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Einführung in

Existenzanalyse & Logotherapie

Mag. Susanne Pointner


GLE-Österreich

1
Inhalt

1. Was ist Existenzanalyse? Was ist Logotherapie?

2. Geschichtliche Entwicklung

3. Zentrale Konzepte

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1. Was ist Existenzanalyse und Logotherapie
Was ist Existenzanalyse und Logotherapie

MEINE WAHL

Gesetzt ich verliere dich


und habe dann zu entscheiden
ob ich dich noch ein Mal sehe
und ich weiß:
Das nächste Mal
bringst du mir zehnmal mehr Unglück
und zehnmal weniger Glück
Was würde ich wählen?
Ich wäre sinnlos vor Glück
Dich wiederzusehen

Erich Fried
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Was ist Existenzanalyse und Logotherapie
Existenz Analyse
existere (lat.): ins analysein
Leben treten, (griech:lysis):
hervortreten, auflösen,
entstehen, werden, trennen,
zum Vorschein untersuchen
kommen

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Was ist Existenzanalyse und Logotherapie

Existenzanalyse
 ...Erhellen der Bedingungen und
Möglichkeiten, um „in`s Leben zu
treten“, zu existieren
 Ziel : das Erkennen, Erfühlen und
Praktizieren dessen, was ein Mensch als
lebenswert ansieht -= (Sinn)erfülltes
Leben
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Was ist Existenzanalyse und Logotherapie

Dazu bedarf es:


 Lösung von „Verhinderndem“ und „Behinderndem“
(Bsp: biographische Belastungen, verschüttete
Fähigkeiten etc.)
 Bergung von noch nicht gelebten Potentialitäten
 Auffinden von Lebenswertem – das, wohin ich mich
wende, entwerfe, wohin ich in`s Leben trete:
„LOGOTHERAPIE“ (Logos: Wort, Sinn)
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Was ist Existenzanalyse und Logotherapie

Existenzanalyse Logotherapie

Schaut auf den Wozu er da ist (worum es


Menschen, wie er da ist ihm im Leben geht)
(welche Beziehungen
er zu sich hat, wie er
ist)

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Was ist Existenzanalyse und Logotherapie

EA

Existenzanalyse: Psychotherapie

LT
Logotherapie: Beratung
2. Geschichte und Entwicklung
Entwicklung der EA - Philosoph. Wurzeln
Phänomenologie:
Hussel: „Wesensschau“ (zurück zur Sache selbst)
Scheler: „Werteschau“ (Wert ist keine Norm)
Existenzphilosophie:
Kirkegaard, Pascal, Sartre
Heidegger: Menschsein heißt In-der-Welt-sein (SEIN steht im
Zentrum; Seinsverfasstheit des Menschen), Geworfensein,
Ausgesetzt-sein, Angst
Jaspers: Mensch-Sein ist entscheidendes Sein, das nicht
schlechthin ist, sondern erst noch entscheidet, was es ist;
Dasein = mögliche Existenz
Begegnungsphilosophie:Buber: Mensch-Sein heißt angesprochen
zu sein und zu antworten; Sinn ereignet sich im Dialog
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Viktor E. Frankl 1905 - 1997

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Frankl: Trotzmacht des Geistes
 Worauf es ankommt, ist
nämlich tatsächlich nicht die
Angst oder
was für Gefühle immer wir
gerade haben mögen,
vielmehr einzig und allein,
wie wir zu ihnen Stellung
nehmen, also unsere
Einstellung (Der Mensch vor
der Frage nach dem Sinn)
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V. Frankl
 V.E. FRANKL (1950 bis 1997)
 Korrespondenz mit S. FREUD
 Veröffentlichung seiner ersten wiss. Arbeit durch FREUD („Zur
mimischen Bejahung und Verneinung“ 1924; int. Zeitschr. für
PA)
 Absicht, Lehranalyse bei Paul Federn
 Zwei Gründe hielten ihn ab: die pa. Abstinenz (die
menschliche Begegnung verhindert) und die
Selbstverständlichkeit, hinter allen unanalysierten Vorgängen
Pathologien zu vermuten („Was ist Ihre Neurose, Hr. Frankl?“)

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Frankl: Gegen den psychologischer „Reduktionismus“

 „Solange Furcht vor Strafe,


Hoffnung auf Lohn oder der
Wunsch dem Überich zu
gefallen, menschliches
Verhalten bestimmen,
ist das wirkliche Gewissen
noch gar nicht zur Wort
gekommen“ (Der Wille zum
Sinn)

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V. Frankl: Ärztliche Seelsorge

 Frankl wollte die Logotherapie


als Ergänzung zur damaligen
Psychotherapie sehen
 Intensiver Praxiseinsatz:
Jugendberatungsstellen (1930
Aktion zur Verhütung von Suizid)
und „Suizidpavillon“

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Frankl: Trotzdem Ja zum Leben sagen

 1938 Anschluss....
“Ärztliche Seelsorge“
(als Quintessenz
seiner Logotherapie)
 KZ: „Wer ein Wozu
im Leben hat,
erträgt fast jedes
Wie“ (Nietzsche)
und „Trotzdem Ja
zum Leben sagen“
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Frankl

 1945 einsame Freiheit


 Zahlreiche
Publikationen,
Internationaler Erfolg
 Familie; Überwindung
des Traumas –
Bergsteigen,
Fallschirmspringen, …
 Politik der Versöhnung

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Gesellschaft für Logotherapie und
Existenzanalyse (GLE)
 1985 / 86 Gründung der GLE unter der
Ehrenpräsidentschaft Frankls
 Die Weiterentwicklung (v.a. durch A. LÄNGLE) zur
psychotherapeutischen Methode führte zum Bruch
 1991 Zurücklegung des Ehrenvorsitzes
 Anstoß v.a. an:
Vertiefung der Motivationstheorie
Erweiterung des Personenkonzepts (PEA)
Einführung der Biographischen Analyse
Selbsterfahrung für Auszubildende
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Gesellschaft für Logotherapie und
Existenzanalyse (GLE)

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GLE: Internationale Forschung, Lehre,
Berufspolitsche Arbeit

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GLE: Ehrenpräsidentin, Vorsitzende, eh. st.Vorsitzende

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3. Anthropologie und wichtige Konzepte
Die Person

 ist dasjenige im Menschen, das sich frei


verhalten kann zu sich und der Welt
 „potentiell selbst bestimmen“
 Die Person kann nicht erkranken
sondern höchstens eingeschränkt sein
 Therapie: sich von Einschränkungen zu
lösen, um sein Leben in Freiheit und
Verantwortung gestalten zu können
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Kopernikanische Wende

 V. Frankl: Nicht wir fragen das Leben, das


Leben fragt, wir haben zu antworten – und
es zu verantworten.
 Wir sind bedingt frei

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SPS Mag. Susanne Pointner


Jahrgang 2010/13
Der Wille zum Sinn
 Frankl: „Im Gegensatz zum
Tier sagt dem Menschen kein
Instinkt, was er muß, und im
Gegensatz
zum Menschen in früheren
Zeiten, keine Tradition, was er
soll - und nun scheint er nicht
mehr recht zu wissen, was er
will“
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Der Wille zum Sinn

• Trotz oft verzerrter Optik: ganz tiefes Empfinden


und Spüren für das „eigentlich Richtige“, „Gute“
(= Sinn)
• Therapie: Spüren, wohin es gehen soll und
worum es geht...soll in der Therapie befreit
werden
• Es geht dem Menschen darum, etwas für ihn
Wertvolles zu verwirklichen (nicht nur
angenehmen Zustand herstellen)

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Das Menschenbild

Noetische Dimension (Person)

Psychische Dimension
(Triebe, Persönlichkeits-
eigenschaften, Stimmungen)

Somatische Dimension (Leib)


Mensch
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Das Menschenbild

Sinn

Lust

körperliche
Bedürfnisse

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Das Menschenbild

sinnvoll / richtig /gut

Pflicht Glücksgefühl
Opfer
angenehm unangenehm

Verzweiflung Rausch
Sucht
sinnlos / falsch / schlecht
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Frankl: „Hauptstraßen zum Sinn“
 Erlebniswerte
 Erleben von etwas Wertvollem
(insbesondere von Beziehungen)
 Schöpferische Werte
 Schaffen von Wertvollem (z.B. in der
Arbeit)
 Einstellungswerte
 Einstehen für die innersten
Überzeugungen und Einstellen zu
Unabänderlichem
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Existenziell leben heißt
im Dialog sein
 Martin Heidegger: Menschsein ist „In-
der-Weltsein“ - wir sind ständig in
Beziehung und im Austausch,
„weltoffen“.
 Paul Watzlawick: Wir können nicht nicht
kommunizieren: Leben ist ständiger
„leiblicher“, „ganzheitlicher“ Dialog
(unbewusst, bewusst)
 Das Gehirn (social brain) – ein
Beziehungsorgan (Thomas Fuchs)
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Existenziell leben heißt: im Dialog sein

PERSON / WELT / ANDERES /


ICH WERTE
Existenziell leben heißt: im Dialog sein

An-sprechend

Situation
Wir Person
Generatives Feld
Du Ant-wortend Ich (mit mir)
Interpersonales
Feld

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Phänomenologie

 Offenheit
 Gelassenheit
 Achtsamkeit
 Selbsttranszendenz

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Phänomenologie

…das Bemühen, eine Sache aus sich heraus zu


verstehen, statt aus den eigenen Vorstellungen
oder aus dem Zeitgeist oder der gelernten Theorie

Husserl: „Zur Sache selbst“

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Phänomenologie - Verstehen
 das Wesen wird sichtbar – Evidenzgefühl
 Verstehen unterscheidet sich vom Erklären

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Phänomenologie - „Wesens-Schau“
Das Wesen eines Menschen zeigt sich im
therapeutischen Gespräch:

 In den Beziehungen, in denen er steht


 In seinen Beweggründen
 In der Art des Umganges mit sich selbst

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Kernstücke der existenzanalytischen
Therapie (zentrale Konzepte)
Strukturmodell:
vier Grundmotivationen
Sinnfindung

Was braucht der Mensch, damit er


sich die Frage nach der
Verwirklichung von Sinn (=Wollen)
stellen kann?

Was braucht der Mensch an „Boden“,


um sich für den Sinn zu öffnen?

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Sinnfindung

 Wenn ich die Situation annehmen kann


 Wenn ich von einem Wert berührt bin: wenn ich
etwas „mag“
 Wenn ich Stellung beziehe mein Verhalten ethisch
verantworten kann (Gewissen)
 Wenn ich den Aufforderungscharakter der Situation
erkenne („diese Stunde ist dafür da“) und gestaltend
handle.

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Sinnfindung
mit innerer Ich kann mein
Zustimmung leben Leben/ die Welt

 annehmen
Ich kann
 mich zuwenden,
Ich mag ...so leben
berühren lassen
Ich darf
Ich will  es/sie
wertschätzen
 mich darauf
einlassen
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Sinnfindung - Existenzanalyse

Körper Gefühl Person (So-Sein)

1. an-nehmen 2. zu-wenden 3. an-sehen


(Raum geben) und (Zeit haben, Nähe aufnehmen, (das Eigene vom anderen)
aus-halten (Halt haben), sich berühren lassen) zu sich stehen können
Geschützt sein Geborgenheit abgrenzen,wertschätzen)

Bedingungen Werte Andere(s)

4. sinnvoll handeln
(Engagement, Hingabe
und Selbstverwirklichung)
Offenheit für Sinnzusammenhang,
Entwicklung, das größere Ganze

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Die erste Grundmotivation:
Sein-Können

 Faktum des Daseins: „Ich bin“. Kann ich


sein? Was braucht es, um sein zu
können?
 Wahrnehmen des Faktischen, der
Bedingungen und Möglichkeiten
= Frage nach den eigenen Fähigkeiten
(dem Können)
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Die erste Grundmotivation: Sein-Können

Körper Gefühl Person (So-Sein)

1. an-nehmen 2. zu-wenden 3. an-sehen


(Raum geben) und (Zeit haben, Nähe aufnehmen, (das Eigene vom anderen
aus-halten (Halt haben) sich berühren lassen) abgrenzen,wertschätzen)

Bedingungen Werte Andere(s)

4. sinnvoll handeln
(Engagement, Hingabe
und Selbstverwirklichung)
Offenheit für Sinnzusammenhang

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Die erste Grundmotivation: Sein-Können

 Wahrnehmen und aushalten = Bereitschaft, „da zu


sein“ und nicht zu weichen

...die Kraft zu haben, dem Schweren, Ängstigenden,


Problematischen usw. einen Widerstand
entgegenstellen zu können
also zu tragen, was (noch) nicht zu ändern ist

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Die erste Grundmotivation:Sein-Können

 Annehmen
Etwas anderes im eigenen Lebensraum (da)sein zu
lassen, ist nur möglich, wenn das eigene Dasein nicht in
Gefahr gerät.

Bsp.: Eine Krebsdiagnose als gegeben anzunehmen, ist


nur dann möglich, wenn man dabei das Gefühl hat,
selbst als Person sein zu können.
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Die erste Grundmotivation: Sein-Können

Was braucht es, um aushalten und


annehmen zu können ...um besonders
unter belastenden Umständen „sein zu
können“?
 Schutz
 Raum
 Halt

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Die erste Grundmotivation: Sein-Können
Schutz

 Kommt uns vor allem durch das Angenommen-


Sein zu. Sich vom Gesprächspartner
angenommen zu fühlen, gibt Schutz.
 Je Angenommen-Sein man erfahren hat, desto
aufgehobener und geschützter fühlt man sich –
und desto leichter kann man selbst annehmen:
sich selbst und andere
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Die erste Grundmotivation: Sein-Können
Raum
 Physisch und psychisch: Orte, wo wir uns aufhalten
können. Orte, wo wir hingehören. Platz für unser
Entfalten und Wirken
 Für das Raumerleben ist die Körpererfahrung sehr
wichtig...der Körper ist der erste Raum, in dem wir
uns „befinden“
 Lunge als größter Hohlraum: das empfundene Raum-
haben wird im Atmen gespiegelt

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Die erste Grundmotivation: Sein-Können

Halt

 ...bietet alles, das eine Festigkeit hat, in sich ruht und


Widerstand geben kann:

 Ordnung, Struktur, Regelmäßigkeit, Gesetze,


Traditionen, Rituale, Beruf, Beziehungen, eigene
Fähigkeiten, Mut...

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Die erste Grundmotivation: Sein-Können

Sind diese Halte-Erfahrungen da, kann


Vertrauen entstehen ...in die Welt ... in sich selbst
(Selbstvertrauen) ... etwas Tragendes/(Gott

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Die erste Grundmotivation: Sein-Können
Vertrauen

 nicht bloß ein Gefühl, sondern ein Akt der


Einwilligung...
 sich einer haltgebenden Struktur zu überlassen...
 um die wahrgenommene Unsicherheit (Risiko) zu
überbrücken
 die Summe dieser Vertrauenserfahrungen:
Grundvertrauen
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Die erste Grundmotivation: Sein-Können
 Bei zu wenig Schutz, Raum, Halt
.... Misstrauen, Unruhe,
Unsicherheit, Angst
 Angst ist das Gefühl des Nicht-
sein-Könnens unter den
Umständen

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Die erste Grundmotivation: Sein-Können

Psychodynamische Schutzreaktionen
(Copingsstrategien):

 Vermeidungsverhalten, Flucht
 Auflehnung, Ankämpfen
 Aggression, die auf Vernichtung der Bedrohung zielt
(Hass: sein / nicht-sein)
 Gelähmtsein, Schweigen, Verleugnen, Stupor

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Die erste Grundmotivation: Sein-Können
Dasein-können

Copingreaktionen annehmen und aushalten


(= Psychodynamik der (= Personierung des Daseins)
Überlebenssicherung)

Vermeidung: Flucht Voraussetzungen f. Dasein:


Aktivismus: Ankämpfen Schutz, Raum, Halt
Aggression: Hass
Totstellreflex: Erstarrung Tiefste Aktivität:
Vertrauen

Tiefstes Erfassen der Realität:


Seinsgrund

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Die zweite Grundmotivation:
Leben mögen

 Faktum: Ich bin – Mag ich leben?


Es genügt dem Menschen nicht,
einfach da zu sein...
 Um leben zu mögen, braucht der
Mensch: Fühlen der Art, wie
etwas ist - zu weinen, zu lachen,
Freude, Leid, Wut, Glück
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Die zweite Grundmotivation: Leben mögen

Körper Gefühl Person (So-Sein)

1. an-nehmen 2. zu-wenden 3. an-sehen


(Raum geben) und (Zeit haben, Nähe aufnehmen, (das Eigene vom anderen
aus-halten (Halt haben) sich berühren lassen) abgrenzen,wertschätzen)

Bedingungen Werte Andere(s)

4. sinnvoll handeln
(Engagement, Hingabe
und Selbstverwirklichung)
Offenheit für Sinnzusammenhang

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Die zweite Grundmotivation: Leben mögen
Es ist nicht für jeden Menschen
selbstverständlich, gerne am Leben
zu sein - v.a. Belastungen und Leid,
aber auch ein durch Gewöhnung lau
gewordener Alltag oder
Unachtsamkeit in der
Lebensführung...nehmen
Lebensfreude, sodass das Leben-
Mögen seine vitale Kraft verliert
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Die zweite Grundmotivation: Leben mögen

Zu-Wendung
 ist mehr, als etwas „sein zu lassen“
 eine „Wendung“, die man sich gibt, um ganz bei
etwas oder jemandem zu sein - emotionale
Aufmerksamkeitsfokussierung“
 Entscheidung der Person... mit ihrem Leben in dieser
Zeit dabei zu sein, sich zu beteiligen und bereit zu
sein, sich berühren zu lassen

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Die zweite Grundmotivation: Leben mögen
Zu-Wendung

 besteht im Erleben von Anziehung oder Abstoßung:


Man will „dabeibleiben“ oder sich abwenden
 Zuwendung zu einem Wert: Lust, Freude, Stärkung....
 Zuwendung zu einem Unwert / Werteverlust:
Abstoßung, Trauer (entsteht durch Zuwendung zum
Leid, führt zu einem Beziehungsschub zu sich und
zum verlorenen Wert)
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Die zweite Grundmotivation: Leben mögen
Fühlen
 Um das Leben zu fühlen braucht es einen freien
Zugang zur Emotionalität - ohne Emotionalität: kein
„Er-leben“
 setzt das Erlebte in Beziehung zum Leben - hat eine
wichtige Wahrnehmungsfunktion
 nimmt die Bedeutsamkeit des „Objekts“ oder einer
Situation für das eigene Leben wahr - deshalb spielen
Gefühle in der Psychotherapie so eine große Rolle
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Die zweite Grundmotivation: Leben mögen

Voraussetzungen, um Zuwendung
geben (und aushalten) zu können:

• Beziehung
• Zeit
• Nähe

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Die zweite Grundmotivation: Leben mögen
Beziehung

 bedeutet „mit dem Gefühl dabei zu sein“


 schafft eine Zugänglichkeit zu Menschen und
Objekten
 Die innere Zugänglichkeit zu sich selbst muss erhalten
bleiben, während man sich anderen zuwendet. Durch
Selbst-Beziehung kann ich mich mit mir abstimmen
dann verliere ich mich nicht in der Beziehung

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Die zweite Grundmotivation: Leben mögen
Zeit
 Zeit für etwas zu haben, heißt „zugewandt sein“
(Hektik verhindert Zuwendung)
 Existentielles (erfülltes) Leben findet nur dort statt,
wo man etwas so Kostbares wie die eigene
Lebenszeit investiert
 Zuwendung - „gelebte Zeit“ - bringt Fülle ins Leben,
deckt die existentielle Wichtigkeit auf, die es jem. hat
 eine emotionale Schwingung zum Inhalt der
Zuwendung kann auftreten - durch das Verweilen
wird den Gefühlen Raum verschafft
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Die zweite Grundmotivation: Leben mögen
Nähe
 Zuwendung bedeutet auch, Nähe aufzunehmen.
Berührtwerden, wodurch Gefühle geweckt werden -
angenehm, kraftvoll, lustvoll oder schmerzlich,
belastend, ängstigend
 Distanz “erspart“ einem Gefühle (z.B. psychisches
Leid) bzw. enthält sie einem vor (z.B. Liebesgefühle,
Freude): man bleibt „kalt“ und unberührt

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Die zweite Grundmotivation: Leben mögen

 Körperliche Repräsentanz: Herz-Kreislauf-System.


...bringt in ständiger, zeitlich geordneter Bewegung
die lebensspendende Wärme und Energie
 Funktionelle Repräsentanz: Essen - ist das Schaffen
größter Nähe durch Einverleiben der Nahrung - kann
daher als Näheersatz dienen

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Die zweite Grundmotivation: Leben mögen

 Grundbeziehung: Durch die


Gesamtheit der Zuwendungsakte
entsteht eine summarische
Beziehung zur Tiefenstruktur des
Lebens selbst entsteht ein Mögen,
das sich auf das Leben in seiner
Ganzheit bezieht – eine vitale
Lebenslust

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Die zweite Grundmotivation: Leben mögen

 Grundwert ...das tiefste Gefühl vom Wert, den das


Leben aufgrund der eigenen Erfahrung hat, bildet
den Grundwert des Daseins
 Geht über die Frage des Mögens hinaus - stellt eine
Beurteilung dar: „Ist es gut, das es mich gibt“?
 Wird das Leben grundsätzlich als gut empfunden, ist
es wahrscheinlich, dass man auch leben mag.

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Die zweite Grundmotivation: Leben-Mögen

 Wird das Leben als schlecht empfunden,


mag man eher nicht auf der Welt sein
 Fehlen Nähe, Zeit und Beziehung -
entsteht Sehnsucht, dann Kälte,
schließlich Depression
 Depression ist das Gefühl der gestörten
Beziehung zum Leben, dessen Wert
nicht mehr gefühlt werden kann
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Die zweite Grundmotivation: Leben mögen

Copingstrategien in der Depression


 Man mag nicht mehr in die Welt gehen; hält sich
mehr in seiner Innenwelt auf
 ...beginnt, zu leisten; vergleicht, entwertet sich
ständig; schließt sich Gruppen an, um sich stärker
zu fühlen
 ist voll (oft unterdrückter) Wut, die auf das Wecken
und Erhalten der Beziehung abzielt
 Fällt in Passivierung, Erkalten der Emotion,
Erschöpfung
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Die zweite Grundmotivation: Leben mögen

Leben-mögen

Copingreaktionen zuwenden und berühren lassen


(= Psychodynamik der (= Personierung des Lebens)
Beziehungsverhinderung)

Vermeidung: Rückzug Voraussetzungen z. Leben:


Aktivismus: Leisten Nähe, Zeit, Beziehung
Aggression: Wut
Totstellreflex: Lähmung Tiefste Aktivität:
Trauern

Tiefstes Erfassen der Realität:


Grundwert

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Die dritte Grundmotivation:
Selbstsein Dürfen
 Grundfrage der Person: Ich bin ich –
darf ich so sein?
 Individualität, die gleichzeitig auf
die Gemeinschaft angewiesen ist
 Ebene der Identifikation
Selbstfindung
Ethik
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An-sehen

Körper Gefühl Person (So-Sein)

1. an-nehmen 2. zu-wenden 3. an-sehen


(Raum geben) und (Zeit haben, Nähe aufnehmen, (das Eigene vom anderen
aus-halten (Halt haben) sich berühren lassen) abgrenzen,wertschätzen)

Bedingungen Werte Andere(s)

4. sinnvoll handeln
(Engagement, Hingabe
und Selbstverwirklichung)
Offenheit für Sinnzusammenhang
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Die dritte Grundmotivation: Selbstsein dürfen

 Das So-Sein ist für den Menschen nicht vorgegeben -


wie ist die Freiheit zu leben, um sich selbst zu
entsprechen und gerecht zu werden aber auch
anderen gerecht zu werden?
 So sein zu dürfen“ bzw. „Sich selbst sein dürfen“: zu
dem stehen können, was man tut, sich mit dem
Eigenen zu identifizieren
 Die Person “kann sich sehen lassen“ (hat „Ansehen“)
und ist offen für das Sehen des Anderen

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Die dritte Grundmotivation: Selbstsein dürfen

Grundaktivitäten der Person

 Ansehen (vertiefte Schau)


 Begegnung (der Mensch zeigt sich dem anderen mit
dem eigenen Wesen; „offen“)
 Nicht zum eigenen Tun stehen können: „Bereuen“
 Spüren - den eigenen Standort auszumachen und das
Wesentliche des anderen erfassen
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Die dritte Grundmotivation: Selbstsein
dürfen
Voraussetzungen, um „sich selbst
sein zu können und dürfen“

 Beachtung
 Gerechtigkeit
 Wertschätzung

...durch andere und durch mich

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Die dritte Grundmotivation: Selbstsein dürfen
Be-Achtung
 Sich selbst kennen und behaupten zu können beginnt
mit Beachtung durch andere, an die sich die
Beachtung durch sich selbst anschließt
 Die Person lernt besser, Rücksicht auf sich zu
nehmen, sich im Blick zu haben, sich nicht unbedacht
zu übergehen - entwickelt ein Selbstbild (PSt: oft
diffus)
 Beginnt sich mehr auf die anderen abzustimmen
(„Über-Ich“; „Öffentliches Ich“)
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Die dritte Grundmotivation: Selbstsein dürfen
Gerechtigkeit
 Um sich selbst finden zu können bedarf es einer
gerechten Behandlung durch andere, die dann durch
sich selbst fortgeführt wird
 man entwickelt ein Gefühl für sich und für sein
Wesen - das Echte kann gespürt werden - Grundlage
für Authentizität
 Ebenso wird das Gespür für das Echte im anderen
entwickelt

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Die dritte Grundmotivation: Selbstsein-
Dürfen

Gewissen
 Resonanzfähigkeit mit seinem eigenen
Wesen: sich so mit seinem Wesen in
Verbindung zu fühlen, gibt der Person
Festigkeit
 Gespür für das Richtige in einer
Situation, das was sich in Richtung gut
entwickelt (intuitiv vorausahnend)

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Die dritte Grundmotivation: Selbstsein-Dürfen

Wertschätzung

 ist ein Urteil, eine persönliche Stellungnahme zur


eigenen Person, die eine Anerkennung des Eigenen in
seinem Wert enthält
 Selbstwert entsteht erst auf der Basis von
Wertschätzung
 Scham: es entsteht in der Person das Gefühl, etwas
Wertvolles zu sein, das es zu beschützen gilt

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Die dritte Grundmotivation: Selbstsein-Dürfen

Person

 das Freie im Menschen ...lässt sich nicht festhalten


...kann immer wieder auch anders sein ..eine Kraft,
die im Menschen zu sprechen beginnt
 Zu den Gefühle, Gedanken, Kommentare,
Einschätzungen die in uns entstehen, zu dem, was
wir erleben und tun, worüber wir nachdenken kann
das Ich in einen inneren Dialog treten

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Die dritte Grundmotivation: Selbstsein-Dürfen
Person

 wir haben in der Person ein inneres Gegenüber, das


uns „zu-kommt“, über das wir nicht bestimmen
können, sondern das in uns auftaucht
 Es“ beginnt in mir zu sprechen – und doch „bin ich
es, der da zu mir spricht“
 ...diesen Zustand zu fassen zu kriegen ...sich auf diese
tiefe Kraft beziehen zu können

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Die dritte Grundmotivation: Selbstsein-Dürfen
„Sich anvertraut sein“:
Ich bin mir anvertraut. Ich als Person (das Dynamische,
Aufbrechende, Sprechende) bin mir als Entscheidendem (dem
Feststellenden, Handelnden) in die Hand gegeben.

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Die dritte Grundmotivation: Selbstsein-Dürfen

Fehlen die Voraussetzungen

Mangel an Selbstfindung und Begegnungsfähigkeit -


führt zu funktionalem Verhalten
Widerwilligkeit
Einsamkeit
übertriebene Scheu, Scham, Schüchternheit
leichte Verletzlichkeit

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Die dritte Grundmotivation: Selbstsein-Dürfen
 Oder zur narzisstischen
Kompensation: Nicht
verwechseln:
Selbstachtung und
Egomanie

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Die dritte Grundmotivation: Selbstsein-Dürfen
Copingstrategien
 auf-Distanz-gehen: witzeln; schnippisch,
formalistisch, überheblich sein
 umtriebig, rastlos, überaktiv sein: Funktionieren,
Bestrafen, dem-Angreifer-Recht-geben,
Besserwisserei, sich-rechtfertigen
 unduldsame, aufbrausende, trotzige Aggression
 beleidigt-sein, gekränkt-sein, Lähmung, Verbitterung,
Spaltung, Dissoziation

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Die dritte Grundmotivation: Selbstsein-Dürfen

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Übersicht zur 3. Grundmotivation
Selbstsein-dürfen

Copingreaktionen ansehen, ernst-nehmen, sich-abgrenzen


(= Psychodynamik der (= Personierung des Ichs)
Ichhemmung)

Vermeidung: Distanzieren Voraussetzungen z. Personsein:


Aktivismus: Funktionieren Beachtung, Wertschätzung, Gerechtigkeit
Aggression: Zorn, Ärger, Trotz
Totstellreflex: Spaltung Tiefste Aktivität:
Begegnen - verzeihen

Tiefstes Erfassen der Realität:


Selbstwert

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Die vierte Grundmotivation:
Sinnvolles wollen
 Ich bin da – wofür soll ich da sein?
Wofür ist mein Leben gut?
 Wenn ich da sein kann, das Leben
mag und mich selbst darin finden
kann, dann braucht es zu Erfüllung
noch: Erkennen dessen, worum es
im Leben gehen soll

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Die vierte Grundmotivation: Sinnvolles wollen

Körper Gefühl Person (So-Sein)

1. an-nehmen 2. zu-wenden 3. an-sehen


(Raum geben) und (Zeit haben, Nähe aufnehmen, (das Eigene vom anderen
aus-halten (Halt haben) sich berühren lassen) abgrenzen,wertschätzen)

Bedingungen Werte Andere(s)

4. sinnvoll handeln
(Engagement, Hingabe
und Selbstverwirklichung)
Offenheit für Sinnzusammenhang
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Die vierte Grundmotivation:
Sinnvolles wollen
 Vergänglichkeit des Daseins - es
bleibt nicht ewig Zeit, das Leben
findet nicht in einem beliebigen
Gefüge statt
 Dies fordert Stellungnahme: Was ist
heute zu tun? Was fordert der Tag?
Für wen oder was will ich mich
einsetzen?
 Frage nach dem „Sollen“: was soll
aufgegriffen werden? Was soll
gelebt werden?
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Die vierte Grundmotivation: Sinnvolles wollen

Sich in Übereinstimmung Handeln


bringen:
 Angebote, Anforderungen  Nach der
abzugleichen mit dem Übereinstimmung ist der
eigenen Können, Mögen und Mensch bereit zu
Dürfen und ob das Verhalten handeln... aktiv und
auch gut ist für andere, für entschieden seine Kraft
die Zukunft, im weitesten für eine Veränderung
Sinne für die „Welt“ einzusetzen (z.B. Studium
zu beginnen, Reise
machen, ...)
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Die vierte Grundmotivation: Sinnvolles
wollen
Voraussetzungen, um sinnvoll handeln zu
können:

 Tätigkeitsfeld
 Strukturzusammenhang
 Wert in der Zukunft

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Die vierte Grundmotivation: Sinnvolles wollen

Tätigkeitsfeld

 „Gebiet“, das einem gehört, das einen interessiert


oder für das man zuständig ist
 ...keine Aufgabenbereiche: großes Problem der
arbeitslosen oder alten Menschen

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Die vierte Grundmotivation: Sinnvolles Wollen

Strukturzusammenhang

 Jede Aktivität geschieht im Rahmen von anderen


Aktivitäten und Strukturen – diese geben
Orientierung und Motivation
 ...sieht man Wichtigkeit oder Notwendigkeit in ihrer
Kontexteingebundenheit, wird sie subjektiv zur
Aufgabe

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Die vierte Grundmotivation: Sinnvolles Wollen

Wert in der Zukunft


 Durch den Strukturzusammenhang kann man sich
verstehen und definieren ... aber als sinnvoll wird
Aktivität erst dann empfunden, wenn einem der
Strukturzusammenhang so viel wert ist, dass man
seine Kraft und Zeit dafür einsetzen mag.
 Es soll durch den Einsatz etwas Wertvolles entstehen
- damit wird der Augenblick überstiegen und geht in
einem größeren Rahmen auf

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Die vierte Grundmotivation: Sinnvolles
Wollen
Störungen
Fehlen die Voraussetzungen entsteht:
 Leere, Lebensfrustration,
„Verzweiflung (Suizidalität!)
 Suchtpotential
 „Existentielles Vakuum“ (FRANKL) -
ein abgründiges, anhaltendes Gefühl
von Sinnlosigkeit und Langeweile mit
der Folge von Interesselosigkeit und
Apathie
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Die vierte Grundmotivation: Sinnvolles Wollen

Copings
 Provisorische Lebenshaltung: man lebt vorläufig, nicht
entschieden, „auf Widerruf“ ohne echtes Engagement
 Aufschieben, „Dienst nach Vorschrift“, provozieren,
übertreiben, sich aus allem ein Spiel machen; Streben nach
Lust oder Macht
 spielerische Aggression: mutwilliges Zerstören
 Hoffnungslosigkeit, völliger Selbstbetäubung (Drogen!),
nihilistische Passivität

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Die vierte Grundmotivation: Sinnvolles Wollen

Sinnvolles-wollen

Copingreaktionen über-ein-stimmen, handeln


(= Psychodynamik der (= Personierung des Werdens)
Werdenshemmung)

Vermeidung: prov. Daseinshaltung Voraussetzungen z. Personsein:


Aktivismus: Fanatismus Kontext, Tätigkeitsfeld, Zukunft
Aggression: Zynismus
Totstellreflex: Nihilismuns Tiefste Aktivität:
Hingabe

Tiefstes Erfassen der Realität:


Sinn

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Psychopathologisch
Fundament Störungsbereich
 Dasein-Können  Angst(störung): fehlender
Raum, Halt, Schutz
 Wertsein-Mögen  Depression (fehlendes
Angenommensein, mangelnde
Wertfühlung

 Selbstsein-Dürfen  Histrionische Störung


(mangelndes Authentisch-sein)

 Wertvoll leben Wollen  Existentielles Vakuum, Sucht


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Voraussetzungen für „EXISTENTIELLES LEBEN“

EXISTENZ
= WOLLEN

4. Offensein für
SINN-zusammenha
2. Wert des •situativ
LEBENS fühlen •grundsätzlich
1. Raum, Halt,
Schutz in der 3. PERSON=
WELT haben, um Selbstsein dürfen:
sein zu können Authentizität spüren

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„Stimmt“ das Fundament (können, mögen,
dürfen), kann der Mensch tun, was er will

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Sinnan = reisen: gute Reise durchs Studienjahr

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