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A Lidl Und A Tanc There' S No Business Like Showbusiness: Klaus Berg
A Lidl Und A Tanc There' S No Business Like Showbusiness: Klaus Berg
2 mm
Klaus Berg †
ISBN 978-3-7001-8398-3
9 783700 183983
Made in Europe
1
Klaus Berg †
Theatergeschichte Österreichs
herausgegeben von Michael Rössner
Band X. Heft 9
3
Klaus Berg †
Die verwendete Papiersorte in dieser Publikation ist DIN EN ISO 9706 zertifiziert und erfüllt
die Voraussetzung für eine dauerhafte Archivierung von schriftlichem Kulturgut.
Inhalt
Editorische Notiz I
Vorwort 1
I. Prologe 3
V. Na Pięterku
1. Das Theater 137
2. Die Leitung 137
3. Zum Spielplan 137
4. Das Ensemble 138
5. Das Repertoire 1941 139
6. Stücke 139
7. Anzeigen aus dem Theater Na Pięterku 141
X. ePIlog 307
Literatur 349
Verzeichnis der Abbildungen 351
Personenregister 357
Stückregister 363
I
eDItorIsche notIz
Klaus Berg konnte aufgrund seines Ablebens das Manuskript für das vorliegende Buch
nicht mehr selbst für die Publikation aufbereiten und fertigstellen. Diese verantwortungs-
volle Aufgabe fiel somit auf die Herausgeberinnen und Redakteurinnen zurück. Sie ließ
sie mit teilweise offenen Fragen hinsichtlich der formalen Überarbeitung zurück und
erforderte Entscheidungen. Der Anspruch der Redaktion lag darin, so viel wie nötig, aber
so wenig wie möglich zu ändern, um einerseits den spezifischen Stil sowie den doku-
mentarischen Anspruch Klaus Bergs beizubehalten, andererseits das Buch relativ leicht
lesbar und handhabbar zu gestalten. Das Buch sollte sowohl Klaus Berg als auch den
Theatern im Warschauer Ghetto gerecht werden und diese so authentisch wie möglich
abbilden, gleichzeitig aber auch Einblicke in die persönliche dokumentarische Arbeit
von Klaus Berg liefern. Klaus Bergs Intention und Motivation für das Buch war es, die
Geschichte der Theater des Warschauer Ghettos zu erzählen, mit einer sehr persönli-
chen Note, die nahezu ein Näheverhältnis zu den einzelnen Akteurinnen und Akteuren ent-
stehen lässt. Bergs Erzählung liest sich an vielen Stellen mal wie eine Familiengeschichte,
mal wie ein Investigativroman, mal wie eine Theaterkritik mit viel Fingerspitzen-
gefühl. Gleichzeitig war es Klaus Berg ein Anliegen, die Geschichte der Warschauer
Ghetto-Theater nicht nur zu erzählen, sondern auch zu dokumentieren. Das vorliegende
Buch stellt daher auch eine Art Archiv dar, das eine Vielzahl an schriftlichen und visu-
ellen historischen Quellen aus dem Warschauer Ghetto umfasst und in diesem Sinne
auch als Nachschlagewerk oder Konkordanz verwendet werden kann. Beide Ansprüche
Klaus Bergs wurden bei der Redaktion des Buches berücksichtigt und sorgfältig um-
gesetzt.
In diesem Sinne wurde die Ordnung des Materials nach Bergs Gliederung in Theater
beibehalten, um die Intention der Arbeit als Dokumentation zu unterstützen. Zur besseren
Lesbarkeit und für mehr inhaltliche Einblicke wurden Rezensionen und Kritiken den
Theatern und Stücken innerhalb der einzelnen Kapitel beigefügt; im Originalmanuskript
befanden sich diese im Anhang. Durch Klaus Bergs Übertragung der fast ausschließlich
polnischen Quellen ins Deutsche wurde es möglich, das reichhaltige Theater im War-
schauer Ghetto auch einem nicht-polnisch-sprachigen Lesepublikum zu vermitteln.
Eine Auswahl an repräsentativen Zeitungsanzeigen in Bildform zu den Theaterstü-
cken schließt die einzelnen Kapitel ab. Verzichtet wurde auf die Wiedergabe sämtlicher
von Klaus Berg gesammelten Anzeigen, um Redundanzen zu vermeiden. Ergänzungen
oder Streichungen wurden vorgenommen, wo es zweckdienlich schien; so etwa wurde
auf den Abdruck des gesamten Drehbuchs von Miłość szuka mieszkania von Walentin
Katajew in der Bearbeitung von Jerzy Jurandot verzichtet, da bereits eine entsprechende
Publikation andernorts vorliegt. Ebenfalls gestrichen wurde Bildmaterial bei zu geringer
II Editorische Notiz
Die Quellenangaben zu den Abbildungen wurden durch sorgfältige und intensive Recher-
che ermittelt. Die beiden Herausgeberinnen danken den zahlreichen Archiven und Samm-
lungen für die Unterstützung bei der Bildsuche. In einigen Fällen konnten die rechtlichen
Inhaber jedoch leider nicht ausfindig gemacht werden. Falls sich hierdurch Ansprüche
bezüglich des Publikationsrechtes ergeben sollten, bitten wir Sie, sich an den Verlag oder
die Herausgeberinnen zu wenden.
Gabriele Davidsmeyer, Göttingen,
Annette Langenhorst, Hohengandern,
im April 2021
Vorwort 1
Vorwort
Liest man die Theateranzeigen, die redaktionellen Beiträge und Theaterkritiken in der
Gazeta Żydowska, käme man nie auf die Idee, dass die sensationellen Vorstellungen, die
großen Publikumserfolge und die mit Ovationen gefeierten Aufführungen im Warschauer
Ghetto stattfanden – dennoch waren sie Teil des Ghettolebens. Am Ausgangspunkt dieser
Arbeit stand die Entdeckung der Kronika Getta Warszawskiego von Emanuel Ringelblum1
in der Bibliothek der Polonisten der Universität Göttingen, wo sie ausgemustert (wohl
wegen mangelnden Leserinteresses, die Seiten waren noch nicht einmal aufgeschnitten)
auf einem Mitnahmetisch lag. In der Kronika Getta Warszawskiego, einer Art Tagebuch,
das Emanuel Ringelblum neben der Leitung des von ihm gegründeten „Ghettoarchivs“
(Oneg Szabat) – im Grunde in seiner Freizeit – verfasste und in dem er Ereignisse im
Ghetto tatsächlich „mit heißer Feder notierte,“ schreibt er: „Gestern war ich im jüdischen
Theater. Für zwei Stunden vergaß man die traurige Welt“ und „Im Ghetto spielen fünf
Theater.“
Damit waren die Weichen gestellt. Bis dahin hatte ich, wie auch die meisten meiner
Theaterkollegen, über Theater im Warschauer Ghetto – wenn überhaupt – äußerst nebu-
löse Vorstellungen, die sich darin erschöpften, dass arme verzweifelte jüdische Schauspie-
ler und Schauspielerinnen auf die Bühne gehen, dort Lessings Nathan der Weise geben,
während im Publikum betrunkene Deutsche sitzen und dazwischen grölen. Geradezu
typisch für diese vorurteilshafte Sichtweise ist eine heutige Besprechung einer im Ghetto
geschriebenen Boulevardkomödie, die mit der mitleidheischenden Phrase endet: „Wahr-
scheinlich wurde das Stück nur einmal gespielt.“ Nichts davon hat sich bei der Arbeit an
diesem Thema bewahrheitet. Auf den Spielplänen der Theater standen meist rührselige
„Schmonzetten“ und Volkskomödien, Deutsche waren in den Vorstellungen nicht zu sehen,
da ihnen nichts ferner lag, als sich in „jüdische Läusebuden“ zu setzen, um sich Stücke
auf Jiddisch oder Polnisch anzusehen, und die oben erwähnte Boulevardkomödie war ein
Kassenfüller, sie wurde 39 mal aufgeführt.
Aufgrund meiner Berufserfahrung (Schauspieler, Regisseur und Intendant) konnte
ich bei der Arbeit an diesem Thema Produktionsabläufe von Stücken, Organisation von
Aufführungen, Personal- und Spielplanpolitik, Umbesetzungen, gekippte Premieren und
Intrigen gut nachvollziehen und schnell feststellen, dass die Theaterwelt eine Welt für sich
ist, heute wie auch im Warschauer Ghetto – sieht man von der Tatsache ab (wenn dies
überhaupt möglich ist), dass auf den Bürgersteigen vor den Theatern Tote lagen, die mit
1 Vgl. Emanuel Ringelblum, Kronika Getta Warszawskiego, Wrzesień 1939 – styczeń 1943, War-
schau 1983.
2 Vorwort
Seiten der Gazeta Żydowska zugedeckt waren, auf denen großformatige Anzeigen wie
„Große Premiere,“ „Sensationelle Aufführung,“ „Der Renner im Viertel“ thronten. Dank
der Kritiken, der redaktionellen Beiträge über Theater, Theateranzeigen und Sekundär-
literatur war es möglich, eine nahezu vollständige Dokumentation über die Theater im
Warschauer Ghetto zu erstellen, die eine Erinnerung und Würdigung meiner Kolleginnen
und Kollegen sein soll, hinter deren Namen „in Treblinka vergast,“ „im Ghetto umgekom-
men“ oder „im Gefängnis erschossen“ steht und von denen die wenigsten überlebt haben.
Klaus Berg †
Hohengandern, November 2018
Vorwort 3
I. Prologe
Denkt man an den Broadway, sieht man vor sich die bunten Neonreklamen, hört die Musik
der Revuen und das Lachen der Zuschauer, die aus dem Theater kommen und in die Bars
gehen, durch deren Scheiben man manchmal Gesichter sieht, an die man sich ein Leben
lang erinnert. Broadway, der magische Ort, die Sehnsucht nach dem Leben, nach Farben
und Erfolg.
Die Einwohner des Warschauer Ghettos nannten Leszno und Nowolipki Broadway,
diese Straßen waren das Zentrum des Showbusiness. In der Nowolipki spielte das Nowy
Azazel, und das Teatre Kameralny lud zu seinen Premieren ein. In der Lesznostraße lock-
te das Revuetheater Femina mit Tanz, Gesang und Satire. Die Konkurrenz war scharf,
wovon die zahlreichen Theateranzeigen in der Gazeta Żydowska zeugen: 4000 Plätze,
die verkauft werden mussten, warteten auf Theaterliebhaber oder Menschen, die sich an
die Vorkriegszeiten erinnern wollten […]. Wegen der Polizeistunde begannen die Vor-
stellungen in der Regel schon um 17 Uhr, aber es gab keinerlei Zweifel, Nowolipki- und
Leszno-Straße: dies war der Broadway. Hier wurden Stars geboren, hier gab es Rivalität,
erbitterte Streitereien, Kampf um Solos, Texte, Applausordnungen und höhere Gagen.
Hier verschafften die Theaterdirektoren sich Geld für Premieren, indem man den Ghetto-
Neureichen Beteiligungen an den Einnahmen anbot, die aber auch ihre Töchterchen, ihre
Geliebten oder ihre Frauen gegen einen angemessenen Betrag in todsicheren Nummern
auftreten lassen konnten. Es war genau wie in der Vorkriegszeit, sogar die Wutanfälle
der Diva, wenn der Direktor sich unterstand vorzuschlagen, dass sie mit einer weniger
bekannten Sängerin die Garderobe teilen sollte.2
Auf der riesigen Bühne [des Femina] erscheint eine kleine, unscheinbare Schauspielerin
in einem bescheidenen schwarzen Kleid. Nach ihren ersten Worten wird es so still im
Saal, dass man sogar das Zischen einer defekten Karbidlampe auf der Bühne hören kann.
Ada spricht. Das unberechenbare, oft wankelmütige Publikum hängt an ihren Lippen, ver-
zaubert von der Ausstrahlung dieser kleinen Gestalt auf der Bühne. Man hört keinen Laut
im Saal und auch als der Vorhang gefallen ist, dauert diese Stille noch eine Weile. Und
2 Ryszard Marek Groński, Proca Dawida. Kabaret w przedsionku piekieł, Warschau 2007. Alle
Übersetzungen stammen, wenn nicht anders angegeben, vom Autor selbst.
4 I. Prologe
dann, plötzlich, gibt es einen, ja einen wahrhaftig sturmgleichen Beifall, einen Beifall für
diese poetischen Verse, wie er sonst nur bei zweideutigen Liedern oder scharfen aktuellen
Witzen zu hören ist […]
Ada ging jeden Tag in die Gęsia, wo sie für einen Teller Suppe in einer Grundschule
bei Kinderstücken Regie führte. Diese Wassersuppe mit einer kleingeschnittenen Kar-
toffel wurde ihr von einem der Schulkinder ins Theater gebracht und war oft die einzige
Mahlzeit am Morgen […] Ada hatte es am schwersten von uns allen, weil sie völlig allein
war, sie hatte außer den Theaterkollegen niemanden auf dieser Welt, aber sie war immer
wohlgelaunt. Zwei-, manchmal viermal am Tag ging Ada den Weg von ihrer Wohnung
ins Theater und wieder zurück, da sie im sogenannten „kleinen Ghetto“ wohnte. Nach-
dem die Deutschen nach einigem Hin und Her die Ghettogrenzen festgelegt hatten, gab
es zwei ummauerte Städte – eine größere und eine kleinere, beide waren einzig durch
die Żelazna-Straße verbunden, eine sowieso schon enge Gasse, die dazu auch noch durch
eine Mauer in der Mitte der Fahrbahn geteilt war. Durch dieses Nadelöhr quetschte
sich eine eng gedrängte Menschenmasse, die Leute schoben, versuchten durchzukom-
men und traten sich gegenseitig auf die Füße. Aber das war noch nicht alles. Von den an-
fänglich sieben Ghettoausgängen befanden sich drei in der Żelazna-Straße. Dreimal vom
kleinen ins große Ghetto, das hieß, man musste dreimal an den Wachen der Gendarmen
vorbei, sich verbeugen, auf Befehl galoppieren und stehenbleiben, Geschrei hören
und stumm Schläge ertragen [...] Viermal am Tag machte Ada Połomska diesen Weg
meist zu Fuß. Ich sehe sie noch vor mir, wie sie durch die Straßen ging, halb rennend,
klein, schwach, nach vorne geneigt, bei schlimmstem Frost in einem dünnen Mäntel-
chen und in viel zu großen Stiefeln, die sie sich von irgendjemandem geborgt hatte. Vier
Mal am Tag – und niemals kam es vor, dass sie zu spät zur Aufführung oder Probe kam.
Manchmal konnte ich bei der Direktion für sie eine kleine Gagenerhöhung erzwingen,
von sich aus wäre sie nie auf die Idee gekommen, obwohl alles von Tag zu Tag teurer
wurde, obwohl ihre Gage gerade mal für einen Laib Brot alle drei Tage reichte. Niemals
hatte ich mit Ada irgendwelche Schwierigkeiten bei der Besetzung von Rollen. Wir
spielten nahezu ausnahmslos Revuen, Operetten und Musikalkomödien, die ihr keiner-
lei Möglichkeiten boten, ihr großes Talent für Charakterrollen zu zeigen, und wenn ich
ihr gelegentlich kleinere Rollen anbieten konnte, schämte ich mich dafür. Aber Ada
übernahm auch die kleinsten Wurzen3 und machte aus ihnen mit einem Lächeln kleine
Kunstwerke.
Mit dem Winter begann für die Schauspieler unseres Theaters die schlimmste Zeit.
Ada hatte beide Hände verbunden, ihre Finger waren erfroren und eiterten. Es wurde von
Tag zu Tag schlimmer, ihr Körper hatte nichts entgegenzusetzen. Die Verbände nahm sie
3 Theaterjargon – eine Rolle, in der das Können einer Schauspielerin bzw. eines Schauspielers nicht
zur Geltung kommt. In Österreich auch ein Auftritt nur in der ersten und letzten Szene.
I. Prologe 5
kurz vor dem Auftritt ab, um sie sich nach ihrer Nummer wieder anzulegen. Ich habe nie-
mals gehört, dass sie sich über irgendetwas beklagt.4
Ada Połomska spielte am Femina vom 5. Dezember 1941 bis 24. Juni 1942 in sieben
Stücken. Zwei Wochen nach Beginn der „Wielka Akcja“ (22. Juli 1942)5 wurde sie nach
Treblinka gebracht und dort vergast.
4 Jerzy Jurandot, Miasto skazanych, 2 lata w warszawskim getcie, Warschau 2014, 241– 43.
5 Die „Große Aktion” bezeichnet die Auflösung des Warschauer Ghettos zwischen 22. Juli und
21. September 1942 als Teil der systematischen Vernichtung der polnischen Jüdinnen und Juden.
Der Großteil der Bewohnerinnen und Bewohner der Ghettos wurde in das Vernichtungslager
Treblinka deportiert, mehrere Tausende wurden während der „Wielka Akcja“ noch im Ghetto
selbst ermordet.
6 II. Vorwort Warschau
Vorwort
In der Zwischenkriegszeit (1918 –1939) lebten in Warschau 380.000 Juden und stellten
die größte jüdische Gemeinschaft in Europa (nach New York die zweitgrößte der Welt)
dar. Nahezu 30 % aller Einwohner Warschaus waren Juden, darunter weilten auch Theater-
leute und somit existierten neben den polnischen Theatern auch jüdische. Es gab jüdische
Theaterdirektoren, Schauspieler, Schauspieltrupps und ganze Schauspielerfamilien, die
im Land herumzogen, für ein oder zwei Spielzeiten Engagement fanden, nach der letzten
Dernière ging man dann aber wieder getrennte Wege.
Da die jüdischen Theater so gut wie keine finanzielle Unterstützung seitens der
jüdischen Gemeinden (die orthodox-religiöse Partei Agudas Israel bekämpfte in den
Gemeinden Theater als gottlos und schädlich) erhielten, gab es entsprechend harte Aus-
einandersetzungen zwischen den Theaterdirektoren – die als erste in die Kasse griffen –
und den Schauspielern, was 1919 zur Gründung der „Gewerkschaft jüdischer Künstler in
Polen“ führte, die 1925 in „Gewerkschaft jüdischer Bühnenkünstler“ umbenannt wurde.
Um möglichst hohe Einnahmen zu erzielen, wurde der Spielplan ganz auf die Vorlieben
des Publikums (Kleinkaufleute, Handwerker, Angehörige der Mittel- und Unterklasse)
ausgerichtet („chinka-pinka,“ das war ein Stück, das „Pinke Pinke“ brachte) – „das Publi-
kum liebte dieses Schmierentheater, Assimilierte oder Polonisierte hingegen blieben diesen
Stücken fern und gingen in die polnischen Theater.“ 6 Diese Trennung – hier jüdisches,
dort polnisches Theater – wich mit der Zeit einer gegenseitigen Akzeptanz, ausgezeichnete
polnische Schauspieler spielten Stücke jüdischer Autoren und jüdische Schauspieler be-
suchten polnische Schauspielschulen. Mit Der Dybuk von Szymon Anski gelang der Durch-
bruch. Das Stück wurde 1920 im Elysium-Theater von der Trupa Wileńska aufgeführt und
danach mit großem Erfolg von polnischen Bühnen übernommen.
Die Trupa Wileńska (Wilnaer Ensemble) unter der Leitung von Mordechai Mazo ge-
hörte zu den führenden und anerkanntesten Theatertruppen Warschaus, sie spielte von 1918
bis 1922 in der Hauptstadt, zog dann sechs Jahre durch die Provinz, um schließlich von
1928 bis 1932 wieder in Warschau aufzutreten.
Weitere Theater bzw. Theatertruppen waren das von Jonas Turkow 1929 gegründete
WNIT (Warszewer Najer Jidisze Teater) und Michał Weicherts Żydowski Studio Teatr
Młodych (Jung Teater) sowie eine Reihe Kleinkunstbühnen und Kabaretts, darunter das
bekannteste, das Azazel, in dem u. a. Chaim Sandler, der spätere künstlerische Leiter des
Nowy Teatr Azazel, auftrat. 1939 gab es in Warschau drei Theater, deren Klientel das
jüdische Publikum war.
Spielplan 19397
7 Informationen über Stücke und Theaterleute, vgl. Tomasz Mościcki, Teatry Warszawy 1939, War-
schau 2009.
8 II. Vorwort Warschau
Fajnzylber, Władysław Godik, Estera Goldenberg, Natalia Lipman, Miriam Rozen, Kawi-
ner); Gastspiel des WIKT, jetzt unter Leitung von Zygmunt Turkow mit Sulamita (Regie:
Zygmunt Turkow; Ausstattung: Fritz Kleinman; Musik: Szymon Prysament; Besetzung:
Bal, Eisenberg, D. Epstein, A. Feller, I. Grudberg; L. Lewicka, Jakub Mandelblit, G. Messer,
Naomi Natan, Chaim Nysencwajg, Ester Perelman, M. Tal, Zygmunt Turkow, Perla Ulrich,
M. Żak, R. Zamin). Sulamita war das letzte Stück im Nowości, am 19. September 1939
wurde das Theater von der deutschen Luftwaffe zerstört.
Von den 31 am Nowości in Kritiken erwähnten Künstlern fanden sechs Engagements
an jüdischen Ghettotheatern:
Maks Wiskind führte im Eldorado Regie bei dem Stück Der Dorfs Jung, er spielte
im Nowy Teatr Azazel fünf Stücke, im Teatr Femina sieben Stücke und im Nowy Teatr
Kameralny ein Stück; Dora Fakiel spielte am Teatr Eldorado in drei Stücken mit 81 Vor-
stellungen mit; Estera Goldenberg fand im Teatr Eldorado in drei Stücken Engagement
(86 Vorstellungen); Naomi Natan hatte drei Engagements am Teatr Eldorado und spielte
drei Stücke (72 Vorstellungen); Chaim Nysencwajg spielte am Teatr Femina ein Stück
(sechs Vorstellungen). Aleksander Liberman war für das Bühnenbild verantwortlich im
Eldorado (sieben Stücke), im Nowy Teatr Azazel (fünf Stücke), im Teatr Femina (sieben
Stücke) und im Nowy Teatr Kameralny (ein Stück).
2. SCALA, DZIELNA-STRASSE 1
Das Scala, aus dem später im Ghetto das Teatr Eldorado wurde, hatte sich ganz auf jiddi-
sche Volksstücke und Volksoperetten spezialisiert und hatte 1939 auf dem Spielplan: Jego
II. Vorwort Warschau 9
wymarzony sen von L. Frajman (Regie: Paul Burstein; orchesterleitung: Dawid Beigel-
man; Besetzung: Lilian Lux, Paul Burstein, Jakubowicz, Maniela, Zomin, Ariel, Gurwicz,
Dawid Hamburger u.a.); A meszugene Welt von Chaim Sandler und Sz. Berman (Regie:
Chaim Sandler; Besetzung: Chaim Sandler, Ajzyk Samberg; orchesterleitung: Dawid
Bejgelman; Ausstattung: Aleksander Liberman); die satirischen Komödien Nadir un wajn
nyszt mit Texten von L. Goldsztejn, M. Nudelman, Mordechai Gebirtig, A. Szyml, Tafft
(Textmontage und Regie: Szymon Dżigan, Izrael Szumacher; Musik: Dawid Bejgelman,
Stronk; Choreographie: Aneta Rajzer; Besetzung: Rubina, Bern, Szymon Dżigan, Józef
Kamen, Mosze Pulawer, Izrael Szumacher u. a.); Azoj is dus leben von Fridzon (Regie:
M. Lipman; Besetzung: Maks Bryn, Simcha Fostel, Feder, Władysław Godik, Kareni,
Kaswiner, Klein, Landau, Chana Lewin, M. und Natalia Lipman, L. Szapiro, Symcha
Szeftel u. a.; orchesterleitung: Szymon Wajnberg) und Josie Kałb von Izrael Joszua
Singer (Musik: L. Kacyn; Regie: Aleksy Stein; Choregraphie: L. Szapiro; Ausstattung:
Aleksander Liberman; musikalische Leitung: Szymon Wajnberg).
Von den 33 am Scala in Kritiken erwähnten Künstlern fanden acht Engagements an
jüdischen Ghettotheatern:
Dawid Hamburger spielte am Teatr Nowy Azazel in drei Stücken mit 83 Vorstellungen
mit. Chaim Sandler führte am Teatr Nowy Azazel bei sechs Stücken Regie und spielte
in neun Stücken (226 Vorstellungen). Ajzyk Samberg hatte zehn Regiearbeiten am Teatr
Nowy Azazel, ein Schauspielengagement im Teatr Eldorado (46 Vorstellungen) und
spielte im Teatr Nowy Azazel in elf Stücken (264 Aufführungen). Maks Bryn hatte im
Eldorado ein Engagement für zehn Stücke (331 Aufführungen). Symcha Fostel spielte
am Teatr Eldorado drei Stücke (128 Aufführungen), am Melody Palace zwei Stücke (54
Aufführungen) und am Teatr Nowy Azazel acht Stücke (176 Vorstellungen). Szymon
Wajnberg hatte vier Engagements am Teatr Nowy Azazel (87 Aufführungen). Aleksander
Liberman – siehe Auflistung zu Nowości; Aneta Rajzer war Tänzerin, Choreographin und
Solistin in Sulamita am Teatr Nowy Azazel.
Mit ihrem Theater Żydowska Scena Kameralna, das in der Judaistischen Bibliothek in der
Tłomacka-Straße 3/5 spielte, versuchten Jonas Turkow und Diana Blumenfeld, jüdischen
Intellektuellen moderne polnische, ins Jiddische übersetzte Theatertexte nahezubringen.
1939 standen auf dem Spielplan: Freuda Teoria Snów von Anton Cwojdziński (Regie und
Besetzung: Jonas Turkow, Diana Blumenfeld); Dnia jego powrotu von Zofia Nałkowska
(Besetzung: Diana Blumenfeld, Ania Fedrówna, Leo Lorne, Jonas Turkow); Kariera von
László Fodor (Besetzung: Diana Blumenfeld, Miriam orleska, Józef Glicson, Herman
Halpern, Leon Lerner, Jonas Turkow).
Von den sieben in Kritiken erwähnten Künstlern der Żydowska Scena Kameralna fan-
den drei Engagements an jüdischen Ghettotheatern:
Jonas Turkow führte bei einem Stück (27 Vorstellungen) am Teatr Femina sowie eben-
10 II. Vorwort Warschau
falls bei einem Stück (44 Aufführungen) im Nowy Teatr Kameralny Regie. Diana Blumen-
feld spielte im Femina in fünf Stücken (153 Aufführungen) und im Nowy Teatr Kameralny
in einem Stück (44 Vorstellungen) mit.
1. EINLEITUNG
Alle professionellen Theater im Ghetto waren Unternehmen mit einer Direktion, Teilha-
bern, Konzessionsinhabern und Geschäftsführern. Danach kamen als Verantwortliche für
die Spielplangestaltung die künstlerischen Leiter, die gegenüber den Direktoren für den
finanziellen Erfolg der Stücke verantwortlich waren.
Auf dem Spielplan der Theater standen Melodramen, Volksstücke, Revuen und Ope-
retten – seltener Klassiker oder sog. anspruchsvolle Stücke. Viele Stücke waren schon
in der Vorkriegszeit Kassenschlager, die Schauspieler und Schauspielerinnen routinierte
Darsteller, wie z. B. Michał Znicz, gefeierter Film- und Bühnenschauspieler, der die Rolle
des Nechumec im Stück Mirla Efros im Nowy Teatr Kameralny zum 500. Mal gab. Neben
diesen „Rennern,“ die schon im Vorkriegspolen von jüdischen Bühnen gespielt wurden,
wurden im Ghetto Stücke bearbeitet, umgeschrieben und in Revuen Texte mit manchmal
beißenden satirischen Sketchen und Kabarettnummern zusammengestellt. Erhalten ist der
Originaltext des Stückes Miłość szuka mieszkania von Walentin Katajew in der Bearbei-
tung von Jerzy Jurandot.8 Hatten die Stücke auch Bezüge zum Ghetto, dramatisierten sie
doch keineswegs die „Ghettowirklichkeit,“ sondern dienten der Unterhaltung, manchmal
der „gehobenen,“ vielleicht auch der Ablenkung, vielleicht einer kurzen Flucht vor dem,
was auf der Bühne vor dem Theater gegeben wurde – auf der mit der Gazeta Żydowska
zugedeckte tote Menschen lagen. Für die Theater galt:
Kein Dialog über Hunger, über den ewigen Mangel an Lebensmitteln, über die Träume von
gefüllten Mägen. Dafür bezahlten die Zuschauer nicht, sie wollten kein Gejammer hören.9
Die Strukturen der professionell konzessionierten Theater sahen wie folgt aus:
Als ich bei Boczkowski literarischer Leiter des Mały Qui pro Quo war, besuchte uns öfter ein
junger, intelligenter und sympathischer Drucker, der, wenn ich mich recht erinnere, Szpidlbaum
hieß. Er hatte nicht nur einen ausgesprochen guten Geschmack, wenn es um die Gestaltung
der Plakate ging, sondern war auch höchst solide, gewissenhaft und hielt alle Termine ein, so
dass ihm alle Druckerarbeiten anvertraut wurden. Mit großer Freude stellte ich fest, dass seine
Druckerei jetzt in der Leszno Straße 6 war, genau gegenüber dem Melody Palace [wo die
Benefizveranstaltung stattfand]. Also druckte er für uns alle Plakate und Einladungen […].
Daneben war unser Ensemble mit einigen jungen bildenden Künstlern befreundet, unter ihnen
Zdzich Montag, ein ungewöhnlich talentierter Grafiker und Plakatgestalter, der mit originel-
len Einfällen, witzigen Zeichnungen und einer hervorragenden Farbgestaltung glänzte […].
Wenn nun ein von Zdzich Montag und seinen Kollegen geschätzter Künstler eine Benefiz
hatte, kam es vor, dass sie eine Menge handgemalter Plakate entwarfen und sie an die Mauern
klebten […].10
Ruta Sakowska spricht von einigen hundert Personen, die die konzessionierten Theater im
geschlossenen Bezirk beschäftigten,11 am Femina waren nach Jerzy Jurandot 70 Personen
(künstlerisches und technisches Personal) tätig.12
Über die technische Ausstattung der Theater ist wenig bekannt, es ist zu vermuten, dass
das Eldorado, das in dem früheren Theater Scala spielte, das Melody Palace, in dem
schon in der Vorkriegszeit Vorstellungen stattfanden, das Nowy Azazel, das mit enormem
Aufwand (Bühne, Zuschauerraum, Balkone usw.) im Gebäude in der Nowolipie-Straße 72
neu eingerichtet wurde, das Femina, ein ehemaliges Kino mit 900 Plätzen, und das Nowy
Teatr Kameralny in dem Gebäude in der Nowolipki-Straße 52, das von dem Architekten,
Bauingenieur und Innendekorateur Rubin Szwarc zu einem Theater umgebaut wurde –
dass all diese Theater wohl mit entsprechender Bühnentechnik der damaligen Zeit aus-
gestattet waren. Neben der technischen Ausstattung auf der Bühne benötigt ein Theater
in der Regel auch Werkstätten wie Schneiderei, Tischlerei (Schreinerei), Schlosserei und
einen Malersaal für die Herstellung von Kostümen und Kulissen. Wo und von wem die
z.T. recht aufwendigen Bühnenelemente gebaut und die Prospekte gemalt wurden, konnte
nicht ermittelt werden.
Oft allerdings mussten die Theater unter den primitivsten Bedingungen arbeiten: Als
es im oktober 1941 weder Gas noch Strom in der Leszno- und Nowolipki-Straße gab,
waren Femina und Kameralny, in denen gerade Jim i Jill und Skarb pod latarnią gegeben
wurden, gezwungen, mit Karbidlampen zu beleuchten, d. h. man konnte nur versuchen, die
Bühne irgendwie hell zu machen, und musste auf großartige Lichteffekte (Stimmungen)
verzichten. Jonas Turkow kommentiert dies mit:
Im Femina wurden 4 Sturmlaternen über der Bühne aufgehängt und seitlich der Bühne zwei
Karbidlampen […] Man meinte, in einer Vorstellung im hintersten Winkel der polnischen Pro-
vinz in einem Feuerwehrspritzenhaus zu sitzen.13
Da zudem noch die Heizung ausfiel, wurden kleine gusseiserne Öfchen aufgestellt, die mit
einem System von Rohren verbunden waren. „Sowohl die Damen mit Dekolleté auf der
Bühne, als auch das Orchester und das Publikum froren wie die Schneider.“14 Da Bühne
und Zuschauerraum des Femina in einem betonierten Untergeschoss untergebracht waren,
war es dort schon im Sommer recht kühl, womit man im Sommer 1941 in der Gazeta
Żydowska mit „Das Femina besitzt damit den angenehm kühlsten Saal im Viertel“ warb.15
Schlimm wurde es dann im Winter, wobei die Temperaturen in den Garderoben und im
Zuschauerraum unter den Nullgrad fielen. Diese Kälte dauerte bis in den späten Früh-
ling. Das Publikum saß da, im Mantel, mit Schal und hochgeklapptem Kragen. Den
Beifall konnte man sehen, aber kaum hören, da sich niemand traute, die Handschuhe aus-
zuziehen.
Auf der Bühne ein sonniger Garten (Karbidlampen), lächelnde Schauspieler und Schauspiele-
rinnen, die letzteren in Sommerfähnchen, brauchten all ihre Kräfte, um das Zähneklappern zu
13 Jonas turkow, C’était ainsi: 1939 –1943 la vie dans le ghetto de Varsovie, Paris 1995, 180.
14 Ebd.
15 GŻ/54/2/1941.
14 III. Die professionellen konzessionierten Theater
überspielen […]. Sie lächelten, obwohl sie alle Frostbeulen an Händen und Füßen hatten, sich
in den eiskalten Garderoben umziehen mussten, alle hatten Husten, aber sie spielten, sie spiel-
ten auch, wenn sie 40 Grad Fieber hatten.16
Neben diesen technischen Problemen und Unzulänglichkeiten gab es natürlich auch enor-
me Schwierigkeiten bei Ausstattung, Kostümen, Kulissen, Requisite usw. Jedes Büh-
nenbild, jedes Kostüm erforderte den gleichen Aufwand, mit dem man früher ein ganzes
Stück auf die Bühne brachte. So schildert Jerzy Jurandot, wie er für sein Stück Sprawa
przed drzwiach zamkniętych, einem Stück, das im Gericht spielt, drei Roben, eine für den
Staatsanwalt, eine für den Richter und eine für den Verteidiger brauchte, ohne die selbst-
verständlich eine Aufführung unmöglich war:
Drei Roben! Jedes Requisit, jedes Kostüm, jeder Fetzen war für uns ein riesiges Problem, oft
waren die Sachen trotz größter Bemühungen nicht zu beschaffen. Das mit den Roben war fatal.
Ich fragte alle möglichen Anwälte, die Antwort war jedoch immer die gleiche: Roben gibt’s
nicht. Der eine hatte sie auf der arischen Seite gelassen, oder ein anderer hatte daraus ein Kleid
für seine Frau schneidern lassen. Das irgendwie anders zu machen, war auch völlig aussichts-
los, man hätte die Schauspieler in Zivil auftreten lassen können, allerdings waren deren An-
züge an den Knien und Ellenbogen sehr abgetragen, und das entsprach nun überhaupt nicht
der Würde eines Gerichtes. Es mag vielleicht lächerlich klingen, denkt man an das, was sich
außerhalb des Theaters abspielte, aber ich bekam die ganze Nacht kein Auge zu. Ich konnte
doch nicht einem Publikum, das schließlich für seine Plätze bezahlt hatte, eine Vorstellung
wie im Wohnzimmer meiner Tante zu deren Namenstag zumuten. Jede Theaterfaser meines
Herzens sträubte sich dagegen. Schließlich versprach mir jemand, Roben am Vormittag der
Premiere zu liefern. Ich war dann morgens noch vor allen andern im Theater. Um eins waren
noch keine Roben da. Ich dachte, dass, wenn sie zwei Stunden vor der Premiere da wären, auch
noch Zeit genug sei, ging nach Hause zum Essen und danach wieder ins Theater zurück. Und
da waren die Roben, allerdings nur zwei und es waren keine Roben, es waren vielmehr Um-
hänge für Rabbiner, zwar aus glänzender Seide, aber eben keine Roben. Ich versank in Depres-
sion, ich fluchte, ich schwor, so wahr ich auf dieser Erde stünde, dass ich die Premiere absagen
würde. Panik im Theater.17
Für Nichttheaterleute mag dies alles ziemlich absurd klingen, aber ich kann versichern,
dass solche Vorkommnisse am Theater völlig normal sind, denn schließlich konnten – wie
immer – die Roben beschafft werden, und die Premiere fand selbstverständlich statt – wie
immer.
Hinzu kam, dass es ausgesprochen schwierig war, Texte zu bekommen. Die auf Pol-
nisch spielenden Theater, die auf Grund ihres relativ kleinen Publikums Stücke nach der
Premiere nicht so lange laufen lassen konnten und die sich überwiegend auf Operetten
und musikalische Komödien verlegten, konnten sich diese Texte und Partituren nur über
Umwege beschaffen. Da alle Theateragenturen liquidiert worden waren, kam dabei nur
die Bibliothek des ehemaligen Teatr Polski in Frage, das jetzt Theater der Stadt Warschau
hieß. Im Femina übernahm das ein Theaterbesessener namens Hilary (ebenderselbe be-
schaffte auch die Roben für Sprawa przed drzwiach zamkniętych):
Hilary konnte alles erledigen. Er knüpfte Kontakte zu ehemaligen Beschäftigten des Teatr
Polski, in dem er schon als Kind zwischen den Kulissen herumgekraucht war, und konnte so
einige Stücke beschaffen.18
Daneben gelang es auch Jerzy Jurandot, nachdem er nach etlichen Bemühungen und mit
viel Glück einen Passierschein bekommen hatte, auf der arischen Seite („in der Höhle des
Löwen“) aus einem Stückekatalog die für sein Theater geeigneten Stücke auszusuchen
und sich so Aufführungsmaterial zu beschaffen.
Gespielt wurde täglich, Beginn der Vorstellungen 17.00 Uhr bzw. 17.30 Uhr, 17.45 Uhr
und 18.00 Uhr (je nach Stück und Theater), Vorstellungsende war spätestens 19.45 Uhr
oder entsprechend früher. Am Samstag gab es in der Regel zwei Vorstellungen, eine
14.30 Uhr oder 14.40 Uhr bzw. 15.00 Uhr zu ermäßigten Preisen (nicht alle Theater), die
anderen dann wieder zu Normalpreisen zur üblichen Zeit am Frühabend; das Eldorado
spielte auch, wenn die Aussicht auf größere Einnahmen (z.B. an Feiertagen) günstig war,
drei Vorstellungen an einem Tag. So wurde am 13. und 14. April um 12.00 Uhr die Revue
Parada Przebojów und um 15.00 Uhr und 18.00 Uhr Dus Dorfs Mejdł gegeben.
Einen besonderen Werbeeinfall – Ermäßigungen betreffend – hatte die Direktion des
Nowy Teatr Kameralny, indem sie in einer Annonce mit Skarb pod latarnią warb: „Ver-
günstigung für Leser der Gazeta Żydowska! Inhaber des Gutscheins erhalten beim Kauf
eines Billetts zusätzlich eine Freikarte. Gilt nicht für Samstag und Sonntag,“ und auch das
Nowy Teatr Kameralny stellte für die letzten Vorstellungen von Moje żony mnie zdradzają
stark ermäßigte Billetts in Aussicht.19
Die ungewöhnlich frühen Anfangszeiten waren den Ausgangssperren im Ghetto
geschuldet, die zwar öfter wechselten, aber in der Regel von 21.00 Uhr bis 7.00 Uhr mor-
gens galten. So finden wir in dem Redaktionsbeitrag Mirla Efros in der Gazeta Żydowska
vom 8. August 1941 den Hinweis:
Anzumerken ist, dass die Vorstellungen pünktlich um 17.40 Uhr beginnen und um 19.25 Uhr
enden, was den Besuchern dieses ausgezeichneten Stückes erlaubt, nach der Vorstellung recht-
zeitig auch in die weit entferntesten Wohnungen im Viertel zurückzukommen.20
18 Ebd., 292.
19 GŻ/102/6/1941.
20 GŻ/69/5/1941.
16 III. Die professionellen konzessionierten Theater
Licht und Bühnenbild eingerichtet werden mussten und es wahrscheinlich auch eine
Generalprobe gab. Geprobt wurde während des laufenden Spielbetriebs. Lief ein Stück
nicht, sei es, weil es vom Publikum nicht angenommen wurde, sei es aus Kostengrün-
den – wie z. B. im Nowy Teatr Kameralny: „Das schöne Stück Pieśniarze von A. Marek,
wird auf Grund der hohen Kosten jetzt schon die letzte Woche gespielt“21 – wurden
Stücke, manchmal sehr kurzfristig, vom Spielplan ab- und die nächste Premiere angesetzt.
Diese kurzfristigen Spielplanänderungen kamen zwar nicht so oft vor, zeigen aber, dass
zumindest die jiddischsprachigen Theater über ein Stückerepertoire verfügten, auf das
sie ohne längere Probenarbeit zurückgreifen konnten. Ein Beispiel seien die Stücke Di
rumenisze chasene und Dus Dorfs Mejdł. Ersteres wurde Mitte Juli anlässlich des 25-jäh-
rigen Bühnenjubiläums von Direktor Meier Winder im Eldorado in einer Sondervorstel-
lung gegeben (gespielt wurde in dieser Zeit A hajm far a mame). Offensichtlich hatten
Darsteller wie Dawid Zajderman, Harry Zajderman, Dawid Birnbaum, Symcha Fostel
und Chana Lerner, die in dieser Zeit am Eldorado Engagement hatten, dieses Stück in
ihrem Repertoire, spielten es und brachten es dann nach Gründung des Volksbühnenen-
sembles durch Dawid Zajderman am 24. oktober 1941 im Melody Palace zur Premiere.
Dus Kabaret Mejdł, das am 12. November 1941 abgespielt war, wurde für eine einmalige
Aufführung bei der Benefizveranstaltung für Regina Cukier am 6. Mai 1942 hervorgeholt
und während des laufenden Spielbetriebes von Di freiliche Mechutonim auf die Bühne
gebracht.
Am Femina gab es 24 Aufführungen von Dziwczę do wszystkiego (Dernière 18. Juni
1942), das nach drei Wochen abgespielt war; danach stand Sprawa przed drzwiach
zamkniętych auf dem Spielplan, das es jedoch nur auf sechs Vorstellungen brachte. In der
Nacht vom 18. auf den 19. April 1942, in der die erste organisierte Terroraktion auf dem
abgeriegelten Ghettogebiet stattfand, waren 56 Mitglieder des Untergrundes erschossen
worden – Setzer und Personen, die die Widerstandsbewegung unterstützt hatten,22 und
in dieser Zeit, in der es fast jede Nacht zu solchen Aktionen der Deutschen kam, wobei
die Opfer willkürlich und ohne jedes System umgebracht wurden, hatte Sprawa przed
drzwiach zamkniętych Premiere.
In dieser Zeit spielten wir ein amerikanisches Sensationsstück, dessen Autor und Titel Proces
Mary Dugan wir selbstverständlich im Hinblick auf die Zensur änderten. Dieses hervorragend
geschriebene und von der ersten bis zur letzten Zeile ausgesprochen spannende Stück hatte
vor dem Krieg einen ungeheuren Erfolg, und so dachten wir, dass wir auch hier damit Kasse
machen könnten. Aber es wurde ein Fiasko. Der Grund dafür ist darin zu sehen, dass es in dem
Stück drei Akte lang um den Kampf eines Menschenlebens geht – um ein Menschenleben! –
und wen interessierte es, wenn eine Mary Dugan unschuldig hingerichtet wird, wo doch jede
Nacht unschuldige Menschen umgebracht wurden, und man auch darunter sein konnte.23
21 GŻ/45/2/1941.
22 Vgl. Emanuel rinGElbluM, Kronika Getta Warszawskiego, 364.
23 Jerzy Jurandot, Miasto skazanych, 101.
III. Die professionellen konzessionierten Theater 17
Andererseits gab es einen nächsten festen Termin, nämlich die Premiere der Operette
Bajadera am 26. Juni 1942 anlässlich des Jahrestages der Theatergründung des Femina,
so dass Sprawa przed drzwiach zamkniętych bis zu diesem Termin abgespielt sein musste,
d. h. zwei Premieren kurz hintereinander. Nicht zu vergessen, Bajadera ist eine große
Operette, die entsprechend angekündigt wurde: „prunkvolle Inszenierung – verstärktes
Orchester, zwei Chöre (Männer- und Damenchor), Ballett, originelle Dekoration und
Kostüme, hervorragend besetzt“24 – alles in allem eine enorme Leistung.
In der Regel hielten sich die Theater an die üblichen Abläufe: einige Zeit vor der
Dernière des laufenden Stückes Anzeigen, redaktionelle Beiträge und Plakatierung der
nächsten Premiere. Allerdings gab es durchaus Abweichungen – besonders im Nowy Teatr
Kameralny, wo es mehrmals zu Spielplanänderungen kam, angekündigte Premieren wur-
den „gekippt“ und stattdessen kurzfristig Premieren anderer Stücke auf den Spielplan ge-
setzt. So wurde nach der Dernière von Pieśniarze, die in mehreren Anzeigen angekündigte
Premiere von Chasia Sierota von Jakub Gordin aus nicht bekanntem Grund abgesagt (d. h.
genau genommen wurde sie nicht abgesagt, sie verschwand einfach) und stattdessen Finał
małżeństwa zur Premiere gebracht. Am 27. Mai 1942 erschien dann in der Gazeta Żydowska
ein redaktioneller Beitrag, in dem nach Finał małżeństwa das Stück Motke Złodziej an-
gekündigt wurde:
Im Nowy Teatr Kameralny wird vor stets ausverkauftem Haus Finał małżeństwa unter der
Regie von Andrzej Marek die dritte Woche gegeben. In Kürze Motke Złodziej von Szalomon
Asz.25
Allerdings wurde dann stattdessen das Stück Pocałunek przed lustrem auf den Spielplan
gesetzt. Vielleicht erinnerte man sich, dass Motke Złodziej (poln.) unter dem jiddischen
Titel Motke Ganew bereits im Juni 1941 im Nowy Azazel mit 37 Aufführungen gespielt
wurde – allerdings auf Jiddisch – und dass für sein überwiegend polnisch sprechendes
Publikum ein solches Melodram, sei es auch auf Polnisch, doch nicht das Richtige sei.
Eine Erklärung der Spielplangestaltung – für die nach Meinung von Ruta Sakowska
„häufigen“ Repertoirewechsel – liefert das Nowy Teatr Kameralny in einer Anzeige der
Gazeta Żydowska vom 3. oktober 1941:
Die hervorragende Komödie Moje żone mnie zdradzają, die zur Zeit im Nowy Teatr Kameralny
gegeben wird, ist ohne jeden Zweifel ein großer Publikumserfolg, was die ständig ausver-
kauften Vorstellungen beweisen, auch die an den Feiertagen um 15.00 Uhr und 17.40 Uhr.
Die Direktion des Nowy Teater Kameralny bat uns (die Redaktion) anzumerken, dass sie den-
noch beschlossen hat, das Programm so oft wie möglich – unabhängig vom Erfolg eines
Stückes – zu wechseln, um seinem Publikum ein möglichst abwechslungsreiches Programm
zu bieten.26
24 GŻ/75/2/1942.
25 GŻ/63/2/1942.
26 GŻ/93/5/1941.
18 III. Die professionellen konzessionierten Theater
Anzumerken ist, dass in eben diesem Theater ein Stück im Durchschnitt (auf die gesamte
Spielzeit bezogen) 45 Aufführungen erlebte.27
Lief ein Stück besser als erwartet, wie z. B. Mirla Efros – ebenfalls im Nowy Teatr
Kameralny –, wurde auch schon mal die Premiere des nächsten Stückes später als geplant
auf den Spielplan gesetzt: „Auf Grund des außergewöhnlichen Erfolgs von Mirla Efros
muss die Premiere des bereits geprobten Moje żony mnie zdradzają um ein paar Tage
verschoben werden.“28
Gespielt wurde auch am Samstag, obwohl dieser Tag offiziell gemäß jüdischer Tradi-
tion vom Judenrat – nach einer Verfügung des Judenratsvorsitzen Adam Czerniakow vom
20. Februar 1941 in Abänderung der Sonn- und Feiertagsordnung aus dem Jahre 1919, die
wohl bis zu diesem Zeitpunkt im Ghetto Gültigkeit hatte – statt des Sonntags als Ruhetag
zuerst für Dienststellen des Judenrates, später (gegen den entschiedenen Widerstand von
Frisören und Photographen) nahezu für jede Geschäftstätigkeit eingeführt wurde. Diese
Sabbatregelung (die auch jüdische und christliche Feiertage wie Weihnachten, Ostern,
Christi Himmelfahrt usw. einschloss und bei deren Zuwiderhandlung Geldstrafen und
auch Gefängnis bis zu drei Monaten verhängt werden konnten) hatte allerdings nicht den
geringsten Einfluss auf die Theater, die ihr Publikum jeden Tag unterhalten wollten und
die Einführung der Samstagsruhe offensichtlich einfach ignorierten, gespielt wurde auch
an jüdischen Feiertagen wie Jom Kippur, Sukkot, Pessach usw. (an den christlichen so-
wieso).
Die konzessionierten Theater unterstanden der Abteilung Propaganda und Volksauf-
klärung. Gespielt werden durften keine Stücke „arischer“ Autoren, was bedeutete, dass die
Theater nur jüdische Autoren spielen durften, wobei sie oft auf bereits inszenierte Stücke
ihres Vorkriegsrepertoires zurückgreifen konnten. In der Praxis sah das dann so aus:
Also alte Operetten und Musikkomödien spielen. Und dann die erste Schwierigkeit. War dieser
oder jener Autor, war Kowalski ein Jude oder war es keiner? Wenn es kein Jude war, durften
wir ihn im Ghetto nicht spielen […] Ich bitte Sie, meine Herren, woher soll ich denn wissen,
wer sich hinter dem Pseudonym Dupont verbirgt, vielleicht ein Herr Meyer oder Rapaport? Für
jeden Fall fälschten wir die Namen von Autoren und verlegten deren Wohnsitz vom feindlichen
England oder Amerika in die Schweiz oder nach Portugal, was sich als außerordentlich erfolg-
reich erwies.29
Kontrolliert wurde allerdings so gut wie nie, auch dass z. B. bei dem Stück Der Geizige
statt Molière der Name des Übersetzers Aron Ajnhorn als Autor auf dem Plakat zu lesen
war, fiel niemandem in der Behörde auf. Es interessierte sie einfach nicht. Zwar gab es im
27 Zum Vergleich: in der Spielzeit 2013/2014 kam ein Stück im Deutschen Theater Göttingen
auf 12 bis 14 Aufführungen nach Premiere (mündliche Auskunft des Büros für Öffentlichkeits-
arbeit).
28 GŻ/84/2/1941.
29 Jerzy Jurandot, Miasto skazanych, 291.
III. Die professionellen konzessionierten Theater 19
Judenrat das Referat Schauspiel, das aber de facto nicht existierte, da die Deutschen
dieses Referat nicht genehmigten. Trotz dieser „Nichtgenehmigung“ berichtet die Gazeta
Żydowska anlässlich des einjährigen Bestehens des Eldorado am 24. Dezember 1941:
Erst im April 1942 gestatteten die Behörden die Einrichtung des Referats Schauspiel, des-
sen Aufgabe es sein sollte, die Theater zu überwachen:
[…] Alle Theater, Cafés und Örtlichkeiten, in denen öffentliche Veranstaltungen wie Theater,
Revuen, symphonische Konzerte und Musikstücke gegeben werden, müssen sich im Referat
Schauspiel31 registrieren lassen. Theaterstücke, Revuen, Musik- und symphonische Veranstal-
tungen müssen vor der beabsichtigten Veranstaltung dem Referat zwecks Genehmigung vor-
gelegt werden.32
30 GŻ/128/5/1941.
31 Herman Czerwiński hatte dessen Leitung bis zu seinem Tod Ende Mai 1942 inne.
32 GŻ/40/2/1942.
33 Ryszard Marek Groński, Proca Dawida, 109.
20 III. Die professionellen konzessionierten Theater
Die Warschauer Theater waren nur noch dem Namen nach polnisch.
An der Spitze der Warschauer Theater, die durch die T.K.K.T. (Gesellschaft zur Ver-
breitung von Theaterkultur) zwangsmonopolisiert wurden, steht niemand anderes als
der galizische Jude Arnold Szyfman, der sich mit seinen Methoden zum Diktator des
Warschauer Theaterlebens emporgeschlichen hatte. Auf Grund seiner privilegierten Stel-
lung entschied er allein über das Schicksal polnischer Schauspielerinnen und Schauspieler,
über das Schicksal polnischer Theaterschriftsteller, mit einem Wort, über polnische Kunst
und polnisches Theaterschaffen. Bei seinem Treiben sekundierte ihm als künstlerischer
Leiter der T.K.K.T. Herr Pommer – natürlich ein Jude, der unter dem Namen Pomirowski
agierte.
Zu den engsten Mitarbeitern von Szyfman gehörten Juden wie: der Monopolist
für Verfälschungen Hemar (Henoch Heszeles), Herr Szacki, ehemaliger Direktor des
Theater Letni, der Regisseur Herr Karol Bilanek (pseud. Borowski) und Herr Aleksander
Węgierko, ebenfalls Regisseur. Durch deren enggespanntes Netz schlüpften nur die, die
sich jüdischen Interessen unterwarfen, wie z. B. jüdische Schriftsteller oder auch philo-
semitisch angehauchte Arier.
So sah es also aus, an der Spitze der T.K.K.T. An den anderen Warschauer Theatern
war es nicht besser. Verwaltungsdirektor des Ateneum war Marymont, im Qui pro
Quo residierte der Jude Majde vel Maude, im Wielka Rewia hatte sich der Jude Regirer
festgesetzt, im Cyrulik Warszawski herrschte der Jude Olear und Direktor des Tip-
Top war der Semit Bajer. Veranstalter von Konzerten und Vorstellungen waren die
Juden: Orenstein, Czerto, Kobak und Jakowlew, Cudek (pseud. Cudnowski), Jonasz und
Markiewicz.
Alle diese Herrschaften gierten nach dem polnischen Theater und hatten dabei ihre
Lieblinge. Hier die Liste ihrer Favoriten: Fajertag (Michał Znicz), Chwatówna (Seweryna
Broniszówna), Szenker (Kersen), Tiché, Lipszec – Souffleur), Bilauerówna (Węgier-
kowa – Bühnenbildnerin), Lesmanówna (Leśmaniówna), Grywińska, Polakówna, Goldfus
(Rzęcki) , Regirer (Regro), Kamieniecka, Cukier (Szletyński – Regisseur), Szrajerówna,
Hertz (Barwiński – Regisseur ), Bratman (Staniswławski), Żytecki sowie eine ganze
Reihe weniger prominenter Juden.
Stars in den angeblich polnischen Revuetheatern waren: Blomberg Tadeusz (pseud.
olsza), Blomberg Michał (Halicz), Nasielski (pseud. Sielański), Schonbergówna
(Różyńska), Kahanówna (Korzelska), Blaufuks (Belski), Lewinson (Aston), Chajter-
ówna (Terné), Gemeiner (Minowicz), Lateiner (Lawiński), Zajenda, Rapaport (Wiera
Gran), Singer (Wesby) , Philipp, die komplette Familie Grünberg (Górzyński), Fitel-
berg, Płońskier (Płoński), Gotlib (Borucki), Kitajewiczówna, Boruch (Boruński), Szlos-
berg, Gimpel, Tom (angeblich Konrad), Merklówna (Karlińska), Kraszewska Jula, Wit-
III. Die professionellen konzessionierten Theater 21
Und wovon sollen wir leben, wenn jeder von uns nur das kann,
was er macht und das in diesen Zeiten niemand braucht?
Andrzej Włast
34 Anonymer Artikel aus dem Nowy Kurier Warszawski, Nr. 2 vom 16.12.1939, 2, zitiert nach
Tomasz Mościcki, Teatry Warszawy 1939, 434 – 436.
22 III. Die professionellen konzessionierten Theater
Nach Schließung des Ghettos befanden sich nach Jonas Turkow im „jüdischen Viertel“
135 Schauspieler und Spielleiter, 157 Musiker und Komponisten, 78 Schriftsteller, die
auf Jiddisch, Polnisch oder Hebräisch schrieben, sowie 25 Maler und bildende Künstler,
deren Zahl sich im Lauf der Zeit durch Flüchtlinge aus łódź, Krakau und Lemberg noch
weiter erhöhte.35
Als in Warschau die Vernichtungsaktionen [gemeint ist Kriegsanfang 1939] begannen, verloren
die meisten der Schauspieler ihre Arbeit. Ein Großteil von ihnen ging nach Russland, von wo
dann gute Nachrichten von ihnen kamen: die meisten hatten Arbeit in den staatlichen Theatern
gefunden, konnten weiterarbeiten, sich weiterentwickeln und sich im Beruf vervollkommnen.
Viele Schauspieler blieben allerdings in Warschau und hungerten, da im ersten Kriegsjahr alle
jüdischen Theater geschlossen waren. Um ihre Situation erträglicher zu gestalten, richteten die
in der Hauptstadt gebliebenen Mitglieder der Schauspielervereinigung in der Leszno-Straße 2
eine Kantine ein, in der Essen ausgegeben wurde, um so das schwere Los ihrer Berufsgenossen
ein wenig zu lindern.36
Verwaltet wurde diese Kantine von Karl Cymbalist, Ewa Sztokfeder, Dantziger, Lui, Maks
Bryn und Abram Kurc. Daneben suchte der Vorstand auch noch nach anderen Möglich-
keiten, ihnen Hilfe zukommen zu lassen. Man organisierte Geld beim Joint Distribution
Committee (JDC)37 und anderen Institutionen und suchte Lebensmittelpäckchen, Klei-
dung usw. zu beschaffen. Etliche der Theaterleute kamen in der Żydowska Samopomoc
Społeczna (ŻSS, Jüdische Soziale Selbsthilfe)38 unter, so z. B. Klara Segałowicz in der
Kleiderabteilung, Mordechai Mazo (ehemaliger Direktor des jüdischen Theaters in Wilno)
in der Versorgungsabteilung, Diana Blumenfeld (Frau von Jonas Turkow), Miriam Orles-
ka als Hilfskellnerin39, ebenso Estera Goldenberg, Rachel Turkow, Ewa Sztokfeder, Ajzyk
Samberg, Abraham Kurc. Andere, wie Dawid Birnbaum, Jozef Najwert und Mieczesław
Mieczkowski, schoben Karren oder verdingten sich als Rikscha-Fahrer, Maks Bryn
hausierte mit Rasierklingen, Szlomo Cukier und seine Frau Regina verkauften Kuchen,
und Meier Winder arbeitete in einem Begräbnisinstitut.40
Ähnlich erging es ihren Kollegen der polnischen Theater, die, nachdem die Theater
geschlossen wurden, ebenfalls ohne Beschäftigung auf der Straße landeten. In seinem
Memorandum „Einige Gedanken über die Behandlung der Fremdvölkischen“ vom 15. Mai
1940 erklärt Heinrich Himmler, dass für Polen eine vierklassige Volksschule, in der man
lerne, bis 500 zu zählen, eine Unterschrift leisten zu können und den Willen der Deutschen
als Wille Gottes anzusehen, und die genaue Kenntnis der deutschen Verkehrszeichen
völlig ausreiche. Lesen zu können sei nicht nötig. Hans Frank, Generalgouverneur im
Generalgouvernement, schreibt in seinem Tagebuch, der Führer habe ausdrücklich
darauf hingewiesen, dass es für das Generalgouvernement keinerlei Notwendigkeit gebe,
das Leben nach deutschem Muster zu gestalten, und dass jede Germanisierung fehl am
Platz sei.41 Göbbels verkündete in łódź, dass er gegen Kino, Theater und Kabarett für
Polen sei, da man der polnischen Bevölkerung nicht ständig vor Augen führen müsse, was
sie verloren habe.
In den von Deutschland annektierten Gebieten sollte ausschließlich Deutsch gespro-
chen, die polnische Intelligenz erfasst und unverzüglich ausgesiedelt werden. Polnische
Presse, polnische Bücher wurden verboten, Kinos und Theater geschlossen. Polen war
der Besuch von deutschen Kinos und Theatern nicht gestattet. In „Restpolen,“ d. h. im
Generalgouvernement, hatte man keinerlei Interesse, polnische Kultur oder nationale
Gedanken zu fördern, dennoch bekamen einige Theater und Kinos eine spezielle Konzes-
sion, was zu dem Boykottaufruf „Tylko świnie siedzą w kinie“ („Nur Schweine setzen
sich ins Kino“) führte. Erlaubt waren Musikveranstaltungen, die ausschließlich der Un-
terhaltung dienten, verboten waren Konzerte, die den Zuhörern auf Grund ihres hohen
Niveaus ein künstlerisches Erlebnis boten.
Auf die Bühne gebracht werden durften Operetten, Revuen und leichte Komödien,
verboten waren ernsthafte Schauspiele und Opern. Folgerichtig machten dann auch Mitte
1940 in Warschau die ersten Theater auf und spielten operetten, Revuen und leichte
Komödien. Um die volle Kontrolle über Künstler zu bekommen, wurde am 23. August
eine Verfügung herausgegeben, nach der jeder Musiker, Komponist, Maler, Bildhauer,
Grafiker, Kunsthändler, Schauspieler, Sänger, Verleger, Redakteur, Buchhändler und
Photograph, egal ob haupt- oder nebenberuflich, sich im Amt des jeweiligen Stadt- bzw.
Kreishauptmanns zwecks Registrierung zu melden habe. Die Registrierten bekamen dann
eine Erlaubniskarte, ohne die sie sich nicht künstlerisch betätigen durften.42 Daraufhin
rief die Związek Zawodowy Artystów Scen Polskich (ZZASP, Vereinigung der Berufs
ausübenden polnischer Bühnen) ihre Mitglieder dazu auf, unter keinen Umständen Enga-
gements an von der deutschen Propaganda organisierten Veranstaltungen bzw. an von
den Deutschen lizenzierten Theatern anzunehmen (was als Kollaboration angesehen und
in einigen Fällen mit dem Tod bestraft wurde). Man sollte vielmehr als Beruf Kellner,
Garderobier, allerhöchstens Bänkelsänger oder Kaffeehausdeklamator angeben, mit der
Folge, dass Kollaborateure in den Cafés nicht zu sehen waren, da dort die Elite der Theater-
künstler das Feld beherrschte.43
Am 18. oktober eröffnete das erste Café dieser Art, das Café Bodo (Café der Schau-
spieler) in der Pieracki-Straße 17, in dem „die Darsteller von Hauptrollen Tabletts balan-
cierten und sich zehn Prozent der Einnahmen teilten.“ So konnte man im Café Bodo die
berühmte junge Schauspielerin Maria Bojerska sehen, die als Zigarettengirl wie in der
Vorkriegszeit Zigaretten verkaufte. „Vielleicht Ergo? Ägyptisch spezial? oder Damesy?“44
Das größte Lokal dieser Art war das Café der Filmschauspieler in der Złota-Straße 7.
Weitere Künstlercafés waren u. a. das Gastronomia auf der Nowy świat-Straße 10
(Konzert mit Musikern der Warschauer Philharmonie), das Restaurant Femina in der
Ujazdowska-Allee 31 (mit Opern- und Radiostars), die Dancing-Bar Adria (Symphonie-
konzerte) und etliche mehr. Auch nach Spielbeginn der konzessionierten Theater nutzten
Schauspieler und Schauspielerinnen dort weiterhin die Möglichkeit, neben ihren Spiel-
verpflichtungen zur Verbesserung ihrer finanziellen Situation in diesen Restaurants und
Cafés aufzutreten.
Erste Beschäftigungsmöglichkeiten für die jüdischen Schauspieler ergaben sich (neben
sporadischen Auftritten bei Hauskomitees, bei denen Symcha Fostel sehr gefragt war),
als die ersten Cafés und Vergnügungslokale Genehmigungen bekamen, um in den über-
wiegend von Juden bevölkerten Bezirken Veranstaltungen durchzuführen. Chaim Kapłan
schreibt dazu:
Die am besten gehenden Cafés werden ab dem 1. September [1940] von Volksdeutschen über-
nommen, wie das mit den früheren jüdischen Apotheken der Fall war. Eines Tages spaziert
einer von dem Herrenvolk in dein Kaffeehaus und übernimmt deinen Platz. Weil du ihm gehörst
und alles, was du hast, sein ist.45
Als erste engagierte Anfang 1940 eine gewisse M. Vogt, die deutsche Eigentümerin des
Café Gertner in der Tłomacka-Straße 40, das bis September 1940 existierte und dann
unter dem Namen Café-Restaurant-Varieté-odeon weitergeführt wurde, jüdische Büh-
nenkünstler und -künstlerinnen wie Ida Erwest, Symcha Fostel, Dawid Zajderman, später
auch Chana Lerner. Das erste Inserat des Café Gertner erschien in der Gazeta Żydowska
43 Vgl. Stanisław Marczak-oborski, Teatr czasu Wojny: Polskie zycie teatralne w latach II wojny
światowej (1939–1945), Warschau 1967, 50 –51.
44 Tomasz Mościcki, Teatry Warszawy 1939, 406.
45 Chaim kapłan, Buch der Agonie: Das Warschauer Tagebuch des Chaim A. Kaplan, hrsg. von
Abraham I. Katsh, Frankfurt a. M. 1967, 225.
III. Die professionellen konzessionierten Theater 25
am 30. Juli 1940 und warb mit dem „Auftritt polnischer und jüdischer Film- und Bühnen-
schauspieler im Dancingroom“ sowie dem Jolly-Boys-Orchester,“ dazu der Hinweis „Für
jüdisches Publikum von 8.00 bis 20.00 Uhr.“ 46 Ebenso inserierten Melody Palace (Attrak-
tion: das Orchester Leopold Rubinsztejn)47 und das Café der Revuekünstler Bon Apetit –
auch hier die Anmerkung „Für jüdisches Publikum“ – in dem neben anderen Wiera Gran,
Jakub Grynszpan, Bołesław Norski-Nożyca und Regina Cukier auftraten.48
Allerdings wechselten Programm und Schauspieler alle 14 Tage (Bon Apetit jede Woche),
so dass es zu keinen dauerhaften Engagements kam, wobei allerdings nach Café Gert-
ner und Bon Apetit andere Cafés und Nachtlokale jedweder Couleur, die auf Grund des
florierenden Geschäfts „wie Pilze aus dem Boden schossen,“ den Schauspielern und
Sängern weitere Engagements boten: „Immer mehr Vergnügungslokale machen auf. Oft
sind die Miteigentümer Volksdeutsche.“ 49 Über diese Cafés und Bars, die Schauspielern
und Schauspielerinnen auch nach Eröffnung des Spielbetriebs der Ghettotheater Engage-
ments und Gage boten, schreibt die Gazeta Żydowska:
In Warschau gibt es eine Saison für Künstler und „Künstler.“ In unserem Viertel gibt es viele
Künstler, die vielleicht noch nie vorher auf der Nalewki-Straße waren, aber jetzt dort auftreten,
und es gibt Künstler, die der Krieg hervorgebracht hat und deren „Ruhm“ schnell verblasst ist.
Aber es gibt auch hervorragende Künstler bei uns, nur… wer weiß, wo sie sind, wer kennt sie
oder wer wird sie kennenlernen?
Das künstlerische Angebot ist groß. Es gibt in Warschau eine Menge Lokale, die eben diese
Künstler beschäftigen. Jedes Café, jede Bar und jedes Restaurant wirbt mit „großen Attraktio-
nen, mit verrückten Sensationen“ oder mit „opulenten, sensationellen Matineen und Nachmit-
tagsvorstellungen.“
In letzter Zeit entstanden im Viertel die „Gärtchen.“ So gibt es das Sielanka-Gärtchen, das
Bagatela-Gärtchen und den Künstlergarten. Daneben hat auch jedes Café noch eine Terrasse
oder ein Gärtchen, im Café spielt Musik und Künstler treten auf. Man trifft auf bekannte Na-
men. Man kann in einer Vorstellung zwei unterschiedlichste Künstler mit unterschiedlichem
Können sehen, zwei Menschen, die nicht im Traum daran gedacht hätten, miteinander aufzu-
treten; manchmal treten die Stars zusammen mit namenlosen Künstlern auf, die auch namenlos
bleiben werden.
Im Melody gibt es zwei interessante Vorstellungen. Die eine mit dem Titel Ein Nachmittag
mit Werken von Tuwim, in der Znicz, Minowicz, Grodzieńska und das orchester Leopold
Rubinstein auftreten. Schade nur, dass diese Veranstaltung am Sonntag um 12 Uhr stattfand,
zumal im Viertel der Samstag der Ruhetag ist, und nur am Samstag können sich Juden erlauben,
derartige Ereignisse wahrzunehmen. Vielleicht ist es an der Zeit, den Ruhetag vom Samstag
auf den Sonntag zu verschieben, wo es dann auch für Beamte und Arbeiter möglich ist, am
kulturellen Leben teilzunehmen.
Die andere Veranstaltung ist Neue Talente gesucht unter der Leitung von Grodzieńska und
Minowicz, in der das Publikum diese neuen Talente entdecken soll, wobei wohl einige Träume
46 GŻ/3/8/1940.
47 GŻ/4/12/1940.
48 GŻ/6/12/1940 und 5 weitere.
49 Emanuel rinGElbluM, Kronika Getta Warszawskiego, 240.
26 III. Die professionellen konzessionierten Theater
zerstört werden, andere aber noch auf Erfüllung hoffen lassen. […] Wiera Gran und Władyslaw
Szpilman treten im Na Siennej auf; Wiera Gran ist ab und zu im „Bagatelagarten“ zu sehen;
Szpilman gibt Gastspiele im Odeon, in dem auch oft Samberg mit seiner Mannschaft auftritt
(man kann fast sagen, dass das odeon Sambergs Theater ist) und im Café Znicz konzertiert
Mieczysław Gomułka.50
Abb. 6: „Café Splendid.“ Plakatiert ist (rechts) die Eröffnung des Gartens des Café Splendid (Leszno-
Straße 12) mit Auftritt von Symcha Fostel. Auf dem linken Plakat wird die Benefizveranstaltung für
den Musiker Jakub Kagan angekündigt.
Als nach Einrichtung des Ghettos als erstes Theater das Eldorado mit der Premiere des
Stückes In Rejdł am 6. Dezember 1940 seinen Spielbetrieb aufnahm und es danach zu wei-
teren Theatergründungen kam, verbesserte sich die Situation der Schauspieler und Schau-
spielerinnen etwas.
Zwar gab es einen Beschluss des Hauptvorstandes des Verbandes Polnischer Schauspieler
(ZASP), die öffentlich spielenden Okkupationstheater zu boykottieren. Trotzdem wurde der
Beschluss angesichts der tragischen Situation der jüdischen Schauspieler hier nicht angewandt.
Nach der Befreiung wurde keines der Mitglieder der ZASP für das Auftreten in den konzes-
sionierten Ghettotheatern disziplinarisch zur Verantwortung gezogen. Die Schauspieler dieser
Theater wurden auch von Seiten der jüdischen Untergrundkämpfer nicht verdammt oder auch
nur getadelt.51
50 GŻ/48/3/1941.
51 Ruta Sakowska, Menschen im Ghetto, 149.
III. Die professionellen konzessionierten Theater 27
bringen. Jerzy Jurandot vom Femina, dem es ab und zu gelang, für die Schauspielerin Ada
Połomska kleine Gagenerhöhungen zu „erzwingen”, schildert die Situation am Femina
folgendermaßen:
Ich bezweifle, dass irgendein Schauspieler auf dieser Welt in einer solchen Atmosphäre und
unter solchen Bedingungen spielen würde, um dann für die nervenaufreibende und schwere
Arbeit auf der Bühne mit ein paar Groschen „Beteiligung“ abgespeist zu werden. Nur einige
prominente Schauspieler verdienten so viel, dass sie sich jeden Tag einen Laib Brot leisten
konnten. Die anderen mussten sehen, dass sie zwischen Proben und Aufführungen [in der Regel
wurde bis zwei Stunden vor Aufführung geprobt] irgendetwas dazuverdienen konnten.52
Eine dezidierte Meinung zur Finanzierung von Theatern und dem Einkommen von Schau-
spielern vertritt Guta Ejzenzwajg in der Gazeta Żydowska, indem er feststellt:
Wir wissen, die Theater sind finanziell auf sich allein gestellt, es gibt keinerlei Subventionen,
keinerlei Hilfe. Das ist zu bedauern, aber wir müssen uns auch fragen: sind die Künstler denn
irgendwelche Ausnahmen? Sind nur sie allein auf sich gestellt? Welchen Privilegierten fliegen
denn die gebratenen Tauben ins Maul? Wie viele sind das unter den breiten Volksmassen?53
Die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen in den konzessionierten Theatern waren durch voll-
ständige Abhängigkeit von den Arbeitgebern gekennzeichnet. Zum Alptraum der Schauspie-
ler gehörte der Mangel an Stabilität und eine Fluktuation in den Ensembles […] Die Schau-
spieler arbeiteten nach dem Anteils-Prinzip: Nach Bezahlung der festen Kosten (Lokal, Licht,
Anzeigen usw.) und dem garantierten Gehalt der Unternehmensdirektoren wurde das restli-
che Geld nach einem Punktesystem unter den Schauspielern aufgeteilt. Sogar populäre Schau-
spieler verdienten nur 600 –700 Złoty im Monat. Bei der unglaublichen Teuerung waren das
weniger als bescheidene Einkünfte. Die Schauspieler, die auf diese Einkünfte angewiesen
waren, hungerten eben.54
Anzumerken ist, dass, als das Warszewer Jidiszer Kunst Teater den Versuch machte, diese
anteilige Bezahlung [„działówka”] durch feste Gagen zu ersetzen, das Ganze in einem
finanziellen Desaster endete.
Zum Vergleich: Nach Barbara Engelking bewegte sich der Brotpreis (Schwarzbrot)
auf dem freien Markt von Dezember 1940 bis Juli 1942 zwischen 10 und 20 Złoty, um
dann bei Beginn der „Wielka Akcja“ bis auf 60–80 Złoty zu steigen.55 Nach Berechnun-
gen des Ghetto-Kommissars betrugen die Mindestlebenshaltungskosten im April 1941
159,84 Złoty, Ende Mai 1941 353,65 Złoty pro Person.56 Am 7. Februar 1941 empfiehlt
das Café-Restaurant Nowoczesna in der Nowolipki-Straße 10 eine warme Mahlzeit direkt
vom Herd ab 2 Złoty, Suppe mit Gebäck (den ganzen Tag) für 1,50 zł (einschließlich
musikalischer Begleitung von Władysław Szpilman) sowie Salate und Wurst zum Mit-
nehmen57 und am 28. Februar 1941 gibt es im gleichen Restaurant eine 3-Gänge Mahlzeit
mit Gebäck für 4 zł sowie warme und kalte Imbisse,58 das Café Capri wirbt mit schmack-
haften Gerichten für 3,50 zł, mit kalten und warmen Imbissen.59
Leider werden in den Theateranzeigen so gut wie nie Kartenpreise genannt, einmal
werden für eine Matinee im Femina Szafa gra und Batalion humoru in der Gazeta Żydowska
Preise von 2 – 4,80 Złoty (August 1941) erwähnt, Ruta Sakowska gibt den Kartenpreis für
Winter 1941 mit „nicht ganz 2 Złoty” an.
Nach Ruta Sakowska hatten die Theater 500 – 600 Sitzplätze (das Femina 900) und
waren im Durchschnitt zu 80% ausgelastet, an Fest- und Premierentagen war die Aus-
lastung gar 100 %.60
Das würde bedeuten, dass ein Theater mit 500 Plätzen bei einer Auslastung von 80 %
800 Złoty, bei 100 % 1000 Złoty pro Vorstellung einnahm und pro Monat bei einer Pre-
miere (100 %) und 28 Aufführungen 22.400 Złoty erwirtschaftete. Wesentlich höher dürf-
ten die Einnahmen des Femina gewesen sein, das über 900 Plätze verfügte und demnach
pro Monat 40.300 Złoty einspielen konnte.61 Nach Abzug der Fixkosten wurden diese
Gelder dann nach einem Verteilungsschlüssel von der Direktion an das künstlerische und
nichtkünstlerische Personal verteilt. Wahrscheinlich bedeutete dieses Punktesystem, dass
pro gespielter Vorstellung bezahlt und die Gage nach Rolle, Textumfang oder Popularität
des Bühnenkünstlers ausgezahlt wurde, so dass in diesem Fall nicht die Zahl der Enga-
gements, sondern vielmehr die Zahl der gespielten Aufführungen das Einkommen be-
stimmte, wobei Regina Cukier mit 538 Vorstellungen (ohne Auftritte bei Benefizveran-
staltungen) die Liste der Vielbeschäftigten anführt. Neben den regulären Vorstellungen
hatten die Schauspieler die Möglichkeit, bei Benefiz- und Jubiläumsveranstaltungen so-
wie bei Festbanketten dazuzuverdienen. 1940 spielte im Melody Palace die Kabarettruppe
von Jerzy Jurandot, das Ensemble teilte sich die Gage, die ein paar Prozent der Billett-
einnahmen betrug, was zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel war. Jerzy Jurandot
jedoch hatte die Lösung:
Man musste sich etwas einfallen lassen. Plötzlich kam mir ein Wort in den Sinn, das ich in
Autobiographien früherer Schauspieler öfter gelesen hatte: Benefiz. Das bedeutete, dass eine
Theatertruppe von Zeit zu Zeit beschloss, eine Vorstellung zu Gunsten eines ihrer Mitglieder
zu veranstalten. Alle Schauspieler und Musiker traten ohne Gage auf und verkauften Wochen
vorher Karten an begüterte Bekannte. Saalmiete, Heizung und Licht übernahm die Direktion,
und die ganzen Einnahmen gingen in die Tasche des Benefizianten, der nur für die Druckkosten
für Plakate und Einladungen aufkommen musste.62
Dazu der Kommentar von Herman Czerwinski in der GŻ/128/5 vom 24. Dezember 1941
unter der Überschrift Jubiläums- und Benefizveranstaltungen:
Gewöhnlich kommen nach der Herbst- und mit Beginn der Winterspielzeit in der Welt der
Schauspieler die Jubiläums- und Benefizveranstaltungen. Das sind künstlerische Veranstal-
tungen, die gewissermaßen zur „Bezahlung“ für künstlerische Arbeit und Verdienste auf
der Bühne dienen. Mit Jubiläumsveranstaltungen wurden in letzter Zeit bedacht: Maks Bryn,
langjährig verdienter Schauspieler; H. Balbierski, jüdischer Bühnenkünstler; für 25-jährige
Bühnenarbeit Chana Lewin, hervorragende Vaudeville-Schauspielerin; der Komiker und
Publikumsliebling Symcha Fostel, der talentierte Sänger Dawid Zajderman und die außer-
gewöhnlich erfolgreiche Chana Lerner. Jetzt – nach Ende der Benefizserie – kündigt auch das
Eldorado aus Anlass seines Jahrestagsjubiläums ebenfalls ein unterhaltsames und abwechs-
lungsreiches Programm an.63
Anzumerken ist, dass diese Veranstaltungen meist Matineen waren, damit der Spielbetrieb
am Abend reibungslos verlaufen konnte.
Es wurden Schirmherrschaften ins Leben gerufen, Reklame gemacht und Karten ver-
kauft und, da die ersten zwei Veranstaltungen dieser Art sehr erfolgreich waren, fanden
sich Mäzene, die auch mal 1000 Złoty für die teilnehmenden Künstler springen ließen.
Die erste Veranstaltung war für den Veteran der jüdischen Bühne Lejb Winer (40-jährige
Jubiläum), der kurz danach verstarb, danach kam Meier Winder, Direktor des Eldorado
(25-jähriges) gefolgt von Ajzyk Samberg (30 Jahre) […], Maks Bryn (30 Jahre), Chana
Lewin (20 Jahre), Hersz Balbirski (25 Jahre), Symcha Fostel (25 Jahre) sowie Regina
Cukier, Diana Blumenfeld und Ajzyk Samberg.
Das große Los hatten die gezogen, derer sich Abram Gancwajch, Chef der 1364, die
famosen Herren Kohn und Heller65 oder Dawid Sternfeld, Kommandant der Polizei der 13
als Gönner annahmen.
Dabei kam es durchaus zu Rivalitäten. Wenn Gancwajch ein Bankett veranstaltete,
sahen sich Kohn und Heller genötigt, ebenfalls eine Festivität auszurichten. Es wurden
riesige Plakate geklebt, mit ihren Namen in Großbuchstaben, als seien sie die Stars –
manchmal wurde auch ein Waffenstillstand geschlossen und man traf sich beim gemein-
samen Galabesuch.
Die Teilnahme an dem die ganze Nacht dauernden Spektakel kostete 15 Złoty, eingenommen
wurden ca. 4.500 Złoty. Das Ganze begann um 18 Uhr und verlief dann folgendermaßen:
Gegeben wurde Libe und Farrat mit den Jubilaren Samberg und Fostel in den Hauptrollen. Da-
nach folgte ein Unterhaltungsteil mit Roza Gazel, Ajzyk Samberg, Symche Fostel, Icchak
Salwe (dem Schwiegersohn Sambergs), Hersz Balbirski und anderen. Damit war der erste
Teil der Veranstaltung abgeschlossen. Danach wurde das Publikum gebeten, den Zuschauer-
raum zu verlassen, und es wurde umgebaut, die Sitze kamen raus und statt derer wurden lange
Tischreihen aufgebaut, aber auch kleinere für die Ehrengäste, als da waren: Abram Gancwajch
samt Sternfeld ganz oben, dann Kohn und Heller, Josełe Kapota66 samt seiner Bande,
Frau Judtowa mit Familie, dann jede Menge Schmuggler, Schieber, Vertreter der jüdischen
Polizei in Schaftstiefeln und ihre Familien und jüdische Künstler […] Dann kamen die Reden,
Marek Orenstejn67 begann und lobte den Jubilar und seine Verdienste für das jüdische Theater
usw. Danach lobte der Chef der Kunstkommission, aber als dann auch noch Gancwajch
das Wort ergreifen wollte, protestierte ein Teil des Publikums mit „Genug geredet, wir wollen
was essen!“ und „Ein Lied!,“ woraufhin die Anhänger Gancwajchs sich auf die Störenfriede
stürzten und eine Prügelei begannen, die allerdings von Josełe Kapota relativ schnell beendet
wurde.68
Neben Spektakeln dieser Art wurden auch Familienfeiern der Ghettohäuptlinge in den Thea-
tern veranstaltet, so z. B. Anfang Juni 1941: „Im Theater Azazel feierte man die Konfirmati-
on von Gancwajchs Sohn, der bei dieser Gelegenheit zum Sektionsleiter ernannt wurde“69,
weiter, 356: „Auf der Straße erzählt man sich, dass bei Gancwajch nachts orgien stattfinden. Wie
viel Wahres daran ist, konnte ich nicht feststellen. Gancwajch verspricht, für die Juden Küchen
in der Leszno-Straße, wo er Häuser verwaltet, einzurichten. Seine Verdienste sind – wie auf einer
Konferenz der Hauskomitees der Leszno-Straße festgestellt wurde – die Befreiung von Korczak
und des Bruders des Rabbiners aus Góra Kalwaria, die Abschaffung des Ghettos in Minsk
Mazowiecki sowie die Rettung der Sienna- und Grzybowska-Straße (es war seine Entdeckung,
dass die Kirche in der Grzybowska-Straße für die Getauften gebraucht wird). Man schätzt ihn so
ein: drei Viertel Saukerl, ein Viertel Romantiker.“
65 Moryc Kohn und Zelik Heller, Grundstücksverwalter, Eigentümer der Pferdebahn, Kaufhaus-
besitzer, Schieber und Schwarzhändler. In einer Beileidsanzeige in der GŻ59/4/1942 für den
Redakteur und Kritiker der Gazeta Żydowska, Herman Czerwiński, unterschreiben sie mit „Direk-
tion Dom Handlowe,“ „Direktion Hala Nowoczesna“ und „Direktion Autoverkehrsgesellschaft.“
66 Josef Erlich, Agent der Gestapo im Warschauer Ghetto.
67 Gemeint ist Andrzej Marek.
68 Jonas turkow, C’était ainsi, 183 – 5.
69 Emanuel rinGElbluM, Kronika Getta Warszawskiego, 293.
32 III. Die professionellen konzessionierten Theater
oder es konnten sich die Gattinnen der Wohltätigkeit widmen, so auch Frau Redakteurin
Gancwajch: „Am Samstag, den 3. Mai findet unter der Schirmherrschaft der Frau Re-
dakteurin Gancwajch (JWP.) um 12.00 Uhr im Melody Palace, Rymarska-Straße 12 ein
großes Kinderfestival statt. […] Die gesamten Einnahmen sind für arme Kinder vor-
gesehen.“ 70
4. DAS PUBLIKUM
Im Ghetto hatte Theater wohl einen völlig anderen Stellenwert als die heutzutage kultur-
verbreitenden und -vermittelnden öffentlich geförderten Institutionen, die zu besuchen
das Publikum unterschiedlichste Motive hat – sei es der Wunsch nach Unterhaltung, nach
Teilhabe am kulturellen Leben, Denkanstößen, Neugier oder auch schlicht Interesse am
gesellschaftlichen Ereignis. Jerzy Jurandot, künstlerischer Leiter des Femina, sieht das Motiv
eines Theaterbesuchs im Ghetto im Versuch zu vergessen:
Jurandot bemerkt, dass das Publikum mit Anspielungen auf aktuelle Ereignisse im Ghetto
nicht zu kriegen war. Zuerst überraschte ihn das, da ja gerade „Aktualitäten“ in Vorkriegs-
revuen besonders gut gezogen hatten.
Aber dann verstand ich. Die Leute wollten Vergessen, für eine kurze Zeit das Vergessen all
dessen, was ihr Leben im Ghetto betraf. Also spielten wir alte musikalische Komödien und
Operetten. Und das war gut so.72
Auch der Redakteur „Al. R-d“ stellte in der Gazeta Żydowska anlässlich der Eröffnung
des Nowy Teatr Azazel fest:
70 GŻ/34/3/1941.
71 Jerzy Jurandot, Miasto skazanych, 68.
72 Ebd.,187. Eine Ausnahme seines Konzeptes war neben seinen Revuen insbesondere das von ihm
geschriebene Stück Miłość szuka mieszkania, das eine einzige Anspielung auf die Ghettoverhält-
nisse war.
III. Die professionellen konzessionierten Theater 33
Und in der Tat ist es ein Vergnügen, den grauen Alltag für zwei angenehme Stunden in dem
dämmrigen Saal dieses Theaters zu vergessen.73
Mary Berg schreibt anlässlich eines Besuches des Stückes Miłość szuka mieszkania im
Femina, wo sie neben etlichen Bekannten auch Edzia und deren Freund Zelig Silberman
traf, der einer der größten Schmuggler der Sienna-Straße war, als diese noch zum Ghetto
gehörte:
Das Publikum vergnügt sich vortrefflich und verbringt ein paar angenehme Stunden in dem
komfortablen Theater und vergißt völlig, welche Gefahren draußen lauern.74
Theater als Mittel zur Flucht vor der Wirklichkeit: war man im Theater, blieben Gendarmen,
Mauern, Typhus und Hunger für zwei Stunden vor der Tür. Barbara Engelking fügt dem
„Vergessenwollen“ noch eine Art „moralischen Widerstand“ hinzu:
Geistige Bedürfnisse, innerer Widerstand, sich nicht unterwerfen wollen oder auch der
Wunsch, dem Alltag zu entfliehen, waren Gründe, ins Theater oder in Konzerte zu gehen. […]
Die Teilnahme am kulturellen Leben war aber nicht nur Flucht vor der Realität oder psy-
chische Selbstverteidigung, sie war auch eine Art moralischen Widerstandes und gab das
Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Welt von Werten, aus der die Deutschen die Juden entfernen
wollten.75
Mary Berg geht einen Schritt weiter und nennt Lachen und Satire gar „Waffe“:
So kann man im Café Art in der Leszno-Straße Lieder und satirische Texte über die Polizei, den
Sanitätsdienst, Rikschas und sogar über die Gestapo hören, letzteres allerdings in versteckter
Form. Selbst die Typhusepidemie ist Gegenstand für Witze. Es ist ein Lachen unter Tränen, aber
ein Lachen. Es ist unsere einzige Waffe im Ghetto, das Lachen über den Tod und die Hitler-
dekrete. Humor ist eine Sache, die die Nazis nie verstehen werden.76
Natürlich war die Teilnahme an Kultur nur einem geringen Teil der Ghettobewohner
möglich. Mit jedem Tag stieg die Zahl der Kranken, der Umsiedler, die Verelendung der
Menschen in den Flüchtlingsherbergen, der vor Hunger Sterbenden, und die Zahl derer,
die jeden Tag ums Überleben kämpfen mussten […] „Aber es gab auch andere, ihre Zahl
wird auf 5 –10 % der Ghettobevölkerung geschätzt, also ca. 20.000 – 40.000 Personen,
die – zumindest eine Zeit lang – ganz oben in der Ghettohierarchie standen und die noch
genug Energie und Möglichkeiten hatten, ihre geistigen oder kulturellen Bedürfnisse zu
befriedigen.“77 Nach Ruta Sakowska hatten die Theater 500 – 600 Sitzplätze (das Femina
73 GŻ/38/3/1941.
74 Mary bErG, Dziennik z Getta Warszawskiego, Warschau 1946, 117.
75 Barbara EnGElkinG, Getto Warszawskie, 562.
76 Mary bErG, Dziennik z Getta Warszawskiego, 118.
77 Barbara EnGElkinG, Getto Warszawskie, 562.
34 III. Die professionellen konzessionierten Theater
900) und waren im Durchschnitt zu 80 % ausgelastet, an Fest- und Premierentagen war die
Auslastung gar 100 %.78
Wahrscheinlich ist diese 80 %-ige Auslastung zu hoch gegriffen, da es – wie in jedem
Theater – gute und schlechte Tage gab. Diese schlechten Tage hatten allerdings andere
Ursachen als heute, es waren ghettospezifische:
Eigentlich waren die Samstage die besten Tage, aber es reichte schon aus, wenn im Laufe
der Woche ein paar Straßen ausgegliedert wurden – dann blieben die Theater leer, denn die,
die zwar nicht unmittelbar davon betroffen waren, hatten Bekannte, Familienmitglieder oder
Freunde, die auf der Straße saßen und denen man helfen musste. Dazu kamen die ständigen
Razzien für die Arbeitslager, bei denen die SS wahllos alle Leute mitnahm, derer sie habhaft
werden konnte, und allein schon ein Gerücht darüber reichte aus, dass man an solchen Tagen
nicht vor die Tür ging, gar nicht zu reden von den später stattfindenden nächtlichen Massen-
morden. Jedes Theater war wie ein empfindliches Barometer, an dem man die Stimmung im
Ghetto ablesen konnte.79
Eine Verschlechterung für die Theater war, zumindest für die, die auf polnischsprachiges
Publikum setzten, die Teilung des Ghettos in ein „kleines“ und ein „großes“ Ghetto, ein-
hergehend mit einer Verkleinerung des Gesamtghettos, wobei 75.000 Juden umgesiedelt
wurden. Emanuel Ringelblum stellt fest: „Das Warschauer [Ghetto] hat drei Teile.
Aristokraten: Leszno-, Elektoralna- und Chłodna-Straße; Getaufte: Sienna-Straße;
gewöhnliche Juden: der Rest des Ghettos.“ 80 Die Sienna-Straße, eine anerkannt gute
Adresse, so wie das XVI Arrondissement in Paris oder das Mayfair in London, war
jetzt im „kleinen Ghetto,“ sie wurde auch „Szmendryk Allee“ genannt – mit Szmendryk
wurden im polnisch-jüdischen Milieu oberflächlich assimilierte Juden bezeichnet, die
mit Verachtung auf Juden und jüdische Kultur herabsahen und polnisches Theater bevor-
zugten:
Die Sienna-Straße ist die Straße der jüdischen Aristokratie. Eine breite Straße, viel frische
Luft, wenig Armut, wenige Bettler, sauber – eine Insel im Ghetto. Am Abend kann man dort
geschminkte elegante Damen sehen, die Hündchen spazieren führen, als wäre tiefster Frie-
den. Dort herrscht keine Enge, kein Trubel, nicht die Nervosität wie sonst überall im Ghetto.
Mit einem Wort: Eine Insel des Friedens und Wohlstands wie vor dem Krieg.81
Das war das beste Publikum für das Femina, aber man konnte schwerlich verlangen, dass sie
wegen irgendeines läppischen Vergnügens den kilometerlangen Weg durch allerschmutzigste
und völlig überfüllte Gassen gehen mussten und als Zugabe dann auch noch auf der Żelazna-
Straße dreimal an den Torwachen vorbei, wo, wenn man Pech hatte, ein Gendarm Dienst
tat, dem man den Spitznamen „Frankenstein“ gegeben hatte, weil er eine Fresse wie der Film-
frankenstein besaß, und der erst frühstücken konnte, wenn er jüdisches Blut vergossen hatte und
das Ganze dann wieder zurück – das lohnte sich nicht.82
Aber trotz der Razzien, trotz Typhusepidemien, trotz aller Überraschungen und Schikanen
spielten wir ohne Pause. Und das ist der beste Beweis, dass man uns brauchte. Wir hatten ein
Stammpublikum, das ungeduldig die nächste Premiere erwartete, um zwei Stunden Theater,
Ablenkung und Vergessen zu erleben. Aber da es nicht so viele waren, mussten wir oft das
Repertoire wechseln.83
Nimmt man die Zahlen von Ruta Sakowska als Grundlage, würde das bedeuten, dass ab
der Zeit, in der alle fünf Theater spielten, an jedem Spieltag bei einer Auslastung von 80 %
je Theater mindestens 2.500 Zuschauer die Theater besuchten. Ruta Sakowska meint,
dass es nicht erstaunlich sei, dass auf Grund der niedrigen Kartenpreise (2 Złoty) und des
Erfindungsreichtums der Hauskomitees hinsichtlich einer Erlangung von Mitteln für die
Fürsorgetätigkeit, gemeinsame Theaterbesuche organisiert und Eintrittskarten unter den
Mietern verteilt wurden. Weiterhin stellt Ruta Sakowska fest: „Die häufigen Repertoire-
wechsel zeugen davon, dass immer dieselben Zuschauer durch die Theater zogen.
Aber die hohe Besucherzahl zeigt doch, dass das Theater im Ghetto auf jeden Fall kein
exklusives Vergnügen war.“ 84 Zumindest für Ghettobewohner, die überhaupt noch die
Kraft hatten, sich mit etwas anderem zu beschäftigen als mit Hunger, Krankheit und
Tod. Über das Publikum im Femina schreibt Jerzy Jurandot anlässlich eines Auftritts von
Ada Połomska:
In den ersten Reihen saßen die Ghettoplutokraten […], im Parterre und auf der Galerie saß
das typische Samstagspublikum […] Sah ich an Werktagen unter den Zuschauern vorwiegend
intelligente Gesichter, suchte ich diese am Samstag vergebens. Das Samstagspublikum,
das waren Handwerkerjugend, Verkäufer und Verkäuferinnen kleiner Läden auf den Stra-
ßen Gęsia, Smocza und Zamenhofa, oft sogar Vertreter der Straßen Krochmalna, Wołyńska
oder Ostrowska, die schon vor dem Krieg als eine Ansammlung von Räuberhöhlen und
Hehlerbuden bekannt waren. Das waren Typen, von denen man nicht glaubte, dass bei ihnen
auch nur ein auf der Bühne gesprochenes Wort ankommen würde – und dazu noch auf
Polnisch.85
Seine Befürchtungen jedoch bewahrheiteten sich nicht, denn als der Vorhang gefallen war,
sah er ein wild applaudierendes Publikum.
Die Gazeta Żydowska war eine von den Deutschen in polnischer Sprache herausgegebene
Zeitung, die u. a. im Warschauer Ghetto vertrieben wurde, wobei das Wort „Ghetto“
in dieser Zeitung bis auf eine Ausnahme in dem Artikel „Szamru Szabat“86 vermieden
wurde – die euphemistische Umschreibung war stets „Jüdisches Viertel.“ Das erste Mal
erschien die Gazeta Żydowska am 23. Juli 1940, das letzte Mal am 30. August 1942, ins-
gesamt 272 Ausgaben.
1940 plante die Abteilung Volksaufklärung und Propaganda im Generalgouverne-
ment, eine jüdische Zeitung herauszugeben, wobei die Zeitung und ihr Verlag vollständig
deutscher Aufsicht und Kontrolle unterstanden. Die jüdische Presse GmbH wurde von der
örtlichen Tochter des Zentralverlages der NSDAP beaufsichtigt. Jedes Blatt unterlag
der genauen Vorzensur. Chefredakteur wurde der aus Galizien stammende Publizist Fritz
Seifter, Mitherausgeber der 1934 in Bielitz erschienenen Jüdischen Wochenpost, der
auch als Geschäftsführer der GmbH fungierte. Die Gazeta Żydowska sollte in polnischer
Sprache erscheinen, wozu Emil Gassner bemerkt:
Eine eigene Zeitung für die Juden sollte neben der fortschreitenden räumlichen Trennung von
Polen und Juden die geistige Dissimilation fördern. Die Tatsache, dass die Gazeta Żydowska
in polnischer Sprache erschien, widersprach dieser Absicht nur scheinbar, denn mit ihr sollten
gerade die tonangebenden, teilweise ans Polentum assimilierten Kreise unter den Juden erreicht
werden.87
In der Gazeta Żydowska erschienen dann folgerichtig eben auf diese „Schicht“ der polni-
schen Intellektuellen zugeschnittene Beiträge wie Kritiken (Theater und Musik), Beiträge
über Kunst und Kultur, Romane, Reiseliteratur, Geschichte des Judentums usw. Einen
weiteren Grund nennt Gassner, indem er auf die einfachere Zensierung polnischer statt
jiddischer Texte hinweist. „Mitte Juli 1940 stand in der Krakauer Zeitung eine kleine
aber aufsehenerregende Nachricht, worin die Besatzungsmacht im sogenannten General-
gouvernement mitteilen ließ, demnächst solle in Warschau eine jüdische Zeitung er-
scheinen, die für die Judenschaft des gesamten Generalgouvernements bestimmt sei.“88
Redaktionsadresse war in Krakau die Dietla-Straße 49, weitere Geschäftsstellen waren in
Warschau: Zielińskiego-Straße 6/6, später dann Elektoralna-Straße 4/1, in Częstochowa:
Wolności-Allee 19/5, in Lublin: Lubartowska-Straße 21/9, in Radom: Raja-Straße 26 und
86 GŻ/39/2/31941.
87 Emil GassnEr, „JüdischE prEssE,“ in: dErs., Grundlage und Aufgaben des Propagandaamtes,
Krakau 1940, 120.
88 Lars JockhEck, „Vom Agenten zum Kollaborateur? Die Zusammenarbeit des jüdischen Publi-
zisten Fritz Seifter aus Bielitz mit deutschen Behörden in den 1930er und 1940er Jahren,“ in:
Joachim taubEr (hG.), „Kollaborationen“ in Nordosteuropa. Erscheiungsformen und Deutun-
gen im 20. Jahrhundert, Wiesbaden 2006, 203.
III. Die professionellen konzessionierten Theater 37
in Kielce: Leszno-Straße 14. Daneben gab es eine ganze Reihe kleinerer Vertretungen im
gesamten Generalgouvernement. Die Gazeta Żydowska erschien anfangs zwei Mal pro
Woche, am Dienstag und Freitag. Nach Emanuel Ringelblum gab es zu Beginn Juni 1941
Überlegungen, die Gazeta Żydowska als Tageszeitung erscheinen zu lassen,89 offensicht-
lich wurde das verworfen, und so erschien nun das Blatt ab Freitag, den 27. Juni, mit der
Nr. 51 drei Mal in der Woche: Montag, Mittwoch und Freitag, später dann am Sonntag,
Mittwoch und Freitag. Ab 1. Mai 1941 war sie sozusagen weitgehend konkurrenzlos:
Die Gazeta Żydowska wurde von der deutschen Behörde darüber informiert, dass ab 1. Mai
keinerlei deutsche und polnische Zeitungen mehr im Ghetto ausgeliefert würden. Es ver-
steht sich von selbst, dass diese Anordnung Auswirkungen auf die Gazeta Żydowska hat, die
nicht allzu viele Leser hat. Die Folge ist, dass Zeitungen geschmuggelt werden und die dann
[natürlich] mehr kosten. Der Nowy Kurier Warszawski statt 20 Groschen – 35 Groschen, die
Krakauer [Zeitung] – 50 Groschen.90
Die Gazeta Żydowska war das offizielle Presseorgan für alle Ghettos im Generalgouver-
nement und diente den Deutschen als Propagandaplattform und für Bekanntmachungen.
Viele Artikel und Beiträge in der Gazeta Żydowska erschienen nicht unter dem vollen
Namen der Redakteure – vielleicht teilten sie die Einschätzung von Emanuel Ringelblum,
der in seiner Kronika Getta Warszawskiego schreibt, dass bei der Gazeta Żydowska so-
wieso kein Redakteur mit Ehre arbeite, und wollten deshalb anonym bleiben:
Ich habe gehört, dass der alte, bekannte Redakteur F. Rozen bei dieser Zeitung nicht mitarbeiten
wollte; er wollte auf seine alten Tage seinen Namen nicht beschmutzen.91
Charakteristisch für die Gazeta Żydowska, sie dient allen Göttern: Czerniakow, Gancwajch
(Anzeigen in Hülle und Fülle); außer Stein92, Bałaban93 und Rogowoj94 (von der Aguda) konnte
sie keinen Journalisten für die Zusammenarbeit gewinnen.95
Chaim Kapłan schreibt über das „Żyd-Blatt“ am 22. Juni 1942, als die Gerüchte über eine
Liquidierung des Ghettos in aller Munde waren:
Das Żyd-Blatt wird einem alles über Suppenküchen erzählen, was es zu wissen gibt. Es hütet
sich, Austreibungen und Vernichtungsaktionen zu erwähnen.96
Bis zu den ersten Ankündigungen, Anzeigen und redaktionellen Beiträgen für die erste
Premiere im Teatr Eldorado wurde Theater in der Gazeta Żydowska in Form von Anek-
doten unter der Rubrik „Über jüdisches Theater und jüdische Schauspieler“ mit Artikeln
wie „Chassiden im Dybuk,“ „Er wird schon was vorspielen können“ und „Mirla Efros“
erwähnt.
Nach Aufnahme des regulären Spielbetriebes der Theater finden sich in der Gazeta
Żydowska in den Rubriken „Theater und Konzerte in Warschau,“ „Aus Warschau,“ „Aus
dem Theater,“ „Kronika artystyczna“ Vorberichte, Ankündigungen und Kritiken. Wäh-
rend alle anderen Artikel der Rubriken wie z. B. „Warschauer Chronik,“ „ Aus Warschau,“
die Verfügungen und Anordnungen von Judenrat, Ghettokommissar und Generalgouver-
neur aus heutiger Sicht eindeutig der Zeit der deutschen Besatzung und des Warschauer
Ghettos, der Vortäuschung einer normal arbeitenden und funktionierenden Kommune
zugeordnet werden können, ist dies bei der Berichterstattung über Theater nicht mög-
lich. Die Kritiken, die in ihrem formalen Aufbau seit jeher so geschrieben und heute noch
so geschrieben werden – wie üblich mit kurzer Einleitung, Stückinhalt, Darsteller und
schließlich, wie der Beifall so war –, lassen auf den ersten Blick nicht erkennen, dass
91 Ebd., 160.
92 Edmund Stein, Dozent des Judaistischen Instituts in Warschau.
93 Meir Bałaban (1877–1942), Professor für Geschichte an der Warschauer Universität.
94 Mordechai Abram Rogowoj, Redakteur des Organs der Aguda Idisze Togblatt.
95 Emanuel rinGElbluM, Kronika Getta Warszawskiego, 295.
96 Chaim kapłan, Buch der Agonie, 356.
III. Die professionellen konzessionierten Theater 39
es Stücke waren, die im Warschauer Ghetto auf die Bühnen kamen. Dies ist auch den
Spielplänen der Theater geschuldet, in denen hauptsächlich Stücke aus der Vorkriegszeit
zu finden sind und „zeitneutral“ daherkommen, sieht man von den Revuen des Femina
ab, in denen satirische Anspielungen auf Ghettoverhältnisse gang und gäbe waren (Alltags-
ärgernisse, sozusagen „läßliche Sünden“), die aber in den Kritiken weder kommentiert
noch hervorgehoben, geschweige denn mit dem tatsächlichen Geschehen auf den Ghetto-
straßen in Zusammenhang gebracht werden. Der Kritiker beschreibt, was er auf der Bühne
sieht. Nicht mehr und nicht weniger. Insofern sind die redaktionellen Beiträge und Kriti-
ken wie auch die Stücke selbst – im Gegensatz zu anderen Artikeln über das Warschauer
Geschehen – inhaltlich frei von jeder ideologisch gefärbten Berichterstattung. Nicht die
Stücke, die Kritiken und Theaterartikel liefern die Hinweise, dass sie einer Propaganda
dienen, die ein „normales“ Leben im Ghetto suggerieren will, die Theater selbst waren die
Propaganda. Die Vortäuschung der Normalität war, dass sie spielten.
In der Gazeta Żydowska erschienen 61 Kritiken, 110 redaktionelle Beiträge und 101
Theateranzeigen.
40 III. Die professionellen konzessionierten Theater
Liest man die Theateranzeigen, die redaktionellen Beiträge und Theaterkritiken in der
Gazeta Żydowska, käme man nie auf die Idee, dass die sensationellen Vorstellungen, die
großen Publikumserfolge und die mit Ovationen gefeierten Aufführungen im Warschauer
Ghetto stattfanden – dennoch waren sie Teil des Ghettolebens.
So gut wie alle Kritiken in der Gazeta Żydowska waren mit H.Cz. gezeichnet. Anläss-
lich der Kritik der Operette Róża Stambuły unterschreibt H.Cz. in der Gazeta Żydowska
Nr. 3., Mittwoch, 7. Januar 1942 – nach mehr als einjähriger „Anonymität“ – zum ersten
Mal mit vollem Namen, mit Herman Czerwiński.
Herman Czerwiński (geboren 1888 in Nowy Dwór), ab 1918 Mitglied der Bürger-
wehr, Begegnung mit Eliza Orzeszkowa, deren Werke er für die Bühne bearbeitete,
offizier der Gerichtspolizei, Kriminologe, Veröffentlichungen in der Polizeizeitung
Na Posterunku (u.a. Falsche Spuren, Kriminalistik), in Naszy Przegląd – wo er darauf
bestand, stets mit „Herr Redakteur“ angeredet zu werden –, im Kurier Poranny und
Ekspres Poranny, Autor des Buches Feliks Zdankiewicz, König der Warschauer Diebe,
Förderer der Idee der „Hauskomitees,“ energischer Initiator der Küche auf Rädern, Redner
bei Begräbnissen, Jubiläen und Festveranstaltungen, im Judenrat Organisator bzw. Leiter
des Zentralbüros des Einwohnermeldeamtes, des Referats Umsiedler, des Gesundheits-
referates, des Wohnungsamtes, der Aktion Soforthilfe, schließlich Leiter des Referates
Vorstellungen.
Bei so vielen Ämtern und gesellschaftlichen Aktivitäten war es wahrscheinlich schwer,
anonym zu bleiben, zumal bei einer solch prominenten Ghettopersönlichkeit damals
wohl nicht viel Phantasie dazu gehörte, hinter dem Kürzel H. Cz. Herman Czerwiński
zu vermuten. Neben Theaterkritiken schrieb Czerwiński u. a. auch redaktionelle Beiträge
wie: „Dziś Komisja“ („Heute kommt die Kommission“), „Szmulek Pestka,“ „Patronaty“
(„Schirmherrschaften“), „Dzielna 39,“ „W Domu Korczaka,“ Artikel, in denen er im Rah-
men der Zensur auf das Schicksal von Flüchtlingen, aber besonders auf das der Ghetto-
kinder eingeht und um Mitgefühl und Unterstützung bittet. In einem weiteren Artikel
mit dem Titel „Szamru Szabat“ („Ehret den Sabbat“) erwähnt er am Ende Abraham
Rubinsztejn und zitiert ein von Jerzy Jurandot geschriebenes Couplet über eben die-
sen Rubinsztejn. Neben diesen „Reportagen“ versuchte sich Herman Czerwiński auch als
Musikkritiker (eigentlich die Domäne von Marcel Reich-Ranicki, der seine Musikkritiken
mit „Wiktor Hart“ unterschrieb) und weist ausdrücklich darauf hin, dass es sich hierbei
um „Eindrücke eines Nichtmusikers“ handelt.
Herman Czerwiński schrieb keine Verrisse, er wusste, dass es für die Theater (neben
kleineren Spielstätten in Cafés und Restaurants immerhin fünf Theater mit ungefähr 3.000
Plätzen) und die Theaterleute um Sein oder Nichtsein ging. Die Stücke wurden en suite
gespielt, standen vier bis sechs Wochen auf dem Spielplan und zwischen Dernière und
Premiere lag meist nur ein Tag. Keine seiner Kritiken war „geschäftsschädigend,“ wenn
er einen Verriss schrieb, bezog sich das immer auf Stückautor und Stückinhalt wie z. B.:
III. Die professionellen konzessionierten Theater 41
Die letzte Premiere im Theater Eldorado unter dem Titel Was Mädchen wissen dürfen in zwei
Akten (6 Aufzügen) mit Prolog und Epilog von Sz. Steinberg (Musik Sz. Sekunda) zeigt
ein typisches Melodram aus dem Volkstheaterrepertoire. Das Stück (wir reden hier weder von
literarischem noch künstlerischem Wert) ist eine Art Propagandawerk, angereichert mit weit
verbreiteter gesellschaftlicher Moral.97
Allerdings konnte er sich es nicht verkneifen, manche Inhalte mit ironischen Untertönen
wiederzugeben. So schreibt er in der Kritik des Stückes Dus Dorfs Mejdł in der Gazeta
Żydowska:
Und da, genau da, kommt aus dem berühmten Kraczygród Janko Cygan, der aus lodernder
Liebe zu Gitla zum jüdischen Glauben konvertiert ist und der ihr sein Herz und Leben zu Füßen
legt. Beide gehen zurück aufs Land. Aber vorher noch, sozusagen als Knalleffekt, überredete
der Heiratsvermittler Chaim Szraim Gitla zum Kauf eines Loses und: auf ihre Nummer fällt
eine Million. Der große Gewinn! Und… Ja, und jetzt kommen sie mit offenen Armen zu dem
verachteten, verschmähten und einfachen Mädel: Herr Bernard Openheim und seine reiche
Schwester Bluma, ihre Tochter Lola und schließlich auch Dolly… Aber unser Dorfmädel hat
den Charakter der „Stadtleute“ zur Genüge kennengelernt. Sie zieht das Land vor und heiratet
Janko Cygan.98
Ganz anders hingegen verfährt er mit Stücken, die zweifelsohne eine hohe künstlerische
Qualität besitzen und denen er sich mit großer Fachkompetenz und großem Wissen wid-
met, wie z. B. Pieśniarze:
Der talentierte Autor und Regisseur Andrzej Marek schrieb vor 40 Jahren ein Stück mit dem
Titel Pieśniarze. Dieses Werk (nach einer wahren Begebenheit aus dem Jahr 1836) öffnete
dem jungen Schriftsteller seinerzeit Tür und Tor für eine Dramatikerkarriere. Pieśniarze hat
seinen Platz in der Theaterliteratur gefunden und zeigt uns das Streben nach dem Höchsten.
In diesem Stück spürt man den Geist wahrer Poesie, der sich unmittelbar auf den Zuschauer
überträgt. Viel Schönheit ist in der poetischen Schilderung des berühmten Kantors aus Wilna,
der die Welt mit seinem Genius elektrisierte und in Erstaunen versetzte.99
Großes Theaterfest im Nowy Azazel – Die Aufführung des Stückes Dybuk aus der Feder
des großen jüdischen Theaterschriftstellers Sz. Anski ist immer ein großes Wagnis. Es ist ein
Theaterfest, ja, ein feierliches Ereignis, und es ist rühmenswert, dass das Nowy Azazel
jetzt – nach Bóg Zemsty von Asz, mit dem unvergleichlichen Samberg in der Hauptrolle –
die Herausforderung des Dybuk annimmt. Na pograniczu dwóch światów (so der Titel auf
Polnisch) verlangt seriösestes Rollenstudium und großen Arbeitsaufwand.100
97 GŻ/25/2/1940.
98 GŻ/15/3/1941.
99 GŻ/40/2/1942.
100 GŻ/78/5/1941.
42 III. Die professionellen konzessionierten Theater
Mit wahrer Begeisterung bespricht Czerwiński die Darsteller: „von Hunderten bejubelt,“
Stars wie Regina Cukier: „Königin des Ensembles,“ „unvergleichlich in ihrer Interpre-
tation,“ „verzaubernd mit ihrem Gefühl und ihren Tränen,“ „glänzend und champagner-
prickelnd in ihren Darbietungen“; das Publikum spendet tosenden Beifall, fordert Da-
capos, es kommt zu Ovationen auf offener Bühne, zu homerischem Gelächter und Lach-
salven, Tränen fließen, Tausende müssen wieder gehen, da es keine Karten mehr gibt.
Kritiken, in denen nie ein Schauspieler oder eine Schauspielerin niedergemacht wurden –
allenfalls mal milde indirekt getadelt. offensichtlich war Czerwiński der Kritikerhäupt-
ling der Gazeta Żydowska, zu seinen Lebzeiten sind nur vier Kritiken nicht von ihm
geschrieben worden: Szczęśliwe dni (Gastspiel der Amateurtruppe Zespół teatru Studio
im Nowy Teatr Kameralny), Di Lustike Kapele, Kolorowy Szum des Kinderensembles
„Niebieskie Pisklęta“ (Die blauen Küken) und die Sonderveranstaltung anlässlich des
Bühnenjubiläums von Diana Blumenfeld, für die „C.K.,“ „Al.-R-d.,“ „Videus“ und „F.“
zeichneten.
Zusätzlich zu den Kritiken der Stücke des laufenden Spielbetriebes der Theater schrieb
Czerwiński auch über kulturelle Ereignisse, die an anderen Spielstätten stattfanden. So
z. B. Wieczór litercki-artystyczny (Künstlerisch-literarischer Abend), bei dem Czerwiński
auch als Akteur auf der Bühne der Sala Gospody Artystów zu sehen war; Żywe Dziennik
Nr 1 (Lebendes Tagebuch Nr 1) und Żywe Dziennik Kropka nad I (Lebendes Tagebuch –
Das I-Tüpfelchen) im Café Sztuka und Wesoła Siekanka – Dźwiękowe tygodnik aktual-
ności (Tönende Wochenschau) im Negresco.
Die redaktionellen Beiträge, Ankündigungen für Premieren, die vom Publikum heiß,
sehnlich, mit Spannung, mit Ungeduld und lang erwartet wurden, sind so gut wie nie ge-
kennzeichnet. Mit einer Ausnahme: K.B.
Czerwińskis Verdienst ist zweifelsohne, mit seinen Kritiken, mit seinen gut geschrie-
benen, gut zu lesenden flotten Besprechungen, mit seinen Vorberichten und redaktionel-
len Beiträgen das Theater im Ghetto leidenschaftlich unterstützt zu haben und damit den
Theaterleuten entscheidend beizustehen, dass eine Zeit lang Abend für Abend der Vorhang
hochging. Herman Czerwiński starb Ende Mai 1942. Nach Herman Czerwińskis letzter
Rezension Tylko dla dorosłych, Premiere 26. April 1942 am Femina, übernahm nach Z.,
der Kritiken zu Sulamita (Nowy Azazel), Finał małżeństwa (Kameralny), Godzina przed
ślubem (Eldorado) und Benefiz Regina Cukier (Eldorado) schrieb, Sewer die Rezensenten-
stelle und schrieb die Kritiken für Sprawa przed drzwiach zamkniętych (Femina),
Bajadera (Femina) und Der Dorfsjunge (Eldorado). In der GŻ/40/2/1942 findet sich ein
längerer Artikel mit dem Titel „Parówka,“ in dem in einer Glosse geschildert wird, wie
die Mieter eines Wohnblocks zur Desinfektion ihrer Kleider und ihrer selbst in ein sog.
„Dampfbad“ („Parówka“) gebracht werden. Der Beitrag ist unterschrieben mit „Seweryn
Stend.“ Möglicherweise verbirgt sich hinter dem Kritiker „Sewer“ eben dieser
„Seweryn Stend“ (oder aber auch dieser Name ist ein Pseudonym).
Während bei Czerwiński die Darsteller, besonders in den Hauptrollen, immer aufs
höchste gelobt wurden, wehte nun ein etwas anderer Wind durch die Kritiken von
III. Die professionellen konzessionierten Theater 43
„Sewer,“ der, einen flotten Stil schreibend, zweifelsohne sehr ambitioniert, fachkundig,
aber kritisch an die Besprechungen heranging: „Warum hat Herr Minowicz nicht genug
geübt, um ein Messer in der Luft auffangen zu können, was doch ohne jeden Zweifel ein
Augenblick höchster Spannung gewesen wäre?“ In weiteren Kritiken heißt es:
Frau Wernisówna gelang es nicht, sich der Schauspieltechniken zu bedienen, die wahre Effekte
hervorbringen.
Herr Rytowski konnte den Anforderungen des Textes in keiner Weise genügen.
Herr Rytowski überchargierte ziemlich.
Frau Połomska trifft manchmal, besonders aber in der Schluss-Szene nicht den richtigen Ton.
Herr Srebrzycki „mit zu wenig Leben,“ völlig blass und unglaubwürdig.
In dieser Rolle war Herr German ziemlich schwerfällig und wenig agil.
Warum heißt dieses Stück Verhandlung hinter geschlossenen Türen, wenn die Verhandlung
doch die ganze Zeit coram publiko stattfindet, warum verliest der Staatsanwalt die Anklage-
schrift und nicht der Verhandlungsvorsitzende, warum nimmt nur ein Kronrichter an der Ver-
handlung teil, warum macht die Angeklagte ihre Aussagen von der Zeugen- und nicht von der
Anklagebank […] völlig unverständlich allerdings ist, warum Herr Regro im letzten Akt mit
einer Angel unter dem Arm nach Wołomin zur Hochzeit eines Kollegen auf die Bühne kommt
(Päckchen wären wohl angemessener gewesen).
Wenn man den Theatern im Ghetto, die auf Polnisch spielten, noch ein gewisses Niveau zu-
rechnen darf, kann man das leider nicht über die Mehrzahl der jüdischen Bühnen im Ghetto
sagen. Diese Theater, die gute Voraussetzungen hatten, machten nicht nur keinen Versuch,
44 III. Die professionellen konzessionierten Theater
das Niveau zu heben, sondern appellierten mit ihren Stücken an die niedrigsten Instinkte der
Massen.101
Barbara Engelking schreibt über das jüdische Theater im Vorkriegswarschau: „ […] das
Publikum liebte dieses Schmierentheater, Assimilierte oder Polonisierte hingegen blieben
diesen Stücken fern und gingen in die polnischen Theater,“102 und daran scheint sich im
Ghetto nichts geändert zu haben, ersetzt man polnische Theater durch polnischsprachige
Theater. Auch im Ghetto wurden die auf Jiddisch gespielten Melodramen, Volksstücke
und Operetten, deren Inhalte oft an dramatisierte Groschenheftromane erinnern, aus Sicht
der „Gebildeten“ generell als Schmiere, d. h. intellektuell minderwertig bezeichnet.
Die Frage „Schmiere oder nicht Schmiere“ wird auch in der Gazeta Żydowska aus-
führlich in drei Artikeln diskutiert, wobei Herman Czerwiński mit einem Beitrag mit dem
Titel „Szmira“ den Reigen eröffnet:
Man muss doch aber auf höherem Niveau spielen! Man sollte jüdische Theaterschriftsteller
und klassische Stücke aus dem europäischen Repertoire heranziehen, die entsprechenden Leute
werden sich schon finden lassen. Wenn es an professionellen Theaterleuten mangelt – es gibt
auch sehr talentierte Amateure.
Es sind die Bedingungen: wir kämpfen mit Finanzen, unzureichender Technik usw.
Kürzlich ist mir die sehr interessante Arbeit von J. M. Neuman mit dem Titel Über unser The-
ater („Almanach literacki,“ Verlag „Trybuna Akademicka“ 1931) in die Hände gefallen und
ich las dort u. a.: Wikt (das Theater unter Leitung von Zygmunt Turkow) hat ein Ensemble von
ausschließlich älteren Schauspielern. Dieses Theater entwickelte sich organisch. Man versuchte
es nicht mit fruchtlosen Experimenten, sondern schuf ein solides schauspielerisches Fundament
mit bescheidenen Kulissen, Kostümen und mit einfacher musikalischer Begleitung und gab den
Schauspielern ein dankbares Feld, um ihre Kunst zu zeigen. Dieses Theater kann Vorbild für ein
Volkstheater sein, auch ohne vulgär zu sein.
Wikt hat mit großem Erfolg Stücke des klassischen europäischen Repertoires wie: Skąpiec
von Moliere, Der Revisor von Gogol, Siedmiu powieszonych von Andrejew, Grzeszny Tszu
von Klabund aufgeführt. Daneben waren Bearbeitungen jüdischer Erzählungen wie Pobór von
Mendele Mojcher-Sforim und Motke Ganew von Asz zu sehen. Das besondere Verdienst seines
Theaters aber war die Erstaufführung des vor hundert Jahren von Dr. Etinger geschriebenen
Stückes Serkełe. Ester Rachel Kamińska glänzte hier in ihrer letzten Rolle. Das Wikt bewies,
dass man das „Normalpublikum“ durchaus an gute Bühnenliteratur heranführen kann. Dane-
ben bildete das Theater ein hervorragendes Ensemble mit Samberg an der Spitze heran.“ An
anderer Stelle schreibt er: „Wenn wir das jetzige Niveau des jüdischen Theaters betrachten,
kann uns das nicht fröhlich stimmen. In Warschau gibt es zurzeit fünf jüdische Theater, aber die
Zahl der Theater hat nichts zu sagen. Die am meisten gespielten Stücke haben zweifelhaften
künstlerischen Wert, wobei versucht wird, die Dürftigkeit dieser Stücke mit modernen Kulissen
zu vertuschen. Die jüdische Intelligenz hat dort nichts verloren. Statt Volkstheater – Massen-
theater. Aber auch die jüdische assimilierte Intelligenz läßt sich ab und zu von diesen schmalzig-
klebrig-zuckersüßen Vorstellungen verzücken. Manchmal blitzt ein großes Talent auf, wie zum
Beispiel Kutner, überwiegend aber sieht man Schablonen und Plattheiten. Man kann nur hof-
fen, dass die jetzige Krise des jüdischen Theaters eine vorübergehende ist.“
Das schrieb J. M. Neuman im Jahre 1931
Also hoffen wir…
Und ermutigen die Theaterleute.
H. Cz.
Natürlich ist der Kritiker der Spielplangestaltung Herman Czerwiński selbst, zumal er
etliche seiner Kritiken – meist bei Rezensionen für das Eldorado – mit Bemerkungen
zur Stückqualität beginnt: Di mazeldyke chasene („altmodische Gattung, Kleinoperette“,
„völlig anspruchslose musikalische Komödie“); Dus Dorfs Mejdł („nach dem Geschmack
des Publikums“); Rywkełe dem Rebens („ganz auf den Geschmack der Massen zugeschnit-
ten“); A hajm far a mame („ein Stück a la Sensationsroman“); Unzer Rebeniu („ein Stück
fürs Volk“); Icykł Szołtyk („anspruchslose Fabel“); Dus Kabaret Mejdł („zugeschnitten auf
den ‚Gusto‘ der breiten Masse“); Di Inge Rebecn („anspruchslose Komödie“); Gasnkind
(„melodramatisches Volksstück mit allen Zutaten – eben für ein spezielles Publikum“);
Wus majdłech darfn wisn! („wir reden hier weder von literarischem noch künstlerischem
Wert“); Cypke Fajer („Stück für die breite Volksmasse“); Di freiliche Mechutonim
(„abgegriffener Stoff“).
46 III. Die professionellen konzessionierten Theater
Farkojfte neszumes, ein Stück, dem Czerwiński einen „dramatischen Akzent, der von der
breiten Volksmasse sehr geschätzt wird“, attestiert, ist auch aus heutiger Sicht tatsächlich
starker Tobak. Es ist die Geschichte des Mädchens Bluma, das in die Fänge von Zuhältern
gerät und … im Bordell seine eigene Mutter findet. Allerdings könnte das heutzutage auch
der Plot einer „Doku-Soap“ sein, z. B. die Geschichte von Mandy S., die, als sie erfährt,
dass ihr Vater ihre Schwester geschwängert hat, dies mit dem Schrei „Warum hast du das
getaaaaaaan?“ kommentiert, was qualitativ auch wohl nicht viel besser ist.103
Nach Erscheinen des „Szmira-Artikels“ von Czerwiński erschien in der Gazeta
Żydowska als direkte Reaktion darauf unter der Schlagzeile „Über das jüdische Theater“
folgender Artikel:
Für viel Aufsehen und reges Interesse sorgte in weiten Kreisen der jüdischen Intelligenz und
Theaterinteressierten der in den Spalten der Gazeta Żydowska erschienene Artikel über das
jüdische Theater. Daraufhin wurde eine Konferenz einberufen, auf der von Vertretern der
Öffentlichkeit über die Spielplangestaltung der jüdischen Theater, aber auch über andere
Fragen, die mit diesem Thema zusammenhängen, diskutiert wurde. Darüber hinaus wurde be-
schlossen, ein Komitee aus Direktoren und Eigentümern jüdischer Theater in Warschau unter
Einbeziehung der Abteilung Kultur und Kunst beim Judenrat, der Abteilung Vorstellungen bei
der ŻToS, Schauspielervereinigungen u. ä. ins Leben zu rufen.104
Danach meldete sich Guta Ejzenzweig zu Wort, um mit der Spielplangestaltung des El-
dorado abzurechnen und dessen Spielplanpolitik niederzumachen – Femina, Kameralny
und Azazel billigte er noch eine Art guten Willens zu:
und einer speziellen Unterstützung bedürfen. Gut, wir bedauern, dass das so ist. Aber gibt es
nicht tausende Menschen, die gleich sensibel, gleich so wehrlos sind und im Schatten stehen
und nichts für sich von anderen fordern? Das ist die Wahrheit. Sie geben nichts und sie for-
dern nichts. Wir gestehen zu, „sein oder nicht sein,“ also spielen oder nicht spielen ist eine
Forderung an uns. Niemand zwingt einen Künstler, der die Bühne verlassen will, um einen
anderen Beruf auszuüben, dazubleiben. Will er allerdings wieder auf die Bühne zurückkom-
men – sollte man ihm dafür, dass er das tut, etwa eine Art finanziellen Ausgleich zahlen? Wenn
Schauspieler auf der Bühne stehen, dann ist die Erklärung dafür: sie spielen für Geld, und
die Frage ist eben, ob der Bäcker die Mühle braucht oder die Mühle den Bäcker. Ist der Spiel-
plan eine Art Rache gegenüber der Gesellschaft für deren Interesselosigkeit? Wer senkt denn
das Niveau? In wessen Namen muss denn irgendeine „grine Kale“ den Spielplan bereichern?
Im Namen der Kasse? Davon wird die Kasse auch nicht voller. Wegen der Ausstattung? Auch
nicht, weil heutzutage auch die verwöhntesten Zuschauer keinen Wert mehr auf besonders
prächtige Kulissen legen. Aus Hunger? Wohl schwer zu glauben, dass die eine oder andere
Rolle der „grine“ oder eine andere Farbe der „kałe” irgendeinen mysteriösen Einfluss auf
die Mägen der Schauspieler hat. Wir verstehen schon, dass es für hungernde Schauspieler
schwer ist, das, was ein Stück von ihnen fordert, auf der Bühne darzustellen, aber es ist im-
mer schwer, egal, ob das ein gutes oder ein schlechtes Stück ist.
Die Schauspieler brauchen Hilfe und die Theater Subventionen, aber nicht mehr oder weniger
als andere, die in einer ähnlichen Situation sind. Und das ist eben der wunde Punkt, der einer
grundsätzlichen Klärung bedarf. Betrifft das auch den kleinen Mann auf der Straße, der noch
nicht gelernt hat, sein Leben zu bewältigen? Aber diese Fragen mit der Qualität des Spielplans
zu verknüpfen, das ist einzig und allein eine billige Ausrede, mit der man seine Ideenlosigkeit
vertuschen will.
Das Niveau zu senken (manchmal gar auf jegliches zu verzichten), führt zu überhaupt nichts.
Man darf allerdings auch nicht verschweigen, dass einige Theater wie das Azazel, das Femina
und das Kameralny sich durchaus bemühen, ein gewisses Niveau zu halten. Die Namen
der Autoren der im Azazel gespielten Stücke beweisen, dass es dort zweifelsohne solche
Bestrebungen gibt. Die Spielplangestaltung ist allerdings unglücklich zu nennen. Nehmen
wir z. B. Der Dybuk – zeitlos und wertvoll, aber für unsere Nerven, die beruhigt und nicht
emotional aufgeputscht werden wollen, absolut ungeeignet. Das Gleiche lässt sich von dem
Stück Cwaj Ganowim sagen, das auch nicht durch das meisterhafte Spiel von Sandler gerettet
werden konnte. Das Kameralny agiert noch unentschlossen zwischen Revue und ernsthaftem
Theater, allerdings werden die dort gespielten Stücke durchaus niveauvoll auf die Bühne
gebracht. Das Femina als ausgesprochenes Revuetheater erfüllt diesen Anspruch zur vollen
Zufriedenheit.
Diese drei letztgenannten Theater sind trotz vieler Mängel Theater, die einem nicht den Kopf
vernebeln und nicht nur abgedroschene jüdische Witze und Stückchen bringen. In einer großen
Stadt, in der es jede Menge Theater gibt, kann man sich überlegen, ob man erlauben kann, dass
in irgendeiner abgelegenen Ecke ein Amateurtheater existieren kann, das Dreck für den Plebs
spielt. Bei uns gibt es keine versteckten Ecken. Alles was passiert, betrifft sofort das ganze
Viertel. Jedes Stück hat eine wichtige Funktion, auch jedes Schmierenstück findet starken
Widerhall, aber vergiftet und verdirbt all das, was mit großer Mühe bis jetzt erreicht wurde.
Das jetzige Theater hat, wie schon immer, eine Aufgabe – Seelentherapie, aber wenn es jetzt
das Gegenteil bewirkt, wenn es moralische Krankheiten verbreitet, sollte es wie jede Seuche
mit der Lupe beobachtet und als Seuche gebrandmarkt werden.
Guta Ejzenzwjag105
105 Ebd.
48 III. Die professionellen konzessionierten Theater
Schließlich erschien in der Gazeta Żydowska vom 28. Juli 1942 ein Beitrag von Sewer,
dem Nachfolger Herman Czerwińskis, in dem er anlässlich der Premiere des Der Dorfs
Jung im Eldorado (vier Wochen vor der „Wielka Akcja“) einen Artikel mit dem Titel
„Leichtes oder ernsthaftes Repertoire“ bringt. Sewer konstatiert darin in seiner Be-
urteilung der Ghettotheater dem jüdischen Theater – gemeint ist immer, auch wenn nicht
direkt genannt, das Eldorado – ein unglaublich niedriges Niveau und sieht sich selbst
als Sprachrohr einer kulturell anspruchsvollen Öffentlichkeit und bekommt auf seine
kritischen Anmerkungen ähnlich wie Czerwiński die gleichen Antworten. Selbstverständ-
lich sehe man ein, dass das Niveau des Theaters niedrig und man weit entfernt von dem
Niveau des europäischen Theaters sei, aber es gehe nun mal nicht anders. Das jüdische
Theater müsse sich selbst finanzieren, man müsse solche Stücke bringen, Kassenschlager
müssten sein, ein ernsthaftes Repertoire erreiche nicht die breiten Bevölkerungsschich-
ten, die Schauspieler müssten auch leben können und ihre Stücke müssten laufen. Sewer
widerlegt diese „fadenscheinige Argumentation“ am Beispiel des Eldorado selbst mit
Der Dorfs Jung-Inszenierung.
Das Stück wurde durch die Zeiten gespielt, von mehr oder weniger guten Truppen, aber auch
von solchen mit Weltgeltung. Es wahrhaftig zu interpretieren und es entsprechend zu be-
arbeiten, war stets der Anspruch der Theaterleute, die das Werk aus dem reichhaltigen Reper-
toire jüdischer Theaterliteratur auswählten und es auf die Bühne brachten. Nun war ein solches
Vorhaben des Theaters Eldorado nicht ohne ein gewisses Risiko. Passt denn ein solches Stück
in das Jahr 1942? Wir haben bereits in einer der vorigen Nummern der Gazeta darüber geschrie-
ben, wollen aber jetzt bestimmte Elemente hervorheben, die auf Grund der Einschränkungen,
denen ein Rezensent üblicherweise unterworfen ist, nicht immer näher betrachtet werden
können. So muss man vor allen Dingen würdigen, dass die Theaterleitung, der Regisseur, der
Komponist, der musikalische Leiter und der Bühnenbildner und alle anderen Beteiligten Hand
in Hand zusammengearbeitet haben und sich nicht von den ständig auftauchenden Schwierig-
keiten, technischen und materiellen Unzulänglichkeiten abschrecken ließen und ein Werk ge-
schaffen haben, wie wir es lange nicht mehr gesehen haben. Um dies zu unterstreichen, müssen
wir hier nicht jede Menge Beispiele anführen, nur soviel: auf der Bühne tobte ein Sturm, ein
Sturm wie in Jankiels Herzen, und dieser Bühnensturm, der nicht hoch genug gerühmt wer-
den kann, soll nur ein Beispiel für die Qualität dieses Stückes sein. Dazu die Schauspielkunst
einzelner Schauspieler, die weit entfernt von der üblichen Effekthascherei ihre Rollen gestal-
teten – auch dies muss hier neben der musikalischen Gestaltung (Leitung Prof. Izaak Zaks)
hervorgehoben werden.
Wie nun wurde das Stück von dem Publikum aufgenommen? Wie berechtigt war die Angst,
das Stück könne die breiten Schichten der nach Unterhaltung lechzenden Masse nicht er-
reichen? Offensichtlich unbegründet. Der bis auf den letzten Platz gefüllte Saal ist der beste
Beweis, dass es wert ist, Theater auf höherem Niveau zu spielen, auf dass nicht das Publikum
das Theater erziehe, sondern umgekehrt. Wir haben nur den einen Wunsch an die Adresse der
Theaterleitungen im jüdischen Viertel, uns nicht nur einmal im Jahr ein solches Theaterfest, wie
es zweifellos die Aufführung des Dorfs-Jung war, zu präsentieren, und Stücke dieser Art öfter
auf die Spielpläne der jüdischen Theaters zu setzen.
Sewer
Die intensiven Debatten in der Gazeta Żydowska ließen das Eldorado offensichtlich ziem-
lich kalt, es war keine Änderung in der Spielplanpolitik erkennbar, es wurde gespielt – wie
gehabt. Auch ward von dem Komitee aus Direktoren und Eigentümern jüdischer Theater
in Warschau unter Einbeziehung der Abteilung Kultur und Kunst beim Judenrat nie wie-
der etwas gehört.
Im Gegensatz zum Eldorado versuchte der künstlerische Leiter des ebenfalls jiddisch-
sprachigen Teatr Nowy Azazel, Ajzyk Samberg, nach drei Volksstückpremieren, anspruchs-
vollere Stücke zu etablieren, was nach Meinung von Ruta Sakowska misslang: „Nach
kurzer Zeit war das Theater [Nowy Azazel] jedoch aus Finanzgründen gezwungen,
kürzer zu treten […] es musste mit dem Publikum rechnen, das leicht Verdauliches be-
gehrte.“106 Jonas Turkow kommentierte: „Das Nowy Azazel brachte ein paar bessere
Stücke zur Aufführung, aber die waren derart verändert und bearbeitet, dass man sie nicht
mehr erkannte“; damit schob er Ajzyk Samberg als künstlerischem Leiter den schwarzen
Peter zu.
Als Beweis, dass es im Ghetto möglich war, große Theaterliteratur auf die Bühne zu brin-
gen, wird stets das Stück Mirla Efros im Nowy Teatr Kameralny mit 72 bis 76 Vorstellun-
gen angeführt. Nur, das Nowy Teatr Kameralny spielte auf Polnisch und das polnischspra-
chige Publikum bevorzugte eben andere Stücke als das jiddischsprachige. Dazu Emanuel
Ringelblum:
[Im Ghetto] spielen fünf Theater, erwähnenswert ist allerdings nur die Inszenierung Mirełe
Efros von Mark Orensztajn [Andrzej Marek] in polnischer Sprache. Weil es im Ghetto ziem-
lich viele Getaufte und Assimilierte gibt, wird das Stück auf Polnisch gespielt, auch die Schau-
spieler sind Neophyten.107
Man kann vermuten, dass es – grob gesagt – zwei Gruppen von Theaterinteressierten gab:
zum einen die, die das jiddische Theater bevorzugten, die die Volksstücke favorisierten
und Theaterhochliteratur, auch wenn sie auf Jiddisch gespielt wurde, nicht annahmen,
zum anderen die Polnisch sprechenden, die sich nicht für die jüdischen „Schmieren-
stücke“ und „Schmonzetten“ interessierten, sondern Stücke mit bildungsbürgerlichem
Niveau bevorzugten.
Daneben scheint es so zu sein, dass Polnisch als Sprache der Assimilierten, der Neo-
phyten, der polonisierten Juden, der jüdischen Intellektuellen, der Beamten des Juden-
rates, der geistigen Ghettoelite diesen als Abgrenzung gegenüber dem Jüdischsein diente.
So schreibt Ringelblum:
Jonas Turkow ging in dieser Theatersaison auf die Bühne und rezitierte auf Polnisch. Grund:
zum einen gibt es keine guten Theater mehr, die auf Jiddisch spielen. Zum anderen ist es ein
Indiz für die Assimilation im Ghetto. Die Leute sprechen Polnisch. Sehr selten hört man auf
der Straße Jiddisch, was für heiße Diskussionen sorgt. Einige erklären, dass Polnisch zu spre-
chen – unter psychologischen Gesichtspunkten – ein Protest gegen das Ghetto sei. Ihr sperrt
uns in ein jüdisches Ghetto, aber wir zeigen euch, dass das ein polnischer Stadtteil ist. Ihr
wollt uns von der polnischen Sprache und Kultur trennen, deshalb, euch zum Trotz, werden wir
Polnisch sprechen und uns die polnische Kultur bewahren. Ich meine jedoch, dass das alles ein
Zeugnis für einen starken Assimilierungsprozess ist, der sich schon vor dem Krieg bemerkbar
machte, sich aber jetzt im jüdischen Umfeld immer deutlicher zeigt.108
Femina Diana Blumenfeld und Miriam orleska, die aus der berühmten Trupa Wileńska
kamen. Die Zusammenarbeit Polnisch und Jiddisch sprechender Schauspieler brachte dem
Theater beide Zuschauergruppen.
In Gotthold Ephraim Lessings „Emilia Galotti“ fragt der Prinz den Hofmaler, wie es
mit der Kunst stehe, und der antwortet: „Prinz, die Kunst geht nach Brot.“ Die „Kunst
geht nach Brot“ und das besonders in den konzessionierten Ghettotheatern, die keiner-
lei Subventionen bekamen, sieht man von den Zuwendungen der neuen „Ghettoelite“
wie Kohn und Heller oder Gancwajch ab, die die Künstler direkt unterstützten, manch-
mal ganze Vorstellungen kauften, Familienfeiern in den Theatern abhielten oder bei den
Theaterleitern ihre Töchterchen oder Geliebten gegen Bargeld in „todsicheren Rollen“
unterbrachten.
Herman Czerwiński starb Mitte Mai 1942 und wurde in der Gazeta Żydowska mit einer
Todesanzeige und einem Nachruf gewürdigt:
Todesanzeige Herman Czerwiński
Anlässlich des Todes unseres lieben Freundes Redakteur H. Czerwiński; Unser tiefstes Mit-
gefühl gilt seiner Frau und Familie; Das Gedenken an ihn wird nie verlöschen; Dom Hand-
lowy M. Kohn und Z. Heller, Leszno-Straße 14. Direktion und Personal; „Hala Nowoczesna”
M. Kohn und Z. Heller, Leszno-Straße 14; Direktion und Personal; Autobusverkehrsgesell-
schaft Direktion und Personal; Warschau im Mai 1942.
Nachruf auf Herman Czerwiński
Aus Leben und Schaffen von Herman Czerwiński selig.
Plötzlich und unerwartet wurde der Lebensweg eines Mannes der Feder und Tat, der Lebens-
weg von Herman Czerwiński, unterbrochen. Herman Czerwiński selig wurde 1886 in Nowy
Dwór geboren. Aus einer assimilierten Familie stammend, war sein Tun und Schaffen dennoch
eng in die jüdische Kultur eingebettet. So lernte er als Autodiktat die jüdische Sprache und wid-
mete sich dem Bibelstudium. Großen Einfluss auf ihn hatte in dieser Zeit die Bekanntschaft mit
der großen Schriftstellerin Eliza Orzeszkowa, für die er einige ihrer Werke als Bühnenfassung
bearbeitete. Nach seinem Aufenthalt in Warschau – er war immer noch Schüler des Gymnasi-
ums in Górski – schrieb er Bühnenstücke, rief einen Dramatikerkreis ins Leben und arbeitete
in karitativen Einrichtungen. Seit 1918 war er Mitglied der Bürgerwehr, bis er bei Aufstellung
einer Polizeitruppe als offizier seinen Dienst versah. Auch als Kriminalist blieb er Kunst und
Literatur eng verbunden. Nach Beiträgen für die Gazetka Policyjna und Na posterunku stellte er
sein Talent in den Dienst von Nasz Przegląd, Kurier Poranny und Ekspress Poranny und fand
Erwähnung in jüdischen nord- und südamerikanischen Zeitschriften.
Immer aber fühlte er sich mit jüdischer Kunst, besonders aber mit dem jüdischen Theater ver-
bunden. Jeder seiner Tage war trotz aller möglichen Katastrophen mit Arbeit ausgefüllt. In den
jetzigen Kriegszeiten stürzte sich Herr Herman Czerwiński in einen Strudel von gesellschaft-
licher, redaktioneller und künstlerischer Arbeit. Vom Vorsitzenden des Judenrates beauftragt,
widmete er sich der Einrichtung eines zentralen Einwohnermeldeamtes, danach den Referaten
Umsiedlung, Sanitätswesen, Wohnungsamt und organisierte Sammlungen zugunsten der Ar-
beitslager. Seiner Tatkraft zu verdanken ist die Einrichtung der Abteilung Soforthilfe, deren
Aufgabe darin bestand, Umsiedlern, die nach Warschau kamen, schnelle und effiziente Hilfe
zuteil werden zu lassen. Zuletzt wurde er Leiter des Referates Schauspiel.
Er war die Seele aller von ihm geschaffenen Einrichtungen, die er mit nahezu unerschöpfli-
cher Energie vorwärtstrieb. Mit jugendlichem Schwung setzte er seine Projekte (unter anderem
hatte er als erster die Idee der Schaffung von „Hauskomitees“) in die Tat um.
52 III. Die professionellen konzessionierten Theater
Der Verstorbene hatte immer seine Hand am Puls des kulturellen Lebens. Bei seinen Theater-
kritiken, ein fester Bestandteil in den Spalten der Gazeta Żydowska, machte er die Bevölkerung
mit jüdischen Theaterstücken bekannt und war stets auf der Suche nach Talenten. In seinen
leicht und flüssig geschriebenen Artikeln appellierte er jedoch nicht ausschließlich an unser
ästhetisches Empfinden sondern auch an unser Gewissen, so z. B. in einer Reportage aus dem
Kinderheim Korczaks, von einer Herberge für Straßenkinder usw.
Der Verstorbene hinterlässt Frau, einen Sohn und zwei Töchter.
ck.
Am 9. August 1942, mehr als zwei Monate nach Czerwińskis Tod, erschien in der Gazeta
Żydowska ein von ihm gezeichneter satirischer Artikel mit dem Titel Pan Plotkemacher
(Herr Gerüchtemacher), der mit den Schluss-Sätzen endet: „Und Gerüchte sind eine sehr
schlimme Sache. Eine sehr schlimme.“ offensichtlich hatte Czerwiński diesen Artikel
auf „Vorrat“ geschrieben, der dann von der Redaktion bei Bedarf oder Gelegenheit in
das Blatt gesetzt werden sollte. Gedacht war dieser Beitrag wahrscheinlich als Versuch,
den Gerüchten von Aussiedlung in den Osten oder Deportation nach Treblinka entgegen-
zuwirken, da alles, was den ordnungsgemäßen Ablauf der Vernichtung der Warschauer
Juden stören könnte, unerwünscht war: „Die SS droht, mit Gerüchtemachern blutig abzu-
rechnen.“ Dieser Artikel Pan Plotkemacher erschien nun am 20. Tag der „Aussiedlung,“
20 Tage, in denen sich die Gerüchte über Deportation und Vernichtung in Treblinka längst
bewahrheitet hatten. Zehntausende Warschauer Juden waren zu dieser Zeit bereits auf den
Umschlagplatz gebracht und von dort in die Waggons getrieben worden.
Zwei Nummern nach dem Erscheinen dieses Artikels von Herman Czerwiński gab es
in der Gazeta Żydowska Nr. 96 vom Freitag, den 14. August auf der fünften Seite unter
der Rubrik „Aus Warschau“ zwei Artikel. Der eine war getitelt mit „Zwei Jahre Arbeit des
Jüdischen Rettungsdienstes,“ der andere mit „Die Arbeit unserer Postboten.“
Danach gab es für die Gazeta Żydowska aus Warschau nichts mehr zu berichten.
GŻ/14/8/1940
Freitag, 06.09.1940
Chassiden im Dybuk
Wenn Theatertruppen in der Provinz gastieren, nehmen sie in der Regel keine Statisten
mit, da das ja zu teuer käme. Meist finden sich junge Leute vor ort, die gerne mitspielen
oder die lokalen Theater haben eine eigene Statisterie. Vor der Premiere bekommen sie
dann vom Regisseur oder dem Assistenten gesagt, was sie zu tun haben. Eines Tages
nun kam eben eine solche Theatertruppe in ein amerikanisches Provinznest, um dort den
Dybuk zu geben. Allerdings waren am dortigen Theater keine Juden, sondern Irländer als
Statisten engagiert. Moris Schwarz, Direktor, Regisseur und Darsteller der auch Haupt-
III. Die professionellen konzessionierten Theater 53
rolle des Cadyk im Dybuk gab, veranstaltete eine Probe mit den irischen Statisten und
erklärte ihnen, dass, wenn er seinen großen Monolog mit den Worten: „Na całym świecie”
beendet habe, er ihnen ein Zeichen geben würde und sie dann – als Chassiden – „u-wa!“
ausrufen sollten. Was „u-wa“ bedeutete, davon hatten sie keine Ahnung und als Schwarz
nach seinem großen Monolog das Zeichen gab, schrien sie alle wie ein Mann vorsichts-
halber im breitesten Amerikanisch „That is right!“
Nachbusz. Als nun einmal in einem Provinzstädtchen in Amerika der Regisseur vor der
Vorstellung verkündete, dass statt des angekündigten Feder Nachbusz spielen würde, gab
es Tumult im Publikum, wobei die Leute ärgerlich riefen: „Wir haben Karten für Dybuk
gekauft und nicht für Nachbusz! Geld zurück!“ an die Kasse stürmten und ihr Geld
zurückverlangten.
Er kannte Mogulescu
1914 starb in New york der bekannte Schauspieler und Publikumsliebling Zygmunt
Mogulescu. Jahre später gab es dann zu Ehren des Verstorbenen etliche Aufführungen,
deren Erlös der Witwe zugutekommen sollte. 1929 wurde dann die Derniere des Stückes
Dus pojlisze jingałe gegeben, des Stückes, in dem Mogulescu seine größten Triumphe
feierte.
Der bekannte Komiker Sem Kerstin hatte die Rolle von Mogulescu übernommen. Hin-
ter den Kulissen stand Józef Rumszyński, der plötzlich einen kleinen Juden auftauchen
sah, der zwischen den Kulissen herumkroch und offensichtlich etwas suchte. Also fragte
Rumszyński, was er denn suche. Daraufhin bekam er folgende mit Elan vorgetragene
Antwort: „Ich komme aus der Provinz und bin ein glühender Verehrer von Mogulescu.
Ich bin sofort gekommen, um ihn zu sehen. 20 Jahre war ich nicht mehr in New York,
aber als ich erfahren habe, dass heute eine Vorstellung mit Mogulescu stattfindet, bin ich
sofort losgefahren, um ihn zu sehen. Und jetzt sagen Sie mir bitte, wo er ist.“ Rumszyński
wurde klar, dass der kleine Jude nicht wusste, dass Mogulescu nicht mehr lebte. In diesem
Augenblick kam Kestin, der ja die Rolle von Mogulescu spielte, und Rumszyński hatte
keinen besseren Einfall, als auf Kestin zu deuten und auszurufen: „Da ist er doch!“ Der
Jude musterte Kestin genau, ein Freudenschrei und dann: „Oj, der Herr Mogulescu, wie
vor 20 Jahren in Odessa, nur die Frisur, na ja, die Frisur ist anders.“
GŻ/19/7/1940
Dienstag, 24.09.1940
GŻ 28/6/1940
Freitag, 25.10.1940
Mirla Efros
Eines der populärsten Stücke des jüdischen Theaters ist Gordins Mirla Efros. In dieser
Rolle feierte die 1925 in Warschau verstorbene Rachel Kamińska – eine der besten
jüdischen Schauspielerinnen überhaupt – in Russland, Polen und Amerika glänzende
Triumphe. Nun gründete sich 1927 in Riga ein Theaterkomitee, das sich die Unterstüt-
56 III. Die professionellen konzessionierten Theater
zung des dortigen jüdischen Theaters zur Aufgabe machte. Unter den Mitgliedern dieses
Komitees gab es etliche Mitglieder, die nur Geld und sonst nichts hatten, aber stets ein
paar Groschen für das Theater erübrigen konnten, wobei sie aber durchaus konkrete Vor-
stellungen von Spielplan und Schauspielerengagements hatten. Als die Einnahmen des
Theaters immer weniger wurden und sich die Situation immer mehr verschlechterte, be-
schloss man, eine Versammlung einzuberufen, um zu sehen, wie man die Kasse füllen
könne. Unsere Mäzene zeigten sich bei dieser Beratung derartig theatersachkundig, dass
der Theaterleiter, ein gewiefter und erfahrener Theatermann, der sehr lange mit großer
Geduld die Diskussion verfolgte, es sich nicht verkneifen konnte, sie zu veräppeln, und
sagte: „Was halten Sie davon, wenn man die Schauspielerin Mirla Efros engagiert, ich
garantiere Ihnen, dass dann das Publikum in Massen kommt.“ Die Geldgeber hatten zwar
keine Ahnung von „Mirla Efros,“ fanden aber dennoch den Vorschlag gut und einer von
ihnen meinte: „Na klar, wenn die kommt, ist das Theater voll,“ woraufhin der Theater-
leiter, der es nicht lassen konnte, noch einen draufsetzte und vorschlug, ob man nicht auch
gleich noch Ester Rachel Kamińska mitverpflichten könne. „Ja, natürlich, Ester Rachel
Kamińska, die können wir gut gebrauchen, ich persönlich werde zu ihr fahren!“ Dem
Theaterleiter, dem das Ganze sehr gefiel, und der gemerkt hatte, dass keiner der Gönner
irgendetwas kapierte, meinte daraufhin: „Jawohl, Sie sind genau der Richtige. Gehen Sie
und holen Sie die Kamińska. Das schaffen tatsächlich nur Sie.”
GŻ/11/2/1941
Freitag, 07.02.1941
Geschehen völlig unberührt. Der Inspekteur geht mit den Beamten jeden einzelnen Punkt
durch. Die Flüchtlinge, einzeln oder in Gruppen, überschütten sie mit Klagen und Forde-
rungen. Dies und jenes, aber auch ganz persönliche Sachen.
Alle bitten nicht für sich selbst, sondern für ihre Kinder. Und dann plötzlich eine freu-
dige Überraschung. Die „Hausherrin“ ruft laut: „Heute im Kropla Mleka Milch für alle
Kinder. Man kann sie holen.“ Die Gesichter der Frauen hellen sich auf. Freudiges Geraune
geht durch alle Säle, durch alle Stockwerke. Fast scheint es, als bekämen die düsteren
Zimmer hellen Glanz. In die Flüchtlingsherberge kommen Bewohner aus der Umgebung.
Es sind dies die Mitglieder der Hauskomitees, Vertreter der Schirmherrschaften. Sie orga-
nisieren eine Suppenküche. Aus den Nachbarhäusern bringen sie frische, duftende Kar-
toffelsuppe. Ein bescheidenes tägliches Mahl, aber immerhin ein Mahl. Die Menschen
hinter der Barriere beginnen langsam zu begreifen, dass sie nicht allein sind, dass ihrer in
karitativen Einrichtungen gedacht wird, dass sich jemand ihrer erbarmt und dass es für sie
einen Hoffnungsschimmer gibt und in die Kälte ihres Lebens ein Lichtstrahl fällt. Dieser
Lichtstrahl, das ist das jüdische Herz, das vor Bruderliebe brennt und das ungebrochen,
fest und voller Hoffnung an die Kraft dieser Liebe glaubt.
H. Cz.
GŻ/85/3/1941
Montag, 25.09.1941
geht. Und diese Stimmen sagen uns: Helft den Kindern. Lasst uns nicht allein! Brüder und
Schwestern mein! Wenn Du dich zum Schlafen legst, frage Dich vor dem Einschlafen:
„Was habe ich heute für ausgesetzte jüdische Kinder getan?“ Habe ich nicht vergessen,
ihnen ein Stück Brot zu geben? Wie kann man heutzutage einen Teller Suppe essen, wenn
man vor der Tür ein Stimmchen hört, das jammert: „Chbin hungerig“ – Denkt an die
Szmuleks, Joskas und Srulkas. Denkt an die Mindlas, Peskas und Sabcias! Denkt an
die, die sich nach Wärme, Fürsorge und Essen sehnen. Macht mit beim Monat des Kin-
des! Beteiligt euch im Rahmen eurer Möglichkeiten an dieser so wichtigen Hilfsaktion.
Mobilisiert die jüdische Gemeinschaft dafür. Niemand von uns darf abseits stehen. Hier
mitzumachen ist Voraussetzung, dass die Lebensbedingungen der jüdischen Kinder ver-
bessert werden können.
…Hört Szmuleks Mutter, die sagt: „Für die Kinder muss man alles machen. Alles!“
H. Cz.
GŻ/5/2/1941
Sonntag, 11.01.1942
Schirmherrschaften
Die Einbeziehung maßgeblicher Persönlichkeiten in die Fürsorgehilfe zugunsten der ar-
men jüdischen Bevölkerung, in besonderem Maße der Flüchtlinge, führte jetzt zur Schaf-
fung sogenannter Schirmherrschaften. Diese neue Institution erwarb sich auf der Stelle
Sympathie und Anerkennung der breiten Öffentlichkeit. Die auf Privatinitiative spontan
entstandene Fürsorgehilfe, die mit herzlicher Wärme, lebendigem Atem und lebensnah
handeln will, soll unabhängig von der Hilfe irgendeines Beamten der Gemeinde oder
der Ż.T.o.S. gewährt werden. Auch die zuständigen maßgeblichen Persönlichkeiten
Warschauer sozialer Institutionen begrüßen mit Freude die Entstehung dieser neuen
Initiative, in der sich zahlreiche Bürger und Bürgerinnen zusammengetan haben, die ihre
Zeit opfern, um ehrenamtlich dieser Sache zu dienen und sich um die enorme Zahl der
Umsiedler zu kümmern, die in den sogenannten „Punkten“ untergekommen sind. Die
Mehrzahl dieser Sammelunterkünfte wird von der Ż.T.o.S., 25 hingegen werden einst-
weilig von der Sozialfürsorge des Rates verwaltet. Für fast jeden dieser Punkte gibt es
jetzt Schirmherrschaften, die verantwortungsvoll eine Reihe wichtiger Aufgaben erledi-
gen wie: Sanitätsdienst, Krankenwache, Beratung aller Art, Verteilung von Lebensmit-
teln oder Ausgabe eines Bissens warmen Essens. Die Schirmherrschaften beginnen ihre
Tätigkeit als selbständige Institution mit Genehmigung des Rates und der Ż.T.o.S. Um
jeden Punkt kümmern sich Vertreter der umliegenden Hauskomitees, die sich zu einem
Ausführungskomitee, den Schirmherrschaften, zusammenschließen. Heute ist jedes Haus,
jedes Hauskomitee wie eine kleine Gemeinde, wie eine kleine Ż.T.o.S., die notwendiger-
weise die Aufgabe der Sozialfürsorge übernehmen muss. Noch befinden sich die Schirm-
herrschaften in der Aufbauphase, werden aber in allernächster Zeit ihren Wirkungskreis
bedeutend erweitern.
H. Cz.
III. Die professionellen konzessionierten Theater 59
GŻ/39/2/1942
Mittwoch, 01.04.1942
Dzielna-Straße 39
Dzielna-Straße 39. Eine Adresse, wert, sich sie in das Gedächtnis einzuprägen. Kein Café.
Kein Club. Oder irgendein Vergnügungslokal. Ein Haus, das für sich spricht. Ein Haus
mit ganz persönlicher Geschichte. Dzielna-Straße 39 – dort ist das Haus für ausgesetzte
Kinder. Halbwaisen- und Waisenkinder. Obdachlose Kinder. Verlassene Kinder. Namen-
lose Kinder. Findelkinder. Ausgesetzte Kinder. Und die Dzielna-Straße 39 soll diesen hilf-
losen, unglücklichen Wesen das Elternhaus ersetzen. Mich interessiert nicht die Archi-
tektur dieses Gebäudes. Die ist unwichtig, wichtig ist, dass jetzt, in diesem Augenblick,
in dieser Zufluchtsstätte 560 Straßenkinder Schutz und Unterkunft gefunden haben – 560!
Hört ihr nicht die Stimmchen dieser obdachlosen Kinder? Das Echo ihrer Rufe? Hier
strecken sie euch ihre Händchen entgegen. Hier schauen ihre Äuglein euch an. Euch alle…
Schließlich sind wir im Haus. Ein Besuch. Der erste Schritt. Die Kanzlei. Berichte.
Schaubilder. Statistische Angaben. Und ich sehe statt Zahlen die Kinder, und wieder höre
ich ihre Stimmchen. – 560 an der Zahl! Herr Dr. Kirschbaum und Herr Dr. Mayzner, der
Oberarzt des Heimes für obdachlose Kinder, führen uns in die Räumlichkeiten. Wir sind
überwältigt von den Eindrücken und Informationen. Wir gehen weiter. Quarantäne. Hier
werden die von der Straße geholten Kinder ein paar Tage beobachtet. Wenn sie diese
Feuerprobe überstanden haben und gesund sind, werden sie ein Stockwerk höher in den
Saal gebracht. Es ist eng. Sehr eng. Aber ein Lichtstrahl. Dann die Spielzimmer. Und hier,
in das Dämmern der Zufluchtsstätte dringt Sonnenlicht. Die Sonne. Das Willkommen
durch eine Schar von 50 Kindern. „Guten Tag! Guten Tag!“ und „Gäste! Gäste!“ Wir
begrüßen uns. Sofort sind wir Freunde. Die Erzieherinnen zeigen uns die Arbeiten der
Kinder. Zeichnungen. Scherenschnitte. Gemalte Bilder. Und hier kleine Autos. Gebaut aus
zwei Streichholzschachteln.
„Ich habe das gemacht.“ Der Konstrukteur stellt sich vor. „Ich liebe Autos und wenn
ich groß bin, werde ich mit diesem Auto fahren.“ Nicht alle Kinder besitzen einen Vor-
oder Nachnamen. Statt einer Geburtsurkunde haben sie das Protokoll der Polizeistation.
Manchmal hat die Mutter ein Kärtchen an die Decke geheftet: „Ich kann nicht… Es geht
nicht… Es ist schwierig…“ Ihren Namen bekommen die Kinder hier. Izrael, Dawid,
Sara und andere. Das bekannte N.N. ist verschwunden. Der Name für Ausgesetzte.
Ohne Vater und Mutter. – 560! Und heute teilen die Kinder mit uns ihre Freude. Denn
heute – bitte sehr die Herrschaften – gibt es Klöße. Wunderbare Klöße! Ein fürstli-
ches Essen! Es ist wahr, dass der Einrichtung die besondere Aufmerksamkeit des Vorsit-
zenden des Judenrates, Ing. Adam Czerniaków, gilt. Es ist wahr, dass es Unterstützung
seitens der Centos gibt. Es ist wahr, dass Dr. Janusz Korczak die Arbeit der Betreuer
begleitet und sich darum bemüht, das Gebäude in Ordnung zu halten. Aber wir alle
müssen helfen. Mit Sachspenden und Geld. Die Hauskomitees müssen sich beteiligen.
Jetzt. – 560! Hört ihr nicht die Silberstimmchen der Kinder?... Durch die Fenster fällt
60 III. Die professionellen konzessionierten Theater
ein heller Sonnenstrahl. Ein Sonnenstrahl, die Hoffnung auf Verbesserung der Lage der
ausgesetzten Kinder.
Herman Czerwiński.
GŻ/43/2/1942
Freitag, 10.04.1942
GŻ/40/2/1941
Dienstag, 20.05.1941
Szamru Szabat
Langsam kehrt Stille ein – es ist Freitagabend. Von der Abenddämmerung des heutigen
bis zum Aufglänzen der Sterne am Firmament des nächsten Abends feiern wir den Sabbat.
Wohltuende Stille breitet sich sanft über das jüdische Viertel aus… Der graue Alltag legt
III. Die professionellen konzessionierten Theater 61
sein Festtagsgewand an. Denn so, und nur so muss der Sabbat sein. Ruhig und feierlich –
der siebte Tag der Woche. – Sabbat – Der Händler schließt seinen Kram weg. Mit seiner
Karre mit Resten unverkaufter Ware eilt ein Straßenverkäufer nach Hause. Die Stände mit
heißem Kaffee, mit den duftenden Kartoffelsuppen und Reibekuchen sind verschwunden,
und auch die Verkäufer, die Brot und hausgemachte gefüllte Kuchen an den Straßenecken
anpreisen, sind nicht mehr zu sehen. Der Träger wischt sich mit der Kappe den Schweiß
von der Stirn und macht Schluss mit der Plackerei. Der Kaufmann zählt seine Einnahmen
und kalkuliert Preise für den nächsten Montag. Die Straßen- und Hinterhofmusikanten,
die Geiger und Waldhornspieler, die Saxophonisten und Ziehharmonikaspieler ruhen sich
auf ihren Lorbeeren aus. Der jüdische Hausmeister fegt die Toreingänge und klopft nach
alter Sitte an den Türen der Mieter den Freitagabend ein, der Briefträger gönnt seinen
Füßen den verdienten Urlaub. Geschlossen sind alle Instanzen und Institute. Alle Ab-
teilungen und Unterabteilungen, alle Sekretariate, alle Büros wie das zur Verpflegung
und Bekämpfung des Wuchers, Brennstoffversorgung, Wohnungsamt, Haus- und Berufs-
komitees, Soforthilfe, Sozialfürsorge, untätig auch das Begräbnisinstitut des Königs der
Toten Pinkert samt den Hingeschiedenen, nichts mehr von Beiträgen und Etats, Ab- und
Zugaben, Unterstützung, Forderungen, An- und Abmeldungen, Beschwerden, Gesuche,
Zu- und Wegzug. – Sabbat – Und der greise Rabbi, mit seiner beschlagenen Brille, ver-
tieft in den Seiten uralter Bücher, erinnert sich längst vergangener Zeiten, blickt auf die
tiefsten Geheimnisse, sucht Antworten oder Erklärungen. Ob er zwischen den Millionen
von Buchstaben eine Antwort findet? Und wieder bringt der Schein einer Kerze Licht in
die Dunkelheit des Lebens.
Die Rabbinerin flüstert mit Tränen in den Augen die letzten Worte des Abendgebetes.
Ein Seufzer unterbricht die Stille der Rabbinerkammer. Der alte Rabbiner streicht sich
lange den grauen Bart und sagt: – Ehren wir den Sabbat! Vertrauen wir dem Allmäch-
tigen! Seine Stimme wird lauter. Es klingt, als spräche er zu vielen. – „Szamru szabat!“
Haltet den Sabbat ein. Und Friede soll einkehren in die Welt und das aufgewühlte Meer
glätten. „Szabat kodesz.“ „Szamru szabat.“ Mögen am Sabbat Leidenschaft und Unruhe
sich in Sanftmut kehren. Und fürwahr, wer diesen Tag heiligt, kauft sich frei von seinen
Sünden in der Woche. Und wie schon unsere Weisen sagten und wie es in den Büchern
der Heiligen steht: „Lasst die Sonne des Glaubens leuchten, weil nicht zu glauben, ist
wie Blindsein.“ Ungebrochen, felsenfest ist der Glaube an die Kraft dieser Worte, an die
Bedeutung und den Triumph des Sabbats. – Glücklich die, die glauben!? – Sabbat! –
Als dann die Verfügung zur Heiligung des Sabbats in drei Sprachen überall plakatiert
war, konnte man hören: – Seht Leute! Wa, Wa! Wie lange haben Rabbi Alter aus Góra
Kalwaria und Rabbi Giterman aus … erfolglos um den Sabbat gekämpft, und nun hat es
der Vorsitzende Czerniakow mit einem Federstrich geschafft. Wa, Wa! – Jetzt kommen
womöglich auch noch – wie in den alten Zeiten – die Sabbatgendarmen, die Chassiden,
die als Sabbatwächter darauf achteten, dass der Sabbat eingehalten wird? Was für Zei-
ten, was für Zeiten! Wer weiß, vielleicht übernehmen das unsere Ordnungsdienstleute,
die können das auch. Auf der Karmelicka- und Zamenhofa-Straße, auf der Wołyńska-,
62 III. Die professionellen konzessionierten Theater
Szczęśliwa-, Dzika- und der Gęsia-Straße, in diesen verrufenen Ghettogassen und -gäss-
chen – auf der Żelazna, Sienna, śliska, den Straßen der besseren Gesellschaft, alle, alle
geben sich ihren Sabbatgedanken, Erinnerungen und Betrachtungen hin, wie einst in den
großen Städten und kleinen Städtchen.
Aber heute?! „Arm, reich, alle gleich!“ ruft mit heiserer Stimme der traurige Narr des
Ghettos, der Verrückte, der Spötter oder Zyniker, Rubinsztajn, dem Jurandot mit einem
Lied ein Denkmal setzt:
„Nicht Präses Czerniaków, Nicht oberst Szeryński, Nicht Rat Kupczykier,
Nicht Redakteur Czerwiński,
Der Berühmteste im ganzen Viertel
Ist Rubinsztajn, der Verrückte auf der Straße“.
Und eben ruft unser Rubinsztajn: „Sabbat allen Juden, arm, reich, alle gleich!“
Samstag – Es schweigt das Geschrei auf den Straßen und der Alltag legt sein Feier-
tagsgewand an.
H.Cz.
GŻ/67/2/1941
Montag, 04.08.1941
Das Orchester mit Szymon Pullman an der Spitze wurde ständig mit spontanen Ovati-
onen bedacht. Den Konzerten des jüdischen Symphonieorchesters wird in Zukunft sicher-
lich großer Erfolg beschieden sein.
H.Cz.
GŻ/21/2/1942
Mittwoch, 18.02.1942
Künstlerisch-literarischer Abend
Am 8. Februar fand im Sala Gospody Artystów in der orla-Straße 6 ein künstlerisch-
literarischer Abend statt, der dem Schaffen des literarischen Humoristen J. Obarzanek
(Ob-nek) gewidmet war, dem Autor des Buches Nadir un wein niszt. Anwesend waren:
Zymra Zeligfeld, Chana Lerner, Symche Fostel, Jack Lewi, I. M. Moszkowicz, A. Samberg
und David Zajderman. Untermalt wurde der Abend mit Vorträgen von Sz. J. Stopnicki,
E. Cejtlin und Herrn Redakteur H. Czerwiński über Humor in der Literatur. Die große
Attraktion des Abends war der Auftritt des Volkschores unter Leitung von J. Zaks. Das
Ganze – ein gelungener Abend. H.Cz.
GŻ/31/2/1942
Freitag, 13.03.1942
ein künstlerisches Festmahl zu bieten, dargeboten von den „Köchen“ selbst. Das Publi-
kum hat hier die Möglichkeit, die eigentlichen Intentionen der Dichter kennenzulernen,
ihren ungefilterten Beitrag zu den ausgewählten Themen (und das ohne grobe Gehässig-
keiten) vorzustellen und dies alles – wir haben es bereits schon zu Anfang erwähnt – mit
Niveau. Autoren und Ausführende trafen auf ein begeistertes Publikum, und man wird
hoffen können, dass viele ein „Abonnement“ dieses lebendigen Wochenblatts beziehen
werden. Durchs Programm führte mit Schwung und Elan Redakteur Wład. Szlengel.
H. Cz.
GŻ/43/2/1942
Freitag, 10.04.1942
GŻ/43/2/1942
Freitag, 10.04.1942
GŻ/40/2/1942
Freitag, 03.04.1942
Ins Bad
Es begann an einem ganz gewöhnlichen Abend.
Der Hausmeister unseres Hauses (ein etwas zweifelhaftes Subjekt, vor dem Krieg
war er in irgendeinem Betrieb) öffnete mir das quietschende Tor, nahm seinen Obolus in
Empfang, wobei er geheimnisvoll flüsterte:
– Angeblich sollen wir morgen ins Bad.
– Wir? Warum? – Was natürlich ziemlich naiv gefragt war.
Mit nachsichtigem Lächeln antwortete der Zerberus:
– Im Februar. Sie erinnern sich? Da wurde doch der Mieter aus dem Souterrain ab-
geholt. Typhus... Ganz dunkel erinnerte ich mich an irgendeinen Rettungswagen vor dem
Tor. Tatsächlich. Eine unangenehme Geschichte.
Etwas unruhig quälte ich mich über die theoretisch jeden Tag gefegten Treppen hoch
ins Haus. Meine Frau war gerade am Kochen eines raffinierten Rübengerichtes nach
einem Rezept der Tante aus Kalisz (zweimal durch ein Sieb pressen, zweimal mit kochen-
dem Wasser übergießen), als ich mit der Hiobsbotschaft kam.
– Hör mal, morgen geht’s angeblich ins Bad.
Meine Frau erstarrte zu einer verzweifelten Salzsäule.
– Wo ich doch gerade heute die Wäsche in der Wanne eingeweicht habe.
66 III. Die professionellen konzessionierten Theater
Der bei mir amtierende Untermieter (eine freundliche Einweisung der Wohnungs-
behörde) unterbrach seine um diese Uhrzeit angesagte Arbeit (er trommelte wie ein Neger
im Urwald mit einem Nudelholz auf der Gasleitung, um den niedrigen Gasdruck etwas
anzustacheln) und wandte sich uns zu. Wie immer begann er seinen Monolog mit seinem
geliebten „Bei uns in der Sienna“ und ergänzte:
– mussten wir nie ins Bad…
Woraufhin meine Frau und ich ihn einfach stehen ließen und in unser Zimmer gingen.
Etwas angenervt sah sich meine Frau im Zimmer um und meinte:
– Alles sauber… Naja, man weiß es eben nicht… Das Mittagessen wurde schwei-
gend eingenommen.
– Vielleicht sollten wir mal zum Nachbarn – schlug ich vor – der Vorsitzende ist
dort, vielleicht erfährt man was…
Wir gingen also. Natürlich mit dem Untermieter im Schlepptau.
Beim Nachbarn war es brechend voll. Das ganze Treppenhaus komplett versammelt.
Geheimnisvolle Wörter schwirrten durch den Raum. „Desinfektionskammer,“ Sanitäts-
kolonne,“ „Karbol,“ „Lysol“ usw. Ein bekannter Hinterhofpessimist begann nun schon
das sechste Mal mit seinen makabren Geschichten vom Bad in der Miła, von wegen Haare
scheren und nackt, was die Frauen nervös erschaudern, die Männer aber ziemlich un-
beeindruckt ließ.
Einige der Herren versuchten, die Situation zu retten.
– Wollen wir stille Post spielen? Oder was anderes? Allerdings brachten die eis-
kalten Blicke ihrer besseren Hälften auch die allerkühnsten zum Schweigen. Eine zischte:
– Du hast vielleicht Nerven. Jetzt spielen. Geh’ nach Hause und mach’ was Ver-
nünftiges!
– Ich mache gar nichts – so Nachbarin Nr. 1 – Was kommt, kommt, und bei mir ist
es sauber. Nachbarin 2 stimmt zu und denkt sich: möchte mal wissen, wo sie den ganzen
Dreck versteckt hat, bei ihr sieht’s doch sonst aus wie im Schweinestall. Das denkt übri-
gens Nachbarin 1 über Nachbarin 3. Und so geht es weiter im Kreis.
Bereits um 5 Uhr morgens (von außen sieht das Haus aus wie im tiefsten Schlaf ver-
sunken) herrscht drinnen höchste Geschäftigkeit. Fieberhaft wird sauber gemacht, und
unschuldige Kinder werden reihenweise aus den Betten geholt. Vor dem Tor steht der
diensthabende Ordnungsdienstmann und versucht mit heiserer Stimme klarzumachen,
dass niemand aus dem Haus herausdarf. Vergeblich. Es zeigt sich, dass von 400 Mie-
tern 399 Ausweise wichtiger Institutionen haben und unverzüglich und von Amts wegen
ihre gesellschaftliche Mission unbedingt um 6 Uhr morgens erfüllen müssen. Die einzi-
ge, die nun tatsächlich keine Legitimation für irgendetwas hat, ist eine seit fünf Jahren
gelähmte alte Frau, die aber unbedingt zu ihrer Tochter muss, die am anderen Ende des
Viertels wohnt. Das Geschrei und Krakeele dauert bis 8 Uhr. Dann ist Frühstückspause.
Um 10 Uhr dann erscheint der Arzt samt Sanitätskolonne. Fröhliche Burschen in stilvoll
beschmierten Overalls und mit gelangweilten wissenden Blicken. Spannung und Nervo-
sität steigern sich. Die Frauen wischen zum zehnten Mal Staub, rücken den Nippes auf
III. Die professionellen konzessionierten Theater 67
der Kredenz gerade, legen phantasievolle Vorkriegsfeiertagsdeckchen auf, und stolz auf
den ästhetischen Anblick ihres Heimes gehen sie dann an die Verschönerung ihrer selbst.
Und wenn dann nichts mehr von dem Schluchzen der Bengel, denen man Kopf und Ohren
gescheuert hat, zu hören ist, wartet man mit angehaltenem Atem, und die ärztliche Inspek-
tion beginnt.
– Zeigen Sie mir Ihre schmutzige Wäsche – beginnt der Arzt.
– Entschuldigen Sie, aber ich habe keine schmutzige Wäsche. Bei mir ist immer
alles sauber.
Der ganze Hinterhof ist voller sauberer Wäsche und sieht aus wie ein Wäschemagazin.
Der Arzt lächelt skeptisch, schnüffelt unter den Betten rum und wird fündig.
– Ach, die paar Tüchelchen, das ist doch nichts, ich wollte sie gerade waschen,
aber ich bin einfach noch nicht dazu gekommen.
Während die Inspektion erbarmungslos weitergeht, sammelt sich vor dem Tor eine
Schar von Menschen, sie fragen durch den Türspion nach ihren Verwandten und ver-
suchen Brotkarten, Kartoffeln und Zigaretten durch die enge Öffnung zu quetschen. Auf
dem Hinterhof versammelt sich derweil die erste Gruppe, bereit zum Abmarsch ins Bad.
Komischerweise handelt es sich hierbei um die Hinterhofelite, die normalerweise erst bei
der zweiten Tour mitgeht. Routiniert schleppen die Jungs von der Sanitätskolonne die
Kleiderbündel in die von Metylphenol geschwängerte Luft der Desinfektionskammer. Es
geht jetzt alles seinen Gang.
Am Abend dann die Nachbesprechung bei den Nachbarn.
– Stellen Sie sich vor, mein Bettzeug wurde nicht mitgenommen. Der Arzt hatte
nichts zu beanstanden.
– Bei mir hat der Oberarzt Tee getrunken.
– Und bei mir hat die Sanitätskolonne nicht mal die Mäntel ausgezogen.
Und so sind alle zufrieden. Sogar die Karbidlampe leuchtet hell und ohne zu flackern,
die Herren freuen sich über die gute Laune ihrer Angetrauten, schlagen ernsthaft „dewiat-
kę“ [Problem] vor, es herrscht Freude und Frieden.
– Parówka ist gut, aber lieber hätte ich parówki109 – der alte Hinterhofwitz wird
zitiert und die „dewiatka“ [Problem] beginnt von neuem.
Seweryn Stend.
GŻ/94/3/1942
Sonntag, 09.08.1942
Pan Plotkemacher
Wer kennt Herrn Gerüchtemacher nicht? Einen der größten Fische des Viertels? Gerüchte-
macher hier, Gerüchtemacher da. Man trifft ihn überall. Alles weiß er besser oder anders.
Er hat erstklassige Quellen. Er hat die neuesten Nachrichten. Alle scharen sich um ihn,
drängen sich um ihn wie um einen warmen Ofen. Er lügt wie gedruckt. Er tut wie ein
Wahrsager vom Nil. Er quasselt, dass einem die Ohren klingeln. Er weiß, was in der Ge-
meinde los ist. Jeden Tag redet er mit dem Vorsitzenden und den Ratsmitgliedern. Naiv-
linge glauben ihm das. Er kennt jedes Geheimnis. Meist erzählt er Phrasen wie „niszt
gesztojgen – niszt geflojgen.“ Er kennt seine Pappenheimer, die ihm in allem zustim-
men – je nach dem, was so am Tag alles anliegt. Gewöhnlich beginnt Herr Gerüchte-
macher mit „PIP“ hat gesagt, dass… (Achtung: PIP heißt „ein gewisser Idiot hat gesagt“:
wobei es sich um eine todsichere Quelle handelt). Und die Leute stehen da und schenken
diesen ausgedachten Blöd- und Dummheiten Gehör. Wie Krähen im Nebel. Und so be-
arbeiten die unterschiedlichsten Gerüchtemacher (und auch Gerüchtemacherinnen – so
viel Zeit muss sein) ihre Klientel in irgendwelchen Ecken. Und so fliegen die tollsten
Nachrichten durch die Luft, Nachrichten über ungeheure Gewinne dieses oder jenes
Herrn X,Y oder Z, über irgendwelche Betrügereien im Rat oder nicht im Rat, um Durch-
stechereien und Affären in allen Schichten. Und dazu, sozusagen als Würze, Schlafzim-
mergeschichten. A. hat was mit Frau B., deren Mann freundschaftlich mit Fräulein C.
verkehrt, die „erstklassig“ ist, und eben dieses Fräulein C wiederum ist die Freundin eines
Ratsherrn, eines Machers usw. Und so wird ein Feuerwerk nach dem anderen abgebrannt.
Man diffamiert vernünftige Ansichten und schlachtet alles aus, was zur Zeit Konjunktur
hat. Und so tummeln sich im Viertel die Gerüchte, hunderte Male kreisen sie durch die
Straßen, verbreiten Gewäsch und Blödheiten zur Ergötzung vieler Ohren.
Ich habe das Vergnügen (nebenbei bemerkt ein höchst zweifelhaftes), einen Herrn
Gerüchtemacher persönlich zu kennen. Jeden Tag läuft er mir über den Weg, mal hier,
mal da.
Wenn ich ihn einen Lügner nenne, lacht er höchst idiotisch, nenne ich ihn einen Ge-
rüchte- und Panikmacher, beteuert er seine Unschuld, und bezeichne ich ihn schließlich
als Dummkopf, ist er nicht im Geringsten gekränkt und beruft sich auf die ihm bekann-
ten „Autoritäten“ und meint, dass wenn er im Rat säße, alles besser laufen und klappen
würde.
Eines aber ist klar: die Damen und Herren Gerüchtemacher haben viel zu viel Zeit und
viel zu viel Phantasie.
Und Gerüchte sind eine sehr schlimme Sache. Eine sehr schlimme.
H.Cz.
III. Die professionellen konzessionierten Theater 69
GŻ/4/12/1940 MELODY-PALACE
Warschau, Rymarska-Straße 12
Seit 1. AUGUST mit völlig
NEUEM PROGRAMM!
Täglich ab 16 Uhr
Samstags und sonntags Matinee mit
dem kompletten Programm
Orchester: Leopold RUBINSZTEJN
COCKTAILBAR täglich ab 16 Uhr
geöffnet.
GŻ/11/10/1941 Café-Restaurant
„NOWOCZESNA“
Nowolipki-Straße 10
Empfiehlt eine warme Mahlzeit direkt
vom Herd ab 2 Złoty
SUPPE mit GEBÄCK wird den ganzen
Tag ausgegeben für 1,50 zł
SALATE und WURST zum Mitnehmen.
Am Abend Konzert der 7-köpfigen Artur
GOLD Combo. Täglich am Klavier der
aus Rundfunkauftritten bekannte Pianist
Władysław SZPILMAN.
Lokal [geöffnet] täglich von 9.00 Uhr
morgens bis 20.00 Uhr abends. Säle
gut geheizt.
1. DAS THEATER
Wie wir erfahren haben, gestatteten die Behörden den Spielbetrieb eines Theaters in der Dzielna-
Straße 1. Dieses Theater wird etliche jüdische Schauspielerfamilien, Musiker usw. beschäftigen
können.110
Eine Woche vor der feierlichen Premiere schreibt die Gazeta Żydowska:
Eine Überraschung.
Kaum bemerkt und leise tat sich etwas zwischen den Mauern des Viertels, etwas, das tief im
Menschen verankert ist, ein unfassbarer Keim der Freude. Und wieder zeigt sich der alte jüdi-
sche optimismus, der unter den schweren Mühen und Sorgen eine reine Quelle der Freude
entdeckt und sich voller Vergnügen an diesem kristallenen Trunk labt.
Lachen ist gesund, ist Freude und verlängert das Leben – und wir wollen leben. Und all das
finden nun die Bewohner des Viertels und schätzen es.
Und jetzt erwacht das vom Publikum so geliebte Eldorado (früher das Scala) zu neuem Le-
ben, wieder scheinen und glänzen die Scheinwerfer und wieder erklingt nach langer Pause das
jüdische Wort, belebt die frisch gemalte Bühne, die glänzenden Tapeten und ergötzt das fröh-
liche und lachende Publikum. Und so sitzt man wieder im Theater, sieht Ernsthaftes, Leichtes,
Komödie und Revue, und man vergisst alles andere.
Der Vorhang geht hoch, und vor den Augen der Zuschauer erscheinen unsere geliebten „Stars“:
Samberg, Kutner, Jack Lewi, Brin und an der Spitze Winder und Goldberg. Das lebensfrohe
und farbenprächtige Ballett entführt die Zuschauer in die bezaubernde Welt jüdischer Märchen,
schlägt es unter den Klängen geschickt eingeflochtener chassidischer Melodien in seinen Bann
und gibt dem Abend seine ganz eigene Stimmung.
All das ist das Verdienst des Theaterdirektors Herrn Ryba und seiner Mitstreiter, die beinahe
aus dem Nichts und nur mit eigener Kraft diese Bühne wieder belebten und die so vielen ar-
beitslosen jüdischen Künstlern Brot und dem Publikum hervorragende Unterhaltung gaben.111
Die Eröffnung des Eldorado war eine Sensation, da es unmöglich erschien, von den Deut-
schen eine Konzession für ein Theater im Ghetto zu bekommen. Die Konzession, ein
Theater zu eröffnen, erhielt Frau Judtowa, von der Emanuel Ringelblum schreibt:
Konzessionsinhaberin war die berüchtigte Frau Judtowa, die ihre Karriere der näheren Be-
kanntschaft mit einem deutschen offizier, einem großen Tier in Warschau, verdankte (angeb-
lich hat sie von ihm einen Sohn). Dieser ehemaligen Geliebten verschaffte er eine Reihe von
Konzessionen für jüdische Theater, deren Teilhaberin sie war. Eine Konzession für eine Bäcke-
rei hatte sie auch. Darüber hinaus war sie auch Drahtzieherin in Institutionen der Gemeinde, in
denen sie – unter Berufung auf ihren Deutschen – alles bekam. Ihre Gemeinheit und Dreistig-
keit war grenzenlos; trotz ihres großen Einkommens gierte sie noch nach ein paar hundert Złoty
pro Monat aus der Kasse der Sozialfürsorge der Gemeinde, die für die Allerärmsten bestimmt
ist. Jetzt hat Czerniakow112 ein Rundschreiben verschickt, dass sie in keiner Institution der
Gemeinde mehr empfangen werden darf.113
110 GŻ/38/2/1940.
111 GŻ/44/2/1940.
112 Gemeint ist Adam Czerniakow (1880 –1942), der Vorsitzende des Judenrates.
113 Emanuel rinGElbluM, Kronika Getta Warszawskiego, 386.
IV. Teatr Eldorado 77
In der Gazeta Żydowska finden sich zwei Artikel, die über Frau Judtowa berichten. Zum
einen ein in übelster „Stürmermanier“ geschriebener Text mit der Überschrift „Miss des
Jüdischen Stadtteils,“ der im März 1942 veröffentlicht wurde:
Zum anderen erschien unter der Rubrik „Tagesereignisse“ eine Nachricht mit der Über-
schrift „Dokumentendiebstahl:“
Bei der Einmündung der Gęsia- in die Smocza-Straße wurde Regina Judtowa (Leszno 42)
ihr Muff entrissen, in dem sich wichtige Dokumente wie Empfehlungen, Ausweise usw. be-
fanden.115
Als in der Nacht vom 18. auf den 19. April 1942 untereinander konkurrierende Gestapo-
abteilungen jüdische Mitwisser und Kollaborateure liquidierten, d.h. erschossen, vermutete
Ringelblum auch Frau Judtowa unter den Ermordeten: „Endlich wurde dem Tun dieser
abscheulichen Erpresserin, Hochstaplerin und Betrügerin ein Riegel vorgeschoben“116. Er
musste aber später bedauernd feststellen: „Die Nachricht vom Tod der Frau Judtowa er-
wies sich leider als falsch.“117 Ihrer drohenden Verhaftung im Juni 1942 entzog sich Frau
Judtowa durch die Flucht auf die „arische Seite.“118
2. ZUM SPIELPLAN
114 GŻ/27/3/1942.
115 GŻ/51/2/1942.
116 Emanuel rinGElbluM, Kronika Getta Warszawskiego, 386.
117 Ebd., 403.
118 Barbara EnGElkinG, Getto Warszawskie, 246.
119 Fließbandautoren sentimentaler Gedichte und Melodramen in jüdischer Sprache.
78 IV. Teatr Eldorado
unbarmherzigen Pressekampagne“120 mit großem Erfolg gegeben wurden. Dass dies aller-
dings für das Eldorado nicht generell gilt, zeigt die Auswahl von Autoren wie Szolem
Alejchem, dem „jüdischen Mark Twain,“ bekannt als Autor von Anatevka, Jakub Gordin,
dem großen Reformator des jüdischen Theaters, und Zalman Zylbercwajg, Theaterautor
humoristischer Sketche und Verfasser des sechsbändigen Leksikon fun Yidishn Teater
[Lexikon des jiddischen Theaters], deren Texte zur Aufführung gebracht wurden.
Die weiteren Stücke, eben die Melodramen, Volksoperetten usw., galten als nicht be-
sonders anspruchsvoll. Die letzte Premiere wiederum, Der Dorfs Jung von Leon Kobryn
in der Regie von Maks Wiskind, war dann nach Meinung von Ruta Sakowska die „künst-
lerische Rehabilitation dieses Theaters“121, nach Barbara Engelking „die erste ambitio-
nierte Inszenierung“122, nach Turkow „[Der Dorfs Jung] der erste und letzte gelungene
Versuch im Mai-Juni 1942“123, und „Sewer“ kommentierte in der Gazeta Żydowska vom
28. Juni 1942:
Wie berechtigt war die Angst, mit diesem ernsthaften Stück die breite Schicht, die nach Unter-
haltung gierende Zuschauerschaft nicht erreichen zu können? Offensichtlich war die Angst un-
begründet. Der bis auf den letzten Platz gefüllte Saal war der beste Beweis, dass es wert ist,
Theater auf hohem Niveau zu spielen, dass es wert ist, ein Repertoire von wahrhaftiger Be-
deutung zu präsentieren, damit das Publikum nicht das Theater, sondern das Theater das Pub-
likum erziehe.124
Zu sehen waren im Eldorado125: In Rejdł (Revue); Di mazeldyke chasene von Zelig Kal-
manowicz (die Tochter verliebt sich in den falschen Mann, Vater und Mutter sind dagegen,
lassen sich aber umstimmen); Dus Dorfs Mejdł von J. Majzel (Mädel vom Dorf erlebt die
schwülstigen Lügen der Stadtleute); Komediantki von H. Lewi (Mutter stirbt, Vater geht
nach Amerika und lässt die Tochter beim Onkel, der setzt das Kind aus, der Vater macht
in Amerika Karriere und wird Filmproduzent, kommt zurück, schließlich Happy End
in Hollywood); Rywkełe dem Rebens von Zelig Kalmanowicz; Cipe fun Nowolipe von
Igor S. Korn-Teuer (einfaches Mädel aus dem Viertel segelt mit seinem Onkel Symche-
Wesusem über den Ozean, beide treffen dort auf die Dollarfritzen, schließlich triumphie-
ren offenherzigkeit und Schlichtheit); A hajm far a mame von Zelig Kalmanowicz; Unzer
Rebeniu von I. Frejman (Cipka, die äußerst entzückende Tochter des Müllers Zelman, ver-
liebt sich unsterblich in einen jungen und Liebreiz verströmenden Rabbi, der von allen nur
Unser Rabbi genannt wird); Farkojfte neszumes von Ajb Lang (junges Mädchen kommt
auf die schiefe Bahn und findet seine Mutter im Bordell); Icykł Szołtyk von Izio Steinberg;
Dus Kabaret Mejdł von Zelig Kalmanowicz (auf seine Frau eifersüchtiger Mann bringt
das geliebte Kind beider um und begeht dann Selbstmord); Di grine kale126 von A. Angel;
Di Inge Rebecn von S. Goldberg (miteinander verflochtene und verwobene humoristi-
sche Episoden); Gasnkind von A. Sigal; Wus majdłech darfn wisn! (typisches Melodram
aus dem Volkstheaterrepertoire); Git mir ub mein harc127 von Nachber; Cypke Fajer von
J. Sigal; Di freiliche Mechutonim von Zelig Kalmanowicz (Schustersohn mit Ambitio-
nen verliebt sich in schöne Schneidertochter); Godzina przed ślubem128 von A. Sigal (un-
glückliche Liebe des Sohnes von Albert, einem ehemals sehr vermögenden Mann, zu
Sona, der Hausbediensteten, die Prostituierte wird und schließlich vor Gericht wieder auf
ihre alte Liebe, den Sohn von Albert, trifft, der jetzt Richter ist); Der Dorfs Jung129 von
Leon Kobryn.
Zusammengefasst: 18, d. h. nahezu alle der im Eldorado zur Premiere gekommenen
Stücke, können – nimmt man die Beurteilung von Herman Czerwiński zum Maßstab –
der „leichten, auf das Eldoradopublikum zugeschnittenen Unterhaltung“ zugeordnet
werden, während zwei einer „gehobenen Stückequalität“ zugerechnet werden (In Rejdł
und Dorfsjung).
3. DIE LEITUNG
Symcha Ryba und Meier Winder; Künstlerische Leitung: Ajzyk Samberg (bis August
1941); Musikalische Leitung: Arnold Wolsztejn.
Konzessionsinhaberin: Regina Judtowa.
4. DAS SCHAUSPIELENSEMBLE
5. DER STAR
Star des Eldorado war zweifelsohne die hervorragende Schauspielerin Regina Cukier, die
mit ihrem Spiel, Gesang und Tanz das Publikum begeisterte und die in der Vorkriegspresse
auf Grund ihrer Rollen in den Volksstücken als „Königin der Schmiere“ verrissen wurde,
was ihrem Ruhm im allgemeinen und ihrer Beliebtheit im Ghetto zu Recht jedoch kei-
nerlei Abbruch tat. Regina Cukier spielte in elf Stücken am Eldorado sowie in zweien im
Femina (in Szafa gra wird sie als Gast erwähnt, bei Od gminy do feminy als Ensemblemit-
glied) und stand mit 473 gespielten Aufführungen an der Spitze des Eldorado-Ensembles.
Von der Eröffnungsvorstellung am 6. Dezember 1940 bis zum 2. Juni 1941 war sie in
jedem Stück besetzt.
Auffallend ist, dass Regina Cukier nur in Stücken spielte, bei denen ihr Mann Karl
Cymbalist Regie führte und er dabei in fünf Stücken zusammen mit ihr auf der Bühne
stand. Nach fünf Premieren in Folge, wobei Regina Cukier an 179 Kalendertagen immer-
hin 204 (!) Auftritte absolvierte (eingerechnet die zusätzlichen Samstagsvorstellungen),
kehrten beide dem Eldorado den Rücken und wurden am 3. Juni 1941 mit einer Vorstel-
lung von Rywkełe dem Rebens verabschiedet. Vom 4. Juni bis 17. September 1941, also
etwas mehr als zweieinhalb Monate, konnten keine Engagements weder für sie noch für
Karl Cymbalist ermittelt werden.
Warum sie das Eldorado verließen, ist nicht bekannt, sei es aus in Theatern gern ge-
übten Praktiken wie Intrigen, gnadenlosem Konkurrenzkampf, verbunden mit Fragen
der Besetzung, d. h. mit Gage oder Machtspielchen, sei es aus Arbeitsüberlastung, Berufs-
müdigkeit oder Krankheit – man weiß es nicht, auch nicht, mit was für Tätigkeiten sich
Regina Cukier und Karl Cymbalist in dieser Zeit über Wasser hielten.
Nach einer Auftrittspause von 10 Wochen hatte sie wieder ein Engagement im Femina
(Szafa gra und Od gminy do feminy), was in der Gazeta Żydowska mit der Schlagzeile an-
gekündigt wird: „Sensation des neuen Programms im Theater Femina wird zweifellos der
Auftritt der äußerst bekannten und beliebten Schauspielerin Regina Cukier sein, die sich
dem Publikum mit einem völlig neuen Programm präsentieren wird“. Herman Czerwiński
kommentiert in der Gazeta Żydowska vom 18. August 1941:
Es ist schon auffallend, dass Regina Cukier diese „Spielpause“ nicht durch ein Engage-
ment am Eldorado beendete, sondern am Femina. Allerdings ging sie nach der Dernière
von Od gminy do Feminy wieder zurück ans Eldorado, wo sie unter der Regie ihres Man-
nes weitere sechs Stücke in Folge spielte.
Anzumerken ist auch, dass die Stücke, in denen Regina Cukier vor ihrer „Spielpause“
auftrat, es durchschnittlich nach Premiere auf 40 Aufführungen, die in der „Spielpause“
auf 30 Aufführungen und die nach dem Wiederengagement auf 35 Aufführungen brachten.
6. DIE KOLLEGEN
Ewa Sztokfeder spielte über die gesamte Spielzeit des Eldorado in elf Stücken und hatte
354 Vorstellungen; Symcha Rozen spielte in elf Stücken mit 345 Vorstellungen; Maks
Bryn spielte in 331 Vorstellungen zehn Stücke; Pola Rozen war in neun Stücken mit 319
Vorstellungen besetzt; Jakub Grynszpan hatte 291 Vorstellungen in acht Stücken; Fela
Garbarz, die im Vorkriegspolen als Schauspielerin in jüdischen Filmen und Theatern zu
131 GŻ/72/2/1941.
82 IV. Teatr Eldorado
Ruhm gelangt war, spielte acht Stücke mit 290 Vorstellungen; Szlomo Kutner war in 201
Vorstellungen in acht Stücken zu sehen; Dawid Birenbaum, der schon Mitte 1940 mit der
Kabarettruppe Pięć wesołych chwatów (Die fünf lustigen Heiratsvermittler) Auftritte im
Melody Palace hatte, spielte mit einer Unterbrechung sieben Stücke (275 Vorstellungen)
in der Zeit vom 6. Dezember 1940 bis 9. Juli 1941, ging dann für drei Stücke ans Melody
Palace und kehrte anschließend wieder ans Eldorado zurück, wo er noch in zwei Stücken
mit 56 Aufführungen zu sehen war; Irena Welisz spielte in acht Stücken 274 Vorstellun-
gen; Abram Kurc war in acht Stücken in 259 Auftritten zu sehen; Karl Cymbalist war
neben seinen Regiearbeiten in sechs Stücken mit 200 Vorstellungen auf der Bühne zu
sehen; Harry Zajderman spielte vom 6. Juni 1941 bis 31. August 1941 in drei Stücken,
stand dann von September 1941 bis März 1942 im Melody Palace in drei Stücken auf der
Bühne, ging nach der Dernière von Di freiliche kabcunym wieder zurück ans Eldorado
und spielte dort noch in drei Stücken; am Eldorado spielte Harry Zajderman insgesamt in
sechs Stücken (153 Vorstellungen); Fela Jawerbaumówna spielte in fünf Stücken mit 149
Vorstellungen; Symcha Fostel war vom 6. Juni 1941 bis 9. Juli 1941 in drei Stücken in
Folge im Engagement, spielte dann vom 5. September bis 22. Oktober im Melody Palace
in zwei Stücken, ging wieder zurück ans Eldorado, spielte dort in Dus Kabaret Mejdł, um
schließlich im Teatr Nowy Azazel in acht Stücken auf der Bühne zu stehen. Im Eldorado
spielte er insgesamt in vier Stücken (128 Vorstellungen). Józef orensztejn hatte sein erstes
Engagement am Femina, wo er in Batalion humoru 37 Vorstellungen spielte, nach der
Dernière ging er ans Eldorado und war dort für fünf Stücke engagiert, in denen er es auf
107 Vorstellungen brachte; Dawid Zajderman stand vom 6. Juni 1941 bis 31. August 1941
in drei Stücken mit 98 Vorstellungen in Folge auf der Bühne des Eldorado und wechselte
nach seiner Abschiedsvorstellung mit A jam fun fargenigen ans Melody Palace; Chana
Lerner spielte am Eldorado drei Stücke und bestritt 98 Vorstellungen, um dann nach der
Abschiedsvorstellung von A jam fun fargenigen ans Melody Palace zu gehen; Dora Fakiel
war in drei Stücken besetzt und hatte 81 Vorstellungen; Naomi Natan war in drei Stücken
in 71 Vorstellungen zu sehen; Jochewet Zylberg spielte in drei Stücken in insgesamt 93
Aufführungen; Symcha Szeftel spielte 69 Vorstellungen in zwei Stücken; Hersz Balbirski
spielte im Eldorado Rywkełe dem Rebens (Premiere 2. Mai 1941) und nach zweimonati-
ger Pause Unzer Rebeniu (Premiere 8. August 1941), hatte 65 Vorstellungen, um dann
ans Teatr Nowy Azazel zu wechseln, wo er in vier Produktionen zu sehen war; Estera
Goldenberg spielte in zwei Stücken und hatte 40 Vorstellungen; Meier Winder, Direktor
des Eldorado, spielte Mitte der Spielzeit 1941 in Di Inge Rebecn (39 Vorstellungen) wie
auch 1942 im letzten Stück des Eldorado, Dorfsjung.
Żak Lewi (In Rejdł) 46 Vorstellungen; Adam B. Uberman (In Rejdł) 46 Vorstellungen;
Pinek Wicher (Komediantki) 45 Vorstellungen; Igor S. Korn-Teuer, Autor von Cipe fun
Nowolipe stand in eben diesem Stück auch auf der Bühne und hatte 39 Vorstellungen;
Maria Kajzerowicz spielte in Rywkełe dem Rebens und hatte 38 Vorstellungen; Bołesław
IV. Teatr Eldorado 83
Norski-Nożyca hatte ein Engagement in Wus majdłech darfn wisn! mit 38 Vorstellungen;
Muni Ler spielte ein Stück (Farkojfte neszumes) und war in 24 Vorstellungen zu sehen;
Józef Najwert spielte in Dorfsjung; A. Wolfowicz (In Rejdł) 46 Vorstellungen; Ajzyk Sam-
berg (In Rejdł) 46 Aufführungen; Szlomo Kon (Dorfsjung).
Am 2. September 1941 verließen nach ihrer Verabschiedung mit dem Stück A jam
fun fargenigen Chana Lerner, Dawid Zajderman und Symcha Fostel das Eldorado. Chana
Lerner, ihr Gatte Dawid Zajderman und Sohn Harry Zajderman wechselten zusammen
mit Symcha Fostel zum Melody Palace, das am 5. September mit der Premiere des Stücks
Di Idysze Chasene eröffnete. Im Gegensatz zu Chana Lerner und Dawid Zajderman,
die am Melody Palace blieben, gingen Harry Zajderman und Symcha Fostel wieder ans
Eldorado zurück. Symcha Fostel ging dann nach Dus Kabaret Mejdł ans Azazel, wo er in
acht Stücken zu sehen war.
Ein Großteil der Stücke im Eldorado waren traditionelle jüdische Komödien und Melo-
dramen („Schmonzetten“) und wurden in der Regel mit Rollenfächern wie „jugendlicher
Liebhaber und Naturbursche,“ „komische Alte,“ „tragische Liebhaberin und Heldin“
besetzt, und da diese Rollentypen eben in den jeweiligen Stücken gefordert waren,
wurden sie auch stets mit denselben Schauspielern besetzt. Das heißt, das Ensemble
musste die wichtigsten Rollenfächer bedienen, die restlichen Rollen wurden mit Gäs-
ten abgedeckt. Geht man von der Annahme aus, dass man von der Zugehörigkeit zu
einem festen Ensemble sprechen kann, wenn die Schauspieler in mehr als der Hälfte der
Stücke innerhalb der Spielzeit besetzt waren und keine Gastverpflichtungen an anderen
Theatern hatten bzw. überwiegend am Haus beschäftigt waren, so bestand das Ensemble
des Eldorado aus folgenden 13 Schauspielerinnen und Schauspielern: Regina Cukier,
Symcha Rozen, Ewa Sztokfeder, Maks Bryn, Pola Rozen, Fela Garbarz, Jakub Gryszpan,
Abram Kurc, Szlomo Kutner, Irena Welisz, Dawid Birnbaum, Karl Cymbalist und Harry
Zajderman.
Für mehrere Stücke engagierte Gäste waren folgende sieben Schauspielerinnen und
Schauspieler: Fela Jawerbamówna, Józef orensztejn, Symcha Fostel, Jochewet Zylberg,
Chana Lerner, Dawid Zajderman, Naomi Natan. 15 weitere Gäste waren mit nur einem
Engagement Teil des Eldorado-Ensembles.
7. DIE REGIE
Hausregisseur des Eldorado war Karl Cymbalist, Gatte von Regina Cukier, der bei 11
der 20 gespielten Stücke Regie führte. Die übrigen Regiearbeiten übernahmen Dawid
Zajderman (3), Szlomo Kutner (3), Symcha Rozen (1) und Maks Wiskind (1). Auffallend
ist, dass außer Maks Wiskind alle Regisseure auch in Stücken, bei denen sie Regie führten,
Rollen übernahmen: Karl Cymbalist in fünf von elf seiner Regiestücke, Dawid Zajderman
in allen seiner Stücke (Hauptrolle in Unzer Rebeniu), Szlomo Kutner in zwei von drei und
Symcha Rozen in seinem Regiestück.
84 IV. Teatr Eldorado
8. DIE AUTOREN
Texte für fünf Stücke stammen aus der Feder von Zelig Kalmanowicz (Di mazeldyke cha-
sene, Rywkełe dem Rebens, A hajm far a mame, Dus Kabaret Mejdł, Di freiliche Mechu-
tonim); drei sind von A. Sigal (Gasnkind, Cypke Fajer, Godzina przed ślubem); die wei-
teren Autoren waren A. Angel (Di grine kale); I. Frejman (Unzer Rebeniu); S. Goldberg
(Di Inge Rebecn); Leon Kobryn (Dorfsjung); Igor S. Korn-Teuer (Cipe fun Nowolipe);
Ajb Lang (Farkojfte neszumes); H. Lewi (Komediantki); J. Majzel (Dus Dorfs Mejdł);
Nachber (Git mir ub mein harc); Szolem Alejchem (In Rejdł) und Zalman Zylbercwajg
(In Rejdł).
9. DIE MUSIKER
Wie bereits erwähnt, waren die meisten Stücke im Eldorado Musikstücke – Revuen,
Volksoperetten und musikalische Komödien, also recht aufwendige Produktionen, die ein
Orchester, Arrangements und einen Dirigenten erfordern. Bei den Angaben zu „Musik“ in
der Gazeta Żydowska ist meist nur indirekt zu ermitteln, ob es sich hierbei um Komponist,
Arrangeur oder Dirigent – oder alles zusammen – handelt. Bei vier Stücken wurden Kom-
positionen von Szymon Sekunda genommen, für Komediantki, Cipe fun Nowolipe, Icykł
Szołtyk und Wus majdłech darfn wisn! Szymon Sekunda emigrierte im Alter von 13 Jahren
mit seiner Familie in die USA. Am bekanntesten ist wohl sein weltberühmtes „Bei mir bist
du schön,“ dessen Rechte er für einen Dollar verkaufte. Daneben komponierten die Musik
für Unzer Rebeniu D. Rechtcejt und für Dus Dorfs Mejdł J. Somer.
Der musikalische Leiter des Eldorado, Arnold Wolsztejn, zeichnete für acht Stücke
verantwortlich (wahrscheinlich hatte er die musikalische Leitung für alle Stücke) und wird
bei A hajm far a mame ausdrücklich auch als Komponist erwähnt, wobei bei zwei Stücken
(In Rejdł und Di mazeldyke chasene) auch Gladsztejn und Ajzensztadt unter Musik an-
geführt werden. Vermutlich handelt es sich hier um Izrael Gladsztejn, Chorleiter und
Dirigent, sowie um Dawid Ajzensztadt, Dirigent und Chorleiter des Synagogenchors.
Prof. Icchak Zaks, Leiter des Volkschores, dirigierte Git mir ub mein harc, Cypke Fajer
und Der Dorfsjung.
Choreographin und Leiterin der Ballettcompagnie des Eldorado war Irena Prusicka, die
im Vorkriegswarschau eine der drei größten privaten Tanzschulen leitete und dort u. a.
mit Franciszka Mannówna, Wiera Gran und Stefania Grodzieńska arbeitete. Im Eldorado
ist sie bei allen Stücken, die Musik und Tanz beinhalten, als Choreographin und Chefin
der Tanztruppe erwähnt. Von den Tänzerinnen ist wenig bis gar nichts bekannt, ledig-
lich Ina Holska in Komediantki und Estera Milsztejn in In Rejdł werden als Solistinnen
genannt.
IV. Teatr Eldorado 85
Zuständig für Bühnenbild und Ausstattung im Eldorado war Aleksander Liberman. Von
der Gazeta Żydowska hochgelobt zeichnete er auch für die meisten Bühnenbilder in den
anderen Theatern im Ghetto.
Betrachtet man Laufzeiten und Zahl der Aufführungen von Stücken als Gradmesser für
Erfolg bei Publikum und Kasse (nach der Faustregel: je länger die Laufzeit, desto erfolg-
reicher das Stück), ergibt sich für das Eldorado folgendes Bild: im Durchschnitt lief im
Eldorado ein Stück 32 mal. Die ersten vier Stücke, die in der Zeit von Dezember 1940 bis
einschließlich April 1941 zur Premiere kamen, standen im Schnitt 41 mal auf dem Spiel-
plan, also weit über dem Durchschnitt der Gesamtspielzeit. Anzumerken ist, dass diese
Stücke sozusagen konkurrenzlos bis April/Mai liefen, da das Azazel erst am 6. Mai 1941
seine Spielzeit eröffnete.
Die Kassenfüller am Eldorado waren mit mehr als 40 Vorstellungen die Eröffnungs-
vorstellung In Rejdł, die dritte Premiere mit Dus Dorfs Mejdł und Gasnkind, das am 21.
Januar 1942 Premiere hatte. Das letzte zur Premiere gebrachte Stück war Dorfsjung.
In der Zeit von Januar bis Dezember 1941 lag der Schnitt bei Stücken, die in dieser
Zeit Premiere hatten, bei 34 Vorstellungen, von Januar bis Juni 1942 bei 28 Vorstellun-
gen, also unter dem Durchschnitt von 1941. Dieses Ergebnis beruht auf dem Einbruch
bei zwei Stücken, nämlich Git mir ub mein harc mit 17 Vorstellungen und Cypke Fajer
mit lediglich sechs Vorstellungen, was nicht so ganz erklärbar ist, zumal der Titel doch
vielversprechend klingt.
Die 1941 und 1942 gespielten Stücke hatten jeweils einen Schnitt von 35 Vorstellun-
gen. Es gab also im Eldorado keine generelle Tendenz, dass gegen Ende der Ghettozeit
trotz der immer brutaler werdenden Lebensumstände die Stücke signifikant schlechter
besucht waren. Bemisst man den Erfolg des Eldorado an gespielten Vorstellungen pro
Stück, so zeigt sich, dass unter der künstlerischen Leitung Ajzyk Sambergs (bis August
1941) und auch danach eine solide, wenn auch auf Grund der Stückauswahl gern ge-
schmähte, auf den Publikumsgeschmack ausgerichtete erfolgreiche Spielplangestaltung
betrieben wurde.
Gespielt wurden im Eldorado eine Revue, zehn Komödien bzw. Tragikomödien (fast
alle mit Musik), sechs Melodramen und drei Volksstücke (Kleinoperetten).
In der Gazeta Żydowska erwähnt wurde das Teatr Eldorado 81 mal – 18 Kritiken,
35 redaktionelle Beiträge und 28 Anzeigen. Premiere des letzten Stücks Der Dorfs Jung
von Leon Kobryn war am 21. Juni 1942, einen Monat vor Liquidierung des Ghettos.
86 IV. Teatr Eldorado
* Die Zahl der Aufführungen kann in einigen Fällen abweichen, da in der GZ Dernieren-,
in manchen Fällen auch Premierentermine nicht immer als solche ausgewiesen oder auch
unkorrekt datiert sind. (Anmerkung der Herausgeberinnen).
IV. Teatr Eldorado 87
15. STÜCKE
15.1 In Rejdł
[pl. W kółeczku; dt. Im Kreise]
GŻ/44/2/1940
Freitag, 20.12.1940
In Rejdł
Den Vorhang hoch!
Theater Eldorado (Dzielna-Straße 1)
In Rejdł [Im Kreise] in 2 Teilen (14 Bilder)
Nach längerer, besser nach sehr langer Pause belebten sich die Mauern des früheren, äußerst
populären Theaters Scala in der Dzielna-Straße wieder, das heute – unter dem verlockenden
Namen Eldorado – mit einer Revue seine Tore dem „jüdischen Viertel“ öffnete…
Mit großem Interesse, ja mit einem gewissen Lampenfieber, warten wir eine Weile, bis
schließlich der Vorhang hoch geht… Und wieder – wie einstmals erscheinen jüdische Schau-
spieler auf der Bühne und werden vom Publikum mit lang anhaltendem Beifall bedacht. Wir
alle sind in einem freundlich fröhlichen, vor Leben, Elan und Temperament pulsierenden In
Rejdł – W kołeczku.
Dieses Rädchen, das vor unseren Augen wie ein Film in 14 Bildern abrollt, erobert jeden
Abend im ausverkauften, sehr ästhetisch eingerichteten Saal des Eldorado Herzen und
Hände (Brawa) des Publikums. Und wir haben ein Potpourri all dessen, was Revue beinhaltet,
was sie kann und soll, dazu hervorragende Einfälle und durchdachte Regie. Humor, Gesang,
gesprochenes Wort, Tanz. Folgen wir also dem Programm. Sehen und hören wir, wie es aus
IV. Teatr Eldorado 89
GŻ/6/3/1941
Dienstag, 21.01.1941
GŻ/11/2/1941
Freitag, 07.02.1941
Autor: J. Majzel
Regie: Karl Cymbalist
Stück: Komödie in zwei Akten
Premiere: Freitag, 14.02.1941
Dernière: Dienstag, 25.03.1941
Aufführungen: 46
Vorstellungen: täglich um 17.20 Uhr, samstags 15.00 Uhr (zu ermäßigten Preisen) und
17.20 Uhr; Ende der Vorstellungen 19.20 Uhr; auch 17.45 Uhr; 13.04. und 14.04. jeweils
zwei Vorstellungen 15.00 Uhr und 18.00 Uhr zu ermäßigten Preisen
Besetzung/Rollen: Regina Cukier [Gitla]; Jakub Grynszpan [Janka Cygan]; Abram Kurc
[Chaim Szraim]; Symcha Rozen; Dawid Birenbaum; Fela Garbarz; Pola Rozen; Karl
Cymbalist; Ewa Sztokfeder; Maks Bryn
Musik: J. Somer
Musikalische Leitung/Dirigent: Arnold Wolsztejn
Choreographie: Irena Prusicka, Eldorado-Ballett
Ausstattung: Aleksander Liberman
Presse: Kritik GŻ/15/3/1941; Redaktion: GŻ/11/4/1941; Anzeige GŻ/11/10/1941; Redakti-
on 13/2/1941; Redaktion: GŻ/15/4/1941; Anzeige GŻ/15/9/1941; Redaktion GŻ/17/4/1941;
Anzeige GŻ/17/4/1941; Redaktion GŻ/19/2/1941; Anzeige GŻ/21/8/1941; Redaktion
GŻ/23/4/1941; Anzeige GŻ/23/10/1941
GŻ/13/2/1941
Freitag, 14.02.1941
GŻ/15/4/1941
Freitag, 21.02.1941
Dus Dorfsmejdł
im Theater Eldorado, Dzielna-Straße 1
Heute wird um 18 Uhr im Theater Eldorado die ausgezeichnete Komödie von Majzel Dus
Dorfsmejdł gegeben. Regie – Karl Cymbalist. In der Hauptrolle ist die bekannte Künstlerin
Regina Cukier zu sehen. Hervorragende Besetzung.
GŻ/15/3/1941
Freitag, 21.02.1941
redet der Heiratsvermittler Chaim Szraim Gitla zum Kauf eines Loses und: auf ihre Nummer
fällt eine Million. Der große Gewinn!
Und… Ja und jetzt kommen sie mit offenen Armen zu dem verachteten, verschmähten und
einfachen Mädel: Herr Bernard Openheim und seine reiche Schwester Bluma, ihre Tochter Lola
und schließlich auch Dolly… Aber unser Dorfmädel hat den Charakter der „Stadtleute“ zur
Genüge kennengelernt. Es zieht das Land vor und heiratet Janka Cygan.
All das, von dem hervorragenden Regisseur Karl Cymbalist in zwei Akten verflochten, nimmt
lebhaft seinen Verlauf. Es tönt und pulsiert. Königin des Ensembles ist die talentierte Künstle-
rin Frau Regina Cukier, unvergleichlich in der Interpretation der Titelrolle. Nur sie, und keine
andere, kann Dus Dorfs Mejdł sein. Frau Cukier betört und verzaubert alle mit ihrem Gesang,
mit ihren volkstümlichen Liedern über das Dorf Kraczygród, mit ihrem Tanz, mit ihrem Ge-
fühl und ihren Tränen. Tosender Beifall und Blumen als Dank an die Künstlerin für ihr „Dorf-
mädchen.” Hervorragend ihr Partner, Herr Jakób Grynszpan, der mit nicht weniger Schwung
und Temperament die Rolle des Janka Cygan gab.
Duette russischer Lieder (Cukier und Grynszpan) mit entsprechenden Tanzeinlagen wurden
auf offener Bühne mit Beifall bedacht. Herr Abram Kurc, konkurrenzlos als Heiratsvermittler
Chaim Szraim, erntete wahre Lachsalven. In weiteren Rollen: Symcha Rozen, Dawid Birn-
baum, Fela Gabarz, Pola Rozen, Karl Cymbalist, Ewa Sztokfeder, Maks Bryn. Begeisterung
auch für die Tanznummern des hervorragenden Eldorado-Balletts.
Die Musik von J. Somer unter dem Taktstock des talentierten Dirigenten Herrn A. Wolsztejn
fügte sich harmonisch in den Gang der Handlung. Ballettkostüme und Bühnenbild, insbeson-
dere die Gestaltung des Dorfes: A. Liberman – ohne Fehl und Tadel.
H.Cz.
GŻ/17/4/1941
Freitag, 28.02.1941
GŻ/19/2/1941
Freitag, 07.03.1941
Dus Dorfsmejdł
Täglich zu sehen ist im Theater Eldorado die hervorragende Komödie Dus Dorfsmejdł mit
dem Warschauer Publikumsliebling Regina Cukier in der Hauptrolle. Regie: Karl Cymbalist.
Vorstellungen 18 Uhr, Vorstellungsende 20 Uhr. Samstag um 15 Uhr Vorstellung zu ermäßigten
Preisen.
GŻ/23/4/1941
Freitag, 21.03.1941
15.4 Di Komediantke
[pl. Komediantka/Komediantki; dt. Die Komödiantin]
Autor: H. Lewi
Regie: Karl Cymbalist
Stück: Melodram
Premiere: 28.03.1941
Dernière: 30.04.1941
Aufführungen: 39
Vorstellungen: täglich um 17.45 Uhr, Ende der Vorstellung 19.45 Uhr
Besetzung/Rollen: Regina Cukier [Hauptrolle Gesia]; Karl Cymbalist [Drehorgelspieler];
Ewa Sztokfeder [verrückt gewordene Filmschauspielerin Lawei]; Dawid Birenbaum; Pola
Rozen; Jakub Grynszpan [Liebhaber Sidnej Braun]; Fela Garbarz; Pinek Wicher [Ge-
richtsdiener]
Musik: Szymon Sekunda
Musikalische Leitung: Arnold Wolsztejn
Choreographie/Ballett: Irena Prusicka, Ina Holska [Solistin]
Bühnenbild /Ausstattung: Aleksander Liberman
Presse: Kritik GŻ/27/3/1941; Anzeige GŻ/21/8/1941; Redaktion GŻ/23/4/1941; An-
zeige GŻ/23/10/1941; Redaktion GŻ/25/3/1941; Redaktion GŻ/29/3/1941; Redaktion
GŻ/31/3/1941
GŻ/25/3/1941
Freitag, 28.03.1941
GŻ/27/3/1941
Freitag, 04.04.1941
Teatr Eldorado
Premiere Komediantki
Nach mehrwöchigen Vorbereitungen setzt jetzt die Direktion des Eldorado in Warschau mit der
Premiere von Di Komediantke (Komediantka), Komödie in zwei Akten von H. Lewi, ein neues
Stück auf den Spielplan.
Dem Autor gelingt es, in zwei Akten gleichsam alle schicksalhaften Dreh-Angelpunkte
im Leben zu berühren, die die Protagonistin über Wege voller Bitterkeit, Schmerz, Tränen
und Trauer endlich in die Arme des so sehr ersehnten Glücks führen. All das durchlebt und
durchleidet Pesa, die „Kleinstadtspaßmacherin“, eben die „Komediantka,” die sich gegen den
Geschmack der Menge, die nach Sensationen und Geschmacklosigkeiten giert, ihrer Kunst
verschrieben hat.
IV. Teatr Eldorado 95
Ihre Bühne ist der Marktplatz. Dort ernten sie und ihr Begleiter, Berl Dzwonek (Berl
Gleker), ein typischer Drehorgelspieler, den verdienten Applaus. Und hier die ganze Geschichte
der Artistin. Als Pesa ein kleines Kind war, starb die Mutter, der Vater fuhr über den Ozean,
und die kleine Pesa sollte Unterkunft bei ihrem Onkel Motek Gryn, einem Müller, in einem
gottverlassen armseligen Nest finden. Der Müller allerdings, ein herzloser Mensch, setzt in
einer kalten, regnerischen Nacht das Mädchen auf die Straße. Pesa findet schließlich zu einem
warmherzigen, einfachen Drehorgelspielmeister. In der Zwischenzeit erfährt der Müller, dass
der Vater von Pesa sein Glück gemacht hat. Und da keimt in ihm ein teuflischer Plan.
Er zwingt seine Tochter Leja, auf den Namen Pesa zu hören, und befiehlt ihr, die Rolle der
Tochter des reichen Amerikaners zu spielen, der in Amerika den Namen Rudolf Zaks angenom-
men hat und der mit der Zeit vom Kleinkaufmann zum Filmproduzenten aufgestiegen ist. Seine
neueste Produktion soll ein Musikfilm mit dem Titel Komediantka sein. Pesa, die jeglichen
Kontakt zu ihrem Vater verloren hat und verzweifelt nach ihm sucht, will ihn um jeden Preis
finden. Plötzlich tauchen in dem Städtchen zwei von Rudolf Zaks geschickte Filmregisseure
auf: Sidnej Braun und Wiliam. Sie treffen sich mit dem Müller, richten ihm Grüße aus und
möchten die Tochter des „Dollarmanns“ kennenlernen – Gryn präsentiert sein einziges Töchter-
lein. Gleichzeitig aber erscheint auf der „Bühne des Lebens“ die Artistin Pesa, erobert auf der
Stelle das Herz des Filmers Sidnej, und die Geschichte wird kompliziert. Schließlich gelangen
alle nach Hollywood… und dort, natürlich, ein Happyend.
Die Titelrolle der Komediantka spielt die hervorragende Bühnenkünstlerin Regina Cukier.
Und das ist keine gewöhnliche, schablonenhafte Darbietung. Es ist ein wahrhaftes Schauspiel-
konzert. Frau Cukier, gesegnet mit enormem schauspielerischen Talent, gelingt ein sensatio-
nell theatralisches Feuerwerk. Ihr Lied „Dus Leben is a kinder szpil“ wurde mit frenetischem
Beifall bedacht. Und kurz danach wurde die Künstlerin wiederum mit begeisterten Bravos und
unzähligen „Bis“ für den lebenssprühenden, bravourösen Refrain „Zaj Frajlich“ überschüttet.
Herr Karl Cymbalist in der genau gezeichneten Rolle des Drehorgelspielers war einzigartig
und wurde mit seiner Partnerin vom Publikum mit viel verdientem Beifall bedacht. Sehr gut
auch Frau Ewa Sztokfeder in der Rolle der verrückten Filmschauspielerin Lawei. In weiteren
Rollen konnten sich auszeichnen: Jakub Grynszpan (zuverlässig als ausgezeichneter Verliebter
Sidnej Braun), Fela Garbarz, Pola Rozen, Dawid Birnbaum und schließlich Pinek Wicher, der
als urkomischer Bürodiener auf der Bühne agierte.
Das renommierte Eldorado-Ballett unter Leitung von I. Prusicka erregte in seinen farben-
prächtigen Kostümen wahre Begeisterung. Die tänzerische Entwicklung und Ballettausbildung
der Truppe – mit Ina Holska als Primaballerina –, choreographiert und einstudiert von Irena
Prusiska, verdienen besondere Erwähnung und Auszeichnung. Nicht zu vergessen: die illustrie-
rende Musik von Sz. Sekunda, ausgeführt vom Orchester unter dem Dirigat von A. Wolsztejn,
das sehr überlegte Bühnenbild von Herrn A. Liberman (besonders die Mühle im Hintergrund
der kleinstädtischen Landschaft) und nicht zuletzt die sehr gute Regie von Karol Cymbalist.
H.Cz.
GŻ/29/3/1941
Freitag, 11.04.1941
GŻ/31/3/1941
Freitag, 18.04.1941
GŻ/37/3/1941
Freitag, 09.05.1941
GŻ/39/3/1941
Freitag, 16.05.1941
GŻ/41/31941
Freitag, 23.05.1941
GŻ/43/3/1941
Freitag, 30.05.1941
Abb. 19: Eingang des Theater Eldorado mit Plakaten von Rywkełe dem rebns; über dem Eingang ist
noch „Scala“ zu erkennen.
Abb. 20: Theaterschaukasten rechts mit kleinformatigem Rywkełe-Plakat, links und rechts davon offen-
sichtlich Photographien von Schauspielern.
100 IV. Teatr Eldorado
Abb. 21: Aufnahme von der linken Bühnenkante aus. Szene aus Rywkełe dem rebns (Premiere 2. Mai
1941). Stilisierte Wolkenkratzer. Der Bühnenhintergrund ist schwarz abgehängt, davor die Kulissen
von Aleksander Liberman, die an eine Synagoge erinnern (Bogenfenster, die auf einem Ziegelstein-
fundament stehen, Davidstern; dahinter siebenarmiger Leuchter). Links wahrscheinlich Symcha
Rozen als Sekretär des Rabbiners.
Abb. 22: Aufnahme von der linken Bühnenkante aus. Szene aus Rywkełe dem rebns. Rechts stilisierte
Wolkenkratzer, zwei Stühle, ein kleiner runder Tisch mit langer Tischdecke. Der Bühnenhintergrund
schwarz abgehängt, ein großes Bogenfenster, links und rechts davon Bühnenelemente als Stützen.
IV. Teatr Eldorado 101
Abb. 24: Aufnahme Bühnenkante links. Applausordnung Rywkełe dem rebns. Erster von links Karl
Cymbalist, zweite von links Regina Cukier, vierter von links wahrscheinlich Symcha Rozen, dritte von
rechts möglicherweise Ewa Sztokfeder.
102 IV. Teatr Eldorado
GŻ/47/3/1941
Freitag, 13.06.1941
GŻ/49/3/941
Freitag, 20.6.1941
GŻ/50/2/1941
Dienstag, 24.06.1941
Cipe fun Nowolipe
Cipe fun Nowolipe (Cype z ulicy Nowolipie) – das ist der Titel der letzten sensationellen Pre-
IV. Teatr Eldorado 103
miere im Theater Eldorado in Warschau. Cype fun Nowolipe, das ist eine ziemlich gut aus-
gedachte Komödie aus der Feder des begabten Autors Kornteuer, die das Leben hier und in
Amerika in verschiedenen, einfachen und unterhaltsamen Episoden und Bildern widerspiegelt,
die zugleich aber den Zuschauer durch die Echtheit der Episoden und des Geschehens in ihren
Bann ziehen. Ein einfaches, keinerlei Konventionen achtendes Mädchen aus dem Viertel, eben
die volkstümliche Cipe fun Nowolipe, die mit ihrem Onkel „Symche-Wesusem“ über den
Ozean segelt, also ein Emigrantenpaar aus Warschau, das für wahre Humorkaskaden sorgt,
die beide aber auch ihre einfachen und edlen Herzen sprechen lassen, wenn es um das träge,
gefühllose, manchmal stumpfe und unechte Leben der „Dollarfritzen“ geht. Und schließlich
rettet Cipe fun Nowolipe – gegen jede Erwartung und ganz im Einklang mit der Ehre eines
amerikanischen „wohltätigen Betrügers“ – die komplizierte Situation. Offenherzigkeit und
Schlichtheit triumphieren…
Auf diesem Hintergrund entwickeln sich größere und kleinere Szenen, mit gelungenen,
sehr gut getexteten Liedeinlagen, dazu Couplets mit aktuellen Anspielungen – alles insgesamt
gut getroffen und stürmisch vom Publikum beklatscht. Getragen wird die Vorstellung – neben
Chana Lerner, die mit Humor und Redegewandtheit die Rolle der Emigrantin Cipe fun Nowo-
lipe gibt – von zwei Säulen der jüdischen Theaterwelt: Dawid Zajderman und Symche Fostel,
beide bekannt von zahlreichen Bühnenauftritten, beide übrigens sehr routiniert, beide sehr
populäre Schauspieler. Ersterer, Herr Dawid Zajderman (in der Rolle des Milton), schlug das
Publikum mit seiner schönen und oktavenumfassenden Stimme in seinen Bann. Symche Fostel
lieferte wiederum den Beweis, dass seine Bestimmung das Theater und nur das Theater ist.
Fostel ist ein hervorragender Komiker, der die Rolle des Symche-Wesusem so mit Schwung,
Witz und Temperament gibt, dass der Funke sofort auf das Publikum überspringt. In den übrigen
Rollen die uns aus früheren Auftritten im Eldorado gut bekannten und erfolgreichen Darsteller:
S. Rosen [Rozen], Fela Garbarz, Pola Rosen [Rozen], H. Zajderman (Junior), D. Birnbaum,
Irena Welisz, M. Bryn und viele andere mehr. Und diesmal wieder – wir haben das auch schon
früher unterstrichen – die ausgezeichnete Ballettkompanie des Eldorado mit der Choreogaphie
von Frau Irena Prusicka, deren Leistung vom Publikum mit nichtendenwollenden und (wir
fügen hinzu:) mit berechtigtsten Bravos honoriert wurde. Die musikalischen Arrangements für
diese Komödie von A. Wolsztejn passten und waren stimmig auf das Genre zugeschnitten. Gut
ausgefallen auch die Regie, die in den Händen von Herrn D. Zajderman lag.
H. Cz.
Fela Jawerbaumówna [geliebtes Fräulein]; Symcha Rozen; Irena Welisz; Pola Rozen
[Dienerin Gosia]; Maks Bryn; Fela Garbarz [Großmutter]
Musikalische Leitung: Arnold Wolsztejn
Bühnenbild/Ausstattung: Aleksander Liberman
Presse: Kritik GŻ/61/3/1941; Redaktion GŻ/57/2/1941; Anzeige GŻ/57/6/1941; Redaktion
GŻ/60/5/1941; Anzeige GŻ/60/6/1941; Redaktion GŻ/63/5/1941; Anzeige GŻ/63/6/1941;
Redaktion GŻ/67/3/1941; Anzeige GŻ/67/4/1941; Redaktion GŻ/78/5/1941
GŻ/57/2/1941
Freitag, 11.07.1941
GŻ/60/5/1941
Freitag, 18.07.1941
GŻ/61/3/1941
Montag, 21.07.1941
In diesem Stück gibt es neben dramatischen und erschütternden Momenten – wie eben im
richtigen Leben – viele komische und erheiternde Szenen, ein solides und erstklassiges Feld für
die hervorragenden Schauspieler der jüdischen Bühne wie: Chana Lerner, Dawid Zajderman,
Symche Fostel und Harry Zajderman, sich auszuzeichnen.
Frau Lerner, die die Rolle der „Miriam – Mutter” gab, imponierte durch ihren Reichtum an
Gestaltungsmöglichkeiten. Ihre Stimme, ihr Weinen, ihr Schmerz waren wahr und ausdrucks-
stark. Von D. Zajderman in der konzertanten Rolle des Dr. Boris Dawidow war das Publi-
kum geradezu hingerissen. Der talentierte Komiker Herr S. Fostel, der mit Aussehen, Mimik
und Bewegungen an Charly Chaplin erinnert, spielte in einer sehenswerten Rolle – in der er
sang, tanzte und das Publikum zu Tränen rührte – den Kellner Chaim Szaja. Harry Zajderman
hingegen wandelte auf den künstlerischen Spuren seiner Eltern und spielte die tragende
Rolle des Samuel (den Sohn) mit Augenmaß und Verständnis für die Intentionen des Autors.
Mit großer Anmut sekundierte ihm mit schöner Bühnenpräsenz dabei Frau F. Jawerbaumówna
in der Rolle des wohlgestalteten und blutjungen „geliebten Fräuleins.” Weiter waren zu sehen:
S. Rozen, Fela Garbarz (sehr typisch und sehr gut in der Rolle der Großmutter), Irene Welisz,
Pola Rozen (sehr gelungen die Dienerin Gosia) und M. Bryn.
Die passende Musik für das Stück komponierte der hervorragende Dirigent des Eldorado-
Orchesters, Herr A. Wolsztejn. Die gehörige Stückfassung besorgte der Regisseur D. Zajderman.
A Hajm far a Mame wird wohl auf die Zustimmung eines breiten Publikums rechnen dürfen.
H. Cz.
GŻ/63/5/1941
Freitag, 25.07.1941
GŻ/67/3/1941
Montag, 04.08.1941
Die letzten drei Tage von A hajm far a mame im Theater Eldorado
Nur noch drei Tage wird im Theater Eldorado, Dzielna-Straße 1, das ausgezeichnete und außer-
ordentlich erfolgreiche Stück A hajm far a mame aus der Feder von Kalmanowicz gegeben.
Schon am Mittwoch wird dann die erwartete Premiere des dreiaktigen Volksstückes Unzer
Rebeniu mit Dawid Zajderman, Chana Lerner und Symche Fostel, den Stars der jüdischen
Bühne, stattfinden. Vorstellungen 18 Uhr, samstags 15 und 18 Uhr.
GŻ/78/5/1941
Freitag, 29.08.1941
im Viertel aufzutreten. Samstag und Sonntag wird das Volksstück Unzer Rebeniu in der Be-
setzung des gesamten Ensembles gespielt. Der Abwechslung wegen bereiten die Künstler für
die Abendvorstellungen am Samstag und Sonntag ein reichhaltiges Konzert vor, unabhän-
gig vom gespielten Stück. Am Dienstag, den 2. September, sind dann die beliebten Künst-
ler Chana Lerner, Dawid Zajderman und Symche Fostel zum letzten Mal auf der Bühne
des Eldorado zu sehen. Gegeben wird das Stück A hajm far a mame in zwei Akten sowie als
spezielle künstlerische musikalische Zugabe A jam fun fargenigen (Ein Korb voller Vergnü-
gungen).
Autor: I. Frejman
Regie: Dawid Zajderman
Stück: Volksstück in drei Akten
Premiere: Mittwoch, 06.08.1941
Dernière: Sonntag, 31.8.1941
Aufführungen: 27
Vorstellungen: täglich um 18 Uhr, samstags 15 Uhr (zu ermäßigten Preisen) und 18 Uhr
Besetzung/Rollen: Dawid Zajderman [Titelrolle]; Chana Lerner [Dienerin Basia]; Harry
Zajderman [Berek, Sohn des Müllers]; Symcha Fostel [vertrottelter Kleinstadtrabbi]; Fela
Jawerbaumówna [die bezaubernde Cipka]; Symcha Rozen [Müller]; Hersz Balbierski [ko-
mischer Part]; Fela Garbarsz; Irena Welisz; Pola Rozen; Maks Bryn
Musik: D. Rechtcejt
Musikalische Leitung/Dirigent: Arnold Wolsztejn
Ausstattung: Aleksander Liberman
Presse: Kritik GŻ/70/2/1941; Redaktion GŻ/63/5/1941; Redaktion GŻ/64/2/1941; Re-
daktion GŻ/65/3/1941; Redaktion GŻ/67/3/1941; Anzeige GŻ/67/4/1941; Redaktion
GŻ/69/5/1941; Anzeige GŻ/69/6/1941; Redaktion GŻ/72/2/1941; Anzeige GŻ/72/6/1941;
Redaktion GŻ/75/5/1941; Anzeige GŻ/75/6/1941; Redaktion GŻ/78/5/194 [siehe oben];
Anzeige GŻ/78/6/1941
GŻ/64/2/1941
Montag, 28.07.1941
Feierliches Jubiläum
Anlässlich des 25-jährigen Bühnenjubiläums von M. Winder findet am Mittwoch, den 6. August
um 17 Uhr 45 eine Veranstaltung statt. Gegeben wird Unzer Rebeniu, Volksstück in drei Akten,
sowie ein großes Konzert unter Teilnahme ausgezeichneter Künstler der jüdischen Bühne.
IV. Teatr Eldorado 107
GŻ/65/3/1941
Mittwoch, 30.07.1941
GŻ/69/5/1941
Freitag, 08.08.1941
GŻ/70/2/1941
Montag, 11.08.1941
Unzer Rebeniu
Stück in drei Akten von I. Frejman
Das Theater El Dorado [sic!] hat sich vorgenommen, ein Stück fürs Volk, früher „Operette“
genannt, auf die Bühne zu bringen, da solcherart Stücke erfreuen und von unterschiedlichs-
tem Publikum gerne gesehen werden. Gezeigt wird eine „romantische Geschichte.” Cipka, die
äußerst entzückende Tochter des Müllers Zelman, verliebt sich unsterblich in einen jungen und
Liebreiz verströmenden Rabbi, den man unter dem Namen „Unzer Rebeniu“ kennt. Vor diesem
Hintergrund des „Stückes“ gibt es aus Gründen der Dramaturgie eine Reihe von Episoden und
Fragmenteinschüben, die zum Teil erschüttern, einen zum Teil auch in homerisches Gelächter
ausbrechen lassen. Die Schauspieler können sich beim Autor dafür bedanken, dass fast jede
Rolle eine Gelegenheit bietet, sich an die Rampe zu spielen, was man in Schauspielerkreisen
auch „dem Affen Zucker geben“ nennt.
Bei den Gesangseinlagen räumt Herr Dawid Zajderman gewaltig ab, wobei gesagt werden
muss, dass er diese Rolle schon mehr als 200 Mal auf Bühnen im In- und Ausland gegeben
hat, uns aber jetzt die Gelegenheit verschafft, festzustellen, dass Herr Zajderman nicht nur ein
ausgezeichneter Sänger, sondern auch ein hervorragender Schauspieler ist. Frau Chana Lerner,
über die wir schon bei früheren Auftritten schreiben durften, nimmt mit Bravour die Hürden
Temperament und Übermut. Ihr Auftritt als Dienerin Basia, die, als sie sich in einen edlen
und hübschen jüdischen Jüngling verliebt, zur aufgeschlossenen und feurigen Jüdin wird, ist
ein voller Erfolg. Tapfer assistiert wird sie dabei von Herrn Harry Zajderman, der im Ver-
lauf des Stückes die Rolle des Berek, Sohn des Müllers, immer weiterspinnt. Dem König der
108 IV. Teatr Eldorado
Komiker, Herrn Symche Fostel, müsste man eigentlich eine Einzelkritik widmen. Meister-
haft spielt Fostel die Rolle des Kleinstadtrabbis, eines ewig verschlafenen und sich stets
nach einem Nickerchen sehnenden Faulpelz und Dummrian. Man muss dieses tolle, letztlich
künstlerisch auf höchstem Niveau stehende Spiel sehen, bevor man ihn beurteilt. Die lieb-
reizende Cipka, von allgemeiner Sympathie getragen, gibt Frau Fela Jawerbaumówna. Diese
junge Schauspielerin macht sichtbar Fortschritte und wird sehr freundlich vom Publikum
aufgenommen. Herr Symche Rozen spielte die Rolle des Müllers überzeugend und mit
Routine. Den typisch drollig-komischen Part übernahm Herr Hersz Balbierski. In den übrigen
Rollen waren zu sehen: Fela Garbarsz, Irena Welisz, Pola Rozen und Max Bryn, die ihre Auf-
gaben mit Erfolg meisterten. Sehr effektvoll und äußerst malerisch ist die Dekoration von
Herrn A. Liberman (die Mühle und die Landschaft). Die Musik zum Stück komponierte Herr
D. Rechtcejt, musikalisch begleitet wurden die Schauspieler von einem Orchester unter dem
ausgezeichneten Dirigat von Herrn A. Wolsztejn. Man kann sagen, dass dieses Stück wohl noch
lange auf dem Spielplan stehen wird.
H. Cz.
GŻ/72/2/1941
Freitag, 15.08.1941
Unzer Rebeniu im El Dorado [sic!]
Mit großem Erfolg läuft täglich das Stück Unzer Rebeniu im El Dorado [sic!] in der Dzielna-
Straße 1. Jeden Abend bejubelt das begeisterte Publikum die Stars der jüdischen Bühne. In
den Hauptrollen Chana Lerner, Dawid Zajderman und Symche Fostel. Vorstellungen täglich
18 Uhr, samstags 15 und 18 Uhr.
GŻ/75/5/1941
Freitag, 22.08.1941
GŻ/84/2/1941
Freitag, 12.09.1941
Farkojfte neszumes
Das Theater Eldorado in Warschau brachte jetzt ein Stück in 3 Akten von Ajb Lang unter dem
Titel Farkojfte neszumes zur Premiere. Der Erfolg dieses Stückes ist vor allem dem realis-
tischen Hintergrund und einem ausgesprochen dramatischen Akzent zuzurechnen, was von
der breiten Masse sehr geschätzt wird. Farkojfte neszumes, das waren seinerzeit unglückliche
Opfer des Schicksals, eingeschlossen in einem Gefängnis von Orgien und Unzucht, in öffent-
lichen Häusern also, und den Zuhältern ausgeliefert. Ziemlich treffend führt uns der Autor
die Momente des Kampfes der menschlichen Seele vor Augen, das unbewusste Ringen des
Edlen mit verbrecherischen Instinkten und der Absturz in die Tiefen der Schande und der Er-
niedrigung.
Eben dies ist die tragische Geschichte des jungen Mädchens Bluma, das in die Fänge von
Zuhältern gerät und… im Freudenhaus seine seine ihre eigene Mutter findet. Was folgt, ist ein
Geflecht verschiedenster Zufälle und Ereignisse.
Ausgezeichnet Regie führte Herr S. Rozen, der auch mit nicht geringer Ergriffenheit die
Rolle des Abram Bjalkin gab, des Vaters des Opfers. Viel Gefühl und Lyrik gab es in den stim-
mungsvollen Liedern über Stetl und Familie, gesungen von Herrn Rozen. Sehr gut als Adele
war Frau Ester Goldenberg, die sehr kunstfertig die dramatischen Momente der Rolle heraus-
arbeitete. Sehr schön zeigte sich – stimmlich und im Ausdruck – Frau Dora Fakiel, die wir bis
jetzt nur als Volkssängerin kennen. Ihr Debüt auf der Bühne muss man als gelungen betrachten.
Den urkomischen Huki gab Herr Abram Kurc in jeder Hinsicht perfekt, was das Publikum
mit wahren Lachsalven kommentierte. Herr Kurc ist zweifelsohne einer der besten Komiker
der jüdischen Bühne. Ebenfalls wahre Komik war im Spiel von Frau Ewa Sztokfeder, die
Humor, Schwung und Temperament auf die Bühne brachte. In der Rolle des Maks sahen wir
den bekannten Künstler Herrn J. Grynszpan, der die Zuschauer mit seinem Lied über Warschau
zu Tränen rührte. Die unschuldige Ena gab Frau Fela Jawerbaum mit großer Anmut. Charakte-
ristisch und mit dem richtigen Tonfall spielte Muni Ler, der bislang am Theater Nowy Azazel
im Engagement war, den brutalen Rohling. Erstklassig auch die effektvollen Auftritte von Irena
Prusicka mit ihrem Ballett in Prolog und erstem Akt.
H. Cz.
GŻ/94/5/1941
Freitag, 03.10.1941
GŻ/97/2/1941
Freitag, 10.10.1941
GŻ/98/3/1941
Sonntag, 12.10.1941
Icykł Szołtyk
Premiere im Theater Eldorado
Auftritt von Regina Cukier
Die letzte Premiere des Theaters Eldorado trug den Titel: Icykł Szołtyk (Icek Kawalarz),
und das ist wortwörtlich die Bedeutung dieser „Komödie“ in zwei Akten (Autor I. Steinberg,
Musik M. Sekunda), die man ohne Übertreibung als „Kaskaden von Humor und Fröhlichkeit“
bezeichnen kann, da so viel Unbeschwertes, so viel Spaß in Szenen und Szenchen geboten
wird. Als spezieller Typus amerikanischen Sensationstheaters und besonders als anspruchslose
Fabel enthält das Stück alle Elemente der Volksoperette. Eigentlich könnte man das Ganze auch
gleich „Regina Cukier“ nennen, zumal Frau Cukier, die die Titelrolle gibt, die erste Geige spielt
und das Publikum von Anfang bis Ende gleichermaßen erfreut und erheitert. Regina Cukier
als Icykł Szołtyk ist unvergleichlich in jeder Bewegung, in jeder Geste. Sie singt und tanzt und
macht das alles mit viel Talent und großem Temperament. Frau Cukier, die nach dreimonatiger
IV. Teatr Eldorado 113
Pause jetzt wieder auf der Bühne des Eldorado stand, wurde vom Publikum enthusiastisch
empfangen. Herausragend in der Rolle des grobschlächtigen Gutsbesitzers war Karl Cymbalist
(großartige Maske), dem auch Anerkennung für seine Regiearbeit bei dieser Komödie gezollt
werden muss.
Vortrefflich als Ehepaar Max Bryn als Schankwirt Motie-Mojsze und Ewa Sztokfeder als
typisch urkomische Złata-Jenta, die beide viel Szenenapplaus einheimsten. Den sympathischen
Liebhaber (Welwel) gab Herr Jakub Grynszpan. Besondere Erwähnung muss auch die junge
und anmutige Frau Fela Jawerbaum in der Rolle der Rachel finden. Den verliebten Kunstmaler
Moric Liberman spielte Abram Kurc, der den Zuschauer immer wieder in seine „vis comica“
zog. In anderen Rollen sahen wir die Damen und Herren Irena Welisz, Fela Garbarz, S. Szeftel
und S. Rozen. Farbe ins Geschehen brachte auch Frau Irena Prusicka mit ihrer Ballett-Truppe.
Musikalische Bearbeitung A. Wolsztejn. Sehr effektvoll das Bühnenbild von A. Liberman, be-
sonders das „amerikanische“ in Amerika.
H. Cz.
GŻ/102/5/1941
Mittwoch, 22.10.1941
GŻ/106/3/1941
Freitag, 31.10.1941
Kabaret-Mejdł
(Premiere im Theater Eldorado)
Ein typisches Volksstück – geschrieben im Stil amerikanischer Sensationsstücke – mit dem
Titel Kabaret-Mejdł (Komödie in drei Akten von Kalmanowicz) hatte nun letztens im Theater
Eldorado Premiere. Ein Stück, zugeschnitten auf den „Gusto“ der breiten Masse. Es ist die
Geschichte eines Kabarettmädels, seiner Erlebnisse – mit Finale und allem, was ein Melodram
eben so braucht. Man lacht und ist gerührt.
Ohne Fehl und Tadel gab die hervorragende Bühnenkünstlerin Regina Cukier, die auch dies-
mal ihr Talent fürs Dramatische zeigte, die Hauptrolle. Ganz in ihrem Element war sie als
Kabarettkünstlerin, wobei ihre Nummern „ Mazł,” „Glik,” „ Awremełe“ usw. etliche Dacapos
zur Folge hatten. Eine wahre Bereicherung des Stückes war der Auftritt der hervorragen-
den Tänzerin Irena Prusicka, die mit großer Ausdruckskraft (zusammen mit ihrer Ballett-
compagnie) einen Tanz aus dem Osten nach hebräischer Melodie zeigte. Die Regie lag in
Händen des bewährten Regisseurs Karl Cymbalist, der auch die Rolle des Lui Robinson, des
unglücklichen Ehemannes des Kabarett-Mejdł gab. Weiter waren zu sehen: S. Rozen, Ewa
Sztokfeder, Abram Kurc und andere. Orchestral begleitet wurden die Künstler unter Leitung
des bekannten Musikers Herrn A. Wolsztein.
H. Cz.
Autor/Texte: A. Angel
Regie: Karl Cymbalist
Stück: Komödie in zwei Akten
Premiere: 14.11.1941
Dernière: 15.12.1941
Aufführungen: 35
Vorstellungen: täglich um 17.30 Uhr, samstags 15.00 Uhr (zu ermäßigten Preisen) und
17.30 Uhr
Besetzung/Rollen: Regina Cukier [Hauptrolle]
Presse: Keine Kritik gefunden; Anzeige GŻ/111/6/1941
GŻ/125/2/1941
Sonntag, 14.12.1941
15.14 Gasnkind
[pl. Dziecko ulicy, dt. Das Gassenkind]
Autor/Texte: A. Sigal
Regie: Karl Cymbalist
Stück: Melodramatisches Volksstück in drei Akten
Premiere: Mittwoch, 21.01.1942
Dernière: Mittwoch, 25.02.1942
Aufführungen: 41
Vorstellungen: täglich um 18.00 Uhr, samstags 15.00 Uhr (zu ermäßigten Preisen) und
18.00 Uhr
Besetzung/Rollen: Regina Cukier [Kidi]; Jakub Grynszpan [Szmulek, Zeitungsverkäufer]
Musik: Szymon Sekunda
Presse: Kritik GŻ/10/2/1942
116 IV. Teatr Eldorado
GŻ/10/2/1942
Freitag, 23.01.1942
Dziecko ulicy
Aus dem Eldorado
Dziecko ulicy (Stück in drei Akten von A. Sigel, Musik von Sz. Sekunda) ist ein typisches
melodramatisches Volksstück mit allen Zutaten, wie es sich gehört – eben für ein spezielles
Publikum. Hinreißend das Spiel von Frau Regina Cukier als Kidi, die unserer Meinung nach zu
den besten von ihr gegebenen Rollen zählt. Hier zeigt sie exemplarisch ihr vielseitiges schau-
spielerisches Talent. Als Szmulek, der Zeitungsverkäufer: J. Grynszpan, dem das Stück die
Gelegenheit bot, seine Fähigkeiten überzeugend zu zeigen. Regie: K. Cymbalist.
H. Cz.
GŻ/22/2/1942
Freitag, 20.02.1942
GŻ/25/2/1942
Freitag, 27.02.1942
Autor/Texte: Nachber
Regie: Szlomo Kutner
Stück: Melodram
Premiere: 01.04.1942
Dernière: 15.04.1942
Aufführungen: 17
Vorstellungen: täglich 17.30 Uhr; an den Feiertagen und samstags um 15.00 Uhr zu ermä-
ßigten Preisen sowie 18.00 Uhr
Besetzung/Rollen: Szlomo Kutner; Jochewet Zylberg; Harry Zajderman; Estera Golden-
berg
Musikalische Leitung: Prof. Icchak Zaks
Presse: Keine Kritik gefunden; Redaktion GŻ/39/2/1942
GŻ/39/2/1942
Mittwoch, 01.04.1942
Autor/Texte: J. Sigal
Stück: Komödie in drei Akten
Premiere: 17.04.1942
Dernière: 21.04.1942
Aufführungen: 6
Vorstellungen: täglich 17.30 Uhr, samstags 15.00 Uhr und 17.30 Uhr
Besetzung/Rollen: Szlomo Kutner [Jankiel Fajer]; Jochewet Zylberg [Cypke Fajer];
Józef orensztejn
Musikalische Leitung: Icchak Zaks
Presse: Kritik GŻ/45/2/1942
GŻ/45/2/1942
Mittwoch, 15.04.1942
Dernière: 22.05.1942
Aufführungen: 34
Vorstellungen: täglich 17.30 Uhr, samstags 15.00 Uhr und 17.30 Uhr
Besetzung/Rollen: Abram Kurc [Schuster]; Szlomo Kutner [grober Alter]; Karl Cymbalist
[Schneider]; Dora Fakiel [Sona]; Naomi Natan [Dora, Schwester von Sona]; Harry Zajder-
man [Sohn des Schneiders]; Józef orensztejn; Irena Welisz [älteres Fräulein Sura-Małka];
Ewa Sztokfeder [Frau des Schneiders]
Presse: Kritik GŻ/51/2/1942; Redaktion GŻ/49/2/1942
GŻ/49/2/1942
Freitag, 24.04.1942
GŻ/51/2/1942
Mittwoch, 29.04.1942
Autor/Texte: A. Sigal
Regie: Szlomo Kutner
Stück: Melodram in drei Akten
Premiere: 24.05.1942
Dernière: 19.06.1942
Aufführungen: 30
Vorstellungen: täglich 17.30 Uhr, samstags 15.00 Uhr und 17.30 Uhr
Besetzung/Rollen: Szlomo Kutner [Bender]; Abram Kurc [Jeruchom, Vater von Sona];
Józef orensztejn [Albert]; Jochewet Zylberg [Sonia]; Dawid Birenbaum [Heiratsvermitt-
ler und Kantor]
Presse: Kritik GŻ/61/2/1942
GŻ/61/2/1942
Sonntag, 24.05.1942
GŻ/73/2/1942
Sonntag, 21.06.1942
Der Dorfs-Jung
Das jetzt im Eldorado aufgeführte Stück Der Dorfs-Jung von L. Kobryner und in der Regie
von M. Wiskind muss ohne jeden Zweifel als positiv im Repertoire dieses Theaters verzeichnet
werden. Das eigentliche Problem, das Thema des Stückes ist für uns kein aktuelles Problem
in dem Sinne, der Autor behandelt es vor dem Hintergrund schon ziemlich lange vergangener
Zeiten, jedoch ist die in einer Katastrophe endende Tragödie zweier miteinander verstrickter
Jugendlicher für uns in vieler Hinsicht verständlich und nahe unserem Herzen, besonders wenn
Regisseur und Akteure sich so viel Mühe geben, die Vorstellung mit Leben und Wahrheit zu
füllen.
Die Rolle des ungestümen, des verzweifelt mit Menschen und Schicksal ringenden Jungen,
einfach und stark wie die Natur, gestaltete mit Kraft und Wahrhaftigkeit Herr Zajderman, we-
niger überzeugend hingegen war das Spiel von Frau Fakiel. Ihre Natasza ist zu sentimental und
zu leichtsinnig, als dies ein einfaches Landmädel wäre. Frau Natan (Verlobte Chajka) versetzte
sich trefflich in die Rolle des geistig zurückgebliebenen Scheusals.
Hervorragend Herr Winder als religiöser Fanatiker, als einzig „gelehrter“ in dem einfachen
und bescheidenen Milieu jüdischer Fischer. Den sympathischen alten Bauern Prokop gab Herr
Kurc. Etwas blass fielen die Figuren der Mutter und des oheims aus, gegeben von Frau Sztok-
feder und Herrn Najwirt. Der Rest des Ensembles spielte angemessen. Gelungen die Choreo-
graphie von Frau Prusicka. Rühmenswert die Dekoration von Herrn Liberman.
Sewer.
122 IV. Teatr Eldorado
Abb. 28: Programm Dorfs-Jung. Links unten, letzte Zeile: Fischer – Landleute – Musikanten.
15.21 Extravorstellungen
O 12-tej w Eldorado
Um 12 im Eldorado
Vorstellung: 22.03.1941, 12.00 Uhr Matinee
Texte: Henr. Lir
Regie: Stanisław Stański
Besetzung: Diana Blumenfeld; Renato Carmino; Ada Falk; Maria Hinterhof; Ina Holska;
Zofia Karina; Henryk Karpiński; Estera Milsztejn; Bołesław Norski-Nożyca; Stanisław
Stański; Wiktoria Kawecka
Musikalische Leitung: Mieczysław Rabinowicz
Choreographie/Ballett: Irena Prusicka
Presse: Kritik GŻ/29/3/1941
GŻ/29/3/1941
Freitag, 11.04.1941
Um 12 im Eldorado
Im jüdischen Viertel in Warschau ist es jetzt Mode geworden, Matineen mit Gesang und Musik
zu präsentieren, woraufhin die rege Direktion des Eldorado beschlossen hat, diesem Pfad zu fol-
gen und am Samstag, den 22. März, um 12 Uhr eine exzellente Revue auf die Bühne zu bringen,
IV. Teatr Eldorado 123
wobei der ausverkaufte Saal der schlagende Beweis für das Interesse des Publikums an sol-
chen Veranstaltungen war. Das Originelle an dem Programm waren die polnisch-jüdischen
Nummern, wobei das Schwergewicht auf den polnischen lag, die dem Publikum außerordent-
lich gefielen. Zu sehen auf der Bühne waren: Diana Blumenfeld, Renato Carmina, Ada Falk,
Maria Hinterhof, Ina Holska, Zofia Karina, Henryk Karpiński, Estera Milsztejn, Norski-Nożyca,
Irena Prusicka, die musikalische Leitung hatte Mieczysław Rabinowicz, Regie führte Stanisław
Stański, dazu ein Bukett wunderschöner jüdischer Tänze mit dem Corps de Ballet des El-
dorado – alles in allem zauberhafte Darbietungen mit gesprochenem Wort, Gesang, Tanz,
beeindruckend und berührend. Etwas für Auge und Ohr. Anzumerken ist, dass unter den Mit-
wirkenden vorwiegend junge jüdische Künstler agierten, die mit ihrem Schwung und Elan die
Aufführung entscheidend bereicherten. Genug der Vorrede… Das Programm, das mit einem
schönen Prolog begann, war vielleicht etwas überladen, was die Anzahl der Nummern betraf,
wobei jedoch jeder der Künstler die gestellten Anforderungen mühelos meisterte und vom
Publikum mit Beifall bedacht wurde, der die Theatermauern erzittern ließ. Den Theaterreigen
führten an: die Damen Diana Blumenfeld (mit den Liedern „Draj techterlech,” „Surele“ und
„Cygajner“) und Maria Hinterhof, die mit ausgezeichneter Begleitung des Orchesters (Dirigat
Herr Miecz. Rabinowicz) „Lawina“ rezitierte. Irena Prusicka zeigte den expressionistisch
choreographierten Tanz „Robotnica,” Estera Milsztejn glänzte mit einer komischen Tanz-
nummer, glockenhellem Gesang und… Pfeifen, Renato Carmino, ehemals Mitglied der italie-
nischen oper, bestach mit seiner schönen Tenorstimme, schließlich Herr Norski-Nożycki, der
König der Revuebühnen, der im jüdischen Viertel äußerst populäre hervorragende Komiker,
Coupletsänger und unvergleichliche Witzerzähler.
Die Sketche „Egzamin“ und „Diabeł nie żona“ begeisterten das Publikum durch ihren frivo-
len Humor und sprühenden Witz auf hohem Niveau aus der Feder von Herrn Henr. Lira, der die
literarische Verantwortung für das Programm innehatte.
Souverän durch das Programm führte von Anfang bis zum Finale als Conférencier und Sän-
ger Herr Stanisław Stański.
Die Darbietungen „Czardasz“ und „Boy i pokojówki” (außerordentlich effektvoll) des hervor-
ragenden Balletts trafen auf enthusiastische Zustimmung des Publikums. Zofia Karina, noch
lebhaft in Erinnerung aus den Zeiten des berühmten Nowości, Wiktoria Kawecka […]
H. Cz.
Farkojfte Neszumes
Vorstellung: 07.10.1941, 12.00 Uhr Matinee
Presse: GŻ/94/5/1941
GŻ/94/5/1941
Freitag, 03.10.1941
Parada przebojów
Schlagerparade
Vorstellungen: 13.04.1941 und 14.04.1941, 12.15 Uhr Theatermatinee
Presse: Redaktion GŻ/29/3/1941
GŻ/29/3/1941
Sonntag, 08.03.1941
Schlagerparade
Am Sonntag und Montag, den 13. und 14. April wird um 12 Uhr 15 die hervorragende Revue
„Schlagerparade“ aufgeführt. Regie führt Stanisław Stański, es tanzt das Irena-Prusicka-Ballett,
zu sehen sind 15 hervorragende Künstler jüdischer und polnischer Bühnen.
GŻ/34/3/1941
Dienstag, 29.04.1941
Prusicka. Die Regie von Karl Cymbalist und das Orchester unter der musikalischen Leitung
von Herrn A. Wolsztejn – ohne Fehl und Tadel.
H. Cz.
GŻ/128/5/1941
Sonntag, 21.12.1941
GŻ/5/2/1942
Sonntag, 11.01.1942
GŻ/38/2/1942
Sonntag, 29.03.1942
mit „A mojd,” „Dus rejdł drejt sich” und „Geld;” der jungen und berühmten Tänzerin
F. Mannówna; H. Zajderman mit „Białe Noce” sowie D. Zajderman mit „Jom Kipur“ und
„Epes felt mir.” Weitere Künstler waren: Irena Prusicka und ihr Ballet; J. Zylberg mit „Klan-
gen,” „Wuz zajn-zol zajn;” Dora Fakiel „Darf niszt zirgen;” E. Milsztajn mit „Taniec ślubny.”
Das reichhaltige Programm, das von der Vielseitigkeit des Komponisten und Dirigenten
beredt Zeugnis ablegt, begeisterte das Publikum. Wolsztejn und die Akteure schlugen sich her-
vorragend.
H.Cz.
GŻ/61/2/1942
Sonntag, 24.05.1942
Abb. 29: Freikarte für Emanuel Ringelblum anlässlich der Premiere des ersten Stückes In Rejdł
im Teatr Eldorado.
Abb. 30:
Żak Lewi.
Żak Lewi spielte am Eldorado die Eröffnungsvorstellung In Rejdł und hatte 46 Vorstel-
lungen. Außer der Erwähnung in der Kritik für In Rejdł („Jack Lewi, allseits bekannt auf
´jüdischen Straßen´, routinierter Schauspieler und Rezitator, selbst auch begabter Literat,
gibt ´Karciarze’ expressiv und mit großem Ausdruck – eine wahrhaft dramatische Num-
mer“) wurde er in der Gazeta Żydowska nur noch ein Mal genannt:
V. Na Pięterku
1. DAS THEATER
Am 1. April 1941 nahm im vierten Stock des Hauses Nr. 29 in der Nowolipki-Straße das
Theater Na Pięterku den Spielbetrieb auf. Zur Premiere kamen drei Stücke und ermittelte
104 Aufführungen. Die letzte Vorstellung war im Juli 1941.
Das Na Pięterku war ein kleines Revuetheater, d. h. es wurden einzelne Nummern,
Sketche, Musik und Tanz gegeben, die Texte schrieb der künstlerische Leiter Artur Tur,
die musikalische Leitung hatte Leon Mendelson inne. Gespielt wurde auf Jiddisch und
Polnisch, und wie üblich bei Nummernrevuen wurde von den Darstellern Gesang, Tanz
und Sprechtext verlangt. Anlässlich der ersten Premiere schrieb die Gazeta Żydowska am
15. April 1941:
Anfang diesen Monats nahm im jüdischen Viertel ein neues kleines Revuetheater mit Namen
Na Pięterku seinen Spielbetrieb auf. Na Pięterku wurde gegründet von Schauspielern, die
früher an polnischen Bühnen engagiert waren. Das Programm ist abwechslungsreich, gespielt
wird auf Jiddisch und Polnisch, und verspricht Humor, Gesang und Tanz. Na Pięterku bietet
eine Bühne für polnischsprechende jüdische Schauspieler. Die erste Revue aus der Feder von
Artur Tur hat den Titel Wiosna idzie, Regie führt Józef Kinelski, der auch die Conférence über-
nimmt. Musik von Leon Mendelson. Wit Lewinson zeichnet für die Ausstattung verantwortlich.
Es treten auf: Maria Hinterhof, Zygmunt Szklar sowie Irena Prusicka mit ihrem Ballett.134
2. DIE LEITUNG
Künstlerischer Leiter des Na Pięterku war Artur Tur, dessen Karriere 1921 im „Kabarett
Sfinks“ als Chefdramaturg begann und der dann u. a. im „Teatr Mignon“, im „Qui pro
Quo“ und „Morskie oko“ arbeitete. Bei Beginn der okkupation änderte er seinen Namen
in Kozłowski, manchmal auch in Tur-Kozłowski. Leider ist nicht zu ergründen, warum
ein so hochkarätiger Theatermann wie Artur Tur nach Schließung des Na Pięterku nicht
in den anderen Theatern des Ghettos ein neues Engagement gefunden hat. Artur Tur über-
lebte das Ghetto, er starb 1968. Die musikalische Leitung hatte Leon Mendelson.
3. ZUM SPIELPLAN
Zur Premiere kamen drei Stücke, mit 104 ermittelten Aufführungen, die Spielzeit erstreckte
sich von April 1941 bis Juli 1941. Gegeben wurde Wiosna idzie (Der Frühling kommt),
134 GŻ/37/8/1941.
138 V. Na Pięterku
4. DAS ENSEMBLE
An der Spitze des Ensembles stand Michał Znicz, Film- und Bühnenstar im Vorkriegs-
polen, für Choreographie und Ballett zeichnete Irena Prusicka verantwortlich, für Bühnen-
bild und Ausstattung Wit Lewinson, Regie führte wohl in allen Stücken Józef Kinelski.
Nach einer Spielzeit vom 1. April 1941 bis Juli 1941 verließen nach der letzten Dernière
die Schauspieler die Spielstätte und wechselten zu anderen Theatern. Michał Znicz ging
ans Nowy Teatr Kameralny, Irena Drybińska spielte dann mit Unterbrechungen im Femina,
wo auch Maria Dwoińska für ein Stück und Józef Kinelski für neun Stücke engagiert
wurden, Maria Hinterhof trat nach Monaten ohne Engagement im Nowy Teatr Kameralny
und Melody Palace auf, Irena Prusicka schließlich, die schon vorher im Eldorado Choreo-
graphie gemacht hatte, war nach Ende des Engagements im Na Pięterku wieder im El-
dorado und im Femina als Choreographin im Engagement. Zum ständigen Ensemble
des Na Pięterku gehörten also Irena Drybińska, Maria Dwoińska, Maria Hinterhof, Józef
Kinelski, Irena Prusicka, Zygmunt Szklar, Wajsfeld und Michał Znicz.
Warum das Na Pięterku nur drei Premieren spielte, kann nur vermutet werden. offen-
sichtlich lebte es von der Bekanntheit und dem Können von Michał Znicz, und als dieser
zum Nowy Teatr Kameralny ging, Jonas Turkow schreibt „abgeworben wurde“ [„qu’on
avait fait venir du théâtre Kameralni“], löste sich das Ensemble auf.
Leider ist es nicht gelungen, in der Gazeta Żydowska Rezensionen der Vorstellungen
des Na Pięterku ausfindig zu machen. Einzig eine Anzeige und ein Bericht aus der Gazeta
Żydowska Nr. 30 vom 15. April 1941, dass im April 1941 dort zwei Vorstellungen für
Kinder stattfanden, organisiert von der Kinderecke in der Majzelsa-Straße, mit Teilnahme
von Kindern aus der Majzelsa-, Nowolipki- und Stawki-Straße. Gegeben wurden Gesang,
Tanz und Sketche. Die Einnahmen wurden zu Gunsten der Verpflegung der Kinder in der
Majzelsa-Straße 6 verwendet.
V. Na Pięterku 139
Extravorstellungen
6. STÜCKE
6.1 Wiosna idzie
[dt. Der Frühling kommt]
Vorstellungen: 37
Besetzung/Rollen: Michał Znicz; Irena Prusicka; Maria Dwoińska; Irena Drybyńska; J.
Wajsfeld; Jósef Kinelski
Musikalische Leitung: Leon Mendelson
Choreographie: Irena Prusicka
Presse: Anzeige GŻ/37/8/1941
6.4 Extravorstellungen
GŻ/30/2/1941
Dienstag, 15.04.1941
der sechsjährige Pianist Marek Infeld und der fünfjährige Izio Stenberg („Neger Bambo“).
Regie führte Frau Rysia Blondowska, die ihre Aufgabe hervorragend bewältigte. Sofort in ihr
Herz schlossen die Kinder den Conférencier Herrn Józef Uswatow, der das Geschehen fesch
und schön kommentierte.
Anzumerken ist, dass der Erlös dieser Veranstaltung zur Speisung armer Kinder in der „Kinder-
ecke Majzelsa“ verwendet wird.
1. DAS THEATER
Als drittes Theater im Ghetto startete am 6. Mai 1941 mit Di lustike kapele, einer Revue
in zwei Teilen und 18 Bildern, das jiddischsprachige Nowy Teatr Azazel in die Spielzeit.
Die letzte Premiere war am 4. Juni 1942, gegeben wurde Nuch halbe Nacht von Igor S.
Korn-Teuer, dessen Cipe fun Nowolipe im Juni 1941 im Eldorado Premiere hatte und im
Melody Palace ab 5. September als Revue unter dem Titel Di Idysze Chasene zu sehen
war. Zur Premiere kamen 18 Stücke, 414 Aufführungen konnten ermittelt werden.
Das Nowy Azazel verdankt seine Spielstätte A. Feyerman (Frajman), einem Obsthänd-
ler, der, als die Baptistengemeinde in den arischen Teil umziehen wollte, deren Immobilie
in der Nowolipie-Straße 72 mit einem ihm gehörenden Grundstück am Stadtrand tauschte.
Chaim Sandler nutzte seine Chance:
Dem Schauspieler Chaim Sandler gelang es, den Großhändler Frajman davon zu überzeugen,
dass es ein gutes Geschäft sei, ein jüdisches Theater zu präsentieren, man denke doch nur an
das Eldorado. Er gab ihm den Ratschlag, aus dem Haus ein jüdisches Theater zu machen,
eine Bühne einzubauen, Sitze in Parterre und auf dem Balkon zu installieren, Schauspieler zu
engagieren, und mit ein bisschen Glück könne man mit dem Theaterspielen beginnen.135
Daneben wurde ein Mittelsmann mit Beziehungen beauftragt, eine Lizenz zu beschaffen, wo-
bei viel Geld investiert wurde. Das Theater bekam den Namen Teatr Nowy Azazel in Anleh-
nung an das ehemalige Azazel im Vorkriegswarschau, eine Truppe bekam Engagement, eine
Revue wurde vorbereitet, die Premiere plakatiert, allerdings ließ die Lizenz auf sich war-
ten. Man setzte Himmel und Hölle in Bewegung, klopfte an die Tür von Kon, Heller und
Gancwajch, aber die Antwort war immer die gleiche: eine Lizenz für ein polnischsprachiges
Theater immer, aber keine für ein jüdisches Theater, da Frau Judtowa, die eine Lizenz für
das Eldorado, ein jüdisches Theater, hatte, keine Konkurrenz für ihr Eldorado duldete. Erst
als es dem geschäftstüchtigen Chaim Sandler gelang, Frau Judtowa als Teilhaberin ins Azazel
zu holen, bekam er die Lizenz und das Teatr Nowy Azazel konnte seinen Spielbetrieb auf-
nehmen.136
Es gibt einen Ort im Viertel, wo das jüdische Wort wahrhaftig wird, wo es zur Kunst wird,
auf die jüdische Bühne kommt und uns Lachen und Gesang in kulturellem Gewand bringt.
Dieser Ort ist das Nowy Azazel […] Eingerichtet mit Geschick und Geschmack. Alles in neuem
Glanz, jede Einzelheit zeugt von der Genauigkeit des Innenarchitekten, der den modern-
jüdischen Geschmack eines Theatersaales und dessen Ausschmückung genau getroffen hat.
Mit großer Anerkennung muss man hier den Teilhaber des Theaters, Herrn Fajerman, hervor-
heben, dessen Freigiebigkeit und Mäzenatentum für die jüdische Kunst diese neue Bühne
ermöglicht und damit auch jüdischen Künstlern einen Broterwerb gesichert hat.137
2. ZUM SPIELPLAN
Die ersten drei Stücke der Spielzeit waren:138 Di lustike kapele von J. Obwarzanek („voller
Humor und auf hohem literarischen Niveau“); Motke Ganew von Szalom Asz („einfalls-
reich mit Begleitliedern, Zirkusrevueelementen und Ballett bereicherte musikalische
Komödie, in der manchmal Anleihen bei Dostojewski zu finden sind“) – Motke Ganew,
der zu spät seine Schuld durch ein tugendhaftes und ehrenvolles Leben abbüßen will, wird
137 GŻ/38/3/1941.
138 Wenn nicht anders erwähnt, stammen alle Zitate aus Kritiken von Herman Czerwiński.
144 VI. Teatr Nowy Azazel
in Ketten gelegt, eine Rückkehr in die Normalität gibt es nicht für ihn; Hercer cu farkojfen
von Izydor Lilian („entspricht dem Gusto der allermeisten Zuschauer“) – die Tänzerin
Zinia gibt sich einem Wunderheiler hin, damit der ihren geliebten Bajazzo heilt.
Bei diesen Stücken, die eher der „leichten Unterhaltung“ zuzuordnen sind, spielte
Chaim Sandler und führte Regie. Ab August wurde die Stelle des künstlerischen Leiters
mit Ajzyk Samberg besetzt, der vom Eldorado kam, wo er bis dahin ebenfalls die künst-
lerische Leitung innehatte, und nun am Nowy Azazel die künstlerische Richtung vorgab,
wenn auch mit wechselndem Erfolg. Auf dem Spielplan standen jetzt Klassiker des jüdi-
schen Theaters wie Bóg zemsty von Szalom Asz („Meisterwerk von Sz. Asz, ein Stück, das
sich anzusehen für alle Schichten des Viertels lohnt“) – Jankiel Szapczowicz, der König
der Zuhälter, richtet sich zur Tarnung ein Gebetshaus ein, um dort sein Unwesen treiben zu
können; Dybuk von Szymon An-ski („ein Theaterfest, ja, ein feierliches Ereignis“); Dus
grojse gewins von Szalom Alejchem („famose und scharfe Satire, die nichts an Aktualität
verloren hat“) – Geschichte eines armen alten Schneiders, dessen Frau sich plötzlich
in eine „große Dame“ verwandelt; alle drei Stücke waren mit dem Prädikat „anspruchs-
voll“ versehen.
Dann wieder die Hinwendung zu zwei „Unterhaltungsstücken“: Cwaj Ganowim von
A. Kalmanowicz („Melodram für die breite Masse“); Man fur cwaj frojen von I. Zoło-
tarewski; danach ein weiterer Versuch mit einem Klassiker der Welttheaterliteratur: Der
Karger von Molière („Der beste und heutzutage wohl einzige Tragöde der jüdischen
Bühne, Ajzyk Samberg, gab den Harpagon meisterhaft“) und schließlich wieder Volks-
stücke wie: Libe un Farrat („Melodram für breite Schichten des Theaterpublikums“);
Iszo Roo von Josef Latajner („hundert-, wenn nicht tausendmal auf jüdischen Bühnen
gespielt, erfreut das Publikum, es liebt diese Art von Schauspiel“); Szarlatan; die melo-
dramatische Volksoperette Zu spät von Mojsze Richter („Wir werden Zeugen dramati-
scher Szenen zwischen Mann und Frau, zwischen Vater und Kind“); Bar Micwa von
B. Tomaszewski („Volksstück, mit einer gewissen Gefühligkeit gewürzt“) – Frau eines
reichen Kaufmanns fällt in Folge eines fatalen Unfalls in geistige Umnachtung, gilt
als verschollen und kehrt nach zehn Jahren wieder ins normale Leben zurück; Duweds
fidełe von Josef Latajner („Melodram, typisches Volksstück mit bescheidenem Hinter-
grund“) – Konflikt zweier Brüder, der eine skrupelloser Geldmacher, der andere ein
sensibler Künstler; Der Maskirter von W. Sigał („müder Abklatsch von Bóg zemsty von
Asz“) – edler Familienvater entpuppt sich als Verbrecher, der er aus Liebe zu seiner
Familie wurde. Die vorletzte Premiere mit Sulamita von Abraham Goldfaden allerdings
war dann noch einmal „die Rückbesinnung auf das große jüdische Theaterrepertoire“
und nach Herman Czerwiński „ein wahrer Genuss für die Liebhaber des jüdischen The-
aters.“ Als letztes Stück hatte am 4. Juni 1942 Nuch halbe Nacht von Igor S. Korn-Teuer
Premiere.
VI. Teatr Nowy Azazel 145
3. DIE LEITUNG
Abb. 32: Ajzyk Samberg, bis August 1941 künstlerischer Leiter des Eldorado, danach
künstlerischer Leiter des Teatr Nowy Azazel.
146 VI. Teatr Nowy Azazel
4. FAMILIENBANDE
Chana Lewin-Sandlerówa: Gattin von Chaim Sandler, Róża Sandlerówna: beider Tochter,
Icchak Salwe: der Gatte von Róża Sandlerówna und damit Schwiegersohn Sandlers.
5. DAS ENSEMBLE
Icchak Salwe spielte in 13 Stücken und gab 316 Vorstellungen; Róża Sandlerówna war
in zwölf Stücken und 302 Vorstellungen zu sehen; Róża Gazel, die im Vorkriegswarschau
Engagements im Teatr Azazel und Scala hatte, war in 13 Stücken besetzt und war in 300
Aufführungen zu sehen; Ajzyk Samberg spielte elf Stücke und spielte 264 Vorstellungen;
M. Rozenfarb war in zehn Stücken besetzt und stand in 247 Vorstellungen auf der Bühne
des Nowy Azazel; Chana Lewin spielte zehn Stücke mit 246 Vorstellungen; Chaim Sand-
ler war neben seinen Regiearbeiten in neun Stücken in 223 Vorstellungen besetzt; Symcha
Fostel war vom 6. Juni 1941 bis 9. Juli in drei Stücken in Folge am Eldorado engagiert,
spielte dann im Melody Palace zwei Stücke, ging dann wieder für ein Stück ans Eldorado,
um nach der Dernière von Dus Kabaret Mejdł ans Nowy Azazel zu wechseln, wo er in
acht Produktionen mit 176 Vorstellungen zu sehen war; Sylwia Czałczyńska hatte 179
Vorstellungen in sieben Stücken; Józef Najwert spielte in fünf Stücken vom 6. Juni 1941
bis zum 29. oktober 1941 und hatte 135 Aufführungen, er spielte dann in Der Dorfs-
jung die letzten Vorstellungen des Eldorado; H. Pałewska spielte 102 Vorstellungen in
vier Stücken; Józef Wajnberg spielte mit Unterbrechungen vom 14. November 1941 bis
31. März 1942 vier Stücke und hatte 87 Aufführungen, um dann am Eldorado im letzten
Stück dieses Theaters (Der Dorfsjung) seine letzte Rolle zu spielen; Hersz Balbirski kam
vom Eldorado, wo er in zwei Stücken gespielt hatte, ans Azazel und spielte vier Stücke
mit 87 Aufführungen; Sara Margot spielte vom 6. Juni 1941 bis 10. Juli 1941 in zwei
Stücken, ging dann ans Melody Palace, von dort wieder zurück ans Azazel, wo sie in
Sulamita, das am 8. Mai 1942 Premiere hatte, mit der Titelrolle besetzt wurde: sie spielte
91 Vorstellungen; Chaim Rozencwajg war für vier Stücke engagiert und spielte 87
Vorstellungen; S. Asman spielte mit Unterbrechungen in der Zeit vom 6. Juni 1941 bis
31. Dezember 1941 in drei Stücken und hatte 79 Vorstellungen; Dawid Hamburger war in
drei Stücken mit 79 Vorstellungen zu sehen; M. Kac hatte zwei Engagements (Der Dybuk,
Dus grojse gewins) in der Zeit vom 22. August 1941 bis 1. oktober 1941 und spielte
46 Vorstellungen. In einem Stück besetzt waren: Dvora Hilsberg in Hercer cu farkojfen
mit 24 Vorstellungen, C. Waks in Der Dybuk mit 23 Aufführungen und Gerszon German
in Libe un Farrat mit 19 Vorstellungen.
6. REGIE
Im Gegensatz zu den anderen Theatern (abgesehen von Na Pięterku und Kameralny), bei
denen mehrere Regisseure zum Zug kamen, war die Regie des Nowy Teatr Azazel fest in
VI. Teatr Nowy Azazel 147
den Händen von Sandler und Samberg, wobei sie in ihren eigenen Stücken auch Hauptrol-
len nicht ausließen. Ersterer führte in acht Stücken Regie und spielte zehn Rollen. Letz-
terer, von der Gazeta Żydowska als „der größte Tragöde der jüdischen Bühne“ gerühmt,
führte in 10 Stücken Regie und spielte 11 Rollen. Für das Stück Der Dybuk wird Dawid
Herman als Co-Regisseur erwähnt.
7. DIE AUTOREN
Szymon Anski (Dybuk); Szolem Alejchem (Dus grojse gewins); Szalom Asz (Bóg zemsty,
Motke Ganew); Abraham Goldfaden (Sulamita); Abraham Goldfaden und Jakub Mikhail-
ovich Gordin (Szarlatan); A. Kalmanowicz (Cwaj Ganowim); Igor S. Korn-Teuer (Libe
un Farrat [Bearbeitung], Nuch halbe Nacht); Josef Latajner (Duweds fidełe, Iszo roo);
Izydor Lilian (Hercer cu farkojfen); Molière, Bearbeitung von Aron Ajnhorn (Der Karger);
J. Obwarzanek (Di lustike kapele); Mojsze Richter (Cu szpejt); W. Sigał (Der Maskirter);
B. Tomaszewski (Bar Micwo); I. Żołaterewski (Man fur cwaj Frojen).
8. DIE MUSIKER
Die musikalische Leitung des Nowy Azazel lag bis Juni in den Händen von Iwo Wesby, der
in der Zwischenkriegszeit das Orchester des Teatr Opery i Operetki in Krakau dirigierte.
Iwo Wesby ging dann nach Warschau und leitete das orchester des Revuetheaters Qui
pro Quo, war Dirigent bei der Schallplattenfirma „odeon“, komponierte Filmmusik und
war von 1937 bis 1939 Chefdirigent des Musiktheaters „Wielka Rewia“. Ab Juni war er
dann Musikdirektor und Orchesterleiter am Femina.
Für nahezu alle Stücke im Azazel, wenn nicht gar für alle, zeichnete Aleksander Liberman
für Bühnenbild und Ausstattung.
11. BILANZ
Kollege von Ajzyk Samberg), der den auf Jiddisch spielenden Theatern fast durchweg
Niveaulosigkeit attestierte, zu Aufführungen des Azazel bemerkt:
Das Nowy Azazel brachte ein paar bessere Stücke zur Aufführung (Der Karger, Der Dybuk,
Sulamita), aber die waren derart verändert und bearbeitet, dass man sie nicht mehr erkannte.139
Er schiebt damit Ajzyk Samberg als künstlerischem Leiter den schwarzen Peter zu. Guta
Ejzenzwajg bemerkt dazu in seinem Artikel Das Repertoire jüdischer Bühnen:
Die Namen der Autoren der im Azazel gespielten Stücke beweisen, dass es dort zweifelsoh-
ne Bestrebungen gibt, auf höherem Niveau zu spielen. Die Spielplangestaltung ist allerdings
unglücklich zu nennen. Nehmen wir z. B. Der Dybuk – zeitlos und wertvoll, aber für unsere
Nerven, die beruhigt und nicht emotional aufgeputscht werden wollen, absolut ungeeignet. Das
Gleiche lässt sich von dem Stück Cwaj Ganowim sagen, das auch nicht durch das meisterhafte
Spiel von Sandler gerettet werden konnte. Das Azazel agiert noch unentschlossen zwischen
Revue und ernsthaftem Theater.140
Lagen die ersten drei Inszenierungen unter der künstlerischen Leitung von Chaim Sand-
ler mit im Schnitt 31 Aufführungen knapp unter dem Ghettotheaterdurchschnitt (32), so
sank die Zahl der gespielten Aufführungen ab August mit Nuch halbe Nacht auf 23, also
weit unter den Ghettotheaterdurchschnitt. Mit dem ersten Stück Bóg zemsty von Szalom
Asz, bei dem Samberg Regie führte und auch die Hauptrolle spielte, versuchte Samberg,
ein anspruchsvolles künstlerisches Programm aus klassisch jüdischem Repertoire auf die
Bühne des Azazel zu bringen:
An der feierlichen Premiere nahmen viele geladene Gäste teil, es sollte die Richtung des neuen
Theaters festigen, das ausschließlich wertvolle Stücke spielen wollte.141
Danach folgten zwei weitere jüdische Klassiker, Der Dybuk von Szymon An-ski und Dus
grojse gewins von Szolem Alejchem, beide Stücke in der Regie von Samberg, in beiden
spielte Samberg auch wieder die Hauptrollen. Diese drei Stücke wurden im Durchschnitt
22 Mal gespielt. Nach dieser ernüchternden Bilanz versuchte man (wohl Samberg), durch
Einbeziehung von Stücken von A. Kalmanowicz, Josef Latajner und anderen Volksstü-
ckeschreibern die Bilanz aufzubessern, wobei es Iszo roo von Latajner nach der Premiere
auf immerhin 31 Vorstellungen brachte, Duweds fidełe, ebenfalls von Latajner, dann aber
wieder nur auf 16 (beide Stücke mit Samberg als Regisseur). Selbst Molières Der Karger,
überall gern gesehen, brachte es nur auf 23 Vorstellungen.
Die Spielzeit des Azazel erstreckte sich über 14 Monate, in dieser Zeit spielten 21
Schauspieler in insgesamt 18 Stücken und teilten sich 133 Rollen. Keiner dieser 21 Dar-
steller wurde in allen Stücken besetzt: zehn bis 13 Engagements hatten sieben, vier bis
acht Engagements hatten sechs, zwei bis drei Engagements hatten fünf, drei Darsteller
hatten nur ein Engagement.
Betrachtet man die Besetzungsliste des Teatr Nowy Azazel und setzt voraus, dass man
von der Zugehörigkeit zu einem festen Ensemble sprechen kann, wenn die Schauspieler
in der Hälfte (10) und mehr der Stücke innerhalb der Spielzeit besetzt waren und keine
Gastverpflichtungen an anderen Theatern hatten, stellt sich das Ensemble bei 18 gespielten
Stücken wie folgt dar:
Ensemble: Icchak Salwe (13), Róża Gazel (13), Róża Sandlerówna [Roza Sandler]
(12), Ajzyk Samberg (11), Chaim Sandler (10), M. Rozenfarb (10), Chana Lewin (10).
Gäste: acht Engagements: Symcha Fostel; sieben Sylwia Czałczyńska; fünf Józef
Najwert; vier H. Pałewska, Józef Wajnberg, Hersz Balbirski; drei Sara Margot, Chaim
Rozencwajg (Rozencweig), S. Asman, Dawid Hamburger; zwei M. Kac; ein Engagement
Dvora Hilsberg, C. Waks, Gerszon German. D.h. im Schauspielbereich des Nowy Teatr
Azazel gab es sieben feste Ensemblemitglieder und 14 Gäste. Gespielt wurden im Nowy
Teatr Azazel eine Revue, eine musikalische Komödie, vier Komödien, drei Dramen, eine
Satire und sechs Melodramen. In der Gazeta Żydowska erwähnt wurde das Teatr Nowy
Azazel 53mal – 16 Kritiken, 18 redaktionelle Beiträge und 19 Anzeigen. Premiere des letz-
ten Stücks Nuch halbe Nacht von Igor S. Korn-Teuer war am 21. Juni 1942, einen Monat
vor Liquidierung des Ghettos.
* Die Zahl der Aufführungen kann in einigen Fällen abweichen, da in der GZ Dernieren-,
in manchen Fällen auch Premierentermine nicht immer als solche ausgewiesen oder auch
unkorrekt datiert sind. (Anmerkung der Herausgeberinnen).
13. STÜCKE
GŻ/37/3/1941
Freitag, 09.05.1941
GŻ/38/3/1941
Dienstag, 13.05.1941
Und dann R. Gazel. Grazil, elegant und mit höchster künstlerischer Kompetenz. Frau Gaze-
lówna beherrscht meisterhaft melodiöse Rezitation bis hin zum Gesang. Ein Theater mit ihr
garantiert kulturelles Niveau.
Das ganze Ensemble, jung, begabt, mit Begeisterung an der Theaterarbeit, Künstler, die
sicherlich mit dem erfahrenen Theatermeister Sandler auf den Richtigen getroffen sind.
Das gelungene Programm mit Texten von u. a. Fajn (sehr „fein“) verdient, angesehen zu
werden. Leider fehlen ein paar gute Sketche, es gibt zu viele Duette, in denen zudem etliches
an Text verloren geht.
Die Musik von Wesby – erstklassig. Schade nur, dass es dabei zu wenige jüdische Motive
und Elemente gab.
Die Ausstattung von Liberman – bescheiden, nett und geschmackvoll.
Das Nowy Azazel – ein neuer Ort kultureller Arbeit. Es bleibt, diesem Theater alles Gute,
erfolgreiche Arbeit und… stets eine volle Kasse zu wünschen.
Al. R-d.
GŻ/45/3/1941
Freitag, 06.06.1941
Abb. 33: Straßenhändler, rechts Verkäufer von Armbinden mit Davidstern; rechts oben an der Haus-
mauer ein Azazel-Plakat, teilweise überklebt von einer „Anordnung.“
Abb. 34: Theater Nowy Azazel, Nowolipie-Straße 72, Große Revue. Es handelt sich hierbei um das
Plakat für das Eröffnungsstück des Spielbetriebs des Azazel Di Lustike Kapele.
154 VI. Teatr Nowy Azazel
GŻ/49/3/1941
Freitag, 20.06.1941
Motke Ganew
Letztens hatte im Nowy Azazel, Warschau, Nowolipie-Straße 72, das bekannte Stück von
Asz Motke Ganew Premiere. Der berühmte Regisseur und Schauspieler auf jüdischen Büh-
nen, Ch. Sandler, hat das Stück zu einer musikalischen Komödie umgearbeitet und spielt auch
die Titelrolle. In weiteren Hauptrollen sind die bekannten jüdischen Schauspieler Ch. Sandler
und Ch. Lewin zu sehen. Die mit hohen Kosten und großem technischen Arbeitsaufwand pro-
duzierte musikalische Komödie übertrifft alle Erwartungen. Der größte Beweis hierfür sind
die jeden Tag ausverkauften Vorstellungen. Tausende müssen wieder gehen, da es keine Kar-
ten gibt. Es gibt keinen Zweifel, Motke Ganew ist der große Schlager in Warschau, auf dessen
Straßen man vom ersten Tag an nur noch Motke Ganew hörte. Beginn täglich 17 Uhr 30,
samstags zwei Vorstellungen, jeweils 15 Uhr und 17 Uhr 30.
GŻ/49/2/1941
Freitag, 20.06.1941
mit angenehmer und ansprechender Stimme, der sich in zwei Rollen auszeichnete, einmal als
Zirkussänger, zum zweiten als „batchin“). Harmonisch fügte sich die Musik von I. Wesby in
die hinzugefügten Stückelemente. Dekoration und Kostüme auf hohem Niveau: A. Liberman.
Gelungene Regie von Ch. Sandler.
H.Cz.
GŻ/52/2/1941
Montag, 30.06.1941
GŻ/56/2/1941
Mittwoch, 09.07.1941
jetzt am Donnerstag, den 10. Juli, um 17 Uhr 30 statt, wobei das Stück jetzt bereits auf großes
Interesse stößt, da der spannende Inhalt das Publikum in Atem zu halten verspricht. Tragik, ge-
paart mit sprudelndem Humor, macht es hochinteressant und dies umso mehr, als bekannte
Künstler auf der Bühne zu sehen sind wie: Ch. Sandler, Chana Lewin, Roza Gazel und R. Sand-
lerówna. Daneben treten auf: J. Salwe, S. Czałczińska, J. Najwert, M. Roznfarb, J. Wajnberg
und andere. Vorstellungen täglich 17 Uhr 30, samstags zwei Vorstellungen jeweils 15 Uhr 15
und 17 Uhr 30.
GŻ/60/5/1941
Freitag, 18.07.1941
Hercer cu fakojfn
(Premiere im Theater Nowy Azazel)
Hercer cu fakojfn (Herz zu verkaufen) – das ist der prachtvolle und „sensationelle“ Titel des
neuen Premierenstückes im Theater Nowy Azazel. Es ist eine Komödie in drei Akten aus der
Feder von I. Lilian, die um die jüdische Szene im Ausland kreist und durch ihre kecke und zu-
gleich originelle Fassung durchaus dem Gusto der allermeisten Zuschauer entspricht. Vielleicht
ein bisschen zu realistisch, ich würde sagen auch zu bombastisch, dabei aber handwerklich
durchaus gut und mit dem Gefühl dafür, wie eine Szene sein muss und wie die Zuschauer es
haben wollen, umgesetzt, was erfreut und berührt.
Held des Stückes ist ein blinder Bajazzo, der durch ein Wunder gesundet und sein Augen-
licht, das Wertvollste, was ein Mensch besitzt, wiedererlangt und das durch die Tänzerin
„Zina”, die aus Liebe zu ihm den Verführungskünsten eines wundertätigen Arztes nachgibt.
Liebe und Verrat. Für das verkaufte Herz wird der geliebte Bajazzo geheilt. Das Ganze spielt
in einem Kabarett.
Dies bietet den Akteuren viele Gelegenheiten, sich an die Rampe zu spielen und sich aus-
leben zu können. Hier steht Herr Ch. Sandler ganz oben, der den klassischen Typ des Litauers
Chonon gibt, hervorragend charakterisiert und „kostümiert.” Frau Chana Lewin in der Rolle der
urkomischen galizischen „Brane Trane“ riss das Publikum zu Lachanfällen hin. Die bekannte
Künstlerin erhielt einen Szenenapplaus nach dem anderen und musste ihre witzigen und aktuel-
len Couplets mehrmals wiederholen. Besondere Beachtung verdient Frau R. Gazal in der Rolle
der Zina mit ihrem intelligenten und subtilen Spiel, wie auch durch ihren Gesang (Titel des
Liedes: „Awraham“). Den Held des Stückes, den blinden Bajazzo (Boris), gab Herr J. Salve,
der die Rolle mit ziemlich großer Schauspielkunst gestaltete und der ohne Zweifel zu den
führenden Künstlern des Ensembles des Nowy Azazel zu rechnen ist, er bot die Arie „Lache
Bajazzo!“ erstklassig dar. Als ausgezeichnete Künstlerin mit Opernverve zeigte sich Frau
S. Margot in der Rolle der „Sängerin,” die sie mit einem „Strauss-Walzerzyklus“ sehr schön
interpretierte. Mit großem Temperament entwickelte Frau R. Sandlerówna die Rolle der Sana,
der Tochter des Litauers, und ihr ebenbürtig: Herr Najwert, ein routinierter Schauspieler. Auf
den Punkt spielte Herr M. Rozenfarb den zynischen Dr. Barnet. Die talentierte junge Künstle-
rin Frau S. Czałczyńnska, die wir schon als „Mery“ in Motke Ganew von Asz sehen durften,
lieferte in der Rolle der älteren Frau einen Beweis ihrer intelligenten Spielweise. Mit Erfolg
bewältigten Ch. Rozencwajg und D. Hilsberg die kleineren Rollen.
Unbedingt erwähnenswert auch die sehr gelungenen Texte von Herrn J. Najwert. Die Regie
von Ch. Sandler – wie immer ohne Fehl und Tadel. Sehr sehenswert die Dekoration von Herrn
A. Liberman.
H. Cz.
VI. Teatr Nowy Azazel 157
GŻ/66/5/1941
Freitag, 01.08.1941
A. Samberg in der Titelrolle des Stückes Got fun nekume von Sz. Asz im Theater Nowy
Azazel, Nowolipie-Straße 72
Das populärste jüdische Theater, das Nowy Azazel in der Nowolipie-Straße 72, spielt zur Zeit
Got fun nekume, das berühmte Meisterwerk von Szalom Asz. In den Hauptrollen sind neben
dem exquisiten und vergrößerten Ensemble des Nowy Azazel die Asse der jüdischen Bühne
wie A. Samberg, Chana Lewin und Roza Gazel zu sehen. Die Zusammenarbeit von Darstel-
lung und Regie, die Arbeit von den Könnern des jüdischen Theaters wie A. Samberg und
Roza Gazel, das intelligente und tiefgründige Spiel als auch der Gesang von Chana Lewin,
unvergessen ihr Auftritt in Hercer cu farkojfn als die Galizierin Brane Trane, garantieren, dass
dieses Stück ein Stück wird, das sich anzusehen für alle Schichten des Viertels lohnt. Feierliche
Premiere von Got fun nekume heute, Freitag, den 1. August, 17 Uhr 30. Eingeladen sind alle
Prominenten des Jüdischen Viertels Warschau.
GŻ/71/3/1941
Mittwoch, 13.08.1941
Bóg Zemsty
Stück in 3 Akten von Szalom Asz
In diesen Zeiten sind die jüdischen Theater in nicht geringen Schwierigkeiten, was die Stück-
auswahl und Spielplangestaltung anbelangt. Die Schaffenskraft der Theaterschriftsteller ist
142 Nach Barbara Engelking, Getto Warszawskie, 592, wurde Got fun nekume bereits 1926 im Teatr
Niezależny unter der Regie von Andrzej Marek aufgeführt.
158 VI. Teatr Nowy Azazel
erloschen, also muss man auf ältere Stücke zurückgreifen, manchmal auf sehr ältere, dick
bedeckt vom Staub der Theatergeschichte…, wobei sich hier die Genrestücke von Szalom
Asz nahezu aufzwingen. Es sind Stücke für die breite Masse, die dazu noch den Vorzug haben,
dass sie für Schauspieler geschrieben sind und ihnen die Möglichkeit geben, ihr Können an der
Rampe zu zeigen. Solcherart ist nun Bóg Zemsty, das vor 80 Jahren aus der Feder des genialen
Schriftstellers floss, des Autors von „Miasteczka.” Bóg Zemsty ist ein dramatisches Meister-
stück – an der Hauptrolle des Jankiel Szapszowicz loteten die berühmtesten Schauspieler
auf Bühnen im In- und Ausland ihre künstlerischen Fähigkeiten aus, unter anderem auch
Rudolf Schildkraut. Und nur ein Tragöde von der Qualität eines Ajzyk Samberg vermag diese
Rolle so glaubhaft, so plastisch und so überzeugend auf die Bühne zu bringen. Sein Jankiel
Szaszowicz, König der Zuhälter, war stark im Ausdruck und charakteristisch in den Ges-
ten, wofür er mehrmals verdienten Szenenapplaus bekam. Die Hindle, eine der vielen Frauen
in dem Bordell, spielte Frau Chana Lewin, die in dieser Rolle wieder einen Beweis ihrer
ungewöhnlichen Schauspielkunst gab. Sehr gut Frau R. Gazel als Tochter. Den „Apachen“
Szlojme gab mit großem Erfolg der sehr talentierte M. Rozenfarb. Ausgesprochen typengenau
agierten: J. Najwert als Reb Ele und C. Rozencwajg als „Der Sojfer.” Besonderen Eindruck
machte Frau R. Sandlerówna als verführerische Mańka.
Sehr gute Regie von A. Samberg, das Bühnenbild von A. Liberman stückangemessen.
H. Cz.
GŻ/72/2/1941
Freitag, 15.08.1941
Der größte Tragödienspieler, das Ass der jüdischen Bühne: A. Samberg im Nowy Azazel,
Nowolipie-Straße 72
Das Stück Got fun Nekume (Bóg zemsty) in drei Akten von Szalom Asz, das zurzeit im Nowy
Azazel mit unerhörtem Erfolg auf dem Spielplan steht, bewegt das ganze jüdische Viertel.
Spiel und Inhalt rühren das Publikum zu Tränen. Auch die Zuschauer bleiben ihren Bühnen-
lieblingen nichts schuldig, stürmischer Szenenapplaus, Zugaben werden erzwungen. Vorstellun-
gen täglich 17 Uhr 30, samstags um 14 Uhr 40 (ermäßigte Preise) und 17 Uhr 30. Unabhängig
vom großen Erfolg von Got fun Nekume bereitet die Direktion des Nowy Azazel schon das
Stück […] (Zwischen zwei Welten) Der Dybuk von S. Anski vor, für das die Proben bereits in
vollem Gang sind.
[Meszułach]; Icchak Salwe [Chunona]; Chaim Sandler [Cadyk aus Miropola]; Róża Sand-
lerówna [Lea]; C. Waks
Choreographie: Sylwia Czałczyńska [Interpretation des Totentanzes]
Ausstattung: Aleksander Liberman
Presse: Kritik GŻ/78/5/1941; Redaktion GŻ/72/2/1941; Redaktion GŻ/75/5/1941; Anzeige
GŻ/75/6/1941; Anzeige GŻ/78/6/1941
GŻ/75/5/1941
Freitag, 22.08.1941
GŻ/78/5/1941
Freitag, 29.08.1941
Den Cadyk aus Miropola gab Herr Ch. Sandler, der in diese Rolle viel Herz und Seele
legte und der die dramatischen Momente mit viel Kraft gestaltete. Ebenfalls sehr gut Herr
Sandler, der im ersten Akt einen der „Batłenów“ spielte. P. D. Hamburger gab den Sender
Brinicer, routiniert fand er dabei genug Gelegenheit, sich in den Vordergrund zu spielen.
Mit ihrem großen Talent, mit ihrem subtilen und tiefgründigen Spiel bewältigte Frau
R. Sandler die schwierige und verantwortungsvolle Rolle der Lea. Typengenau als
Kindermädchen Frade zeigte sich Frau H. Pałewska. Fehlerfrei war Herr Rozenfarb in zwei
Rollen zu sehen, zum einen als „batłen,” zum anderen als Nachme, der Vater des jungen
Herrn. Mit großem Verständnis für die Intentionen des Autors spielte der talentierte Schau-
spieler J. Salve den Chunona, wohl die interessanteste und geheimnisvollste Figur im Stück.
Sehr naturalistisch und charakteristisch war Herr J. Wajnberg als gabe [Problem] des Cadyk
aus Miropola. Tiefen Eindruck machte der „Totentanz“ in der Interpretation von Frau
S. Czałczyńska. In weiteren Rollen waren M. Kac, C. Waks, J. Najwert und C. Rozencwajg
zu sehen.
Regisseur des Stückes laut Programmzettel: Dawid Herman. Ohne jeden Zweifel wird der
Dybuk ein Erfolgsstück werden.
H. Cz.
GŻ/84/2/1941
Freitag, 12.09.1941
GŻ/87/3/1941
Freitag, 19.09.1941
Wielka wygrana
(Dus grojse gewins)
Stück in drei Akten von Szalom Alejchem
Nach den Stücken von Asz und Anski griff nun die Direktion des Theaters Nowy Azazel auf das
für die jüdischen Bühnen klassische Repertoire von Szalom Alejchem zurück. Nur ein Schrift-
steller wie Szalom Alejchem, dem jüdischen Mark Twain, nur ein solch großes und un-
verbrüchliches Talent kann aus dem Schatzkästlein vielfältigen jüdischen Lebens die Perlen
nicht alltäglichen Humors schöpfen und gewissermaßen mit Philosophie und tiefer gesell-
schaftlicher Erkenntnis ausschmücken. Wielka wygrana (200 000) ist eine hervorragende und
schneidende Satire auf Neureiche, denen das Schicksal ohne eigenes Dazutun hold ist, die im
Jargon sprechen und „Köpfe verdrehen“ – dieses Stück hat nichts von seiner aktuellen Farbig-
keit verloren, weder in der Kriegs- noch in der Nachkriegszeit…
Die Hauptfigur des Stücks ist ein alter Schneider, gegeben von dem hervorragenden Künst-
ler Herrn A. Samberg. Weiter gibt es da seine Frau „Eta Meni,” die sich plötzlich von der armen
VI. Teatr Nowy Azazel 163
Schneiderfrau in eine „große Dame“ verwandelt. Diese Rolle spielt Frau Chana Lewin her-
vorragend, wobei sie den klassischen Typ der urkomischen Neureichen gibt und damit das
Publikum zu wahren Lachausbrüchen und donnernden Beifallsstürmen oftmals auf offener
Bühne hinreißt. Tosender Applaus auch für Herrn A. Samberg. Sehr natürlich in der Rolle der
Schneidertochter zeigte sich Frau R. Gazel. Sehr gut auch die Gesangsnummern, besonders
das Duett mit Herrn J. Salve, der den Schneidergesellen Motel trefflich spielte, ähnlich wie der
verliebte Kopel, ebenfalls Schneidergeselle, der von M. Rozenfarb gegeben wurde.
Die Rolle des „unsterblichen“ Schadchens Solowejczka (eine Figur, die in den Werken
von Szalom Alejchem immer wiederkehrt) wurde von Herrn J. Najwert konzertant gegeben.
Interessant auch gezeichnet die Erzgauner und Betrüger Wigdorczyka und Rubinczyka, die von
den Damen S. Aman und S. Czałczyńska als Hosenrollen gespielt wurden. In weiteren Rollen
konnten wir sehen: H. Pałewska, D. Hamburger, C. Rozencwajg und M. Kac. Die Regie von
A. Samberg routiniert. Wielka wygrana wird zweifelsohne ein Erfolg.
H. Cz.
Autor/Texte: A. Kalmanowicz
Regie: Chaim Sandler
Stück: Melodram in vier Aufzügen
Premiere: Freitag, 03.10.1941
Dernière: Mittwoch, 29.10.1941
Aufführungen: 31
Vorstellungen: täglich 18.00 Uhr, samstags und an den Feiertagen 15.00 Uhr und 18.00 Uhr
Besetzung/Rollen: Sylwia Czałczyńska [Dżeni, Frau des Verbrechers]; Róża Gazel [Dala,
Tochter des Einbrechers]; Chana Lewin [Basia Szames]; Józef Najwert [Zalmen Szames;
Ehemann von Basia]; M. Rozenfarb [Mr. Kuper]; Ajzyk Samberg [Marian Szwarc, einer
der Diebe]; Chaim Sandler [raffinierter Ganove Dżek Wajnsztajn]; Icchak Salwe [Sydny]
Presse: Kritik GŻ/100/3/1941; Redaktion GŻ/93/5/1941; Redaktion GŻ/97/2/1941;
Anzeige GŻ/97/4/1941
GŻ/93/5/1941
Mittwoch, 01.10.1941
Theater in Warschau
Sensationelle Premiere im Theater Nowy Azazel, Nowolipie-Straße 72
Heute, am 3. Oktober, hat im populären und beim Publikum äußerst beliebten Theater
Nowy Azazel, Nowolipie-Straße 72, das sensationelle Stück in vier Akten mit dem Titel Cwaj
Ganowim von A. Kalmanowicz, in der Regie von Ch. Sandler, große Premiere. Das Theater
Nowy Azazel, das sich seine Popularität durch seine phantastische Inszenierung erworben
hat, kann auch diesmal auf einen großen Erfolg gefasst sein. Anzumerken ist, dass die Rollen
in Cwaj Ganowim mit den Publikumslieblingen Ch. Sandler und A. Samberg besetzt sind.
Daneben spielen Chana Lewin, Roza Gazel, R. Sandler – durchweg Asse der jüdischen
Bühne – sowie ein verstärktes Ensemble. Vorstellungen täglich 18 Uhr, Samstag und an den
Feiertagen zwei Vorstellungen jeweils um 15 Uhr und 18 Uhr.
GŻ/97/2/1941
Freitag, 10.10.1941
GŻ/100/3/1941
Freitag, 17.10.1941
Cwaj Ganowim
(Dwaj Złodzieje)
Das jüdische Theater bedient sich nun – auf Grund des Nichtvorhandenseins anderer Stücke –
offensichtlich immer öfter bei Stücken von A. Kalmanowicz, gut geeignet für die Bühne,
wenn auch ziemlich bombastisch und sensationsgeladen, allerdings immer mit einer Moral.
Ebenso ist auch die letzte Premiere des Nowy Azazel mit Cwaj Ganowim in vier Aufzügen
eben dieses Autors – ein typisches Melodram, das die Unterwelt mit ihrem „Glanz“ und ihren
Schattenseiten zum Thema hat. Und wie üblich bei solchen Stücken endet das Ganze in
Glück und Eintracht. Die beiden Diebe geben zwei bekannte und routinierte Schauspieler:
A. Samberg und Chaim Sandler. Ersterer spielt Martin Szwarc, einen desillusionierten und
verratenen Vater und Mann, Sandler als Dżeki Wajnsztajn gibt einen raffinierten, gegenüber
Martin charakterlosen Ganoven. In diesen Rollen sind beide unübertrefflich und zeigen ein
wahres Feuerwerk ihrer Schauspielkunst. Frau Chana Lewin und Herr J. Najwert geben sehr
typengenau ein urkomisches Ehepaar, Zalmen Szames und seine Frau Basia. Frau R. Gazel
spielte erfolgreich die Rolle der Dala, Tochter des Einbrechers. Weiterhin waren zu sehen:
S. Czałczyńska (Dżeni, Frau des Verbrechers), M. Rozenfarb (Mr. Kuper) und J. Salve (Sydny).
Regie führte R. Sandler.
Anzumerken wäre, dass sich die Direktion des Nowy Azazel, die über ein höchst qualifi-
ziertes Ensemble und hervorragende Regisseure (Sandler und Samberg) verfügt, um Stücke
größerer Qualität und Niveau bemühen müsste, Stücke, die einen Namen in der Theaterliteratur
haben. Solcherart Spielplangestaltung wird in breiten Schichten der Bevölkerung auf große
Zustimmung stoßen und das Theater, als kultureller und künstlerischer Mittelpunkt, damit in
der öffentlichen Meinung an Prestige gewinnen.
H. Cz.
Autor/Text: I. Żołaterewski
Regie: Chaim Sandler
Stück: Komödie in drei Akten
Premiere: 31.10.1941
Dernière: 12.11.1941
Aufführungen: 15
Vorstellungen: täglich 18.00 Uhr, samstags und sonntags 15.00 Uhr und 18.00 Uhr
Presse: Keine Kritik vorhanden
GŻ/115/3/1941
Freitag, 21.11.1941
Skąpiec
Molière schrieb für Schauspieler. Molière, wohl vor allen anderen Theaterschriftstellern
der mit dem genialsten Gefühl für die Bühne, schrieb die Texte seinen Schauspielern auf
den Leib. Er kannte ihre Schwächen, ihre Art zu spielen, er beobachtete sie und schrieb
für sie dann Rollen, die einen Teil ihrer Persönlichkeit, ihres Verhaltens beinhalteten.
Folglich findet man auf der Bühne Molières lebendige Menschen und keine Kunst-
figuren, weshalb seine für die Schauspieler geschriebenen Stücke sofort das Publikum ge-
fangen nehmen. Und dafür ist Skąpiec der schlagende Beweis. Harpagon, dieser König
der Geizhälse, dessen Geiz jedes Maß übersteigt und für den Geld das Symbol des Lebens
ist, dessen Schatzkiste ihm teurer ist als jedes Heiligtum, teurer als die höchsten Werte,
dieser Harpagon ist ein Leckerbissen für den Schauspieler, der sozusagen Handlungs-
freiheit hat. Er kann spielen, aber auch alles verspielen. Nicht auszuschließen ist hier-
bei die Gefahr der Chargenspielerei, die charakteristisch für die alte Schauspielschule ist,
aber nicht übertrieben werden sollte. Der beste (und heutzutage wohl einzige) Tragöde
der jüdischen Bühne, A. Samberg, gab den Harpagon meisterhaft. Grundsätzlich allerdings
muss man einwenden, dass es nicht angebracht ist, kleine Gesangs- und Tanzeinlagen in das
(von A. Ajnhorn bearbeitete) Stück zu nehmen, da diese angeblich die Inszenierung bun-
ter und abwechslungsreicher machen. Der Skąpiec ist eine Schauspielkomödie und keine
Operette.
Samberg präsentierte den Skąpiec in neuem Gewand. Kostüme und Kulissen ziemlich
effektvoll. Von den Schauspielern finden besondere Beachtung: R. Gazel (Eliza), R. Sandler
(Eufrozyna), S. Czałczyńska (Marianne), J. Salve und M. Rozenfarb. Sehr gut in ihren Rollen
die Herren H. Balbirski und J. Najwert.
H. Cz.
Aufführungen: 19
Vorstellungen: täglich 18.00 Uhr, samstags und sonntags 15.00 Uhr und 18.00 Uhr
Besetzung/Rollen: S. Asman; Hersz Balbirski; Sylwia Czałczyńska; Symcha Fostel; Róża
Gazel; Gerszon German [Beni]; Chana Lewin; H. Pałewska; Icchak Salwe; Chaim Rozen-
cweig; M. Rozenfarb [Gabryś, Mann vom Land]; Chaim Sandler [Buckliger]; Róża Sand-
lerówna [Asna]; Józef Wajnberg
Musik: Liedtexte und Couplets: Igor S. Korn-Teuer; Chor: Róża Gazel; Icchak Salwe;
Józef Wajnberg, H. Balbinski
Presse: Kritik: GŻ/128/5/1941; Anzeige GŻ/120/6/1941
GŻ/128/5/1941
Sonntag, 21.12.1941
Miłość i zdrada
(Libe un Farrat)
Die letzte Premiere des Theaters Nowy Azazel mit dem Titel Libe un farrat (Miłość i zdrada)
in der Bearbeitung von Herrn S. Korn-Teuer ist ein Melodram, das wohl mit großem Er-
folg in weiten Kreisen der Theateröffentlichkeit aufgenommen werden wird. Wir haben
hier gewissermaßen eine Fabel des ewigen Kampfes von Gut mit Böse und Unrecht mit Ge-
rechtigkeit.
Mit großem dramatischem Talent spielte Herr Ch. Sandler die Rolle des Buckligen. Sein
Spiel zeugte von Maß und schauspielerischer Routine. Ein ganz spezielles komisches Paar gab
ein Paar hervorragender Schauspieler: Frau Chana Lewin, über die wir neulich anlässlich ihres
25-jährigen Bühnenjubiläums schrieben, und Herr Symcha Fostel, der König der jüdischen
Komiker. Jedes Mal, wenn sie die Bühne betraten, gab es Salven von Gelächter. Die Rolle
des Beni spielte mit großem Erfolg Herr G. German, den wir schon auf der Bühne des Nowy
Teatr Kameralny und Femina sehen konnten. Mit großem Können gestaltete er die charak-
teristischen Momente seiner Rolle. Immer näher der Spitze des Ensembles kommt der sich
glänzend präsentierende junge Schauspieler Herr M. Rozenfarb, der in der Rolle des Gabrys,
eines Burschen vom Land, auf die Bühne kam. Sehr gut in der Rolle der Asna war Frau Sand-
lerówna. Es fanden in dem Stück ein Feld, sich auszuzeichnen: Rozencwajg, S. Czałczyńska,
S. Asman und H. Pałewska.
Ein Wort der Anerkennung auch für das ausgezeichnete Gesangsquartett (R. Gazel, J. Salwe,
J. Wajnberg und H. Balbirski). Liedtexte und Couplets aus der Feder von S. Kornteuer.
H. Cz.
143 Wahrscheinlich gab es keine „Extravorstellung“; vielmehr wurde Chana Lewin die Premiere inner-
halb des Spielplans gewidmet.
168 VI. Teatr Nowy Azazel
GŻ/120/4/1941
Mittwoch, 03.12.1941
GŻ/15/2/1942
Mittwoch, 04.02.1942
Iszo Roo
Das Nowy Azazel besinnt sich seit einiger Zeit wieder auf die alte Tradition des jüdischen
Theaters, in der über lange Zeit Stücke (Melodramen und Operetten), die an biblische Themen,
Legenden und Erzählungen angelehnt waren, einen festen Platz hatten. Zu diesem „klas-
sischen“ Repertoire gehören die Werke von Abraham Goldfaden, dem Vater der jüdischen
Bühne. In den Umkreis des „Aufblühens“ des volkstümlichen Goldfaden-Theaters gehören
auch die Stücke des äußerst produktiven Schriftstellers Ludwik144 Latajner. Eines seiner be-
liebtesten Stücke, nämlich Iszo Roo (Zła żona), hatte letztens im Nowy Azazel Premiere. Man
muss hinzufügen, dass, wenn dieses Stück auch sehr altmodisch daherkommt, es von dem
erfahrenen Regisseur A. Samberg durch verantwortungsvolle Bearbeitung und Modernisie-
rung des Textes sowie durch Bühnenbild und Kostüme aufpoliert wurde.
Die Geschichte von Iszo Roo verknüpft das unglückliche Schicksal des Heerführers Abner
und dessen Frau Izebl vor dem Hintergrund des Verlustes eines Kindes mit dem intrigan-
ten Anthignot in einer Reihe von Episoden. Herr A. Samberg gab den Abner, eine Rolle, mit
der er schon mehrmals schauspielerischen Lorbeer errang, eine Rolle, die schon von den alten
jüdischen Bühnenkünstlern wie Abelman, Rapell und anderen gegeben wurde, mit großer
dramatischer Gestaltungskraft. R. Sandler spielte nicht nur die „schlechte Frau“, sondern auch
die unglückliche Mutter mit großer Verantwortung. Ein dankbares Feld der Selbstdarstel-
lung fand R. Gazel, die sich sehr effektvoll in der Rolle der Szlomith präsentierte. Besondere
Erwähnung verdient Herr J. Salwe, der Talmaj, der den angeblichen Feind von General
Abner gab. Herr J. Wajnberg zeichnete sehr treffend die Figur des Antignoth. Viel Komik
kam auf die Bühne, wenn Herr S. Fostel in der Rolle des lächerlichen Sekretärs Chanocha die
Szene betrat. In den anderen Rollen waren zu sehen: S. Czałczyńska, M. Rozenfarb (hervor-
ragend in der Maske des Präsidenten Hurknoth) und C. Rozencwajg.
Iszo Roo, hundert-, wenn nicht tausendmal auf jüdischen Bühnen gespielt, erfreut das Pub-
likum, es liebt diese Art von Schauspiel.
H. Cz.
13.13 Cu szpejt
[pl. Za póżno, dt. Zu spät]
144 Hier muss Herman Czerwiński eine Verwechslung passiert sein. Ludwik Latajner war ebenfalls
Autor mehrerer jiddischer Theaterstücke, Iszo Roo stammt jedoch aus der Feder seines Namens-
vetters Josef Latajner.
170 VI. Teatr Nowy Azazel
Dernière: 11.03.1942
Aufführungen: 23
Vorstellungen: täglich um 17.30 Uhr, samstags zwei Vorstellungen je um 15.00 Uhr und
17.30 Uhr
Besetzung/Rollen: Symcha Fostel [Großvater]; Ajzyk Samberg [Musiker Melech Gren];
Chana Lewin [Großmutter Chana Basia]; Róża Gazel [Tochter Beita]; Hersz Balbirski
[Klezmer]; Róża Sandlerówna [Juta; unglückliche Frau und Mutter]; M. Rozenfarb
[Mr. Lancer; Verlobter von Beita]; Józef Wajnberg [Klezmer]; Icchak Salwe [Rabbiner
M. Sztern]
Presse: Kritik GŻ/28/3/1942; Redaktion GŻ/22/2/1942
GŻ/22/2/1942
Freitag, 05.12.1941
GŻ/28/3/1942
Freitag, 06.03.1942
Cu szpejt
(Stück in drei Akten von M. Richter)
Cu szpejt, ein Stück in drei Akten von M. Richter, schildert ausdrucksstark das Leben
einer zu Grunde gehenden Familie. Es ist die bedrückende Geschichte des Musikers
Mechel Gren, der vom normalen Lebensweg abweicht und einem verderblichen Laster
unterliegt, das ihn nach ganz unten bringt, gezeigt in sehr (vielleicht allzu sehr) realisti-
schen Bildern. Es gibt für ihn keinen Weg zurück in ein geregeltes, ruhiges Leben. Zu
spät… Wir werden Zeugen dramatischer Szenen zwischen Mann und Frau, zwischen Vater
und Kind.
Die Rolle des Gren gab Herr A. Samberg. Man kann sich keinen besseren Interpreten
dieser Rolle vorstellen, die vom Schauspieler Routine und Schauspielkunst verlangt, und
dafür steht eben der hervorragende Tragöde A. Samberg. Mit viel Ausdruck für die Tragik
gestaltet er die Rolle des Vaters, der schwer für seine Schuld büßt. Sehr gut gespielt von
Frau R. Sandler die Rolle der Juta, der unglücklichen Frau und Mutter. Hervorragend und
sehr effektvoll auch Frau R. Gazel als Beita, die Tochter von Gren, die für ihre Gesang- und
Tanznummer Szenenapplaus bekam. Herr S. Fostel umriss hervorragend die Charakterrol-
le des Großvaters. Frau Chana Lerner, eine der besten jüdischen Vaudeville-Darstellerinnen,
glänzte als die typische Darstellerin der Großmutter Chana Basia, der Frau des „batchen.”
VI. Teatr Nowy Azazel 171
Das Spiel von Fostel und Lewin, dieser beiden hervorragenden Bühnenkünstler, sorgte für
Erschütterung, aber auch für Freude im Publikum.
In den anderen Rollen waren zu sehen: Herr Salwe, stimmlich hervorragend disponiert
als Rabi M. Stern, immer auf der Höhe zeigten sich M. Rozenfarb in der Rolle des Mr. Lancer,
des Verlobten von Beita, sowie die Herren J. Wajnberg und H. Balbirski, die die Klezmer-
musikanten Lajzer Fidler und Josile Pojker ausgezeichnet gaben.
H. Cz.
Autor/Texte: B. Tomaszewski
Regie: Ajzyk Samberg
Stück: Populärstück in drei Akten mit Prolog
Premiere: 13.03.1942
Dernière: 31.03.1942
Aufführungen: 22
Vorstellungen: täglich um 17.30 Uhr, samstags zwei Vorstellungen jeweils um 15.00 und
17.30 Uhr
Besetzung/Rollen: Róża Sandlerówna [Hauptrolle Lea]; Sylwia Czałczyńska; Symcha
Fostel [amerikanischer Kantor]; Ajzyk Samberg [unglücklicher Ehemann]; Chana Lewin
[schwatzhafte Großmutter]; Róża Gazel [Fajgełe]; Hersz Balbirski; M. Rozenfarb [Sem,
amerikanischer Boy]; Józef Wajnberg; Icchak Salwe [Sohn, Hauptrolle]
Ausstattung: Aleksander Liberman
Presse: Kritik GŻ/34/2/1942; Redaktion GŻ/31/2/1942; Anzeige GŻ/31/6/1942
GŻ/34/2/1942
Freitag, 20.03.1942
Bar Micwo
Stück in drei Akten mit Prolog von B. Tomaszewski
Der Autor der letzten Premiere Bar Micwo (Bar Mitzwa), B. Tomaszewski, ist Spezialist für
Volksstücke, die fest im Repertoire vieler jüdischer Bühnen verankert sind. Solche Stücke
müssen mit einer gewissen Gefühligkeit gewürzt sein, zu Tränen rühren und zum Lachen ver-
führen, und schon wird das Ganze auch einigermaßen interessant. Zweifelsohne hat der Autor
ein Gefühl für diese Art von Szenen, das Stück ist abwechslungsreich und ganz im Sinne des
Publikums.
Und in der Tat, es ist schon eine sehr anrührende Geschichte von der angeblich verschol-
lenen Lei, der ersten Frau eines reichen Kaufmanns, die in Folge eines fatalen Unfalls in
geistige Umnachtung fällt, dabei das Gedächtnis verliert, zehn Jahre in der Fremde lebt
und ziellos umherirrt. Man streicht sie von der Liste der Lebenden, ihr Mann heiratet ein
zweites Mal, die Kinder sind grenzenlos verzweifelt und haben eine Vision, in der sie die
Mutter sehen. Aber es ist nicht nur eine Vision, denn nach 10 Jahren kehrt die Unglückliche
zurück ins normale Leben, zurück unter das Strohdach ihres Häuschens. Jahre der Tränen und
172 VI. Teatr Nowy Azazel
Trauer werden abgelöst von Freude – und all dies am Tag der Konfirmation des Sohnes, was
dem Publikum großes Vergnügen bereitet.
Die Hauptrolle, die des Baal Bar Micwa, gibt der junge, talentierte Künstler Herr J. Salwe,
der die Rolle mit großer Intensität und Ausdruckskraft gestaltete. Sehr schön auch Frau R.Gazel
in der Rolle der Fajgełe, eine Darstellerin, die sich mit viel Temperament und Schwung mit
ihrem Partner Herrn M. Rozenfarb (sehr begabt, sehr elegant als Sem, ein amerikanischer Boy)
in einer sehr effektvollen Gesangs- und Tanznummer präsentiert. Besonderes Vergnügen be-
reitete dem Publikum ein englisch – jüdischer Dialog, für den das Pärchen laute Bravos erhielt.
Die Rolle der Lei spielte Frau. R. Sandler, die das Publikum über das ganze Stück in Span-
nung hielt. Über das Spiel der erfahrenen Künstler muss man sich nicht weiter auslassen. Frau
Chana Lewin (großartig in der Rolle der geschwätzigen Großmutter), A. Samberg als unglück-
licher Ehemann, der bekannte Komiker S. Fostel, der diesmal einen in seiner Art einzigartigen
amerikanischen Kantor gab.
In den übrigen Rollen waren zu sehen: S. Chałczyńska, J. Weinberg und H. Balbirski. Büh-
nenbild (sehr gelungen) von Herrn A. Libermann.
H. Cz.
GŻ/39/2/1942
Mittwoch, 01.04.1942
Duweds Fidełe
Das populäre und beim Warschauer Publikum sehr beliebte Teatr Nowy Azazel plakatiert zur
Zeit die Premiere eines außergewöhnlich faszinierenden Stückes mit dem Titel Duweds Fidełe,
ein Stück in drei Akten und fünf Aufzügen von J. Latajner unter der Regie von A. Samberg, der
bei der Produktion dieses Stückes keine Kosten und Mühen gescheut hat. Diese vom Publi-
kum sehnlich erwartete Premiere findet am 2. April um 17 Uhr 30 statt. Absolut sehenswert
auch das hervorragende Ensemble: Chaim Sandler, A. Samberg, S. Fostel, Ch. Lewin, R. Gazel
u. a., Vorstellungen täglich um 17 Uhr 30, samstags jeweils 15 Uhr und 17 Uhr 30.
VI. Teatr Nowy Azazel 173
GŻ/45/2/1942
Mittwoch, 15.04.1942
Autor/Texte: W. Sigał
Regie: Ajzyk Samberg
Stück: Stück in drei Akten
Premiere: 17.04.1942
Dernière: 06.05.1942
174 VI. Teatr Nowy Azazel
Aufführungen: 22
Vorstellungen: täglich 17.30 Uhr, samstags zwei Vorstellungen, jeweils um 15.00 Uhr und
17.30 Uhr
Besetzung/Rollen: Ajzyk Samberg [der verbrecherische Vater; Hauptrolle]; Icchak Salwe
[Sohn Refuel]; Chana Lewin; Symcha Fostel; Róża Gazel [Gitele]; Róża Sandlerówna
[Rächerin], M. Rozenfarb [Beni-Sem]
Presse: Kritik GŻ/51/2/1942; Redaktion GŻ/45/2/1942; Anzeige GŻ/45/6/1942
GŻ/45/2/1942
Mittwoch, 15.04.1942
GŻ/51/2/1942
Mittwoch, 15.04.1942
Der Maskirter
Stück in drei Akten von W. Sigał
Der Theaterschriftsteller W. Sigał, dessen Werke oft auf den Bühnen gezeigt werden, hat zwei-
felsohne eine Vorliebe für Sensationsthemen, oft übertrieben grell und realistisch. Zu die-
sen Spektakelstücken gehört auch Der Maskirter in drei Akten, das jetzt im Theater Nowy
Azazel gegeben wird. Dieses Stück, in dem sich der Autor mit dem Thema „Rache“ befasst,
ist ein müder Abklatsch des Stückes des Bóg zemsty – mit Meisterschaft zu Papier gebracht
von Szalom Asz. Asz modelliert einen Menschen, der im Laster versunken ist und sich
von seiner schweren Schuld reinwaschen will. Aber man muss ein so talentierter Theater-
schreiber wie Asz sein, um bei einer solchen Thematik nicht auf den Weg von Plattheit
und Übertreibung zu geraten. Im Stück von Sigał ist es der Vater, der 10 Jahre lang die
Maske des Edlen trug, der für das Wohl seiner Kinder kämpfte, sich aber, als die Maske
fiel, als Verbrecher, der er aus Liebe zu seiner Familie war, entpuppte. Lichtblicke in die-
sem Stück sind die Kinder Simon und Rozman (Simon Rozman alias Ajby Ringla), die
Heiterkeit und Freude auf die Bühne bringen – neben künstlich zusammengekleisterten
Einlagen. Das Ganze rettet das Können des Regisseurs Ajzyk Samberg, der auch die Haupt-
rolle des verbrecherischen Vaters spielte. Ganz nach vorne spielte sich J. Salwe, der junge
talentierte Schauspieler, über den wir schon einige Male geschrieben haben und der mit
viel Herz und Gefühl Refuel, den um Ehre und den guten Namen der Familie kämpfen-
den Sohn, gab. Ausgezeichnet auch in den einzelnen Episoden die bekannten Bühnen-
künstler Ch. Lewinowa und S. Fostel, die mit ihrem typengenauen Spiel das Publikum er-
heiterten. Sehr gut Frau R. Gazel als Gitle. Mit viel dramatischem Ausdruck gab Frau R. Sand-
lerówna die Rächerin. Kunstvoll gestaltete Herr M. Rozenfarb die Rolle des Beni-Sem.
VI. Teatr Nowy Azazel 175
An dieser Stelle gebietet die Chronistenpflicht, darauf hinzuweisen, dass sich die Direktion
des Theaters Nowy Azazel entschlossen hat, jetzt wieder auf das klassische jüdische Volks-
theater – dessen Stücke ohne Zweifel immer die Herzen der breiten Masse erreichen – zurück-
zugreifen und die Aufführung von Abraham Goldfaden auf den Spielplan zu bringen.
H. Cz.
13.17 Sulamita
[pl. Sulamita, dt. Shulamit]
Sulamita
Das Stück Sulamita in drei Akten (sechs Aufzüge) von Goldfaden in der Regie von A. Sam-
berg ist ein wahrer Genuss für die Liebhaber des jüdischen Theaters. Der Inhalt spielt vor dem
Hintergrund eines Wortbruches von Awszałom, begangen an der Geliebten Sulamita, als es
zu einem zufälligen Treffen mit Awigail kommt. Dies führt zu einer Reihe von tragischen
Konflikten. Awszałom (so der Name des Herzensritters) vergisst seine Treueschwüre, die er
Sulamita gab, und schenkt sein Herz einer anderen (Awigail). Diese Tat bringt Awszałom und
Abigail kein Glück. Der von einer Vision verzückte Awszałom verlässt schließlich seine Frau
und kehrt zu seiner ersten Geliebten zurück.
Die Rolle der Sulamita gab Sara Margot, Awszałom spielte J. Salwe, der mit seiner an-
ziehenden Stimme immer mehr Talent zeigte. Herr Samberg gestaltete den Munoach als starke
und unvergessliche Figur. Czugitang, eine Sonderklasse für sich, wurde meisterhaft von Herrn
Fostel gegeben, der die Blicke der Zuschauer magisch auf sich zog. Besondere Erwähnung in
dem Stück verdient der orientalische Tanz, in erster Reihe Frau Aneta Rajzer, und besonders
der Trauertanz und Hora. Etwas störend waren die modernen Kostüme, die dem Stückinhalt
entgegenstehen. Dem Stück an sich wird wohl ein großer Erfolg beschieden sein.
Z.
176 VI. Teatr Nowy Azazel
GŻ/65/2/1942
Mittwoch, 03.06.1942
13.19 Extravorstellungen
GŻ/18/2/1942
Mittwoch, 11.02.1942
SS-Männer treiben die Juden ins „Bad.” Knüppel, Peitschen und Gewehrkolben bekommen
Arbeit.
„Ausziehen“, schreit Unterscharführer Schillinger, der selbst bei seinen Kameraden als Sa-
dist und Schlächter verschrien ist. Aus der Menge kommt eine schwarzhaarige Frau, schaut
Schillinger in die Augen und beginnt zu tanzen – ein Striptease, getanzt mit der Ausdrucks-
kraft einer perfekten Erotiktänzerin. Sie knöpft ihre Seidenbluse auf, sie entkleidet sich wei-
ter, sie zieht ihren Unterrock aus, lange Beine, schwarze Strümpfe mit Strapsen. Schillinger
stiert wie hypnotisiert. Sie knöpft die Strapse auf und nähert sich dem SS-Mann. Plötzlich
bückt sie sich, reißt sie sich die hochhackigen Schuhe von den Füßen und schlägt den Absatz
des einen in Schillingers Nasenbein. Man hört den Knochen brechen. Schillinger schreit auf
vor Schmerz und hält die Hände schützend vors Gesicht. Jetzt läuft alles wie in einem Zeit-
lupenfilm. Franciszka Mann reißt die Pistole des SS-Mannes aus dessen Pistolentasche, ent-
sichert und feuert zweimal auf Schillinger, der zusammenbricht. Der in der Nähe stehende
SS-Mann Emmereich greift zur Pistole, Franciszka Mann ist schneller, noch ein Schuß,
Emmereich ist getroffen, Franciszka wirft die Pistole weg und verschwindet in der Menge
der zur Vergasung bestimmten Juden, ehe die herbeigeeilte SS sie ergreifen kann. Wenn man der
Legende glauben kann, Legende deshalb, weil solche Geschichten zur Legendenbildung ge-
radezu einladen, suchten später SS-Leute in dem Haufen verkeilter Judenleichen nach dem
Körper der Tänzerin, um sie sich anzusehen.145
In seiner Kronika Getta Warzawskiego schreibt Emanuel Ringelblum, dass bereits im März
1940 von den Deutschen „zusammengebastelte Filmchen“ gedreht wurden. So wurden Er-
eignisse gefilmt, die zeigen sollten, wie die Deutschen Juden vor polnischem Pöbel schützen:
Heute gab es Raubzüge auf der Karmelicka- und der Franciszkańska-Straße. Es kam zu regel-
rechten Straßenschlachten zwischen Rowdies und Juden. Vorneweg stürmten junge polnische
Hooligans. Sie waren mit Knüppeln und Schlagstöcken aus zusammengedrehtem Draht be-
waffnet […] Die Vorfälle wurden gefilmt, besonders der Moment, als deutsche Soldaten in die
Straße liefen und die Hooligans vertrieben.146
Ein Auto mit aufmontiertem Maschinengewehr. Dahinter eine Kamera, mit der gefilmt wurde,
wie sie die Juden beschützen.147
Im jüdischen Ghetto in łódź, mitten auf der Zgierska-Straße, steht ein deutscher Polizist, an
den Seiten jüdische Polizisten. Sie halten einen deutschen offizier an, weil er nicht gemäß
der Straßenverkehrsordnung über die Straße geht. Sie befehlen den jüdischen Polizisten, den
offizier festzuhalten [sic!]. Und das filmen sie alles.148
Gedreht wird auch, wie human, ja geradezu fürsorglich Juden umgesiedelt werden:
Ich habe von einer Deutschen gehört, die einen Film über die Umsiedlung von Juden ins Ghetto
von łódź gesehen hat: Bei den Juden stehen auf dem Tisch Teller mit Fisch und Gans. Die
Deutschen sagen „Lassen Sie sich nicht stören“ und warten, bis sie aufgegessen haben. Danach
stellen sie ihnen Fahrzeuge für den Umzug zur Verfügung.149
In Lublin wurde die gesamte männliche jüdische Bevölkerung auf den Marktplatz zusammen-
geholt und ihr befohlen, den ganzen Tag stehen zu bleiben. Am Abend wurde den Männern
befohlen, verschiedene Lieder zu singen, wie z.B. Hatikwa und andere. Die gefielen nicht,
aber das Lied „łomir zich iberbeten” war nach ihrem Geschmack. Die Juden fingen Feuer und
sangen „łomir zaj iberłeben.“150
Statt „łomir zich iberbeten” („Lasst uns aussöhnen”), die ersten Worte eines populären
jiddischen Volksliedes, sangen die Juden „łomir zaj iberłeben” („Lasst uns überleben“).
Zur weiteren Geschichte dieses Liedes schreibt Emanuel Ringelblum:
In der Zeitung Völkischer Beobachter erschien ein Artikel über die Realisierung des Filmes Jud
Süss. Sie kamen nach Lublin, wo der Film gedreht wurde. Im Film sangen die Juden „Mir weln
zaj iberłeben.” Und so wird dieses Lied auf ewig in diesem Film zu hören sein.151
Geheimsache Ghettofilm
Im Mai 1942 schreibt Emanuel Ringelblum in sein Notizheft: „Jetzt wird das Ghetto ge-
filmt.“ Tatsächlich wurde das Ghetto gefilmt, vom 2. Mai bis 2. Juni 1942 drehte ein deut-
sches Kamerateam Propagandaaufnahmen im Warschauer Ghetto.
Die jüdische Gangsterpolizei nutzt jede Situation, um Geld zu machen. Jetzt haben sie sich
eine neue Methode ausgedacht. In Zusammenhang mit einem Film über einen Ball, der im
Ghetto gedreht werden soll, gehen sie zu dem Eigentümer des vorgesehenen Restaurants
und fordern von ihm weit mehr Getränke als überhaupt gebraucht werden. Letztens gingen sie
in eine Wohnung in der Leszno-Straße 27 und erklärten, dass die Wohnung wegen der Dreh-
arbeiten sofort zu räumen sei. Allerdings sei man bereit, gegen die Zahlung von lediglich
50 zł auf die Räumung zu verzichten (wobei sie während der Verhandlungen eine goldene Uhr
vom Tisch stahlen).152
Auftraggeber des Films war das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda.
Bei dem Filmmaterial handelte es sich um Rohschnitte, der Film wurde vermutlich nie
fertig gestellt. In der Transkription (Rekonstruktion des Drehbuchs anhand des Film-
materials) des Filmfragments des Bundesarchivs Abteilung Filmarchiv Berlin findet sich:
44. Gut gekleidete Ghettobewohner begeben sich ins Theater Nowy Azazel in der Nowolipie-
Straße; Plakat des Stückes Sulamita von A. Goldfaden (nah); der mit Zuschauern gefüllte Saal;
Szenenausschnitt mit sechs Tänzerinnen auf der Bühne; Auftritt der Solotänzerin (nah); Beifall
klatschendes Publikum. (32 m)153
Liest man diese Transkription, kann man auf den ersten Blick vermuten, dass es sich um
eine abgefilmte und geschnittene Vorstellung von Sulamita im Nowy Teatr Azazel handelt,
allein die Kameraeinstellung „nah“ zeigt, dass es sich um nach Drehbuch gefilmte unter-
schiedliche Einstellungen handelt. Über die Dreharbeiten schreibt Jonas Turkow:
Mitten in der Nacht hämmerten zwei jüdische Polizisten an die Tür […]. Sie verlangten nach
meiner Frau, um ihr mitzuteilen, dass sie sich am nächsten Morgen um 8 Uhr in der Chłodna-
Straße 20 zu melden habe […]. Sie gingen nach einer Namensliste vor, die ihnen gegeben
worden sei. Ich konnte einen Blick auf die Liste werfen und fand dort die Namen Marysia
Eizenszadt, Dawid Zajderman, Symcha Fostel, Regina Cukier und den meiner Frau, Diana
Blumenfeld […]. Wenn jemand nicht erscheine, betrachte man dies als Sabotage. Am nächs-
ten Morgen, genau um 8 Uhr, fand sich meine Frau in der Chłodna-Straße 20 ein […]. In
einem Zimmer in der zweiten Etage hatten sich die Filmleute einquartiert. Außerdem waren
noch eine Reihe jüdischer Künstler da sowie zwei Wehrmachtsoffiziere, zwei offiziere der
Luftwaffe samt Rode, einem offizier der jüdischen Polizei, der als Berater in jüdischen An-
gelegenheiten fungierte […]. Als die Reihe an meine Frau kam, wurde sie gefragt, was sie
so singe, worauf sie antwortete, dass sie Schauspielerin und keine Sängerin sei […]. Die
Deutschen allerdings waren dank ihres jüdischen Beraters gut vorbereitet und wussten genau,
wer von den Künstlern Sänger oder Sängerin war. Als meine Frau sagte, sie singe nicht, schau-
ten sie in eine Liste, nannten zwei Lieder und dann hieß es: Und das, was ist das? […].
Am nächsten Morgen um 8 Uhr kamen die Künstler ins Teatr Nowy Azazel, und die Dreh-
arbeiten begannen […]. Als erste war Marysia Eizenszadt an der Reihe, die „Mein Gott, mein
Gott, warum hast Du mich verlassen“ sang, danach Dawid Zajderman mit „Meine jüdische
Mutter“ […]. Die Deutschen verlangten eine völlig überzogene Mimik und Gestik… Wenn
einer der Künstler das nicht brachte, wurde er aufs Übelste beschimpft […]. Während im Saal
gefilmt wurde, sperrten Angehörige der Luftwaffe die Smocza-, Nowolipie- und Żelazna-
Straße und veranstalteten eine Razzia. Die Menschen wurden dann zum Azazel gebracht und,
da im Saal noch Aufnahmen gemacht wurden, im Foyer unter Bewachung gehalten […]. Bei
der Razzia waren bevorzugt gut gekleidete, alte Juden mit Mantel und langem weißen Bart
und schöne junge Frauen festgenommen worden. Als die Aufnahmen im Saal beendet waren,
wurde den Leuten befohlen, sich unverzüglich in den Zuschauerraum zu begeben. Es war
ein unbeschreibliches Geschiebe und Gedränge, zumal die Deutschen die Menge mit einem
Hagel von Schlägen überschütteten. Als dann endlich alle im Zuschauerraum waren, sortierten
Luftwaffenoffiziere die Menge und platzierten im ersten Rang nur Juden mit langem Bart,
mit jungen geschminkten Frauen im Arm, wobei sie tatkräftig von der Kanaille Rode unter-
stützt wurden.
Gefilmt wurden dann nicht nur Künstler und Zuschauer in Großaufnahme, sondern auch,
neben anderem, kleine Szenen im Publikum, z. B. wie ein alter Jude mit einer jungen ge-
schminkten Frau Zärtlichkeiten austauscht. Wenn einer der Künstler irgendetwas Lustiges
sang, mussten sich die Leute vor Lachen kugeln. Alle lachten so, wie es gewünscht war, sie
lachten, wie sie in ihrem Leben noch nie gelacht hatten, da sie wussten, was passieren würde,
wenn sie es nicht täten. Das Publikum war so dressiert, dass es auf Fingerzeig sofort reagierte,
als wären alle alte erfahrene Schauspieler.
Als Diana Blumenfeld „Ai, Ai, Ai“ gab, sangen alle den Refrain mit. Wenn ein Künstler
seine Nummer beendet hatte, schrie das Publikum (nein, es brüllte) „Bis, Bravo.” Man hielt
die Leute bis um 8 Uhr abends im Saal fest, ohne Essen und ohne Rücksicht auf ihre mensch-
lichen Bedürfnisse.
Die jüdischen Künstler, die man zwang, in dem Film mitzuwirken, waren: Diana Blumen-
feld, Dawid Zajderman, Marysia Eizenszadt, Regina Cukier, Symcha Fostel, Chana Lerner, Ida
Erwest, Irena Prusicka (Tanz) und Ruta Sandberg.
Viel später erfuhr man, dass diese Aufnahmen, wie auch alle anderen, die die Deutschen auf
Straßen, in Restaurants und rituellen Bädern, auf dem Friedhof usw. gedreht hatten, für einen
Propagandafilm mit dem Titel Asien in Mitteleuropa vorgesehen waren.
All das geschah kurz vor der Liquidierung des Warschauer Ghettos.154
Abb. 41: Statisten als Publikum vor dem Eingang des Teatr Nowy Azazel.
Abb. 42: Statisten als Publikum im Zuschauerraum des Teatr Nowy Azazel.
184 VI. Teatr Nowy Azazel
Das Femina befand sich in einem vor dem Krieg (1935) erbauten siebenstöckigen moder-
nen Gebäude, Eigentümer war Dawid Bachrach, der 1936 die Genehmigung erhielt, ein
Kino zu betreiben, und 1938 mit dem Spielbetrieb begann. 1939, nach der Kapitulation
Warschaus, wurden dann deutsche Revuevorstellungen gegeben, bis das Gebäude 1940 in
das Warschauer Ghetto eingegliedert wurde. Eigentümer wurde dann ein Deutscher, dem
auch das Melody Palace gehörte, und man konnte mit dem Spielbetrieb beginnen.
Bei Beginn der „Großen Aktion”, d. h. der Liquidierung des Ghettos, wurde das ge-
samte Gebiet nördlich der Leszno-Straße zusammen mit der Straßenseite mit ungeraden
Nummern aus dem Ghetto ausgegliedert und der arischen Seite zugeschlagen und das
Femina von den Deutschen eine Zeit lang als Magazin genutzt. Nach der endgültigen
Liquidierung des Ghettos spielte dann wieder ein Theater bis zum Beginn des Warschauer
Aufstands, das Theater Figaro.
In der zweiten Hälfte des Jahres 1950 wurde das Femina zum Kino umgebaut, das den
alten historischen Namen behielt, Kino Femina. Der Zuschauerraum, d. h. die Bestuhlung,
entsprach weitgehend dem des alten Femina und verfügte über 635 Plätze. Im Femina der
Ghettozeit waren dies ca. 900.
Nach dem Krieg wurden links und rechts des Femina zwei neue Gebäude hochgezogen.
1948 kam es im Zusammenhang mit dem Bau der Trasse „W-Z“ zur Umbenennung des
östlichen Teils der Leszno-Straße in „al. Karola świerczewskiego“ (Karol świerczewski-
194 VII. Teatr Femina
Allee) und 1991 in „al. Solidarności” (Solidarność-Allee), wobei auch die Hausnummern
geändert wurden. 1996 wurde das Gebäude von dem neuen Eigentümer, der Firma Kino-
plex, umgebaut und modernisiert. Es gab vier Kleinkinos und das Femina wurde das erste
Warschauer Multiplex-Kino. 2007 wurde das Femina dann vom Filmzentrum Helios über-
nommen und dann 2010 von der Agora-Gruppe gekauft.
Im Herbst 2013 verständigte sich Jeronimo Martins, der Eigentümer der Discounter-
kette Biedronka, mit den Eigentümern des Gebäudes über den Kauf von 600 m2 Fläche.
Danach erhielt er die Genehmigung zu Umbau und Umnutzung dieser Fläche zum
Discount-Laden. Obwohl das Gebäude im Denkmalregister erfasst war und die zustän-
digen Beamten den Investor verpflichteten, sich die Genehmigung des Chefkonservators
der Hauptstadt einzuholen, konnte trotz zahlreicher Proteste Jeronimo Martins mit der
Einrichtung eines Biedronka-Marktes beginnen; der Konservator hielt das Gebäude in der
jetzigen Form für nicht erhaltenswert, da es bereits 1996 umgebaut worden sei. Im Sep-
tember 2014 wandten sich die Warschauer Verkehrsbetriebe an die Stadt, um die Halte-
stelle Kino Femina löschen und umbenennen zu können. Der Antrag wurde abgelehnt.
2. OUVERTÜRE
Ouvertüre 1
GŻ/4/12/1940
Freitag, 02.08.1940
Läuse
Garantierte radikale Vernichtung von
Läusen durch Gas. D.G.W., Warschau,
Grzybowska-Straße 16, Tel. 3.51,20.
Ouvertüre 2
Achtung!
Zeichen fürs Orchester
Das Orchester beginnt mit dem Vorspiel
Hoch!
Der Vorhang geht hoch
Stefania Grodzieńska singt:
„Die Laus ist ein kleines Tier. Ein Elefant ist groß.
Schwerlich findet man Elefanten auf der Straße. Aber Läuse jede Menge…“
(Der Saal tobt. Das war im 6. Monat der entsetzlichen Typhusepidemie).155
3. DAS THEATER
Mit der Premiere von Batalion humoru, einer Revue in zwei Teilen unter der Regie
von Stanisław Stański und in der Inszenierung von Edmund Minowicz, nahm das Teatr
Femina in der Leszno-Straße 35 am 20. Juni 1941 unter der künstlerischen Leitung von
Jerzy Jurandot den Spielbetrieb auf. Die letzte Aufführung (Bajadera) war am 20. Juli
1942, zwei Tage vor Beginn der Liquidierung des Ghettos. Zur Premiere kamen 14 Stücke
mit ermittelten 418 Aufführungen. Zur Eröffnung des Spielplans schreibt die Gazeta
Żydowska:
Im jüdischen Warschau entsteht zurzeit eine neue Theaterspielstätte auf höchstem kulturellem
Niveau. Im eleganten, modernen und geschmackvoll eingerichteten Femina, Leszno-Straße 35,
wird in den allernächsten Tagen ein neues Theater Premiere feiern, das auf Polnisch und Jid-
disch spielen wird. Auf der Bühne werden die besten Künstler der polnischen und jüdischen
Bühne zu sehen sein, die für hohe künstlerische Qualität bürgen. Garantiert wird das durch
hervorragende Theaterautoren und das Engagement der Asse polnischer und jüdischer Schau-
spielkunst. Das Theater in der Leszno-Straße 35, ausgestattet mit mehr als 900 bequemen
Stühlen, einer erstklassigen Akustik und unter kompetenter Leitung, verspricht gehaltvolle und
kulturelle Unterhaltung für alle Schichten im Viertel.156
4. ZUM SPIELPLAN
Das Femina hatte auf dem Spielplan hauptsächlich Operetten und Revuen, aber auch
Volksstücke und Komödien. Es setzte die Tradition der großen Warschauer Revuetheater
wie des legendären Morskie Oko fort, das im Vorkriegswarschau in den dreißiger Jah-
ren im Stil großer französischer Revuen mit „Pariser Schick“ spielte, aber auch die des
Kabaretts Qui pro quo, das 1910 gegründet wurde und bis in die 1930er Jahre Europarang
hatte. Im Femina wurde überwiegend auf Polnisch gespielt, erstklassige Texte von Marian
Hemar, Jerzy „Jerry“ Ryba, Jerzy Jurandot, Julian Tuwim u. a., garniert mit Musik- und
Balletteinlagen, mit Stars wie den Schauspielerinnen Diana Blumenfeld und Franciszka
Mannówna, und aktualisierte Klassiker wie Księżniczka Czardaszka sorgten für Unter-
haltung auf höchstem Niveau. Dazu Jonas Turkow:
Das Femina spielte vor allem Revuen und Operetten, die mit beißenden Anspielungen auf das
Ghettoleben gespickt waren. Bei der Eröffnung der Spielzeit wurde eine Revue mit dem Titel
Szafa gra! auf die Bühne gebracht, in der die Helden Würdenträger des Ghettos, die Ghetto-
polizei usw. waren. Zu sehen war eine Reihe von Tableaux, Hauptthema war Bestechlichkeit,
die Quintessenz des Ganzen war „ohne schmieren läuft nichts.“157
Aber auch die öffentlichen Transportmittel, die sogenannten „Kon-Hellerki“, waren The-
ma. Mit ihnen zu fahren war eine Qual, es herrschte ein unbeschreiblicher Gestank und
fürchterliches Gedränge. Hinzu kam, dass der von Pferden gezogene Waggon jederzeit
von Deutschen angehalten und die Passagiere im Rahmen einer Razzia verhaftet und mit-
genommen werden konnten. Auf der Bühne des Femina sah das dann so aus:
Ein Jude im Omnibus sieht, dass Deutsche kommen, alle Passagiere springen heraus und ver-
stecken sich unter dem Bus. Nach einiger Zeit peilt einer von ihnen die Lage und die anderen
156 GŻ/47/3/1941.
157 Jonas turkow, C’était ainsi, 176.
VII. Teatr Femina 197
fragen „Kann man jetzt?“ (neben „Sind sie weg?“ eine der berühmtesten Fragen im Ghetto).
Nach und nach wird wieder eingestiegen und die Fahrt geht weiter.“158
Abb. 47: Ein „Omnibus“ der Firma Kon und Heller – unentbehrliches Bühnenelement der Revuen
im Femina.
dass der Gerechtigkeit Genüge getan wurde, verlassen wir den Gerichtssaal“) sowie
Bajadera von Emerich Kálmán („Diskutieren kann man, ob die Auswahl dieses Stückes
nun eine besonders glückliche war“).
Ehe das Femina in der Leszno-Straße 35 sich der Czardasfürstin widmete, war es ein
typisches Revuetheater, das äußerst erfolgreich Nummernrevuen, Stücke mit Couplets,
kurze Spielszenen, viel Musik, Ballett und Solotanz auf die Bühne brachte und das mit
Stücken wie Szafa gra! und anderen Triumphe feierte. Szafa gra!, die wörtliche Überset-
zung lautet Der Schrank spielt, ist eine euphemistische Umschreibung für Bestechung.
Im Grunde eine einfache Sache. Man wirft Geld ein und heute würde man sagen ´die
Musik-Box´ spielt. Emanuel Ringelblum schreibt in seiner Kronika Getta Warszawskiego
kurz und treffend: „´Die Musiktruhe spielt´ – die beste populäre Beschimpfung, mit der
die Jüdische Gemeinde bedacht wird. Wenn man Geld hineinwirft, spielt sie.“ Übrigens
nannte man die, die das Geld nahmen, auch „musikalisch Begabte.“ Höhepunkt des
Stückes war die feierliche Enthüllung eines Szafa-gra-Denkmals.
5. DIE LEITUNG
6. DAS ENSEMBLE
Stücken durch; Józef Kinelski kam vom Na Pięterku ans Femina, wo er dann mit Unter-
brechungen von August bis September 1941 und Januar 1942 bis Juni 1942 einschließlich
der letzten Premiere (Bajadera) in neun Stücken mit 188 Auftritten spielte; Ada Połomska
(183 Vorstellungen) kam erst 1942 ans Femina, spielte aber dann von Januar 1942 bis Mai
1942 in sieben Stücken in Folge; Leon Rytowski kam im Januar 1942 vom Kameralny,
wo er in zwei Stücken besetzt war, ans Femina (144 Vorstellungen), wo er am 20. Februar
1942 die erste Premiere spielte und danach in sechs weiteren Stücken in Folge zu sehen
war; Zygmunt Regro kam vom Nowy Teatr Kameralny, wo er in Mirla Efros (Dernière
15. September 1941) zu sehen war, um dann nach dreimonatiger Spielpause ab Januar
1942 bis Juli 1942 sechs Stücke mit 132 Vorstellungen in Folge am Femina zu spie-
len, wobei er bei den Stücken Dziewczę do wszystkiego und Sprawa przy drzwiach
zamkniętych als Regieassistent genannt wird; Diana Blumenfeld (die Frau des Regisseurs
Jonas Turkow) kam vom Eldorado, spielte von Juni 1941 bis September 1941 und von
März 1942 bis Juni 1942 am Femina fünf Stücke mit 153 Vorstellungen, um dann Juni/
Juli 1942 für zwei Produktionen am Kameralny verpflichtet zu werden; Stanisław Stański
war für vier Produktionen engagiert, zum einen für Batalion humoru, bei dem er auch
Regie führte, zum anderen für Szafa gra!, Od gminy do feminy, Księżniczka Czardaszka
und spielte 148 Vorstellungen auf der Bühne des Femina; Alina łęczycka spielte vier
Stücke mit 123 Vorstellungen; Franciszka Mannówna spielte (und tanzte) in vier Stücken
mit 81 Vorstellungen; Janusz Srebrzycki spielte die Premiere und 14 Vorstellungen von
Róża Stambuły (2. Januar bis 14. Januar 1942) sowie ab 29. Mai 1942 drei Stücke in Folge
mit 30 Auftritten (ohne Bajadera); Józef orenstein spielte in der Zeit vom 20. Juni 1941
bis 28. oktober 1941 in drei Stücken mit 122 Vorstellungen, ging dann ans Eldorado
und war dort in vier Produktionen besetzt. Bei der Premiere von Bajadera am 26. Juni
1942 wird orenstein als Schauspieler aufgeführt, allerdings auch am 21. Juni 1942 bei
der Premiere von Dorfsjung. Das würde bedeuten, wie bereits im Kapitel Eldorado er-
wähnt, dass Orenstein entweder nur die Premiere von Dorfsjung oder ein paar Vorstel-
lungen spielte, dann umbesetzt wurde und ans Femina ging, um dort in Bajadera den
Fürst Radiani zu geben. Im Femina spielte er 122 Vorstellungen. Irena Drybińska kam
vom Na Pięterku, wo sie für Znicz na Pięterku engagiert war, ging dann ans Femina und
spielte dort drei Stücke mit 112 Vorstellungen; Sara Margot hatte zwei Engagements am
Azazel, ging dann ans Melody Palace, spielte dort zwei Stücke, kam dann ans Femina,
wo sie zweimal besetzt wurde und 66 Vorstellungen hatte, um schließlich wieder ans
Azazel zu gehen und dort Premiere und Aufführungen von Sulamita zu spielen; Szymon
Bogdanowicz spielte zwei Stücke am Femina mit 63 Vorstellungen, ging danach ans
Nowy Teatr Kameralny, wo er in sieben Stücken zu sehen war; Helena ostrowska, be-
kannte Sopranistin der Vorkriegszeit, war in zwei Produktionen mit 46 Vorstellungen
im Engagement; Stefania Stańska spielte in zwei Stücken und bestritt 65 Aufführun-
gen; Gerszon German spielte im Nowy Teatr Kameralny von Mitte September bis Ende
oktober 1941 eine Produktion, kam für ein Engagement ans Azazel, wurde dann im Femina
in zwei Stücken besetzt und stand dort in 30 Vorstellungen auf der Bühne; Mario Malvano
200 VII. Teatr Femina
war für zwei Stücke am Femina und spielte dort 63 Vorstellungen; Regina Cukier kam
vom Eldorado, wo sie fünf Stücke in Folge gespielt hatte, nach zweimonatiger Spielpause
für zwei Stücke ans Femina, hatte dort 65 Vorstellungen, um nach der Dernière wieder ans
Eldorado zu gehen; Ina Grochowska kam vom Na Pięterku, wo sie für eine Produktion
im Engagement war (Znicz na Pięterku, Dernière 15. Juni 1941), ans Femina, wo sie nach
längerer Pause in Róża Stambuły (Premiere 2. Januar 1942) in 39 Vorstellungen zu sehen
war; Stanisław Karo war am Nowy Teatr Kameralny für ein Stück engagiert, kam dann ans
Femina und spielte dort ein Stück (Matura) mit 27 Vorstellungen; Jadwiga Wernisówna
war am Kameralny für drei Produktionen verpflichtet und kam dann für Sprawa przy
drzwiach zamkniętych ans Femina, wo sie sechs Vorstellungen spielte; Jonas Turkow,
Gatte von Diana Blumenfeld, spielte am Femina ein Stück mit 27 Vorstellungen (Matura),
bei dem er auch Regie führte, ging dann ans Kameralny, wo er für zwei Stücke ein-
mal als Schauspieler, zum anderen als Regisseur engagiert wurde; Ewa Kryńska spielte
sechs Vorstellungen von Sprawa przy drzwiach zamkniętych und 24 Vorstellungen von
Dziewczę do wszystkiego; Mimi Marten, Niki Lodor und Miriam orleska spielten in
Szafa gra! 26 Vorstellungen; Noemi Wentland in Miłość szuka mieszkania 39 Vorstellun-
gen; R. Nisenzweig spielte in Sprawa przy drzwiach zamkniętych sechs Vorstellungen;
Stanisław Lestan in Róża Stambuły 15 Vorstellungen; Zofia Karina wurde nach zwölf
Vorstellungen von Batalion humoru Anfang Juni 1941 umbesetzt, statt ihrer spielte
Irena Oberska die restlichen 25 Vorstellungen. Wiera Gran spielte in Batalion humoru 37
Vorstellungen; Maria Dwoińska spielte in Róża Stambuły 15 Vorstellungen; Irena Prusicka
wird in Tylko dla dorosłych in 36 Vorstellungen als Schauspielerin und Tänzerin erwähnt.
7. DIE REGIE
8. DIE AUTOREN
Bei sieben Stücken findet sich in den Annoncen, Vorberichten und redaktionellen Bei-
trägen der Hinweis „Bearbeitet von …”, sei es, dass diese Stücke aktualisiert, sei es, dass
Namen der Autoren verschwiegen wurden, wenn es sich um einen „arischen“ handelte. Im
ersteren Fall wurden diese Stücke nicht „vom Blatt“ gespielt, so z. B. Emerich Kálmáns
Operette Księżniczka Czardaszka, die von Jerzy Jurandot, dem künstlerischen Leiter des
Femina, bearbeitet und „aktualisiert“ wurde.
Das Stück Miłość szuka mieszkania, bei dem Jurandot als Autor genannt wird, hat als
Vorlage das Stück Kwadratura koła von Walentin Katajew, 1928 aufgeführt im Placów-
ka Żywego Słowa, und war eines der ersten Stücke, die den Alltag in der Sowjetunion
zeigten.160
Bei der Aufführung von Jim i Jill 1932 im Teatr Polski in Warschau werden als Auto-
ren Clifford Grey und Greatrex Newman genannt, bei Jim i Jill, Premiere am 30. Oktober
1941 im Femina, heißt es: „Bearbeitung und Lieder von Marian Hemar.“
Auf die Bühne des Femina kamen Stücke folgender Autoren, wobei man die unter-
schiedlichen Stückgattungen berücksichtigen muss. Bei Revuen, die aus einzelnen Num-
mern zusammengesetzt sind, können die einzelnen Musikstücke und Szenen aus der Feder
von mehreren Komponisten bzw. Autoren, auch von Schauspielern, die im Stück mit-
spielen, stammen – im Gegensatz zu Bühnenwerken, für die lediglich ein Autor zeichnet.
Autoren, die überwiegend Texte für Revuen verfassten, waren:
Jerzy Jurandot, künstlerischer Leiter des Femina, Jerzy „Jerry“ Ryba, Julian Tuwim,
herausragender Vertreter des literarischen Kabaretts der 1920er und 1930er Jahre, der
nach der Kapitulation über Rumänien und Ungarn nach Frankreich ins Exil ging und
dann von dort über Lissabon, Rio de Janeiro nach New York gelangte, seine Texte waren
also nicht speziell für die Revuen am Femina geschrieben. Die Frau von Jerzy Jurandot,
Stefania Grodzieńska, schrieb Texte für Od gminy do feminy; Paulina Braunówna, Kom-
ponistin, Pianistin, Autorin von polnischen Liedtexten u. a. für Diana Blumenfeld und
Wiera Gran, lieferte Texte für Szafa gra!; von Marian Hemar, der zusammen mit Julian
Tuwim in der Vorkriegszeit u. a. Texte für das literarische Kabarett Qui pro Quo und
das Theater Cyrulik Warzawski schrieb, stammen Texte für Batalion humoru. Emanuel
Schlechter (auch bekannt unter seinem Pseudonym Olgierd Lech) kam 1932 von Lem-
berg nach Warschau, Autor von Liedern, Sketchen, Drehbüchern und satirischen Mono-
logen, war u. a. am Qui Pro Quo und Cyrulik Warszawski, nach dem Überfall der Deut-
schen flüchtete er nach Lemberg, das von den Russen besetzt war. Weitere Texte liefer-
ten Frederyk Maj und Al. Rozenfeld; Pan Hrabia to ja war die Bearbeitung des Stückes
Der Juxbaron, Musik: Walter Kollo, Libretto von Alexander Siegmund Pordes, Willi
Wolff und Herman Haller, das am 14. November 1913 am Carl-Schultze-Theater
Hamburg uraufgeführt wurde und unter dem Titel Baron Kimmel im Juli 1939 im
Theater 8.30 in Warschau mit Igo Sym161 in der Titelrolle gegeben wurde. Für Dziewczę
do wszystkiego, das am 29. Mai 1942 Premiere hatte, zeichnet Jerzy Jurandot wieder als
Bearbeiter.
Neben den Revuen standen auf dem Spielplan drei Operetten von folgenden Komponisten
bzw. Librettisten aufgeführt: Emerich Kálmán, ungarischer Komponist, schrieb vornehm-
lich Operetten und war zusammen mit Franz Lehár und anderen einer der Begründer der
Silbernen Operettenära. Am Femina wurden zwei Werke gespielt, zum einen Księżniczka
Czardaszka, die von Jerzy Jurandot bearbeitet wurde, der die Geschichte im Ghetto an-
siedelte, sowie Bajadera. Leo Fall, dessen Werke von den Nationalsozialisten verboten
worden waren, zählt neben Franz Lehár und Oscar Straus zu den bedeutendsten Kom-
ponisten der sogenannten „Silbernen operettenära”, am Femina hatte am 2. Januar 1942
Róża Stambuły (Uraufführung 1916) Premiere; Alexander Siegmund Pordes lieferte die
Musik für Dziewczę do wszystkiego (Bearbeitung: Jerzy Jurandot), Willi Wolff und Herman
Haller für Pan Hrabia to ja (Bearbeitung: Jerzy Jurandot).
Iwo Wesby (Iwo Ignacy Singer) wurde am 02. März 1902 in Krakau geboren. Er studierte
Musik an der Wiener Musikakademie, von 1923 bis 1927 war er Dirigent des Krakauer
Teatr Opery i Operetki. Danach ging er nach Warschau, wo er als musikalischer Leiter
und Dirigent Engagements am Qui Pro Quo und der Musikhalle Rex hatte, um schließlich
1930 am Morskie Oko zu arbeiten. Von 1937 bis 1939 war er Chefdirigent des Musik-
theaters Wielka Rewia. Daneben dirigierte er Mitte der 1930er Jahre die Orchester der
Schallplattenfirmen odeon und Syrena Record, komponierte Filmmusik und war von 1937
bis 1939 Chefdirigent des Musiktheaters Wielka Rewia.
161 Am 7. März 1941 vollstreckte ein Kommando des „Bewaffneten Kampfs“ des Kreises Warschau
das Todesurteil an dem bekannten Filmschauspieler Igo Sym wegen Kollaboration mit den Okku-
panten.
VII. Teatr Femina 203
Im November 1940 wurde er mit Frau und Tochter in die Pańska-Straße ins Warschauer
Ghetto umgesiedelt, wo er nach Spielbeginn des Teatr Nowy Azazel dort bis Juni 1941 die
musikalische Leitung innehatte. Danach ging er ans Teatr Femina, wo ihn Jerzy Jurandot
als Dirigent, Arrangeur, Komponist und musikalischen Leiter engagierte und er für alle
Revuen und Operetten zeichnete.
Im September 1942 gelang ihm zusammen mit seiner Frau Eleonora und seiner Toch-
ter Olga mit Hilfe gefälschter Kennkarten die Flucht auf die „arische Seite,” wo sie sich
in dem Haus von Mieczysław Fogg verstecken konnten, in dem sie, Erinnerungen der
Tochter nach, wochenlang in einem dunklen, feuchten Keller hausten. Iwo Wesby ge-
lang es – wieder mit gefälschten Papieren – sich nach Wien durchzuschlagen. Seine Frau
und Tochter wurden nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes in Arbeits-
lager verbracht, aus denen sie 1945 nach Wien entkommen konnten. 1948 schließlich
Auswanderung nach Amerika, nach New york. Iwo Wesby starb am 24. September 1961.
204 VII. Teatr Femina
Iwo Wesby war verantwortlich für Musikauswahl, Engagements von Musikern, wahr-
scheinlich auch für die Bearbeitung von Musikstücken, Ausarbeitung und Arrangements,
d. h. für die Anpassung von Gesangs- und orchesterstücken an die Möglichkeiten des
Theaters.
Unter den Musikern, die im Ghetto gefangen waren, gab es hervorragende Künstler,
darunter ehemalige Mitglieder der Filharmonia Warszawska. Noch vor der Schließung des
Ghettos begannen zwei Dirigenten, Adam Furmański und Marian Neuteich, mit der Grün-
dung eines orchesters, des Żydowska orkiestra Symfoniczna (ŻoS). Allerdings gab es
große Schwierigkeiten, Bläser (besonders Waldhornisten, Fagottisten und Oboisten) samt
deren Instrumente zu finden, auch eine Anzeige in der Gazeta Żydowska am 6. Dezember
1940 brachte keine Ergebnisse. „Flötisten hingegen fand man buchstäblich auf der Straße,
wo sie durch Straßenkonzerte (im November und unter freiem Himmel) sich ein Einkom-
men zu verschaffen suchten.”162
Nicht verfügbare Blasinstrumente wurden oft durch Saxophone ersetzt, was in der
Gazeta Żydowska vom 21. März 1941 folgendermaßen kommentiert wurde: „eines jedoch
würden wir uns vom Dirigenten wünschen, nämlich bei der Interpretation klassischer
Werke die Saxophone wegzulassen“.163 In der Gazeta Żydowska vom 29. August 1941
klagt der Kritiker, dass „die edel und romantisch klingenden Waldhörner durch ziemlich
grelle und oberflächliche Saxophone“ ersetzt wurden.164
Leider gibt es so gut wie keine Informationen über einzelne Orchesterleute oder
Choristen, nach Marian Fuks165 gab es am Femina neben dem musikalischen Leiter Iwo
Wesby Orchester, Chor und Ballett im festen Engagement, ob es am Eldorado außer
Arnold Wolsztejn ebenfalls festangestellte Musiker gab oder ob die Orchester bzw. die
Chöre für jede Operette oder auch andere Stücke jedes Mal neu zusammengestellt wur-
den, ist nicht bekannt. Auch bleibt die Orchesterbesetzung der einzelnen Stücke, beson-
ders die der klassischen Operetten, im Dunkel. Die von Leo Fall, dem Komponisten von
Róża Stambuły, vorgesehene Orchesterbesetzung umfasst: zwei Flöten, zwei Oboen, zwei
Klarinetten, zwei Fagotte, drei Hörner, zwei Trompeten, drei Posaunen, eine Harfe, Schlag-
werk und Streicher (in der Regel 1. Geigen, 2. Geigen, Bratschen, Cello und Kontra-
bass). Bei den o. g. Schwierigkeiten dürfte es sehr schwer, wenn nicht unmöglich gewesen
sein, ein solches Orchester zusammenzustellen. Allerdings gibt es die Möglichkeit, diese
Stücke nach entsprechender Umarbeitung mit Kammer- oder Salonorchesterbesetzung
auf die Bühne zu bringen (die Fledermaus ist, wenn es hart auf hart geht – eigene Erfah-
rung – auch mit zwei Flügeln und einem Schlagwerk zu stemmen).
Iwo Wesby scheint all diese Schwierigkeiten im Rahmen seiner Möglichkeiten erfolgreich,
um nicht zu sagen genial bewältigt zu haben, liest man doch in der Gazeta Żydowska:
Die musikalische Bearbeitung lag in den Händen des bekannten Operettenspezialisten, ta-
lentierten Kapellmeisters und Komponisten Iwo Wesby, Chor und Orchester schlugen sich
prächtig und wurden ihren Aufgaben gerecht (Księżniczka Czardaszka), verstärktes Orches-
ter, Verpflichtung zweier Männer- und Damenchöre (Bajadera).166
Iwo Wesby hatte wohl bei so gut wie allen Stücken des Femina die musikalische Leitung.
Neben Iwo Wesby konnten im Bereich Musik nur wenige Künstler ermittelt werden, die
für einzelne Stücke komponierten: Arnold Wolsztejn, musikalischer Leiter des Eldorado,
schrieb vermutlich einige Musiknummern für Szafa gra! und Od gminy do feminy, H. Warsa
für Szafa gra!, Marian Hemar für Jim i Jill.
der Damenchor Anny Osser und das Gesangstrio Anny Osser in Od gminy do feminy („treff-
lich!“); einzeln erwähnt wurden bei Gesangseinlagen das Duett Edmund Minowicz und
Stefania Grodzieńska in Szafa gra! („konkurrenzloses Duett“); Diana Blumenfeld („ein
weiterer großer Erfolg“); Mimi Marten („gab in Begleitung des Balletts ein ausgezeich-
netes „Chdarf niszt zorgen“ mit Text und Musik von A. Wolstein“); in Od gminy do feminy
Herr Orenstein („stimmlich begabt auch bei den leisen Tönen in der Rolle des opernhaf-
ten Liebhabers“); Regina Cukier („verzaubert mit ihren Gesang- und Tanznummern; glän-
zend und champagnerprickelnd ihre Darbietungen“); das Duett Stefania Grodzieńska und
Edmund Minowicz; in Księżniczka Czardaszka Frau Helena Ostrowska („begnadete Mezzo-
sopranstimme“); Edmund Minowicz („ausgezeichnet“); Józef orenstein („glänzend auf-
gelegter Tenor“); in Róża Stambuły Maria Dwoińska („ihre Stimme frisch und voller Klang-
fülle“); Herr Lestan („schöne Stimme und sängerisches Potential“); in Jarmark Śmiechu Diana
Blumenfeld („unvergleichlich in der Darbietung jüdischer Volkslieder und zu vielen da capos
gezwungen“).
Chefin der Theatercompagnie des Femina war Irena Prusicka. 1911 in Warschau geboren,
Choreographin, Tanzlehrerin, Theaterautorin und Dichterin, eröffnete in den 1930er-
Jahren eine Tanzschule, die Szkoła Gimnastyki i Tańca Artystycznego in der Królewska-
Straße 31. Sie unterrichtete dort Franciszka Mann, die bei Batalion humoru auch als
Choreographin erwähnt wird, sowie Wiera Gran und Stefania Grodzieńska. Am Femina
übernahm sie in allen Stücken, die Tanzeinlagen zuließen, die Choreographie. Einzelne
Tänzerinnen (mit Ausnahme von Franciszka Mannówna) wurden bei Kritiken von Stücken
166 GŻ/3/2/1942.
206 VII. Teatr Femina
des Femina selten erwähnt, bei Od gminy do feminy schreibt der Rezensent der Gazeta
Żydowska allerdings: „Fesselnd auch die Nummer ‚Melodia Ulicy‘, eine hervorragende
Gelegenheit für das Femina Ballett mit I. Holska, S. Kaminski und H. Wolska an der Spitze,
sich in verschiedensten, vielfarbigen Kostümen zu repräsentieren.”
14. BILANZ
Im Gegensatz zu Eldorado, Azazel und Kameralny, die hauptsächlich Stücke „vom Blatt
spielten“ – im Eldorado wurde auch auf schon in der Vorkriegszeit gespielte Stücke zu-
rückgegriffen und nach Chargen wie jugendlicher Liebhaber, komische Alte usw. besetzt,
d.h. ein bestimmter Rollentyp wurde entsprechend der Vorgaben im Stück immer wieder
gleich besetzt, so dass man dort unter bestimmten Kriterien von einem festen Ensemb-
le sprechen kann –, lässt sich eine Ensemblestruktur im Femina nicht richtig erkennen.
Neben den hauseigenen Stars wie Edmund Minowicz und Stefania Grodzieńska, die das
Publikum zogen, wurden Rollen mit z. T. sehr prominenten Gästen besetzt.
Im Durchschnitt wurde im Femina ein Stück 29 Mal gespielt, etwas weniger als der
Durchschnitt (32) der gespielten Stücke der Ghettotheater. Nach Barbara Engelking hatte
das Stück Jim i Jill am 30. oktober 1941 Premiere. Allerdings finden sich in der Gazeta
Żydowska außer einer Anzeige vom Mittwoch, den 21. November 1941, „Dritte Woche
des Erfolgsstückes Jim i Jill“ keinerlei Hinweise auf das Stück – weder eine Kritik noch
das sonst übliche „Unwiderruflich die letzten Tage”. Nimmt man den 30. oktober 1941 als
Premierendatum, hätte Jim i Jill bis zum nächsten Premierentermin (2. Januar 1942) des
Stückes Róża Stambułu ungefähr 60 Mal laufen können und wäre somit das erfolgreichste
Stück am Femina gewesen.
Mehr als 29 Aufführungen erlebten: Księżniczka Czardaszka (46), Od gminy do feminy
(39), Miłość szuka mieszkania (39), Batalion humoru (37) und Tylko dla dorosłych (36).
Die wenigsten Aufführungen (6) hatte das Stück Sprawa przy drzwiach zamkniętych.
Stücke, die im Juli /August 1941 Premiere hatten, brachten es im Schnitt auf 32 Vor-
stellungen, September / oktober 1941 auf 43, Januar / Februar 1942 auf 27, März / April
1942 auf 26 und Mai / Juni 1942 auf 22, wobei das schlechte Ergebnis hauptsächlich Spra-
wa przy drzwiach zamkniętych anzulasten ist, das nur sechs Aufführungen erlebte. Ohne
dieses Stück läge der Schnitt bei 30 Aufführungen.
Das letzte Stück im Femina, Bajadera von Emerich Kálmán unter der Regie von
Edmund Minowicz, hatte am 26. Juni 1942 Premiere – einen Monat vor Liquidierung
des Ghettos, die letzte Vorstellung war wohl die am 19. Juli 1942.
VII. Teatr Femina 207
12 Uhr Matinee Szafa gra! und Batalion humoru August 1941 GŻ/75/5/1941
16. STÜCKE
Autor/Texte: Marian Hemar, Jerzy „Jerry“ Ryba, Jerzy Jurandot, Julian Tuwim
Künstlerisch-dramaturgische Leitung: Jerzy Jurandot
Regie: Stanisław Stański, Inszenierung Edmund Minowicz
Stück: Revue in zwei Teilen
Premiere: Freitag, 20.06.1941
Dernière: Sonntag, 20.07.1941
Aufführungen: 37
Vorstellungen: Beginn: 17.45 Uhr, samstags 15.15 Uhr und 17.45 Uhr
Besetzung/Rollen: Diana Blumenfeld; Irena Drybińska; Wiera Gran; Stefania Grodzieńska;
Irena oberska; Zofia Karina; Franciszka Mannówna; Szymon Bogdanowicz; Edmund
Minowicz; Józef orenstein; Stanisław Stański
Musikalische Leitung: Iwo Wesby
Chor: Damenchor Anny Osser
Choreographie: Ballett Femina, Franciszka Mannówna
Ausstattung: Aleksander Liberman
Presse: Kritik: GŻ/51/3/1941; Vorbesprechung GŻ/50/2/1941; Redaktion GŻ/47/3/1941;
Redaktion GŻ/49/3/1941; Anzeige GŻ/49/6/1941; Anzeige GŻ/52/4/1941; Redaktion
GŻ/54/2/1941; Redaktion GŻ/57/2/1941; Anzeige GŻ/57/6/1941; Anzeige GŻ/60/6/1941
GŻ/47/3/1941
Freitag, 13.06.1941
GŻ/49/3/1941
Freitag, 20.06.1941
GŻ/50/2/941
Dienstag, 24.06.1941
GŻ/51/3/1941
Freitag, 27.06.1941
GŻ/54/2/1941
Freitag, 04.07.1941
GŻ/57/2/1941
Freitag, 11.07.1941
GŻ/60/5/1941
Freitag, 18.07.1941
GŻ/63/5/1941
Freitag, 25.07.1941
GŻ/64/2/1941
Montag, 28.07.1941
GŻ/65/2/1941
Mittwoch, 30.07.1941
Rolle „superbest“ gibt. Ebenfalls ausgezeichnet in dieser Nummer Frau Stefania Stańska. In
weiteren Rollen sind Irena Drybińska, Jadwiga Chananowicz und Szymon Bogdanowicz zu
sehen. Eine wertvolle Bereicherung für das Femina ist das Engagement des jungen, vielverspre-
chenden, mit einer schönen Baritonstimme ausgestatteten Sängers Niki Lodor. Ein weiteres
Glanzlicht in dieser Revue ist die äußerst talentierte und renommierte Tänzerin Francizka
Mannówna, die mit ihrer Anmut und ihrem Zauber entzückte. Wie immer, so auch dieses
Mal, begeisterte das konkurrenzlose Duett Edmund Minowicz und Stefania Grodzieńska
das Publikum. Mit ihrem reichen Repertoire an polnischen und jüdischen Liedern feierte
Frau Diana Blumenfeld einen weiteren großen Erfolg (das letzte Lied mit Text von der be-
gabten Autorin P. Braunówna). Die Sensation der Revue war der Auftritt des Femina-Balletts
mit S. Kamińska und B. Berkowicz als „ordnungspersonal des Femina.” Danach die Final-
nummern, ein Feuerwerk an sprühendem Witz: die Enthüllung des „Szafa-gra-Denkmals“
zu Ehren des „Szafagrajstwo“ (Texte von Jurandot, Jerry und F. Maj). Hier konnte sich das
Ensemble auszeichnen und dem Publikum „tausend Freuden“ bereiten. Weiterhin gebietet
die Rezensentenpflicht, das Augenmerk auf den tollen Sketch von Tuwim „Eine komplizierte
Geschichte“ mit konzertanter Begleitung, ausgeführt von A. łęczycka, Sz. Bogdanowicz,
E. Minowicz und St. Stański, zu richten. Ausgezeichnet auch die nicht satirefreie Nummer
unter dem Titel „Wir lieben Tiere!“ (Text Jurandot, Musik H. Wars), hervorragend dargeboten
von St. Stański. Die I-Tüpfelchen setzten dann noch die Nummern „Bäcker...“ und „Das Jahr
1900“ mit witzigen Stückchen des Herrn Redakteurs Al. Rozenfeld. Frau Mimi Marten gab
in Begleitung des Balletts ein ausgezeichnetes „Chdarf niszt zorgen“ mit Text und Musik von
A. Wolstein.
Worte der Anerkennung auch für Herrn S. Machlin-Stański für die mit Geist, Können und
Verve vorgetragene Conférence sowie Herrn Minowicz für dessen Inszenierung der Revue. Die
Musik zu den Texten komponierte der musikalische Leiter und Dirigent des Femina, Herr Iwo
Wesby. Ohne Fehl und Tadel: das durchdachte und hervorragend umgesetzte Bühnenbild sowie
die Trachten und Kostüme von A. Liberman.
H. Cz.
Autor/Texte: Jerzy „Jerry“ Ryba [u. a. „Kiedy Tańczysz Tango”]; Jerzy Jurandot [„Aidysze
Kinder“]; Frederyk Maj; Julian Tuwim; Arnold Wolsztejn; Stefania Grodzieńska.
Regie: Jerzy Jurandot (künstlerische Leitung), Edmund Minowicz
Stück: Revue in zwei Aufzügen
Premiere: Freitag, 15.08.1941
Dernière: 17.09.1941
Aufführungen: 39
Vorstellungen: täglich um 17.45 Uhr (auch 17.30 Uhr), samstags 15.15 Uhr (Sondervor-
stellung zu ermäßigten Preisen) und 17.45 Uhr
Theaterkasse: täglich ab 14.00 Uhr, sonntags ab 11.00 Uhr
Besetzung/Rollen: Regina Cukier; Irena Drybińska; Ina Grochowska; Stefania Grod-
zieńska [Rachel; Duett „Szmundka und Mundka”]; Franciszka Mannówna [u. a. „Kiedy
Tańczysz Tango”]; Józef Kinelski [Bäcker]; Edmund Minowicz [harter und unglückli-
214 VII. Teatr Femina
cher Vater, Duett „Szmundka und Mundka”]; Józef orenstein [jüdischer Polizist, „Kiedy
Tańczysz Tango“]; Staniswław Stański; Stefania Stańska; Ina Holska, S. Kamiński,
H. Wolska [Tanz]; Gesangstrio Anny osser.
Musikalische Leitung: Iwo Wesby
Choreographie/Tanz: Femina-Ballett
Ausstattung: Aleksander Liberman
Presse: Kritik: GŻ/76/3/1941; Redaktion GŻ/72/2/1941; Anzeige GŻ/72/6/1941;
Redaktion GŻ/75/5/1941; Anzeige GŻ/75/6/1941; Redaktion GŻ/78/5/1941;
Anzeige GŻ/78/6/1941; Redaktion GŻ/84/2/1941
GŻ/72/2/1941
Freitag, 15.08.1941
GŻ/75/5/1941
Freitag, 22.08.1941
GŻ/76/3/1941
Montag, 25.08.1941
schlugen sich hervorragend. Die sehr gelungenen Sketche und Lieder stammen von Herrn
Jurandot, dem künstlerischen Leiter des Theaters, sowie von Julian Tuwim, Stefania Grod-
zieńska, Jerry, Frederyk Maj und A. Wolsztein. Die Musikauswahl und die ausgezeichneten
Arrangements sind von Iwo Wesby. Das Bühnenbild, das wir oben besprochen haben, ist das
Werk von A. Liberman.
Od Gminy do Feminy [Rest unleserlich]
H. Cz.
GŻ/78/5/1941
Freitag, 29.08.1941
GŻ/84/2/1941
Freitag, 12.09.1941
GŻ/91/3/1941
Freitag, 26.09.1941
GŻ/94/5/1941
Freitag, 03.10.1941
GŻ/97/2/1941
Freitag, 10.10.1941
GŻ/102/5/1941
Mittwoch, 22.10.1941
GŻ/2/2/1942
Sonntag, 04.01.1942
GŻ/3/2/1942
Mittwoch, 07.01.1942
Róża Stambułu
Premiere im Femina
Hinsichtlich des schmissigen Repertoires und der umfangreichen Investitionen in die Aus-
stattung der Räumlichkeiten gehört das Femina zu den führenden Theatern des Viertels. Jetzt
findet man im Repertoire nach Księżnicza Czardaszka eine weitere hervorragende Operette –
zur Premiere kam Róży Stambuły in drei Akten von L. Fall in der Bearbeitung des literari-
schen künstlerischen Direktors Jurandot. Der Komponist Leo Fall, er lebt nicht mehr, aber
sein Name allein spricht schon für sich selbst. Mit seiner Róży Stambuły erwarb er sich unsterb-
lichen Ruhm als Musiker par exzellence.
Der Zauber der orientalischen Motive vor dem Hintergrund der anspruchslosen, aber sehr
geschickt ineinandergeflochtenen Handlung gibt der operette eine sehr spezielle Färbung. Wir
haben zwei Heldenpaare. Das eine Kondia und Ahmed Bej, das andere die bezaubernde Türkin
Midili Hanum und Fridolin, der Sohn des Fabrikanten Klapson. Sie sind der Dreh- und Angel-
220 VII. Teatr Femina
punkt, vom Librettisten und Komponisten mit Musik und Texten versorgt, die jede Gelegen-
heit geben, sich auszuzeichnen.
Die Róży Stambuły gibt Frau Maria Dwoińska, die bisher hauptsächlich als Sängerin auf
sich aufmerksam machte. Die Rolle der Róży Stambuły ist gleichsam ihr erster theatralisch-
szenischer Auftritt. Sie ist Schülerin der früher sehr berühmten Operettenkünstlerin Margot
Kaftal, ihre Stimme frisch und voller Klangfülle. Man versteht und fühlt, was sie singt. Herr
Lestan verfügt über eine schöne Stimme und sängerisches Potential. Man muss sowohl Frau
Dwoińska als auch Herrn Lestan großes Talent bescheinigen. Einfach entzückend ist Frau
Stefania Grodzieńska, die mit ihrem zauberhaften und finessenreichen Spiel die Rolle der
Midla Hanum gibt. Vorzüglich auch als Fridolin Klapson: Edmund Minowicz. Man kann über
diesen Schauspieler, der sich schon lange die Bühne erobert hat, nur sagen, er lebt auf der
Bühne und überträgt dies in den Zuschauerraum. Insgesamt ein großer Erfolg für Herrn
Minowicz und seine Partnerin Frau Grodzieńska. Ausgezeichnet gestaltete Herr Józef Kinelski
den typischen Operettenvater Klapson. Erfolgreich bewältigte Janusz Srebrzycki gleich
zwei Rollen, zum einen die des Ibrahim Pasza, zum anderen die des Hoteldirektors. Die
musikalische Leitung lag in Händen des geschätzten Komponisten und Dirigenten Iwo Wesby,
der seine Aufgabe mit Bravour erfüllte. Ein großes Lob auch für den Bühnenbildner Herrn
A. Liberman, der mit seiner gut durchdachten und äußerst effektvollen, im osteuropäischen Stil
gehaltenen Dekoration beeindruckte.
Herman Czerwiński.167
GŻ/7/5/1942
Freitag, 16.01.1942
Sensationelle Premiere im Femina
Im Femina in der Leszno-Straße 35 hat jetzt ein sensationell originelles Stück Premiere. Es ist
die Premiere des ersten im Viertel geschriebenen, äußerst humorvollen Stücks. Die Premiere
ist heute, Freitag, den 16. Januar, um 17 Uhr 30. Diese erste Stadtteilkomödie in drei Akten hat
167 Hier unterschreibt H.Cz. zum ersten Mal mit seinem vollen Namen.
VII. Teatr Femina 221
den Titel Miłość szuka mieszkania. Autor ist der literarische Leiter des Theaters Jurandot, die
eingängigen Lieder komponierte Iwo Wesby. Die Besetzung des Stückes spricht für sich selbst.
Die Gesamtleitung übernahm Edmund Minowicz.
GŻ/10/2/1942
Freitag, 23.01.1942
Miłość szuka mieszkania
Miłość szuka mieszkania (Liebe sucht ein Zuhause), Komödie in drei Akten aus der Feder
von Jurandot und mit der Musik von Iwo Wesby – ein lebendig illustriertes allerliebstes Be-
ziehungsstück aus dem Viertel. Zwei Paare suchen die Liebe und ein Zuhause: ein Geiger
und ein Gemeindebeamter, beide mit Frau. Die Rollen suchten und fanden hervorragende
Protagonisten: Stefania Grodzieńska, Ada Połomska, Edmund Minowicz und Leon Rytowski.
Zygmunt Regro gab den genau getroffenen Typ des Hauskomiteevertreters mit jiddisch-polni-
schem Jargon. Schmusig zeigte sich Frau Sara Margot mit herrlich großem Stimmumfang als
Fräulein Sara.
Nach dem zweiten Akt – nicht enden wollende Ovationen für die Autoren Jurandot
und Wesby, zu deren Ehren für ihre langjährige Bühnenarbeit dieses Stück aufgeführt wurde.
H.Cz.
Heute war ich mit Romek in der Premiere im Femina. Es gab eine musikalische Komödie
über das heutige Leben im Ghetto, sie hatte den Titel Miłość szuka mieszkania. Gezeigt wurde
ein junges Ehepaar, das eine Bleibe sucht. Nach langer Suche und vielen Fahrten mit dem
Kon-Hellera finden sie ein kleines Zimmer im Haus der Frau eines Handwerkers, die ein gro-
ßes Zimmer geteilt hat, um es an zwei Ehepaare vermieten zu können. Tatsächlich findet sie
zwei Paare und der Spaß geht los. Allerdings zeigt sich, dass diese Paare nicht gut ausgesucht
wurden, und schließlich entwickeln sich zwei illegale Romanzen, zuerst heimlich, aber dann
wird aufgrund des engen Zusammenlebens alles klar. Die Männer tauschen die Zimmer, eine
Zeitlang sind alle glücklich, aber dann fangen die Männer an, sich mit ihren Ehemaligen zu
streiten. Als sie eines Nachts erschöpft von der Arbeitssuche nach Hause kommen, finden sie
ihre Frauen, die mit dem Chef des Hauskomitees flirten, und der ihnen ein lustiges Liedchen
über Gebühren singt, die er bei der Gemeinde abliefern muss. Das Ende der Romanzen ist
traurig. Die vier jungen Leute fliegen aus der Wohnung, weil sie keine Miete gezahlt hatten.
Das Stück endet in der Straßenbahn, in der die Leute lustige Geschichten über das Ghettoleben
erzählen, besonders über die verschiedenen Komitees und Kommissionen, deren Zahl ständig
größer wird. Das Publikum vergnügte sich vortrefflich und verbrachte ein paar angenehme
Stunden in dem komfortablen Theater und vergaß völlig, welche Gefahren draußen lauerten.
Autor des Stückes ist Jurandot, in den Hauptrollen traten auf: Stefania Grodzieńska, Aleksander
Minowicz, Rigelski168 und Noemi Wentland. Das Bühnenbild war von Liberman.
(Hier gibt es zwei Möglichkeiten: entweder hat J. Jurandot mehrere Fassungen mit unterschied-
lichen Schlüssen geschrieben (der Bericht von Mary Berg weicht erheblich vom vorliegenden
Text des Stückes ab), oder aber sie hat – wie es Zuschauer gerne tun – einiges durcheinander
gebracht.)
GŻ/22/2/1942
Freitag, 20.02.1942
GŻ/28/3/1942
Freitag, 06.03.1942
sehen: E. Minowicz, hervorragend in der Rolle des Fabrikanten Albert, G. Germar, A. łeczycka,
J. Kinelski und andere. Die ausgezeichnete Regie führte E. Minowicz.
H. Cz.
16.9 Matura
[dt. Die Matura]
GŻ/28/3/1942
Freitag, 06.03.1942
GŻ/32/2/1942
Sonntag, 15.03.1942
Bühnenkünstler zu sehen: Edmund Minowicz, Miriam orleska, Leon Rytowski, Ada Połomska,
Józef Kinelski, Sara Margot, Janusz Srebrzycki, Alina łęczycka, Staniswław Karo und viele
andere. Vorstellungen täglich um 17 Uhr 30, Vorstellungsende 19 Uhr 45. Samstags zwei Vor-
stellungen, jeweils um 15 Uhr und 17 Uhr 30.
GŻ/33/2/1942
Sonntag, 15.03.1942
Matura
Stück in drei Akten von Wł. Fodor
Nach einer Reihe von Operetten besinnt sich nun das Femina auf das klassische dramatische
Repertoire. Ausgewählt wurde Matura, ein Stück in drei Akten von Wł. Fodor. In der Beset-
zungsliste finden wir das exzellente Künstlerehepaar Diana Blumenfeld und Jonas Turkow –
gespielt wird auf Polnisch.
Dass die Wahl auf Matura fiel, ist eine gute Entscheidung, das Stück ist immer noch aktuell,
szenisch außerordentlich gut konstruiert, es beeindruckt. Der Autor entfaltet vor uns zwei
ungeheuer interessante Welten: zum einen die der mit Höhenflügen ins Leben stürmenden
Jugend, zum anderen die festgefügte, erstarrte Welt von Geschichte, Mathematik, Naturkunde
und anderen Fächern, der sogenannte Lehrkörper. Die Professoren erscheinen, als hätte man
sie von der Bühne des Lebens direkt auf die Theaterbühne gebracht. Wir alle kennen einen
romantischen Gymnasialdirektor wie Dr. Stefan Hoff, in den sich alle Schülerinnen verlieben,
besonders die aus der 8. Klasse, in denen der „Frühling“ zu erwachen beginnt. Die anderen
Lehrer: der schon eher „herbstlich“ gestimmte grauhaarige Philosophieprofessor Dr. Cibula,
der harte und unnachsichtige Mathematikprofessor Dr. Spindler, die – von den Schülern so
wahrgenommene – schlampige und hässliche Literaturprofessorin Dr. Klotylda Wiener und die
edle, eine persönliche Krise durchlebende Dr. Anna Mathé.
Die ganze Schule, insbesondere aber die Professoren, wird durch das Auffinden eines
Liebesbriefes in dem Ranzen der Schülerin Katarzyna Kerner, Schülerin der 8. Klasse, erschüt-
tert. Ein Gericht wird abgehalten und wir werden Zeuge der „Vivisektion“ einer Mädchen-
seele. Lautstarke Entrüstung, aber auch lautstarke Verteidigung. Hinter Katarzyna Kerner
stehen die, die sich noch ein edles Gemüt bewahrt haben, während die anderen, für die das
Leben außerhalb der Schule längst seinen Zauber verloren hat, das „amoralische Verhalten“
anklagen. Die Liebe aber triumphiert. Die Schule, mit all ihren Geheimnissen, bleibt so, wie
sie ist. Am Ende des Schuljahres bleibt die Schule den verkrusteten Traditionen verhaftet, aber
der Frühling erblüht aufs Neue. Matura bezaubert durch seine Poesie, es weckt Erinnerun-
gen, es macht nachdenklich.
Zur Pflicht des Rezensenten gehört es, darauf hinzuweisen, dass das Ensemble des Femina
seine Aufgabe mit Auszeichnung bestanden hat. Zu nennen ist Diana Blumenfeld, die in der
Hauptrolle der Katarzyna Kerner durch ihr das Publikum erschütternde Spiel den Beweis ihrer
Schauspielkunst lieferte. In weiteren Rollen waren zu sehen: Edmund Minowicz als Dr. Hoff,
Jonas Turkow, der den Dr. Cibula spielte, Miriam orleska und Ada Połomska, die die Szenen
bereicherten und als typischer Mathematikprofessor Leon Rytowski. Vervollständigt wurde das
Ensemble durch: A. łęczycka, J. Srebrzycki, J. Kinelski u. a.
Matura ist auf Grund seiner zweifellos literarischen Qualität und seines gesellschaftlichen
Hintergrunds absolut sehenswert. Es ist zu wünschen, dass das Femina und mit ihm die anderen
Theater, sich auf Stücke besinnen, die einen Namen in der dramatischen Literatur haben. Nur
gute Vorstellungen können und sollten zum Erfolg führen.
Herman Czerwiński.
VII. Teatr Femina 225
GŻ/39/2/1942
Mittwoch, 01.04.1942
zwei Vorstellungen, jeweils um 15 Uhr und 17 Uhr 30. Wegen der großen Publikumsnachfrage
wird an den Feiertagen eine Matinee von Matura mit Diana Blumenfeld und Jonas Turkow
stattfinden. Einzelheiten auf den Plakaten.
GŻ/43/2/1942
Freitag, 10.04.1942
Jarmark Śmiechu
Nach einer Reihe von Operetten und Komödien eröffnete das Femina die Frühlingssaison mit
einer Revue mit dem Titel Jarmark Śmiechu aus der Feder von M. Hemar, Jerry, Jurandot,
J. Tuwim u. a.. Das Ganze spielt sich in zwei Teilen ab, die aus einzelnen Nummern bestehen.
Programm und Aufbau erinnern an frühere Revuen in der Art von Qui pro Quo und Bandy.
Man muss anerkennen, dass der literarische Leiter Jurandot zusammen mit Regisseur Edmund
Minowicz – beide wohlvertraut mit dem Metier – ein buntes Revuemenü auf die Beine gestellt
haben, wobei sich besonders auszeichnen: Stefania Grodzieńska, die mit ihrem Liebreiz, ihrer
Ausstrahlung und ihrem Humor den wahren Revueschwung auf die Bühne bringt und die
besonders – an der Spitze des Ensembles – mit den Nummern „Verschiedene Frauentypen“,
„Małgorzatka“ (Text Tuwim) und der Nummer „Wiosna“ besticht; Beifallsstürme bei dem
Auftritt von Diana Blumenfeld, unvergleichlich in der Darbietung jüdischer Volkslieder und
zu vielen da capos gezwungen; Edmund Minowicz braucht keinerlei Reklame, da bekannt ist,
dass er die Bühne mit Verve, Humor und Temperament stürmt; Leon Rytowski, hervorragender
Tänzer und Sketchespieler, dessen Gesangsnummern mit Tanzeinlagen sehr an oft gesehene
amerikanische Filmnummern erinnern. Von den anderen seien erwähnt: Ada Połomska, Sara
Margot und Zygmunt Regro.
Die Conférence sollte allerdings lebendig sein und unmittelbaren Kontakt mit dem Publikum
haben. Die Musik von Iwo Wesby – nett und mit Delikatesse.
H.Cz.
Autor/Texte: Jerzy „Jerry“ Ryba; Jerzy Jurandot; Emanuel Schlechter; Julian Tuwim u. a.
Regie: Edmund Minowicz
Stück: Revue
Premiere: 26.04.1942
Dernière: 27.05.1942
Aufführungen: 36
Vorstellungen: täglich 17.30 Uhr, samstags 15.00 Uhr und 17.30 Uhr
Besetzung/Rollen: Edmund Minowicz; Leon Rytowski; Józef Kinelski; Diana Blumen-
feld; Ada Połomska; Zygmunt Regro; Irena Drybińska; Mario Malvano; Irena Prusicka;
Stefania Grodzieńska
Musik und musikalische Leitung: Iwo Wesby
Choreographie/Tanz: Irena Prusicka-Ballett; Franciszka Mannówna [Tanz]
Presse: Kritik: GŻ/52/2/1942; Redaktion GŻ/49/2/1942
VII. Teatr Femina 227
GŻ/49/2/1942
Freitag, 24.04.1942
GŻ/52/2/1942
Freitag, 01.05.1942
Aus dem Femina
Tylko dla dorosłych
Das Ensemble des Theaters Femina, dessen künstlerischer Leiter Herr Jurandot und Regisseur
Edmund Minowicz sind daran gegangen, dem Publikum jetzt eine Revue in großem Stil zu
präsentieren. Erinnert sei, dass das Femina seine künstlerische Tätigkeit mit Revuevorstellun-
gen begann und sich damit einen guten Namen machte. Jurandot, Autor populärer Lied- und
Stücktexte hat nun für Tylko dla dorosłych 17 einzelne Nummern mit trefflichem Humor
und Witz zusammengestellt, mit einem Wort: zwei Stunden pures Revuevergnügen. Vielleicht
hätte man ein bisschen kürzen müssen, vielleicht sind einige Nummern schon allzu bekannt,
aber insgesamt haben diese kleinen Mängel dem Stück nicht geschadet.
Hervorzuheben ist, dass die Revue mit sehr effektvollen Tanzeinlagen und beeindrucken-
dem Bühnenbild glänzen konnte. Stefania Grodzieńska, Edmund Minowicz und Leon Rytowski
machten auf der Bühne als „Troika“ die Reigenführer und bestritten nahezu das ganze
Programm.
Hervorragend der lustige Sketch „Panna Mania“. Es bedarf einer Schauspielerin vom Format
einer Stefania Grodzienska – die noch in den Nummern „Przyjaciel mojego Przyjaciela“ und
„Kochanek“ zu sehen war – um den Typ des „Panna Mania“ mit solchen Finessen und solchem
Liebreiz darzustellen. Viel originellen Humor brachte der Sketch „Milusińscy” mit Edmund
Minowicz und Leon Rytowski als Kleinkinder im Kinderwagen mit Irena Drybińska und Anna
Połomska als Kindermädchen. Entbehrlich die exzentrischen Nummern (Warszawa – Kazcy
Dól – Człowiek Mechaniczny) des ansonsten hochtalentierten Leon Rytowski. Er ist durchaus
zu Besserem fähig. Verdienten Erfolges beim Publikum erfreute sich Diana Blumenfeld, die
Interpretin des „Genre” jüdischer Volkslieder, mit denen sie das Publikum mit ihrem künst-
lerischen Können bezauberte. Irena Prusicka imponierte in der stilvollen Nummer „Melodie
Wschodu“ durch ihre hervorragend geschulte Ballettcompagnie, durch reichen Ausdruck und
Choreographiekunst.
Über „Salome”, getanzt von Franciszka Mannówna, haben wir bereits in einer unserer
vorigen Kritiken geschrieben.
Die Conférence von Józef Kinelski und Leon Rytowski diesmal lebendig und mit Schwung.
Die Musik von Iwo Wesby den einzelnen Nummern entsprechend.
H. Cz.
228 VII. Teatr Femina
GŻ/63/2/1942
Freitag, 29.05.1942
Dziewczę do wszystkiego
Die letzte Premiere des Femina brachte uns ein Stück auf dem in diesem Theater üblichen
Niveau.
Dziewczę do wszystkiego in der Bearbeitung von Jurandot und der Regie von Minowicz,
führt uns in längst vergangene Zeiten, in denen in irgendeiner abgelegenen Provinz in Filialen
großer Firmen der Hauptstadt Direktoren residierten, die den Vorsitz in Sittlichkeitsvereinen
hatten, aber dennoch anmutigen oder höchst frivolen Attacken von Operettendiven wehrlos
ausgeliefert waren (unvergesslich „Żołnierzu Królowej Madagaskaru”!).
Eigentlich muss man sich wundern, dass einem in die Jahre gekommenen, bescheidenen
Direktor so etwas widerfährt, wäre da nicht der um Jahre jüngere Herr Vorsitzende der
„Zjednoczony Barchan,” der sich auch nicht gegen die o. g. Diva wehren kann, als er in das
Provinznest kommt, um für Sitte und Moral zu werben, aber auch ein wachsames Auge auf
diese zu haben (in Wahrheit geht es ihm um Werbung für seinen Barchanstoff 169, der angeblich
ein Synonym für Sittlichkeit ist). Zur Entschuldigung des Herrn Vorsitzenden muss man aller-
dings sagen, dass er glaubt, Kiki sei die Gattin des Direktors.
Ziehen wir nun mit der gesamten Gesellschaft in die Hauptstadt. Dort erleben wir, wie die
Provinzdirektorsgattin sich statt mit Amor mit der Beförderung ihres Mannes beschäftigt (und
das wahrhaftig tugendhaft) und sich im Ankleidezimmer des Herrn Vorsitzenden entkleidet,
und es wundert uns nicht im Geringsten, dass dies auch das leichtsinnige Fräulein Kiki tut.
Verwirrung und Verwechslung im Ankleidezimmer des Vorsitzenden des „Zjednoczony
Barchan“ werden dann auch noch durch einen dummen Streich des Bürodieners auf die Spitze
getrieben. Glücklicherweise löst sich dann doch alles auf: Der Herr Direktor aus der Provinz
erreicht eine Stellung, von der er nicht zu träumen gewagt hat, der Herr Vorsitzende bekommt
Fräulein Kiki und umgekehrt.
An der Spitze des Ensembles wie üblich: Herr Minowicz (Direktor Trąbiński) und die
Grodzieńska (Kiki).
Einwandfrei spielte Herr German die Rolle des Firmenpotentaten. Dessen jungen Privat-
sekretär gab Herr R. Rytowski, der allerdings sein zweifellos großes Talent für Charakterrollen
nicht entfalten konnte. Frau Kryńska als Frau Direktorin Trąbińska kämpft um die Karriere
ihres Mannes, um den Glanz ihres Kupfergeschirrs und das Vertuschen ihres ländlichen
Akzents (geht es um letzteres, ist es kein Wunder, dass sie damit völlig allein steht, da der Groß-
teil der Gesellschaft mindestens aus Dubno kommt). Frau Połomska als Küchendragoner –
nicht schlecht trotz zeitweiliger Chargenspielerei. Mit Gefühl gestaltete Herr Regro die Figur
des eingeschüchterten kleinen Beamten, völlig unverständlich allerdings ist, warum er im
letzten Akt mit einer Angel unter dem Arm nach Wołomin zur Hochzeit eines Kollegen auf
die Bühne kommt (Päckchen wären wohl angemessener gewesen). Zu sehen waren auch Herr
Kinelski als sich ständig in die Angelegenheiten seines Herrn einmischender Kammerdiener
und Herr Srebrzycki, der als Hotelangestellter unbesonnen jede gerade gehörte Intimität seiner
Gäste zum Besten gibt, was allerdings zur Folge hat, dass wir schnell zur glücklichen Ent-
wirrung der Verhältnisse und zum Ende aller Komplikationen kommen.
Wegen der sparsamen musikalischen Bearbeitung hatte diesmal Herr Wesby nicht die
Möglichkeit, aus dem Vollen zu schöpfen. Das Bühnenbild von Herrn Liberman – insgesamt
bescheiden.
Sewer
Autor/Texte: B. Weiler
Regie: Edmund Minowicz, Zygmunt Regro
Stück: Kriminalstück
Premiere: 20.06.1942
Dernière: 24.06.1942
Aufführungen: 6
Besetzung/Rollen: Jadwiga Wernisówna [Mary Dougan, Hauptrolle]; Leon Rytowski
[Bruder und Anwalt der Angeklagten]; Zygmunt Regro [öffentlicher Ankläger]; Józef
Kinelski [Liftboy]; Edmund Minowicz [Anwalt]; Stefania Grodzieńska [Kamila Makart];
Gerszon German [Polizeiinspektor]; Ada Połomska [Frau des Ermordeten]; R. Nisenzweig
[Freundin der Angeklagten]; Janusz Srebrzycki [Richter]; Ewa Kryńska [Haushälterin].
Bühnenbild /Ausstattung: Aleksander Liberman
Presse: Kritik GŻ/73/2/1942
230 VII. Teatr Femina
GŻ/73/2/1942
Sonntag, 21.06.1942
16.14 Bajadera
[dt. Die Bajadere]
GŻ/75/2/1942
Freitag, 26.06.1942
Bajadera
Heute, am 26. Juni 1942, hat um 16 Uhr 45 im Theater Femina, Leszno-Straße 35, die aus-
gezeichnete Operette Bajadera von E. Kálmán Premiere, die aus Anlass des einjährigen
Bestehens des Femina in unserem Viertel gegeben wird. Ein Jahr Femina, das ist ein Jahr
konzentrierter künstlerischer Arbeit, Förderung von Kultur und Kunst auf höchstem Niveau.
Aufgeführt wird die populäre Operette mit großer Ausstattung, mit speziell für diese Produk-
tion vergrößertem Orchester, mit Männer- und Damenchor, mit Ballett, mit farbenprächtigen
Kostümen und originellem Bühnenbild. Ohne Zweifel wird Bajadera die Sensation des Vier-
tels. Der beliebte Iwo Wesby hat die Musik bearbeitet, Regie führte Edmund Minowicz, Texte
für neue Lieder schrieb Jurandot, die Bühne gestaltete A. Liberman und für Choreographie
und Einstudierung der Tänze zeichnet Irena Prusicka. Verstärkt wurde auch das Ensemble
mit Helena ostrowska als Bajadera, Józef orensztajn als Fürst, Stefania Grodzieńska als
Mirte, Minowicz als Napoleon, Józef Kinelski als Filip, Regro als operettendirektor und Leon
Rytowski als Chef der Claque, daneben viele weitere Künstler und Statisten. Vorstellungen
täglich um 17 Uhr 45, samstags 15 Uhr und 17 Uhr 45.
GŻ/81/2/1942
Freitag, 10.07.1942
wenigstens einmal geträllert haben), wurde uns jetzt wieder in der Bearbeitung von Jurandot
und der Regie von E. Minowicz vor Augen geführt. Diskutieren kann man, ob die Auswahl
dieses Stückes nun eine besonders glückliche war, wobei in jedem Fall anzuerkennen ist, dass
viel getan wurde, um die Vorstellung auf ein Niveau zu bringen, das dem Anspruch eines jeden
Theaters entspricht. Und das ist nicht leicht zu erreichen und zu sagen ist, dass eher die schau-
spielerische Seite der Operette Anerkennung verdient.
Herr Orensztein gibt den in die schöne Operettendiva verliebten Eroberer Fürst Radiani,
wobei anzumerken ist, dass man Herrn Orenstein hier, übrigens wie schon immer, eher als Sän-
ger denn als Schauspieler kennt. Frau Ostrowska (Bajadera) hat zweifelsohne die Reputation
einer ausgezeichneten Sängerin. Ihre große Gesangskultur und die Schönheit ihres Vortrags
dominieren auch in Bajadera, aber es ist schwer, sie hier zu beurteilen, eben nicht als Sängerin,
vielleicht sogar nicht einmal als Operettensängerin.
Viel Schwung brachte Frau Grodzieńska als hochnäsige Kleinbürgerin und Frau, „die ihren
Mann niemals betrügen würde“, ins Geschehen sowie Herr Minowicz als unglücklicher Ver-
ehrer der Reize einer Schokoladenfabrikantengattin. Beide singen und spielen ausgezeichnet
und variieren das ansonsten ziemlich ärmliche Libretto. Hervorragend auch Herr Regro als
Theaterdirektor, während hingegen Herr Rytowski als Chefclaqueur ziemlich überchargierte.
Völlig blass und unglaubwürdig gestaltete Herr Srebrzycki die Figur des Hinduhauptmannes,
fehlerfrei Herr Kinelski als Schokoladenfabrikant. Besondere Anerkennung gilt zweifelsohne
Herrn Wesby, der mit Temperament und Routine das Orchester und den kleinen, aber feinen
Chor dirigierte. Herrn Wesby gelang es mit Erfolg, ständig Kontakt mit Bühne und Orchester
zu halten, und das während der ganzen Vorstellung in ausgezeichneter Weise.
Das Bühnenbild von Herrn Liberman erreichte nicht immer ein angemessenes Niveau, ins-
gesamt jedoch waren die einzelnen Szenen nicht schlecht ausgestattet.
Sewer.
16.15 Extravorstellungen
GŻ/75/5/1941
Freitag, 22.08.1941
Księżniczka Czardaszka
Vorstellung: 03.04.1942, 25-jähriges Bühnenjubiläum Edmund Minowicz
Besetzung/Rollen: Edmund Minowicz; Helena ostrowska; Józef orenstein; Stanisław
Stański; Alina Lyczycka; Szymon Bogdanowicz [Laudatio]; Stefania Grodzieńska;
Andrzej Marek; Herman Czerwiński; Józef Kinelski; Symcha Fostel
Presse: Redaktion GŻ/43/2/1942
171 GŻ/75/2/1942
234 VII. Teatr Femina
GŻ/43/2/1942
Mittwoch, 01.04.1942
Gastspiel in jiddischer Sprache der Schüler der Schulen Nowolipki 22, Gęsia 9 und
Nowolipki 68
Vorstellung: 05.05.1942
Stücke: „Der Frühling ist gekommen,” „Der Ball des Waisenkindes”, „Die Jahreszeiten”
Es war der letzte Tag vor Beginn der Aussiedlung. Einen Tag zuvor wurde das Theater wegen
der allgemeinen Panik im Ghetto geschlossen. Als wir das Theater verließen, das wir nie
wieder betreten sollten, war es uns schwer ums Herz. Wir hatten gute und schlechte Zeiten
erlebt, hatten dort gearbeitet, fast nichts gehabt und am Hungertuch genagt. Niemand von uns
dachte an die Zukunft oder daran, dass wir morgen tot sein könnten – wir dachten an diesen
dunklen, kalten Saal, den wir eben verließen, dachten daran, dass wir dort zwei Jahre unseres
Lebens verbracht hatten, unsere zwei schwersten Jahre, aber auch die uns in der Erinnerung
teuersten. […]
Jetzt standen wir ohne Arbeit auf der Straße und uns drohte nicht nur Hunger, wir wussten
auch, dass in kurzer Zeit mit der Aussiedlung aus dem Ghetto begonnen würde und dass davon
in erster Linie Arbeitslose betroffen sein würden. Wir gingen also zum Arbeitsamt.172
Von den nahezu 70 Theaterleuten des Femina entkamen nur acht der Vernichtung, unter
ihnen auch Zygmunt Regro, der sich später auf Grund von Wahnvorstellungen, dass ihn
die Gestapo verhaftet habe, fürchterlich verstümmelte, um nicht als Jude erkannt zu wer-
den, und sich das Leben nahm.173
“Femina”-Ballett
Täglich 17.30 Uhr, samstags um 15.15
Sondervorstellung zu ermäßigten Preisen.
Folgendes soll sich in der zweiten oktoberhälfte [1941] ereignet haben: zu dem Direktor des
Theaters (angeblich ein Neophyt, seinen Namen weiß ich nicht) in der Nowolipki-Straße 52
[Nowy Teatr Kameralny], in dem auf Polnisch gespielt wird und in dem der bekannte
Schauspieler Michał Znicz (auch ein Neophyt) auftritt, kamen sechs Juden. Sie stellten sich
als offizielle Mitarbeiter der Gelben [Gestapo] vor, verlangten 1000 zł und drohten, wenn
242 VIII. Nowy Teatr Kameralny
sie das Geld nicht bekämen, mit Deportation. Nach längerer Verhandlung einigte man sich
darauf, erst mal auf einen Verschärften in die Kneipe zu gehen. Kurze Zeit später tauch-
te vor der Kneipe ein Auto mit uniformierten Gelben auf. Nachdem sie sich einen Über-
blick verschafft hatten, um was es ging, legten sie den sechs Juden Handschellen an. Da-
nach tranken sie mit dem Direktor ein paar Gläschen und nahmen die Verhafteten mit.
Tatsächlich war der Direktor ihr Mann. Er hatte unbemerkt mit den Gelben telefoniert, die
dann auch sofort kamen. Über das weitere Schicksal der sechs Juden erfuhr man folgendes:
sie saßen ungefähr zwei Monate im Pawiak Gefängnis, danach brachte man sie nach Ausch-
witz zur Vernichtung – angeblich soll das der Frau von einem wortwörtlich gesagt worden
sein.174
1. DAS THEATER
Als viertes Theater eröffnete das polnischsprachige Nowy Teatr Kameralny am 18. Juli
seine Spielzeit mit dem Stück Mirla Efros von Jakub Mikhailovich Gordin, das es auf 76
Vorstellungen brachte. Angekündigt wurde das Theaterereignis in der Gazeta Żydowska
am 16. Juli 1941:
Das sich immer mehr verbreitende jüdische Kulturleben Warschaus wird nun morgen durch
ein neues erstklassiges Theater von großer Bedeutung bereichert. Es ist das Nowy Teatr
Kameralny, das von dem bekannten Regisseur und Bühnenschriftsteller Andrzej Marek ge-
gründet wurde. Aufgeführt werden sollen überwiegend Stücke hervorragender jüdischer
Autoren in polnischer Sprache. Bei der feierlichen Eröffnung wird Mirla Efros – die Proben
sind in vollem Gang – von J. Gordin in der polnischen Bearbeitung von Andrzej Marek,
der auch Regie führt, zur Aufführung kommen. Dieses Stück wurde bereits vor zehn Jahren
in Warschau gespielt und hatte damals 160 Aufführungen in Folge. Bei der Premiere ist auf
der Bühne ein sorgfältig zusammengestelltes Ensemble mit erstklassigen Schauspielerinnen
und Schauspielern polnischer Bühnen zu sehen – kurz gesagt, ein interessantes kulturelles Fest-
ereignis im jüdischen Viertel Warschaus.175
Das Theater befand sich auf dem Gelände der Kirche św. Augustyn in der Nowolipki-
Straße 52. Emanuel Ringelblum gibt als Spielstätte eine zum Theater umgestaltete Ka-
pelle des Klosters in der Nowolipki-Straße an. Nach Schließung des Ghettos befand sich
św. Augustyn auf Ghettogebiet und diente noch etliche Monate als Kirche für Katholiken
jüdischer Herkunft. Nach Schließung der Kirche blieben noch längere Zeit Pfarrer
Franciszek Garncarek und Vikar Leon Więckowicz im Pfarreigebäude. Ersterer wurde
am 20. Dezember 1943 von den Deutschen ermordet, Vikar Leon Więckowicz wurde am
3. Dezember 1942 verhaftet, da er Juden geholfen hatte, und starb am 4. August 1944
im KZ Groß-Rosen.
Umgebaut zu einem Theater wurden die Räumlichkeiten („Wo genau sich die Bühne
Mareks befand, in den Kellerräumen oder im ehemaligen Pfarrgebäude, das sich auf die-
sem Grundstück befand, ist nicht zu ermitteln“)176 von dem Architekten, Bauingenieur
und Innendekorateur Rubin Szwarc, der auch als Bühnenbildner Mirla Efros ausstattete.
2. ZUM SPIELPLAN
Unter dem Namen Nowy Teatr Kameralny wird im jüdischen Viertel in Kürze ein neues
Theater seine Pforten öffnen, das sich ganz der ernsthaften Kunst und Bühnenliteratur widmen
wird. Bereits jetzt weckt das zu erwartende Repertoire, das ausschließlich aus abendfüllenden
Stücken der besten jüdischen Autoren bestehen wird, ins Polnische übersetzt von den besten
Übersetzern und Dramaturgen, in breiten Kreisen der jüdischen Intelligenz höchstes Interesse.
Die Vorstellungen beginnen in den ersten Julitagen, gespielt wird dann täglich in dem her-
vorragend geeigneten Theatersaal in der Nowolipki-Straße 52, unter Mitwirkung der besten
jüdischen Künstler der polnischen Theaterszene. Geleitet wird das Theater von dem Theater-
schriftsteller und Diplomregisseur Andrzej Marek.177
Andrzej Marek, der jüdische Intellektuelle, fasziniert von der polnischen Kultur, „träumte
von der Integration der klassischen jüdischen Literatur in das polnische Theater.“178 Ganz
im Sinne dieses Konzeptes eröffnet Andrzej Marek die Spielzeit mit Mirla Efros, geschrie-
ben 1898 von Jakub Gordin, dem Reformator des jüdischen Theaters. Marek hatte Mirla
Efros bereits 1929 im Warschauer „Teatr Elizeum“ 160 Mal en suite aufgeführt und hatte
mit diesem Stück offensichtlich den Geschmack der assimilierten jüdischen Intelligenz
voll getroffen. Im Nowy Teatr Kameralny wurde Mirla Efros 76 Mal gegeben.
Gespielt wurde im Teatr Nowy Kameralny von Juli 1941 bis Juli 1942, also fast ein
Jahr. Auf dem Spielplan standen:179
Mirla Efros von Jakub Gordin („Gordins Werke brauchen keine Reklame“) – ein
in seiner Art eigenes „Epos“ des jüdischen Familienlebens; Moje żony mnie zdradzają
(„Nach Mirla Efros jetzt das nächste vorzügliche Stück“) – geschäftlich sehr erfolgreicher
„Pillendreher” wird sein ganzes Leben lang von Frauen reingelegt; Skarb pod latarnią von
Marian Hemar („eine niveauvolle Komödie, die den allerbesten Eindruck hinterlässt“) –
drei Hinterhofmusikanten finden unter einer Laterne ein, von einem Dieb weggewor-
fenes, Brillantenkollier von Millionenwert; Potęga pieniądza („klassische amerikanische
Satire“) – über die Magie des Geldes; Dr Berghof przyjmuje od 2 – 4 („Hochgelobt von
den besten Kritikern“) – spiegelt die Tragödie „das Problem ärztlicher Tätigkeit aus
literarischem Blickwinkel bei einer der schrecklichsten menschlichen Tragödien“;
Szczęśliwe dni, Gastspiel der Theatertruppe Studio – in der Kritik wird als Autorin
Das Nowy Teatr Kameralny war fest in der Hand von Andrzej Marek, er war Konzessions-
inhaber, hatte die dramaturgische und künstlerische Leitung und führte bei sieben von
neun Produktionen Regie, die übrigen zwei inszenierte Jonas Turkow. Andrzej Marek, in
Warschau geboren, besuchte polnische und jüdische Schulen und veröffentlichte bereits
in jungen Jahren Beiträge und Kritiken in polnischen und jüdischen Zeitungen. Er war
Schüler von Stanisław Przybyszewski, dem „Meteor Młodej Polski,” und begann seine
Theaterkarriere, indem er jüdische Themen in polnischer Sprache auf die Warschauer
Bühnen brachte, u. a. Pieśniarze (1901), das er auf Polnisch geschrieben und anschlie-
ßend ins Jiddische übersetzt hatte und das wahre Triumphe auf den Bühnen Amerikas
und Europas feierte, ein Stück, das er viel später im Nowy Teatr Kameralny im Ghetto
aufführen sollte.
Zwischen 1914 und 1922 schrieb Marek für jüdische Theater in Russland, England
und Amerika, wo er auch Regie führte. Zurück in Polen, übersetzte er jüdische Stücke ins
Polnische und führte auf polnischen Bühnen Regie, so z.B. bei Der Dybuk von Szalom
Anski, wobei ihn die jüdische Presse als „Assimilierungsgehilfen“ diffamierte, der das
jüdische Theater untergrabe.
4. DAS ENSEMBLE
Irena oberska spielte in sieben Stücken und hatte 331 Vorstellungen; Szymon Bogdano-
wicz war in sieben Stücken besetzt und spielte 316 Vorstellungen; Ina Grochowska war
in sechs Stücken und 287 Vorstellungen zu sehen; Zenon Borowicz spielte fünf Stücke
und gab 213 Vorstellungen; Marian Gliczyński war in fünf Stücken besetzt und in 260
Vorstellungen auf der Bühne des Kameralny zu sehen; Felicja Korzelska spielte fünf
Stücke mit 238 Vorstellungen; Michał Znicz übernahm nach 13 Vorstellungen von
Mirla Efros die Hauptrolle, die Zygmunt Regro bis dahin gespielt hatte. Znicz spielte
insgesamt fünf Stücke und brachte es auf 238 Vorstellungen; Zygmunt Rzęcki war für
vier Stücke im Engagement und spielte 199 Vorstellungen; Ignacy Moszkowicz spielte
in vier Stücken und hatte 198 Vorstellungen; Jadwiga Wernisówna war in drei Stücken
VIII. Nowy Teatr Kameralny 245
besetzt und gab 155 Vorstellungen; Leon Rytowski war für zwei Stücke mit 93 Vorstel-
lungen engagiert; Maria Hinterhof war in zwei Stücken und 87 Vorstellungen zu sehen;
Stanisław Szebego spielte 103 Vorstellungen in zwei Stücken; Bronisława Gersonówna
war in zwei Stücken zu sehen und spielte 83 Vorstellungen.
Für ein Stück engagiert waren: Rysio Goldfluss, Helena Gotlib, Zygmunt Regro (Mirla
Efros, 69 Vorstellungen); Gerszon German war besetzt in Moje żony mnie zdradzają (49
Vorstellungen); Alfons Niedźwiecki spielte 47 Vorstellungen von Pieśniarze; Diana Blu-
menfeld war engagiert für Pocałunek przed lustrem (44 Vorstellungen); Jonas Turkow
ebenfalls in Pocałunek przed lustrem (44 Vorstellungen); Ludwik Altman war besetzt in
Potęga pieniądza (39 Vorstellungen); Stanisław Karo spielte in Potęga pieniądza (39 Vor-
stellungen); im Rahmen des Gastspiels des Teatr Studio spielten in dem Stück Szczęśliwe
dni jeweils eine Aufführung Helena Blauszyld, Mieczysław świeca und Nadia Boren.
5. DIE AUTOREN
L. Blum (Droga do śzęścia), Władysław Fodor (Pocałunek przed lustrem), Jakub Mikhai-
lovich Gordin (Mirla Efros), Marian Hemar (Skarb pod latarnią); J. Montgomery (Potęga
pieniądza); Stefan Pollatschek (Finał małżeństwa, Dr Berghof przyjmuje od 2– 4); Laurent
Doillet (Moje żony mnie zdradzają); Andrzej Marek (Pieśniarze) und Claude André Puget
(Gastspiel Szczęśliwe dni).
6. DER BÜHNENBILDNER
In den Kritiken der Gazeta Żydowska wird nur Rubin Szwarc für das Bühnenbild Mirla
Efros erwähnt.
7. BILANZ
Am Nowy Teatr Kameralny spielten 23 Schauspieler in insgesamt neun Stücken und teil-
ten sich 68 Rollen. Keiner dieser 23 Schauspieler war in allen Stücken besetzt: sieben
Darsteller hatten fünf bis sieben Engagements, sieben Darsteller zwei bis vier und neun
hatten lediglich ein bis zwei Engagements.
Nach den Kriterien für ein festes Ensemble – Engagement in mehr als der Hälfte
der Stücke und ohne Gastverpflichtungen an anderen Theatern bzw. überwiegend am
Haus beschäftigt (kein Engagement an anderen Theatern) – bestand das feste Ensemble
des Teatr Nowy Kameralny aus folgenden Schauspielerinnen und Schauspielern: Irena
oberska, Szymon Bogdanowicz, Ina Grochowska, Zenon Borowicz, Marian Gliczyński,
Felicja Korzelska, Michał Znicz, Ignacy Moszkowicz, Zygmunt Rzęcki. In Zahlen sind
dies neun feste Ensemblemitglieder, fünf mehrfach engagierte Gäste (darunter Jadwiga
Wernisówna, die in Mirla Efros immerhin die Hauptrolle spielte) und neun Gäste mit
einem Engagement.
246 VIII. Nowy Teatr Kameralny
Im Durchschnitt erlebte im Kameralny ein Stück 45 Aufführungen, also weit über dem
Ghettotheaterdurchschnitt von 32 Aufführungen. 45 Aufführungen und mehr erreichten
Mirla Efros (76), Skarb pod latarnią (54), Moje żony mnie zdradzają (49), Pieśniarze
(47). Ein besonderer Erfolg war auch Dr Berghof przyjmuje od 2 – 4 mit 63 Aufführungen
nach Premiere.
Nach Stückgattungen aufgegliedert wurden am Nowy Teatr Kameralny gespielt: sechs
Komödien (darunter eine satirische Komödie, eine Tragikomödie) und drei Dramen. Im
Gegensatz zu den anderen Theatern war das Teatr Nowy Kameralny überwiegend ein
Sprechtheater, Tanz- oder Musikeinlagen werden in den Kritiken nicht erwähnt.
Das letzte Stück mit dem Titel Droga do szczęścia (Der Weg ins Glück) kam am Nowy
Teatr Kameralny wohl nicht mehr zur Premiere. Am 22. Juli begann die „Wielka Akcja“,
d. h. die Liquidierung des Ghettos, bei der 265 000 Juden in den Gaskammern von
Treblinka ermordet wurden. Zur Premiere kamen neun Stücke mit 413 ermittelten Auf-
führungen. In der Gazeta Żydowska erwähnt wurde das Nowy Teatr Kameralny zwölf-
mal – drei Kritiken, fünf redaktionelle Beiträge und vier Anzeigen.
Abb. 52: Die Kirche Św. Augustyn in der Nowolipki-Straße 52 im zerstörten Warschauer Ghetto.
VIII. Nowy Teatr Kameralny 247
8. DAS REPERToIRE*
Extravorstellung
* Die Zahl der Aufführungen kann in einigen Fällen abweichen, da in der GZ Dernieren-,
in manchen Fällen auch Premierentermine nicht immer klar als solche ausgewiesen oder
auch unkorrekt datiert sind. (Anmerkung der Herausgeberinnen).
248 VIII. Nowy Teatr Kameralny
9. STÜCKE
GŻ/59/3/1941
Montag, 14.07.1941
GŻ/64/2/1941
Montag, 28.07.1941
Mirla Efros
Stück in vier Akten von J. Gordin – polnische Bearbeitung Andrzej Marek – Feierliche Pre-
miere im Nowy Teatr Kameralny.
Gordins Werke brauchen keine Reklame. Das große schriftstellerische Talent Jakub Gor-
dins spricht für sich selbst. Seine in verschiedene Sprachen übersetzten Werke haben weder
an Frische noch an Aktualität verloren. Die in den Stücken behandelten Probleme haben ihre
eigene Aussagekraft, sie treffen den Kern und werden auf den Punkt gebracht. In Würdigung all
dessen hat Herr Andrzej Marek, der bekannte Regisseur polnischer und jüdischer Bühnen und
auch Theaterschriftsteller (Autor von Wieczna Bajka und Pieśniarz), sich verdient gemacht,
indem er für die Eröffnungsvorstellung des Nowy Teatr Kameralny eines der besten Stücke in
der Bühnenliteratur ausgewählt hat, nämlich Gordins Mirla Efros, auf die Bühne gestellt in der
polnischen Bearbeitung von Herrn Marek.
Mirla Efros, ein in seiner Art eigenes „Epos“ des jüdischen Familienlebens, hat Tradition
im Theaterleben. Man erinnere sich, dass die Hauptrolle vor Jahren auf polnischer Bühne
von der berühmten polnischen Schauspielerin Wanda Siemaszkowa, der Zierde des polni-
schen Theaters, wie auch auf jüdischer Bühne von der großen Tragödin und „Mutter des
jüdischen Theaters“, der Ester Rachel Kamińska selig, gespielt wurde. Neben ihnen spielten
in den anderen Rollen die berühmtesten Schauspieler.
Nicht wenige Schwierigkeiten hatte der versierte Regisseur Andrzej Marek zusammen mit
dem angesehenen Bühnenarchitekten Ingenieur Rubin Szwarc bei der „Montage“ der Bühne
sowie bei der Zusammenstellung des Ensembles, mit dem er dann schließlich das „Terrain“
betrat. Bei der Premiere herrschte eine ungewöhnlich angespannte Stimmung. Offensichtlich
hatten Regisseur und Schauspieler öfter mit den eher bescheidenen Bedingungen zu kämpfen;
man muss jedoch anerkennen, dass sie diese schwierige, sagen wir sehr verantwortungsvolle
Aufgabe im Rahmen der Möglichkeiten gut gemeistert haben.
Die Hauptrolle gab Frau J. Wernisówna, die starke dramatische Akzente setzte, die Ta-
lent und Routine bewiesen. Neben Mirla Efros, der Heldin des Stückes und an der Spitze des
Ensembles, stand Herr J. Moszkowicz (ein durchaus talentierter Amateurschauspieler), der
die Figur des Szalman durchaus charakteristisch gestaltete, diesen schlauen und pfiffigen
Mann, aber gleichzeitig als Adjutant Mirlas treu mit Leib und Seele der zu verwaltenden Firma
ergeben. Sehr gut interpretierte Frau Korzelska die Rolle der gehässigen und windigen
Szajndel, wobei sie äußerst intelligent die Charaktereigenschaften einer Schwiegertochter
herausarbeitete, die über die Schwiegermutter herrschen will. Mit großem Einfühlungsver-
mögen und Verständnis für die Intention des Autors spielte I. Oberska die Rolle der Machla.
Das komische Schwiegerelternpaar, die Eltern von Szajndel, gaben die bekannte jüdische
Künstlerin H. Gotlieb (die lange nicht auf der Bühne zu sehen war) als „Chana Dwojre” und
Herr Regro als „Nachumec”, die beide Bewegung und Humor auf die Bühne brachten. Die
sentimentale Rolle des verliebten Josefs bewältigte Herr Z. Rzęcki mit Erfolg. Überzeugend
in der Rolle des Daniel war Herr Gliczyński. Als resoluter Enkel „Szlojmel“, dem es zur Über-
raschung aller gelingt, durch sein Flehen den Trotz der Großmutter zu brechen, überzeugte
kess, laut und überzeugend Rysio Goldfluss.
Das Nowy Teatr Kameralny, das mit großem Ehrgeiz der Kunst dienen will, kann auf diesen
Erfolg zählen.
H. Cz.
250 VIII. Nowy Teatr Kameralny
GŻ/66/5/1941
Freitag, 01.08.1941
GŻ/68/3/1941
Mittwoch, 06.08.1941
GŻ/69/5/1941
Freitag, 08.08.1941
Mirla Efros
Das zurzeit gespielte Stück Mirla Efros in der polnischen Version von Andrzej Marek ent-
wickelt sich zur künstlerischen Sensation des Warschauer Jüdischen Viertels. Das Stück, her-
vorragend gespielt von einem Ensemble erstklassiger Schauspieler, gespickt mit Einfällen
des berühmten Regisseurs Andrzej Marek, findet im vollbesetzten Saal des Nowy Kameralny
stets begeisterten Beifall des Publikums. Äußerst gut gefallen in der Rolle der Mirla Efros Frau
Wernisówka, vormals Schauspielerin am Stadttheater łódź, sowie der bekannte Künstler
der hauptstädtischen Theaterszene, der hervorragende Komiker Michał Znicz, der mit seiner
Darstellung des Nuchemec zum absoluten Publikumsliebling aufstieg.
Anzumerken ist, dass die Vorstellungen pünktlich um 17 Uhr 40 beginnen und um 19 Uhr
25 enden, was den Besuchern dieses ausgezeichneten Stückes erlaubt, nach der Vorstellung
rechtzeitig auch in die weit entferntesten Wohnungen im Viertel zurückzukommen. Samstags
um 14 Uhr 40 Vorstellungen zu ermäßigten Preisen.
VIII. Nowy Teatr Kameralny 251
GŻ/75/5/1941
Freitag, 22.08.1941
GŻ/78/5/1941
Freitag, 29.08.1941
GŻ/84/2/1941
Freitag, 12.09.1941
GŻ/86/3/1941
Mittwoch, 17.09.1941
und die am meisten – in verschiedensten Variationen – verbreitete Ansicht ist die, dass
Michał Znicz Selbstmord verübte, entweder in Wołomin oder in besagter psychiatrischer
Klinik. Michał Znicz war einer der populärsten Schauspieler im Vorkriegspolen, der neben
seinen Bühnenauftritten in der Zeit von 1921 – 1939 auch in 28 Filmen spielte. Er begann
seine Karriere als Vaudevilledarsteller, wechselte dann ins Komödienfach, spielte aber
auch immer wieder ernsthafte Rollen in großen Dramen:
Auf der Bühne war er zutiefst anrührend, er erschütterte sein Publikum in der Rolle des klei-
nen unglücklichen Menschen, der nicht verstehen konnte, wie alles, was er liebte, vom Leben
und von Menschen niedergetrampelt wurde.180
GŻ/90/5/1941
Mittwoch, 24.09.1941
Heuchelei, Falschheit und menschliche Possenhaftigkeit, all das, was wir vom Leben kennen,
sind zu einer einzigartigen Satire verwoben.
Wahrhaftig wohlgeordnet verläuft das Leben des grundehrlichen, guten und von allen ge-
liebten Apothekers Romuald Bourrachona. Er liebt seinen Beruf als Pillendreher, ist geschäft-
lich sehr erfolgreich, aber mit Frauen hat er stets Pech. Sein ganzes Leben lang wurde er von
Frauen reingelegt, bringt ihnen aber immer wieder aufrichtig seine Gefühle entgegen. Auf
ihn, den armen Gehörnten, tragisch und komisch zugleich, aber prasseln die Kümmernisse
nieder, die ihm vom Schicksal aufgezwungen werden – er jedoch verliert nie sein sonniges
Gemüt, und mannhaft erträgt er einen Schlag nach dem anderen.
Durch drei Akte hindurch entfaltet sich vor uns, gleichsam wie in einem Kaleidoskop, das
Kleinstadtleben mit seinen Gerüchten, Freuden und Sorgen; eine Galerie von Typen und Figu-
ren, die alle ihre eigene Geschichte, sozusagen ihre Lebenshypotheken mit sich herumtragen.
Da gibt es den Freund, der ihm – ganz Gentleman – die Frau ausspannt, da gibt es die Schwes-
ter, die ihm keine Ruhe gönnt, da gibt es die junge Frau, die dem unglücklichen Bourrachona
ein paar schöne Monate bereitet, und doch sitzt er auch hier wieder in der Patsche, als sie
ihn zum Vater eines fremden Kindes erklärt. Ein Geflecht aus verschiedenartigsten Szenen und
all das urkomisch, mit einem Wort – die menschliche Komödie.
Den Bourrachon gibt Michał Znicz, der diese Figur famos, ja hochinteressant darstellt,
wobei er mit einer Reihe schauspielerischer Kabinettstückchen aufwartet. Sein „Gehörnter“
erheitert und bringt zum Lachen, dann wieder greift er einem ans Herz und berührt. So wie
Michał Znicz zu spielen, dessen Talent wir schon oft auf großen Bühnen bewundern durften, ist
eine besondere Klasse der Schauspielkunst. Neben ihm glänzte und beeindruckte die talentierte
Bühnenkünstlerin Frau Irena Oberska, die mit viel Schwung und Temperament die Rolle der
Celina, einer „Ausgeburt der Hölle“, spielte. Den charakteristischen Professor gab der bekannte
Schauspieler Herr Stanisław Szebego. Julia Karo, die schamlose Verführerin und Büßerin in
einer Person, wurde dargestellt von der jungen Schauspielerin Ina Grochowska. Sehr gut und
ganz im Komödienfarcenstil: Herr Szymon Bogdanowicz als „edler Don-Juan“. Mit freiem
Spiel und Redegewandtheit gab der junge Künstler Herr Gr. German den Dr. Widal. Die Regie
von Andrzej Marek: durchdacht und präzise.
H. Cz.
GŻ/93/5/1941
Mittwoch, 24.09.1941
GŻ/97/2/1941
Freitag, 10.10.1941
GŻ/102/5/1941
Mittwoch, 22.10.1941
GŻ/100/3/1941
Freitag 24.10.1941
GŻ/108/2/1941
Mittwoch, 05.11.1941
GŻ/113/3/1941
Sonntag, 16.11.1941
Skarb pod latarnią
(Komödie in drei Akten von Marian Hemar)
Das Nowy Teatr Kameralny zeigt jetzt das dritte Stück (in Reihe) aus der Feder von Marian
Hemar, die Komödie in drei Akten Skarb pod latarnią. Das Stück wurde bereits seinerzeit
unter dem Titel Muzyka na ulicy gespielt. Die Komödien Hemars zeichnen sich vor allem
durch ihre hervorragende Szenenwirksamkeit und ihre Unkompliziertheit aus, es sind subtile,
aber leicht erzählbare Stücke mit freundlichem Hintergrund, Lebensgefühl und dem, was man
„bissige Philosophie“ nennen kann. Dieser talentierte Schriftsteller (der Autor von Jim i Jill)
kann um ein scheinbar kleines Ereignis, das er dann zum Thema eines Stückes macht, die
richtige Atmosphäre schaffen, diesem durch eine entsprechende Gestaltung Geltung geben und
das Ganze harmonisch durchgestaltet auf die Bühne bringen.
Skarb pod latarnią ist eine Komödie mit Niveau, sie ist es wert, ihr einige Worte mehr als
sonst zu widmen, vor allen Dingen aber ist sie allerbest und allersympathischst.
Es geht um das interessante Leben dreier Hinterhofmusikanten, als da sind: Teofil (philo-
sophischer Geiger), Wicek (prasserischer Mandolinenspieler) und Florek (romantischer Zieh-
harmonikaspieler), die einen Schutzengel namens Fela haben – ehrlich, gut, angenehmes
Wesen, sie führt den Haushalt von Florek. Aber sie ist nicht nur Köchin, sie liebt Florek, und
diese Liebe ist inniglich und bereit zur höchsten Hingabe. Nun entwickelt sich im Weiteren
eine lebendige und lustige Geschichte, die damit beginnt, dass einer der Musikanten ein Etui
findet, darin ein Brillantenkollier von Millionenwert. Dieser Schatz, von einem Dieb unter die
Laterne geworfen, ändert das Leben der drei Musiker radikal. Sie verfallen in einen Taumel.
Die Situation rettet aber dann ein lebender Schatz – Fela. Ihre romantische Rückkehr unter das
Dach des Musikers wird zur Rückkehr ins Familiennest, ins häusliche Glück.
In dem Stück treten sechs Personen auf, sie spielen mit Verve und Engagement und neh-
men den Zuschauer gefangen. Große Schauspielkunst von Michał Znicz als philosophischem
Geigenbetrachter. Herr Leon Rytowski, Neuengagement und ein Glücksfall für das Nowy Teatr
Kameralny, gab mit Schwung und nicht alltäglichem Humor die Rolle des Wicek, des Man-
dolinenspielers aus Czerniakow. Szymon Bogdanowicz spielte Florek, den phantasievollen
Ziehharmonikaspieler. Mit Ruhe und großem künstlerischen Potential gab Frau Irena Oberska
die Felka. Ina Grochowska zeigte die schelmische, süß flötende lustige Witwe, den schlauen
Armenier Karape traf Stanisław Szebego auf den Punkt. Die Regie von Andrzej Marek: ge-
lungen.
H. Cz.
258 VIII. Nowy Teatr Kameralny
MARIAN HEMAR
Marian Hemar (Jan Marian Hescheles), im Nowy Kurier Warszawski vom 16. Dezember
1939 als „Monopolist für Verfälschungen“ geschmäht, wurde am 6. April 1901 in Lemberg
(damals Österreich-Ungarn) geboren, wuchs dort auf und studierte nach seinem Abitur
Medizin und Philosophie. Nach einem dreimonatigen Aufenthalt in Ungarn kam er
nach Polen zurück und kämpfte in Piłsudskis Armee im Polnisch-Sowjetischen Krieg
(1918 –1920). 1925 ging er nach Warschau, arbeitete dort zusammen mit Julian Tuwim in
Qui Pro Quo, Banda und Cyrulik Warszawskie. Hemar war Autor von Sketchen, Witzen
und politischer Satire, er schrieb hunderte von Gedichten und äußerst populären Lie-
dern, wobei er meist die Musik dazu komponierte, verfasste Theaterstücke und Hör-
spiele. Von 1934 bis 1935 war er Direktor des Theaters Nowa Komedia. Im Juni 1928
nahm er mit seinem Bugatti an einem Autorennen des „Kleinpolnischen Automobil-
klubs“ teil und belegte den neunten Platz. Nach dem Überfall der Deutschen Wehrmacht
und der Besetzung Polens wurde Hemar auf Grund eines von ihm geschriebenen und
gern gesungenen Liedes über den Schnurrbart Adolf Hitlers („Dieser Schnurrbart, ach
dieser Schnurrbart…“), das in der Vorkriegszeit zu diplomatischen Verwicklungen zwischen
Berlin und Warschau führte, von der Gestapo gesucht. Hemar gelang die Flucht nach
Rumänien, von dort floh er in den mittleren osten und kämpfte als Gefreiter in der
„Polish Independent Carpathian Rifle Brigade“ (für die er eine Brigadehymne kompo-
nierte) in Palästina und vor Tobruk. Schließlich holte ihn General Sikorski nach London,
wo er bei der BBC Goebbels Propagandafunk lächerlich machte und bekämpfte. Nach
dem Krieg blieb er in London, da es ihm als Anhänger der polnischen Londoner Exil-
regierung nach dem Krieg unmöglich war, ins kommunistische Polen zurückzukehren, wo
ihm, wie fast allen seiner Landsleute, die auf Seiten der Alliierten kämpften, sofortige
Verhaftung und Deportation drohten. Er gründete ein Theater im „Klub polnischer Emi-
granten“ sowie das Einpersonentheater Teatr Hemara, dessen wöchentliche Kabarett-
aufführungen vom Sender Radio freies Europa ausgestrahlt wurden. Marian Hemar starb
am 11. Februar 1972.
Autor/Texte: J. Montgomery
Polnische Fassung: Andrzej Marek
Regie: Andrzej Marek
Stück: Komödie in drei Akten
Premiere: 19.12.1941
Derniere: 21.01.1942
Aufführungen: 39 Vorstellungen
Besetzung/Rollen: Michał Znicz [Hauptrolle Bairda]; Leon Rytowski [Geldfälscher
Jackson Ives]; Szymon Bogdanowicz; Ina Grochowska; Felicja Korzelska; Irena oberska;
Marian Gliczyński; Ignacy Moszkowicz [Detektiv]; Stanisław Szybego; Zenon Borowicz;
260 VIII. Nowy Teatr Kameralny
GŻ/2/2/1942
Sonntag, 04.01.1942
GŻ/3/2/1942
Mittwoch, 07.01.1942
Potęga Pieniądza
Das Nowy Teatr Kameralny zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass jedes Stück, un-
abhängig von irgendeiner Stückegattung, stets von kulturellem Wert und gut geschrieben sein
muss. Nach Moje żony mnie zdrazają! und Skarb na ulicy hat nun Potęga Pieniądza Premiere,
alles Stücke, die durchaus auf dem Niveau des Teatr Letni in Warschau anzusiedeln sind.
Potęga Pieniądza, eine Komödie in drei Akten in der polnischen Version von Andrzej Ma-
rek, stand bereits vor ein paar Jahren unter dem Titel Tajemnica Powodzenia auf dem Spielplan
des Teatr Letni in Warschau. Es ist eine klassische amerikanische Satire, die in Industriellen-
kreisen spielt. Das Stück spiegelt mit seinen vielen bühnenwirksamen Szenen äußerst prägnant
die Magie des Geldes wider, als Symbol für das Leben, als Türöffner zur Welt, zeigt die hellen
und dunklen Seiten.
Die Hauptrolle, die des Baird, spielt Michał Znicz. Diese Rolle scheint nur für diesen sehr
talentierten Bühnenkünstler geschrieben zu sein, der geradezu nach der Darstellung dieses
Menschentypus verlangt – Pechvogel und Glückspilz in einem. Znicz gibt auf der Bühne alles
aus seinem großen künstlerischen Vermögen. Daneben ohne Fehl und Tadel: Szymon Bog-
danowicz, Marian Gliczyński, Zemon Borowicz, Stanisław Karo, Stanisław Szebego, Irena
Oberska, Felicja Korzelska, Ina Grochowska und Leon Rytowski (hervorragend als Geld-
fälscher Jackson Ives). Ignac Moszkowicz überzeugte als Detektiv, ebenso Ludwik Altman
als Experte Hammond. Die Regie: erstklassig.
H.Cz.
GŻ/4/2/1942
Freitag, 09.01.1942
GŻ/7/5/1942
Freitag, 16.01.1942
GŻ/14/2/1942
Sonntag, 01.02.1942
GŻ/17/3/1942
Sonntag, 08.02.1942
Dr Berghof przymuje od 2– 4
Stück in drei Akten von Andrzej Marek nach einer Erzählung von Stefan Pollatschek
Seit jeher fanden die Erzählungen und Romane von Stefan Pollatschek höchste Anerken-
nung in breiten Leserkreisen und fast jede seiner Arbeiten wurde ein literarischer Erfolg. Einen
beachtlichen Platz in der „Modeliteratur“ der Arztromane hatte seinerzeit und hat auch heute
noch die Erzählung Dr Berghof empfängt von 2– 4. Hochgelobt von den besten Kritikern
spiegelt sie das Problem ärztlicher Tätigkeit aus literarischem Blickwinkel bei einer der
schrecklichsten menschlichen Tragödien wider. Alle Werke Pollatscheks beinhalten idealis-
tische Ideen und kühne Anschauungen über die uns umfangende Wirklichkeit, so eben auch
die Erzählung Dr. Berghof empfängt von 2–4. Pollatschek attackiert die Welt der Ärzte und
schaut hinter die Kulissen der „Medizinerwelt“ – er zwingt, über die unermesslich sublimen
Probleme eines Arztes nachzudenken, einerseits „Geschäftsmann“, andererseits jemand, der
helfen muss.
Der hervorragende Regisseur, der Autor von Pieśniarze, Andrzej Marek bringt die Erzählung
als eine Art Bühnen-Filmgeschehen auf die Bühne. Mit Einfühlungsvermögen für die Inten-
tionen Pollatscheks gelingt es ihm, in den drei Akten (acht Aufzügen) einen ungewöhnli-
chen Reichtum an Handlung zu entfalten, die den Zuschauer vom ersten bis zum letzten Auf-
zug fesselt.
Bei dieser Bearbeitung verliert die Erzählung nichts, nein, sie gewinnt in der Bühnenfas-
sung dazu.
In Dr Berghof empfängt von 2–4 gibt es zwei Hauptprotagonisten. Der eine ist Dr. Jan
Berghof, ein Arzt voller Ideale, der gegen die Methoden des herrschenden ärztlichen Verhaltens
kämpft und für ein Überdenken der Ansichten und Verhaltensweisen eintritt. Zum anderen gibt
es da Dr. Axt, einen Arzt voller Humor, einen Lebenskünstler, der fröhlich, aber auch mit einem
gewissen Zynismus auf dieses „Ärztetheater“ blickt. Die Rolle des Dr. Berghof spielt der junge
Bühnenkünstler Herr Z. Borowicz, der unzweifelhaft Talent für Dramatik besitzt. Geistige
Beweglichkeit, hervorragende Diktion, freies Körperspiel – Fähigkeiten, die diesem sym-
pathischen Schauspieler alle Möglichkeiten einer Karriere auf den Bühnenbrettern eröffnen.
Michał Znicz als Dr. Axt ist voll in seinem Element. Er gibt den typischen Arzt mit Witz und
Ironie, mit gesundem Menschenverstand beurteilt er das Leben und die versteckten Machen-
schaften der Ärzte.
Die Frauen: Gräfin Brigida di Rona und Małgorzata Fleissner, um die sich die persönliche
Tragödie von Dr. Berghof spinnt, wobei Bronisława Gerson als Gräfin und Felicja Korzelska
ihre Aufgaben mit Bravour lösten. Sehr gelungen auch das Ärztekonsilium, bestehend aus
Ignacy Moszkowicz (trefflich in der Rolle des Krankenhauschefs Prof. Plohner), Ina Grochowska
(Prof. Heimskirchner), Zygmunt Rzęcki (charakteristisch und erzkomisch) und Szymon
Bogdanowicz. Als Frau Wunder, die unglückliche Mutter der operierten Tochter, agierte Irena
Oberska, die das Publikum mit ihrem Spiel zu Tränen hinriss. Die sehr gut gelungene Charak-
terisierung des Provinzarztes Dr. Mittermarder lieferte Staniswław Szebego. Als tapferer Ver-
teidiger des Ärztestandes stand auf der Bühne Herr Rzęcki, der auch die Rolle des Dr. Fellner,
des Verantwortlichen für Gebühren, gab. In der Rolle des Dr. Müller: M. Gliczyński.
Wie es sich gehört, erfüllte das Ensemble (manche Rollen waren doppelt besetzt) alle An-
sprüche – eine eindrucksvolle Aufführung.
Herman Czerwiński
VIII. Nowy Teatr Kameralny 263
GŻ/19/2/1942
Freitag, 13.02.1942
GŻ/25/2/1942
Freitag, 27.02.1942
GŻ/28/3/1942
Freitag, 06.03.1942
GŻ/31/2/1942
Freitag, 13.03.1942
GŻ/20/2/1942
Sonntag, 15.02.1942
9.7 Pieśniarze
[alternativer Titel Boski śpiewak, dt. Der göttliche Sänger]
GŻ/37/5/1942
Freitag, 27.03.1942
GŻ/40/2/1942
Freitag, 03.04.1942
Ein Hinweis an die Akteure: man sollte auf unnötige „polnisch-jiddische“ Klangfärbung bei
der Aussprache verzichten. An den Hintergrund des Stückes angepasstes Bühnenbild von Herrn
A. Liberman.
Herman Czerwiński
GŻ/43/2/1942
Freitag, 10.04.1942
GŻ/45/2/1942
Mittwoch, 15.04.1942
GŻ/50/2/1942
Sonntag, 26.04.1942
Derniere: 11.06.1942
Aufführungen: 40
Besetzung/Rollen: Maria Hinterhof [Hanusia]; Szymon Bogdanowicz [Richter Dr. Kem-
brich]; Ina Grochowska [Sekretärin Elżbieta Lerner]; Felicja Korzelska [Joanna Klar];
Irena oberska [Frau Amlach]; Zygmunt Rzęcki [Arbeiter Lenden]; Marian Gliczyński
[Rechtsanwalt orber]; Zenon Borowicz [Rechtsanwalt Warmans]; Bronisława Gersonówna
[Rechtsanwältin Warmans]; Ignacy Moszkowicz
Presse: Kritik GŻ/57/6/1942; Anzeige GŻ/37/6/1942; Redaktion /43/2/1942 [siehe oben];
Anzeige GŻ/54/6/1942; Anzeige GŻ/57/6/1942
GŻ/57/6/1942
Mittwoch, 13.05.1942
Finał Małżeństwa
Der populäre Roman Finał Małżenstwo war jetzt im Nowy Teatr Kameralny in einer hervor-
ragenden Bühnenbearbeitung zu sehen. Der talentierte Dramaturg und Regisseur Andrzej
Marek entwickelt vor den Augen der Zuschauer die Tragikomödie eines Ehelebens in sieben
farbigen Bildern – fast wie in einem Film. Protagonisten des Stückes sind das Rechtsanwalts-
ehepaar Warmans, das Ehepaar Amlach, der ehemalige Richter Kembrich und schließlich der
Arbeiter Lenden. Bei der Lösung der verworrenen Verhältnisse zeigt der Autor Drama und
Komödie von Ehen.
Die Rolle des Advokaten Warmans spielte Herr Zenon Borowicz, der diese Figur intelligent
gestaltete. Manchmal jedoch konnte er nicht ganz überzeugen. Frau Bronisława Gerson als
Rechtsanwaltsgattin zeigte viel Authentizität und wahrhaftes Spiel. Herr Ignacy Moszkowicz
in der Rolle des Malers Amlach überzeugte besonders bei dramatischen Momenten. Frau Ire-
na Oberska als Frau Amlach zelebrierte die „vis comica“ bei witzigen Dialogen in Perfekti-
on, gefiel aber auch, wenn es nötig war, mit entsprechender Tragik. Der mit außergewöhnli-
chem Talent begabte Szymon Bogdanowicz spielte den durch Leid gebeugten ehemaligen
Richter Dr. Kembrich und rührte mit seiner Schlichtheit die Zuschauer. Sein Richter Kem-
brich ist ein gebrochener Mann, der sein Leid hinter einer Maske von Ironie und Skepsis ver-
birgt, der uns aber in Momenten der Verzweiflung sein wahres Gesicht zeigt. Das Spiel von
Herrn Bogdanowicz, voll von dramatischem Ausdruck und Komik zugleich, ist zurückgenom-
men und mit Augenmaß. Hervorragend auch in der Gestaltung der Hanusa war Frau Maria
Hinterhof – sehr stark im Dramatischen und spritzig in witzigen Dialogen. Sehr gut auch Frau
Felicja Korzelska, die mit großer Anmut die Joana Klar gab. Ihrem ausgezeichneten Spiel
mangelt es jedoch manchmal an Überzeugungskraft. Sehr überzeugend auch Herr Zygmunt
Rzęcki, dessen Darstellung des Arbeiters Lenden das Publikum tief beeindruckte. Herr Marian
Gliczyński als Advokat orber brachte mit temperamentvollem Spiel Humor und Schwung
auf die Bühne. Charaktergenau und ausgezeichnet ausgearbeitet gab Ina Grochowska die
Sekretärin Elżbieta Lerner. Schade, dass diese Künstlerin nur in kleineren Charakterrollen
besetzt ist. Herr Szebego als Gerichtsvorsitzender – gut wie immer. Schließlich sei hier noch
ein unbekannter Schauspieler erwähnt, der mit Anmut die Rolle des Fredzio gab.
Die Regie von Andrzej Marek – auf hohem Niveau. Das hervorragend gespielte Stück wird
mit Sicherheit ein großer Erfolg.
Z.
VIII. Nowy Teatr Kameralny 269
GŻ/69/2/1942
Freitag, 12.06.1942
GŻ/83/2/1942
Mittwoch, 15.07.1942
Autor/Texte: L. Blum
Regie: Jonas Turkow
Stück: Komödie in 3 Akten
Premiere: angekündigt am 24.07.1942
Besetzung/Rollen: Diana Blumenfeld; Jonas Turkow; Ensemble
Musik: M. Spolański
Musikalische Leitung: I. Hamerman
Choreographie/Ballett: Irena Prusicka
Presse: Keine Kritik gefunden; Anzeige GŻ/81/6/1942; Redaktion GŻ/83/2/1942 [siehe
oben]; Anzeige GŻ/87/6/1942
9.11 Extravorstellungen
GŻ/25/2/1942
Freitag, 27.02.1942
GŻ/29/2/1942
Sonntag, 08.03.1942
die großartige Komödie Kłopoty Bourachona, in der Znicz die Hauptrolle des vom Pech verfolg-
ten Apothekers Bourachon spielt, der ständig von den Frauen hereingelegt wird. Znicz spielte
diese Rolle schon ein paar hundert Mal auf jüdischen Bühnen. Der zweite Jubilar, Herr Szebego,
gab einen hervorragenden zerstreuten Professor. Enthusiastischer Beifall für die zwei Akteure.
Am Freitag, den 24. Juli 1942, zwei Tage nach Beginn der Verladung der Juden in Vieh-
waggons zur Vergasung nach Treblinka, erschien in der Gazeta Żydowska die Ankündigung
der Premiere des Stückes Der Weg ins Glück im Nowy Teatr Kameralny. Aufgeführt wurde
es nicht mehr.
1. DAS THEATER
Bereits Mitte 1940 wurde der Saal des Melody Palace im jüdischen Viertel als Veranstal-
tungsort für Revuen, Tanz- und Kabarettveranstaltungen sowie für Konzerte genutzt. Chaim
Kapłan schreibt dazu in seinem Tagebuch:
182 GŻ/14/2/1940.
282 IX. Melody Palace
Mitten im offiziellen Judenviertel gibt es eine Tanzbar, die nur von Juden besucht wird. Jene
Leute, die selbst in Notzeiten nur an ihr Vergnügen denken, gehen dorthin, um einen angeneh-
men Abend zu verbringen. Außer an Getränken können sie sich dort auch an jüdischer Musik
und an jüdischen Liedern erfreuen. Gestern wurden dort vierhundert Eintrittskarten zu einem
Preis von viereinhalb Złoty das Stück verkauft, während die Selbsthilfemarken, die dort unter
diesen behaglich lebenden Leuten verkauft wurden, sechzig Złoty einbrachten. Und dies auch
nur nach vielem Bitten und Betteln und Mahnen.183
Die erste Anzeige in der Gazeta Żydowska vom 02. August 1940 wirbt mit
Melody Palace. Seit 1. August mit völlig neuem Programm! Täglich ab 16 Uhr. Samstag und
Sonntag Matineen mit dem kompletten Programm. Orchester: Leopold Rubinsztajn. Cocktail-
bar ab 16 Uhr geöffnet.184
Daneben gab es u. a. Auftritte der Theatertruppe Pięć wesołych chwatów mit Diana
Blumenfeld, R. Rozen-Najwirt, Dawid Birenbaum, Icchak Grynspan und Józef Kinelski
unter Leitung von Mieczysław Fridman. Auch Jerzy Jurandot hatte dort zusammen mit
Michał Znicz, Edmund Minowicz, Zygmunt Regro und Symcha Fostel mehrere Auftritte.
In dem eben installierten Ghetto gab es in der Rymarska-Straße ein Tanzlokal, das Melody
Palace. Eigentümer war der bekannte Restaurantbesitzer Hirszfeld. Das Melody Palace war
ein riesiger zweistöckiger, nicht besonders einladender Saal, der nichts mit einem warmen und
intimen Tanzlokal gemein hatte. Das Parkett hatte die Ausmaße einer Schlittschuhbahn bzw.
Basketballfeldformat. Die Galerien im ersten und zweiten Stock waren für Publikum bestuhlt.
Von Galerie zu Galerie führten Treppen, auf der höchsten kam man in die Bar, wo Leute, die
bis zu diesen Zeiten kaum etwas getrunken hatten, sich einen Wodka nach dem anderen rein-
kippten, als seien sie gelernte Säufer, die im Alkohol Vergessen finden. Für uns hatte der Bar-
mann immer ein Gratisgläschen, aber wir gingen kein einziges Mal angetrunken auf die Bühne.
Im Saal selbst gab es ein großes Podium für das Orchester von Leopold Rubinsztajn und ein
kleineres für uns.185
Hervorragendes Kabarett – Tanzdarbietungen auf europäischem Niveau. Ein großer Saal, aber
dennoch eine ziemlich düstere Angelegenheit. Hier verkehrten die Ghettoreichen, Spekulanten,
Betrüger, die Geschäfte mit Deutschen und für Deutsche machten, daneben die reich gewor-
denen Ordnungsdienstleute mit ihren Flittchen. Zu sehen waren im Melody Palace die besten
Künstler des Ghettos, darunter viele meiner Bekannten wie z. B. Dora Fakiel. Musik mach-
ten verschiedene Orchester, aber meist spielte das von Leopold Rubinstein, den ich aus dem
Taburin in łódź kannte. Ich weiß nicht, wie die einzelnen Kabarettveranstaltungen und die-
ses Nachtleben waren. Trotz vieler Bitten und Einladungen von Dora Fakiel war ich nicht
ein einziges Mal in diesen Vorstellungen – das immer größer werdende Elend und die auf den
Bürgersteigen liegenden Leichen machten es mir einfach unmöglich. Aber das Verlangen nach
solch einem Wahnsinn war groß. Davon zeugt die Tatsache, dass in einem Anbau des Melody
Palace die sogenannte Tawerna cygańska eingerichtet wurde, entsprechend dekoriert und dann
Bachus und Venus geweiht. Ein Spielsalon wie auch die vorigen Investitionen waren von den
Deutschen gedeckt und für die gedacht, für die Karten wichtiger waren als Wodka, Tanzerei
oder Frauen.
Dennoch war ich ziemlich oft im Melody Palace, nämlich dann, wenn dort Symphoniekon-
zerte gegeben wurden. Ich erinnere mich daran mit einem Gefühl von Freude und Melancholie.
Die Orchesterleitung hatte meist mein Patient und guter Bekannter inne, Marian Neuteich, ein
hervorragender Musiker und vor dem Krieg bekannt vom Warschauer Radio. Stets kämpfte
er mit der Unterbesetzung des Orchesters und dem Mangel an Noten. Die Musiker litten an
Hunger, zwei starben buchstäblich den Hungertod. Konzertveranstalter waren die Eigentümer
des Melody Palace – irgendwelche Arier zusammen mit irgendwelchen Juden, die das Orchester
schamlos ausbeuteten. Die Karten waren ziemlich teuer, der Saal groß und fast immer gedrängt
voll. Juden lieben Musik. Unter den Zuhörern konnte man neben den Reichen viele kleine
Beamte, arme Jugendliche und Vertreter der Welt des Proletariats sehen. Proben gab es nur
wenige, wie auch konnte man von diesen Hungerleidern von Musikern anstrengende Probe-
arbeit verlangen, für die sie lediglich ein paar Groschen bekamen. Besonders die großen sym-
phonischen Werke, kaum geprobt, instrumental wild besetzt, klangen nicht besonders angenehm
für Besseres gewohnte Ohren. Und dennoch machten die „V. Symphonie“ von Beethoven,
Tschajkowskis „Pathetik“ oder auch die „Eroika“ großen Eindruck in diesem Kabarettlokal
mit seiner elenden Akustik. Als ich das erste Mal bei einem Konzert im Melody Palace war und
als dort nach drei energischen Schlägen von Neuteich mit dem Taktstock aufs Pult die Unter-
haltungen im Saal abbrachen und das Geschepper des Geschirrs und das Klirren der Gläser
verstummte – es war durchaus üblich, dass man während eines Konzertes aß und trank – spielte
urplötzlich ein Geigenquartett. Als die V. Symphonie erklang, kamen mir die Tränen, und ich war
so ergriffen, wie ich es noch nie vorher bei einem Konzert erlebt hatte, auch nicht bei den besten
Konzerten der Lodscher oder Warschauer Philharmonie mit den berühmtesten Dirigenten.186
2. ZUM SPIELPLAN
Zu sehen waren im Melody Palace ausschließlich Volksstücke mit Musik bzw. Operetten
wie Di idysze Chasene187 mit dem Franciszka-Mannówna-Ballett und verstärktem Ensemble
(„urkomisches und attraktives Volkstheater“); Szachne wi lojfste („rekordverdächti-
gem Publikumserfolg – Humor! Gesang! Tanz!“); Di Rumenisze Chasene und Freiliche
Kabcunym („eine Revue par excellence“).
3. DIE LEITUNG
Künstlerischer Leiter und Dramaturg des Melody Palace war bis Juni 1941 Jerzy Jurandot,
der dann ans Femina ging (er hatte also nichts mehr zu tun mit den Inszenierungen, die ab
186 Henryk MakowEr, Pamiętnik z getta warszawskiego październik 1940-styczen 1943, Wrocław et al.,
1987, 196 –197.
187 In Anführungszeichen gesetzte Kommentare sind Zitate aus den jeweiligen Kritiken von Herman
Czerwiński.
IX. Melody Palace 285
4. DAS ENSEMBLE
Am Melody Palace spielten: Symcha Fostel, Chana Lerner und Dawid Zajderman, die
alle vom Eldorado kamen und dort am 2. September 1941 ihre Abschiedsvorstellung
gaben. Sie spielten vom 5. September 1941 bis 22. oktober 1941 in allen vier Stücken
und hatten 70 Auftritte. Symcha Fostel ging nach dem Ende des Melody Palace ans
Nowy Azazel, wo er für acht Stücke Engagement fand; Harry Zajderman spielte am
Eldorado bis 31. August 1941 und war im Melody Palace in drei Stücken mit 39 Auf-
tritten zu sehen. Danach ging er wieder ans Eldorado zurück, wo er dann in drei Stücken
auf der Bühne stand. Bemerkenswert ist, dass Harry Zajderman, obwohl er zusam-
men mit Symcha Fostel, Chana Lerner und Dawid Zajderman das Eldorado verließ,
in dem redaktionellen Beitrag der Gazeta Żydowska „Die bekannten Künstler Chana
Lerner, Dawid Zajderman und Symcha Fostel werden nach dreimonatigem Engage-
ment das Eldorado verlassen,“ nicht erwähnt wurde; Dawid Birenbaum kam ebenfalls
vom Eldorado, wo er mit einer Unterbrechung vom 6. Dezember 1940 bis 9. Juli
1941 spielte, am Melody Palace war er in drei Stücken mit 39 Auftritten zu sehen.
Danach ging er wieder zurück ans Eldorado, wo er dann noch zwei Stücke spielte;
Sara Margot hatte Rollen in zwei Stücken; in Di Rumenisze Chasene trat sie 16 Mal
auf, in die Freiliche Kabcunym 48 Mal. Sara Margot kam vom Teatr Nowy Azazel ans
Melody Palace, ging dann ans Femina und hatte dann wieder ein Engagement am
Teatr Nowy Azazel; Maria Hinterhof, die vom Na Pięterku kam, spielte in Szachne wi
lojfste, hatte 31 Auftritte und wurde danach am Nowy Teatr Kameralny für zwei Stücke
angestellt. Die Choreographin Franciszka Mannówna spielte in Freiliche Kabcunym
48 Vorstellungen.
5. REGIE
In den Kritiken der Gazeta Żydowska wird lediglich Igor S. Korn-Teuer für das Stück Di
Idysze Chasene als Regisseur erwähnt.
286 IX. Melody Palace
6. AUTOREN
Die Stücke Di Idysze Chasene und Freiliche Kabcunym stammen aus der Feder von Igor
S. Korn-Teuer, Di Rumenisze Chasene von Mojżesz Schor. Für Szachne wi lojfste konnte
weder in redaktionellen Beiträgen noch in der Anzeige ein Hinweis auf den Autor ge-
funden werden.
Zygmunt Berland, Felicja Messing und A. Rumszyński waren für Musik und musikalische
Leitung zuständig.
Choreographin des Melody Palace war Franciszka Mannówna (Freiliche Kabcunym,
Szachne wi lojfste, Di Idysze Chasene).
In den Kritiken und redaktionellen Beiträgen konnte kein Bühnenbildner gefunden
werden.
8. BILANZ
Das Volksbühnenensemble des Melody Palace bestand – wie bereits erwähnt – hauptsäch-
lich aus den Mitgliedern der Zajdermanfamilie. Für die jeweiligen Stücke, die nach den
Ankündigungen und Kritiken äußerst aufwendig inszeniert waren (verstärktes Ensemble,
orchester, Chor, Ballett, Statisterie), wurden Gäste verpflichtet, über deren Namen und
Zahl nichts zu ermitteln war, auch ist so gut wie nichts über Chöre, Musiker und Ballett
bekannt, wer von ihnen fest im Engagement war oder wer als Gast auftrat. Mit der Pre-
miere und den anschließenden Vorstellungen von Freiliche Kabcunym endete der Spiel-
betrieb des Melody Palace im Ghetto. Im Zuge der Ausgliederung, d. h. der Verkleinerung
des Ghettos am 20. März 1942, fand sich die Rymarska-Straße auf der arischen Seite
wieder, wo das Melody Palace dann unter anderem Namen als Konzertsaal diente:
Im Melody in der Rymarska-Straße 12 spielte das Jazzorchester von Georg Scott, einem jun-
gen, schmucken Mulatten, einem hervorragenden Dirigenten, von dem man vor dem Krieg
nichts gehört hatte. Das Scott-Orchester spielte vor allem amerikanische Titel, aber auch auf
Wunsch von Gästen Tangos wie „Jalousie“ oder „Ramona“.188
Das Melody Palace wurde 18 Mal in der Gazeta Żydowska erwähnt: elf redaktionelle Bei-
träge, drei Kritiken und vier Anzeigen.
GŻ/34/3/1941
Freitag, 25.04.1941
Kinderfestival
Am Samstag, den 3. Mai findet unter der Schirmherrschaft der Frau Redakteurin Gancwajch
(JWP.) um 12 Uhr im Melody Palace, Rymarska-Straße 12, ein großes Kinderfestival statt.
Zu sehen sein wird eine dreiteilige Pantomime mit Gesang und Tanz unter dem Titel Der ver-
zauberte Wald, aufgeführt von dem hervorragenden Kinderensemble Helena Ajzenberżanka.
Erster Teil „Vorfrühling“, zweiter Teil „Phantasie einer Sommernacht“ und dritter Teil „Im Glanz
der Sonne“. Regie und Choreographie Helena Ajzenberżanka. Gezeigt werden Ensemble- und
Solotanz, Tiroler, ukrainische, russische und andere Tänze. Ausführende sind 60 Kinder im
Alter von drei bis zwölf Jahren. Die Conférence übernimmt St. Grodzieńska. Die gesamten
Einnahmen sind für arme Kinder vorgesehen. Vorverkauf: Pastetenbar Sienna-Straße 32,
Konditorei Sommer Żelazna-, Ecke Chłodna-Straße, Ż.T.o.S. Tłomacka-Straße 5 und Melody
Palace Rymarska-Straße 12.
GŻ/41/3/1941
Freitag, 23.05.1941
Kawiarnia Literacka
In diesen Tagen wurde in den unteren Räumlichkeiten des Melody Palace (Rymarska-Straße 12)
die Kawiarnia Literacka unter qualifizierter Leitung und Mitarbeit hervorragender polnisch-
jüdischer Schriftsteller eröffnet. Die Kawiarnia Literacka soll vor allem ein Treffpunkt der jüdi-
schen Intelligenz sein, die bis jetzt kein auf entsprechend hohem Niveau stehendes Café zur
Verfügung hatte. Es ist daher nicht zu verwundern, dass breiteste Kreise der jüdischen Intelli-
genz die Eröffnung der Kawiarnia Literacka begrüßen.
288 IX. Melody Palace
Abram Rubinsztajn
Jeder Warschauer kennt Rubinstein, fast jeder erfreut sich an dessen „Weisheiten“ und viele
zitieren ihn bei Unterhaltungen und Gesprächen. Eines Tages nun entdeckten Passanten in
der Auslage eines Photogeschäftes Bilder, die eben diesen Rubinstein in verschiedenen Posen
zeigen und mit „Photographie – Erinnerung an Rubinstein“ beworben werden und für zwei
Złoty im Geschäft gekauft werden können. Die Bedeutung dieser scheinbar kleinen Bilder
wird um so größer, wenn man bedenkt, dass sie das Idol eines großen Kreises von Rubinstein-
verehrern zeigen, und unwillkürlich fragt man sich:
– Was ist daran so besonders und warum sind die Redensarten dieses „Penners“ so populär?
Wahrhaft merkwürdig und schwer zu glauben ist die Tatsache, dass Menschen von Kultur, die
sich die „Intelligenz“ nennen, Redensarten übernehmen und auch verkünden, die mit Kultur
nicht das Geringste zu tun haben.
Ich erinnere mich, dass Ende März bei mir drei Herren erschienen, die, statt einer ordentli-
chen Begrüßung, mich im Chor mit – „Halt durch Junge! Gib den Bon ab!“ bedachten, wobei
sie vor Lachen brüllten.
Ich stand verdutzt da und konnte nur noch denken, dass sie verrückt geworden seien.
Es dauerte nicht lange und alle diese Slogans fanden Eingang in die Umgangssprache, in die
Presse und wurden sogar Thema etlicher Theatervorstellungen. Das „Alle gleich“ dieses nicht
ganz zurechnungsfähigen Menschen wurde Redensart aller Schichten.
Hier drei authentische Beispiele, Dokumente – selbst erlebt:
– Meine Verehrung. Wie die Zeit vergeht… Apropos, haben Sie irgendetwas von dem
Ingenieur B. gehört? Na ja, wahrscheinlich hat er die „Bons abgegeben“.
– Entschuldigung, was hat er abgegeben?
– Ha, ha, ha, das ist köstlich. Das kennen Sie nicht? Rubinstein, das ist ein Spruch von
Rubinstein. Von wem? Wer ist dieser Rubinstein?
– Was, wer ist?? – mein Gesprächspartner wurde merklich kühler – Sie müssen Rubinstein
doch schon einmal gesehen haben! Seit einem Jahr geht er mit seinem Spruch „Alle gleich“
durch die Straßen und bettelt.
– Möglich. Aber ich erinnere mich nicht an ihn. Also dieser Bettler ist der Urheber dieses
Spruches. Wissen Sie, na ja, das ist schon komisch, sozusagen unterhaltsam…
– Auf jeden Fall unterhaltsamer als Ihre Gesellschaft.
Mein Gesprächspartner, das war nun klar, dieser gebildete Mensch also begeisterte sich an
den Plattheiten und zweifelhaften Witzen dieses Rubinsteins.
Zweites Beispiel:
– Na Servus. Was machst Du so? Weißt Du, Bruder, bald werden wir alle gleich sein, ja, alle
gleich…
Und: Ich treffe eine liebe Bekannte.
– Stasiu! – zwitschernd und zerfahren – Stasiu! wie ich mich freue, dich zu sehen. Weißt du,
ich möchte nicht allein zu Krysia gehen. Komm, begleite mich, du Blitzkerl, also „Junge halt
durch!“
Kurz gesagt: Es ist endlich Zeit, den Bon zurück an Rubinstein abzugeben.
St.C.189
189 GŻ/94/5/1941.
IX. Melody Palace 289
Während in den Ghettotheatern Regina Cukier, Michał Znicz, Diana Blumenfeld und die
anderen Größen der Ghettotheaterlandschaft ihre Triumphe feierten, stand ein anderer
Akteur an der Rampe der großen Ghettobühne. Er war der Star der Ghettostraßen. Jeder
kannte ihn. Hieß es „Rubinsztajn hat gesagt“, wusste jeder, dass es sich um den Rubin-
sztajn handelte – Abram Rubinsztajn aus łódź. Selbst vor den deutschen Gendarmen
hatte er nicht den geringsten Respekt. Er quatschte sie an, parodierte sie zu deren Ver-
gnügen und schnorrte Zigaretten. Der Narr des Ghettos. Ein Narr von Shakespearescher
Dimension. Die jüdische Ausgabe des polnischen Stańczyk, des Hofnarren etlicher polni-
scher Könige.
Abb. 58:
Abram Rubinsztajn.
290 IX. Melody Palace
Ob er verrückt war oder die Rolle seines Lebens spielte, ist umstritten, aber was bedeutet
schon „Verrücktsein“ in einer Umgebung, in der alle Vorstellungen von Normalität seit
Einrichtung des Ghettos von den Besatzern verrückt wurden. Seine Auftritte und Sprüche
waren legendär.
Seine Rufe wie „chłopcze trzymaj się“, „ałe glach” oder „oddaj bon“, die zu hören sind, wenn
er einen Leichenwagen sieht, sind so populär, dass man sie überall als Tagesdevise, als Parole
hören kann. Schon früh morgens, bei schlechtem wie bei gutem Wetter, sieht man ihn auf der
Straße, sieht man, wie er hinter der Straßenbahn, hinter Droschken und Leichenwagen herläuft
und dabei in Richtung der darauf liegenden Leichen sein „Gib den bon ab“ ruft. Er springt auf
jede Straßenbahn auf und dann wieder ab, alle Schaffner kennen ihn, das ganze jüdische Viertel
kennt ihn. Und seine „Weisheiten“ gehen von Mund zu Mund durchs Viertel, sind zuhause in
den Cafés, bei Versammlungen der Hauskomitees und in der Gemeinde zu hören. Angeblich
auch bei einer Sitzung des Judenrates, wo in Anwesenheit des Vorsitzenden das Rubinsztajin-
sche „Ingeł hałt doch”, „Ałe glach” usw. zu hören gewesen sein soll.190
Sein „Alle gleich”, sein „Den Bon abgeben“, sein „Jingł halt durch“ war fester Bestandteil
des Ghettovokabulars, wobei „Jingł halt durch” Überschrift einiger Glossen in der Gazeta
Żydowska abgab, die sich offensichtlich die Popularität Rubinsztajns zu Nutze machen
wollte und diese Artikel mit „Rubinsztajn“ zeichnete.
Am lautesten rief Rubinsztajn sein „Alle gleich“. Das klingt banal. Man muss sich jedoch er-
innern, dass er das im Frühjahr 1941 rief und diese harmlose Feststellung sich als verschlüsselte
Botschaft erwies. Es ging um die Gleichheit vor dem Tod, vor dem kein Reichtum, keine Aura
von Macht und kein Verdienst schützte. Motel Pinkert, Eigentümer des größten Begräbnis-
institutes, wusste, was zu tun war, und eröffnete eine Filiale in der Smocza-Straße. Der König
der Toten offerierte Begräbnisse mit Sarg und Leichenwagen. Immer öfter jedoch wurden
Leichen auf den Bürgersteigen eingesammelt. Sie wurden auf einen Karren geworfen und dann
in einem Massengrab begraben [...].191
Im Mittelalter war der eigene Löffel ein lebensnotwendiges Werkzeug und wurde immer
überallhin mitgeführt. Ihn „abzugeben“ (oder „abgeben zu müssen“) war gleichbedeutend
mit „kein Lebensrecht mehr zu haben“, d. h. mit dem Tod. Rubinsztajns Euphemismus
hieß „Den Bon abgeben“. Der „Bon“, das waren die Lebensmittelmarken, und die Bons
abgeben hieß sterben, keine Bons zu haben, war gleichbedeutend mit Tod, wobei man,
wenn man sich nur von den Lebensmitteln ernährte, die auf Marken ausgegeben wurden,
auch verhungerte. Und um überleben zu können, forderte Rubinsztajn folgerichtig die
Lebensmittelkarten von den Toten, die auf Fahrrädern mit Ladefläche (eine Erfindung
Motel Pinkerts) weggeschafft wurden. Und das Lied der bettelnden Kinder, die „Gib far a
sztikele Brot“ sangen, endete mit dem Rubinsztajnrefrain:
190 GŻ/35/2/1941.
191 Ryszard Marek Groński, Proca Dawida, 27.
IX. Melody Palace 291
Im Melody Palace wurde Rubinsztajn in Couplets als Kollege, als Schauspieler eines avant-
gardistischen Spektakels gewürdigt: Die populärste Gestalt im Viertel das ist Rubinsztajn, ein
Verrückter, ein Mensch in Lumpen auf der Straße Unser Rubisnztajn, der gerade jetzt ruft:
Szabes far ale jidelach Urem, rach, ale glach!193
Rubinsztajn allerdings gab sich nicht damit zufrieden, die Attraktion einer Revue zu sein.
Er inszenierte seine eigene Komödie in zwei Akten mit dem Titel Tod und Auferstehung
des Abraham Rubinsztajn, besetzte die Hauptrollen mit der Ghettoprominenz, sorgte für
Statisterie und Bühnenbild – einen Friedhof – und wartete auf die Besprechung seiner
Inszenierung in der Gazeta Żydowska, die dann auch prompt titelte:
Rubinsztajn gestorben…
Die Sensation im Viertel
Wer kannte ihn nicht, den tanzenden Sokrates des Viertels, Rubinsztajn, diesen unbekümmerten
Spaßmacher auf unseren Straßen, diesen Stańczyk aus der Pawia, der betrübten Seelen Mut und
Zuversicht gab, der jedem riet, „den Bon nicht abzugeben“, und es gab nicht einen, der seine
trefflichen Weisheiten, Sprüche, seine Schlager und seine Schlagfertigkeit nicht kannte.
Und nun gibt es ihn nicht mehr. Er ist gestorben. Völlig unvermutet. Unvermutet deshalb, da
es sich niemand vorstellen konnte. Er wird fehlen in unserem Straßenbild, dessen unverzicht-
barer Bestandteil er war.
Zu seinem Begräbnis kamen seine Verehrer, Trauernde aus allen Schichten der Bevölkerung,
Vertreter zahlreicher Institutionen, Gemeindebeamte, ja sogar Gemeinderäte. Und so nahmen
nun zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens unseres Viertels am offenen Grab mit
warmen Worten Abschied von Rubinsztajn.194
Um wie viel größer war die Überraschung, die er uns vorgestern bereitete. Er selbst erschien
in eigener Person, um die Gerüchte über seinen angeblichen Tod richtigzustellen. Den ganzen
Tag über besuchte er Institutionen und Persönlichkeiten und dankte ihnen für ihre Teilnahme
am Begräbnis, für sein Gedenken, für die Grabreden, für die Worte des herzlichen Mitgefühls
und überhaupt für alles, was er in den Tagen seines Hinscheidens erfahren hatte.
Man kann sich vorstellen, was der Anblick des „Gestorbenen“ bewirkte (einige Frauen wur-
den sogar ohnmächtig). Dann verkündete er mit einem gewissen Stolz, dass er tatsächlich krank
gewesen sei und als er fühlte, dass der Tod ihn holen wollte, habe er einen Stellvertreter mit
einem ähnlichen Namen wie dem seinen beschafft.
Er selbst habe dann äußerst interessiert beobachtet, wie man auf sein Hinscheiden reagiert
habe, und sei überwältigt gewesen von so viel Mitgefühl. Und so erschien er nun in der Re-
daktion unserer Zeitung, um sich für die große Anteilnahme zu bedanken, und bat um eine
Anzeige mit dem Text „Leider vermag ich nicht, allen persönlich zu danken (so spricht nur
ein Mann mit Takt und Weltmanieren…), und so möchte ich mich bei allen, die mir in diesen
schweren Tagen (obwohl sie für ihn selbst ganz lustig waren, bemerkt er mit einem Lächeln) ihr
Mitgefühl gezeigt haben, auf diesem Wege usw. usw.195
195 GŻ/113/3/1941; möglicherweise ist das Ganze aber auch ein Coup der Gazeta Żydowska, da es
sehr schwer vorstellbar ist, dass Rubinsztajn für die Dauer seines Todes untergetaucht war und –
von niemandem erkannt – die Reaktionen auf seinen Tod beobachten konnte.
IX. Melody Palace 293
GŻ/41/3/1941
Freitag, 23.05.1941
GŻ/48/3/1941
Dienstag, 17.06.1941
GŻ/58/3/1941
Montag, 14.07.1941
GŻ/59/3/1941
Mittwoch, 13.07.1941
Marysia Ajzensztadt wurde auf dem Umschlagplatz von einem SS-Mann bei der Verladung
in Viehwaggons erschossen.
196 GŻ/126/2/1941. Wiktor Hart war das Pseudonym von Marcel Reich-Ranicki.
296 IX. Melody Palace
11. STÜCKE
GŻ/78/5/1941
Freitag, 29.08.1941
GŻ/84/2/1941
Freitag, 12.09.1941
GŻ/85/3/1941
Montag, 25.09.1941
von Wolsztejn und gesungen von Ch. Lerner, D. Birnbaum und H. Zajderman. Wahre Lach-
salven ernteten Telegramme, die an die Neuvermählten gerichtet waren. Diese Depeschen,
gespickt mit hervorragenden Stückchen und Witzen, verkündeten: Frau Chana Lerner und
S. Fostel. Besonderen Eindruck machte die rührende Nummer „Wajse necht“ – weiße
Nächte – mit Text und Musik von A. Wolsztejn, dargeboten von Franciszka Mannówna und
H. Zajderman.
Wahre Begeisterung erregte das Ballett (Choreographie und Einstudierung: Franciszka
Mannówna), das sich äußerst effektvoll präsentierte. Die Solonummern begleitete Frau
F. Messing. Die ganze „Hochzeitszeremonie“ endete mit der vergnüglichen Nummer „A hojf
komitet“ (Text M. Tykociński) und dem Finale unter Beteiligung aller Mitwirkenden sowie
des Publikums, das sich an allem, was es sah und hörte, trefflich unterhielt.
H. Cz.
Stück: Volksoperette
Premiere: 26.09.1941
Dernière: 22.10.1941
Aufführungen: 31
Vorstellungen: Täglich um 16.00 Uhr konzertiert das vergrößerte Orchester von Zygmunt
Berland, Vorstellung dann um 17.30 Uhr
Besetzung/Rollen: Chana Lerner; Dawid Zajderman; Symcha Fostel; Maria Hinterhof;
Franciszka Mannówna
Musik: Zygmunt Berland, Orchester „Z. Berland“
Musikalische Leitung: Zygmunt Berland
Choreographie: Franciszka Mannówna
Presse: Keine Kritik gefunden; Redaktion GŻ/94/5/1941; Redaktion GŻ/97/2/1941;
Anzeige GŻ/97/4/1941
GŻ/94/5/1941
Freitag, 03.10.1941
GŻ/97/2/1941
Freitag, 10.10.1941
GŻ/102/5/1941
Mittwoch, 22.10.1941
GŻ/113/3/1941
Sonntag, 16.11.1941
Di rumenysze chasene
Die Rumenysze chasene, eine operette von Szor mit der Musik von Rumszyński, war auf nahe-
zu allen jüdischen Bühnen zu sehen, besonders auf den jüdischen Bühnen Amerikas. Der Inhalt
dieser mehr oder weniger sich ähnelnden Humbugstücke ist fast immer mehr oder weniger
gleich. Es ist ein typisches Volksstück mit Chor, Ballett und Statisten, mit Humor, Liedern,
Refrains usw. Und am allerwichtigsten – ein glückliches Ende.
IX. Melody Palace 301
GŻ/120/4/1941
Mittwoch, 03.12.1941
Freiliche Kabcunym
Stück in zwei Teilen in der Bearbeitung von S. Korn-Teuer.
Die letzte Premiere im Melody Palace mit dem Titel Freiliche Kabcunym zeigte ein gut
durchdachtes Stück, eine Revue par excellence, ausreichend kurzweilig, im Programm einige
originelle Nummern (Texte von S. Korn-Teuer) und, was das Wichtigste ist, genau im Ton
getroffen, besonders in den Sketchen „Zwei Tojbe“ (Zwei Taube), „A majdł in djurn“ (Ein
Mädchen in den Jahren) und „A Giet zoł Mit Zajn“ (Geschieden muss sein). Ausführende waren
Chana Lerner, Sara Margot, Dawid Zajderman, Symcha Fostel, Dawid Birnbaum und Harry
Zajderman. Diese Künstler, die gewissermaßen schon eine eigene Hausnummer in der Schau-
spielerszene haben, sie einzeln zu besprechen ist wahrhaftig überflüssig. Man muss jedoch
unterstreichen, dass, wenn einer der erwähnten Schauspieler mit seinem Repertoire auftrat,
er mit stürmischem Beifall empfangen wurde. Sehr effektvoll auch die Tanzdarbietungen von
Frau Franciszka Mannówna („Marsu“ und „Małagan“).
H. CZ.
302 IX. Melody Palace
11.5 Extravorstellungen
Feiertagsmatinee
Vorstellung: 06.10.1941 und 07.10.1941, 12.00 Uhr Matinee
Besetzung/Rollen: Aneta Rajzer [Tanz]; Stefania Grodzieńska; Edmund Minowicz, Sara
Margot
Musik: Berland-Orchester unter Leitung von Zygmunt Berland
Presse: Redaktion GŻ/97/2/1941
GŻ/97/2/1941
Freitag, 10.10.1941
GŻ/119/3/1941
Sonntag, 30.11.1941
lern des Viertels ist zu erwarten. Neben der Jubilarin werden auf der Bühne zu sehen sein:
Marysia Ajzensztadt, Wiera Gran, Franciszka Mannówna, Helena ostrowska, W. Boruński,
S. Fostel, Samberg, Artur Gold u. a., die von Jakub Kargan, Felicja Messing, Janina Prusicka,
Ignac Rozenbaum, Liliana Warm und Professor Zygmunt Wolfsohn begleitet werden. Die
Jubiläumsveranstaltung zu Ehren von Diana Blumenfeld (für die sich die gesamte Künstler-
welt des Viertels vorbereitet) findet am Samstag, den 6. Dezember um 12 Uhr im Melody
Palace statt und hat bereits jetzt schon größtes Interesse in weiten Kreisen des Publikums er-
regt, besonders aber bei der jüdischen Intelligenz, da sich bei ihr die Darbietungen von Diana
Blumenfeld großer Beliebtheit erfreuen.
GŻ/126/2/1941
Mittwoch, 17.12.1941
Emanuel Ringelblum wurde am 7. März 1944 mit seiner Frau, seinem kleinen Sohn und
anderen Untergetauchten in einem Versteck aufgestöbert und einige Tage später mit seiner
Frau und seinem Sohn im Warschauer Pawiak-Gefängnis erschossen.
Zwei Eintragungen aus Ringelblums Kronika Getta Warszawskiego, die man nach dem
Krieg – versteckt in einer Milchkanne – fand:
Auf polnischen Straßen sieht man manchmal ein Lächeln, auf jüdischen – Trauer.
Die (Deutschen) haben zuerst Halina Dikstejn umgebracht und dann Ehrlich. Grund: Sie inter-
venierten auf dem Umschlagplatz und befreiten gegen Geld viele Leute. In ihren Wohnungen
hatten sie viele Chassiden versteckt. Sie hatten Kontakte zu Rabbinern. Sie hatten vor dem
Beginn der Deportation gewarnt, obwohl diese von Czerniakow abgeleugnet wurde. Sie hatten
versucht, mit Geld die Aktion abzuschwächen. Sie hatten Literaten, Schriftstellern, Schauspie-
lern usw. Bescheinigungen ausgestellt, dass sie Mitarbeiter der Firma „Kohn und Heller“ seien.
Jedermann hatte gedacht, dass sie die Gemeinde übernehmen würden.
306 IX. Melody Palace
Massenmord auch an bildenden Künstlern und Schauspielern. Sehr viele von ihnen arbeiteten
im shop197 von Heinz Müller. Das Unglück traf sie, weil Dr. Stabenow, der im Umsiedlungs-
stab die Entscheidung hatte, ob ein shop auf der Liste blieb oder gestrichen wurde, d. h. diesen
shop liquidieren ließ.
Sie kamen in den shop und nahmen alle mit, darunter eben auch die bildenden Künstler und
Schauspieler. Schuld an der Ermordung unserer Maler, Bildhauer, Schauspieler usw. trugen
die Leiter der shops, die ausschließlich ans Geld in ihrer Tasche dachten und in die guten
shops nur Leute aufnahmen, die enorm viel dafür zahlen konnten. Da die Künstler kein Geld
hatten, mussten sie in schlechten shops Schutz suchen und wurden bei der ersten Gelegenheit
liquidiert.
Fast während der ganzen Aussiedlungszeit wurde im KOM198-Büro gearbeitet. Ein Teil der
Mitarbeiter des KOM war in shops untergekommen. Die, die geblieben waren, dienten wort-
wörtlich bis zur letzten Sekunde der jüdischen Gemeinde. Manch wertvoller Mensch wurde
dank ihrer Bemühungen gerettet; dem Büro wurden Informationen über die Verhaftung und
Verschleppung zum Umschlagplatz dieses oder jenes Schriftstellers, Malers, Schauspielers
oder Funktionärs gemeldet. Anfangs waren die Interventionen des KOM in diesen Fällen so-
gar noch erfolgreich. In den ersten Tagen legten sie noch Wert auf die öffentliche Meinung.
Bald jedoch mussten sich die Vertreter der öffentlichen Meinung (das KOM) ihr Einspruchs-
recht mit teuren „Geschenken“ beim Kommandanten des Umschlagplatzes, bei Szmerling
erkaufen. Der Verbrecher Szmerling mit einer ungeheuren Peitsche in der Hand. Er hat
sich die Gnade Jener (der Deutschen) erworben. Mehrmals hatte er Polizisten die Nummer
heruntergerissen, die Juden auf dem Umschlagplatz freiließen. Getreu führt er ihre Anordnun-
gen aus.
Silvester in Warschau. General von Sammern sollte heute in der Gemeinde sein. Spaßvögel
sprechen, ein „glückliches neues Jahr“ zu wünschen. Man will ein jüdisches Theater gründen.
1. Januar 1943
197 shop – Geschäft, Lager – Werkstätten von Handwerkern (Schuster, Schneider, Kappenmacher
u. a.), wurden seit Januar 1941 im Ghetto eingerichtet; Grundlage bildeten Maschinen und Werk-
zeug, die die Handwerker selbst mitbringen mussten. Ab Ende 1941 wurden die Betriebe von
deutschen Firmen übernommen. Für die Ghettobewohner war es jedoch entscheidend, hier eine
Anstellung zu finden; nur so konnten sie sich eine ärmliche Existenz sichern und – später – den
Transport nach Treblinka für einige Zeit verzögern.
198 KOM – Komitet Opiekunczy Miejski – Städtisches Fürsorgekomitee, Bezeichnung für Abteilun-
gen der Zydowska Samopomoc Spoleczna (ZSS), der „Jüdischen Sozialen Selbsthilfe“ in Städten.
IX. Melody Palace 307
ePIlog
Das Warschauer Ghetto existierte in seiner ursprünglichen Form vom 16. November 1940
bis 22. Juli 1942. Letzteres Datum bedeutet nicht die vollständige Liquidierung des Ghettos,
sondern den Beginn einer 7-wöchigen Aussiedlungsaktion, in deren Verlauf 75 % der
Juden, d. h. 265 000 Juden, ins Vernichtungslager Treblinka gebracht wurden („Wielka
Akcja“). Diese Deportationen dauerten – mit Unterbrechungen – bis 12. September 1942:
geschätzte Zahl der Juden, die auf die arische Seite gelangten: 8 000
geschätzte Zahl von im Ghetto verbliebenen Juden, illegal oder mit „Lebensnummern”:
35 000
199 Israel GutMann, Żydzi Warszawscy 1939 –1943, Warschau, 1993, 100, 273, 291–295.
308 Epilog
1. THEATERLEITUNG
2. AUTOREN
1 Angel, A. Eldorado
1 Blum, L. Kameralny
1 Frejman, I. Eldorado
1 Goldberg, S. Eldorado
1 Lewi, H. Eldorado
1 Majzel, J. Eldorado
1 Montgomery, J. Kameralny
1 Nachber Eldorado
1 Papiernikowa Eldorado
1 Rajzelman Eldorado
1 Szpirówna, S. Kameralny
Ryba, Jerzy „Jerry‟ Żywe Dziennik Nr. 1, Żywe Dziennik Café Sztuka
Kropka nad I.
3. REGIE
201 In der Anzeige GŻ 22.8.1941 führte lt. Programmzettel Dawid Herman Regie, „Reż.: w/g D.
Hermana.“ Barbara Engelking nennt Ajzyk Samberg als Regisseur vgl. Barbara EnGElkinG, Getto
Warszawskie, 638.
Verzeichnis der Akteure 319
Samberg, Ajzyk Got fun Nekume, Der Dybuk, Dus Grojse Nowy Azazel
Gewins, Der Karger, Der Szarlatan, Iszo Roo,
Bar Micwa, Duweds Fidele, Der Maskirter,
Sulamita
Sandler, Chaim Die Lustike Kapele, Motke Ganew, Hercer Nowy Azazel
zu farkojfen, Cwaj Ganowim, Man fur cwaj
Frojen, Nuch halbe Nacht
247 11 Rozenfarb, M.
102 4 Pałewska, H.
99 4 Zylberg, Jochewet
98 4 German, Gerszon
97 2 Szebego, Stanisław
96 3 Natan, Naomi
87 4 Wajnberg, Józef
83 2 Gersonówna, Bronisława
83 3 Hamburger, Dawid
79 3 Asman, S.
77 4 Łęczycka, Alina
71 3 Turkow, Jonas
69 1 Goldfluss, Rysio
69 1 Gotlib, Helena
69 2 Szeftel, Symcha
66 4 Rozencwajg, Chaim
Verzeichnis der Akteure 323
64 2 Winder, Meier
52 2 Dwoińska, Maria
47 1 Niedźwiecki, Alfons
46 2 Kac, M.
46 1 Lewi, Żak
46 2 Ostrowska, Helena
46 1 Uberman, Adam B.
45 4 Srebrzycki, Janusz
45 1 Wicher, Pinek
41 3 Goldenberg, Estera
39 1 Altman, Ludwik
39 1 Korn-Teuer, Igor S.
39 1 Wentland, Noemi
38 1 Kajzerowicz, Maria
37 1 Gran, Wiera
37 1 Karina, Zofia
37 1 Norski-Nożyca, Bołesław
37 1 Szklar, Zygmunt
37 1 Wajsfeld, J.
36 1 Malvano, Mario
27 1 Orleska, Miriam
26 1 Lodor, Niki
26 1 Marten, Mimi
25 1 Kon, Szlomo
324 Verzeichnis der Akteure
24 1 Hilsberg, Dvora
24 1 Kryńska, Ewa
24 1 Ler, Muni
23 1 Waks, C.
15 1 Lestan, Stanisław
6 1 Nisenzweig, R.
26.06.1942– Bajadera 27
20.07.1942
28.03.1941– Di Komediantke 39
12.11.1941 Rywkełe dem Rebens 38
Cype fun Nowolipie 39
A hajm far a mame 31
Unzer Rebeniu 27
Farkojfte Neszumes 23
Dus Kabaret Mejdł 23
344 Verzeichnis der Akteure
Di Komediantke 28.03.1941–30.04.1941 39
Bajadera 26.06.1942–20.07.1942 27
lIteratur
bauEr, Yehuda, American Jewry and the Holocaust: The American Jewish Joint
Distribution Committee 1939 –1945, Detroit, Wayne State University Press, 1981.
JockhEck, Lars, „Vom Agenten zum Kollaborateur? Die Zusammenarbeit des jüdischen
Publizisten Fritz Seifter aus Bielitz mit deutschen Behörden in den 1930er und 1940er
Jahren,“ in: Joachim taubEr (Hg.), „Kollaborationen“ in Nordosteuropa: Erscheinungs-
formen und Deutungen im 20. Jahrhundert, Wiesbaden, Harrassowitz, 2006, 192–205.
kapłan, Chaim, Buch der Agonie: Das Warschauer Tagebuch des Chaim A. Kaplan,
herausgegeben von Abraham I. Katsh, Frankfurt a. M., Insel Verlag, 1967.
350 Literatur
turkow, Jonas, C’était ainsi: 1939 –1943 la vie dans le ghetto de Varsovie, Paris,
Austral, 1995.
Literatur 351
Abb. 19: Eingang des Theater Eldorado mit Plakaten von Rywkełe dem rebens.
Quelle: Bundesarchiv, Bild 1011-134-0771A-22 / Zermin, Sommer 1941.
Abb. 20: Eingang des Theater Eldorado mit Plakaten von Rywkełe dem rebens
(Ausschnitt).
Quelle: Bundesarchiv, Bild 1011-134-0771A-22 (Ausschnitt) / Zermin,
Sommer 1941.
Abb. 21: Szene aus Rywkełe dem rebns (Premiere 2. Mai 1941).
Quelle: Bundesarchiv, Bild 101l-134-0771A-28 / Zermin, Mai 1941.
Abb. 23: Szene aus Rywkełe dem rebens. Am Pult Arnold Wolsztejn.
Quelle: Bundesarchiv, Bild 101l-134-0771A-25 / Zermin, Mai 1941.
Verzeichnis der Abbildungen 353
Abb. 29: Freikarte für Emanuel Ringelblum anlässlich der Premiere des ersten Stückes
In Rejdł im Teatr Eldorado.
Quelle: Bild 060508_55 Ringelblum. Mit freundlicher Genehmigung Jewish
Historical Institute in Warsaw, Poland.
Abb. 33: Straßenhändler, rechts Verkäufer von Armbinden mit Davidstern; rechts oben an
der Hausmauer ein Azazel-Plakat, teilweise überklebt von einer „Anordnung.“
Quelle: Bundesarchiv, Bild 101I-134-0782-20 / Ludwig Knobloch.
Abb. 37: Nowy Teatr Azazel, Ajzyk Samberg in Wielka wygrana (Dus grojse gewins).
Quelle: Bild 6459. Mit freundlicher Genehmigung Ghetto Fighters’ House
Muzeum, Israel / Photo Archive.
Abb. 41: Statisten als Publikum vor dem Eingang des Teatr Nowy Azazel.
Quelle: http://warsawid.blogspot.com/2015/09/jency.html. [13.04.2020]
Jency / Warszawa Identyfikacja.
Abb. 42: Statisten als Publikum im Zuschauerraum des Teatr Nowy Azazel.
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=FrfQnUMZFzA (Videostill).
[13.04.2020]
Abb. 45: Eingang zum Kino Femina, al. Solidarnosci 115, Warsawa.
Foto: Adrian Grycuk
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Femina_Cinema_in_
Warsaw#/media/File:Kino_Femina_w_Warszawie_01.JPG [07.04.2021]
Verzeichnis der Abbildungen 355
Abb. 56: Letzte Ankündigung für Droga do Szczescia im Nowy Teatr Kameralny.
Quelle: GŻ/87/6/1942, Freitag 24.07.1942.
Abb. 62: Emanuel Ringelblum, Historiker, Initiator und Leiter des Untergrundarchivs
Oneg Schabbat
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Emanuel_Ringelblum#
/media/File:EmanuelRingelblum_1900-1944.jpg [07.04.2021]
Abb. 64: Transport nach Treblinka vom Umschlagplatz im Warschauer Ghetto, 1942.
Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/47/Umschlag-
platz_loading.jpg [07.04.2021]
Abb. 66: Treblinka death camp in Poland. railway sign at Yad Vashem, CC By-SA 3.0
Foto David Shankbone.
Quelle: railway sign at yad Vashem, CC By-SA 3.0.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Treblinka_Concentration_Camp_sign_
by_David_Shankbone.jpg [07.04.2021] Foto: David Shankbone
PersonenregIster
92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 101, 111, 113, Fostel, Symcha / Symche
114,115, 116, 117, 119, 124, 125, 127, 130, Schauspieler, am 3. November 1943 bei der
131, 132, 135, 317, 318, 321, 326 Aktion „Erntefest“ in Majdanek erschossen
Czałczyńska, Sylwia 24, 26, 30, 31, 63, 82, 83, 87, 98, 102, 103,
Schauspielerin 146, 149, 152, 154, 155, 104, 105,106,107, 108, 113, 125, 126, 127,
156, 159, 160, 162, 163, 164, 165, 166, 129, 132, 133, 134, 135, 146, 149, 167, 168,
167, 169, 171, 321 169, 170, 171, 172,173, 174, 175, 177, 178,
Czerniakow, Adam 181, 182, 189, 190, 191, 233, 283, 285, 292,
Vorsitzender des Judenrats (1939 –1942), 294, 297, 298, 299, 300, 301, 302, 303, 304,
beging im Juli 1942 Selbstmord 18, 19, 38, 321, 327
59, 61, 62, 76, 125, 30 Fridman, Mieczysław
Czerwiński, Herman Verwaltungsdirektor 283, 285, 311
Theaterkritiker, Ende 1942 verstorben 19, Furmański, Adam
27, 30, 31, 40, 42, 43, 44, 45, 46, 48, 51, Dirigent 204
52, 60, 62, 63, 78, 79, 81, 143, 144, 169,
197, 220, 224, 233, 243, 262, 267, 284 Garbarz, Fela
Schauspielerin, im Warschauer Ghetto
Dicksztejn, Anna verstorben 81, 83, 91, 94, 95, 96, 97, 102,
Pianistin 294, 295 103,104,105, 112, 113, 115, 320, 327
Drybińska, Irena Gazel / Gazelówna, Róża
Schauspielerin 138, 141, 199, 208,209, Schauspielerin 31, 146, 149, 140, 152, 155,
210, 211, 212, 213, 226, 227, 235, 237, 156, 157, 158, 159, 162, 163, 164, 165, 166,
238, 328, 326 167, 168, 169, 170, 171, 172, 173, 174, 184,
Dwoińska, Maria 186, 187, 188, 190, 191, 320, 327
Schauspielerin 138, 140, 141, 200, 205, German, Gerszon
219, 220, 323, 327 Schauspieler, in Treblinka vergast 43, 146,
149, 176, 199, 222, 228, 229, 230, 245, 252,
Elsztejn, M. 253, 254, 265, 322, 328, 351
Komponist 90, 97, 98, 131, 343 Gersonówna, Bronisława
Erwest, Ida Schauspielerin 245, 261, 262, 265, 268, 322,
Schauspielerin, Sängerin 24, 182, 292 328
Gladsztejn, Izrael
Fajwiszys, Izrael Musik- und Gesangslehrer, 1942 in Treblinka
Musiker und Chorleiter, 1943 im SS-Lager vergast 84, 88, 90, 343
Poniatowa ermordet 88, 343 Gliczyński, Marian
Fakiel / Fakielnówa, Dora Schauspieler 216, 217, 244, 245, 248, 249,
Schauspielerin, 1943 im SS-Lager 258, 260, 261, 262, 265, 266, 268, 321, 328
Poniatowa ermordet 82, 110, 111, 113, Gold, Artur
119,121, 126, 127, 177, 178, 281, 283, Leiter der Artur Gold Combo, 1943 in
294, 322, 327, 353 Treblinka vergast 70, 302, 303
Falk, Ada Goldberg, S.
Schauspielerin 122, 123 Autor 76, 79, 84, 114, 115, 313, 314
Feyerman / Frajman, A. Goldenberg / Goldinberg, Estera
Theaterbesitzer, Mäzen 142, 145, 311 Schauspielerin, April 1943 in einem Bunker
Firstenberg, Fela während des Ghettoaufstandes ermordet)
Schauspielerin 294, 295 8, 22, 82, 88, 89, 110, 111, 323, 328
Personenregister 359
Goldfaden, Abraham 257, 258, 259, 273, 274, 275, 312, 315,
Autor 144, 147, 168, 169, 173, 175, 181, 344, 355
190, 312, 314 Herman, Dawid
Goldfluss, Rysio Regisseur 147, 158, 160, 188, 317, 318
Schauspieler 245, 248, 249, 322, 328 Hilsberg, Dvora
Goldstadt, Irena Schauspielerin 146, 149, 155, 156, 324, 329
Schauspielerin 294, 295 Hinterhof, Maria
Gordin, Jakub Mikhailovich Schauspielerin 61, 66, 67, 122, 123, 137,
Autor 7, 17, 55, 78, 88, 89, 147, 168, 242, 138, 139, 141, 177, 178, 243, 245, 258, 265,
242, 245, 248, 249, 277, 278, 312, 315 268, 274, 275, 285, 299, 204, 222, 229
Gotlib, Helena Hirszfeld, Józef
Schauspielerin 20, 245, 248, 322, 328 Konzessionsinhaber 12, 198, 283, 285, 311
Gran, Wiera Holska, Ina
Schauspielerin und Sängerin, hat überlebt Tänzerin 84, 94, 95, 122, 123, 206, 214,
20, 25, 26, 64, 84, 200, 201, 205, 208, 209, 215, 341, 342
210, 235, 294, 302, 303, 323, 328
Grochowska, Ina Jawerbaumówna, Fela
Schauspielerin 200, 213, 237, 238, 244, Schauspielerin 82, 104, 105, 106, 108, 110,
245, 251, 253, 254, 256, 257, 259, 260, 111, 112, 113, 116, 117, 322, 330
261, 262, 265, 266, 268, 294, 295, 320, Judtowa, Regina
329 Konzessionsinhaberin 12, 31, 76, 77, 79,
Grodzieńska, Stefania 142, 145, 311
Schauspielerin und Autorin, hat überlebt Jurandot, Jerzy
25, 84, 177, 178, 195, 198, 200, 201, 205, Autor, künstlerischer Leiter, Dramaturg,
206, 208, 209, 210, 211, 212, 213, 214, Regisseur 195, 196, 197, 198, 201, 202,
215, 216, 217, 219, 220, 221, 222, 225, 203, 208, 209, 210, 211, 212, 213, 215,
226, 227, 229, 230, 231, 232, 233, 235, 216, 217, 219, 220, 221, 222, 225, 226,
237, 238, 240, 287, 294, 302, 313, 315, 227, 228, 231, 232, 233, 234, 235, 237,
321, 329, 349 239, 240, 283, 284, 294, 311, 312, 315,
Grynspan, Icchak 317, 318, 349
Schauspieler 283
Grynszpan, Jakub Kac, M.
Schauspieler 25, 27, 81, 90, 91, 93, 94, Schauspieler 146, 149, 158, 160, 162, 163,
95, 96, 97, 110, 111, 112, 113, 115, 116, 323, 330, 354, 355
124, 125, 320, 329 Kajzerowicz, Maria
Schauspielerin 82, 96, 97, 323, 330, 367
Halpern, Herman Kalmanowicz, A.
Schauspieler 9 Autor 135, 144, 147, 148,, 164, 165, 189
Hamburger / Hamburgier, Dawid Kalmanowicz, Zelig
Schauspieler 9, 146, 149, 152, 158, 160, Autor 79, 84, 89, 90, 96, 97, 98, 103, 104,
163, 322, 329 105, 113, 114, 118, 131, 133, 312, 315
Hamerman, I. Kagan, Jakub
Musikalischer Leiter 269, 270, 271, 280 Orchesterleiter 302, 303, 367
Hemar, Marian (Hescheles, Jan Marian) Karina, Zofia
Autor, hat überlebt 20, 196, 201, 205, 208, Schauspielerin 122, 123, 200, 208, 209, 211,
210, 218, 226, 235, 239, 243, 245, 256, 235, 323, 330
360 Personenregister
156, 159, 162, 164, 166, 167, 169, 170, 171, Stański, Stanisław
172173, 174, 320, 336 Regisseur, Schauspieler 65, 122, 123, 124,
Samberg, Ajzyk 177, 178, 195, 199, 201, 208, 209, 210,
Künstlerischer Leiter, Regisseur, am 211, 212, 213, 214, 215, 216, 217, 233,
7. November 1942 im Lager Poniatowa 235, 237, 238, 317, 322, 338
ermordet 9, 22, 26,26, 30, 31, 41, 45, 49, Steinberg / Stenberg, Izio
63, 75, 76, 79, 85, 88, 89, 107, 124, 125, Autor 41, 78, 111, 112, 116, 117, 123, 312,
144, 145, 146, 147, 148, 149, 157, 158, 316
159, 162, 163, 164, 165, 166, 168, 169, Świeca, Mieczysław
170, 171, 172, 173, 174, 175, 187, 188, Schauspieler 245, 264
189, 190, 191, 302, 303, 311, 317, 318, Szebego, Stanisław
319, 320, 337, 353, 354 Schauspieler 245, 247, 252, 253, 254, 256,
Sandler, Chaim 257, 260, 261, 262, 265, 268, 270, 271, 322,
Theaterdirektor, künstlerischer Leiter, 338
Regisseur, Schauspieler, am 3. November Szeftel, Symcha
1943 bei der Liquidierung des Arbeits- Schauspieler 9, 82, 96, 97, 112, 113, 124,
lagers Trawniki ermordet 6, 9, 12, 47, 322, 338
142, 144, 145, 146,147, 148, 149, 150, Szeps, Stanisław
151, 152, 154, 155, 156, 157, 158, 159, Schauspieler 294
160, 164, 165, 166, 167, 168, 169, 170, Szklar, Zygmunt
171, 172, 173, 174, 175, 177, 179, 184, Schauspieler 137, 138, 139, 141, 323, 338
185, 186, 187, 188, 189, 190, 191, 311, Szpilman, H.
317, 319, 320, 321, 337 orchesterleiter 294, 295
Sandlerówna / Sandler, Róża / Roza / Rosa Szpirówna, S.
Schauspielerin 146, 150, 151, 152, 154, Autorin 244, 264, 314, 316
157, 158, 159, 170, 171, 172, 173, 174, Sztokfeder, Ewa
175, 320, 337 Schauspielerin 22, 81, 83, 88, 89, 93, 94,
Schlechter, Emanuel (“Olgierd Lech”) 95, 96, 97, 101, 110, 111,113, 114, 115,
Autor 201, 226, 227, 313, 316 119, 121, 124, 127, 320, 338
Schor / Schorr, Mojżesz Szwarc, Rubin
Autor 286, 300, 304, 313, 316 Bühnenbildner 243, 245, 249, 272, 347
Segałowicz, Klara
Schauspielerin, 1942 im Pawiak-Gefängnis Tur / Cwibak / Tur-Kozłowski, Artur
erschossen 7, 22, 107 Autor 137, 139, 140, 311, 312, 316
Sekunda, Szymon Turkow, Jonas / Jonasz
Komponist 41, 84, 94, 95, 102, 112, 115, Regisseur, Schauspieler, hat überlebt
116, 117, 343 7, 9, 13, 22, 23, 31, 43, 44, 49, 50, 78,
Somer, J. 138, 142, 147, 148, 181, 182, 196, 199,
Komponist 84, 91, 93, 343 200, 201, 223, 224, 245, 269, 270, 271,
Spolański, M. 279, 280, 317, 319, 322, 350
Musiker 264, 270, 271, 280, 345 Turkow, Zygmunt
Srebrzycki, Janusz Regisseur, Theaterleiter 7, 45
Schauspieler 43, 199, 219, 220, 223, 224, Tykociński, M.
228, 229, 230,231, 232, 323, 337 Dramaturg 297, 298, 299, 314, 316
Stańska, Stefania
Schauspielerin 199, 211
364 Personenregister
stückeregIster
A Hajm far a Mame 79, 82, 83, 84, 85, 86,121, 122 136, 146,
(Zelig Kalmanowicz) 16, 45, 78, 84, 86, 199, 319, 327, 330, 331, 333, 335, 338, 340,
103, 104, 105, 106, 133, 134, 135, 315, 341, 346, 353
319, 325, 327, 330, 331, 335, 339, 340,
343, 346 Der Dybuk
(Szalom An-ski) 144, 146, 147, 148, 149,
Bajadera 158,159, 160, 161,188. 243, 313, 318, 319,
(Emerich Kálmán, Adaption Jerzy Jurandot) 330, 332, 333, 334, 337, 339, 347, 354
17, 27, 42, 195, 198, 199, 200, 202, 205, Der Karger
206, 207, 231, 232, 233, 240, 318, 329, (Molière, Adaption Aron Ajnhorn) 144, 147,
330, 333, 334, 335, 336, 338, 342, 344, 149, 165, 189, 314, 315, 319, 324, 326, 328,
345, 347, 355 336, 337, 339
Bar Micwa Der Maskirter
(B. Tomaszewski) 144, 150, 171, 172, (W. Sigał) 147, 150, 173, 174, 191, 316,
319, 324, 326, 327, 328, 332, 336, 337, 319, 327, 328, 332, 336, 337
339 Der Szarlatan
Batalion Humoru (Jakub Mikhailovich Gordin und
(Marian Hemar) 29, 82, 195, 197, 199, Abraham Goldfaden) 144, 147, 150, 168,
200, 201, 205, 206, 207, 208, 209, 210, 190, 314, 319, 327, 328, 328, 337
211, 212, 232, 235, 236, 237, 315, 318, Di freiliche Mechutonim
319, 325, 326, 328, 329, 330, 332, 333, (Zelig Kalmanowicz) 16, 45, 59, 82, 84, 86,
334, 338, 342, 344, 345 118, 119, 315, 318, 326, 327, 331, 333, 335,
338, 340
Cu szpejt Di grine Kale
(Mojsze Richter) 147, 150, 169, 170, 316, (A. Angel) 79, 84, 86, 114, 135, 314, 318,
324, 327, 328, 332, 336, 337, 339 326
Cwaj Ganowim Di Idysze Chasene
(A. Kalmanowicz) 44, 47, 144, 147, 148, (Igor S. Korn-Teuer) 50, 83, 142, 284, 185,
149, 164,165, 189, 315, 319, 326, 327, 186, 297, 298, 304, 315, 316, 318, 325, 327,
332, 333, 336, 337 332, 340, 342, 345
Cype fun Nowolipie Di Inge Rebecn
(Igor S. Korn-Teuer) 86, 98, 102, 103, 315, (S. Goldberg) 45, 79, 82, 84, 114, 115, 314,
319, 323, 325, 327, 330, 331, 335, 339, 318, 325, 326, 327, 329, 335, 338, 339, 340
340, 341, 343, 346 Di Komediantke
Cypke Fajer (H. Lewi) 86, 94, 95, 96, 315, 318, 326, 327,
(J. Sigal) 27, 45, 79, 84, 85, 86, 118, 316, 329, 335, 338, 339, 341, 343, 346
334, 340 Di Mazeldyke Chasenene
(Zelig Kalmanowicz) 45, 78, 84, 86, 89, 90,
Der Dorfs Jung 124, 315, 318, 325, 326, 329, 331, 336, 339,
(Leon Kobryn) 8, 27, 42, 48, 49, 75, 78, 343, 346
366 Stückeregister
199, 200, 201, 202, 205, 206, 207, 216, Pan hrabia to ja
217, 218, 219, 233, 238, 315, 316, 318, (Adaption Jerzy Jurandot) 197, 200, 202, 207,
329, 331, 333, 334, 338, 344, 345, 347 222, 315, 318, 329, 330, 331, 333, 335, 336
Pieśniarze
Libe und Farrat (Andrej Marek) 16, 17, 41, 244, 245, 236,
(Adaption Igor S. Korn-Teuer) 144, 146, 247, 262, 263, 265, 266, 267, 277, 278, 318,
147, 150, 166, 167, 168, 189, 324, 326, 325, 328, 329, 330, 331, 333, 334, 336, 339,
327, 328, 332, 334, 336, 337, 339 347
Pocałunek przed lustrem
Man fur cwaj Frojen (László Fodor,
(I. Żołaterewski) 144, 147, 149, 165, 317, Adaption Jonas Turkow) 17, 244, 245, 247,
319 269, 279, 325, 338
Matura Potęga pieniądza
(László Fodor) 197, 200, 201, 207, 223, (J. Montgomery) 243, 245, 247, 259, 260,
224, 225, 326, 239, 314, 319, 325, 330, 261, 275, 276, 316, 318, 324, 325, 328, 329,
331, 333, 334, 335, 336, 338, 355 330, 331, 333, 334, 336, 339, 340
Miłość szuka mieszkania
(Jerzy Jurandot) 19, 32, 33, 197, 200, 201, Róża Stambułu
206, 207, 220, 221, 239, 315, 318, 329, (Leo Fall) 40, 197, 199, 200, 201, 202, 204,
332, 333, 335, 339 205, 206, 207, 219, 220, 239, 318, 327, 329,
Mirla Efros 330, 332, 333, 337, 344, 347
(Jakub Mikhailovich Gordin) 11, 15, 18, Rywkełe dem Rebens
27, 38, 50, 55, 56, 199, 242, 243, 244, 245, (Zelig Kalmanowicz) 27, 45, 78, 80, 82, 84,
246, 247, 248, 249, 250, 251, 253, 270, 97, 324, 325, 326, 327, 329, 330, 335, 338,
272, 273, 315, 318, 328, 331, 333, 334, 339, 341, 343, 352, 353
335, 336, 339, 340, 347
Moje żony mnie zdradzają Skarb pod latarnią
(Laurent Doillet) 15, 17, 18, 243, 245, (Marian Hemar) 13, 15, 243, 245, 246, 247,
246, 247, 241, 252, 253, 254, 256, 260, 256, 257, 260, 273, 274, 275, 315, 318, 325,
270, 273, 325, 328, 329, 334, 340, 355 329, 334, 336, 338, 340
Motke Ganew Sprawa przy drzwiach zamkniętych
(Chaim Sandler) 17, 45, 143, 147, 149, (B. Weiler) 14, 15, 16, 17, 27, 42, 43, 197,
152, 154, 155, 156, 185, 186, 314, 319, 199, 200, 206, 207, 229, 230, 316, 318, 328,
324, 326, 329, 332, 333, 334, 336, 337, 329, 330, 333, 334, 335, 336, 338, 339, 347
344, 346 Sulamita
(Abraham Goldfaden) 8, 9, 42, 144, 146,
Nuch Halbe Nacht 147, 148, 150, 175, 176, 181, 199, 314, 319,
(Igor S. Korn-Teuer) 27, 142, 144, 147, 327, 333, 337, 341, 354
148, 149, 150, 177, 315, 319 Szachne wi lojfste
(unbekannt) 50, 284, 285, 286, 297, 299,
Od gminy do Feminy 300, 327, 329, 332, 340, 342, 345
(Jerzy „Jerry“ Ryba) 80, 81, 197, 199, Szafa gra!
200, 201, 205, 206, 207, 213, 214, 215, (Julian Tuwim) 29, 80, 81, 196, 197, 198,
216, 237, 239, 315, 316, 317, 318, 326, 199, 200, 201, 205, 207, 211, 212, 232, 336,
329, 330, 332, 333, 334, 338, 342, 344, 237, 314, 316, 317, 325, 326, 329, 331, 332,
345, 347 333, 338, 342, 344, 345
368 Stückeregister
Szaleństwo na Pięterku 107, 108, 109, 125, 134, 135, 314, 319,
(Artur Tur) 27, 138, 139, 140, 316, 318, 324, 325, 327, 330, 331, 335, 339, 340,
340, 341, 344, 346 343, 346
Szczęśliwe dni
(Claude André Puget, Wiosna Idzie
Adaption S. Szpirówna) 42, 243, 245, 247, (Artur Tur) 137, 139, 316, 318, 329, 338,
264, 316, 318, 345 340, 341, 344, 346
Wus Majdłech Darfn Wisn!
Tylko dla dorosłych (Izio Steinberg) 45, 79, 83, 84, 86, 116,
(Jerzy „Jerry“ Ryba) 42, 197, 200, 206, 117, 316, 316, 325, 326, 330, 333, 334,
207, 226, 227, 315, 316, 318, 325, 326, 335, 341, 343
329, 330, 332, 333, 335, 336, 342
Znicz na Pięterku
Unzer Rebeniu (Artur Tur) 138, 139, 141, 199, 200, 316,
(I. Frejman) 45, 78, 82, 83, 84, 86, 105, 106, 318, 326, 327, 330, 339, 340, 341, 344, 346