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Kinderspiele um das Jahr 1900

Vor über 120 Jahren, im Jahr 1899, wurde in Verl-Sende die


kleine Ida Brinkord geboren. Ida wuchs mit ihren Ge-
schwistern auf einem Bauernhof auf. Als Ida erwachsen
war, hat sie aufgeschrieben, was sie als Kind erlebt hat. Sie
schrieb auch über die Spiele in ihrer Kindheit:

Es gab nur wenig richtiges Spielzeug in meiner Kinder-


zeit. Trotzdem hatten wir Kinder viele Möglichkeiten,
um etwas zu spielen.
Im Frühjahr fingen die Ballspiele an. Schlagball war be-
sonders bei den Jungen beliebt; wir Mädchen spielten
aber auch mit. Für dieses Spiel brauchte man viel Platz,
weil sich in einiger Entfernung zwei Mannschaften ge-
genüberstanden. Den Ball schlug man mit einem Stock
weit auf das Spielfeld.
Die Mädchen spielten auch gerne Zuwerfen. Man warf
den Ball und der Partner musste ihn mit verschiedenen Im Frühling, wenn der Hof wieder grün wurde, gab es
Körperteilen, zum Beispiel Kopf, Hand, Fuß, zurück- draußen viele Bewegungsspiele. Manchmal wurden wir
schlagen. Wenn man keinen Spielpartner hatte, warf dabei von Ameisen gebissen oder hatten Grasflecken in
man den Ball gegen die Wand. den Kleidern.

2021-05 https://heimatkundeverl.de Annette Kröning


Wir Kinder schlugen Purzelbäume und probierten das Die Jungen bastelten im Frühjahr gern „Klockerbüch-

„Knüwelkenlaupen“. Das plattdeutsche Wort bedeutet sen“. Dazu brauchte man Zweige vom Holunderstrauch.
„Knäuelchenlaufen“. Bei diesem Spiel wurden die ge- Mit einem spitzen Stab bohrten die Jungen das Mark
kreuzten Arme mit den gekreuzten Beinen festgehalten, aus dem Holzstück. Dann schnitzten sie noch einen
so dass ein richtiges Knäuel entstand. In dieser Körper- passenden Ladestock. Damit konnte man dann kleine
haltung musste man versuchen, durch Rollen des gan- Beeren oder Papierkügelchen verschießen.
zen Knäuels vorwärtszukommen. Etwas schwieriger war es, eine „Fleutpäipen“ zu schnit-
Zum Wippen wurde ein Brett über einen dicken Baum- zen. Dazu brauchte man einen Weidenzweig.
stamm gelegt. Holzstämme lagen immer auf dem Holz-
platz meines Vaters. Auf den selbstgebauten Wippen
musste man ganz schön die Balance halten, um nicht
hinunterzufliegen.
Was zu erklettern war, wurde erobert. Auch wir Mäd-
chen machten mit, obwohl es leider noch keine Hosen
für Mädchen gab. Dafür gab es oft zerrissene Schürzen
und Kleider! Darüber ärgerten sich unsere großen
Ein beliebtes Spiel war das „Kaitkern“. Kaiten, also
Schwestern. Wir sollten „fein“ sein, was wir aber gar
Murmeln, gab es auch damals schon. Die Kinder mach-
nicht wollten. Ich erinnere mich, dass meine kleine
ten eine Kuhle in die glatte Erde. Dann versuchten sie
Schwester einmal mit dem Rock an einem Ast hängen
blieb. Dabei riss der Saum etwas ab. Meine Schwester abwechselnd, die Murmel in die Kuhle zu rollen. Wer

riss dann den ganzen Saum vom Kleid. Das gab zu Hau- das schaffte, bekam alle Murmeln, die daneben gerollt

se großen Ärger! waren.

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Auch beim „Hüpkern“ brauchte man einen glatten Erd- LESEAUFGABEN
boden. Darauf zeichnete man mit einem Stock ein
Rechteck mit acht Feldern. Auf einem Bein hüpften wir 1) Welche Spiele stellt Ida vor?
darauf. Dabei versuchten wir, einen kleinen Kieselstein _____________________________________
mit der Fußspitze durch die Felder zu stoßen. Die Lini-
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en durften dabei nicht berührt werden.
Im Winter konnte man nicht gut draußen spielen. Dann _____________________________________
spielten wir zum Beispiel „Blinde Kuh“ auf der Deele. _____________________________________
Die Deele war die große Halle in unserem Bauernhaus.
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Viel Spaß machte auch das Versteckenspielen, Im Haus
und in den Ställen gab es viele Möglichkeiten, sich zu _____________________________________
verstecken. _____________________________________
Mit den Puppen spielten wir Mädchen eigentlich nur
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sonntags. Da durften wir uns sowieso nicht dreckig ma-
chen. Jede besaß nur eine Puppe, und darauf passten
2) Welche dieser Spiele hast du selber schon gespielt?
wir gut auf. Die Köpfe bestanden aus Porzellan und gin-
gen sehr leicht kaputt.
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Der Text entstand in Anlehnung an: Ida Rasche-Schürmann:
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Ein Leben in der Senne. Eigenverlag 2016.
Mädchenfoto von der Internet-Seite des Stadtmuseums Jena
Flötenzeichnung aus: Unser Kreis Gütersloh. 8. Aufl. 2003 _____________________________________

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3) Welche Spiele möchtest du gerne ausprobieren? 4) Male ein Bild zu einem Spiel von Ida.

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4) In Partnerarbeit:
→ Probiert eines der Spiele aus. Probiert eines der Spiele aus.
→ Probiert eines der Spiele aus. Überlegt euch genaue Regeln.
→ Probiert eines der Spiele aus. Stellt das Spiel eurer Klasse vor.

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