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Friederike Neumann
1. Einleitung
„Alles, was Atem hat, lobe JH! Halleluja!“ (Ps 150,6). Die Psalmen des klei-
nen Hallels stellen einen fulminanten und harmonischen Abschluss des
Psalters dar, der alle Psalmen, alles Klagen und Bitten, alles Danken und
/REHQ LQ HLQHU JUR¡HQ ۤ¾QIWHLOLJHQ +DOOHOXMD.DQWDWHۢ1 als universalen
Lobpreis beschließt. Oftmals wird diese Halleluja-Komposition als redakti-
onsgeschichtlich einheitlich verstanden.2 Aber erweisen sich diese letz-
ten Psalmen des Psalters wirklich als so kohärent und aufeinander abge-
stimmt, wie oft suggeriert wird? Oder lassen sich möglicherweise Indizien
entdecken, die gegen eine so einträchtige und ausgewogene Zusammen-
stellung sprechen?
Fragt man zum Beispiel nach der Thematik „Feindschaft und Überwin-
dung der Feindschaft“ am Ende des Psalters, dann zeigen die letzten Psal-
men ein sehr uneinheitliches Bild. Zwar werden die „Feinde“ im kleinen
Hallel nicht explizit erwähnt3, aber Motive von „Feindschaft“ finden sich
auch in diesen Texten. So wird auf der einen Seite eine starke Abgrenzung
von Gegnern gefordert, aber auf der anderen Seite wird der aus allen Völ-
kern – auch den feindlichen – gemeinsam erklingende Lobpreis als selbst-
verständliches weltweites Geschehen vorgestellt. Dabei ist schon immer
aufgefallen, dass direkt nebeneinander stehende Psalmen sich widerspre-
FKHQ:¦KUHQGGHUHLQH3VDOPHLQH(QJ¾KUXQJGHV/RESUHLVHVDOOHLQDXI
Israel-Zion vorbringt (Ps 147; 149), fordert der andere Psalm eine univer-
sale Öffnung bis hin zu einem Lobpreis des ganzen Kosmos (Ps 148). Es
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Man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man in dieser Anordnung eine beabsich-
tigte Ausweitung des Aufrufs zum Gotteslob erblickt, innerhalb deren Ps. cl mit
4ۍ$XFKKörting, Israel (2012), 304 beschreibt die Frage nach Israel und den Völkern
als einen theologischen Diskurs, „der darauf ausgerichtet ist, Israels Stellung zu den
Völkern auf dem Hintergrund seiner eigenen Erfahrungen mit dem Gott der Heils-
geschichte und dem Schöpfergott stets wieder neu zu fassen.“ Ähnlich Hagedorn,
Spiegel (2011), 290: „Man schreibt Theologie, indem man (auch) auf den Anderen
blickt und in ihm wie in einem Spiegel sich selbst erblickt. Dieser Alteritätsdiskurs
dient dann der eigenen Identitätsbildung, welche in großem Maße vom Gegensatz
Israel – Völker bestimmt wird.“
5ۍ9JOGD]XDXV¾KUOLFK]%Risse, Untersuchungen (1995), 217–224; Hossfeld/Zen-
ger, Psalmen (2008), 807–809.
6ۍZenger, Psalmenexegese (2010), 64; vgl. auch Hossfeld/Zenger, Psalmen (2008),
808f., wonach die Psalmen 146; 149 und 150 als ganze sowie Ps 147,1–11 und
Ps 148,14 auf die Schlussredaktion des Psalters zurückgehen; vgl. ebenfalls Zenger,
Provokation (1997), 189–194; ders., Komposition (1997), 15–21.
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7ۍReindl, Bearbeitung (1981), 337–338; ähnlich auch z.B. Hossfeld, Klage (2001), 20;
Ballhorn, Telos (2004), 299, dort auch noch weitere Literatur.
8ۍ9JO]XGHQ3VDOPHQۙLQVJHVDPWGHUHQ%H]¾JHQXQWHUHLQDQGHUXQG
der Intention der Komposition Neumann, Hymnen (2016); sowie ebenfalls die
neuen Arbeiten zum kleinen Hallel von Willgren, Formation (2016), 244–286; Bro-
dersen, End (2017).
9ۍ1HEHQGHU.RQ]HQWUDWLRQDXIGLH(LQKHLWOLFKNHLWGHVNOHLQHQ+DOOHOVVLQGDXFK
andere Ansätze zu nennen: So geht beispielsweise Leuenberger, Konzeptionen
(2004), 355f.; ders., Beobachtungen (2010), 641; ders., Jhwh-König-Theologie (2017),
GDYRQDXVGDVV3V]XVDPPHQPLW3VDۙ͢E͢HLQHQDFKNRPSRVLWLRQHOOH
Einschreibung darstellt, die die besondere Fokussierung auf Israel einträgt, vgl.
dazu unten 2.3. Auch Kratz, Tora (2004), 309; ders., Gnade (2004), 276f. geht von
Ps 149 als späterer Ergänzung aus. Risse, Untersuchungen (1995), 241 deutet vor-
sichtig an, dass das kleine Hallel nicht aus einem Guss ist und seine Entstehung
ۤHKHUDOVHLQ]HLWOLFKJHGHKQWHU9RUJDQJDQGHPPHKUHUH۠5HGDNWRUHQ۞PLWJHZLUNW
haben“, zu verstehen ist; vgl. zur Komposition des Hallels insgesamt Risse, Untersu-
chungen (1995), 217–224. Vgl. kritisch zur einheitlichen Lesart des Hallels auch
Willgren, Formation (2016), 275–282; Brodersen, End (2017), 1–4, 270–278.
10ۍBerges, Zionstheologie (2000), 175; vgl. auch Neumann, Hymnen (2016), 431.
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+LQ¾KUHQG LVW ]XQ¦FKVW NXU] DXI GHQ WHUPLQRORJLVFKHQ %HIXQG DXI GLH
Begriffe und ihre Funktion einzugehen, die das Thema „Feindschaft“ in den
Psalmen 145–150 repräsentieren.13 In den Psalmen am Ende des Psalters,
LQVEHVRQGHUH LQ 3Vۙ NRPPHQ GLH W\SLVFKHQ 7HUPLQL ¾U ۤ)HLQGۢ
und „Gegner“ wie ' oder :8 selbst nicht vor.14 Anders als in den Klage-
psalmen15 werden in Ps 145–150 auch keine persönlichen Feinde des Beters
benannt. Ebenso wird das aktive Handeln der Feinde, empfunden als
Angriff oder Schmähung des Beters, wie es sonst in den Klagepsalmen
üblich ist, in diesen Psalmen nicht beschrieben. Vielmehr kommen kollek-
tivierte und typisierte Gegnergruppen der Beter in den Blick, von denen
sich die Lobgemeinschaft abgrenzt und distanziert.
Insgesamt lassen sich in den Psalmen 145–150 zwei verschiedene Kate-
gorien von Gegnern erkennen: Die erste Kategorie basiert auf einer theo-
logischen Abgrenzung; in theologischer Perspektive sind die Gottlosen
(-'3f:, Ps 145,20b; 146,9b; 147,6b) die Gegner der Beter. Auf der einen
Seite stehen diejenigen, die sich an JHWH halten (#'!¡+)¡=, Ps 145,20a;
-'#13, Ps 147,6a; vgl. 146,7–9a) und entsprechend auch von JHWH bewahrt
(:/f, Ps 145,20a; 146,9a) und aufgerichtet werden (3 3VDͣ
147,6a16). Auf der anderen Seite stehen die Frevler und Gottlosen, die dann
das entsprechende Handeln JHWHs erfahren, indem er sie erniedrigt und
13¾)ۍUGLHWHUPLQRORJLVFKH%HWUDFKWXQJELHWHWHVVLFKDQQHEHQGHQ3VDOPHQGHV
kleinen Hallels auch Ps 145 hinzuzunehmen, da insgesamt viele Rückbezüge von
Ps 146–150 zu Ps 145 bestehen und das Hallel inhaltlich und konzeptionell eng mit
Ps 145 verbunden ist, vgl. dazu auch Neumann, Hymnen (2016); so auch z.B. schon
Kratz, Gnade (2004); ders., Psalm 145 (2015), 209; Leuenberger, Konzeptionen (2004),
346 mit Anm. 271; sowie jüngst auch Willgren, Formation (2016), 244–286, in Auf-
nahme von Wilson, Editing (1985), 227.
14ۍ6RILQGHWVLFK' („Feind“) als häufigster Terminus z.B. zuletzt in Ps 144,3.9.12;
' auch in Ps 138,7; 139,22; außerdem :8 in Ps 136,24. Zur Feind-Motivik gehört
auch 1g („hassen“), vgl. u.a. Ps 139,21–22; als substantiviertes Partizip 1#g paral-
lel zu '#, z.B. in Ps 106,10. Zur Terminologie von „Feind“ / „Feindschaft“ vgl. z.B.
Janowski, Konfliktgespräche (2006), bes. 105–108; Riede, Art. Feinde (2011).
15ۍ9JO]%3VRGHU
16'ۍDVVHOWHQH9HUE#3 pol. („aufrichten“) findet sich nur in Ps 146,9; 147,6, was
¾U GLH $QQDKPH HLQHU GLUHNWHQ OLWHUDULVFKHQ $EK¦QJLJNHLW GHU EHLGHQ 3VDOPHQ
spricht.
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zumindest nicht nach den Maßstäben der eigenen Gruppe und wie diese es
¾UULFKWLJK¦OW
Neben der Abgrenzung von den Gottlosen erfolgt noch eine weitere
Gegenüberstellung innerhalb dieser Psalmen. Die zweite Kategorie von
Gegnern ist politisch-national: Die Völker erscheinen als allumfassende
Gruppe, zu denen alle zählen, die nicht Israel sind. In Ps 147,20 wird der
Unterschied zwischen Israel und den Völkern durch die Gabe des Gesetzes
markiert: „Alle Völker“ ('#¡+)+) erscheinen in Unkenntnis der Gesetze,
während diese aber Israel von JHWH verkündigt wurden (v. 19). Verschärft
wird der Kontrast zwischen Israel und den Völkern in Ps 149, wo ein Auf-
ruf zum Rachehandeln an den Völkern und ihren Machthabern erfolgt.
Den Völkern steht in Ps 149 das Volk Israel gegenüber, das lobend und
JHWH verehrend Rache und Züchtigung an den Völkern vollziehen soll.
Ganz anders ist die Perspektive in Ps 148,11: Im Zusammenhang der
Lobaufforderungen an die menschlichen Wesen werden auch die „Könige
der Erde und alle Völkerschaften“ sowie die „Fürsten und alle Richter der
(UGHۢLQGHQZHOWZHLWHQ/RESUHLV¾U-+:+ YJOY HLQEH]RJHQ
Schon dieser knappe Textbefund zeigt, dass die Frage nach den Geg-
nern des Beters in den Psalmen 145–150 vielschichtig gestaltet ist und dass
verschiedene Gegner-Konstellationen dargelegt werden. Einerseits werden
die Gegner durch theologische Termini beschrieben, indem sie in individu-
ell-weisheitlicher Perspektive als Frevler charakterisiert werden. Diese
Abgrenzung ist als innergesellschaftliches Phänomen wahrzunehmen.
Andererseits findet sich eine politische Terminologie, die eine universal-
nationale Perspektive erzeugt, und damit (Gesamt-)Israel von der Völker-
welt abgrenzt. Darüber hinaus kommt es dann sowohl zu einer Ver-
mischung dieser beiden Abgrenzungsvorgänge als auch zu einer
Überschreitung dieser festgelegten Linien: Einerseits erscheinen die Völ-
ker als Frevler (vgl. bes. Ps 147), andererseits zählen sie auch zu den
Gerechten, da sie offensichtlich als würdig erachtet werden, in den Lob-
preis JHWHs einzustimmen (vgl. bes. Ps 148).
Dieser mehrschichtige und eigentümlich widersprüchliche Befund
wird in einem Beitrag Martin Leuenbergers ganz deutlich, der auf die
Opposition „Gerechte vs. Frevler“ in Ps 1–2 und 146–150 eingeht. Interes-
sant ist hieran, dass in seiner tabellarischen Übersicht die „Völker“ (-'#/
-+) insgesamt wie auch die „Könige“ und „Richter“ der Erde (7:¡')+//
7:'&6f) sowohl auf der Seite der „Gerechten“ als auch auf der Seite der
„Frevler“ eingeordnet werden.21 Damit wird deutlich, dass im Gesamtblick
auf das Schlusshallel die frömmigkeitstheologische bzw. individuelle Per-
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2.2 Israel, Frevler und die Abgrenzung von den Völkern in Psalm 147
Neben der klaren Abgrenzung Israels von den Völkern zeigt sich in Ps 147
eine Vermischung der beiden oben beschriebenen Kategorien von Gegner-
schaft, der frömmigkeitstheologisch sowie der politisch-national definier-
ten Feindschaft. Im Folgenden wird zunächst knapp die inhaltliche Anlage
von Ps 147 und sodann die Konzeption von Abgrenzung und Identität nach
Ps 147 vorgestellt.22
Ps 147 ist ein Loblied, das die Heilstaten JHWHs in Schöpfung und
Geschichte besingt. Konkretisierungen dieser Heilstaten JHWHs zeigen sich
nach Ps 147 in der Restitution Jerusalems, in der Zuwendung und Versor-
gung von Tier und Mensch durch JHWHs Schöpfermacht sowie in der Wirk-
macht des göttlichen Wortes, welches sich in der Schöpfung und in der
Offenbarung der Gesetze an Israel erweist. Der Psalm ruft in drei Durchgän-
gen zum Lobpreis auf (v. 1–6.7–11.12–20). Jeweils am Anfang der Abschnitte
VWHKW HLQH $XIIRUGHUXQJ ]XP /REHQ RGHU 6LQJHQ ¾U -+:+ Y (V
IROJHQGDQQ$XV¾KUXQJHQ¾EHU:HVHQXQG:LUNHQ-+:+VXQGVFKOLH¡OLFK
wird jeder Abschnitt mit einer Gegenüberstellung beschlossen.
Gleich dreimal wird so innerhalb des Psalms ein abgrenzender Ver-
gleich, ein Kontrast zwischen zwei gegnerischen Menschengruppen for-
muliert. Dabei profitiert die eine Gruppe von JHWHs Handeln (v. 6a.11.19),
während die andere Gruppe von ihm benachteiligt wird und die negativen
)ROJHQVHLQHVPDFKWYROOHQ+DQGHOQVHU¦KUW YE
nach, sodass die Völker und ihre doppelte Verortung nicht weiter thematisiert
werden.
22ۍ9JO]XP)ROJHQGHQLQVJHVDPWNeumann, Hymnen (2016), 157–250, dort auch
weitere Literatur; sowie zu Ps 147 dies., Loblied (2019).
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Ps 147,6.10–11.19–20
' ۑHUGHUGLH'HP¾WLJHQDXIULFKWHWLVW-+:+
er erniedrigt die Gottlosen bis zur Erde.
23ۍ3URPLQHQW ¾U GLH %HVWLPPXQJ GHU 9¸ONHU DOV )UHYOHU LVW 3V 'RUW ZHUGHQ
parallel die „Völker“ (-'#) und die „Frevler“ (-'3f:) der Vernichtung durch Gott
preisgegeben bzw. in die Scheol verbannt (vgl. Ps 9,6.18). In diesem späten weisheit-
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lich geprägten Psalm findet demnach eine Identifikation zwischen Völkern und
Frevlern statt. Beide sind Feinde des Beters und damit auch Gottes Feinde und wer-
den entsprechend behandelt (ähnlich auch Jes 26,9–10), vgl. Albertz, Religionsge-
schichte (1997), 645. Ähnlich dazu Kraus, Psalmen (1978), 222: „Die -'# sind Verkör-
perung einer außerhalb des Bundes und der Gottesordnung lebenden Fremdmacht.“
Damit liegt diese Vorstellung eng bei Ps 147 (zu dem sich auch noch weitere thema-
tische Verbindungen aufzeigen lassen würden): Denn wenn schon innerhalb des
eigenen Volkes eine Abgrenzung gegenüber den Gottlosen nötig erscheint
(Ps 147,6), wie viel mehr ist dann eine Abgrenzung gegenüber den Völkern nötig,
die nicht einmal die Tora, d.h. göttlich offenbarte Gesetze und Satzungen (Ps 147,19–
20), haben. Letztlich sind dann sowohl Frevler als auch Völker als auf Distanz zu
haltende Gegenüber. Vgl. dazu auch Nah 1, dazu unten Anm. 26.
24'ۍLHKLHUDOVH[NOXVLYYHUVWDQGHQH2IIHQEDUXQJGHU7RUDDQ,VUDHOZLUGLQQHU-
halb der Psalmen und des Alten Testaments ganz unterschiedlich bewertet. Wäh-
rend hier die Gabe der Tora an Israel exklusiv verstanden wird, findet sich bei-
VSLHOVZHLVHEHL-HVDMDGLH9RUVWHOOXQJGHU2IIHQEDUXQJGHU7RUDDXFK¾UGLH9¸ONHU
dazu Fischer, Tora (1995), bes. 24–36; Berges, Zionstheologie (2000), 177. In dem
Zusammenhang ist das Kennen oder Erkennen der Gesetze JHWHs bzw. JHWHs
selbst von Bedeutung und stellt sich kontrovers dar: Ps 147,20 verneint das Kennen
(3') der Gesetze durch die Völker; ähnlich Ps 79,6, wo die Völker JHWH nicht
kennen (3'); demgegenüber formuliert aber Ps 87,4, dass einige Völker JHWH sehr
wohl kennen (3'); vgl. dazu Körting, Israel (2012), 309.
25ۍ9JO]XU'LVNXVVLRQXPGHQ7RUD%H]XJLQ3VNeumann, Hymnen (2016),
235–243, mit weiteren Hinweisen.
26ۍ9JO ]X GHQ 2SSRVLWLRQHQ LP NOHLQHQ +DOOHO XQG GHUHQ 9HUVFKU¦QNXQJ DXFK
Ballhorn, Telos (2004), 308f., 311–314; Leuenberger, Konzeptionen (2004), 362. Die
Überblendung der beiden Perspektiven findet sich auch in ähnlicher Form im Buch
Nahum: Neben der Gegenüberstellung von Frommen und Gottlosen in unspezifi-
scher Weise (Nah 1,2–8) wird jedoch durch den Kontext in Nahum eine Identifika-
WLRQGHU)UHYOHUPLWGHQ1LQLYLWHQKHUEHLJH¾KUW XQDEK¦QJLJGDYRQRE1LQLYHDOV
Chiffre verstanden wird). Somit läuft die Scheidelinie sowohl zunächst mitten
durch Israel, aber sodann und zugleich doch auch als Grenzlinie zu den (Feind-)
Völkern, vgl. dazu Koenen, Heil (1994), 165–169; Hagedorn, Spiegel (2011), 313f.
Darüberhinausgehend zeigt Wöhrle, Abschluss (2008), bes. 53–66 auf, dass die Ver-
schränkung der beiden Grenzlinien in Nahum ein Produkt redaktioneller Fort-
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1DFK3V¾KUWDOVRGLH'LVWDQ]LHUXQJYRQGHQ)UHYOHUQXQGYRQGHQ
Eigenmächtigen zur Konstituierung einer frommen Gemeinschaft, die
durch Demut und JHWH-Furcht ausgezeichnet ist und die sich zudem als
Lobgemeinschaft vom Zion versteht. Darüber hinaus und gleichzeitig
damit verwoben wird der Unterschied Israels zu den Völkern betont. Die
Gegner der Beter des Psalms sind sowohl intern – also innerhalb der Volks-
gemeinschaft Israels – als auch extern – also außerhalb im Gegenüber zu
anderen Völkern – zu finden. Funktion und Intention der Formulierung
von Gegnerschaft hat dabei in erster Linie die Bestimmung der eigenen
Identität zum Ziel: Demut, JHWH-Furcht und Gottvertrauen sowie vor
allem eine an der Tora orientierte Frömmigkeit nehmen die Beter und Tra-
GHQWHQGHV3VDOPV¾UVLFKVHOEVWۙXQG]ZDUDOOHLQ¾UVLFKLQ$QVSUXFK
Entsprechend wird das Heilshandeln JHWHs, das der Psalm lobt, ebenfalls
auf diese exklusive Gruppe konzentriert, die sich am Zion lokalisiert.
Damit wird aber der Zion in Ps 147 gerade nicht als Ort universalen Heils
verstanden, wie dies andernorts möglich ist27, sondern als exklusiver (Ver-)
Sammlungsort des wahren frommen Israel (vgl. Ps 147,2).
schreibung ist. Somit wurde in Nahum das Gericht an dem eigenen Volk und die
Abgrenzung gegenüber den Feinden JHWHs in einem späteren Schritt zu einem
Gericht an Ninive umgedeutet, und „vor dem Hintergrund der ganz allgemeinen
theologischen Bestimmung des zornigen Einschreitens JHWHs gegen seine Wider-
sacher … das Handeln JHWHs am eigenen Volk und das Handeln JHWHs an frem-
den Völkern zueinander in Beziehung [ge]setzt“ (Wöhrle, Abschluss [2008], 65).
27ۍ%HVRQGHUVLQSURSKHWLVFKHQ7H[WHQZLUGGHU=LRQ]XP2UWXQLYHUVDOHQ+HLOV
(u.a. in Jes 66,18–24; Sach 8,20–23), dazu z.B. Hagedorn, Spiegel (2011), bes. 303–308;
Schmid, Zion (2013); vgl. auch unten Anm. 36.
28ۍ9JO]XP)ROJHQGHQLQVJHVDPWNeumann, Hymnen (2016), 251–307, dort auch
weitere Literatur.
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gang (v. 1–5) wird zunächst der Lobpreis vom Himmel her (v. 1) eingefordert
und sodann mit der Schöpfermacht JHWHs begründet (v. 5).
Ps 148,1a.5
ۑ+DOOHOXMD
Lobet JHWH vom Himmel her!
ۑ/REHQVROOHQVLHGHQ1DPHQ-+:+V
denn er befahl und sie wurden geschaffen.
Im zweiten Durchgang (v. 7–13) werden die irdischen Wesen zum Lobpreis
aufgerufen (v. 7), dessen Begründung in der Hoheit JHWHs liegt (v. 13).29
Zunächst ist nach dem Vorkommen der Völker in Ps 148 zu fragen.
Bemerkenswert ist dabei, dass im Rahmen der umfassenden Lobaufforde-
rungen ganz selbstverständlich und gemeinsam mit allen anderen belebten
und unbelebten Kreaturen auch die „Könige der Erde und alle Völkerschaf-
ten“ (-'/+¡+)# 7:¡')+/) sowie die „Fürsten und alle Richter der Erde“
(7:'&6f¡+)#-':g LQGHQ/RESUHLV¾U-+:+HLQEH]RJHQXQG]XU0LW-
wirkung aufgerufen werden (vgl. Ps 148,11).
Ps 148,7a.11–13
ۑ/REHW-+:+YRQGHU(UGHKHU
29ۍ$XIJUXQGYRQIRUPDOHQLQKDOWOLFKHQXQGNRQ]HSWLRQHOOHQ%HREDFKWXQJHQVLQG
v. 6 und v. 14 als sekundäre Nachträge im Ps 148 anzunehmen, worauf später
zurückzukommen ist.
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30ۍ9JO]X3VXQWHQ
31ۍ9JO¦KQOLFKQRFK3VIGRUWDXFKPLWGHP$XVGUXFNۤ.¸QLJHGHU(UGHۢ
(7:¡')+/), der sich neben den bereits genannten Stellen nur noch in Ps 2,2 und
76,13, dort aber nicht im Kontext des Lobaufrufs findet. Aufrufe zu Lob und Anbe-
tung JHWHs durch die Völker (-'#) finden sich sodann noch in Ps 22,28f.; 72,11;
86,9; 117,1.
32ۍRuppert, Aufforderung (1987), 296.
33ۍ9JORuppert, Aufforderung (1987), 281–283, 296. Ähnlich auch Ballhorn, Telos
(2004), 319–322, nach dessen Deutung Israel zunächst nur allein loben kann, denn
von den Völkern und ihren Königen und Richtern kann der Aufruf „– derzeit –
nicht wirklich gehört und befolgt werden“. Damit muss Ps 148 nach Ballhorn
eschatologisch verstanden werden. Ps 148 stellt mit dem Aufruf zu Gotteslob und
Gotteserkenntnis an die Könige und Völker somit ein friedliches Gegenstück zu
Ps 2 dar, so ebd., 320. Zur Korrespondenz von Ps 148 und Ps 2, vgl. auch Neumann,
Hymnen (2016), 292.
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ist dabei beachtenswert, dass im Rahmen der Aufzählung derer, die zum
Lob aufgerufen werden, die Völker und ihre Machthaber selbstverständlich
neben anderen genannt und ohne Unterscheidung eingereiht werden. Der
/REDXIUXIJLOWMHW]WXQGQLFKWDOOHLQ¾UGLH=XNXQIWXQG]ZDUGHUJHVDP-
ten Menschheit in ihrer Vielschichtigkeit, dem ganzen Kosmos. Damit ent-
¦OOWGLH0LWWOHUSRVLWLRQ,VUDHOVGLH5XSSHUWDQQLPPW=XGHPZLUG,VUDHO
(oder eine vergleichbare Bezeichnung des Volkes Gottes) in dieser Reihe
selbst eben nicht genannt34, sondern erst in Vers 14.
Ps 148,14
8QGHUKDWHUK¸KWGDV+RUQ¾UVHLQ9RON
(LQ/REOLHG¾UDOOHVHLQH)URPPHQ
¾UGLH6¸KQH,VUDHOVGDV9RONVHLQHU1¦KH
Halleluja!
Hier wird Israel dann auch nicht explizit zum Lob aufgerufen – wie aber
zuvor alle Elemente im Himmel und auf Erden. V. 14 grenzt gegenüber
v. 1–13 das die ganze Schöpfung umfassende Lobgeschehen auf die Söhne
Israels als das Gottesvolk ein. Während in v. 1–13 der gesamte Kosmos im
Blick war, geht es in dem Abschlussvers nur noch um Israel und um sein
individuelles Gottesverhältnis. Die Israelperspektive, die in v. 14 zum Aus-
druck kommt, steht damit im Widerspruch zu dem sonst vollkommen uni-
versal-kosmologisch ausgerichteten Lobaufruf. Durch die Israelperspek-
tive wird der charakteristische Zug des Psalms auffallend gestört, da das
Besondere des Psalms sich gerade im Fehlen der nationalen Dimension und
in der Betonung der universal-kosmologischen Perspektive darstellt.
'DPLWVSULFKWYLHO¾UGLH$QQDKPHHLQHUVHNXQG¦UHQ(UZHLWHUXQJLQ
v. 1435, die zudem durch die frömmigkeitstheologische Perspektive unter-
314
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stützt wird. Diese kommt mit der Erwähnung der Frommen (-''2%) in den
Psalm hinein und passt ebenfalls nicht zum Vorherigen: Denn allein das
Geschaffensein der Welt und ihrer Elemente legitimiert diese zum Lob
Y XQGDOOHLQGLH(UKDEHQKHLWGHV6FK¸SIHUVUXIWGDV/RE¾ULKQKHUYRU
(v. 13). In diese Konzeption passt eine frömmigkeitstheologische Ein-
schränkung des kosmischen Lobpreises allein auf die Frommen Israels nur
schwer.
Gerade deshalb ist die universale Perspektive des Psalms zu würdigen.36
In Ps 148 – insbesondere in seiner Erstfassung, wo Israel als Volk gar nicht
HUZ¦KQWLVWۙZLUG¾EHUGLH5ROOH,VUDHOVLP%OLFNDXIGDV+HLO¾UGLH9¸O-
ker eben keine Aussage getroffen. Der Psalm nimmt einen (utopisch-)uni-
versalen Lobpreis in den Blick, der von Himmel und Erde her ertönen und
somit JHWH, den Schöpfer und Herrn der Welt, loben soll. In diesem alles
umfassenden Lobgesang verschwimmen dann die Grenzen zwischen Volk
und Völkern, zwischen Alten und Jungen, zwischen belebten und unbeleb-
ten Elementen des Kosmos. Weil alles Geschöpf Gottes ist und weil JHWH
allein erhaben ist, wird die gesamte Schöpfung zum Lobpreis des Schöpfers
JHWH aufgerufen.
Mit dieser Öffnung zu den Völkern und somit der Öffnung jeglicher
Grenzen und Begrenzungen steht Ps 148 in der Grundfassung im expliziten
Kontrast zu den vorangehenden Psalmen 146 und 147, die eine viel engere
Perspektive auf das Loben Gottes einnehmen und es vornehmlich auf Israel
bzw. den Zion konzentrieren. Noch stärker zeigt sich die unterschiedliche
.RQ]HSWLRQLP9HUJOHLFKPLW3V'HPJHJHQ¾EHU¾KUHQGLH1DFKWU¦JH
Kosmos gerichteten Lobaufruf eben Israel und verstand den Hymnus neu als Lob-
preis Jahwes durch Israel, was dieser freilich überhaupt nicht sein will.“ (ebd., 278).
'DVXUVSU¾QJOLFKH(QGHLVW¾U5XSSHUWGDQQPLWYDHUUHLFKWKQOLFKWillgren,
Formation (2016), 262–265, der v. 14bc als sekundäre Ergänzung annimmt, und
MacKenzie3VEF GHUYEFDOV VHNXQG¦UHQ 7LWHO¾U3VDQQLPPW
Spieckermann, Heilsgegenwart (1989), 57f. sieht v. 13b.14 als Zusatz. Anders Ball-
horn, Telos (2004), 315–319, der gerade den Höhepunkt in v. 14 sieht, auf den der
ganze Psalm zuläuft.
36ۍ,P%OLFNDXIGHQ8PJDQJPLWGHQ9¸ONHUQLQ3VLVWDXFKDXIGLHVFKRQRIW
gesehene Nähe der universalen Perspektive zu prophetischen Aussagen über den
Einschluss der Völker in die Heilshoffnung zu verweisen, vgl. dazu z.B. Ruppert,
$XIIRUGHUXQJ I:HVHQWOLFK¾UGLH(LQELQGXQJGHU9¸ONHULQGDV+HLOLP
Rahmen der Zionstheologie bei Jesaja hält Berges, Zionstheologie (2000), 180 fol-
genden Schritt: „Die neue theologische Erkenntnis, daß JHWH der einzige Schöp-
fer von Mensch und Welt ist, wird mit der alten Tradition vom Zionsberg als Mit-
telpunkt der Welt gekoppelt“; vgl. z.B. Jes 2,2–4; Mi 4,1–5 sowie auch Sach 8,20–23.
Dazu z.B. auch Lohfink, Bund (1994), 41f.; Ego, Völkerchaos (2013), 126; Schmid,
Zion (2013); vgl. dazu auch oben Anm. 27.
315
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Friederike Neumann
Ps 148,6
6 Und er lässt sie bestehen auf immer, auf ewig,
eine Ordnung hat er gegeben und sie vergeht nicht.
316
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Ps 149 beginnt als eine Aufforderung zum Lobpreis JHWHs, des Schöpfers
und Königs Israels (v. 1–4). Im zweiten Teil (v. 5–9) wird dann im Kontext
eben dieser Lobgesänge auch zum Rachehandeln an den Völkern und ihren
Königen und Hochgeehrten aufgerufen. Die Deutung des gleichzeitigen
Aufrufs zum Loben Gottes und zur Rache an den Völkern wurde in der
Auslegung des Psalms schon oft diskutiert.40 Im Blick auf die vorliegende
Fragestellung wird aber im Folgenden vornehmlich das Verhältnis zwi-
schen dem Volk Israel und den Völkern in Ps 149 dargestellt.41
In drei parallel aufgebauten Infinitivsätzen werden die Frommen zum
Rachehandeln „an den Völkern“ (-'#) und „an den Völkerschaften“ (¡+
-'/)42 sowie zur Fesselung ihrer Machthaber (-!')+/ „ihre Könige“;
-!')1 „ihre Hochgeehrten“) aufgerufen (v. 7–9a).43 Den Völkern, gegen
die vorgegangen werden soll, stehen in Ps 149 ganz verschiedene Gruppen-
bezeichnungen gegenüber, die aber parallel und synonym verwendet wer-
den: -''2% „Fromme“ (v. 1.5.9); +:g' „Israel“; 0#'8¡'1 „Söhne Zions“ (v. 2);
#/3 „sein Volk“; -'#13 „Demütige“ (v. 4). Diese als fromm und demütig
bezeichnete Gruppe repräsentiert das idealisierte und wahre Volk Israel.
Ps 149
1 Halleluja!
Singt JHWH ein neues Lied!
Sein Lobgesang >sei@ in der Versammlung der Frommen.
2 Freuen soll sich Israel über seinen Schöpfer,
die Söhne Zions sollen jauchzen über ihren König.
3 Loben sollen sie seinen Namen mit Tanz,
zur Pauke und Zither sollen sie ihm lobsingen.
4 Denn Wohlgefallen hat JHWH an seinem Volk,
er verherrlicht die Demütigen mit Rettung.
317
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Friederike Neumann
Wie schon in Ps 147 zeigt sich hier die Vermischung der abgrenzenden
Kategorien: Während mit relativ unspezifischer Formulierung die Völker
und ihre Machthaber genannt werden, tritt dieser politischen Macht die
Gruppe derer gegenüber, die durch frömmigkeitstheologische Kriterien
charakterisiert sind und sich selbst als das wahre Israel verstehen. Dem
frommen Israel stehen hier alle Völker samt deren Könige gegenüber. Und
diese fromme und demütige Lobgemeinde (vgl. Ps 149,1.4f.9) wird nun von
JHWH beauftragt, eben diese Mächtigen der Welt und aller Völker festzu-
setzen, um sie all ihrer Macht zu berauben und ihnen stattdessen Fesseln
zu verpassen. Dabei wirkt das anempfohlene Handeln geradezu bizarr; es
ist zudem sprachlich feinsinnig dargestellt: Während die Lobgemeinde
selbst über ihren König (-)+/ ۙ-+:+ۙMXEHOW Y XQG¾ULKQWDQ]W
(v. 3), soll sie die Könige der Völker (-!')+/) festsetzen, d.h. bewegungs-
XQ¦KLJ PDFKHQ Y Z¦KUHQG GLH )URPPHQ PLW +HLO XQG (KUH YRQ
JHWH her geschmückt werden (v. 4.9) und selbst in Herrlichkeit (#),
v. 5) frohlocken, sollen sie die Hochgeehrten (-!')1, v. 8) der Völker
ihrer Herrlichkeit und Macht berauben. Der Psalm beschreibt also nichts
weniger als die vollständige Umkehrung der Verhältnisse von Macht,
Herrschaft und Ruhm.
Bemerkenswert ist dabei, dass es eben gerade die Demütigen (v. 4) und
die Frommen (v. 1.5.9) sind, die von sich aus machtlos sind, die nun zur
Machtergreifung und zum Rachehandeln aufgerufen werden.44 Somit sind
die eigentlich Machtlosen die wahrhaft Mächtigen – und zwar ermächtigt
durch Gott. Dieses Motiv der Ermächtigung der Machtlosen und Schwa-
chen findet sich in späten biblischen und außerbiblischen Texten immer
wieder.45 Bei aller gewaltgeprägten Sprache erscheint so das beschriebene
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Ps 137,7–9
7 Gedenke, JHWH, den Edomitern den Tag Jerusalems,
die sprachen: Legt bloß, legt bloß – bis zu ihrem Grund!
die Demütigen beschreibt (vgl. u.a. 1QM VI; XIV–XV; XVI); ähnlich auch Dan 7,26–
27 oder 1 Hen 91–93, wo Schafen das Schwert zum Gericht gegeben wird (1 Hen
YJODXV¾KUOLFKHUGD]XBallhorn, Telos (2004), 326–331; Neumann, Hymnen
(2016), 359–361; dies., Gewalt (2017), 197–199; zur Entwicklung einer Theologie der
Machtumkehrung in späten Texten vgl. Albertz, Religionsgeschichte (1997), 633–
676, bes. 639.
46ۍ9JOHWZD'WQ EHVY 3V-HU EHVY (]
47ۍ3VZXUGHDXIJUXQGVHLQHU.ULHJVWHUPLQRORJLHDOVNXOWLVFKHV.ULHJVE]Z
Siegeslied gedeutet, so z.B. Gunkel, Psalm 149 (1975), 54; ders., Psalmen (1986), 620;
zu dieser These Gunkels kritisch Zenger, Provokation (1997), 182f., 187.
48ۍ9JO GD]X Neumann, Hymnen (2016), 367–371, dort auch zum Verhältnis von
Ps 149 zu Ps 2.
319
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Friederike Neumann
Ps 138,4–6
4 Es sollen dich preisen, JHWH, alle Könige der Erde,
denn sie haben die Worte deines Mundes gehört.
5 Sie sollen singen von den Wegen JHWHs,
denn groß ist die Herrlichkeit JHWHs.
6 Denn erhaben ist JHWH, und den Niedrigen sieht er,
und den Hochmütigen erkennt er von fern.
49=ۍXUNULWLVFKHQ'LVNXVVLRQGHU%H]¾JH]ZLVFKHQ3VXQGYJOLeuenber-
ger, Komposition (2004), 321f. Anm. 182.
50ۍ9JOAlbertz, Exilszeit (2001), 91; Hossfeld/Zenger, Psalmen (2008), 687f.
51ۍ9JOGD]XHossfeld/Zenger, Psalmen (2008), 697, und das Fazit zu Ps 137: „Es ist
einerseits der Hilfeschrei des offensichtlich immer noch verängstigten und poli-
tisch diskreditierten Israel, aber es ist andererseits die an JHWH gerichtete
%HVFKZ¸UXQJVHLQHPHLJHQHQ۠*RWWHVDQVSUXFK۞]XHQWVSUHFKHQۢ
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Friederike Neumann
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'DV۠QHXH/LHG۞YRQ3V¾JWVLFK]ZDUGXUFKGLH+DOOHOXMDK5DKPXQJLQV
Schlusshallel Ps 146–150 ein, sein Inhalt ist aber in der Tat neu und kein bün-
delndes Summarium, wie man es an diesem kompositionellen Ort erwarten
könnte; vielmehr setzt es dem Psalterabschluss eine zusätzliche Sinnspitze auf,
die eine außergewöhnlich signifikante theologiegeschichtliche Verortung zu
erkennen gibt.57
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Friederike Neumann
daran lohnt dann ein knapper Blick auf den zeitgeschichtlichen Hinter-
grund dieser Abschlusspsalmen des Psalters.
Schon Zenger stellte fest: „Das Finale des Psalters wächst kompositio-
nell aus Ps 145 heraus.“61 Den Anfang dieses „Herauswachsens“ macht nun
3VDOVHUVWHU3VDOPGHVNOHLQHQ+DOOHOV'DEHLLVWGLH)RUW¾KUXQJGHV
Lobpreises, den Ps 146 formuliert, vermutlich durch den offenen Schluss in
Ps 145,21 motiviert.
Ps 145,21
21 Ein Loblied JHWHs soll reden mein Mund,
und preisen soll alles Fleisch seinen heiligen Namen
immer und ewig.
Ps 146,10
10 König sei JHWH bis in Ewigkeit,
dein Gott, (o) Zion, von Generation zu Generation.
Halleluja!
Diese auf Zion konzentrierte Zuwendung JHWHs und der von dort ausge-
KHQGH/RESUHLV¾UGHQ.¸QLJVJRWWZLUGLQ3VVRGDQQDXIJHQRPPHQ
und noch verstärkt (vgl. bes. Ps 147,1f.12). Zudem wird in Ps 147 die
Abgrenzung von den Völkern, die eben nicht zur Gemeinschaft vom Zion
gehören und demnach auch keinen Anteil an der Wortoffenbarung Gottes
haben, gegenüber Ps 146 ergänzt und zum zentralen Thema von Ps 147.
6FKRQ GHU 9HUJOHLFK GLHVHU GUHL 3VDOPHQ ]HLJW :HLWHU¾KUXQJHQ XQG
Fortschreibungen von einzelnen Motiven sowie Ergänzungen von The-
men, die im jeweils vorangehenden Psalm so noch nicht vorhanden waren.
Dabei zeigt sich, zusammen mit weiteren Textbezügen, dass die Verbin-
324
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dungen nur in einer Richtung sinnvoll nachzuweisen sind und dass die
Psalmen einander voraussetzen und rezipieren, und zwar jeweils ihre vor-
angehenden Psalmen, wie sie in der jetzigen Abfolge vorliegen. Umgekehrt
lassen sich keine Bezüge zu den je nachfolgenden Psalmen erkennen.
Würde es sich bei dem kleinen Hallel aber um eine homogene Gruppe han-
deln, die in einem Zug an das Ende des Psalters gestellt wurde, so wären
Bezüge zwischen den Psalmen nach vorne und nach hinten zu erwarten –
auch und gerade bei redaktionell verfassten und auf einer Textebene lie-
genden Psalmen.
Die Abfolge der Psalmen 147 – 148 – 149 verschärft nun, wie oben be-
UHLWVDXVJH¾KUWGLH8QWHUVFKLHGHLQGHUWKHPDWLVFKHQ$QODJHEHVRQGHUV
in der Deutung des Verhältnisses zwischen Israel und den Völkern.
3VLVWJDQ]DXIGDV+HLOVJHVFKHKHQLQXQG¾U,VUDHONRQ]HQWULHUW
GDEHLJLOWGLH6FK¸SIHUPDFKW*RWWHVDOV*DUDQW¾UGDVHUQHXWH(LQJUHLIHQ
Gottes in Gestalt der Restitution Jerusalems und der dauerhaften Siche-
rung der Stadt. In Ps 148 wird die Schöpfung in all ihren Bestandteilen zum
Lobpreis aufgerufen und damit zur Antwort auf das Heilshandeln Gottes in
Schöpfung und Geschichte aufgefordert. Dass dabei aber weit über Israel
und Zion hinausgeblickt wird, erweist Ps 148,1–13 sodann als einen Son-
derfall im Gesamtklang des kleinen Hallels. Auch die Erwähnung der in
den Lobgesang integrierten Völker, von denen in Ps 147 noch eine strikte
Abgrenzung erstrebt wurde, zeigt die ganz andere Perspektive der Verfas-
ser von Ps 148. Es ist darum gut möglich, dass gerade diese kosmisch-uni-
YHUVDOH 3HUVSHNWLYH GHV *UXQGSVDOPV YRQ 3V GLH ,QWHQWLRQ ¾U VHLQH
Abfassung war.62 Gerade im Gegenüber zu Ps 146 und 147, die eine engge-
¾KUWH =LRQV7KHPDWLN DXIZHLVHQ ZDU GLH XQLYHUVDOH $XVULFKWXQJ HLQ
JUXQGOHJHQGHV0RWLY¾UGLH)RUWVFKUHLEXQJ
In Entgegensetzung zu Ps 148* wurde dann durch die Fortsetzung mit
Ps 149 und dem Übergangsvers Ps 148,14 der umfassende Lobaufruf an alle
Welt wieder auf Israel beschränkt und dessen besondere Rolle im Weltge-
schehen und im Blick auf das Loben JHWHs erneut betont, indem der Lob-
preis explizit den Frommen des Volkes zugeschrieben wird: Lobpreis ist nur
325
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Friederike Neumann
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schaft mit den Völkern möglich oder ist bleibende Unterscheidung das
Gebot der Stunde?
Auf diese Fragen lassen sich keine einfachen Antworten finden. Dies
zeigen die Texte selbst, die möglicherweise bewusst in dieser Offenheit und
Mehrperspektivität nebeneinander gestellt worden sind. Diese Spannung
ist auch auf der Ebene von wissenschaftlicher Interpretation und Deutung
wohl nicht zu lösen. Vielmehr sind aber ein Ringen um Antworten sowie
verschiedene Positionen wahrzunehmen, die diese Psalmen am Ende auf-
zeigen. Diese letzten Psalmen des Psalters (und mit ihnen wohl andere, vgl.
u.a. Ps 137–139) weisen einen theologisch-politischen Diskurs auf und zwar
insbesondere im Blick auf das Verhältnis Israels zu den Völkern.
Eine Position innerhalb dieses Diskurses versteht die Hinwendung
]XP=LRQXQGGDPLW]X*RWWDOV9RUDXVVHW]XQJ¾UGLH,QWHJUDWLRQLQGHQ
universalen Lobpreis. Wie es mehrfach im Alten Testament heißt (vgl. z.B.
-HVۙ JHKW7RUDYRP=LRQDXVXQGQLFKWQXU¾U,VUDHOVRQGHUQDXFK
¾UGLH9¸ONHU65 Wird die Verschränkung der frömmigkeitstheologischen
Perspektive mit der politisch-nationalen Perspektive wahrgenommen,
dann geht es im Blick auf eine Tora-Frömmigkeit nicht mehr um „ganz
,VUDHOۢVRQGHUQQXUXPHLQH7HLOPHQJHGLH]XGHP¾UGLH,QWHJUDWLRQGHU
Gerechten aus den Völkern bereit ist (vgl. auch Ps 138,4, wo das Hören des
J¸WWOLFKHQ:RUWHV*UXQG]XP/RE¾UGLHۤ.¸QLJHGHU(UGHۢLVW 66 Offen-
sichtlich gab es die Vorstellung, vertreten von einer frommen Gruppe
innerhalb Israels, die – bei Hinwendung derer aus den Völkern hin zu
-+:+ۙHLQH,QWHJUDWLRQLQGDVZDKUH*RWWHVYRON¾UP¸JOLFKKLHOW6RPLW
erklärt sich im Umkehrschluss die dreifache Abgrenzung in Ps 147: von
den Gottlosen, den Eigenmächtigen, den (toralosen) Völkern. Aber in
Demut und Gottesfurcht, unter Verzicht auf die eigene Macht und Stärke,
und schließlich unter Anerkennung des Wortes vom Zion, der Tora, ist
dann ein gemeinsamer Lobpreis denkbar.67 Dann zählt nicht mehr die Eth-
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Friederike Neumann
nie allein und als solche, sondern das Ethos, die Hinwendung zu JHWH,
die dann – nach den Psalmen (und auch nach Jesaja) – im Lobpreis
geschieht und erkennbar wird.68 „Dem einzigen Schöpfergott gebührt ein
Kult auf seinem heiligen Berg, der nicht mehr von Israel allein, sondern
nur noch von den Gerechten aus Israel und den Völkern vollzogen werden
kann.“69 Diese Möglichkeit der Integration, wie sie vor allem in späten
Jesajatexten repräsentiert wird, ist eine weitere Stimme im Diskurs über
die Frage nach dem Verhältnis von Volk und Völkern.
1DFKGLHVHQ$XV¾KUXQJHQ¾EHUGHQ'LVNXUVۤ,VUDHOV/RESUHLVRGHU/RE-
preis der Völker“ ist nun abschließend auf den theologiegeschichtlichen
Hintergrund der Psalmen und damit auf die entstehungsgeschichtliche
Einordnung der Texte einzugehen. Auch wenn die Datierung von Psalmen
grundsätzlich schwierig ist, lässt sich doch etwas zum Abschluss des Psal-
ters und damit dann auch zu den besprochenen Psalmen sagen.
Beate Ego hat jüngst noch einmal die Entwicklung der Vorstellung
vom Völkerchaos hin zum Völkerkosmos dargestellt und auch theologiege-
schichtlich eingeordnet.70 Nach Ego sind die Voraussetzungen einer Öff-
nung hin zu den Völkern in friedvoller Absicht wohl in der persischen
Reichspolitik zu sehen, deren Fortsetzung und Steigerung sich dann bis in
die hellenistische Zeit hinein beobachten lässt.71 Die Vorstellung des einen
universalen Schöpfergottes bringt die Vorstellung einer Völkerwallfahrt
aber eben mit dieser Teilnahme auch zur politischen Anerkenntnis Jahwes als ihres
Oberherrn,“ so Jeremias, Königtum (1987), 66; vgl. auch Ego, Völkerchaos (2013),
128. Bei aller inklusiven Perspektive, die den Völkern in Ps 47 gilt, bleibt festzuhal-
ten, dass „die Völker“ vor allem durch ihre Opposition zum Volk Israel bestimmt
sind. Vgl. dazu auch Körting, Israel (2012), 313, die zudem darauf hinweist, dass die
KHEU¦LVFKHQ%HJULIIH¾Uۤ9¸ONHUۢLQ3VJHPLVFKWXQGSDUDOOHOYRUNRPPHQY
-'/3; v. 4: -'/+; v. 9: -'#; v. 10: -'/3''1. Ganz vergleichbar werden in den Hallel-
3VDOPHQ HEHQIDOOV PHKUHUH %HJULIIH ¾U GLH 9¸ONHU SDUDOOHO YHUZHQGHW YJO GD]X
oben. Es zeigt sich also sowohl in Ps 47 als auch in den Hallel-Psalmen eine allge-
meine Opposition von Volk und Völkern; betont wird der chiffrenartige Charakter
der Völker als „die Anderen“ im Gegenüber zum Volk Israel.
68ۍ9JOBerges, Zionstheologie (2000), 189.
69ۍBerges, Zionstheologie (2000), 189 [Hervorhebung im Original].
70ۍ9JOEgo, Völkerchaos (2013); außerdem grundlegend Steck, Friedensvorstellun-
gen (1972).
71ۍ9JOEgo, Völkerchaos (2013), 136f.; vgl. zur Entwicklung der Völkerwallfahrt in
Jesaja in nachexilischer Zeit auch Berges, Zionstheologie (2000), bes. 188–190.
328
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zum Zion mit sich, denn JHWH ist dann nicht mehr nur Gott Israels, son-
GHUQDOVHLQ]LJHU*RWWHUK¦OWHUXQLYHUVDOH%HGHXWXQJ¾UXQG$QVSUXFKDXI
die Völker. Die Texte postulieren – durchaus in herrschaftskritischem Ton
und gegen die Perser gerichtet – den Gott Israels als den wahren Herrscher
über die Welt (und nicht den persischen Großkönig). Die theologische
Konzeption einer Völkerwallfahrt stellt dabei aber nicht eine allgemein
und überall gültige Überzeugung dar.72 So bemerkt Ego zu Recht:
Das Motiv einer Partizipation der Völker am Kult auf dem Zion und einer Aner-
kennung der Königsherrschaft JHWHs ist darüber hinaus aber auch ein
Gedanke, der in historischer und theologischer Hinsicht eine enorme Spreng-
NUDIWEHVHVVHQKDWXQGGHULQVJHVDPW]XHLQHUJHZLVVHQ3RODULVLHUXQJ¾KUWH73
72ۍ6R VLQG EHLVSLHOVZHLVH GLH %¾FKHU (VUD XQG 1HKHPLD DOV *HJHQNRQ]HSWH ]X
verstehen, die sich in mehrfacher Hinsicht gegen eine Integration und gegen jegli-
FKHQ (LQIOXVV YRQ )UHPGHQ XQG VRPLW ¾U GLH $EJUHQ]XQJ YRQ GHQ 9¸ONHUQ ]XU
Identitätswahrung aussprechen, vgl. u.a. Berges, Zionstheologie (2000), 178f.
73ۍEgo, Völkerchaos (2013), 137.
74ۍ9JO]%Wöhrle, Abschluss (2008), 351–354; Hagedorn, Spiegel (2011), 307f.
75ۍ9JOKLHUDXFKGLHDX¡HUELEOLVFKHXQG]ZLVFKHQWHVWDPHQWOLFKH/LWHUDWXUGD]X
oben Anm. 45; vgl. auch Haag, Zeitalter (2003), bes. 30–32; sowie auch Hagedorn,
Spiegel (2011), 290.
76ۍ9JO GD]X XD Ego, Völkerchaos (2013), 138f.; Albertz, Religionsgeschichte
(1997), 591–605; Kratz, Israel (2013), 72–78.
329
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Friederike Neumann
Die Psalmen des kleinen Hallels und mit ihnen auch der Abschluss der
gesamten Psalmensammlung ist nun genau in diese Zeit des späten 3. Jh.
bis zum Beginn des 2. Jh. zu datieren77 und damit vor dem Hintergrund
eines Diskurses zu verorten, der sich immer weiter zuspitzt, bis er dann
schließlich in der makkabäischen Krise eskaliert. Schon in den Jahrzehnten
davor zeichnet sich bereits die Frage nach dem Umgang mit den Völkern
ab – und wird unter anderem am Ende des Psalters diskutiert: Rufen die
Psalmen zu einem Lobpreis auf, der allein Israel vorbehalten ist, oder kann
sich der hymnische Lobpreis auf die Völker hin öffnen? Und wenn ja, unter
welchen Bedingungen ist dies denkbar? Reicht allein das Geschaffensein
der Schöpfung aus, um den Schöpfergott zu loben, oder ist eine (toraorien-
tierte) Frömmigkeit Voraussetzung?78 Diese und andere mehr sind die Fra-
gen der Theologen, die den Abschluss des Psalters gestaltet haben. Und es
liegt nahe, dass verschiedene Meinungen hier eingeflossen sind und somit
]XHLQHU)RUWVFKUHLEXQJGHV(QGHVLQPHKUHUHQ6WXIHQJH¾KUWKDEHQ79
Dass diese Frage nach den Völkern bedeutend war, zeigen auch Fort-
schreibungen im Zwölfprophetenbuch, die in das 3. Jh. datiert werden und
die die Einbindung der Völker in das Heilsgeschehen Gottes unter Bewah-
rung und Bekräftigung der eigenen Tradition und Theologie bedenken
(vgl. insb. auch das Jonabuch). In späten prophetischen Texten wird die
Zionstheologie universalisiert, indem das Heil vom Zion her nun nicht
mehr auf das eigene Volk beschränkt ist, sondern darüber hinaus auch
Angehörige der Völker mit hineinnimmt – unter der Voraussetzung der
Hinwendung zu JHWH (vgl. z.B. Sach 14,16–19).80 Somit werden die
Völker auf der einen Seite nicht mehr grundsätzlich und pauschal als
Feinde und Gegner vorgestellt, sondern es wird sogar eine Gemeinschaft
mit den Völkern erwogen – aber nur unter den Bedingungen der Aner-
330
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kennung JHWHs als des Herrn der Welt. Umgekehrt gilt bei fehlender
Zuwendung zu JHWH den Völkern nach wie vor das Gericht Gottes.81
Nach zwei völkerfeindlichen Bearbeitungen im 4. und bis zur Wende zum
3. Jh. lässt sich im Zwölfprophetenbuch eine Fortschreibung aus dem 3. Jh.
DQQHKPHQGLHDXVGU¾FNOLFKGDV+HLODXFK¾UGLH9¸ONHUYRUVLHKW82 Damit
erfolgt die Auseinandersetzung um die Frage nach den Völkern auf jeweils
unterschiedlichen literarischen Stufen. Was also nach diesen Beobachtun-
gen über gut 100 Jahre hinweg zeitlich nacheinander geschieht, zeigt sich
am Ende des Psalters auf engstem Raum nebeneinander und parallel. Der
Diskurs über Israel und die Völker war also im ausgehenden 3. Jh. noch
längst nicht beendet und spitzt sich dann u.a. im Kontext des Lobpreises
zu, der als exklusives oder inklusives Geschehen verstanden wird. So lässt
sich die Entstehung der Psalmen des kleinen Hallels gut vor dem Hinter-
grund der theologisch-politischen Kontroverse der hellenistischen Zeit
verstehen.
Der Diskurs über Israel und die Völker stellt sich als vielschichtig und
kontrovers dar. In zahlreichen Texten und Traditionen des Alten Testa-
ments lässt sich die Diskussion um Abgrenzung von oder Gemeinschaft
mit den Völkern beobachten, die sich literarisch in Fortschreibungen und
redaktionellen Ergänzungen durch die Zeiten hindurch niedergeschlagen
hat. Bereits Ps 138 mit seinem Lobaufruf an die Völker erweist sich als
Fortschreibung des völkerfeindlichen Ps 137. Beide Psalmen zeigen also
verschiedene Auffassungen im Kontext der Beziehung zwischen Israel und
den Völkern. Ebenso lassen sich kontroverse Positionen in den Psalmen
des kleinen Hallels nachweisen. Allein die drei Psalmen 147–149 bestim-
men das Gegen- bzw. Miteinander von Volk und Völkern sehr verschieden.
Damit lässt sich ein literarischer Diskurs erkennen, der ein theologisches
Ringen und politisches Verhandeln während des 3. Jh. in zunehmend helle-
nistisch geprägter Gesellschaft widerspiegelt und der dadurch geprägt ist,
aus verschiedenen Perspektiven die Identität der eigenen Volksgemein-
schaft gegen andere Einflüsse zu bewahren und gleichzeitig eine Möglich-
keit der Öffnung hin zu den Völkern, „den Anderen“, theologisch zu
begründen. Dabei zeigen sich Abgrenzungen auf verschiedenen Ebenen,
innerhalb der eigenen frommen exklusiven Gemeinschaft und darüber hin-
aus in weltpolitischen Zusammenhängen.
331
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Friederike Neumann
Eine Frage, die sich am Ende noch zu stellen lohnt, ist: Lässt sich bei aller
Vielfalt und trotz aller Unterschiede im Blick auf den Umgang mit den
Völkern doch auch eine gemeinsame Linie in den vorgestellten Psalmen
erkennen? In diesem Zusammenhang ist es bedeutend, den Ort des Diskur-
ses wahrzunehmen: Es ist nach dem literarischen Ort, nach der literari-
schen Gestalt zu fragen, in denen uns das Thema präsentiert wird. Ohne
Zweifel sind die Psalmen 146–150 Lobpsalmen bzw. Hymnen, deren Haupt-
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Halleluja-Rahmung und die Prägung durch das Verb ++! („loben“).
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lich der Lobpreis die Grundbestimmung. Und bei aller kämpferisch gepräg-
ten Formulierung zeigt dieser Psalm zugleich ganz deutlich, wem hier der
Kampf auferlegt wird: der demütigen Lobgemeinschaft. Macht zur Bekämp-
fung der Macht der Völker und ihrer Könige kann nur von JHWH selbst
herkommen – denn die Kämpfenden sind von sich aus machtlos, ohnmäch-
tig. Erst durch den Lobpreis wird die Gemeinschaft konstituiert, die dann
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Ps 149: An erster Stelle steht der Lobpreis, und nur im Lobpreis kommt es
zur Umkehrung der Macht und letztlich ganz zum Ende aller Hierarchien
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In theo-logischer Perspektive kann im Loben dann alle Feindschaft
überwunden werden, indem JHWH allein die Ehre gegeben wird und ihm
auch alle Feindschaft und Rache überlassen wird (so z.B. Ps 13783) oder
indem sie durch das aufgeschriebene, rechtmäßige göttliche Gericht getilgt
wird (so z.B. Ps 149,9). In schöpfungstheologischer Hinsicht wird Feind-
schaft im Loben überwunden, indem die lobende Gruppe sich ihrer Ver-
bundenheit als Geschöpfe Gottes bewusst wird (so Ps 148,5). Diese dop-
pelte Begründung der Überwindung von Feindschaft im Loben in theo-
logischer wie in schöpfungstheologischer Perspektive wird in Psalm 150
dann aufgenommen.
83ۍ$XFKLQ3VEOHLEWHVOHW]WOLFK*RWWHV5DFKHLQGHP*RWWDQGLH9HUZ¾VWXQ-
gen Jerusalems durch Babel und unterstützt durch Edom erinnert wird. Es geht in
all diesen Psalmen immer um das Gotteshandeln an den Feinden, es sind letztlich
Gottes Feinde (vgl. z.B. Ps 139,20). Vgl. auch Zenger, Gott der Rache (2003), 108–113;
Hossfeld/Zenger, Psalmen (2008), 697, 701. Die Psalmen stellen damit keinen Aufruf
zu (menschlicher) Rache und Gewalt dar. Zugleich ist der Lobpreis aber auch ein
Ort, wo gerade auch die Klage über Gegner und Feinde bis hin zu Rachewünschen
Platz finden kann.
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Mit Ps 150, auf den bisher noch nicht weiter eingegangen wurde, ist
nun das Ende des Hallels und zugleich auch das Ende des gesamten Psal-
ters erreicht.84 Auch wenn dieser Psalm der letzte des Psalters ist, klingt
dieser Text so gar nicht nach Ende und Abschluss. Die durchgehende Auf-
forderung zum Lob betont vielmehr die Offenheit und Unabgeschlossen-
heit des Gotteslobs. Auf singuläre Art und Weise innerhalb des Alten Tes-
taments stellt Ps 150 einen Psalm dar, der allein auf das Loben Gottes
ausgerichtet ist. So tritt am Ende des Psalters die eigentliche Zielbestim-
mung der Psalmen, das reine Gotteslob, noch einmal in prägnanter Form
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die Frage, wer denn loben soll und darf, geraten in den Hintergrund, wenn
der Psalm mit diesem Ausruf in v. 6 endet:
Ps 150,6
Alles, was Atem hat, lobe JH!
Halleluja!
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¾KUWGHQ'LVNXUV¾EHUGLH9¸ONHUHLQH5XQGHZHLWHUۙXQGEHK¦OWGDEHL
schließlich das letzte Wort.
Während in den anderen Hallel-Psalmen noch konkrete Gruppen
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namentlich genannt werden (Israel und Jakob, Zion und Jerusalem, Fromme
und Gerechte, belebte und unbelebte Elemente der Schöpfung), tritt in
Ps 150 alles Partikulare zurück; es gibt keine Eigennamen oder Personen-
gruppen mehr.88 Allein der Name Gottes wird genannt und so zur Ehre
gebracht (vgl. die besondere Kurzform JH ganz am Ende des Psalms). Damit
erhält der Psalm eine spezifisch theo-logische Ausrichtung. Am Ende des
Psalters steht ein Hymnus, der keine Grenzen und keine Beschränkungen
kennt, der weder an Ort noch an Zeit gebunden ist. Er nennt nicht Art oder
Form, nicht Personen, weder Volk noch Völker. Sondern Ps 150 bedenkt
nur noch das Loben JHWHs als solches: Das Loben wird so alles in allem,
weil alles, was lebt und atmet, zum Lobe Gottes dient und klingt.89
5. Fazit
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Israels zu den Völkern zu bestimmen und dann auch zu gestalten ist. Dieser
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These im Blick auf die Komposition des kleinen Hallels. Denn an der
Widersprüchlichkeit der nebeneinander stehenden Psalmen zeigt sich,
dass die Psalmengruppe in ihrer Zusammenstellung nicht kohärent und
nicht als Einheit zu lesen ist. Sie stammt darum wohl auch eher nicht von
einer redaktionellen Hand, sondern ihre Zusammenstellung ist vielmehr
Ergebnis von kontroversen, theologisch-politischen Auseinandersetzun-
gen. Die Psalmen des kleinen Hallels sind daher sehr wahrscheinlich suk-
zessive dem Ende des Psalters zugewachsen. In ihrer Vielschichtigkeit
spiegeln sie einen Diskurs aus hellenistischer Zeit wider, der sich in der
Frage nach Öffnung des Volkes zu den Völkern hin beispielhaft darstellen
lässt. Verschiedene Positionen haben zu einem Prozess der Fortschreibung
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den Lobaufforderung an „alles, was Atem hat“ in Ps 150 gefunden hat.
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