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A. Allgemeine Vorüberlegungen
1. Zur Methodik der neueren Gleichnisforschung
a) Es ist bis heute ein nur selten angezweifeltes Postulat der
Gleichnis-Exegese, daß die synoptischen Gleichnisse2 im Kern Ur-
bestand der Verkündigung des historischen Jesus seien. Bezeichnend
für diese Anschauung sind die ersten Sätze in J. Jeremias' Buch über
die Gleichnisse Jesu: »Wer sich mit den Gleichnissen Jesu, wie sie
uns die drei ersten Evangelien überliefern, beschäftigt, steht auf be-
sonders festem historischen Grund; sie sind ein Stück Urgestein der
Überlieferung3.« Dieses Urteil war aber nicht zu allen Zeiten historisch-
1
Stark gekürzter und überarbeiteter 1. Teil meiner Dissertation »Studien zu den
großen Gleichniserzählungen des Lukas-Sonderguts. Die avöpcoTros-Tis-Erzählun-
gen des Lukas-Sonderguts — besonders am Beispiel von Lk 1025-37 und Lk
1614-31 untersucht«, Münster 1973, maschinenschriftlich. Die Untersuchung wurde
durch Prof. Dr. G. Klein angeregt und betreut. — Für größere Ausführlichkeit
der Argumentation und der Literaturbelege in den Anmerkungen sei auf diese
Arbeit verwiesen.
2
Der Ausdruck wird bei den Synoptikern in doppelter Weise gebraucht:
1. im ursprünglichen Sinne für »Vergleich«, »Bildwort«, »Spruch« (z. B. Lk 423
036 639 2139), also eine besondere Gruppe der Logien, die »parabolisch« sind,
d. h. bei denen von der Bildhälfte auf die Sachhälfte transponiert werden muß.
Das Wesen der ist danach die Analogie. Die Sachhälfte ist immer
mitgenannt, entweder im Spruch selber (so die »Vergleichssprüche« unter den
alttestamentlichen meschalim: dazu G. v. Rad, Weisheit in Israel, 1970, 46. 159f.),
oder im Kontext (explizit oder implizit). Parabolisch kann auch eine ganze
Erzählung sein (Parabel). — 2. Lk braucht den Ausdruck nun aber
auch für Erzählungen, die nicht mehr parabolisch sind, sofern sie nur aus dem
Munde Jesu kommen (was nicht traditionsgeschichtlich gemeint ist) und eine
gegenüber der Rahmenhandlung eigene Handlungsebene haben. Somit gehören
die unparabolischen Beispielerzählungen in Lk unter die . Alle diese
Erzählungen bei Lk (ob parabolisch oder nicht) haben eine paradigmatische
Funktion. — Vorwiegend im 2. Sinne werden im folgenden die Worte »Gleichnis«
und vor allem »Gleichniserzählung« gebraucht. — Zur Unterscheidung von
»Gleichnis« (im engeren Sinne) und »Gleichniserzählung« (wozu die Parabel gehört)
s. u. Anm. 53.
3
J. Jeremias, Die Gleichnisse Jesu, 71967, 7 (Im folgenden: Jeremias, Gleichnisse).
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Gerhard Seilin, Lukas als Gleichniserzähler 167
a. a. O., 64f., vermutete, die Nathan-Parabel wäre im Kern älter als ihre jetzige
didaktische Funktion im Kontext. Es ist aber fraglich, ob sie von ihrer Kontext-
Funktion gelöst werden kann. K. Berger, Materialien zu Form und Überlieferungs-
geschichte neutestamentlicher Gleichnisse (NovTest 15, 1973, 1—37), 20ff. (vgl.
9 ff.), hat die Form dieser Parabel zutreffend als »exemplarischen Rechtsentscheid«
bestimmt (S. 21), eine Gattung, die ihren Ort in weisheitlichen Traditionen hat.
Dann ist aber anzunehmen, daß diese Erzählung als »Modell« für den »Fall«
konstruiert ist. Bergers für die Gleichnisforschung m. E. bahnbrechender Aufsatz
zeigt weiter, daß wir hier die Quelle der Form der von mir als - -
Erzählungen bezeichneten Gleichnisse (nur in Lk) haben. Spätere hellen.-jüd.
Wiedergaben der Nathan-Parabel beginnen denn auch mit (Test Sal E;
vgl. ebd., 13 Anm. 6) oder sogar (Palaia; vgl. ebd., 14 Anm. 1).
8
Die parabolische Lehrweise der Propheten ist dagegen schon allegorisch (Jes 5 1-7
Jer 18 l ff. Ez 17 19). Es bleibt auffällig, daß im AT nur wenige Parabeln und
Fabeln überliefert sind. Man kann vermuten, daß nur das religiös Relevante
überliefert ist (v. Rad, a. a. O., 641). Die weisheitlichen Bücher enthalten noch
eine Reihe von Parabeln, die in poetischer Form begegnen.
9
Die Gleichnisreden Jesu im Lichte der rabbinischen Gleichnisse des neu testa-
mentlichen Zeitalters, 1912.
10
H. Schmidt/P. Kahle, Volkserzählungen aus Palästina, gesammelt bei den Bauern
von Bir-Zet, II (FRLANT 47), 1930, besonders 11 ff.
11
Erzählungen aus 1001 Nacht, hrsg. von L. Fulda, 4 Bde., Berlin 1914, z. B. II,
290ff. und vor allem IV, Iff.
12
Vgl. o. Anm. 7.
13
Grundlegend dazu: H. Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik. Eine
Grundlegung der Literaturwissenschaft, 1960,1, § 413f. 422f. (S. 228ff.). Fabel und
Gleichnis haben in der rhetorischen Tradition die Funktion eines Paradigmas
(exemplum). Das gilt in besonderem Maße auch für die luk. Gleichnisse (s. u.).
Eine Auswertung der rhetorischen Traditionen für die Gleichnis-Exegese steckt
erst in den Anfängen; vgl. aber L. Schottroff, Das Gleichnis vom verlorenen
Sohn (ZThK 68, 1971, 27—52), 45ff.; dies., Die Erzählung vom Pharisäer und
Zöllner als Beispiel für die theologische Kunst des Uberredens (in: Neues Testa-
ment und Christliche Existenz. Festschrift für Herbert Braun, 1973, 439—461),
441 ff.
14
Vgl. A. Drews, Die Christusmythe, II: Die Zeugnisse für die Geschichtlichkeit
Jesu, 1911, 382ff.; neuerdings Berger, a. a. O., 20.
zuerst selbst beteiligt weiß und zu dem er uns durch die Bildhälfte,
also durch das, was wir Gleichnis oder Parabel nennen, einen Zugang
verschaffen möchte. Dies scheint mir in der Tat der Fall zu sein19.«
Hinter dieser Auffassung steht die Grundannahme, daß die Gleich-
nisse 1. grundsätzlich auf Jesus zurückgehen und 2. Selbstaussagen
sind. Die altkirchliche christologische Gleichnisdeutung20 lebt hier
wieder auf. Ja, man kann sogar behaupten, daß die Gleichnisdeutung
der »Neuen Hermeneutik« allegorisch ist, wenn man den von D. 0.
Via21 gebrauchten Allegorie-Begriff voraussetzt: Eine Allegorie ist
nicht ausreichend damit definiert, daß in ihr mehrere Einzelzüge einen
über das eine tertium comparationis hinausgehenden Sinn haben.
Entscheidend ist vielmehr, daß der Hörer oder Leser einen besonderen
Code braucht, um eine Allegorie zu verstehen. Eine Allegorie ist also
gewissermaßen eine Kunst-Sprache, in der etwas gesagt wird, das der
Hörer schon vorher in der Metasprache weiß. In diesem Sinne hat
Via Fuchs zu Recht Allegorisierung vorgeworfen22. Bei Fuchs wird
ein außerhalb des Textes gewonnenes Deutungsmodell an die Texte
herangetragen. Letzten Endes dient als Beleg doch eine Auffassung
vom Leben Jesu, nun sogar noch aus dem nicht einsichtbaren Bereich
des Selbst Verständnisses Jesu.
Die hermeneutische Kategorie der »Situation« ist für die Aus-
legung der Gleichnisse ungeeignet, da ja der Text den einzigen Zu-
gang zur Situation darstellt. Ob Jesus aber in den Texten von sich
selbst spricht, muß dann aufgrund anderer Kategorien erst einmal
nachgewiesen werden. Vom formgeschichtlichen Begriff »Sitz im
Leben« ist der historisierende und psychologisierende Situations-
Begriff sowohl bei Jeremias wie bei Fuchs und der »Neuen Her-
meneutik« unterschieden.
All den Versuchen der Situationsbestimmung gegenüber bedeutet
es einen Fortschritt, wenn D. O. Via das Problem des hermeneuti-
schen Zirkels vom Text und nicht der Situation des »Sprechers« her
angeht. Die Parabel gilt ihm als ästhetisches Objekt, das autonom
ist und nur indirekt auf etwas außerhalb seiner verweist — im Gegen-
satz zu den Beispielerzählungen, die direkt verweisen23. Entscheidend
19
E. Fuchs, Bemerkungen zur Gleichnisauslegung (in: ders., Zur Frage nach dem
historischen Jesus. Gesammelte Aufsätze II. 1960, 136—142), 137.
20
Vgl. dazu W. Monselewski, Der barmherzige Samariter. Eine auslegungsgeschicht-
liche Untersuchung zu Lukas 1025-37 (BGE 5), 1967, 18ff. — Zu den neueren
christologischen Deutungsversuchen zu Lk 10 25ff. s. u. B 3b (im nächsten Heft).
21
Die Gleichnisse Jesu. Ihre literarische und existentiale Dimension. Aus dem
Amerikanischen und mit einem Nachwort von E. Güttgemanns (BEvTh 57),
1970, 191
22
Ebd., 29f.
23
Ebd., 76.
ist nun, daß nach Via die Deutung solcher Texte von der Struktur
auszugehen hat. Die Analyse hat streng text-immanent zu bleiben.
Nicht geklärt ist aber bei Via das Hintereinander von autonom-
ästhetischem Wesen der Parabeln und ihrem doch verweisenden
Charakter, der existentialen Dimension: »In bezug auf die Gleichnisse
Jesu könnten wir also sagen, daß die hauptsächliche Aufmerksamkeit
auf der ganzen Erzählstruktur ruhen sollte, und eine weniger konzen-
trierte Aufmerksamkeit auf dem implizierten Existenzverständnis24.«
Merkwürdig ist sodann, wie Via hintenan doch noch das wieder her-
einholt, was er zunächst zu überwinden schien: »Die Gleichnisse ver-
weisen auf eine untergeordnete Weise auch auf Jesu historische Situa-
tion . . ,25.« Am Schluß des Buches wird dann die Gleichnisauslegung
von E. Fuchs wieder voll rehabilitiert: Die Gleichniserzählungen sind
»indirekte Schlüssel für den Inhalt des Glaubens Jesu«26. »Die Gleich-
nisse sind der reichste Ausdruck des Glaubens, zu dem Jesus die Men-
schen rief, und, unter der Voraussetzung, daß seine eigene Entschei-
dung hinter der Entscheidung stand, zu der er andere aufforderte, ein
wichtiger Schlüssel für den Inhalt von Jesu Glauben. Daß Jesus diesen
Glauben vollkommen verwirklichte, ist für die christliche Perspektive
eine metaphysische Tatsache27.«
Ich stimme mit Via darin überein, daß einer Strukturanalyse des
Textes methodisch der primäre Rang zukommt. Der Text als formale
Einheit ist die Grundvoraussetzung der Exegese. Nun zeigte sich aber,
daß Via ohne den hermeneutischen Schlüssel der »Situation« letztlich
doch nicht auskommt. Die Ursache dafür liegt darin, daß er die Gleich-
nisse als isolierte Einheiten voraussetzt und als umfassende Einheit
und Bedeutungs-Matrix eine hinter-textliche Größe postuliert: ein
bestimmtes Verständnis der Verkündigung Jesu. Kommt man aber ohne
eine solche Matrix nicht aus, so muß man versuchen, eine solche auf
der Ebene des Textes zu gewinnen, und das heißt: die Texteinheit
(das Gleichnis) muß als funktional abhängig vom Kontext betrachtet
werden. Das führt zu der Behauptung: Die wahre Situation eines lite-
rarischen Textes (und um solche handelt es sich bei allen Texteinheiten
der Evangelien — gleichgültig ob eine traditionsgeschichtliche Rück-
führung in ein mündliches Stadium möglich ist oder nicht) ist sein Kon-
text. Damit sind wir aber beim Prinzip der konsequent redaktions-
geschichtlichen Exegese28.
24
Ebd., 88.
25
Ebd., 94.
26 27
Ebd., 191. Ebd., 1941
28
Vgl. W. Marxsen, Der Evangelist Markus. Studien zur Redaktionsgeschichte des
Evangeliums (FRLANT 67), 21959, 7 ff. Zur linguistischen und literaturwissen-
schaftlichen Begründung dieses Prinzips vgl. E. Güttgemanns, Offene Fragen
zur Formgeschichte des Evangeliums (BEvTh 54), 21971, 167ff. 184ff.; ders.,
42 43
Ebd., 53. Ebd., 57.
44 45
Ebd., 61. Ebd., 65.
46 47 48
Ebd. S. 66. Ebd.
tertium comparationis
Die Beispielerzählung ist ein Sonderfall:
Sachhälfte
Erzählung
zur israelitischen Spruchweisheit, [WMANT 28], 1968, 141 ff.)· Es befindet sich
jedoch schon auf dem Übergang vom Spruch zur Erzählung. Jülichers Einteilung
nach diesem Schema ist deswegen unbefriedigend, weil er dadurch einen formal
einheitlichen Gleichnistyp, die Tis-£5-Opcov-Gleichnisse, auf beide Klassen aufteilt:
Lk 17 7-10 erscheint bei den Gleichnissen, Lk 11 5-8 bei den Parabeln. Die ent-
scheidende Differenzierung ist die zwischen Gleichnis-Spruch (Zustand, Erfahrung)
und Gleichnis-Erzählung (Ereignis, Handlung).
54
Jülicher, Gleichnisreden, I, 112.
12 ieff. 16 iff. 16 I9ff. 18 9ff.) und vier parabolisch (7 41-43 13 6-9 15 11-
32 18 1-8).
c) Nun wäre es freilich willkürlich, die paradigmatischen Gleich-
nisse des Lk nach ihren Einleitungswendungen in zwei Klassen auf-
zuteilen, wenn man nicht auch eine entsprechende Unterscheidung
in der Struktur nachweisen kann. Denn es könnte ja sein, daß die
Einleitungswendungen nur rein äußerliche stilistische Eingriffe des
Redaktors in ihm vorgegebene Gleichnisse wären. Wir klammern
nun die -ri$-e£^cbv-Gleichnisse aus, die — wie wir bereits sahen —
tatsächlich eine Klasse für sich darstellen66. Wie steht es aber mit
den übrigen, die mit eingeleitet sind?
Das erste Gleichnis dieser Art in Lk — 7 41-43 — stellt das Grund-
modell eines weiteren Typs dar: der für Lk typischen 0 < $- $-
Gleichniserzählungen. Lk 7 41-43 ist strukturiert durch eine besondere
Figurenkonstellation: es handelt sich um die Skizze einer Drei-
Personen-Erzählung. Zwei Personen sind von ihrem Status her gleich
(»Zwillinge«67: zwei Schuldner), von ihrer Funktion her bilden sie einen
Gegensatz (antithetisches Zwillingspaar: dem einen ist viel, dem
ändern wenig vergeben). Hinzu kommt eine dritte Person, die eine Art
Autorität darstellt und das ruhende Gegenüber zur Spannung der bei-
den anderen Figuren bildet: ein Gläubiger. Diese drei Personen bilden
ein Dreieck.
Lk 7 41-43 ist nun allerdings keine richtige Erzählung, da das
Ergebnis der Handlung vorausgesetzt, nicht aber dramatisch ent-
wickelt wird (daher: Skizze einer Drei-Personen-Erzählung). Es
gibt im NT noch eine solche Skizze: Mt 2128-31 a. Auch dieses
Gleichnis ist paradigmatisch gesehen ein Modell: es endet mit einer
Frage (und gleicht darin neben Lk 741-43 auch Lk 1030-3768), die dem
Sachverhalt des Kontextes parabolisch entspricht.
K. Berger hat diesen Gleichnistyp als erster formgeschichtlich
bestimmt: Es handelt sich — in Bergers Terminologie — um einen
»exemplarischen Rechtsentscheid«69. Diese Gattung begegnet erst-
mals in der Nathan-Parabel (s. o. Anm. 7) und ihrer späteren Über-
lieferungsgeschichte. Berger vermutet, daß diese Form weisheitlichen
Ursprungs ist und durch Vermittlung des hellenistischen Judentums
ins NT gelangt ist70. Bezeichnend für diese Form ist, daß eine zunächst
66
S. o. bei Anm. 60.
67
Vgl. Olrik, a. a. O., 6. Olrik gebraucht den Ausdruck »Zwillinge« aber nur für
zwei in der Charakteristik gleiche Figuren (z. B. Priester u. Levit), nicht aber
für die Gegensatzpaare.
68
Auch das zeigt, wie unspezifisch die Unterscheidung von Parabel und Beispiel-
erzählung eigentlich ist.
69
Berger, a. a. O., 20ff.
70
Ebd., 241
12 16-21
161-9
(15 11-24)
Mt 22iff./Lk 14i6ff.
dürfte in der Q-Fassung etwa Mt 22 1-10 entsprochen haben89. Formal
liegt hier das »Gesetz der Dreizahl« vor90. Der Sinn ist heilsgeschicht-
lich: Israel verwirft Gottes Heilsangebot, andere werden es erhalten.
Die Parabel entspricht in ihrem allegorisch-heilsgeschichtlichen Cha-
rakter Mk 12 iff.
Mt 25u-30/Lk 1912-27:
Auch hier stehen dem Herrn (= Jesus) drei Gegenspieler gegenüber,
diesmal allerdings nicht Gruppen, sondern einzelne. Wieder gilt das
Gesetz der Dreizahl mit Gegensatz und Achtergewicht: zwei Knechte
haben richtig gehandelt, der dritte nicht. Man kann daraus ohne
weiteres das für die Lk-S-Gleichnisse typische dramatische Dreieck
konstruieren: als formale Hauptperson der Herr — die beiden guten
Knechte einerseits und der schlechte Knecht andererseits als anti-
thetisches Zwillingspaar. Hinzu kommt, daß die Knechte bereits in
der Q-Fassung individualisiert sind. Ein entscheidender Unterschied
besteht jedoch einmal darin, daß diese Erzählung im Gegensatz zu
allen avOpcoTro$--ns-Gleichnissen ohne allegorische Elemente nicht
auskommt: die Abwesenheit des Herrn = die Parusie; das »Wuchern«
= Mission. Zum anderen (und für die Struktur relevanter) wird die
Handlung überwiegend und souverän vom Herrn bestimmt; es gibt
keine echte Interaktion, so daß es trotz allem berechtigt ist, vom
monarchischen Charakter dieser Parabel zu reden.
Mt 1823-35:
Diese Parabel steht dem Typ der $- $-& 6 856 noch näher
als die zuvor behandelte. Der König bleibt nur formale Hauptfigur,
inhaltliche Hauptfigur ist der Schalksknecht. Ein Mitknecht kommt
als dritte Person hinzu, so daß wir ein Drei-Personen-Gleichnis haben,
89
Mt 22 11 if. ist eine sekundäre Anfügung durch Mt. Darüber hinaus finden sich
wesentliche Unterschiede zwischen Mt und Lk: Bei Mt geht es um drei Ein-
ladungen, von denen die ersten beiden ausgeschlagen werden. Bei Lk ist die erste
Gruppe in drei Beispielpersonen individualisiert (das entspricht der Tendenz der
Lk-S-Gleichnisse). Die zweite und dritte Gruppe sagt zu. Dies dürfte im Sinne
lukanischer Interpretation der Heilsgeschichte sein: die bußfertigen Juden (Sünder
= Arme, Krüppel usw.) und dann die Heiden (die von den Straßen und Zäunen).
90
Zwei Versuche schlagen fehl — der dritte gelingt. Genauer gesagt geht es hier
um das Gesetz der dreifachen Wiederholung, verbunden mit dem Gesetz des Gegen-
satzes und dem Gesetz des Achtergewichtes (Olrik, a. a. O., 3f. 6f.). Der gleiche
Komplex Hegt auch Lk 10 3 o ff. vor: Priester — Levit — Samaritaner. Der Gegen-
satz besteht zwischen Priester und Levit einerseits und Samaritaner anderer-
seits. In Lk 10 soff, ist das Gesetz des Gegensatzes aber beherrschend, in Mt 22iff.
nicht.
dessen Struktur stark mit Lk 15 11-32 oder 10 soff, verwandt ist. Ent-
scheidend ist aber ein Unterschied: Am Ende wendet die formale
Hauptperson ihre Macht gegen den t richten Knecht an. Alle άνθρω-
TTO$-Parabeln enden mit einem Machterweis der Herr-K nig-Figur
(Mk 129 Mt 18341 20 15 22 1391 2512.30 [Lk 1927]; vgl. M t 2 46).
Das gilt f r die lukanischen av6pcoTro$-Ti$-Gleichnisse nicht92. In
diesem Sinne ist auch Mt 18 23-35 monarchisch.
Mt 20 i-ie:
Die Arbeiter bleiben ein differenziertes Kollektiv. Wie in Mk 12 iff.
gilt nicht das Gesetz der Dreizahl, sondern lediglich ein Gesetz der
steigernden Wiederholung. Die Parabel ist nicht nach dem drama-
tischen Dreieck gebaut.
Mt 21 28-31 a:
Dieses Gleichnis ist strukturell v llig identisch mit Lk 741-43: das
Modell einer Drei-Personen-Erz hlung mit formaler Hauptfigur und
antithetischem Zwillingspaar.
Mt 251-13:
Es existiert eine formale Hauptfigur und ein kollektives antithetisches
Zwillingspaar (f nf kluge — f nf t richte Jungfrauen). Es fehlt die
f r die Lk-S-Gleichnisse typische Individualisierung. Das gleiche gilt
von Mt 25 3iff.93.
Das Ergebnis dieser bersicht ist, da eine Reihe von Parabeln
in Mk, Q und Mt-S eine Vorstufe der lukanischen άνθρωττό$-τι$-
Gleichnisse bilden. Bis auf Mt 251 beginnen alle mit άνθρωπος
(Mk 12i Mt 22i par. Mt 25 14 par. Mt 1823 201 2128), das also
schon zur vorlukanischen Gleichnissprache geh rt94. Die Mehrzahl
dieser Parabeln unterscheidet sich jedoch strukturell von den άνθρω-
Tro$-Ti$-Gleichnissen: 1. die formale Hauptperson ist meist zugleich
auch die inhaltliche Hauptperson; 2. die Gegenspieler bilden meist
91
Mt d rfte darin gegen ber Lk 1416if. prim r sein.
92
Nur scheinbar gilt es f r Lk 16 19-31. Hier ist es aber nicht die souver ne oder
willk rliche Macht Abrahams, sondern ein abstraktes Vergeltungsprinzip, das
den Reichen in den Hades bringt. Abraham bleibt erstaunlich mitf hlend. In
Lk 18 9ff. wird der B er als gerechtfertigt hingestellt, von der Bestrafung des
Pharis ers aber nichts gesagt. Lk 15 11-31 bleibt am Ende offen.
93
Hierbei handelt es sich nicht um eine Gleichniserz hlung, sondern um eine
»apokalyptische Offenbarungsrede« (Jeremias, Gleichnisse, 204 Anm. 2). Statt des
»Erz hltempus« Aorist steht das Futur (G ttgemanns, Ling. Bibl. 25/26, 68 mit
Anm. 44).
94
Mt hat bis auf 21 28 alle diese Parabeln durch eine auf die βασιλεία bezogene
όμοι-Wendung eingeleitet (Mt 25 14 einfaches ώσπερ).
95
Die hier nicht behandelten kürzeren Gleichnisse aus Mk und Q (Naturgleichnisse)
sind in diese Tabelle nicht aufgenommen.