zu nehmen. Mit der Umstellung der neten kommunalen Strategie folgen, die das Ziel der
Förderkonditionen sowie dem Ausstieg aus der Klimaneutralität mit Maßnahmen der Wärmeversor­
Förderung von nicht zielkonformen Maßnahmen gung verknüpft. Das ist umso wichtiger, weil bis 2045
wird sichergestellt, dass die durchgeführten Maß­ beim Heizen ein tiefgreifender Wandel stattgefunden
nahmen zielkonform sind. haben muss. Bis 2030 müssen rund sechs Millionen
Wärmepumpen eingebaut und jährlich 220.000
Der Vorschlag stützt sich auf: Wohnungen an die Fern- und Nahwärmeversorgung
angeschlossen werden, um dem Verbot von mit
Agora Energiewende (2021): Ein Gebäudekonsens für fossilen Brennstoffen betriebenen Heizungssystemen
Klimaneutralität. 10 Eckpunkte wie wir bezahlbaren in Neu- und Altbauten zu begegnen. Dafür ist zum
Wohnraum und Klimaneutralität 2045 zusammen einen der Ausbau der netzgestützten Wärmeversor­
erreichen gung voranzutreiben, während gleichzeitig der
Rückbau des örtlichen Gasnetzes geplant und beglei­
Ifeu-Institut (2019): Sozialer Klimaschutz in Miet- tet werden muss.
wohnungen. Kurzgutachten zur sozialen und klima­
gerechten Aufteilung der Kosten bei energetischer Kommunale Wärmepläne werden bereits seit Jahren
Modernisierung im Wohnungsbestand erfolgreich in europäischen Ländern, vor allem in
Dänemark, in der Schweiz und in Österreich, entwi­
Öko-Institut/Hamburg-Institut (2021): Agenda ckelt. In Deutschland existiert bislang keine landes­
Wärmewende 2021. Studie im Auftrag von Stiftung weite Verpflichtung zu ihrer Erstellung. Das Grund­
Klimaneutralität und Agora Energiewende gesetz (Art. 84, Abs. 1, Satz 7) verbietet es dem Bund,
den Kommunen Aufgaben direkt zu übertragen. Auf
Landesebene hat das Land Baden-Württemberg große
Kreisstädte und Stadtkreise mithilfe eines Klima­
schutzgesetzes bis zum 31. Dezember 2023 zur
Vorlage kommunaler Wärmepläne verpflichtet,

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Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

während die Freie und Hansestadt Hamburg diese rung unter anderem für saisonale Wärmespeicher und
analog zum Klimaschutzgesetz 2020 selbst erstellt. die Bestimmung von Gasrückzugsgebieten bei gleich­
Um sicherzustellen, dass alle Kommunen den mit der zeitiger Berücksichtigung der begrenzten Potenziale
Energiewende einhergehenden Technologie- und von Biomasse und grünem Wasserstoff. Die voraus­
Infrastrukturwandel erfolgreich planen und umset­ schauende Ausweisung von grünen leitungsgebunde­
zen, sollte der Bund alle Länder dazu anhalten, in nen Wärmequartieren und von Gebieten, in denen
ihrem Hoheitsbereich Wärmeplanungen vorzuneh­ klimaneutrale Einzelheizungslösungen (vor allem
men. Die Länder können diese entweder selbst Wärmepumpen) vorgesehen sind, schafft Planungssi­
durchführen oder die Kommunen beziehungsweise cherheit bei Unternehmen sowie Gebäudeeigentü­
regionale Planungsverbände über ein eigenes Lan­ merinnen und -eigentümern gleichermaßen und
desgesetz mit dieser Aufgabe betrauen. garantiert so den intelligenten, ressourcenschonenden
und kosteneffizienten Umbau der kommunalen und
Regelungsvorschlag: regionalen Wärmeversorgung bis 2045 bei gleichzeiti­
Dem Beispiel Baden-Württembergs folgend werden ger Wahrung der Akzeptanz der Bevölkerung gegen­
die Bundesländer gesetzlich dazu verpflichtet, für alle über den Zielen der Energiewende.
größeren Kommunen eine verbindliche kommunale
Wärmeplanung einzuführen. Saisonale Wärmespei­ Der Vorschlag stützt sich auf:
cher und die begrenzten Potenziale von Biomasse und
grünem Wasserstoff sind darüber hinaus in die Agora Energiewende (2021): Ein Gebäudekonsens für
Planungen einzubeziehen. Die vom Bund bereitge­ Klimaneutralität. 10 Eckpunkte wie wir bezahlbaren
stellten Fördermittel können nur für Maßnahmen und Wohnraum und Klimaneutralität 2045 zusammen
Technologien in Anspruch genommen werden, die zu erreichen
den im Wärmeplan festgelegten Transformations­
strategien passen und den Zielen eines klimaneutra­ Öko-Institut/Hamburg-Institut (2021): Agenda
len Gebäudebestands folgen. Die Kommunen werden Wärmewende 2021. Studie im Auftrag von Stiftung
in die Lage versetzt, lokale Wärmenetze in kommu­ Klimaneutralität und Agora Energiewende
nale Hand zu überführen und Inhalte kommunaler
Wärmepläne außenrechtsverbindlich festzusetzen.
45 Serielle Sanierung fördern
Begründung:
Die Wärmewende im Gebäudesektor ist geprägt von Mit einem einmaligen 10-Milliarden-Euro-Förder­
sehr langen Investitionszyklen (zum Beispiel für programm findet die Markteinführung der industri­
Wärme-, Strom- und Gasverteilernetze) sowie von der ellen energetischen Sanierung statt (Energiesprong).
Notwendigkeit, viele Millionen Hauseigentümerinnen Um dem Handwerkermangel zu begegnen, werden
und -eigentümer von einem Umbau ihres Heizsystems neue Ausbildungsberufe an der Schnittstelle zwi­
zu überzeugen. Mithilfe von Bestands- und Potenzial­ schen Gewerken, Planenden sowie Architektinnen
analysen sowie der Formulierung eines Zielszenarios und Architekten eingeführt und Umschulungen
können Städte und Kommunen den Transformations­ erleichtert.
prozess hin zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung
konzeptionell und planerisch steuern. Kommunale Hintergrund:
Wärmepläne liefern den Rahmen für eine Reihe Die vom Bund gesetzten Sanierungsanforderungen
kommunaler Steuerungsinstrumente, etwa der und -anreize entfalten nur dann Wirkung, wenn die
Festlegung von Vorranggebieten für den Fernwärme­ Maßnahmen zügig umgesetzt werden und genügend
ausbau und die Gebäudesanierung, die Flächensiche­ ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung stehen. Neben

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IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

der Stärkung des Handwerks bietet die serielle Sanie­ fonds unterstützt Unternehmen und Start-ups, die
rung großes Potenzial für die Erreichung eines digitalisierte, hoch prozessoptimierte Handwerks­
klimaneutralen Gebäudebestands. In den Niederlan­ dienstleistungen anbieten. Für standardisierbare
den werden Häuser zum Beispiel nach dem Prinzip Komponenten werden präkonfigurierte, hochqualita­
des Energiesprong mithilfe vorgefertigter Fassaden­ tive Elemente definiert und in verschiedenen Losen
teile in Kombination mit Wärmepumpen und Solar­ ausgeschrieben.
anlagen auf dem Dach innerhalb weniger Wochen auf
einen Nullenergiestandard saniert. Die Gebäude­ Begründung:
struktur privater Eigentümerinnen und Eigentümer Gebäudesanierungen dürfen nicht nur als individuelle
ist in Deutschland allerdings äußerst kleinteilig. Eine Aufgabe von Gebäudeeigentümerinnen und -eigentü­
energetische Sanierung ist technisch und wirtschaft­ mern, sondern müssen auch als gesamtgesellschaftli­
lich oft komplex. Die schwierige Generierung von che Aufgabe verstanden werden. Rund 19 Millionen
Volumina könnte ein Grund dafür sein, warum es in Wohngebäude sind in Deutschland zu sanieren, von
Deutschland bisher nicht gelungen ist, mit einem am denen viele nicht von der professionellen Wohnungs­
Konzept des Energiesprong angelehnten Projekts wirtschaft betreut werden. Die Folge ist, dass bei
große Skaleneffekte zu erzielen. Der seriellen Sanie­ diesen Projekten in der Regel keine besonderen
rung in Deutschland fehlt es an Marktreife, obwohl Kenntnisse über Energieeffizienz- und Wärmeversor­
ein Energiesprong-Potenzial von fünf Millionen gungstechnologien, Förderprogramme oder die Märkte
Wohnungen existiert. für Energie-, Bau- und Handwerksdienstleistungen
vorliegen. Die Stärkung aller an einer Sanierung eines
Zudem löst die Erhöhung der ordnungsrechtlichen Hauses beteiligten Gewerke ist notwendig, damit
Anforderungen einen Strukturwandel im Gebäude­ ordnungsrechtliche Vorgaben eingehalten und Förder­
sektor aus. Während die bislang pro Jahr verbauten mittel effizient eingesetzt werden können. Um in
750.000 Heizkessel vor allem fossiler Natur waren, Deutschland agierende Unternehmen darüber hinaus
werden dies in Zukunft vorrangig Wärmepumpen zum Aufbau der für die serielle Sanierung notwendi­
sein. Darüber hinaus sind bis 2030 220.000 Woh­ gen Kapazitäten und (digitalen) Prozesse zu motivieren,
nungen und bis 2045 340.000 Wohnungen jährlich muss die Politik belastbare Signale senden. Mit einem
an die Fernwärmeversorgung anzuschließen. einmaligen 10-Milliarden-Euro-Förderprogramm
treibt der Bund die Entwicklung standardisierter
Regelungsvorschlag: Haus- und Effizienztechnik zu kostengünstigen
Zur Begegnung des Fachkräftemangels werden neue Preisen voran. Darunter fällt auch die Entwicklung
Ausbildungsberufe an der Schnittstelle zwischen vorgefertigter Paketlösungen wie Heizzentralen für
Gewerken, Planenden sowie Architektinnen und Mehrfamilienhäuser und vorgefertigte Fassadenele­
Architekten eingeführt. Einzelmaßnahmen wie mente, die Dämmung, Heizungs- und Lüftungsele­
Transformations-Kurzarbeitergeld, die Anhebung mente vereinen. Die Bündelung der Bedarfe öffentli­
und Angleichung der Ausbildungsvergütungen, die cher Gebäude generiert weitere Skalierungseffekte
Erschließung neuer Zielgruppen durch eine Anpas­ und Investitionsanreize für Unternehmen.
sung des Fachrechts und Umschulungen sowie
attraktive Fort- und Weiterbildungsangebote federn Der Vorschlag stützt sich auf:
den Fachkräftemangel ab.
Agora Energiewende (2021): Ein Gebäudekonsens für
Ein 10-Milliarden-Euro-Förderprogramm setzt Klimaneutralität. 10 Eckpunkte wie wir bezahlbaren
Anreize für die Entwicklung kostensenkender, seriell Wohnraum und Klimaneutralität 2045 zusammen
zu fertigender Sanierungskomponenten. Ein Risiko­ erreichen

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Deutsche Energie-Agentur (2021): NetZero-­ Regelungsvorschlag:


Standard nach dem Energiesprong-Prinzip Die Wettbewerbsverzerrungen zulasten von Wärme­
pumpen werden beendet. Die Neuordnung der
Öko-Institut/Hamburg-Institut (2021): Agenda Abgaben, Umlagen und Entgelte (insbesondere
Wärmewende 2021. Studie im Auftrag von Stiftung EEG- und KWK-Umlage, Stromsteuer und Netzent­
Klimaneutralität und Agora Energiewende gelte) führt dazu, dass der für den zum Betrieb von
Wärmepumpen genutzte Strom günstiger wird. Die
flankierenden Förderprogramme für Wärmepumpen
46 Anreize für Wärmepumpen erhöhen werden zudem so ausgestaltet, dass der Einsatz von
Wärmepumpen auch im Gebäudebestand kostenat­
Wärmepumpen sind eine Schlüsseltechnologie für die traktiv wird und durch Skalierungseffekte die Kosten
Wärmewende. Förderung und die Neuordnung der sinken. Das weitgehende Einbauverbot für fossile
Abgaben, Umlagen und Entgelte auf Strom machen Heizungen im Gebäudeenergierecht sorgt dann für
Einbau und Betrieb einer Wärmepumpe so günstig einen dynamischen und kosteneffizienten Markt­
wie heute eine Öl- oder Gasheizung. In Neubauten hochlauf bei Wärmepumpen.
und bei Ein- und Zweifamilienhäusern auch im
Gebäudebestand werden sie so zur kostengünstigen Begründung:
und effizienten Standardlösung, wenn der Einbau von Bislang liegt der Marktanteil von fossilen Wärme­
neuen, fossil betriebenen Heizungssystemen ab 2024 erzeugern bei etwa 85 Prozent. Mit dem Ausstieg aus
nur noch in Ausnahmefällen zulässig wird. fossil betriebenen Erdgas- und Ölheizungen erfolgt
eine Erneuerung des Heizungsbestands. Das im
Hintergrund: Vergleich zu fossilen Brennstoffen hohe Niveau der
Wärmepumpen sind für die Dekarbonisierung des Strompreise, hervorgerufen durch Abgaben und
Gebäudesektors zentral. Damit der Wandel zu Umlagen, benachteiligt allerdings die Wärmepumpen
CO2-freien Heiztechnologien gelingt, ist der Anteil und verhindert den notwendigen zügigen Rollout und
der mit einer Wärmepumpe beheizten Wohnfläche Einsatz von Wärmepumpen im Gebäudebestand. Das
bis 2030 auf rund 24 Prozent (ca. 6 Mio. Wärmepum­ weitgehende Einbauverbot für fossil betriebene
pen) und bis 2045 auf 60 Prozent (ca. 14 Mio. Wärme­ Heizungen, insbesondere bei Ein- und Zweifamilien­
pumpen) zu erhöhen. Um die Wärmepumpe neben häusern, wird zwar für eine deutlich steigende Nach­
Fernwärme als ökologisch und ökonomisch zu frage nach Wärmepumpen sorgen, muss jedoch durch
präferierende Heiztechnologie für Ein, Zwei- und eine Reform der Kostenstrukturen flankiert werden.
Mehrfamilienhäuser im Neubau und im Bestand zu Neben einem deutlich und stetig steigenden CO2-Preis
etablieren, müssen neben dem weitgehenden Einbau­ sind die Strompreisbestandteile, insbesondere EEG-
verbot fossiler Heizungstechniken im Gebäudeener­ und KWK-Umlage sowie die Netzentgelte, zu reduzie­
gierecht (siehe Ziffer 39) schnellstmöglich Abgaben, ren und zu dynamisieren, damit der Betrieb von
Steuern und Umlagen auf den Strompreis systema­ Wärmepumpen nicht nur in Neubauten, sondern auch
tisch reduziert und variabler ausgestaltet werden. in (teil-)sanierten Gebäuden die wirtschaftlichste Form
Aktuell ist der Preis des für den Betrieb der Wärme­ der Wärmeversorgung darstellt. Um eine flexible
pumpe notwendigen Stroms aufgrund unterschiedli­ Steuerung und einen an das Angebot an fluktuierender
cher Besteuerung knapp viermal so hoch wie der Stromerzeugung angepassten Betrieb zu ermöglichen,
Preis für Heizöl und Erdgas. Dies stellt eine massive müssen zudem die Fördervoraussetzungen für Wärme­
Wettbewerbsverzerrung zugunsten von Gasheizun­ pumpen sukzessive an die Anforderungen angepasst
gen und zulasten von Wärmepumpen dar. werden (zum Beispiel Steuerungssysteme, Speicher).

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Der Vorschlag stützt sich auf: Regelungsvorschlag:


Eine Nährstoffbilanzierung wird auf einzelbetriebli­
Agora Energiewende (2021): Ein Gebäudekonsens für cher Ebene (Hoftorbilanzierung oder Stoffstrom­
Klimaneutralität. 10 Eckpunkte wie wir bezahlbaren bilanzierung) für alle Betriebe eingeführt und Bilanz­
Wohnraum und Klimaneutralität 2045 zusammen überschüsse werden so wirksam begrenzt. Dazu
erreichen werden künftig 1. eine belastbare, transparente und
überprüfbare (u. a. belegbasierte) Bilanzberechnung
Öko-Institut/Hamburg-Institut (2021): Agenda verlangt; 2. hinreichend anspruchsvolle, tolerierte
Wärmewende 2021. Studie im Auftrag von Stiftung Stickstoffsalden inklusive verbindlicher Meilensteine
Klimaneutralität und Agora Energiewende für eine Zielerreichung der Nachhaltigkeitsstrategie
Deutschland (max. 70 kg N/ha) festgelegt und 3. ein
rechtlich gesicherter Datenzugang der Kontrollbehör­
47 Nährstoffbilanzierung einführen den zu den für die Nährstoffbilanzen relevanten
Stoffströmen gewährleistet.
Auf einzelbetrieblicher Ebene wird eine Nährstoff­
bilanzierung eingeführt, um Bilanzüberschüsse zu Zur Unterstützung wird eine Stickstoffsteuer als
begrenzen. Zur Unterstützung wird mineralischer mengenbezogene Verbrauchsteuer auf den Stick­
Stickstoff zukünftig besteuert. stoffgehalt mineralischer Dünger mit zunächst
moderatem Steuersatz (50 Cent/kg Stickstoff)
Hintergrund: eingeführt. Anknüpfungspunkt der Steuer auf
Mehr als die Hälfte der Emissionen reaktiver Stick­ synthetischen Stickstoff ist der Handel. Das Aufkom­
stoffverbindungen in Deutschland entstammen der men wird zur Unterstützung eines klimagerechten
Landwirtschaft. Hieraus resultieren viele negative Umbaus an die Landwirtschaft zurückgeführt
Umweltwirkungen in Bezug auf die Qualität von (Innovationsfonds, Rückerstattungsmodelle).
Oberflächengewässern und Grundwasser, die
Biodiversität, die Qualität der Atemluft und die Begründung:
Treibhausgasemissionen. Insbesondere Lachgas (N2O) Die Stoffstrombilanzierung bietet die große Chance,
ist ein hochwirksames Treibhausgas. Um die Emissi­ die Nährstoffströme in den Betrieb hinein und aus
onen reaktiver Stickstoffverbindungen zu verringern, dem Betrieb heraus genauer zu verstehen und zu
müssen Nährstoffkreisläufe stärker geschlossen bewerten und so Überschüsse in den Betrieben und
werden. Zentraler Ansatzpunkt hierfür ist die Dünge­ im gesamten Landwirtschaftssektor wirksam zu
politik. Diese ist derzeit besonders auf Gewässer­ verringern. Ihre Umsetzung wird durch die Etablie­
schutzziele ausgerichtet und trägt nicht ausreichend rung und Nutzung einer konsequent digitalen
zur notwendigen Verbesserung der Stickstoffausnut­ belegbasierten Erfassung unterstützt. Eine fehlende
zung und Senkung von Überschüssen in der Land­ Kontrollierbarkeit der Düngemittelmengen stellt jeden
wirtschaft bei. Die gegenwärtige Düngeverordnung Versuch der Regulierung der Düngehöhe infrage,
ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen politischen unabhängig davon, ob dies über die Düngebedarfser­
Verweigerung, wirksame Maßnahmen zur Minde­ mittlung oder die Stoffstrombilanz erfolgen soll. Ihre
rung der Stickstoffüberschüsse in der Landwirtschaft Umsetzung in ganzer Breite bedarf allerdings einigen
auf den Weg zu bringen. Die gegenwärtigen Regelun­ zeitlichen Vorlauf.
gen sind wenig wirksam und zielgenau.
Die begleitende Einführung einer Stickstoffsteuer ist
sofort wirksam. Sie fungiert als eine Art „Sicherheits­
gurt“ im Falle weiterer Verzögerungen bei der Bilan­

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zierung und Begrenzung von Bilanzüberschüssen. Erzeugung allein durch technologische Verbesserun­
Wird die Bilanzierung nicht engagiert umgesetzt, gen reicht nicht aus, um einen angemessenen Beitrag
sollte die Steuer weiter angehoben werden. der Landwirtschaft zur Umsetzung der Klimaschutz­
ziele zu gewährleisten. Für die notwendige Reduzie­
Eine Stickstoffsteuer hätte auch in Bezug auf andere rung der THG-Emissionen aus der Nutztierhaltung
Nachhaltigkeitsdimensionen positive Effekte. So müssen daher auch die Produktions- und Konsum­
würde sie zu einem vermehrten Leguminosenanbau, mengen von Lebensmitteln tierischer Herkunft in
weiteren Fruchtfolgen und geringerem Fungizidein­ Deutschland erheblich reduziert werden.
satz (aufgrund weniger dichter Bestände) führen
sowie Anreize für eine bessere räumliche Verteilung Regelungsvorschlag:
organischen Düngers setzen. Die Reduzierung der Produktion und des Konsums
tierischer Produkte wird durch einen breiten Instru­
Der Vorschlag stützt sich auf: mentenmix erreicht: Durch Aufklärung über Zusam­
menhänge werden informierte Entscheidungen
Grethe, Harald et al. (2021): Klimaschutz im Agrar- unterstützt; Preisanreize setzen gezielt am Konsum
und Ernährungssystem Deutschlands: Die drei an und eine bessere Kennzeichnung stärkt die
zentralen Handlungsfelder auf dem Weg zur Klima- Konsumentensouveränität. Konkret wird das
neutralität. Gutachten im Auftrag der Stiftung Umsatzsteuergesetz dahingehend geändert, dass für
Klimaneutralität. tierische Produkte künftig der Regelsatz von 19 Pro­
zent zu zahlen ist. Die Mehreinnahmen werden
zugunsten einer klimaschonenden Landwirtschaft
48 U
 msatzsteuer auf tierische P
­ rodukte verwendet. Für langfristig stabile Veränderungen
anheben werden insbesondere Bildungsangebote in Kitas und
Schulen in Verbindung mit einer nachhaltigen
Die Privilegierung tierischer Produkte bei der Verpflegung unterstützt. Zudem werden den Ver­
Umsatzsteuer wird beendet. Für tierische Produkte braucherinnen und Verbrauchern durch ein staatli­
ist zukünftig der Regelsatz von 19 Prozent zu zahlen. ches Klimalabel für Nahrungsmittel klare Informatio­
Die Mehreinnahmen werden zugunsten einer nen zur Klimawirkung ihrer Konsumentscheidungen
klimaschonenden Landwirtschaft verwendet. an die Hand gegeben.

Hintergrund: Begründung:
Die Herstellung von Nahrungsmitteln auf pflanzlicher Eine Reduktion des Konsums tierischer Produkte in
Basis ist deutlich ressourceneffizienter als die Deutschland wird von zahlreichen wissenschaftli­
Herstellung von Lebensmitteln tierischer Herkunft. chen Gremien, darunter verschiedene Beiräte des
Letztere benötigen mehr landwirtschaftliche Fläche, Bundesministeriums für Ernährung und Landwirt­
verursachen deutlich höhere THG-Emissionen pro schaft (BMEL), seit Langem empfohlen. So gibt es in
Nährstoffeinheit und haben weitere negative Bezug auf die menschliche Gesundheit deutliche
Umweltfolgen, etwa auf die Gewässer- und Luftqua­ Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen dem
lität. So werden circa 58 Prozent der landwirtschaft­ Konsum von Fleischverarbeitungsprodukten oder
lich genutzten Fläche in Deutschland für die Futter­ Rotfleisch und dem Auftreten bestimmter Krebser­
mittelproduktion verwendet. Zusätzlich importiert krankungen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernäh­
Deutschland in erheblichem Umfang Futtermittel, das rung empfiehlt, den gegenwärtigen Konsum um die
aus ökologisch schädlicher Herstellung stammt. Eine Hälfte zu reduzieren.
Verringerung der THG-Emissionen aus der tierischen

70
IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

In Bezug auf die Tierwohlsituation in Deutschland gilt, deutliche Erhöhung des Tierwohls fokussieren, aber
dass die gegenwärtigen Haltungsverfahren sowohl aus mit konstanten Beständen rechnen und den notwen­
gesellschaftlicher als auch aus tierschutzfachlicher digen Rückbau nicht adressieren. Die Nutztierhal­
Sicht den Mindestanforderungen zum Großteil nicht tungsstrategie des BMEL (2019) nennt zwar techno­
genügen. Werden die Tierzahlen im Zuge besserer logische Optimierungsmöglichkeiten, adressiert aber
Haltungsbedingungen auch insgesamt verringert, die notwendige Verringerung von Konsum und
ergeben sich Synergien mit dem Klimaschutz. Produktion ebenfalls nicht. Ganz grundsätzlich gilt:
Wir brauchen eine langfristige Perspektive für die
Die spezifischen THG-Emissionen pro Produkt- oder Nutztierhaltung in Deutschland. Hierzu gehört nicht
Nährstoffeinheit sind bei tierischen Produkten höher nur eine gesellschaftliche Verständigung über die
als bei pflanzlichen. In Bezug auf den Flächenan­ Frage, wie Tiere gehalten werden sollen (Tierwohl,
spruch pro Kopf ist klar, dass unser Ernährungsstil Umwelteffekte), sondern auch über die Frage, wie
global nicht übertragbar ist. Schließlich eröffnet eine viele und welche Tiere in Zukunft in Deutschland aus
Reduzierung der Nutztierbestände durch die Ein­ einer breiten Nachhaltigkeitsperspektive gehalten
schränkung der Futterflächenansprüche größere werden sollen und welche Konsummengen dazu
Freiheitsgrade für die Weiterentwicklung der passen. Klare Politikziele und tragfähige Perspektiven
Flächennutzung im Sinne des Klimaschutzes. sind nötig, um den betroffenen Akteuren Orientie­
rung für zukünftige Investitionen zu geben.
Der Vorschlag stützt sich auf:
Regelungsvorschlag:
Grethe, Harald et al. (2021): Klimaschutz im Agrar- Es wird in einem breit angelegten Verständigungs­
und Ernährungssystem Deutschlands: Die drei prozess eine langfristige Perspektive für die Nutz­
zentralen Handlungsfelder auf dem Weg zur Klima- tierhaltung in Deutschland entwickelt.
neutralität. Gutachten im Auftrag der Stiftung
Klimaneutralität Begründung:
Klimaneutralität lässt sich ohne eine drastische
Reduzierung der Emissionen auch in der Landwirt­
49 Z
 ukunftsperspektive für die schaft nicht erreichen. Das wird unausweichlich
­Nutztierhaltung erarbeiten grundlegende Auswirkungen auf Produkte und
Produktionsstrukturen in der Landwirtschaft haben.
Gemeinsam mit Tierhaltenden, Handel und Verbrau­ Die Landwirtschaft ist darüber hinaus in Bezug auf
cherverbänden wird eine langfristig tragfähige andere Nachhaltigkeitsaspekte unter zunehmendem
Perspektive für die Nutztierhaltung entwickelt. Transformationsdruck. Der somit aus verschiedenen
Zukünftig soll gelten: weniger Tiere, mehr Tierwohl, Gründen notwendige Umbauprozess muss als
stabile Einkommen, gute Ernährung. Gesellschaftsaufgabe verstanden und gestaltet
werden.
Hintergrund:
Die notwendige Verringerung des Konsums und der Der Vorschlag stützt sich auf:
Produktion tierischer Produkte ist zwar bereits
Gegenstand gesellschaftspolitischer Debatten, wird Grethe, Harald et al. (2021): Klimaschutz im Agrar-
aber bisher sowohl in der Fachpolitik als auch in der und Ernährungssystem Deutschlands: Die drei
Branche mit großer Zurückhaltung behandelt. zentralen Handlungsfelder auf dem Weg zur Klima-
Beispiele hierfür sind die Empfehlungen des Kompe­ neutralität. Gutachten im Auftrag der Stiftung
tenznetzwerks Nutztierhaltung (2021), die auf eine Klimaneutralität

71
Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

50 Moorschutzstrategie entwickeln Optionen zur „nassen Nutzung“ investiert (Photovol­


taik, Paludikulturen). Für finanzielle Anreize in der
Da landwirtschaftlich genutzte Moore für einen Anfangsphase kommen ein nationaler Moorschutz­
Großteil der Treibhausgasemissionen der Landwirt­ fonds oder die Nutzung der Gemeinschaftsaufgabe
schaft verantwortlich sind, wird eine Moorschutz­ Agrarstruktur und Küstenschutz infrage. Im Rahmen
strategie entwickelt. Diese verfolgt das Ziel der einer Moorschutzstrategie werden die Ziele an die
weitgehenden Wiedervernässung bis 2045 und der jeweiligen regionalen Gegebenheiten angepasst, die
klimaschonenden, wirtschaftlichen Nutzung der Finanzierung wird gesichert, die institutionelle
wiedervernässten Moore. Verankerung des Moorschutzes gestärkt und die
Datenerfassung verbessert. Zur Moorschutzstrategie
Hintergrund: wird ein Maßnahmenpaket mit Anreizsystemen
Landwirtschaftlich genutzte organische Böden sowie planungs-/ordnungsrechtlichen Komponenten
(Moore und Anmoore) machen circa 1,3 Millionen gehören.
Hektar und damit knapp acht Prozent der landwirt­
schaftlichen Nutzfläche Deutschlands aus. Trocken­ Begründung:
gelegte Flächen emittieren jährlich etwa 41 Millionen Die Wiedervernässung heute landwirtschaftlich
Tonnen CO2-Äq. Dies entspricht etwa 40 Prozent der genutzter Moore ist eine langfristige gesamtgesell­
gesamten THG-Emissionen aus der Landwirtschaft schaftliche Aufgabe, die klarer Ziele und einer Koope­
und der landwirtschaftlichen Bodennutzung, wenn­ ration mit Flächeneigentümerinnen und -eigentü­
gleich diese Emissionen zum überwiegenden Teil mern, Bewohnerinnen und Bewohnern sowie
nicht auf die nationalen Klimaziele angerechnet Nutzenden von Moorgebieten bedarf. Eine abgestufte
werden. Angesichts des hohen Anteils von trocken­ und langfristige Strategie mit klarer Zielkommunika­
gelegten Mooren an den gesamten THG-Emissionen tion ist wichtig, um: 1. klimapolitisch glaubwürdig zu
aus der landwirtschaftlichen Bodennutzung ist eine sein; 2. weitere Fehlinvestitionen zu verhindern;
sehr weitgehende Wiedervernässung volkswirt­ 3. Anreize für Forschung und Entwicklung hinsicht­
schaftlich außerordentlich sinnvoll. Nach einer lich einer nassen Nutzung organischer Böden sowie
solchen Wiedervernässung ist die heute übliche der Verwertung entsprechender Biomassen zu setzen;
landwirtschaftliche Nutzung auf diesen Flächen nicht 4. hinreichend Zeit für betriebliche Anpassungen
mehr möglich. Es müssen vor dem Hintergrund der einzuräumen und 5. genügend Zeit für einen gestaf­
Klimaschutzziele und der sehr hohen Emissionen aus felten Instrumenteneinsatz zu haben, der frühzeitig
entwässerten Moorböden neue, nachhaltigere handelnde „Pionierinnen und Pioniere“ deutlich
Formen der Landnutzung auf den betroffenen Flächen besserstellt. Dies ist für die Akzeptanz einer Wieder­
entwickelt werden. vernässung in den betroffenen Gebieten erforderlich.

Regelungsvorschlag: Ein wichtiger Aspekt der Diskussion um wirtschaft­


Das Ziel der nahezu vollständigen Wiedervernässung liche Perspektiven der betroffenen Gebiete sind die
von heute landwirtschaftlich genutzten organischen Möglichkeiten der „nassen Nutzung“ revitalisierter
Böden (Moore/Anmoore) bis 2045 wird politisch Moore. Im Vordergrund stehen bisher Verfahren einer
verankert. Der Übergangsprozess erfolgt gestaffelt „nassen Landwirtschaft“, sogenannte Paludikulturen
und setzt zu Beginn auf positive Anreize und Freiwil­ (zum Beispiel Torfmoose, Schilf, Rohrkolben, Erlen).
ligkeit. Mittel- und langfristig erfolgt der Moorschutz Sie können in Zukunft insbesondere im Rahmen
aber verbindlich mittels Emissionsbepreisung und neuer Möglichkeiten einer stofflichen Nutzung
planungsrechtlicher Instrumente. Darüber hinaus (Baustoffe, Dämmstoffe) zunehmend wirtschaftlich
wird verstärkt in die Schaffung wirtschaftlicher interessant werden. Es sind aber erhebliche Investiti­

72
IMPULS | Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland

onen in Forschung und Entwicklung hinsichtlich


einer „nassen Landwirtschaft“ sowie in Verarbei­
tungsstrukturen und eine entsprechende Clusterbil­
dung erforderlich.

Ebenso bietet sich die Nutzung der Flächen für die


Erzeugung regenerativer Energien und speziell für
Photovoltaik an (vgl. Ziffer 14).

Der Vorschlag stützt sich auf:

Grethe, Harald et al. (2021): Klimaschutz im Agrar-


und Ernährungssystem Deutschlands: Die drei
zentralen Handlungsfelder auf dem Weg zur Klima-
neutralität. Gutachten im Auftrag der Stiftung
Klimaneutralität

73
Publikationen von Agora Energiewende

Sechs Eckpunkte für eine Reform des Klimaschutzgesetzes


Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und der Einigung zum EU-Klimaschutzgesetz

Klimaneutrales Deutschland 2045


Wie Deutschland seine Klimaziele schon vor 2050 erreichen kann

Ladeblockade Netzentgelte
Wie Netzentgelte den Ausbau der Schnellladeinfrastruktur für Elektromobilität behindern und was der Bund
dagegen tun kann

Klimaneutralität 2050: Was die Industrie jetzt von der Politik braucht
Ergebnis eines Dialogs mit Industrieunternehmen

Stellungnahme zum Entwurf des Steuerbare-Verbrauchseinrichtungen-Gesetz


(SteuVerG)

Die Energiewende im Corona-Jahr: Stand der Dinge 2020


Rückblick auf die wesentlichen Entwicklungen sowie Ausblick auf 2021

Sofortprogramm Windenergie an Land


Was jetzt zu tun ist, um die Blockaden zu überwinden

Klimaneutrales Deutschland (Vollversion)


In drei Schritten zu null Treibhausgasen bis 2050 über ein Zwischenziel
von -65% im Jahr 2030 als Teil des EU-Green-Deals

Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?

Wie weiter nach der EEG-Förderung?


Solaranlagen zwischen Eigenverbrauch und Volleinspeisung

Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende


Handlungsempfehlungen für eine umfassende Akzeptanzpolitik

Zwischen Rekordhoch und Abschaffung: Die EEG-Umlage 2021 in Zeiten


der Corona-Krise

Der Doppelte Booster


Vorschlag für ein zielgerichtetes 100-Milliarden-Wachstums- und Investitionsprogramm

Auswirkungen der Corona-Krise auf die Klimabilanz Deutschlands


Eine Abschätzung der Emissionen 2020

Alle Publikationen finden Sie auf unserer Internetseite: www.agora-energiewende.de

74
Publikationen von Agora Verkehrswende

Fotobeweis am Straßenrand
Wie digital unterstütztes Parkraummanagement die Sicherheit erhöhen kann und sich mit dem Verkehrs-
und Datenschutzrecht vereinbaren lässt

Klimaneutrales Deutschland 2045


Wie Deutschland seine Klimaziele schon vor 2050 erreichen kann

Wie fair sind die Klimaschutz­maßnahmen im Straßenverkehr?


Soziale Verteilungseffekte der CO2-Bepreisung sowie der Förderung der Elektromobilität

Ladeblockade Netzentgelte
Wie Netzentgelte den Ausbau der Schnellladeinfrastruktur für Elektromobilität gefährden und
was der Bund dagegen tun kann

Unternehmens-Ladesäulen für alle Fälle


Wie Bund und Länder den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektromobilität an U
­ nternehmens-
und Wohnstandorten voranbringen können

Hinweise zur Überarbeitung der EU-Verordnung für die Festsetzung


von CO₂-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und für neue
leichte ­Nutzfahrzeuge (Verordnung (EU) 2019/631)
Stellungnahme von Agora Verkehrswende im Rahmen der öffentlichen Konsultation der
Europäischen Kommission

Stellungnahme zum Entwurf des Steuerbare-Verbrauchseinrichtungen-Gesetz


(SteuVerG)
Agora Verkehrswende, Agora Energiewende und Regulatory Assistance Project (RAP)

Auto tankt Internet


Auswirkungen des automatisierten und vernetzten Fahrens auf den Energieverbrauch von Fahrzeugen,
­Datenübertragung und Infrastruktur

Unternehmen als Wegbereiter für Elektromobilität


Die Rolle gewerblicher Fahrzeugflotten bei der Elektrifizierung des Straßenverkehrs in Deutschland

Baustellen der Mobilitätswende


Wie sich die Menschen in Deutschland fortbewegen und was das für die Verkehrspolitik bedeutet

Elektromobilität hoch im Kurs?


Stand der Flottenelektrifizierung in den DAX-Unternehmen

Alle Publikationen finden Sie auf unserer Internetseite: www.agora-verkehrswende.de

75
219/10-I-2021/DE
60-2021-DE

Wie gelingt uns die Energiewende? Welche


konkreten Gesetze, Vorgaben und Maßnah-
men sind notwendig, um die Energiewende
zum Erfolg zu führen? Agora Energiewende
und Agora Verkehrswende wollen den
Boden bereiten, damit Deutschland in den
kommenden Jahren die Weichen richtig stellt.
Wir verstehen uns als Denk- und Politiklabore,
in deren Mittelpunkt der Dialog mit den rele-
vanten energiepolitischen Akteuren steht.

Die Stiftung Klimaneutralität wurde gegrün-


det, um in enger Kooperation mit anderen
Denkfabriken sektorübergreifende Strategien
für ein klimagerechtes Deutschland zu ent-
wickeln. Auf der Basis von guter Forschung
will die Stiftung informieren und beraten –
jenseits von Einzelinteressen.

Unter diesem QR-Code steht diese


Publikation als PDF zum Download
zur Verfügung.

Stiftung Klimaneutralität
Friedrichstr. 140 | 10117 Berlin
T +49 (0)30 62939 4639
www.stiftung-klima.de
info@stiftung-klima.de

Agora Energiewende
Anna-Louisa-Karsch-Strasse 2 | 10178 Berlin
T +49 (0)30 700 14 35-000 | F +49 (0)30 700 14 35-129
www.agora-energiewende.de
info@agora-energiewende.de

Agora Verkehrswende
Anna-Louisa-Karsch-Strasse 2 | 10178 Berlin
T +49 (0)30 700 14 35-000 | F +49 (0)30 700 14 35-129
www.agora-verkehrswende.de
info@agora-verkehrswende.de

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