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Therapeutische

Umschau Band 59, 2002 © 2002 Verlag Hans Huber, Bern


Heft 5

Dermatologische Klinik, UniversitätsSpital, Zürich

Shampoobehandlung
Die Haarwäsche stellt die häufigste Form der Haar-
R. M. Trüeb
behandlung dar. Shampoos spielen sowohl für die
Körperpflege und Verschönerung des äußeren Er-
scheinungsbildes als auch für die Behandlung patho-
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logischer Zustände der Haare und der Kopfhaut eine


wichtige Rolle. Die wechselseitige Beziehung zwi-
Zusammenfassung schen Kosmetik und Medizin widerspiegelt sich in
den Fortschritten der Shampootechnologie, welche
Die Shampoobehandlung übertrifft die Funktion der Anwendungen ermöglicht hat, die nicht nur alle Vor-
bloßen Reinigung. Von einem Shampoo werden zu- teile nichtmedizinischer Haarwaschmittel bieten,
sätzliche Wirkungen erwartet: Shampoos sollen die sondern auch Formulierungen zur effektiven Be-
Haare kosmetisch aufbessern, auf die Bedürfnisse handlung häufiger Probleme der Haare und der Kopf-
verschiedener Haarqualitäten und individueller haut. Dementsprechend übertrifft das Anforderungs-
Waschgewohnheiten zugeschnitten sein und gleich- profil, das heute an ein Shampoo gestellt wird, die
zeitig spezifische Probleme der Kopfhaut und der Funktion der bloßen Reinigung. Von einem Shampoo
Haare günstig beeinflussen. In diesem Zusammen- werden zusätzliche Wirkungen erwartet: Das Sham-
hang besteht vonseiten der Patienten ein zunehmen- poo soll die Haare kosmetisch aufbessern, auf die
des Bedürfnis nach sachlicher Information, damit auf Bedürfnisse verschiedener Haarqualitäten und indi-
Konsumentenebene über den Nutzen eines bestimm- viduelle Waschgewohnheiten zugeschnitten sein so-
ten Shampoos individuell entschieden werden kann. wie gleichzeitig spezifische Probleme der Haare und
Medizinische Aus- und Weiterbildungsprogramme der Kopfhaut günstig beeinflussen.
widmen indessen dem Thema «Shampoo» zu wenig
Aufmerksamkeit, so dass Informationen über Sham- Physikalische Grundlagen
poos überwiegend von der Industrie und Werbung
kommen. Die wechselseitige Beziehung zwischen Das Substrat «Haare», das gereinigt werden muss,
Kosmetik und Medizin widerspiegelt sich in den Fort- beläuft sich auf eine Fläche von durchschnittlich
schritten der Shampootechnologie, welche Anwen- 4–8 m2, die sich auf zwischen 85 000 und 150 000
dungen ermöglicht hat, die nicht nur die Vorteile Einzelhaare verteilt. An den Haaren werden Schmutz,
nicht-medizinischer Haarwaschmittel bieten, son- Staub, Rauchpartikel, Hautabschilferungen und Kos-
dern auch Formulierungen zur effektiven Behandlung metikproduktreste von den Lipiden des Talgs gebun-
medizinischer Probleme der Haare und der Kopfhaut, den, der sich von den Haarfollikel-Talgdrüsenein-
wie Spliss, Kopfschuppen und Seborrhoe. Schließlich heiten aus über die Haaroberfläche verteilt, um den
sind einzelne der Inhaltsstoffe von Shampoos, wie ha- Haaren Glanz und Geschmeidigkeit zu verleihen.
logenorganische Verbindungen, Formaldehyd, Nitro- Von einem Haarwaschmittel wird eine ausreichende
moschusverbindungen und Steinkohleteer unlängst Reinigungskraft bei nicht zu starker Entfettung ge-
wegen möglicher Gesundheitsrisiken ins Kreuzfeuer fordert, Schaumvermögen auch in hartem Wasser und
der Kritik geraten. Ihre Bewertung hat ebenfalls auf bei Fettbelastung, gute Haut- und Schleimhautver-
streng wissenschaftlichen Kriterien zu beruhen. träglichkeit, Stabilität, Konditioniereffekt, biologi-
sche Abbaubarkeit und Preiswertigkeit. Die Reini-
256 gungskraft eines Shampoos basiert hauptsächlich auf
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der Oberflächenaktivität der Waschsubstanz. Die (zwitterionische) und nicht-ionische Tenside ein-
oberflächenaktiven Substanzen oder Tenside erleich- geteilt, wobei die anionischen und amphoterischen
tern die Schmutzentfernung durch Verminderung der Tenside (Amphotenside) heute die Grundlage der
zwischen Wasser und wasserresistentem Schmutz an meisten Shampoos bilden, die nicht-ionischen und
der Haaroberfläche bestehenden Oberflächenspan- kationischen Tenside demgegenüber je nach Produkt-
nung und suspendieren den Schmutz in der wässrigen anforderung als Hilfsstoff zur Modifizierung der Ten-
Phase unter Verhinderung einer erneuten Schmutz- sidwirkung bzw. als Wirkstoff zur Konditionierung
anlagerung auf der Haaroberfläche. Dies wird auf- oberflächengeschädigter Haare hinzugesetzt werden
grund einer besonderen molekularen Struktur be- [4, 6–8].
werkstelligt, die sowohl eine hydrophile (polarer
«Kopfbereich») als auch eine lipophile Gruppierung Anionische Tenside
(«Schwanzbereich» bestehend aus einer Kohlenwas- Die anionischen waschaktiven Substanzen zeichnen
serstoffkette) aufweist. Talg und Schmutz werden im sich durch eine negativ geladene hydrophile Gruppie-
Zentrum einer Mizellarstruktur derart von der lipo- rung aus. Bis in dieses Jahrhundert waren natürliche
philen Komponente gebunden und umgeben, dass die Seifen die wichtigste anionenaktive Reinigungssub-
hydrophilen Molekülenden nach außen gerichtet stanz für das Haar [4]. Aufgrund ihrer Empfindlich-
sind. Auf diese Weise wird der Schmutz wasserlös- keit gegenüber hartem Wasser, mit dem an der Haar-
lich und vom Haarschaft gelöst. oberfläche haftende, unlösliche Kalkseifen gebildet
Während bis zur Einführung des ersten alkalifreien werden, die das Haar stumpf und glanzlos erscheinen
Shampoos auf dem Markt im Jahre 1933 allein die lassen, und aufgrund ihres in der wässrigen Phase
Seife zur Haarwäsche zur Verfügung stand, haben stark alkalischen pH-Wertes mit entsprechender
sich inzwischen die Shampoos zu komplex aufge- Reizwirkung für Haut- und Schleimhäute sind Sei-
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bauten High-Tech-Produkten entwickelt, die aus 10 fen zur Haarwäsche weitgehend durch die syntheti-
bis 20, in Einzelfällen bis 30 Rezepturbestandteilen schen Tenside ersetzt worden [4]. Die anionischen
bestehen. Da die Reinigungskraft und das Ausmaß Tenside besitzen ein hervorragendes Reinigungs- und
der Entfettung von der Art und Menge der verwen- Schaumvermögen und zeichnen sich durch eine ver-
deten oberflächenaktiven Substanzen abhängen, set- besserte Hautverträglichkeit aus. Die bekanntesten
zen sich Shampoos dabei aus einer Mischung von anionischen Tenside sind sulfatierte Fettalkohole,
Tensiden zusammen, um den Ansprüchen des indivi- Alkylsulfate, und deren polyethoxylierte Analoga,
duellen Haartyps möglichst zu entsprechen. Die Zu- die Alkylethersulfate. Eine Reihe weiterer anioni-
sammensetzung eines Shampoos ist in Abbildung 1 scher Tenside wie Alkylethercarboxylate, Acylpep-
dargestellt [1–7]. tide, Alkylsulfosuccinate und Olefinsulfonate, die
sich durch hohe Hautverträglichkeit auszeichnen und
Shampoo-Tenside für empfindliche Haare und Kopfhaut eignen, wer-
den zwecks Optimierung der Shampoo-Eigenschaf-
Je nach Art der hydrophilen Gruppierung werden ten in Verbindung mit anderen anionischen und
Tenside in anionische, kationische, amphoterische amphoterischen Tensiden eingesetzt [6].

Inhaltsstoffe eines Shampoos

Tenside Pflegestoffe Wirkstoffe

Haar-Reinigung Haar-Behandlung

Anionische Tenside Kamillenextrakte Kräuterextrakte


Amphotenside Wachse Spezialwirkstoffe:
Lezithine z.B. Antischuppen
+ Panthenol (Selendisulfid,
Ceramide Zinkpyrithion, Teer,
Proteinhydrolysate Pirocton Olamin,
Hilfsstoffe Kationaktive Stoffe Ketoconazol)
Silikone

Modifizierung der Produkt-


Tensidwirkung stabilisierung Produktkomfort

Nichtionische Tenside Konservierungsmittel Parfümöle


Rückfetter Komplexbildner Farbstoffe
Feuchthaltemittel UV-Absorber Perlmuttglanzmittel
Konsistenzgeber Antioxidantien
Puffer Abbildung 1 Haar-
Dispergiermittel
Lösungsvermittler waschmittel (Shampoos).
Zusammensetzung. 257
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Amphotenside trockene und chemisch behandelte Haare Verwen-


Die amphoterischen (zwitterionischen) Tenside wei- dung.
sen im Bereich ihrer hydrophilen Gruppierung so-
wohl eine negative als auch eine positive Ladung auf. Hilfsstoffe
Bei tieferen pH-Werten verhalten sie sich kationen-
aktiv, bei höheren pH-Werten anionenaktiv und neh- Neben den Zweck der Reinigung werden an ein
men demnach eine Stellung zwischen den kationi- Shampoo auch Forderungen an Produktkomfort und
schen und den anionischen Tensiden ein. Vertreter -Stabilität gestellt, die in den Produkt-Formulierun-
dieser Gruppe sind die Betaine, Sulfobetaine, Am- gen eine Reihe von Hilfsstoffen nötig machen [6, 7]:
phoacetate/Amphodiacetate. Amphotenside bilden
Komplexe mit anionischen Tensiden und reduzieren Hilfsstoffe zur Modifizierung der Tensidwirkung
dadurch deren Tendenz, an Proteine zu adsorbieren. Neben der Auswahl und Kombination der Tenside
In Kombination mit anionischen Tensiden werden tragen zusätzliche Hilfsstoffe zur Verbesserung der
Amphotenside überwiegend zur Optimierung anio- Hautverträglichkeit bei. Dazu gehören Rückfetter
nischer Shampoo-Grundlagen verwendet: Insbeson- und Feuchthaltemittel, die auch die Geschmeidigkeit
dere die Amphoacetate/diacetate weisen eine sehr des Haares günstig beeiflussen. Als Rückfetter wer-
gute Haut- und Schleimhautverträglichkeit auf, wir- den natürliche Öle, Fettsäureester und Alkanolamide
ken haarkonditionierend und eignen sich zur Formu- eingesetzt; als Feuchthaltemittel Propylenglykol,
lierung milder Shampoos [6]. Polyethylenglykole, Glycerin, Sorbit und Lactate.
Als Konsistenzgeber werden ethoxylierte Fettalko-
Nichtionische Tenside hole, polymere Verdicker, wie Hydrokolloide und
Im Unterschied zu den übrigen Tensiden weisen die Polyakrylate, sowie Karaya und Tragant eingesetzt.
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nicht-ionischen Tenside keine geladene, polare Grup-


pierung auf und sind daher mit allen übrigen Tensi- Hilfstoffe zur Produktstabilisierung
den kompatibel. Zu den nichtionischen Tensiden zäh- Die Sicherung der Stabilität von Shampoos bedingt
len ethoxylierte Fettalkohole, Sorbitanetherester den Einsatz von Konservierungsstoffen (organische
und Alkylpolyglykoside. Sie gehören zu den mil- Säuren und ihre Derivate, z.B. Benzoe-, Salicyl- und
desten waschaktiven Substanzen und weisen eine Sorbinsäure; Methylparaben; organische Halogen-
gute Reinigungskraft auf, aber nur ungenügendes Verbindungen, z.B. 5-Brom-5-nitro-1,3-dioxan und
Schaumvermögen [6]. In Kombinationen mit Alkyl- Bronopol; Formaldehyd und Formaldehyd-Abspal-
ethersulfaten oder Amphotensiden dienen sie der Ver- ter, z.B. DMDM Hydantoin) zum Schutz vor Verkei-
besserung der Hautverträglichkeit in Formulierungen mung, von Chelatbildner (EDTA) zum Schutz vor
besonders milder Shampoos, z.B. Baby-Shampoos. Spuren an Metallionen aus der Verarbeitung der
Shampoorohstoffe in Stahlapparaturen, von UV-Ab-
Kationische Tenside sorber (Benzophenon-Derivate) zur Stabilisierung
Kationenaktive Substanzen sind charakterisiert durch der Shampoo-Farbstoffe gegenüber Licht, von Anti-
eine positiv geladene hydrophile Gruppierung in der oxidantien (Ascorbinsäure, α-Tocopherol, Butylhy-
Form einer quartären Ammoniumverbindung (e.g. droxyanisanol) zum Schutz oxidationsempfindlicher
Polyquaternium). Aufgrund seiner Aminosäuren-Zu- Öle; Puffer (Citrat-, Lactat- und Phosphatpuffer) zur
sammensetzung enthält menschliches Haarkeratin Gewährleistung der pH-Wert-Stabilität des Sham-
einen Überschuss an negativ geladenen, sauren Grup- poos, von Lösungsvermittler, um pflegende Öle und
pen, welche die positiv geladenen quartären Ammo- Parfüm-Öle klar in Lösung zu halten, und von Dis-
niumverbindungen über Salzbindungen spülfest pergiermittel (Polyvinylpyrrolidon), um in Sham-
anlagern. Geschädigte Haare enthalten infolge des poos sonst unlösliche Wirkstoffe, wie Silikonöle und
hohen Zysteinsäuregehaltes eine höhere Anzahl ne- Antischuppenwirkstoffe, auf Dauer in Schwebe zu
gativ geladener Säuregruppen und nehmen deshalb halten.
gegenüber intakten Haaren mehr quartäre Ammo-
nium-Verbindungen auf. Aufgrund dieser Eigen- Hilfsstoffe zur Erhöhung des Produktkomforts
schaft stellen quartäre Ammonium-Verbindungen Duft- und Farbstoffe sowie Perlglanzmittel tragen zur
eine wichtige Gruppe der speziellen Wirkstoffe zur Attraktivität eines Shampoos bei. Parfümöle sollen
Behandlung geschädigter Haare dar: Sie tragen einerseits den meist fettartigen Eigengeruch der
wesentlich zur Verbesserung von Kämmbarkeit und Shampoo-Grundlage überdecken und andererseits
Griff sowie Verhinderung statischer Aufladung der dem Produkt einen individuellen, angenehmen Duft
Haare bei [8]. Da sie nur ungenügende Reinigungs- verleihen.
kraft und Schaumvermögen sowie ein höheres Irrita-
tionspotential für Haut- und Schleimhäute aufweisen,
finden sie nur in Verbindung mit reizmindernden,
258 nicht-ionischen Tensiden in Shampoos für sehr
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Pflegestoffe Wirkstoffe
Sofern keine pathologischen Veränderungen vorlie- Wirkstoffe sind die Rohstoffe, die zusätzlich zu den
gen, ist das menschliche Haar gegenüber seinem oben aufgeführten Inhaltsstoffen eines Shampoos
natürlichen Zustand grundsätzlich nicht besserbar. eingesetzt werden, um in der Formulierung eines Spe-
Der stetig nachwachsende Haarschaft ist nicht für zial- bzw. Medizinalshampoos auf ein bestimmtes
zeitlich unbegrenzte Haltbarkeit vorgesehen und Haar- oder Kopfhautproblem eine nachweisbare Wir-
zeigt in Abhängigkeit der Haarlänge und exogener kung zu erzielen [7, 11].
Einwirkungen gegen distal zunehmende Abnut-
zungserscheinungen. Wesentliche Ursachen für die- Shampoos zur Behandlung von Kopfschuppen
sen Qualitätsverlust des Haares sind mechanische Ursache der Kopfschuppenbildung ist eine beschleu-
Beanspruchungen durch Kämmen, Bürsten und Tou- nigte Proliferation der Epidermiszellen im Bereich
pieren, Einwirkung von UV-Strahlen und strukturel- fokaler Entzündungherde mit daraus resultierender
le Veränderungen infolge kosmetisch-chemischer Auflösung der im Normalfall auf der Kopfhaut vor-
Prozesse im Verlauf von Haarverformungen und handenen Kolumnärstruktur des Stratum corneum
Haarfarbänderungen [9]. Ziel pflegender Zusatz- [12]. Die Beschleunigung des Keratinisierungspro-
stoffe in Shampoos ist es, den Naturzustand des frisch zesses führt dazu, dass er fehlerhaft abläuft: Durch
nachgewachsenen Haares über einen möglichst lan- die Verminderung des Zusammenhalts zwischen den
gen Zeitraum zu erhalten und im Falle seines Ver- keratinisierten Epidermiszellen kommt es zur Ab-
lustes wiederherzustellen. Geschädigtes Haar kann lösung größerer, von Auge als Kopfschuppen sicht-
selbstverständlich nicht mehr in den Zustand des ge- barer Zellkomplexe. Seit der Inkriminierung eines
sunden nachwachsenden Haares zurückgeführt wer- Pityrosporum-artigen Organismus als Ursache der
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den. Dennoch gelingt es, durch Verwendung von Kopfschuppenbildung durch Malassez vor mehr als
Shampoos mit hohen Anteilen an Pflegestoffen sich hundert Jahren, hat die Bedeutung von Pityrosporum
diesem Idealzustand hinsichtlich Kämmbarkeit, Halt ovale für die Pathogenese der Kopfschuppenbildung
und Glanz anzunähern, sogenannten Konditionier- hinlänglich Anerkennung gefunden. Dementspre-
effekt [6, 7]. chend bieten sich zur Behandlung der Kopfschup-
penbildung neben den keratostatischen und keratoly-
Shampoos für trockenes und strukturgeschädigtes tischen auch antimikrobielle Wirkstoffe an. Klinisch
Haar und dermatologisch gut abgesicherte Antischuppen-
Haar, das aufgrund einer zu geringen Lipidproduk- wirkstoffe sind Steinkohleteer, Selendisulfid, Zink-
tion der Kopfhaut trocken und spröde ist, bedarf pyrithion, Pirocton Olamin und Ketoconazol [7, 11].
gegenüber normalen Haarqualitäten Shampoos mit
höheren Anteilen an Pflegestoffen. Als Pflegestoffe Shampoos zur Behandlung der Kopfhautseborrhoe
werden Fettsubstanzen wie pflanzliche Öle, Wachse, Die Behandlung fetter Haare stellt nach wie vor eines
Lezithin und Lanolin-Derivate sowie Proteinhydro- der größten Herausforderungen, insofern als es nicht
lysate und Silikone verwendet. Polymere kation- möglich ist, signifikante Verbesserungen des Haar-
aktive Avivage-Mittel auf der Basis von Cellulose, zustandes mit kosmetischen Wirkstoffen zu erzielen.
Guar (Guarhydroxypropyltrimoniumchlorid), Chitin Die Lipidsynthese und Entleerung der Talgdrüsen der
und Silikon (Dimethicon) verbessern die Haarstruk- Kopfhaut sowie die Zusammensetzung und Spreit-
tur besonders effektiv und kommen für geschädigte eigenschaften der Kopfhaut- und Haarlipide sind
Haare zum Einsatz [6, 7]. Die Einsatzmengen, ins- alle von pathophysiologischer Bedeutung für die
besondere der kationischen Polymere zur Haarpflege Kopfhautseborrhoe. Diese ist auf eine erhöhte Se-
müssen dem jeweiligen Haarzustand angepasst wer- kretionsleistung der Talgdrüsen sowie auf eine durch
den, da diese eine hohe Substantivität zum Haar auf- mikrobielle Lipolyse veränderte Lipidzusammenset-
weisen und sich bei wiederholter Shampoo-Anwen- zung zugunsten des freien Fettsäureanteils zurück-
dung auf dem Haarschaft aufbauen können. Eine zuführen. Das Hautfett beschwert das Haar und min-
derartige «Überpflege» kann eine Beschwerung der dert die Reibung von Haar zu Haar und damit den
Frisur mit dem Erscheinungsbild von schnell fetten- Frisurenhalt. Die Akkumulation von Staub und
dem Haar zur Folge haben [7]. Neben der Anwen- Schmutz auf fettigem Haar sowie die mikrobielle
dung in Pflegespülungen sind kationenaktive poly- peroxidative Transformation des Talgs führen zu vor-
mere Avivagemittel zu einem wichtigen Bestandteil zeitig schmutzig erscheinendem bzw. schlecht rie-
von 2-in-1-Shampoos geworden, stark pflegender chendem Haar. Therapeutische Ansatzpunkte in der
Shampoos, die in sich die Reinigungsfunktion eines Behandlung der Kopfhautseborrhoe sind demnach
Shampoos mit der Zusatzfunktion der Konditionie- die Reduktion der Lipidmenge und der mikrobiellen
rung vereinen («Shampoo und Spülung in einem») Lipolyse. Um das vorzeitige Zusammenfallen volu-
[10]. minöser Frisuren zu vermeiden, muss verhindert wer-
den, dass die Haaroberfläche zu glatt und geschmei- 259
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dig wird, und um die lipolytische bzw. peroxidative lationspotential, biologischen Abbaubarkeit sowie
Transformation der Kopfhaut- und Haarlipide zu ver- aquatischen Toxizität.
meiden, werden antimikrobiell wirksame Substanzen
eingesetzt. Dies wird durch eine milde Tensidgrund- Haut- und Schleimhautverträglichkeit
lage aus gut reinigenden Waschrohsubstanzen mit Haut- und Schleimhautverträglichkeit werden immer
wenig Substantivität zum Haar erreicht. Eine Hem- auch mit dem fertigen Produkt überprüft, während es
mung der mikrobiellen Lipolyse lässt sich ebenfalls in der Regel hinreicht, Tests zur Ermittlung des Aller-
durch die Tensid-Grundlage des Shampoos erzielen. giepotenzials mit den einzelnen Inhaltsstoffen durch-
Der Zusatz gerbstoffhaltiger Pflanzenextrakte, z.B. zuführen. Eine kritische Betrachtung gesicherter
Eichenrinde, kann durch eine Aufrauhung der Haar- Daten über die Häufigkeit von Kontaktallergien auf
oberfläche den Frisurhalt günstig beeinflussen. Als kosmetische Mittel lässt erkennen, dass kein außer-
nachweislich sebosuppressiver Wirkstoff in Medi- gewöhnliches Risiko für den Konsumenten besteht
zinalshampoos zur Behandlung der Kopfhautsebor- [13]. Dies trifft insbesondere für Rinse-off-Präparate
rhoe, kommt praktisch nur Steinkohleteerdestillat in wie Shampoos zu, bei denen Wasser-Verdünnungs-
Betracht [7]. effekt und kurze Kontaktzeit ein Sensibilisierungs-
risiko auf Shampoo-Bestandteile sehr unwahrschein-
Vitamine lich erscheinen lassen. Da dennoch bei bereits
Sensibilisierten selbst derartige Expositionen eine
Erkenntnisse zur Bedeutung der Vitamine für den Ekzemauslösung nicht auszuschließen ist, bleibt aus
Haarzustand werden abgeleitet von den Beobachtun- dermatologischer Sicht die Forderung nach Deklara-
gen der Auswirkung gewisser Vitaminmangelzu- tion der Inhaltsstoffe zu fordern, damit bei der Suche
stände auf das Haar und von wissenschaftlichen nach dem auslösenden Agens beim Individuum mit
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Kenntnissen zur biochemischen Rolle der Vitamine einer kontaktallergischen Reaktion eine gezielte Di-
in der Stoffwechselaktivität des Haars. Vitamine kön- agnostik sichergestellt und ihm ermöglicht werden
nen ihre Stoffwechselwirkungen nur über eine genü- kann, künftig den Kontakt mit der für ihn persönlich
gende systemische Zufuhr gewährleisten. Äußerlich allergologisch relevanten Substanz zu vermeiden
als Inhaltsstoff eines Shampoos haben nur folgende [14].
Vitamine eine belegte Wirkung:
Karzinogenität
Pantothensäure Während der etwa hundertjährigen Anwendung teer-
Panthenol/Pantothensäure (Vitamin B5) in haarkos- haltiger Produkte aus dermatologischer Indikation
metischen Präparaten verleiht dem Haar Feuchtig- sind nur sehr selten Karzinome der Haut aufgetreten,
keit, verbessert die Kämmbarkeit (Konditionieref- und nach Anwendung von Teer-Shampoos bisher
fekt), reduziert den Spliss, verbessert den Zustand nicht [15]. Bei einem Benzpyrengehalt (Leitsubstanz
geschädigter Haare (Reparaturwirkung) und verleiht der polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstof-
dem Haar Glanz. Panthenol/Pantothensäure gehört fe) in Steinkohlenteer-haltigen Shampoos von bis
damit zu den Pflegestoffen in Shampoos. 79 µg/g wurde eine Aufnahme von einem Bruchteil
von 79 µg polyzyklischer aromatischer Kohlenwas-
Ascorbinsäure, Tocopherol serstoffe pro Haarwäsche berechnet. Im Vergleich
Die Vitamine C und E werden als Antioxidantien in dazu beläuft sich der Benzpyrengehalt von einem
haarkosmetischen Präparaten verwendet, um oxida- Pfund auf dem Kohlegrill gebratenem Hackfleisch
tionsempfindliche Öle zu schützen. Sie gehören da- auf etwa10 µg [16–19].
mit zu den Hilfsstoffen zur Produktstabilisierung von
Shampoos. Umweltbezogene Produktesicherheit
Für andere Vitamine liegen ungenügend Daten vor, Gegenwärtige Anforderungen an die umweltbezoge-
um sie als Shampoo-Wirkstoffe zu bezeichnen, d.h. ne Produktesicherheit kosmetischer Präparate lassen
eine Wirksamkeit auf spezifische Zustände des sich aus der Gesetzeslage ableiten. Die Wirkung am
Haares oder des Haarbodens in der Anwendungsform Körper steht nicht mehr allein im Vordergrund, son-
eines Shampoos ist nicht belegt. dern auch, ob eine Entsorgung ohne Nachteil für die
Umwelt erfolgen kann. Unter dem Aspekt des Ge-
Produktesicherheit wässerschutzes sind vorrangig Mittel in Betracht zu
ziehen, die in Gewässer gelangen, nämlich die Rinse-
Die Bewertung der Produktesicherheit eines Sham- off-Präparate. Die Voraussetzung für den Einsatz
poos erfolgt über die Bewertung der Daten aller eines Inhaltsstoffes ist, dass irreversible Störungen
eingesetzten Inhaltsstoffe bezüglich Haut- und von Gewässern nicht zu erwarten sind. Für die in
Schleimhautverträglichkeit, Sensibilisierungspoten- größeren Mengen verwendeten Tenside wird unter
zial, akuten und chronischen Toxizität, Mutagenität dem Gesichtspunkt eines verlässlichen Gewässer-
260 und Karzinogenität, Hautpenetration und Akkumu- schutzes eine rasche und vollständige biologische
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Abbaubarkeit gefordert. Diese wurde eingehend 16. Merk HF, Mukhtar H, Kaufmann I et al. Human hair fol-
untersucht und bestätigt, wobei die Kenntnisse über licle benzo[a]pyrene and benzo[a]pyrene 7,8-diol metab-
die ökologischen Eigenschaften der Tenside weniger olisme: effect of exposure to a coal tar containing sham-
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aus ihrer Verwendung in Shampoos resultieren, die 17. Merk H, Loew D, Lorke D. Topische Anwendung des
in ihren eingesetzten Mengen ökologisch von nach- Steinkohlenteers: Nutzen-Risiko-Abwägung aus klini-
rangiger Bedeutung sind als aus Untersuchungen an scher, pharmakologischer und toxikologischer Sicht. Akt
Wasch- und Reinigungsmittel, die in weit größeren Dermatol 1990; 16: 147–51.
Mengen eingesetzt werden [20]. 18. Van Schooten FJ, Moonen EJ, Rhynsburger E et al. Der-
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Korrespondenzadresse: PD Dr. med. Ralph M. Trüeb, Leitender Arzt, Dermatologische Klinik, UniversitätsSpital Zürich,
Gloriastraße 31, CH-8091 Zürich
E-mail: ramitru@derm.unizh.ch

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