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P E T E R K N A P P
TEIL 4 UNSERER SERIE UBER DIE GROSSEN ART DIRECTORS DES 20. JAHRHUNDERTS
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schen gab es beruflich keine Station? zu stoßen und hier die Optik zu verant-
P. K.: Ich habe viel gemalt in dieser worten war sicherlich reizvoll.
Zeit. Und dann, 1956, bekam ich den P. K.: Sehen Sie, da war diese Heraus-
Auftrag, zusammen mit Slavik auf der geberin, Hélène Lazareff. Das war eine
Brüsseler Weltausstellung drei Pavil- Frau, sprühend vor Ideen. Die stand je-
lons zu gestalten. Dabei kam ich in den Morgen auf um sechs oder sieben
Kontakt mit Saul Steinberg, der für den und hat dann erst mal alle amerikani-
amerikanischen Pavillon verantwort- schen Zeitungen und Zeitschriften ge-
lich war. Ich hatte Kontakt zu engli- lesen. So um halb elf kam sie dann ins
schen Kollegen und habe bei dieser Ge- Büro. Und dann ging’s los. Die brachte
legenheit gemerkt, daß die Schweizer jeden Tag unendlich Ideen mit.
Typografie doch sehr limitiert ist. L.W.: Sie sagten einmal: Wenn Sie ir-
L.W.: Limitiert in welcher Hinsicht? gendwo neu anfangen, dann haben Sie
P. K.: Ich würde sagen, sie war etwas auch den Wunsch, eine Sache ganz neu
sehr am Bauhaus orientiert. Diese zu machen. Was genau haben Sie bei
strenge Reduktion auf nur zwei Schrift- der Elle anders gemacht?
charaktere sowie den ungeraden, drei- P. K.: Was wir nicht mehr wollten, war
spaltigen Satz: Als Methode war das der Chic. War die Modefotografie eines
einfach zu eng, zu streng. Cecil Beaton, eines Penn oder Avedon.
L.W.: Aber Sie haben diese Schule, je- Was wir ablehnten, waren diese steifen
denfalls zu Beginn, recht kompromiß- Posen. Wir wollten die Mädchen, die
los praktiziert? wir mochten, reinbringen. Und Bewe-
P. K.: Ja, komplett. Und ich hatte Er- gung. Und Lebensgefühl. Unser Slo-
folg damit. Weil es neu war. Aber dann, gan war: Elle – die Zeitschrift der Frau,
wie gesagt, im Kontakt mit internatio- die der Mann liest.
nalen Grafikern, änderte sich meine L.W.: Also Motion, eine weniger stati-
Meinung. Dann habe ich plötzlich die- sche Form der Modefotografie?
se alten französischen Schriftzeichen P. K.: Damals in Paris wichtig waren
verwendet oder Gummistempel ge- Leute wie Henry Clarke oder Willy
kauft. Ganz gewöhnliche Kistensätze. Maiwald, der für Dior fotografierte.
Und das habe ich dann in die strenge Das Ganze war ein homosexueller Zir-
Schweizer Typografie eingebaut. kel. Und als ich nun zur Elle kam, sah
L.W.: Ab April 1959 finden wir Sie ich die Frau als Frau und nicht mehr nur
nun als Art Director im Impressum der als Mannequin.
Elle. L.W.: Inwiefern fand dieses neue Frau-
P. K.: Ja. Ich habe allerdings schon vor- enbild seine Entsprechung in einer
her dort mitgearbeitet, manchmal ein neuen Fotografie?
Layout gemacht, manchmal Typogra- P. K.: Nun, ich war ja nicht alleine da-
fieentwürfe. Aber als Außenstehender. mals mit meinen Vorstellungen. Da war
Ab 1959 war ich dann fix dort. Frank Horvat. Da war Jeanloup Sieff.
L.W.: Wie würden Sie – vom Konzept, Horvat hatte seinerzeit eine sehr stren-
von der Philosophie her – die Elle des ge Vorstellung von Realität. Er sagte:
Jahres 1959 beschreiben? Die Frau geht einmal in der Woche zum
P. K.: Es war eine aktuelle Zeitschrift. Coiffeur. Sonst frisiert sie sich selber.
Ich würde sagen: ein Informations- Und so wollte er sie fotografieren. Aber
blatt, von einer Frau, nämlich Hélène das war natürlich auch ein Fehler. Er
Lazareff, für Frauen gemacht. Damals hat vergessen, daß die Frau eine Frau-
zum Beispiel wurde Abtreibung noch enzeitschrift kauft, nicht um sich zu se-
mit Gefängnis bestraft. Und da gab es hen, sondern um Vorbilder darin zu
dann Artikel wie: Wir haben abgetrie- entdecken. Immer gleich gescribbelt: Seine Ideen pflegte Peter Knapp in der Regel mit dem Zeichenstift zu formulieren
ben. Und das wurde unterschrieben L.W.: Gehörte zu diesem Konzept ei-
von Brigitte Bardot, von Françoise Sa- nes neuen Realismus auch, daß man –
gan, von Jeanne Moreau. Es wurde ein quasi im Sinne einer Nouvelle Vague –
richtiger Kampf für die Frau geführt. draußen fotografierte? L.W.: Auch durch den Übergang vom ten ja keine Studioblitze. Die erste Blitz- Aber doch wohl auch eine Neuorientie-
Die Revolution in der Mode als Art Insofern war die Elle nicht nur ein P. K.: Ja. Bestimmt. Aber es kommt Groß- zum Kleinbild? anlage kam, ich glaube, Mitte der 50er Jah- rung in der Mode.
Director und Fotograf begleitet: Seiten Modeheft. noch etwas hinzu: 1963 bekam ich mei- P. K.: Die Herstellung vor allem verlang- re aus Amerika. Der Akku war drei Meter P. K.: In der Tat. Zunächst war ja die Haute
aus der von Peter Knapp gestalteten Elle L.W.: Die Zeitschrift war im Grunde ne erste Kamera mit einem Motor. Hat- te Großformat, mindestens 4 x 5 inch. Es lang. Und bis er wieder geladen war, dau- Couture die Auftraggeberin. Sie hat alles
vom November 1959 (Foto: Emerick
emanzipatorisch. ten wir vorher nicht. Das heißt: Ein war schon gewagt, wenn man mit Rollei- erte es ungefähr anderthalb Minuten. beeinflußt. Damals spielte die Konfektion,
Bronson), Oktober 1962 (Peter Knapp),
Juli 1964 (Henry Clarke) und März 1960 P. K.: Ja, sie war ganz Emanzipation. Mädchen konnte gehen, aber sie konn- flex kam. In Farbe, nicht Schwarzweiß. Wenn ein Mädchen anderthalb Minuten das Prêt-à-porter praktisch keine Rolle.
(William Connors) Hinzu kommt: Die Elle erscheint in te nicht laufen. Als wir plötzlich sieben Leica-Bilder in Schwarzweiß gab es schon warten muß für die nächste Bewegung, Fast jede gutaussehende Frau hatte ihre
Frankreich wöchentlich. Das heißt, sie Bilder in einer Sekunde machen konn- länger. Ich glaube, Horvat oder Sieff ha- dann fällt alles in sich zusammen. Schneiderin. Man kaufte ein Journal. Und
konnte immer aktuell sein. ten, hat auch die Fotografie eine ande- ben nie anders als mit der Leica fotogra- L.W.: Nun markieren die 60er Jahre ei- die Schneiderin kopierte. Bis 1955/56
L.W.: Und jetzt zu dieser Zeitschrift re Form angenommen. fiert. Ein Problem war die Farbe. Wir hat- nen Paradigmenwechsel in der Fotografie. wurden deshalb vor allem Informations-
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Aktuelle Reportagen in der Elle, kongenial illustriert. Doppelseite aus der Juli-Nummer 1960 (Foto: Dambier)
B I O G R A F I E oder Sachaufnahmen verlangt. Und zurück und hat die Elle gegründet.
nun kam eine Zeit, in der sich die Frau- L.W.: Mit wem als Art Director?
Peter Knapp en anders bewegten. Sie trieben Sport, P. K.: Das war zunächst schon die Che-
1931 in Bäretswil/Schweiz geboren fuhren Auto ... fin selber. Sie hat die Fotografen ausge-
1937 – 1947 Schulerziehung in Zürich
L.W.: ... und verlangten infolgedessen wählt. Und die Zeichner, wie René
1947 – 1951 Grafikerausbildung an der Kunstgewerbeschule
Zürich
nach einer neuen, tragbaren Mode. Gruaut, bevor ich kam.
1952 Besuch der Ecole des Beaux-Arts in Paris P. K.: Ich würde sagen, die Revolution L.W.: Stichwort Zeichner: Im Grunde
1953 Art Director bei Nouveau Féminal kam mit Courrèges. Er hat plötzlich war dies ja auch die Zeit der Ablösung
1955 bei den Galeries Lafayette. Zusammenarbeit u. a. mit Jean den Rock abgeschnitten, weil er gesagt der Illustration durch die Fotografie.
Adnet
hat: Man kann keine Treppe hochgehen P. K.: Es war eigentlich nicht unser
1956 Entwürfe für die Brüsseler Weltausstellung. Gestaltung von
drei Pavillons mit Slavik mit einem langen Kleid. Man kann in Wunsch, die Zeichner aufzugeben. Es
1958 erste Einzelausstellung (Malerei) kein Auto einsteigen. Und wenn nun war der Wunsch des Publikums. Illu-
1959 – 1966 Art Director bei der französischen Elle der Rock kurz ist, sieht man das Ende strationen eignen sich nicht, wenn man
1960 – 1978 eigenes Studio in der Passage Choiseul in Paris vom Strumpf. Folglich braucht es eine Mode kopieren will.
1961 – 1971 gemeinsam mit Jean-Marie Serreau Entwurf von Büh-
Strumpfhose. Und nicht mehr Strümp- L.W.: 1959 im April haben Sie bei der Große Fotografie, großzügig präsentiert. Knapp brachte Bilder und Essays auch zahlreicher Leica Fotografen wie Bruce Davidson, Frank Horvat oder
nenbildern (u. a. Max Frisch und Ionesco)
fe. Er war wohl Couturier. Aber in sei- Elle angefangen. Im selben Monat er- Jeanloup Sieff. Hier Doppelseiten aus der Elle vom Oktober 1962 (Foto: Lionel Kazan), Juni 1959 (Henri Elwing) und Juni 1962 (Dudognon)
1966 erste Einzelausstellung (Fotografie)
1967 Modeaufnahmen für den Couturier André Courrèges. Zahl- nem funktionalen Denken eigentlich schien in Deutschland die erste Ausga-
reiche Bildveröffentlichungen (Mode, aber auch Bildessays und Re- vom Bauhaus beeinflußt. be von twen. Wann haben Sie diese
portagen) in Vogue, Stern, Sunday Times, Marie-Claire sowie in wei-
L.W.: Sie erwähnten die Herausgebe- Zeitschrift zum ersten Mal wahrge-
teren internationalen Zeitungen und Zeitschriften
1970 kurzzeitig Art Director des neugegründeten Zeitmagazins
rin, Hélène Lazareff. Was war sie für nommen? schichten mit großer Optik an. Die Auf- L.W.: Das scheint eher journalistisch als heute noch der Meinung: Man macht Zeit-
1974 – 1977 noch einmal Art Director bei Elle ein Frauentyp? P. K.: Ab Nummer eins. Ich kannte macher bei Ihnen sind dagegen eher still, grafisch gedacht. Wie war ihr Verhältnis schriften, um gelesen zu werden.
1978 – 1984 Studio Moulin Rouge in Paris. Freie Fotografie P. K.: Sie war einssechsundfünfzig groß, Fleckhaus nicht. Aber die Doppelsei- zurückhaltend. zur Textredaktion? L.W.: Um bei der Optik zu bleiben: Bro-
1983 Art Director bei Femme und Décoration internationale trug Chanel und war sehr überzeugt, ten, die er machte, waren gleich beein- P. K.: Das bin ich. Das mache ich auch P. K.: Ich hatte immer ein sehr gutes Ver- dovitch hatten Sie ja schon früh kennen-
1983 – 1994 Dozent an der Ecole supérieure d'arts graphiques in
daß die Frauen ›kompletter‹ sind als die druckend. Er präsentierte Bilder in ei- heute noch so. Ich möchte erst Titel und hältnis zum Chefredakteur. Sprache ist gelernt. Ist er für Sie ein Vorbild geblie-
Paris
1984 – 1988 Studio in der Rue de Bruxelles in Paris
Männer. Man müsse es ihnen nur sagen. nem Format, das wir, die Leute von der Vorspann. Die Doppelseite kommt bei mir nicht meine Sache. Also habe ich immer ben?
1986 große Retrospektive im Paris Art Center Ich glaube, ursprünglich hatte sie Eth- Vision, eigentlich nicht brauchen. Aber erst auf Seite drei und vier. Das heißt, Ti- versucht zuzuhören und ein Problem zu P. K.: Sicher. Wobei ich früh begriffen ha-
1988 Art Director bei Fortune nologie studiert. Als Jüdin lebte sie mit diesem Entschluß, Doppelseiten zu tel und Vorspann bleiben leserlich. Man verstehen. Und ich habe, mit wenigen be, daß das ein Mann ist, der mit Fotogra-
1993 Retrospektive im Centre de la Photographie (Genf). Zahlrei- während des Krieges in New York. In machen, brachte er – etwas salopp ge- weiß, um was es geht. Und dann kommt Ausnahmen vielleicht, immer versucht, fie umgehen kann. Mit der Doppelseite.
che weitere Einzel- und Gruppenausstellungen. Diverse Work-
dieser Zeit waren für sie Dinge wie sagt – die Schönheit eines Bildes po- der Blickfang. Er ist nicht mehr Öffner. leserlich zu gestalten. Also nie vier Spalten Oder dem, was wir bei Itten als l’espace
shops (u. a. in Arles) sowie Fernseh- und Dokumentarfilme. Peter
Knapp lebt in Cergy-Village bei Paris Kühlschrank oder Auto ganz selbstver- pulär den Menschen näher. Sondern schon Empfindung. Das habe ich ohne Unterbrechung gemacht, daß es nur bezeichneten. Ein Meister in der Behand-
ständlich geworden. 1946 kam sie dann L.W.: Bei ihm fangen in der Tat die Ge- nie geändert. Es ist auch heute noch so. noch ein grauer Raster ist. Ich bin auch lung von Kontrasten, Bedrucktem und
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