Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Betreuungsrecht
Medizinische Versuche
an Gefangenen?
(PT) Im Mai dieses Jahres hat der Stif- und graphischen Aspekten ausgewogene
tungsrat der Stiftung Sächsische Gedenk-
stätten die Gestaltung eines Gedenkortes
und würdevolle Gesamtkonzept, vor
allem den Umgang mit der historischen
Digitaler „stacheldraht“
auf einem Areal am Rande des früheren Bausubstanz und die Kontrastierung
Um Druck- und vor allem Portokosten zu sparen, soll die
Gefängnisses Chemnitz-Kaßberg, das durch ein anderes Material. Positiv wur-
Zeitschrift „der stacheldraht“ noch in diesem Jahr als pdf-
einst die größte Abschiebehaftanstalt der den auch das Angebot zum Gedenken so-
Dokument Online angeboten werden.
DDR war, beschlossen. Es soll ein Entwurf wie dessen Trennung vom Informations-
der AG Berthold Weidner/Martin Bennis angebot bewertet.
Abonnenten, die von diesem Angebot Gebrauch machen und
(Stuttgart/Berlin) realisiert werden. Dieser
auf die Papierausgabe verzichten würden, bitten wir um eine
war dem Stiftungsrat im Ergebnis eines Am 17. Juni wurde feierlich eine Tafel ent-
kurze Mitteilung per E-Mail an: der-stacheldraht@web.de
Ideenwettbewerbes von einer Empfeh- hüllt, die über das Vorhaben informiert.
lungskommission zusammen mit einem Siegfried Reiprich, Geschäftsführer der
Die Redaktion
weiteren Entwurf zur Diskussion und Ent- Stiftung Sächsische Gedenkstätten, sagte
scheidung vorgelegt worden. bei diesem Anlaß: „Am 17. Juni 1953
fiel das Tor zur deutschen Einheit zu, erst
Der Entwurf sieht vor, einen erhaltenen
Wachturm und zwei Mauersegmente um
die Friedliche Revolution im Herbst 1989
öffnete es wieder. In den Jahrzehnten da-
Nationalpreis
fünf gleich hohe Informationselemente zwischen galt es für die Bundesregierung, verliehen
aus Glas zu ergänzen. Die Kommission ihrer Verantwortung für die eingesperrten
würdigte besonders das unter räumlichen Landsleute gerecht zu werden.“ (PT) Die Deutsche Nationalstiftung hat
am 24. Juni den Pfarrern Christoph Won-
neberger, Christian Führer, dem Bürger-
rechtler Uwe Schwabe und dem Leipziger
Museum für Opfer des Kommunismus Archiv Bürgerbewegung den Deutschen
Nationalpreis verliehen. Lutz Rathenow,
(mti) In Washington könnte ein Museum Museums „Haus des Terrors“. Nachdem Sächsischer Landesbeauftragter für die
für die weltweiten Opfer des Kommunis- Ungarn mit seiner Spende eine Führungs- Stasi-Unterlagen, schrieb dazu, sie er-
mus entstehen. Dazu ist eine Online-Spen- rolle übernommen habe, hoffe sie auf die hielten diesen Preis verdient und stellver-
densammlung angelaufen, wie die unga- Beteiligung weiterer Länder. tretend für Leipzig und seine spezifische
rische Nachrichtenagentur MIT berichtet. Rolle bei der Friedlichen Revolution.
Die ungarische Regierung unterstützt das Der Historiker Lee Edwards, Präsident Aber auch für die „Verlebendigung der
Vorhaben mit einer Million US-Dollar. der Stiftung Victims of Communism Me- Geschichte danach“, dafür stehe das
morial, unterstrich, daß sich die meisten Archiv Bürgerbewegung überzeugend
Das Denkmal für die Opfer des Kom- Menschen überhaupt nicht darüber im ein, ebenso wie die Gedenkstätte „Run-
munismus in Washington befindet sich klaren seien, daß durch kommunistische de Ecke“, das Zeitgeschichtliche Forum
nahe dem Kapitol. Die Statue ist nach Diktaturen 100 Millionen Menschen ihr u.a., die jeden Tag den nachwachsenden
der „Göttin der Demokratie“ gestaltet, Leben verloren hätten. Ziel sei deshalb, Generationen Geschichte nahebrächten.
die Studenten während der Proteste am den Grundstein für das Museum 2017 Leipzig könne „trotz Berlin und bezo-
Tiananmen-Platz in Peking 1989 errichtet zu legen – 100 Jahre nach Beginn der gen auf seine Größe etwas salopp als
hatten. Es sei nun Zeit, diesem Denkmal bolschewistischen Revolution in Rußland. DDR-Aufarbeitungshauptstadt mit ost-
auch ein Museum folgen zu lassen, sagte Bereits zugänglich ist der Internetauftritt europäischer Impulssetzung“ bezeichnet
Maria Schmidt, Direktorin des Budapester www.buildthemuseum.org. werden.
4 Recht
Der Pekinger Tiananmenplatz im Dezember 2004. 1989 wurde er weltweit zum Symbol der blutigen Niederschlagung
der chinesischen Demokratiebewegung.
6 Thema
Auf der Flucht erschossen? Die Botschaft an Wera Sandner war un-
mißverständlich: Man würde es nicht
hinnehmen, wenn sie zu ihrem Rolf in
Der rätselhafte Tod eines Liebespaares den Westen ginge. Wie es Wera Sandner
unmittelbar nach diesem Gespräch trotz-
Von Stefan Appelius dem gelang, ihr Reifezeugnis und ihren
Führerschein in den Westen zu schaffen,
ist völlig rätselhaft. Daß diese beiden Do-
Daß sich Männer und Frauen über die Staatssicherheit lebhaft interessierte. Rolf kumente im privaten Nachlaß des Rolf
Mauer hinweg ineinander verliebten und Kühnle war Optiker von Beruf und lebte Kühnle auftauchten, beweist, daß Wera
von einer gemeinsamen Zukunft träum- in Nürnberg. Sandner fest entschlossen war, sich nicht
ten, die es wegen der deutschen Teilung von ihrem Fluchtplan abbringen zu las-
nicht geben durfte, kam immer wieder Daß sich Rolf Kühnle für „Regina“ inte- sen. Es beweist aber auch, daß sie die
vor. Doch wie reagierte die Staatssicher- ressierte, das hatte man im MfS gehofft. Stasi unterschätzte.
heit, wenn sie bemerkte, daß eine ihrer Daß sich aber auch ihre inoffizielle Mit-
Agentinnen sich in einen Westdeutschen arbeiterin in Rolf verliebte, stand nicht Laut den vorliegenden Akten versuchte
verliebte und die Flucht nach drüben im Drehbuch der Staatssicherheit. Und Wera Sandner kurz vor ihrer Abreise
plante? sie leugnete es nicht einmal. Daß sie es nach Bulgarien, Herrn „Meißner“ zu täu-
wagte, ihre Be- schen. Sie fragte, ob sie nach ihrem Ur-
ziehung zu Rolf laub „hauptamtlich“ für das MfS arbeiten
Kühnle gegenüber dürfe. Etwa zur selben Zeit, Anfang Juni
ihrem Führungsof- 1972, traf in der Cottbuser Stasi-Zentrale
fizier als „Privat- ein Schreiben des Leiters der HA X, Oberst
sache“ zu bezeich- Willi Damm, aus Ostberlin ein. Es enthielt
nen – das grenzte die ausführliche Antwort des tschecho-
aus Stasi-Sicht an slowakischen Staatssicherheitsdienstes
Hochverrat. zur Person des BRD-Bürgers Rolf Kühnle,
einschließlich dessen zahlreichen ČSSR-
Zweimal schon Aufenthalten seit 1966 mit signifikant vie-
hatte Wera Sand- len, unterschiedlichen Pkw (BStU MfS BV
ner die Stasi hin- Cbs. AIM 1060/71, T I, Bd. 1, Bl. 0062 f u.
tergangen und sich 0078-0088). Offenbar hielten die ostdeut-
heimlich mit ihrem schen Geheimdienstler Kühnle für einen
neuen Freund ge- gegnerischen Agenten. Und offensichtlich
troffen. Zuerst auf mißtrauten sie Wera Sandner. Keine drei
der Leipziger Früh- Wochen nach der Zusammenkunft mit
jahrsmesse und we- „Meißner“ und „Hoffmann“ wurde ein
Diese Aufnahme von Wera Sandner und Rolf Kühnle entstand vermutlich im
Frühjahr 1972 in der ČSSR.
nig später, über Führungs-IM mit dem Decknamen „Ger-
Ostern, in der mano“ auf Wera Sandner angesetzt.
Im August 1972 traf eine junge Frau mit ČSSR. Doch die Stasi hatte alles heraus-
„Interflug“ via Burgas im bulgarischen gefunden. Ihr Führungsoffizier, den sie Der Spitzel verabredete sich mehrfach mit
Seebad Sonnenstrand ein (BStU MfS BV nur als Herrn „Meißner“ kannte, ein in Wera, versuchte sie vor allem hinsichtlich
Cbs. AIM 1060/71, T II, Bd. 1, Treffbe- die Jahre gekommener Unterleutnant ihres Privatlebens und ihrer Urlaubsplä-
richt 09.08.1972, MF, nicht paginiert). namens Hans Woithe, war alarmiert. ne auszuhorchen. Welche Schlüsse man
Die bulgarische Schwarzmeerküste, auch Plante seine Agentin abzuhauen? Das beim MfS daraus zog, ist jedoch nicht
„Rote Riviera“ genannt, war ein beliebtes mußte er unter allen Umständen verhin- ersichtlich. Ab Juni 1972 gibt es ein meh-
Urlaubsziel für DDR-Bürger, die sich eine dern. rere Wochen umfassendes „Loch“ in der
solche Reise leisten konnten. Doch die IM-Akte von Wera Sandner. Es scheint,
junge Frau war nicht nur Urlauberin. Am 18. Mai 1972 wurde Wera Sandner als wären Papiere aus der Akte entnom-
Wera Sandner alias „Regina“ war seit von ihm zum Gespräch bestellt. Neben men worden. Zur Rekonstruktion der
geraumer Zeit als inoffizielle Mitarbeiterin Herrn „Meißner“ war auch ein gewisser Biographien von Wera Sandner und Rolf
der Spionageabwehr des MfS tätig. Herr „Hoffmann“ aufgetaucht. Seinen Kühnle wurden durch den Verfasser im
tatsächlichen Namen, Oberleutnant Man- Zeitraum von 2005 bis 2008 zahlreiche
Wera Sandner wuchs im sächsischen Klin- fred Ebel, erfuhr Wera nicht. Die beiden Interviews durchgeführt, u.a. mit der
genthal auf. Die Frau mit den langen dunk- Stasi-Offiziere wollten die junge Frau Schwester von Wera Sandner, ihrem Ex-
len Haaren lebte als Büroangestellte in einschüchtern: „Dem IM wurde aufge- Verlobten, Freundinnen und Arbeitskol-
Cottbus (Stefan Appelius, Wera und Rolf zeigt welche Folgen für sie entstehen legen. Darüber hinaus wurden Interviews
– Die deutsch-deutsche Geschichte einer können, falls sie durch K. zu einer un- mit der Ex-Frau von Rolf Kühnle, seinen
tödlichen Flucht, in: Einsichten und Per- bedachten Handlung verleitet wird. Ihr früheren Bekannten, Arbeitskollegen und
spektiven, Bayerische Zeitschrift für Poli- wurde in diesem Zusammenhang einiges dem langjährigen Betreuer seiner Mutter
tik und Geschichte Nr. 3/2009). Sie hatte über die Sicherung der Grenzen unseres durchgeführt.
bei einem Einsatz in Prag einen jungen Lagers gesagt.“ (BStU MfS BV Cbs. AIM
Mann aus Westdeutschland kennenge- 1060/71, T II, Bd. 1, Aussprachebericht Wera Sandner wollte in Bulgarien Urlaub
lernt. Einen, für den sich die ostdeutsche 19.05.1972, MF, nicht paginiert) machen. Aber nicht allein, wie sie Herrn
Thema 7
„Meißner“ glauben machte, sondern Angeblich war das Paar mit Kühnles War die an der Schwarzmeerküste statio-
mit Rolf Kühnle. Das Paar beabsichtigte Wagen von der Schwarzmeerküste über nierte Operativgruppe des MfS in den
im Anschluß an ihren Aufenthalt an der Sofia bis kurz vor die jugoslawische Gren- Vorfall verwickelt? Auch dafür gibt es kei-
Schwarzmeerküste in den Westen zu ze gefahren. Dort habe es den Wagen ne Beweise. Überraschend ist allerdings,
fliehen. Und vermutlich hatte die Stasi abgestellt, um sich durchs Unterholz zu daß die Kaderakte von Major Günter
genau das herausgefunden. Nahelie- schlagen. Wenig später sei das Paar in Herfurth keinen Hinweis auf dessen zwei-
gend ist, daß der ostdeutsche Geheim- unmittelbarer Nähe der scharf bewach- jährigen Auslandseinsatz in der Volksre-
dienst aus diesem Grund eine Operative ten Grenzübergangsstelle „Kalotina“ publik Bulgarien enthält (BStU MfS KS
Personenkontrolle gegen Wera Sandner von einem Grenzsoldaten entdeckt wor- 21288/90). Bei allen anderen damals in
einleitete. Aktenstücke darüber gibt es den. Die GÜST „Kalotina“ war, neben der Volksrepublik Bulgarien eingesetzten
allerdings nicht. In eine solche Operative der GÜST „Flughafen Sofia“, der einzige hauptamtlichen Stasi-Mitarbeitern – ein-
Personenkontrolle wäre automatisch die bulgarische Grenzübergang, der direkt schließlich aller übrigen Leiter der Opera-
Operativgruppe des MfS in Bulgarien der Abteilung 12 der II. Hauptverwaltung tivgruppe – sind diese Angaben korrekt
einbezogen worden. Die Aufgabe dieses (Staatssicherheit) des MdI unterstand eingetragen. Nur bei Herfurth nicht.
an der Schwarzmeerküste stationierten, (BStU MfS HA II 38262, Bl. 0039). An-
seit Mitte der 1960er Jahre existierenden geblich habe Kühnle den Grenzer „durch Daran, daß Herfurth die Operativgrup-
Stasi-Kommandos bestand darin, DDR- Steinwürfe“ angegriffen, woraufhin pe 1971/72 leitete, besteht indes kein
Urlauber im Auge zu behalten, Geheim- sich dieser mit seinem Maschinenge- Zweifel. Das bestätigt auch der damalige
dienstaktivitäten des Gegners zu kontrol- wehr „wehrte“ (BStU MfS BV Cbs. AIM Verbindungsoffizier der Operativgrup-
lieren und Fluchtversuche frühzeitig zu 1060/71, T I, Bd. 1, Bl. 0090). pe des MfS in Sofia, Jürgen Rambaum
verhindern. (Interview mit Jürgen Rambaum, Berlin,
Doch warum hatte Kühnle in Nürnberg 27.05.20011). Major Herfurth habe in
Am 17. August 1972 traf Rolf Kühnle falsche Ausweispapiere für seine Ver- jenen zwei Jahren im Sofioter Stadtteil
mit seinem weißen Skoda-Cabriolet aus lobte anfertigen lassen? Diese falschen „Geo Milev“ im Lenin-Boulevard 63 über
Nürnberg kommend in Nessebar ein. In Papiere wurden später bei der Leiche ein Büro verfügt, erinnert sich Rambaum.
den folgenden Tagen wohnte er gemein- von Wera Sandner gefunden. Niemand, Er sagte dem Verfasser, daß sich damals
sam mit Wera in seinem Hotelzimmer. der über die grüne Grenze floh, brauchte im selben Haus eines der angesagtesten
Daß die am Sonnenstrand stationierten falsche Papiere. Warum trug Rolf Kühnle Sofioter Restaurants befand.
Mitarbeiter der Operativgruppe des MfS bei der angeblichen nächtlichen Flucht
unter Führung von Major Günter Herfurth durchs Unterholz ein weißes Hemd? Nach dem Tod von Kühnle und Sandner
von diesem Zusammentreffen und dem wurde Major Herfurth wieder nach Ost-
tagelangen Beisammensein des verdäch- Erst zwei Tage, nachdem das Paar er- berlin versetzt und erfreute sich 1975
tigen Paares nicht unterrichtet war, läßt schossen wurde, am 25. August 1972, einer frühzeitigen Beförderung zum
sich ausschließen. wurde Hauptmann Wolfgang Ullmann Oberstleutnant. Auffallend ist auch, daß
ze, ebenfalls in die DDR zurück beordert Friedhof Bakarena Fabrika organisierte unterrichtete. Erinnern kann er sich daran
wurde (BStU MfS KS 7333/90). Obwohl (BStU MfS BV Cbs. AIM 1060/71, T I, Bd. jedoch angeblich nicht.
er erst seit einem Jahr in der Volksrepu- 1, Bl. 0091).
blik stationiert war und die Einsätze von Dagegen erinnert sich der frühere Ober-
Mitgliedern der Operativgruppe norma- Eine ganz andere Erklärung hat Jürgen leutnant im Gespräch mit dem Verfasser
lerweise mehrere Jahre dauerten. Rambaum, damals Verbindungsoffizier an ein anderes Detail. Major Herfurth
der Operativgruppe des MfS in Bulgari- sei am 14. August 1972 von Schönefeld
Würden sich Hinweise auf Kühnle und en. Nach seiner Ansicht müsse sein da- nach Burgas geflogen. Das wisse er ge-
Sandner in anderen Akten finden las- maliger Chef, Major Herfurth, direkt mit nau, denn an jenem Tag entging Herfurth
sen? Der Verfasser überprüfte sämt- dem Fall befaßt gewesen sein. Der habe nur knapp dem Tode, wie er ihm erzählte.
liche Akten der im Sommer 1972 an der sich nämlich in den Sommermonaten Die ursprünglich von Major Herfurth ge-
Schwarzmeerküste eingesetzten inoffizi- „fast ausschließlich“ an der Schwarz- buchte „Interflug“-Linienmaschine vom
ellen Mitarbeiter des MfS, die als Mitar- meerküste aufgehalten (Interview mit Typ „Iljuschin IL 62“ stürzte kurz nach
beiter des „Reisebüros der DDR“ einge- Jürgen Rambaum, Berlin, 27.05.2011). Er dem Start in Königswusterhausen ab, wo-
setzt waren. Kühnle und Sandner wer- selbst, Rambaum, zu dessen vorrangigen bei alle 156 Insassen ums Leben kamen.
den darin nicht erwähnt. Trotzdem war Aufgaben die Verhinderung von Flucht- Herfurth sei daraufhin mit „der näch-
die Durchsicht nicht ohne Ergebnis. Kei- versuchen an der bulgarischen Gren- sten Maschine“ nach Burgas geflogen
ne dieser – häufig sehr ausführlichen – ze zählte, habe mit der Angelegenheit (Interview mit Jürgen Rambaum, Berlin,
Akten enthält Berichte aus dem Zeit- „nichts“ zu tun gehabt. Allerdings sei es 27.05.2001). – Es ist ein merkwürdiger
raum zwischen dem 10. und 25. August naheliegend, daß er am 25. August 1972 Zufall. Denn genau in dieser Maschine
1972, dem Zeitraum, in dem sich Kühnle über eine spezielle abhörsichere Leitung saß nachweislich auch Wera Sandner.
und Sandner in Bulgarien aufhielten. Bei im Bulgarischen Innenministerium die
den damals direkt am Sonnenstrand ein- Hauptabteilung VI des MfS telefonisch (Prof. Dr. Stefan Appelius ist Politik-
gesetzten Mitarbeitern sind die Lücken vom Tod des deutsch-deutschen Paares wissenschaftler und Hochschullehrer.)
in diesen Akten bezüglich des Sommers
1972 sogar noch deutlich größer – teil-
weise fehlen die Berichte über mehrere
Monate.
„Perfekte Population“
Wurden in DDR-Gefängnissen medizinische Versuche durchgeführt?
Für Fortschritte in der Medizin sind wis- tige Heilbehandlungen“ des Innenmini- 1972 als reine Beobachtungsstudie ohne
senschaftliche Untersuchungen notwen- steriums (1931) formuliert. Internatio- Therapie und wurde sogar durch den öf-
dig, deren Ergebnisse im Idealfall Pati- nal bekannt geworden ist vor allem der fentlichen Gesundheitsdienst finanziert.
enten und der gesamten Gesellschaft zu- „Nuremberg Code of Medical Ethics“; er
gute kommen. Experimente am Menschen wurde im Urteil des Nürnberger Ärzte- Als Studentin der Humanmedizin, die
beinhalten für alle Beteiligten aber auch prozesses (1947) veröffentlicht. Nach sich dem hippokratischen Gedanken,
große moralische Herausforderungen. den grauenvollen Versuchen des Dritten den Kranken zu helfen und den Gesun-
Gerade medizinische Forschung in Ge- Reichs wollte man ein Regelwerk schaf- den nicht zu schaden, verpflichtet fühlt,
fängnissen wirft dabei spezielle ethische fen, das klare Anleitungen zum ethisch le- war ich entsetzt, als ich das erste Mal
Fragen auf; die Insassen „totaler Institu- gitimen Forschen festschreibt. Darin wird von diesen Versuchen las. Es erschüttert
tionen“ sollten besonders geschützt wer- insbesondere eine freiwillige Zustimmung mich noch heute, wie gerade Ärzte, die
den. In der Geschichte der Medizin sind nach Aufklärung des Versuchsteilnehmers dem Wohl der Menschen dienen soll-
hier viele Grenzüberschreitungen gesche- gefordert, aber auch ein angemessenes ten, besonders schutzbedürftige Gruppen
hen. Gefangene erschienen vermeintlich Verhältnis von Nutzen und Risiken für die wie Gefangene so mißbrauchen können.
prädestiniert für die Forschung zu sein: Forschung. Offensichtliche Gefahren bei In meiner Doktorarbeit zur Geschichte
Man hat eine Gruppe meist gesunder, jun- Experimenten wurden ausgeschlossen, und Ethik der Forschung an Gefängnis-
ger Menschen unter voller Beobachtung, um menschenverachtende oder „termi- insassen will ich den Opfern dieser Ex-
kann ihre Nahrung, täglichen Tätigkeiten nale“ Versuche, wie sie etwa in den KZs perimente gerecht werden, ihnen eine
und Sportmöglichkeiten genauestens durchgeführt wurden, zu verhindern. Stimme geben und auf die Verstöße ge-
Auch die Möglichkeit, die Teil- gen moralische Grundlagen aufmerksam
nahme an einer Studie jederzeit machen. Ich hoffe, auf diese Weise durch
ohne Nachteile abbrechen zu Anerkennung und Nennung des Leids
können, muß jedem Teilnehmer den Opfern Respekt zu zollen und einen
zugesichert werden. Diese und Beitrag zu einer gewissen „Wiedergut-
andere Regeln wurden in da- machung“ und auch zur Vorbeugung für
Foto: Gedenkstätte Bautzen
Ausgeliefert
Buchvorstellung und Ausstellungseröffnung am 19. Mai 2014 im
Amtsgericht Gardelegen
Seit 2007 beschäftigt sich die Vereinigung (Saale) und die Vereinigung der Opfer des geboren 1922,
der Opfer des Stalinismus Sachsen-Anhalt Stalinismus in Sachsen-Anhalt e.V. Geför- erschossen 1946
mit Unterstützung der Landesbeauftrag- dert wurde die Veranstaltung von der Lan- in Gardelegen;
ten für die Staatssicherheitsunterlagen desbeauftragten für die Stasi-Unterlagen Gustav Isenthal
intensiver mit dem Schicksal derjenigen, in Sachsen-Anhalt und unterstützt durch – geboren 1892,
die unter der sowjetischen Besatzung den Bundesbeauftragten für die Stasi- gestorben 1947
ums Leben kamen. Das Projekt trägt Unterlagen, Außenstelle Magdeburg. im sowjetischen
den Namen „Abgeholt und verschwun- Speziallager Mühl-
den“. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Am gleichen Tag brachte die Vereinigung berg/Elbe; Wilhelm
Studienreihe der Landesbeauftragten der Opfer des Stalinismus in Sachsen-An- Müller – geboren
für die Staatssicherheitsunterlagen vom halt am Amtsgericht Gardelegen eine Ge- 1890, gestorben
Mitteldeutschen Verlag unter dem Titel denktafel an, die an das Unrecht unter der 1948 im Zucht-
„Edda Ahrberg, Daniel Bohse, Torsten sowjetischen Besatzungsmacht erinnert haus „Roter Ochse“ Halle/Saale; Otto
Haarseim, Jürgen Richter: Ausgeliefert. und der Opfer gedenkt. Der Text lautet: Mutz – geboren 1905, 1951 zuletzt gese-
Haft und Verfolgung im Kreis Gardelegen „In diesem Gebäude befand sich zwischen hen in der sowjetischen Kommandantur,
zwischen 1945 und 1961“ veröffentlicht. 1945 und 1992 die sowjetische Militär- also hier; Willi Oehlke – geboren 1890,
kommandantur mit ihrem Gefängnis. Hier gestorben 1948 im sowjetischen Spezi-
Die Ausstellungen „Der Verfolgung ein begann bis Mitte der 1950er Jahre für allager Mühlberg/Elbe; Gottwalt Quandt
Gesicht geben. Sozialdemokraten in der viele Menschen ein Leidensweg, der durch – geboren 1886, gestorben 1945 im so-
SBZ/DDR 1945-1961“ der Friedrich- Unrechtsurteile und Todesopfer gekenn- wjetischen Speziallager Sachsenhausen;
Ebert-Stiftung (Bonn) und „Haftschicksale zeichnet war. Im Gedenken an die Opfer Erich Schmidt – geboren 1919, hingerich-
verfolgter Sozialdemokraten im ROTEN kommunistischer Gewaltherrschaft.“ tet 1946 in Halle/Saale; Alfred Schwarz-
OCHSEN 1945-1953“ der Gedenkstät- lose – geboren 1896, gestorben 1948 im
te ROTER OCHSE Halle (Saale) bildeten Zu den Gardelegern, die die sowjetische sowjetischen Speziallager Mühlberg/Elbe;
einen geeigneten Rahmen für die Prä- Haft nicht überlebten, gehören: Josef Bar- Heinz Werner – geboren 1921, hingerich-
sentation des Buches. Veranstalter waren duhn – geboren 1926, gestorben 1950 in tet 1946 in Halle/Saale
das Amtsgericht Gardelegen, die Fried- der Strafvollzugsanstalt Torgau; Martin
rich-Ebert-Stiftung Landesbüro Sachsen- Carle – geboren 1891, gestorben 1946 Ihnen und allen anderen Verstorbenen
Anhalt, der Mitteldeutsche Verlag, die im sowjetischen Speziallager Mühlberg/ gilt das Gedenken.
Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt Elbe; Horst Hinz – geboren 1925, er-
mit der Gedenkstätte ROTER OCHSE Halle schossen 1946 in Gardelegen; Kurt Hinz – Edda Ahrberg
in der Regel zum unausweichlichen Tod Tag für ihn wie der einer zweiten Geburt.
führten, weil Medikamente und ärztliches Was danach kam, war anfangs auch nicht
Personal kaum oder gar nicht vorhanden einfach: Hilfsarbeiter beim Kohlenschip-
waren. Lange Monate waren die Häftlinge pen, Zwangsverpflichtung zur Wismut
völlig isoliert, durften ihre Haftbaracke nach Aue, Flucht nach West-Berlin und
nur zum Appell verlassen und hatten kei- dann endlich Aufnahme einer Lehre mit
Foto: Joachim Krüger
nen Kontakt zur Außenwelt; ihre Familien guter Berufsperspektive, Heirat, Familie.
wußten nichts über ihren Verbleib.
Gerd Taege hatte es geschafft, aber noch
Gerd Taege hatte Glück im Unglück: Er heute kommen ihm die Tränen und er-
war jung, nicht groß gewachsen, stämmig stickt ihm die Stimme, wenn er über das
würde man heute sagen. Er konnte die Schicksal all derer berichtet, die diese
Gerd Taege (l.), mit seinem Sohn bei einem Besuch Arbeit als Träger für die Essenskanister Haftbedingungen nicht überlebten und
in Sachsenhausen. leisten und hatte damit die Chance, etwas zu den mehr als 12 000 Toten des Spe-
nach Sachsenhausen. Mit noch immer mehr Nahrung zu erhalten. Im Industrie- ziallagers Sachsenhausen zählen. Er hebt
großer emotionaler Anteilnahme berich- hof neben der Zone 1 konnte er seine hervor, daß letztendlich nur der enge
tete Gerd Taege über die dortigen Haftbe- Tischlerkenntnisse bei der Ausführung von Zusammenhalt mit einer Handvoll Kame-
dingungen: Die Menschen waren zu Dut- Aufträgen der Russen einsetzen, was ihm raden während der Lagerzeit, die sich ge-
zenden auf engstem Raum eingepfercht, weitere Überlebenschancen eröffnete. genseitig unterstützt und ermutigt haben,
die sanitären Bedingungen waren un- So manche Mohrrübe, des Nachts unter ein Überleben ermöglichte, und es mußte
beschreiblich schlecht; ein letzter Rest Lebensgefahr aus der Gärtnerei entwen- viel Glück, sehr viel Glück dazukommen!
vom Intimsphäre wurde zerstört, um den det und gargekocht, ergänzte die Tages-
Überlebenstrieb der Gefangenen zu bre- ration. Und doch war sein Körpergewicht Mit Beifall und tiefer innerer Betroffenheit
chen. Die tägliche Nahrung, so berichtete längst unter 100 Pfund gefallen, als er und Anteilnahme dankten die Anwesenden
er, war völlig unzureichend, aber schlim- – nach einer Tätigkeit im „Nachkomman- Gerd Taege für seine Ausführungen.
mer noch waren die hygienischen Bedin- do“ – Sachsenhausen am 5. März 1950
gungen, die zu Massenerkrankungen und verlassen konnte. Noch heute ist dieser Joachim Krüger
Das schöne Motto „Die Gedanken sind Datenweitergabe an die Geheimdienste ken nicht frei sind, können sich schöpfe-
frei!“ bildete den Rahmen für die Auftakt- Freiheit und Leben verlieren. In der De- risches Denken und Arbeiten nicht zu ho-
veranstaltung. Zunächst wurden die Gäste mokratie sind die Auswirkungen dagegen her Blüte entfalten.
zum Mittun aufgefordert und sangen das begrenzt, und Geheimdienste haben hier Bernd Müller-Kaller
alte Volkslied Strophe für Strophe. Nach keine polizeilichen Vollmachten, sie dürfen
jeder Strophe trugen der ehemalige poli- nicht verhaften und verurteilen, nicht eige-
tische Häftling Siegmar Faust und Uljana ne Haftanstalten und Straflager betreiben.
Sieber, die Leiterin der Gedenkstätte, Texte Was wäre gewesen, wenn die Stasi die
aus originalen Stasi-Akten vor. Besonders heutigen technischen Möglichkeiten, wie
interessant war dann die Diskussion im Internet, Google, Twitter, gehabt hätte,
Foto: Müller-Kaller
Forum zwischen Roland Jahn und Jens lautete eine provokative Frage. Das aber
Drews, die Prof. Patzelt sehr gekonnt mo- ist Spekulation. Tatsache ist, das System
derierte, zum Thema „Information und scheiterte letztlich an den technischen und
Datenschutz in Diktatur und Demokratie“. ökonomischen Anforderungen der Zeit.
Vor allem Roland Jahn machte den Unter- Das dogmatische und starre kommuni-
schied deutlich klar: In der Diktatur konnte stische Parteiensystem behinderte jede Losungen, die Ende 1989 auf die Mauer der Dresdner
man mit ungeschützter Informations- und freie schöpferische Kraft. Wo die Gedan- Stasi-Zentrale geschrieben wurden.
(st) „Aufarbeitung des DDR-Unrechts Bis zur Besetzung am 5. Dezember 1989 tischen Bezug, schwere Verstöße gegen
als Gegenstand wissenschaftlicher For- befand sich in dem Gebäudekomplex eine wissenschaftliche Arbeitsweise seien
schung“ hieß diesmal das Thema des die U-Haftanstalt der Dresdner Bezirks- Standard gewesen.
Verbändetreffens. Der erste der durchweg verwaltung des MfS. Nach fünfjährigem
jungen Referenten, Hendrik von Qillfeldt, Leerstand sei Ende 1994 die U-Haft Dr. Micha Christopher Pfarr schließlich
sprach über „Dissidenten für Devisen – erstmals wieder öffentlich zugänglich widmete sich der strafrechtlichen Aufar-
Entwicklung des Häftlingshandels zwi- gemacht worden. Inzwischen sei die Ge- beitung der Mißhandlung von Gefange-
schen DDR und Bundesrepublik Deutsch- denkstätte ins sächsische Gedenkstätten- nen in den Haftanstalten der DDR. Nach
land“, dies war auch Gegenstand seiner gesetz aufgenommen und werde dadurch einer Einführung in die rechtlichen Grund-
Magisterarbeit gewesen. Der Freikauf auch gefördert. Als Besonderheiten der lagen und die Strafverfolgung in der DDR
durch die Bundesrepublik ab 1962/63 sei „Bautzner Straße“ nannte Uljana Sieber kam Pfarr zu dem Schluß, daß Gefange-
zunächst mit Bargeld, später mit Waren einen erhaltenen sowjetischen Haftkel- nenmißhandlung rechtlich zwar unter-
ler, die originale MfS- sagt war, dies der Realität jedoch nicht
U-Haft, das Büro des entsprach. Die Mißhandlungen seien
letzten Dresdner Stasi- Partei- und Staatsführung bekannt, eine
Chefs und einen MfS- Verfolgung aber nicht erwünscht gewe-
Festsaal. Das Projekt sen. Kritisch zu sehen sei bei den 79 Ver-
„Gedenken“ sei ein fahren wegen Gefangenenmißhandlung
Geschichtskurs mit 60 nach der Wiedervereinigung die pauscha-
Schülern aus mehreren le Berücksichtigung als strafmildernder
Schulen gewesen. Die- Umstand, daß die Täter keine Vorstrafen
se hätten zwei Jahre hatten. Ebenso bedenklich sei die ge-
lang in ihrer Freizeit richtliche Einstellung gewesen, Verfahren
Foto: UOKG
Durch das Leben ein Riß Die DVD kann für eine Schutzgebühr von
5,00 Euro im Online-Publikationsschop
der Bundesstiftung Aufarbeitung bestellt
(bsa) Der biographische Dokumentarfilm Ausführlich und detailliert erzählt Erich werden unter: www.bundestiftung-auf-
„Erich Loest – Durch das Leben ein Riß“ Loest in dem Film von René Römer ein arbeitung.de/erinnerungskultur-1273.
über Leben und Abschied des Schriftstel- letztes Mal sein bewegtes Leben: scho- html?PAGE=artikel_detail&artikel_id=296.
lers und Chronisten der deutsch-deutschen nungslos sich und anderen gegenüber,
Geschichte ist erstmals auf DVD erschie- von den ganz frühen Erinnerungen an den
nen. Ergänzt wurde der Film durch um- Reichstagsbrand bis in die jüngste Zeit.
fangreiches didaktisches Begleitmaterial
für den Einsatz in Schulen und außerschu- Loest besucht seine Kindheitsorte im
lischen Bildungseinrichtungen. Die 2013 sächsischen Mittweida und wird von der
erschienene Dokumentation ist eine ge- Kamera bei seinem Abschiednehmen von
meinsame Produktion des Mitteldeutschen Leipzig zum Völkerschlachtdenkmal be-
Rundfunks und der Avanga Filmprodukti- gleitet. Loest berichtet von den Schäfer-
on, gefördert mit Mitteln der Bundesstif- hunden der Volkspolizei, die die Leipziger
tung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Beat-Demonstranten jagten, und der
Zerstörung der Paulinerkirche der Mes-
Im Leben des Schriftstellers Erich Loest sestadt.
manifestieren sich die Katastrophen und
Brüche der vergangenen neun Jahrzehnte Der 45minütige Film zeichnet ein Porträt
deutscher Geschichte: Loest war Hitler- der jüngeren deutschen Geschichte und
junge und Fähnleinführer, ausgebildet zugleich das Bild eines unbeugsamen
als MG-Schütze und „Werwolf“; zuerst Chronisten, der sich stets selbst in Frage
strammer SED-Kader, dann verurteilter stellte, um dann eine einmal erkannte DVD „Erich Loest – Durch das Leben ein Riß“, herausgegeben von
Konterrevolutionär und politischer Häft- Wahrheit zu verteidigen. Selbstbestimmt der Bundesstiftung Aufarbeitung 2014, produziert vom Mittel-
ling in Bautzen; in den Westen vertrie- setzte der 87jährige, schwer kranke deutschen Rundfunk und der Avanga Filmproduktion, gefördert
bener Schriftsteller und Heimkehrer in Schriftsteller das Ende: Erich Loest wählte von der Bundesstiftung Aufarbeitung 2013; das pädagogische
seine Stadt Leipzig. Dort blieb Loest Ein- nur 14 Tode nach Abschluß der Drehar- Begleitmaterial wurde entwickelt von paedigi – pädagogik digital
heimischer und kritischer Begleiter. beiten den Freitod.
angesehenen Verlag, der einen Ruf zu Das hatte praktische Folgen: Hermann diese Ausführungen überhaupt gelesen
verlieren hat, angenommen wurde. Kant mußte, um es so auszudrücken, wie hat, Schuldbefreiung suggeriert, versucht
es war, willfähriger Büttel der Staats- sie auf 29 Seiten eine Reinwaschung
Um es auf den Punkt zu bringen, an dem macht sein und gegen seine Kollegen ihres Helden. Sie leugnet einfach oder
die Biographin Linde Salber hätte anset- die politischen Forderungen der Partei interpretiert um, wenn das nicht reicht.
zen müssen mit ihrer Analyse: Die Tra- mit aller Härte durchsetzen. Er mußte, Im Juni 2011 besuchte sie die Gauck-
gik des gelernten um ein Beispiel zu nennen, die Ausbür- Behörde in Berlin und langweilte sich
Elektrikers Her- gerung Reiner Kunzes betreiben, der übri- furchtbar beim Lesen von 2000 Akten-
mann Kant, dem gens in diesem Buch nirgendwo erwähnt seiten. Hermann Kant hatte ihr großzü-
es nach Krieg und wird, wobei er ihm noch das Schmähwort gig, nachdem ihm bewußt war, daß die
vier Jahren Ge- nachrief: „Kommt Zeit, vergeht Unrat!“, harmlose Biographin eine Hagiographie
fangenschaft ver- wofür er sich nicht entschuldigt hat, auch zu schreiben gedenke, Akteneinsicht
gönnt war, 1952 nach dem Mauerfall 1989 nicht. gewährt. Danach zog sie freudig Bilanz,
an der Arbeiter- sie habe lediglich „Einblick in die Verfe-
und Bauernfakul- Selbstverständlich war Hermann Kant, stigung der Legende“ erhalten, ihr Idol
tät in Greifswald was schon zu DDR-Zeiten sämtliche sozi- und „Martin“ wären identisch gewesen.
das Abitur ab- alistische Spatzen von den volkseigenen Mitnichten! In Wirklichkeit hätte nämlich
zulegen und in Dächern pfiffen, vom 5. März 1963, ein der angebliche Führungsoffizier Rolf Pö-
Berlin bei Alfred Jahr nach Veröffentlichung seines ersten nig zwei verschiedene Vorgänge mit dem
Kantorowicz vier Buches, bis 9. April 1976 „inoffizieller Decknamen „Martin“ besetzt. Bei diesem
Jahre Germanistik Mitarbeiter“, also Zuträger der Staats- Unsinn kann der Leser jetzt nur noch in
zu studieren, be- sicherheit gewesen, unter dem Deckna- brüllendes Gelächter ausbrechen. Linde
stand darin, daß men „Martin“. Das war karrierefördernd, Salber kann nicht einmal Täter- und Op-
er, der seit 1962 wird aber von ihm bis heute bestritten, ferakten unterscheiden. Als sich nämlich
Schriftsteller war, obwohl die Beweislast erdrückend ist. 1976 abzuzeichnen begann, der zwei-
1978 in der Nach- Warum nur? Sollte es ihm nicht eine Ehre fache Nationalpreisträger werde 1978 die
Linde Salber: Hermann Kant. Nicht ohne folge von Anna gewesen sein, dem „Arbeiter- und Bau- Nachfolge von Anna Seghers antreten,
Utopie. Biographie, Bouvier-Verlag, Bonn Seghers (1900- ernstaat“ zu dienen bis zur Selbstverleug- wurde er als „inoffizieller Mitarbeiter“
2013, 632 S., 29,99 € 1983) zum Präsi- nung? Karl Corino hat in seinem Buch abgeschaltet, aber selbstredend wurde
denten des DDR- „Die Akte Kant“ (1995) auf 509 Seiten seine Akte weitergeführt, die ihn nun als
Schriftstellerverbands aufstieg. Damit entlarvendes Material versammelt, und „Opfer“ ausweist.
war ein ständiges Spannungsfeld zwi- Joachim Walther führt in seinem Doku-
schen Hermann Kant, dem Schriftsteller, mentarband „Sicherungsbereich Litera- Am 25. April 2012 ließ Hermann Kant seine
und Hermann Kant, dem Kulturfunkti- tur“ (1996) über 50 Belegstellen an. Verehrerin in einem Telefongespräch wis-
onär, eröffnet, das bis zum Mauerfall sen, was er ursprünglich über sie gedacht
1989 nicht entschärft werden konnte. Das alles freilich ficht die Schönrednerin hatte: „Die hat doch keine Ahnung, die
Denn nun war er verpflichtet, die Anwei- Linde Salber nicht an. Für sie sind alle An- weiß ja nicht einmal, wie der Himmel hier
sungen der Partei, die der Literatur einen schuldigungen bedeutungslos, weil frei schmeckt.“ Dem kann man nur zustimmen.
„gesellschaftlichen Auftrag“ zugewiesen erfunden. Im Kapitel „Spitzellegende“,
hatte, auszuführen. dessen Titel dem Leser, schon bevor er Jörg Bernhard Bilke
Veranstaltungen Doch selbst auf österreichischem Territo- Der BSV Berlin-Brandenburg gratu-
rium mußten die Geflohenen Verfolgung liert seinen Mitgliedern, die im Juli
und Verrat fürchten, primär in der rus- Geburtstag haben
12.7. (Sa), 18.00 Uhr: sischen Zone. Dort hatten die österrei- Siegfried Raßbach am 1. Juli, Evelyn Trunsch-
Museumsnacht „Abgesetzt und aufge-
chischen Grenzbeamten auf Befehl des ke-Krüger am 4. Juli, Asnath Boggasch,
löst“. Die Friedliche Revolution im Spie-
gel der Stasi-Akten; 18.30 Uhr: Schick- sowjetischen Bezirkskommandanten alle Werner Jahn, Michael Teltz, Otto Wienke
salsweg Ostsee, Fluchtgeschichten in aufgegriffenen Flüchtlinge auszuliefern. am 5. Juli, Hartmut Rührdanz am 7. Juli,
den Stasi-Unterlagen, Gespräch mit Dr. Den Ausgelieferten drohten hohe Haftstra- Lotte Ohnezeit am 8. Juli, Theo Mittrup am
Volker Höffer, BStU; Veranstaltung d. 14. Juli, Irene Gobereit am 17. Juli, Christel
Landeshauptstadt Dresden u.a.; Ort:
fen in groß aufgezogenen Schauprozessen.
BStU Außenstelle Dresden, Riesaer
Hofmann am 19. Juli, Sigrid Lorenz am 20.
Str. 7, Seiteneingang C, 01129 Dresden Wie Karner ermitteln konnte, verfügte die Juli, Chris Milcke am 21. Juli, Helmut Kuhn,
ČSR-Geheimpolizei bereits 1959 über Monika Munski am 24. Juli, Jürgen Kurt
16.7. (Mi), 21.30 Uhr: Wenzel am 25. Juli, Ute Görge-Waterstraat
„Sein oder Nichtsein“, Regie Ernst Lu-
41000 Spitzel, auf jeden der rund 10 000
„offiziellen“ Geheimdienstler kamen also am 26. Juli, Hans-Joachim Wolf am 28. Juli,
bitsch, Großbritannien 1942, in der
Heinz Keller am 29. Juli
Reihe Kino im Freihof; Veranstaltung mehr als vier solcher Staats-Schnüffler.
d. Gedenkstätte Bautzen; Ort: Gedenk- Auch allen nicht genannten Lesern, die Ge-
stätte Bautzen, Weigangstr. 8a, 02625 burtstag haben, gratuliert herzlich
Bautzen Die Prager Auslands-Spionage in Form
der „Ersten Verwaltung“ des Staatssi- die Redaktion
17.7. (Do), 19.00 Uhr: cherheitsministeriums besaß bis zu ihrem
„Stasi im Ostseeraum“, Vortrag und
Ende die Personalien von etwa 12 000 Herzlich danken wir allen, die für den
Ausstellungseröffnung mit Dr. Vol- STACHELDRAHT gespendet haben
ker Höffer, BStU; Veranstaltung d. Österreichern, die von ihr observiert
BStU Außenstelle Rostock u.a.; Ort: wurden oder zumeist als Spione für sie Gudrun Bär, Harmut Behle, Uwe Behne,
Dokumentations- und Gedenkstät- arbeiteten. Deren Motiv war meistens Rüdiger Bernhardt, Rudolf Bosse, Ursula
te in der ehemaligen U-Haft der Stasi Brückner, Gerold v. Busse, Erich Claus, An-
reine Geldgier, vereinzelt kam es auch zu
in Rostock (DuG), Hermannstr. 34b, gelika Dib, Dr. Karl-Heinrich Ebel, Martha
18055 Rostock Erpressungen im Hinblick auf noch in der
ČSSR lebende Verwandte. Helmut Zilk,
22.7. (Di), 19.00 Uhr: späterer Unterrichtsminister der Donau-
„Stillgestanden – Blick zur Flamme!“ UOKG-Beratungsstelle
Das Militärstrafgefängnis und die NVA-
Republik und Wiener Bürgermeister, war
„nur einer von vielen“. Dem Buch zufolge Ruschestr. 103, Haus 1, 10365 Berlin
Disziplinareinheit in Schwedt an der
Fax (030) 55 77 93 40
Oder 1968-1990, mit Autor Torsten sind sie teilweise noch heute unbekannt.
Dressler; Veranstaltung d. Gedenkbi- Florian Kresse, Jurist, Mo-Fr, 10-12 Uhr
bliothek zu Ehren der Opfer des Kom- Tel. (030) 55 77 93 53
munismus; Ort: Gedenkbibliothek, Ni- Die westlichen Besatzermächte waren E-Mail kresse@uokg.de
kolaikirchplatz 5–7, 10178 Berlin ebenfalls überaus aktiv. Es waren nicht
Carola Schulze, Mo-Fr, 12-14 Uhr
wenige Tschechen, die ihr Leben gaben Tel. (030) 55 77 93 52
29.7. (Di), 17.00 Uhr: im Kampf gegen die kommunistische E-Mail schulze@uokg.de
Schild und Schwert der Partei. Zum Wir-
ken der Staatssicherheit in der Region Diktatur und für die Freiheit ihres Landes. Katrin Behr (Thema DDR-Zwangsadoption),
Gransee, Vortrag mit Rüdiger Sielaff, Österreich selber stellte nur selten das Mo-Fr, 14-16 Uhr
BStU; Veranstaltung d. BStU Außen- Tel. (030) 55 77 93 54
eigentliche Angriffsziel westlicher Auf-
stelle Frankfurt/Oder; Ort: Heimat- E-Mail behr@uokg.de
klärung dar, das Land war mehr „Schau-
museum, Rudolf-Breitscheid-Str. 44, Für persönliche Beratungen wird die telefonische
16775 Gransee platz“ im großen Konflikt zwischen dem Anmeldung empfohlen.
Sowjetblock und der NATO.
30.7. (Mi), 21.30 Uhr: Das Projekt wird gefördert vom LStU Berlin.
„Hannas Reise“, Regie Julia von Heinz, Beratungsstelle für ehemalige DDR-Heim- und
Friedrich-Wilhelm Schlomann
Deutschland 2013, in der Reihe Kino im Jugendwerkhofkinder in enger Zusammenarbeit
Freihof; Veranstaltung d. Gedenkstätte mit der Berliner Anlauf- und Beratungsstelle
Bautzen; Ort: Gedenkstätte Bautzen, („Fonds Heimerziehung")
Weigangstr. 8a, 02625 Bautzen Tel. (030) 57 79 92 01
Telefonische Sprechzeit: Mi 10-12 Uhr
2.8. (Sa), 12.00–15.00 Uhr: E-Mail Beratung-DDR-Heimkinder@uokg.de
Demonstration „Aufarbeitung von
DDR-Unrecht“; Veranstaltung d. OvZ-
DDR e.V. in Kooperation mit d. UOKG;
Treffpunkt: Pariser Platz, vor dem Bran-
denburger Tor, Berlin-Mitte (s. auch Beratungsstelle
S. 3) des BSV-Fördervereins
Bezug
Bez
e ug über
über die
die Redaktion
Re akt
Red aktion
Das Zitat Namentlich
Nament
e lich gekennzeichnete
des Fördermittelgebers
Förde
Fördermi
rmitte
ttelge
lgeber
te Bei
berss oder
o r de
Beiträ
Beiträge
träge
dderr Reda
gee geben
gebenn ddie
Redaktion
eda
dakti
ktioon wie
w
ie Me
wieder
wieder.
Meinu
Meinung
n ngg des Ve
ie er.. FFür
ür unv
Verfa
Verfassers,
unverlangt
verl
e ang
fasseers,
ngtt eingesa
s, nnicht
eeingesandte
sandt
icht jedoch iinn jede
ndte Manuskr
Manuskripte
jedem
dem
m Fall
k iptte und
Fall di
und Fot
Fotos
diee der
os kan
der Her
H
Herausgeber,
ausgeber,
kannn kkeine
eine
Die Diktatur duldet Reden, Haftung
Haftung übernommen
über
bernom
ber n men
no
nom m we werde
werden.
rde
d n. Ein
EEinee nich
nnicht
icht
ht sin
ssinnentstellende
innnentste
entste
telllende
de Be
Bearbeitung
ear
arbbeit
eitungg eeingereichter
ingereicht
chter
er Textet beh
behält
ehältt sich
ch ddie
ie Redaktion vor.
Redaktionsschluß
Redakt
Red ktion
onssc
sschhluß
ss
ssc hlu dieser
dies
ie er
e Ausgabe:
Au gab
Aus g e: 16. 6 JJuni
uni 201
22014
01
0 4
aber keine Widerreden.
Werner Mitsch